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Auf dem Bau läuft die Ökowende an – doch Bauen mit Holz hat seinen Preis

Buggi 52: Das achtgeschossige Gebäude aus der Feder von Weissenrieder Architekten wurde an der Bugginger Straße von Holzbau Bruno Kaiser ab dem 1. Obergeschoss komplett in Holzbauweise gebaut.

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Mit Holz auch hohe Hütten

Die Ökowende auf dem Bau läuft an

Fotos: © Weissenrieder Architekten BDA I n Freiburg wurde vor acht Jahren die Zukunft eingeweiht. Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband zog in seine neue Zentrale ein, in vier Stockwerke aus Holz. Außen Fichte, innen Weißtanne – alles aus der Region. Rund um Freiburg, im Schwarzwald, war Holz jahrhundertelang der Baustoff gewesen – heute dominieren in Städten und selbst Dörfern meist Betonbauten. Deswegen wirkt das „Haus der Bauern“ fast schon wie eine Trutzburg. Als würde es seinen umliegenden Beton-Brüdern mitteilen: Seht mich an, es geht auch ökologischer. Es geht doch auch mit Holz!

Der Weltklimarat rechnet aus, dass jährlich drei Milliarden Tonnen CO2 auf die Produktion von Zement zurückgehen. Das sind rund zehn Prozent der von Menschen ausgestoßenen Treibhausgase. Da davon auszugehen ist, dass die Bevölkerung weiter wächst und diese weiterhin in Häusern leben will, werden auch künftig viele Häuser gebaut werden (müssen). Wenn es nach einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) geht, vermehrt mit: Holz. „Bäume entziehen unserer Atmosphäre CO2 und wandeln es in Sauerstoff zum Atmen und in Kohlenstoff im Baumstamm um, den wir nutzen können“, schreibt Hans Joachim Schellnhuber, emeritierter Direktor des PIK. „Wenn wir das Holz zu modernen Baumaterialien verarbeiten und die Ernte und das Bauen klug managen, können wir uns ein sicheres Zuhause auf der Erde bauen.“ Stefan Krötsch, Professor für Baukonstruktion an der Hochschule Konstanz (HTWG), lobt neben der positiven Klimabilanz auch das „Substitutionspotential“ von Holz: „Es kann sehr viele – fast alle – Baustoffe ersetzen, die mit hohem Energieaufwand hergestellt werden müssen – Beton, Stahl, Ziegel.“ Außerdem habe Holz kein Abfallproblem. „Während Bauschutt 60 Prozent unseres Abfalls ausmacht, teilweise hochgiftig ist, ist Holz nach Ablauf seines Einsatzes immer noch ein CO2-neutraler Brennstoff oder verrottet ohne schädliche Rückstände.“ Der Freiburger Projektentwickler Willi Sutter sagt: „Eine ökologische Wende in der Baubranche gelingt nur, wenn ein großer Teil der Häuser künftig in Holz gebaut wird.“ Natürlich hat der Projektentwickler auch ein großes Interesse daran, dass ordentlich mit Holz gebaut wird, schließlich planen und entwerfen (und verdienen ihr Geld damit) er und seine Mitarbeiter vom Freiburger Planungsbüro Sutter3 genau das: Holzhäuser. Eines seiner bekanntesten Werke der jüngeren Vergangenheit: das Buggi 52. Das achtstöckige Hochhaus im Freiburger Stadtteil Weingarten ist ein geeignetes Beispiel dafür, wie sich der Holzbau in den vergangenen Jahren

entwickelt hat – und wohin es noch gehen kann. Denn plötzlich schießen Holzhäuser auch in die Höhe. Um einmal über den Tellerrand zu blicken: In Wien haben sie das „Hoho“ errichtet, ein Holzhaus mit 84 Metern Höhe. In Berlin-Kreuzberg ist ein noch höheres geplant – mit 29 Geschossen. In München ist der Prinz-Eugen-Park entstanden, eine ökologische Siedlung mit 600 Wohneinheiten in Holzbauweise, die jüngst den Deutschen Holzbaupreis 2021 abgesahnt hat. Zurück zum Buggi 52 in Freiburg. Die Bruno Kaiser GmbH aus Bernau war für den kompletten Holzbau des Gebäudes zuständig – und hat es nahezu vollständig in der eigenen Fabrikhalle entworfen. Mit Hilfe von riesigen CNC-Anlagen – dem Thermomix der Holzbaubranche – haben Mitarbeiter das Haus maßgeschneidert. Die Maschine sägt auf Anweisung von Computerprogrammen die Holzbalken zurecht, bastelt sie zu Holzrahmen zusammen, beplankt die eine Seite, baut die Elektronikanschlüsse und -kabel ein, füllt die Innenräume mit Dämmmaterial, beplankt die andere Seite, dekoriert die Wände mit Fenstern und Jalousien. Diese Vorleistungen in der Fabrikhalle helfen, den Aufbau auf der Baustelle zu verkürzen. Gerade mal eine Woche, sagt Geschäftsführer Herbert Duttlinger, habe man für ein Stockwerk gebraucht. Nach knapp acht Wochen ragte das Buggi 52 – in dem selbst der Aufzugsschacht und das Treppenhaus aus Holz sind – 25 Meter in die Höhe, im Oktober zogen die 30 Mieter ein. Kurze Lieferwege, Bau mit heimischen Materialien, die CO2 einspeichern, Gebäude, die komplett FSCE-zertifiziert sind: So stellt sich Sutter die Zukunft der Baubranche vor. Aber ist dafür überhaupt genügend Material da? Schließlich brauchen Wälder ja auch das ein oder andere Jahr, um erst mal nachzuwachsen – einen Kahlschlag wegen ein paar Häuserchen möchte niemand. Stefan Krötsch von der HTWG Konstanz rechnet vor: Circa ein Drittel Deutschlands ist bewaldet, EU-weit hat man den größten Holzvorrat – 3,7 Milliarden Kubikmeter. Von rund 80 Millionen Kubikmetern Holz, die in den hiesigen Wäldern jährlich heranwachsen, werden 70 geerntet, der Rest vermehrt den Holzvorrat. Unterm Strich: „Mit weniger als der Hälfte dieser Jahresholzernte könnten sämtliche Neubauvorhaben Deutschlands in Holz errichtet werden. Wir haben also genug Holz für Holzbauten.“ Die Zukunft scheint eingeläutet – immer mehr setzt die Baubranche auf Holz. Das Handelsblatt bezeichnete den Baustoff Holz jüngst als „Material der Stunde“. Sascha Gehring und Heiko Dietzenbach haben das im vergangenen Jahr erkannt – und in Windeseile eine Firma aufgebaut: die Holzhausfabrik in Breisach. Künftig möchte das Unternehmen seinen Kunden individuelle Fertighäuser aus Holz maßschneidern und errichten. Bisher hat die Holzhausfabrik noch kein einziges Holzgebäude gebaut. „Die Auftragsbücher“, sagt Sascha Gehring, „sind für dieses Jahr aber schon voll.“ Christian Engel

Das Kreuz mit dem Holz

Das Freiburger Rathaus will in diesem Jahr zum ersten Mal einen Holzbaupreis vergeben. Bauen mit Holz ist landauf, landab und auch im Gemeinderat ein astreines Thema. Es scheint so, als gäbe es nur die schöne Seite der Medaille. Wer aber mit Bauherren oder Baudamen spricht, die gerade an Holzbauten arbeiten, blickt in viele genervte Gesichter. Und die Stadtverwaltung selber ist es, die gerade still und leise ein großes Holzprojekt aufgegeben hat. Die Preise für Bauholz haben sich 2021 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Und sie steigen weiter, wie der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, Felix Pakleppa, unlängst dem SPIEGEL erzählt hat. Damit liegt der nachwachsende Rohstoff an der Spitze der enormen Preistreiberei bei den Baustoffen. Stahl (plus 70 Prozent), Dämmstoffe (+40) machen den Aufstieg auf Rekordhöhen kräftig mit. Holz ist im Vergleich zu vorpandemischen Zeiten auch viel schwerer zu bekommen, die Lieferfristen sind ellenlang. Wer bezahlbare Mieten will, darf in diesen Zeiten seinen Finger beim Holzbau eigentlich gar nicht heben. Denn Bauen mit Holz ist teuer, und hohe Baukosten bringen hohe Mieten mit sich. Das hat die Stadtverwaltung unlängst am eigenen Leibe gespürt. Sie hatte sich beim geplanten zweiten Rathaus im Stühlinger Geschossdecken aus Holz anbieten lassen. Diesen Plan aber nach Sichtung der Zahlen schnell wieder in die – vermutlich aus Pressspan gefertigte – Schublade gelegt. Das bestätigt ein Rathaussprecher auf Anfrage: „Die Grundrissgeometrie des Gebäudes wäre für einen Holzbau mit großem seriellen Vorfertigungsrad schwierig, sie würde den Herstellungspreis im siebenstelligen Bereich verteuern.“ Anders ausgedrückt: Mit dem guten alten Stahlbeton sind Millionen Euro Steuergelder zu sparen. Baubürgermeister Martin Haag erzählt in der Redaktion, dass eine runde Form mit Holz „schwieriger darzustellen“ ist. Wenn man mit Holz bauen wolle, müsse man das gleich im Entwurfsstadium optimieren. Übrigens: Wer etwa wie beim schon namentlich durchaus prädestinierten Neubaugebiet Kleineschholz glaubt, dass 550 Wohnungen in Holzbauweise erstellt werden könnten, sollte erst einmal das Potenzial in der Region erkunden. Gibt es überhaupt genug Holz? Gibt es ausreichend Kapazitäten bei den Sägen? Gibt es genug Baufirmen, Zimmermannsbetriebe, Brandschutzsachverständige oder Statiker, nicht zuletzt auch genug Fachkompetenz in den Baurechtsbehörden, die das Knowhow haben, Holzhäuser zu genehmigen und zu realisieren? Natürlich kann Freiburg einen Holzbaupreis vergeben, um für den Werkstoff zu werben. Bauen mit Holz hat aber auch ohne seinen Preis. Lars Bargmann

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