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Interview Prof. Dr. Matthias Ballestrem & Tim Simon Meyer
FG Architektur und experimentelles Entwerfen, HCU Hamburg
Nach seinem Architekturstudium an der TU Berlin arbeitete Dr. Matthias Ballestrem in verschiedenen Architekturbüros. 2006 machte er sich mit dem Studio Ballestrem selbstständig und arbeitete als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Baukonstruktion und Entwerfen von Prof. Regina Leibinger am Institut für Architektur der TU Berlin. Ballestrem erhielt ein Stipendium an der Deutschen Akademie Villa Massimo, Roma, seine Promotion erfolgte im Jahr 2013 mit dem Thema „Nebenbei Raum“. Er lehrte an verschiedenen Universitäten in Ithaca (USA), Collevecchio (Italien), Berlin (Deutschland) und ist seit 2017 Gastprofessor an der HCU Hamburg. Tim Simon Meyer studierte Architektur an der Universität der Künste in Berlin und der an der Universidade Autonóma in Lissabon. Ab 2015 unterrichtete als Wissenschaftliche Mitarbeiter an der TU München. Aktuell promoviert er und lehrt am Fachgebiet von Matthias Ballestrem an der HafenCity Universität in Hamburg. Sein Architekturbüro JQTS agiert zwischen Lissabon und Hamburg.
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A & C: Wir würden gerne wissen, was euer Bezug zu Design-Build ist. Ihr seid beide an der HCU, aber Tim, deine Projekte waren nicht immer in diesem Kontext oder?
Tim Simon Meyer: Meine Partner:innen und mich begleiten diese Art der Projekte im Büro von Anfang an in unserer Praxis. Schon bei unserem ersten Projekt haben wir den gesamten Prozess durchlaufen, von der Planung, Grundstücksfindung, Bauherrenfindung bis zur Umsetzung. Das haben wir über die ganzen Jahre unserer Praxis auch weiterverfolgt. Anfangs haben wir es zu zweit oder mit zwei, drei Helfer:innen realisiert. Wir haben auch immer mal wieder Studierende hinzugezogen. Seitdem wir an der HCU sind, haben wir eigentlich in jedem Sommer eine Art von Design-Build-Projekt gemacht.
A & C: Kommen die Projekte dann mehr aus dem Büro mit dazu geholten Studierenden oder werden die im universitären Kontext entwickelt?
Tim Simon Meyer: Sowohl als auch, da gab es alle möglichen Formate. Formate, in denen wir den Entwurf im Vorfeld mehr oder weniger definiert und dann das Projekt - mit den Studierenden - innerhalb einer zweiwöchigen Summer School umgesetzt haben. Natürlich gibt es dann vor Ort noch spezifische Anpassungen wie beispielsweise die genaue Position oder Dimension. Jetzt aber, an der HCU, haben wir auch Formate umgesetzt, in denen wir innerhalb der Summer School mit den Studierenden den Entwurf entwickelt und dann umgesetzt haben.
Prof. Ballestrem: Bezogen auf das Design-Build-Format treffen Tim und ich uns an dem Punkt, dass es
für uns in erster Linie eine Entwurfs- und Konstruktionsherausforderung
ist - vielleicht auch eine Materialherausforderung. Die, sagen wir mal, sozialpolitischen Aspekte von Design-Build sind in unserem Interesse zweitrangig. Das ist etwas, was den ganzen Prozess sehr mitprägt und total gut ist, aber unser Interesse liegt eher im gestalterischen, entwurflichen und konstruktiven Standard. Tim hat im Prinzip über eine bestimmte Art des Entwerfens von Material und Fügung ausgehend heraus promoviert und die Position, die er da einnimmt und die wir mit unseren Design-Build-Projekten einnehmen, ist in dieser Hierarchie. Mein erstes DesignBuild-Projekt an der Uni war Rügen im Jahr 2008/09, eine Art experimentelles Konstruieren. Das war an der TU Berlin als wissenschaftlicher Mitarbeiter an Regine Leibingers Lehrstuhl. Es hat sich auch aus einem Interesse entwickelt, eine gewisse Art zu entwerfen, zu konstruieren und auszuprobieren. Wir nehmen ein bestimmtes Material und gucken, was wir damit machen können und arbeiten ganz unmittelbar in diesem Ausprobieren. Es war damals total spannend, total erfolgreich, hat wahnsinnig Spaß gemacht.
A & C: Es ist interessant, dass auch mal mit einem anderen Ansatz kennenzulernen. Dass diese Experimente, die Materialforschungen sowie ein Praxisbezug an der Uni relevant sind, wird immer klarer. Ihr habt eben von Qualitäten gesprochen, beginnen wir also direkt mit unserer Forderung zu dem Thema. In dieser Forderung geht es um die baukonstruktive, gesellschaftliche und baukulturelle Qualität, welche in der Verantwortung von Design-BuildProjekten liegt. Bei baukonstruktiv geht es um die Langlebigkeit, um die Standsicherheit, aber auch darum, dass die Nutzer:innen dieses Gebäude annehmen können und aus eigener Kraft instand halten können, wenn sich die Universität oder die bauende Gruppe zurückgezogen hat. Denkt ihr, dass Projekte im Kontext der Materialstudien und Materialforschung auch diese Qualitäten widerspiegeln müssen oder dass der Fokus eher in der Handlung, der Ausbildung liegt?
Prof. Ballestrem: Wir kennen uns ja schon ein bisschen, ich bin mal ganz ehrlich, ich lese aus dem Text eine Wertung heraus, damit habe ich ein Problem. Da stehen Dinge drin wie „darf nicht vernachlässigt werden“ oder „muss und sollten permanent reflektiert werden“.
Für mich ist das Design- Build etwas, was eine gewisse Freiheit mit sich bringt und diese Freiheit ist etwas, was ich in der Uni extrem feiern will und auch gut finde.
Es ist eine kleinmaßstäbliche Geschichte. In der Architektur war klassischerweise der Pavillon immer ein Experimentierfeld. Er war deswegen ein Experimentierfeld, weil die Bedingungen eben nicht so eng waren, sondern man etwas ausprobieren und es auch schiefgehen konnte.
Ich finde bei Design-Build wichtig, dass etwas schiefgehen kann. Es ist viel wichtiger, dass der Prozess des Design-Build offen ist und die Reflexion, die notwendig ist, eher etwas ist, das nachgeschaltet ist.
Wenn ich die Forderung lese, dann spüre ich eine Einengung und die will ich eigentlich vermeiden. Alle diese Aspekte permanent zu reflektieren und nicht zu vernachlässigen, ist gar nicht so einfach. Eventuell führt es im Endeffekt dazu, dass bestimmte Projekte aus genannten Gründen nicht gutgefunden werden oder nicht stattfinden und das finde ich schade.
Das ist ähnlich wie bei dem Modellbau. Du probierst etwas aus, weil du es eben nur mit Pappe und mal schnell baust, das ist dann noch kein high rise und das ist das Gute daran. Es ist ein Experimentierfeld.
Tim Simon Meyer: Absolut, ich denke, dass die Formulierung eurer Forderungen eine gewisse Gefahr mit sich bringt. Wenn man versucht, es zu verallgemeinern oder versucht - auch wenn das ein Wort auf eurer schwarzen Liste ist - für Design-Build-Projekte einen Standard zu definieren. Das Interessante an den Projekten ist, dass sie so vielfältig sind, in so unterschiedlichen Kontexten und aus so unterschiedlichen Intentionen heraus entstehen. Wie sich so ein Design-Build-Projekt entwickeln kann, sollte man eigentlich versuchen, es weiterhin offen zu halten.
Prof. Ballestrem: Ich glaube, es ist wichtig, dass die Projekte, die wir zusammen an der HCU gemacht haben, auch geprägt sind von Tradition, genauso wie die euren. Deswegen ist hier auf jeden Fall die - wie ich vorher schon gesagt habe - baukonstruktive und baukulturelle Qualität maßgeblich. Das heißt, die Diskussion geht eben darüber, welche Materialien wir zur Verfügung haben und wie diese gefügt werden können, sodass gleichzeitig die Art der Fügung gestaltgebend ist. Eigentlich ist die Art der Fügung sowie die der Konstruktion die gesamte Gestalt. Auch die Lesbarkeit des Objekts wird so mitbestimmt. Es sind baukonstruktive Projekte, die über ihre Fügung kommunizieren und sich auch entwickeln.
Tim Simon Meyer: Das ist das Potenzial von Design-Build. Natürlich haben die Projekte eine geringere Komplexität als beispielsweise ein Wohnungsbau. Aber genau diese verringerte Komplexität ermöglicht einem, die Projekte komplett zu durchlaufen und den Fokus auf ganz spezifische Themen zu setzen und diese radikal zu erproben. Wie Matthias schon gesagt hat, geht es uns darum, die Gestaltungsprinzipien oder eigentlich die Gestaltungsideen innerhalb dieser Projekte zu erproben und deren Qualität kennenzulernen. Dazu gehört die intensive Auseinandersetzung mit dem Material, was nicht nur die konstruktiven Möglichkeiten, sondern auch die Ausdrucksmöglichkeiten der Materialien umfasst. Das sind die Möglichkeiten, die mich oder uns besonders an diesem Format interessieren.
A & C: Ja, verstehen wir gut. Das sind auch die Kopfschmerzen, die uns begleiten: wie schaffen wir es, diese Freiheit, von der ihr auch sprecht, nicht einzuschränken und trotzdem zumindest einen moralischen Appell unter gewissen Gesichtspunkten zu formulieren. Das war die Motivation für ein Manifest. Wir haben eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, denn das Gebaute steht nun mal auch in einem Raum, dem sich die Gesellschaft nicht einfach entziehen kann.
Prof. Ballestrem: Da habt ihr natürlich recht. Aber aus unseren Erfahrungen ist das Problem, dass die Endprodukte nicht standhalten. Vor allem bei Projekten, welche aus unserer Sicht relativ viele, sehr moralische Schlagwörter haben, wie beispielsweise Upcycling oder die Art und Weise der Organisation des Entwurfsprozesses etc. Die halten stand, was alle moralischen Standards angeht, die sehr wichtig sind, aber was die architektonische, konstruktive Qualität angeht, halten die nicht stand. Das ist ein großes Problem und ich denke, wenn man diesen Anspruch stellt, darf das Produkt nicht überlagert werden von den politisch korrekten Themen. Sonst sind wir alle miteinander in einem wunderschönen Prozess, produzieren aber nichts Gutes. Warum macht ihr eigentlich diesen Forderungskatalog? Sind es nicht eher Beurteilungs- oder Bewertungs- oder Auswertungskriterien, die ihr da festlegt? Beschreibt ihr nicht gerade eine Lehr-Forschungsmethode, die unterschiedliche Aspekte hat, unterschiedliche Richtungen und in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden kann?
A & C: Diese fünf Forderungen sind - ich kann die ja mal kurz sagen, dann wird vielleicht auch der Kontext klarer - zum Ersten die Teilnahmechance für alle. In der zweiten Forderung
geht es um die Pflichtbausteine, theoretische Fundierung, Entwurf, Planung, Umsetzung und Reflexion. Also diese theoretische (Ein-)Rahmung, welche unserer Erfahrung nach meistens hinten runterfällt. Die Dritte habt ihr gerade gehört, da geht es um die Qualitäten. Die Vierte ist die handwerkliche Anleitung. Die Letzte ist die Forderung nach mehr Inter- und Transdisziplinarität. Wir haben immer wieder den Punkt, je nach Projekt oder Kontext, dass man nicht alles leisten kann. Darum haben wir das Manifest erstellt und im zweiten Teil einen Werkzeugkasten, der je nach Dimension, Größe und Art und Weise des Projekts helfen kann, sich diesen Forderungen zu nähern. Wir wollen nicht sagen, „genau das“ ist die Definition für Design-Build-Projekte und auch nicht, dass ein Projekt, was die Forderungen nicht erfüllt, kein Design-Build-Projekt ist. Es geht nicht darum, die Vielfalt einzugrenzen, die wollen wir erhalten und stärken. Aber dass man eine gemeinsame Basis schafft, um dann aus allen Projekten das Bestmögliche rauszuholen. Das ist u. a. der Grund, warum wir das Forderungen nennen, denn wir fordern die bessere Integration dieser Lehrmethode bei uns an der Uni. Es gibt diese Methode schon, aber das Angebot soll erweitert und besser im Lehrplan eingeordnet werden. Nicht irgendwie und um jeden Preis, sondern unter der Prämisse, dass gewisse Anforderungen erfüllt sein müssen, damit es gut funktioniert.
Prof. Ballestrem: Die Teilnahmechance für alle ist ein kritischer Punkt. Aus den Erfahrungen der Prozesse kann man sehen, dass die Teilnahmechance für alle das Projekt durchaus gefährdet. Die Zugangsberechtigung, wie die Uni eine pflegt - dass jede:r die gleiche Chance hat, an etwas teilzunehmen - wird zum Problem, wenn die Motivation nicht mitgedacht wird. Dann bedeutet das, dass die Verantwortlichen, die das Projekt initiiert und Ziele formuliert haben, zusätzlich das machen müssen, was ausfällt.
Dadurch, dass es ein kollaborativer Prozess ist, kommt es auf jede:n Einzelne:n an und es ist kein:e Student:in ohne Verantwortung,
wie das in einem Studio möglich ist. Wenn bei so einem Projekt die Leute ausfallen oder schlecht arbeiten, kompromittiert es das ganze Team und das Projekt. Die Frage, die ich mir dann stelle, ist, warum muss in diesem Fall eigentlich die Zugangsberechtigung für alle gewährleistet werden. Das ist ein Spezialformat, wo jede:r eine gewisse Verantwortung übernehmen muss. Das kann man an der Uni aber nicht erzwingen.
Tim Simon Meyer: Im besten Fall ist es natürlich so, dass die Teilnehmer:innen sich ihrer Verantwortung bewusst sind und das ernst nehmen. Dann ist es auch ein sehr guter Lernprozess, weil man zugleich lernt, diese Verantwortung zu übernehmen. In so einem Prozess hat man auch eine Verantwortung anderen Leuten gegenüber. Ich glaube, wenn das aufgeht, ist das natürlich ein wahnsinnig spannender und wichtiger Lernprozess. Wir haben aber leider auch die Erfahrung gemacht, dass einige Teilnehmer:innen sich dieser Verantwortung nicht bewusst sind und dann ist es einfach schwer, das Ganze zufriedenstellend zu Ende zu bringen.
Prof. Ballestrem: Das kann man natürlich bis zu einem gewissen Grad steuern. Wenn man mit den Studierenden gemeinsam zu einem Standort reist, wo sie nicht zu Hause sind, eine gute Mischung zwischen eher aktiven und ruhigeren Studierenden herrscht und so eine gute Gruppe entsteht, funktioniert das bestimmt. Wenn also die Bedingungen stimmen, kommt da ein Drive rein und dann funktioniert es super. Schwierig ist es tatsächlich, wenn diese über das Semester hinweg im normalen Curriculum mit wöchentlichem Lehrveranstaltungstermin veranstaltet werden. Da bricht bei uns meistens die Hälfte der Leute über das Semester weg.
A & C: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wenn die Studierenden von Anfang an dabei waren und den Entwurf mit erarbeitet haben, diese Besonderheit, das Entworfene tatsächlich umzusetzen, dies eine extreme Motivation mit sich bringt. Aber wir sehen, dass diese Forderung der Teilnahmechance für alle im Worst Case bedeutet, dass so ein Projekt sehr kompliziert wird. Allerdings wird sie durch unsere Umfrage unter Studierenden gestützt, bei der ca. 60 % der Befragten angegeben haben, dass sie das Gefühl haben, dass diese Projekte nur in internen Kreisen ausgeschrieben und vergeben werden. Es geht nicht nur darum, dass die Bewerber:innen aufgrund von gewissen Kompetenzen ausgewählt werden, was logisch ist, sondern dass der Zugang nicht für alle gleich ist.
Tim Simon Meyer: Ich denke auch, dass die Lokalität ein
wichtiger Aspekt ist. Die Erfahrung haben wir gemacht, als wir einen Workshop in Portugal gemacht haben, der eine ganz andere Intensität hätte. Da gibt es dann auch die potenziellen Nutzer:innen, welche auch eine andere Verantwortung fördern. Wenn sich so ein dynamischer Prozess einstellt, ist es für mich ein wahnsinnig schönes Format.
A & C: Auf jeden Fall. Es geht auch nicht darum, dass wir das verpflichtend machen wollen. Es soll natürlich freiwillig sein für die, die daran Interesse haben.
Prof. Ballestrem: Eure Idee ist also, das ins Curriculum einzuarbeiten, aber immer noch mit der Wahl- bzw. WahlPflicht-Option?
A & C: Ja, genau. Ein solches Projekt hat einfach einen starken Praxisbezug, von dem wir denken, dass er enorm wichtig ist. Aber wir wissen auch, dass es Leute gibt, die ihr Studium anders ausrichten. Das sollte die Universität ermöglichen: jeder:m die Möglichkeiten zu bieten, den eigenen Weg zu finden.
Prof. Ballestrem: Das ist wichtig. Tims und meine Projekte eint, dass es alle eher Architekturen gewesen sind, die relativ frei waren in der Art und Weise, wie sie sich ausgestalten. Das heißt, wir haben keine Schulen, Wohnhäuser etc. gebaut und das spielt eine Rolle. Ich glaube, dass wir in diesem Bereich Design-Build in der Ausbildung extrem wichtig finden.
Eine der Hauptaufgaben im Studium der Architektur ist für mich, dass die Studierenden ihre eigene räumliche Sprache und Fähigkeiten der Raumgestaltung kennenlernen.
Dementsprechend bin ich immer darum bemüht - und vielleicht ist das auch meine Idee des experimentellen Entwerfens, die Komplexität der Bauaufgabe so zu reduzieren, dass eine extreme Freiheit entsteht. Die Bauaufgabe ist eine Einengung, aber in diesem eingeengten Raum entsteht eine große Freiheit, in der nichts vorgegeben ist, sodass es eine Entfaltungsfreiheit gibt. Deswegen ist dieses Format des Design-Build für mich einfach ideal. In dieser Maßstäblichkeit und auch in unserem Set-up. A & C: Das ermöglicht euch vielleicht gerade die Chance der Forderungen, über die wir gerne noch sprechen würden. Es geht um die Pflichtbausteine, Leistungsphase 0, Entwurf, Planung, Umsetzung und Reflexion und die damit einhergehende (Ein-)Rahmung der Reflexion. Unsere Umfrage hat gezeigt, dass ca. 80 % der Befragten bereit wären, ihr Studium zu verlängern, um ein Design-BuildProjekt im geeigneten Rahmen auszuführen. Aber da habt ihr vielleicht auch ganz andere Erfahrungen mit kleineren, kompakten Projekten in einem Semester gemacht.
Prof. Ballestrem: So haben wir das bisher gemacht. Wir haben aber immer das Problem, dass wir die Projekte nie als Entwurf angeboten haben, sondern als Seminar. Was die Projekte an Punkten bringen, steht also in keinem Verhältnis.
A & C: Dann verstehen wir das Problem mit der Motivation auch besser. An der TU Berlin sind das in der Regel mindestens 15 Punkte für ein Semester Entwurf- oder Ausführungsplanung. Da haben die Studierenden verständlicherweise eine größere Motivation, zudem ist es auch die Hauptaufgabe im Semester.
Prof. Ballestrem: Wie verbindet ihr den Wandel der Verantwortung in der Architektur mit dem Design-Build? Was ist da eure These?
A & C: Die Hauptthese ist, dass wir denken und es auch gefordert wird, dass es den Architekt:innen guttun würde, aus der Universität in die Gesellschaft zu treten und dass dies immer wichtiger für den Beruf wird. Darüber hinaus, dass die Komplexität der Aufgaben und der Bauaufgaben, die auf einen zukommen, schon im Studium erlernt werden sollten. Hierfür bietet Design-Build eine riesige Chance. Auch, weil man sich diesem Diskurs in und der Kritik von der Gesellschaft stellen muss.
Prof. Ballestrem: Ihr fordert also eine andere Art des Studiums?
A & C: Nein, es geht um eine Erweiterung der Lehre. Obwohl Design-Build-Projekt eine praktische Lehrmethode ist, fehlt uns die theoretische Fundierung. Also die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun. Die Universität ist eine Blase. Uns hat es sehr geholfen, aus dieser auszutreten und über
das nachzudenken, was unsere Aufgabe ist. Wir hatten ein spannendes Gespräch mit einem Architekturphilosophen, der gesagt hat, für ihn haben Architekt:innen die gleiche Verantwortung wie Mediziner:innen und Politiker:innen in der Gesellschaft, aber stellen sich dieser nicht.
Prof. Ballestrem: Warum stellen sie sich dieser nicht?
A & C: Wir glauben, sie stellen sich dieser zwar, aber nur in internen Diskursen und nicht in der Gesellschaft, wie andere Disziplinen es tun und tun müssen.
Tim Simon Meyer: Ich finde diesen Aspekt, den ihr da ansprecht, interessant. Also, dass die Entwürfe, die sonst nur auf Papier bestehen, in der Realität auf den Prüfstand gestellt werden und ob die Qualität, die man sich überlegt, auch in der wirklichen Welt eine Relevanz hat. Das ist für viele Studierende etwas komplett Neues.
Prof. Ballestrem: Aber das ist ja genau der Punkt, der mich daran interessiert. Man müsste, wenn man über die gesellschaftliche Verantwortung spricht, sich auch darüber Gedanken machen, welche Verantwortung es denn genau ist.
A & C: Ja, auf jeden Fall.
Prof. Ballestrem:
Wenn man es mit Umberto Eco hält, dann sind die Architekt:innen die letzten Humanist:innen.
Denn als Architekt:innen müssen wir im Prinzip alle Bereiche des Lebens berühren können. Dementsprechend auch in allen Bereichen eine Verantwortung übernehmen können oder eben nicht. Da hat Design-Build als Format sicher diese unterschiedlichen Möglichkeiten. Das kann ich beispielsweise auf mein Steckenpferd der Raumerfahrung beziehen und die Aufgabe übernehmen, lebenswerte Räume zu schaffen, die dem Körper entsprechen etc. Das ist, unabhängig zu denken von einer Verantwortlichkeit gegenüber den Ressourcen, die man den Architekt:innen auch aufbürden kann. Die Verantwortung der Architektur im gesellschaftlichen Kontext, in dem sie aktiv ist, ist auch eine Verantwortung, die man den Architekt:innen aufbürden kann und so weiter. So einfach ist das nicht. Ich sehe immer wieder - auch in dem Gespräch mit euch-, dass Design-Build ein weites Feld abdecken und an die unterschiedlichen Themen adressiert werden kann.
A & C: Danke euch, für das spannende Gespräch.