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Bei den Abwehrkräften
IMMUNSYSTEM
Ein Pferd mit einem guten Immunsystem ist in der Lage, sich gegen schädliche äußere Einflüsse zur Wehr zu setzen. Unerwünschte Eindringlinge wie Viren oder Bakterien, werden durch ein ausgeklügeltes System auf Abstand gehalten, dies geschieht über das Immunsystem. Doch wie sorgt eine gute Abwehr dafür, dass Ihr Pferd nicht oder weniger häufig erkrankt oder sich von einer Erkrankung schneller erholt? Und was ist eigentlich für eine gute Abwehr nötig? Dr. Wendy Wambacq ist Spezialistin auf dem Gebiet des Immunsystems. In diesem Artikel erzählen wir Ihnen alles über das Immunsystem und die wichtige Rolle, die die Darmgesundheit dabei spielt.
IMMUNSYSTEM


WENDY WAMBACQ MACHTE 2011 IHREN ABSCHLUSS ALS TIERÄRZTIN AN DER UNIVERSITÄT GENT. NACH ZWEI JAHREN ERFAHRUNG ALS PRAKTIZIERENDE TIERÄRZTIN BESCHLOSS SIE, IHR STUDIUM FORTZUSETZEN. IM JAHR 2016 WURDE SIE EUROPAWEIT ANERKANNTE SPEZIALISTIN IN DER TIERFÜTTERUNG (DIPL. ECVCN) UND IM JAHR 2018 ICREO-ZERTIFIZIERTE TIEROSTEOPATHIN. IM JUNI 2021 PROMOVIERTE SIE MIT EINER ARBEIT ÜBER DEN ZUSAMMENHANG ZWISCHEN DER FÜTTERUNG UND DEM IMMUNSYSTEM. DERZEIT ARBEITET WENDY IN DER F&E-ABTEILUNG VON CAVALOR. „Der Weg zur Gesundheit ist von einem guten Darm gepflastert“, sagte Dr. Sherry A. Rogers im Jahr 2002 und sie hat so recht! In den letzten Jahren sind wir uns der Tatsache, wie wichtiges ein gesundes Darmmilieu für gute Abwehrkräfte ist, zunehmend bewusst geworden. Es dreht sich alles um das richtige Gleichgewicht. Ein gut funktionierendes Immunsystem erkennt und vernichtet Krankheitserreger wie Viren und Bakterien. Es schafft auch eine gewisse Toleranz. Es ist wichtig, dass das Immunsystem den eigenen Körper „toleriert“, und es somit nicht zu einer Entzündungsreaktion kommt, wenn das Immunsystem z. B. mit einer Fettzelle in Berührung kommt. Gleichzeitig ist es natürlich auch nicht gewünscht, dass das Immunsystem Nährstoffe abwehrt, die ja auch körperfremd sind und Sie nach beispielsweise nach dem Verzehr eines Joghurts voller guter Bakterien plötzlich zwei Tage im Bett verbringen müssen, um sich von der Abwehrreaktion des Immunsystems zu erholen.
Gutes ist gut
Ein gesundes Immunsystem muss in erster Linie klar unterscheiden können zwischen dem, was gut ist und was daher toleriert werden muss und dem, was gefährlich ist und daher eine Handlung erforderlich macht. Und als wäre das nicht schon komplex genug, muss das Immunsystem auch noch ein gutes Gedächtnis haben und sich merken können, womit es schon einmal in Kontakt war. Ein gut funktionierendes Immunsystem bildet eine starke Barriere, damit Krankheitserreger nicht so leicht in den Körper eindringen können. Außerdem besteht das Immunsystem aus Zellen, die darauf spezialisiert sind, Krankheitserreger, die diese Barriere dennoch überschritten haben, zu erkennen und zu vernichten. Sie sehen also, ein Pferd mit guten Abwehrkräften ist weniger anfällig für alle Arten von Infektionen und erholt sich auch schneller, wenn es doch einmal erkrankt.
Der Darm als treibende Kraft
Was hat der Darm mit all dem zu tun? Der Darm ist das größte Immunorgan des Körpers. 80 Prozent aller immunologischen Screening-Zellen, die mögliche Krankheitserreger erkennen, befinden sich im Darm. Dies gilt auch für mehr als die Hälfte aller Effektor-Immunzellen, die anschließend gegen die Krankheitserreger vorgehen. Die guten Bakterien, die von Natur aus im Darm vorhanden sind, haben eine wichtige treibende Kraft: sie sorgen
DIE (NATÜRLICHEN) ABWEHRKRÄFTE: EIN GENIALES SYSTEM
Viele Faktoren haben einen Einfluss auf die Abwehrkräfte. Der Körper ist ständig gefordert, sich zu verteidigen. Das ist Aufgabe der weißen Blutkörperchen. Man könnte sie als die Soldaten sehen, die den (Pferde-)Körper schützen. Alles Schädliche, das versucht einzudringen, wie z. B. Viren, wird von dieser Armee an weißen Blutkörperchen angegriffen.
Das Immunsystem besteht aus zwei Verteidigungslinien. Die erste Verteidigungslinie ist ein unspezifisches und angeborenes Immunsystem, das unwillkürlich jeden Eindringling (eingedrungene Krankheitserreger) angreift und vernichtet. Diese Verteidigung basiert auf Gewebe, das direkt in Kontakt mit der Außenwelt kommt, wie beispielsweise die Haut und die Schleimhäute. Wenn ein Krankheitserreger diesen ersten Angriff übersteht, trifft er auf die zweite Verteidigungslinie. Es handelt sich hierbei um einen spezifischeren Abwehrmechanismus, der mit Hilfe von Antikörpern ganz gezielt Jagd auf bestimmte Eindringlinge macht. Im Gegensatz zu den „Soldaten“ des unspezifischen Immunsystems, die alle fremden Zellen angreifen, sind Antikörper spezialisierte Fährtenleser mit der einzigen Aufgabe, einen bestimmten Eindringling zu vernichten. Antikörper werden ebenfalls gespeichert. Sie merken sich „ihre Feinde“ sehr gut. So baut dieses spezifische Immunsystem ein Gedächtnis auf, das mit demselben Eindringling, wenn er das nächste Mal anklopft, kurzen Prozess macht. So bieten zum Beispiel Impfstoffe auch einen Langzeitschutz gegen bestimmte Viren. Je mehr Antikörper vorhanden sind, desto mehr Viruspartikel erkennt das Immunsystem und desto schwieriger wird es für das Virus, in die Zellen einzudringen. Es klingt logisch: Je besser die eigene Armee in Form ist, desto weniger Chancen haben Eindringlinge, unsere Pferde krank zu machen. Halten Sie diese Armee mit einer guten Darmgesundheit in Topform (80 Prozent des Immunsystems befindet sich im Darm) und reduzieren Sie Stress. Eine gesunde Fütterung, regelmäßige und häufige Ruhephasen sind wichtig, damit das Immunsystem optimal funktioniert.
für die Entwicklung von Immunzellen. Außerdem können diese Darmbakterien auch das gesamte Immunsystem in eine bestimmte Richtung lenken, beispielsweise zu mehr Toleranz oder mehr Abwehr.
Die Darmbakterien kommunizieren also direkt mit dem Immunsystem. Außerdem produzieren sie Stoffe, die mit dem Immunsystem in Dialog treten. Gesunde Darmbakterien produzieren zum Beispiel kurzkettige Fettsäuren, wie Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure. Diese kurzkettigen Fettsäuren stärken die Darmgesundheit und erhöhen den Gehalt an bestimmten Stoffen, die die Immunzellen dazu anregen, in den Darm zu wandern. Diese kurzkettigen Fettsäuren werden auch in die Blutbahn aufgenommen, sodass sich ihre Wirkung im ganzen Körper verteilt. Untersuchungen haben gezeigt, dass dies zu verbesserten Abwehrkräften der Lunge und der Milz führt. So kann ein gesundes Darmmilieu also die Abwehrkräfte der Atemwege verbessern, klingt seltsam, ist aber wahr! Natürlich gehört auch die Aufnahme von Nährstoffen zu den Aufgaben des Darms. Die Zellen des Immunsystems benötigen neben Energie auch Bausteine (z. B. Aminosäuren aus Proteinen), um z. B. Antikörper zu bilden. Ebenso werden Vitamine und Mineralstoffe als Katalysatoren in diesem Produktionsprozess benötigt.
Gesundheit von innen
Ein gesundes Darmmilieu ist wichtig für ein gutes Immunsystem, das ist soweit klar. Doch wie sorgen Sie nun für einen gesunden Darm bei Ihrem Pferd? Leider gibt es noch nicht das eine magische Ergänzungsfuttermittel, es kommt einfach auf das Ganze an. Stellen Sie vor allem sicher, dass ausreichend Raufutter vorhanden ist. Gras, Heu, Heulage, aber auch Luzerne und Rübenschnitzel zum Beispiel. Die guten Bakterien gedeihen und produzieren dann kurzkettige Fettsäuren, die beste Energiequelle für Ihr Pferd. Doch Raufutter allein reicht nicht aus, um den gesamten Nährstoffbedarf Ihres Pferdes zu decken. Achten Sie daher immer darauf, dass Ihr Pferd ausreichend Vitamine und Mineralstoffe erhält, in Form von Kraftfutter, Futterergänzungsmitteln und/oder Raufutter-Balancer. Wenn Sie minderwertiges Heu füttern, erhält Ihr Pferd möglicherweise nicht ausreichend Proteine. Dann müssen Sie seine Futterration ergänzen. Haben Sie ein Pferd, das eine schwierige Phase durchmacht und Sie möchten Sie es zusätzlich unterstützen? Dann können Sie zusätzlich Omega 3-Fettsäuren geben.
