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Menstruation und Feminismus

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Ein transsexueller Mann kann als ein lebender Widerspruch zu der Behauptung verstanden werden, die Menstruation sei etwas Weibliches. Dennoch wird diese Behauptung mit der Erwartungshaltung an das weibliche Rollenbild der Gesellschaft in einen Zusammenhang gebracht. Frauenbewegungen, welche unter anderem eine Befreiung der Einschränkungen fordern, welche durch die gesellschaftlichen Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit, kurz: gender, entstehen, machen sich ebenfalls für die damit zusammenhängende Akzeptanz der Menstruation stark.

Die Logik der zweiten Frauenbewegung lautet: Frauen würden erst durch die Gesellschaft zu Frauen gemacht, da sie nicht als diese geboren werden würden. Der gesellschaftliche Umgang mit den Geschlechtern mache die Trennung aus. Es wird also zwischen biologischem Geschlecht, kurz: sex, und durch die Gesellschaft erlernten und erfahrenen Gender-Vorstellungen unterschieden. So lässt sich die Menstruation als ein biologisch gegebener, normaler Zustand verstehen, welcher durch ein gelerntes Verhalten tabuisiert wird, was Ergebnis einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung zu verstehen ist, welche für die Rolle der Frau einen eingeschränkten, vordefinierten Platz einräumt.

Die Forderung nach Gleichheit von Mann und Frau durch den liberalen Feminismus 34 bekämpft ebendiese Unterdrückung der Frau und fordert eine Position für die Frau, die mit der Position des Mannes vergleichbar ist.

Die Menstruation war und ist in erster Linie ein Thema der Frauen, da der Vorgang auf Grund des Tabus versteckt werden muss. Das Wort Tabu ist polynesischen Ursprungs. „Ta pu“ bedeutet das Außerordentliche, Gekennzeichnete oder etwas von dem Unbefugte Abstand nehmen müssen. Nach polynesischer Sitte besitzt die betroffene Person eine Kraft oder ist von dieser besessen. Diese macht sie unberührbar, wodurch die Person mit besonderem Respekt behandelt werden muss, einerseits aus Verehrung aber andererseits auch aus Angst, da eine Berührung mit der Person, welche dieser Kraft unterworfen ist, als gefährlich angesehen wird. Aufgrund dieses historischen Ursprungs eines ritualisierten Umgang mit der Menstruation gibt es die Theorie, die Existenz des Menstruationstabus sei ein Erbe matriarchaler Gesellschaftsformen.

Es wird angenommen, dass das Menstruationsblut als etwas Positives und Heiliges wahrgenommen wurde, welches durch eine rituelle, erhabene Zurückgezogenheit der Frau zum Ausdruck gebracht wurde. Es wird des Weiteren angenommen, dass die Entwicklung des Menstruationstabus in Verbindung mit der Unterdrückung der Weiblichkeit wahrscheinlich erst mit der Entwicklung des Patriarchats entstanden sei. Zusammenfassend beschreibt dieser Ansatz also, dass die Isolierung der menstruierenden Frau einmal den Ursprung einer positiven, heiligen Praktik hatte, die über die Entwicklung zum Patriarchat eine negative Seite annahm.

Um den „richtigen“ Umgang mit der Menstruation stritten sich lange die vorwiegend männlichen Ärzte, weshalb die Menstruation bis zu der Entdeckung des weiblichen Zyklus‘ als Krankheit interpretiert wurde. Dies ist einer der Gründe, woraus die Bezeichnung von Frauen als das „schwächere Geschlecht“ resultierte. Unter dem Vorwand den Frauen helfen zu wollen, wurden widersprüchliche Regeln aufgestellt, wie eine Frau mit ihrer „Unpässlichkeit“ umzugehen habe. Die Frau befand sich bis in die 1960er Jahre unter einem ständigen gesellschaftlichen Druck, sich während der Menstruation in das Haus zurückziehen zu müssen und alltägliche Aktivitäten nicht weiterzuverfolgen, um sich während dieser Zeit „schonen” zu können.

Das Bild der unpässlichen Frau wurde durch die zweite Frauenbewegung, die sich ab Ende der 1960er Jahre dieses Thema aneignete, durch das Bild der aktiven Frau ersetzt, die trotz ihrer Menstruation am Leben teilhaben kann und sich nicht zu schonen braucht. Diese Entwicklung wurde durch verbesserte Intimhygiene-Produkte ermöglicht, welche es erlaubten das Problem zu verstecken. Allerdings kann man behautpen, dass durch die damit einhergehende Wahrnehmung einer nach Außen hin nicht existent scheinenden Menstruation das Tabu weitergeführt wurde.

Erst aktuelle Entwicklungen lassen neue Tendenzen in Bezug auf das Menstruationstabu erahnen, da die Vorstellungen seit den 1960er Jahren keine entscheidenden Veränderungen durchlebt haben. Die Kolumnistin Carolin Würfel fasst die Forderung nach einem neuen Umgang mit der Menstruation und nach der Entwicklung verbesserter Menstruationsprodukte in dem kürzlich erschienenen Artikel über eine aktuelle, amerikanische Frauenbewegung, wie folgt zusammen: „Denn es geht letztlich nicht um Blut, sondern darum, dass sich junge Frauen nicht sagen lassen wollen, was gute oder schlechte Weiblichkeit ist.“ Im Falle der Menstruation ist es entscheidend, diese immer im Kontext des jeweiligen Frauenbildes seiner Kultur oder Zeit zu betrachten, da die gesellschaftliche Stellung der Frau auch die Wahrnehmung der Menstruation beeinflusst.

Der Anspruch, die Menstruation als etwas Neutrales wahrnehmen zu wollen, ist so gesehen feministisch geprägt, da dieser natürliche Vorgang einer der Gründe zu sein scheint, warum eine Ungleichheit zwischen Mann und Frau weiterhin existiert und der Prozess der Gleichstellung weiterhin stagniert. Die gegenwärtige Frauenbewegung sieht sich immer noch einer nicht vorhandenen Akzeptanz der Menstruation und einer damit verbundenen, tabuisierten Darstellung, sowie dem spärlichen, öffentlichen Diskussionen über diese Thematik konfrontiert, wie das Beispiel des Selbstportraits der Zeichnerin und Dichterin Rupi Kaur auf Instagram beweist.

Sie zeigt sich auf einem Bett liegend, dabei ist ihre Körperhaltung von der Perspektive des Betrachters abgewandt. Sie trägt ein weißes Oberteil und eine Jogginghose auf der ein kleiner roter Fleck im unteren Bereich des Gesäß zu sehen ist. Ein weiterer kleinerer Fleck ist neben ihr auf dem Laken des Bettes zu sehen. Dieses Bild wurde von Instagram gesperrt, da es den Gemeinschaftsstandards des Social Media Unternehmens nicht entsprach. Nachdem sich Rupi Kaur öffentlich darüber beschwerte und damit einen „ShitStorm“ auf Instagram loslöste, wurde das Bild reaktiviert.

Rupi Kaur ist eine der bekanntesten Akteure in einer stetig wachsenden Online-Community auf der Social Media Plattform Instagram, die als eine neue feministische Bewegung verstanden wird und an den Erfolgen der Women‘s March Demonstrationen weltweit anknüpft. Es geht ihnen in erster Linie darum, Aufmerksamkeit für Themen wie die Menstruation zu wecken.

Kiran Ghandi, die Schlagzeugerin der Sängerin M.I.A. , die während des Londoner Marathons auf ihren Tampon verzichtete und damit für Aufsehen sorgte, aber auch die Gründerin der Menstruationsunterwäsche-Unternehmens „Thinx“ Miki Agrawal sind weitere Instagramerinnen mit vergleichbar großer Reichweite. Aber auch im deutschsprachigen Raum finden sich Aktivistinnen, allerdings mit geringerer Reichweite. Ein Beispiel ist „diemenstruationsbeauftragte“ die mittels Illustrationen auf Menstruation und die Forderung nach einer positiven Haltung lautstark vertritt.

Ein Beispiel ihrer Zeichnungen ist eine Hand, welche einen vollgesogenen Tampon umschließt und damit eine Faust bildet, die nach oben gestreckt an andere politische Bewegungen, bspw. der Black Power Bewegung, erinnert. Aber auch auf den ersten Blick weniger einladende Bilder sind beispielhaft für die Vielfalt der Instragram Szene, welche sich der Menstruation widmet, wie ein Selbstportrait der Instagramerin „louelle_ louelle_“, in dem diese einen benutzten Softcup präsentiert.

In der Bildbeschreibung schreibt die Instagramerin, andere blutverschmierte Menstruationsbilder seien bereits durch Betreiber von Instagram gelöscht oder deren Accounts seien gesperrt worden. Aus diesem Grund sehe sie sich dazu gezwungen, es ihren Vorreiterinnen gleichzutun, um die öffentliche Debatte um das Tabu weiterexistieren zu lassen.

Ein Teil der Diskussion über eine gesellschaftlich akzeptierte Darstellung der Menstruation ist ebenfalls die Kritik von Seiten der Frauenbewegungen an der bereits erwähnten Werbung für Menstruationsprodukte, da die Frauenrechtlerinnen den Vorwurf erheben, die Werbung für Menstruationsartikel würde die Menstruation der Frau „weghygienisieren”. Dazu kommt das Bestärken der schon bestehenden Unsicherheiten, da die Werbung einerseits zugibt, die Menstruation sei etwas Natürliches, aber im gleichen Atemzug diese mit den Worten Unauffälligkeit, Schutz, Sauberkeit und Geruchsbildung umschreibt.

Es ist entscheidend, dass es diese Bewegungen gibt, die der öffentlich anzutreffenden Darstellung der Menstruation etwas Realitätsnähe zurückzugeben, allerdings ist die Reaktion auf solche schockierenden Bilder absehbar. Für Gegner feministischer Bewegungen können die schockierenden Bilder gerade zu ein „gefundenes Fressen“ darstellen, um die Frau erneut als etwas Rückständiges, Unzivilisiertes und dem Mann Unterliegendes zu erklären. Die Scham wird womöglich auch gerade bei einigen Frauen durch das Reproduzieren des Ekels weiter bestärkt. In Anbetracht dessen, dass es Zeit in Anspruch nehmen kann, sich an das eigene Körpersekret zu gewöhnen. Hinzukommend kann Menstruationsblut anderer Frauen ebenfalls ganz anders ganz anders wahrgenommen werden.

Es äußern sich Zweifel an der Wirksamkeit dieser Darstellungen und dem damit verbundenen Wunsch, die Menstruation endlich gesamtgesellschaftlich als etwas Normales verbreiten zu wollen. Im schlimmsten Fall kann es sogar das tiefverwurzelte Tabu bestärken, welches erneut verwendet werden kann, um die Frau im Allgemeinen zu entwerten.

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