
14 minute read
«Ich schlage eine Brücke zwischen zwei Welten»
Jeannine arbeitet als Freiwillige bei Caritas Luzern für das Patenschaftsprojekt «mit mir». Die Sekundarlehrerin begleitet als regionale Vermittlerin zurzeit neun Patenschaften und unterstützt die Patinnen und Paten, die Kinder und ihre Eltern beim Beziehungsaufbau.
Text und Bild: Claudia Blaser
Advertisement
«Bereits als Jugendliche habe ich erste Erfahrungen als Freiwillige gesammelt – in einem Konzertlokal daheim in Sursee. Ich bin in einer sehr engagierten Familie aufgewachsen. Bei uns gehörte freiwilliges Engagement einfach dazu. In den letzten Jahren bin ich viel gereist. Besonders der Nahe Osten hat es mir angetan. Die enorme Gastfreundschaft, die ich auf meinen Reisen erleben durfte, hat in mir den Wunsch geweckt, mich zu Hause in der Schweiz für Migrantinnen und Migranten zu engagieren.
Seit drei Jahren bin ich nun als regionale Vermittlerin im Caritas-Projekt «mit mir» tätig, das benachteiligte Kinder mit einer freiwilligen Bezugsperson zusammenbringt. Ziel ist es, den Kindern etwas zu ermöglichen, das ohne diese Hilfe nicht möglich wäre, und die Eltern zu entlasten. Zurzeit begleite ich neun Patenschaften in der Zentralschweiz. Ich bin beim ersten Treffen dabei, kläre Wünsche und Erwartungen ab, führe regelmässig Gespräche mit allen Beteiligten und bin bei Fragen immer für sie da. Es ist immer wieder schön mitzuerleben, wie in wenigen Monaten eine nachhaltige Beziehung zwischen den Patinnen und Paten und ihrem Patenkind entsteht. Für mich ist es eine grosse Bereicherung, dass ich eine Brücke zwischen zwei Welten schlagen und Personen zusammenführen kann, die sich sonst nie getroffen hätten.
Es imponiert mir, wie viel Vertrauen die Kinder und ihre Eltern der für sie zunächst fremden Person entgegenbringen. Um sich auf Unbekanntes einzulassen, braucht es ja meistens etwas Überwindung. Die Offenheit und Neugier, die dieses Projekt erfordert, finde ich sehr inspirierend. Das bekräftigt mich immer wieder in meinem Engagement. Kraft gibt mir auch der Austausch mit anderen Freiwilligen. Es motiviert mich zu sehen, dass ich nicht allein bin, dass sich auch viele andere Menschen in ihrem Umfeld engagieren, ohne Geld dafür zu erwarten. Es muss ja nicht unbedingt in einem Projekt oder Verein sein. Man kann auch dem Grosi beim Wocheneinkauf oder dem Nachbarn beim Pneuwechsel helfen. Wichtig ist einfach, dass wir den Zusammenhalt nicht vergessen, dass wir alle zum sozialen Miteinander beitragen.»
STECKBRIEF
Jeannine Ambühl (32) ist in Sursee aufgewachsen und wohnt heute in Luzern. Sie absolvierte zunächst eine KVLehre, bevor sie sich zur Lehrerin ausbilden liess. In der Freizeit singt die Sekundarlehrerin in einem Chor und ist gerne in der Natur unterwegs. Sie ist viel gereist und besonders fasziniert von der arabischen Kultur.
«Meine Mutter fährt jetzt allein mit dem Bus»
Migrantinnen ohne Deutschkenntnisse mit Kindern sind besonders armutsgefährdet. Die Alphabetisierungs- und Deutschkurse von Caritas Luzern sind speziell auf die Bedürfnisse dieser Frauen zugeschnitten. Seit Zahra Hossini* diesen Kurs besucht, hat sich der Alltag in der Schweiz für sie und ihre Familie verändert.
Text: Sara Bagladi Fotos: Maria Patzschke


Esther Föcker (rechts) unterrichtet Deutsch und lernt gleichzeitig viel von ihren Schülerinnen.
«Meine Mutter fährt jetzt allein mit dem Bus, denn sie kann auf der Tafel die Abfahrtszeiten lesen. Sie kann auch allein einkaufen gehen, weil sie jetzt selbst die Früchte wägen kann», sagt die 22-jährige Maryani Hossini*, deren Muttersprache Dari ist. Für die Familie Hossini aus Afghanistan hat sich der Alltag in der Schweiz erleichtert, seit die Mutter Zahra Hossini die Alphabetisierungs- und Deutschkurse von Caritas Luzern besucht. Die Kurse sind speziell auf die Bedürfnisse von Frauen mit Einwanderungsgeschichte zugeschnitten. Sie bleiben aus kulturellen oder familiären Gründen oft zu Hause oder haben weniger interkulturelle soziale Kontakte. Ein Grossteil der Frauen kommt aus Afghanistan, Syrien, Eritrea und Somalia. Für Kursleiterin Esther Föcker ist klar: «Das Erlernen der Landessprache hat hohe Priorität für die berufliche und soziale Integration und um das Armutsrisiko zu minimieren.» Die Kurse finden an zwei Halbtagen unter der Woche statt, nehmen Rücksicht auf Schulferien, und im Raum nebenan werden die Kinder der Teilnehmerinnen betreut.
Armut ist nicht nur weiblich
«Armut ist nicht nur weiblich, sondern hat oft auch einen Migrationshintergrund und Kinder», sagt Dr. Prof. Lucia Lanfranconi, die an der Hochschule Luzern
zu den Themen Chancengleichheit und Geschlechtergleichstellung forscht, in einem Interview mit youngCaritas. Nicht nur das Geschlecht, auch die Staatsangehörigkeit und Lebenslage verstärken das Armutsrisiko. Mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus und ohne Sprachkenntnisse verschärft sich die Situation. Viele Migrantinnen in der Schweiz werden auf dem Arbeitsmarkt, in der Bildung, der sozialen Integration, der politischen Mitwirkung oder der Gesundheit diskriminiert. Häufig liegt das daran, dass ausländische Zeugnisse nicht anerkannt werden und Informationen nicht zugänglich sind.
Das erste Mal in der Schule
«Häufig sind es die Frauen, die wenig Bildungschancen haben», beobachtet auch Esther Föcker. Sie sind es, die meist den familiären Pflichten nachgehen. So war es auch bei Familie Hossini. Die 52-jährige Zahra Hossini lebt seit fünf Jahren in der Schweiz. Während ihr Mann arbeiten ging und dort ein paar Brocken Deutsch
lernte, kümmerte sie sich zu Hause um die vier Kinder und den Haushalt. Maryani ist die Zweitälteste. Sie spricht mittlerweile fliessend Deutsch. Für ihre Mutter war es anfangs schwierig, Deutsch zu lernen. In der Schweiz besuchte sie das erste Mal eine Schule. «Es ist ein schönes Gefühl, wenn ich etwas verstehe. Es macht mich glücklich, wenn mich die Lehrerin etwas fragt und ich antworten kann.» Im Kurs gibt es auch Frauen mit Universitätsabschluss in der Tasche. «Wir versuchen, der ganzen Spannbreite gerecht zu werden», erklärt Föcker.
Stärkung des Selbstvertrauens
Ihr bereitet es grosse Freude, ihre Schützlinge beim Start in die deutsche Sprache zu begleiten. Sie möchte, dass sich die Teilnehmerinnen willkommen fühlen. «Sie sollen spüren, dass sie dazugehören und die Kompetenz haben, Deutsch zu lernen.» Die Kurse orientieren sich an den fide-Grundprinzipien. So richten sich die Inhalte des Unterrichts nach den individuellen Bedürfnissen der Lernenden. Auch die Stärkung des Selbstvertrauens und die Wertschätzung der individuellen Biografie stehen im Fokus. Jede Frau bringt ihre eigene Geschichte mit. Oft gehören dazu auch traumatische Erlebnisse. «In Afghanistan hatte ich Angst, wenn wir morgens aus dem Haus gingen. Wir wussten nie, wer abends wieder lebend zurückkommt.» Zahra Hossini plagen oft starke Kopfschmerzen, die auch mit Medikamenten nicht besser werden. Vor lauter Schmerzen hat sie manchmal Mühe, die Deutschaufgaben daheim zu lösen. «Manchmal frage ich mich, ob sie wohl Kopfschmerzen hätte, wenn wir das Land früher verlassen hätten», erzählt die Tochter. Föcker ist beeindruckt, wie motiviert die Frauen sind, Deutsch zu lernen. Sie kommen in den Kurs, auch wenn sie oft erschöpft aussehen. Dazu gehören vor allem junge Frauen, die sich allein um ihre Kinder kümmern.


Die Frauen lernen Deutsch und werden dabei individuell unterstützt.
Kinderbetreuung mit sprachlicher Förderung
Deshalb bietet Caritas Luzern zeitgleich zu den Kursen eine Betreuung für Kinder an. Sie werden spielerisch in ihrer persönlichen, sozialen und sprachlichen Entwicklung gefördert. Für die meisten Kinder ist es das erste Mal, dass sie ausserhalb der Familie betreut werden. Für Isabel Rodel, Leiterin der Kinderbetreuung, ist es wichtig, dass sie den Kindern durch die spielerische Förderung positive Erlebnisse vermittelt. «Alles ist neu für sie. Es kann lange dauern, bis sich die Kinder eingewöhnen und Vertrauen aufbauen. Wir arbeiten behutsam und mit viel Herz», sagt Rodel. «Wir bereiten sie hier für den Kindergarten und die Kita vor, und sie erwerben die ersten Deutschkenntnisse.» Häufig kommen Kinder von Migrationsfamilien im Vorschulalter wenig mit der deutschen Sprache in Kontakt. Bei der Einschulung sind sie sprachlich benachteiligt, dies kann ihre spätere schulische und berufliche Laufbahn beeinflussen. Wer in Armut aufwächst, hat es schwieriger, eine qualifizierte Ausbildung abzuschliessen. Es ist ein Teufelskreis, denn so kann die Armut von Generation zu Generation weitergegeben werden. Zwei Kinder von Zahra Hossini machen momentan eine Lehre als Dentalassistentinnen. Sie sind froh, dass ihre Mutter jetzt selbstständiger und selbstbewusster in den Strassen Luzerns unterwegs ist, damit sie sich auf ihre Ausbildung konzentrieren können.
Alphabetisierungs- und Deutschkurs für Frauen inkl. Kinderbetreuung
Die Deutsch- und Alphabetisierungskurse für Migrantinnen inkl. Kinderbetreuung unterstützen die Bemühungen der Frauen um sprachliche, soziale und berufliche Integration. Gleichzeitig bieten sie auch einen Ort für neue Kontakte und den Austausch von Wissen und Erfahrungen. Die Teilnehmerinnen erlernen das lateinische Alphabet in der Zielsprache Deutsch und erweitern ihre Deutschkenntnisse bis zum Niveau A2 nach GER. Die Kurszeiten richten sich nach den Schulzeiten und -ferien. Die Herkunftsländer der Frauen sind vielfältig. Jährlich nehmen 80 bis 100 Frauen an den Kursen teil. Ab Oktober 2021 bietet Caritas Luzern zudem Computerkurse für Frauen inkl. Kinderbetreuung an.
Mehr dazu: caritas-luzern.ch/deutschkurs
Lichtblicke in der Schreinerei
Nach einem Burn-out war für die Pflegemitarbeiterin Olga G. klar: In diesem Beruf kann sie nicht mehr weiterarbeiten. Im Arbeitsintegrationsprogramm von Caritas Luzern findet sie ohne Leistungsdruck Freude an der Arbeit mit Holz.
Text und Interview: Jasmin Metzger
Arbeitslosigkeit bei Frauen hat oftmals nicht nur wirtschaftliche Gründe. Gerade in typischen Frauenberufen wie der Pflege sind Arbeitnehmerinnen prekären und belastenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Durch Mutterschaft und Beruf sind sie doppelt belastet. Dies führt häufig zu extremen Überbelastungen und Burn-outSituationen, die es schlichtweg unmöglich machen, die Stelle zu behalten. So erging es auch der alleinerziehenden Pflegemitarbeiterin Olga G. aus Luzern. Über das RAV erhielt sie einen Platz im Arbeitsintegrationsprogramm «Intervall». Während ihres Einsatzes gewann sie wieder Vertrauen in sich selbst, erlernte ohne Leistungsdruck neue Fähigkeiten, auch, dass manchmal nicht alles perfekt sein muss, und fand Freude an der Arbeit. Hier erzählt Olga G., wie sie einem Möbelstück neues Leben einhauchte und was dieser Prozess mit ihr gemacht hat.
«Als ich hier angekommen bin, hatte ich keine Erfahrung mit handwerklichen Arbeiten, ausser Nägel in die Wand zu schlagen, um ein Bild aufzuhängen. In einer Schreinerei oder mit Holz zu arbeiten, war neu für mich. Es hat mich immer

Olga G. präsentiert das Resultat ihrer Arbeit mit viel Freude und etwas Stolz: die Kommode im neuen Kleid.
interessiert, alte Sachen wieder zum Leben zu erwecken. Ich finde, dass viele schöne Dinge entsorgt werden, dabei gibt es so viel Leben in ihnen. Sie können zugleich klassisch und alt sein, aber auch modern und neu. Ich arbeite an jedem Stück mit viel Hingabe, und im Prozess der Arbeit kommen mir meine Ideen. Zu jedem Stück habe ich eine spezielle Verbindung. Mir ist sehr wichtig, dass am Ende ein gutes Produkt entsteht. Ich bin mir gegenüber auch sehr kritisch, es muss einfach perfekt sein. Ich will, dass die Person, die dieses Möbel kauft, zufrieden und glücklich ist und einen schönen Platz dafür in ihrer Wohnung findet. Meine Unerfahrenheit hindert mich etwas, weil ich auch sehr kritisch bin, aber zum Glück habe ich ein Superteam: Tom, Renato und alle Jungs geben mir Tipps. Ich kann immer um Unterstützung bitten und fragen. Ich habe auch gelernt, weniger streng mit mir zu sein und, wie Tom sagt, fünf gerade sein zu lassen. Ich schaue den anderen gerne bei der Arbeit zu, so kann ich viel dazulernen. Es macht mir einfach Spass und Freude, hier zu sein. Diese Freude möchte ich an die Person weitergeben, die das Möbel kaufen wird. Mir gefällt besonders gut, dass ich sehe, was ich erschaffen habe. Ich habe viele Jahre in der Pflege gearbeitet und habe dort zahlreiche Erfahrungen gemacht. Nun kann ich diesen Beruf nicht mehr ausüben, ich hatte ein Burn-out. Wenn man mit Menschen arbeitet, dann ist es immer so subjektiv. Ich kann sagen, ja ich habe meinen Job super gemacht, aber man sieht das Resultat nicht. Man hört nur, ob jemand zufrieden oder weniger zufrieden ist. Aber wenn ich in der Schreinerei bin und arbeite, dann sehe ich das Resultat gleich. Es ist objektiv, was durch meine Arbeit entsteht. Aber ich habe sehr viel zu lernen. Und ich muss nochmals sagen, ich bin meinem Team sehr dankbar. Alle sind Profis hier.»

Bild: Olga G.
Die Kommode im Originalzustand.
Arbeitsintegrationsprogramm «Intervall»
Das Arbeitsintegrationsprogramm «Intervall» bietet versicherten Erwerbslosen und Personen, die wirtschaftliche Sozialhilfe erhalten, einen sinnvollen und realitätsnahen Arbeitsplatz. Hier werden sie durch die Kombination von Arbeit und Bildung individuell gefördert und können ihren Erfahrungsschatz ausbauen. Das Programm dauert in der Regel vier Monate und kann mit einem zusätzlichen zweimonatigen Praktikum bei einem Arbeitgeber in der Privatwirtschaft ergänzt werden.
Folgende Caritas-Betriebe bieten Arbeitsintegrationsprogramme: – Caritas Wohnen Sursee – Caritas Wohnen Hochdorf – Caritas Wohnen und Caritas-Markt Luzern – Caritas Service und Werkstätten – Caritas Hauswirtschaft und Nähatelier, Littau – Caritas Velodienste, Velostation und nextbike
Diese Betriebe werden von erfahrenen Berufsleuten der verschiedenen Branchen mit arbeitsagogischer Weiterbildung geführt.
Mehr Info: caritas-luzern.ch/arbeitsintegrationsprogramme
Schwangere Migrantinnen stärken
Schwangere und sozial benachteiligte Frauen mit Migrationshintergrund leiden verstärkt unter Risikoschwangerschaften. Die Hebammen und Kursleiterinnen von Mamamundo möchten dies ändern. In den Geburtsvorbereitungskursen lernen die Frauen alles rund um die Geburt in ihrer Muttersprache und unter Berücksichtigung ihrer Herkunft und Biografie.
Text: Sara Bagladi Fotos: Verein Mamamundo Bern
Im Zimmer des Geburtsvorbereitungskurses geht es lebhaft zu und her: Während Hebamme und Kursleiterin Petra Hürlimann vom Stillen redet, übersetzen interkulturelle Vermittlerinnen für die schwangeren Teilnehmerinnen den Kursinhalt. Sie sitzen auf farbigen Bällen oder liegen auf Matten mit Stillkissen. Hauptsache bequem soll es sein. Es wird gelacht und auch mal geweint. Wenn Hebamme Hürlimann von Mamamundo erzählt, leuchten ihre Augen: «Ich gebe die Kurse wahnsinnig


Während die Hebamme informiert, übersetzt die interkulturelle Vermittlerin für die Teilnehmerinnen des Kurses.
gerne, und es ist so schön, wenn die Frauen erzählen, dass sie jetzt auf die Geburt vorbereitet sind.» Dank Unterstützung von kantonalen Mitteln der Dienststelle Gesundheit und Sport sowie Geldern von der Gesundheitsförderung Schweiz finden jährlich drei Kurse in neun möglichen Sprachen in der Frauenklinik des Luzerner Kantonsspitals statt. Caritas Luzern leitet das Projekt.
«Ich lernte viel in diesem Kurs»
Auch die 28-jährige Mina Baryalai* aus Afghanistan besuchte den Kurs: «Ich bin froh, dass ich diesen Kurs besuchen konnte, als ich schwanger war. Ich lernte viel.» In den Kursen lernen die Frauen alles rund um die Schwangerschaft, die Geburt und das Wochenbett unter Berücksichtigung ihrer Herkunft und Biografie. Auch ihre Rechte, das Schweizer Gesundheitssystem und weibliche Genitalverstümmelung sind Themen. Baryalai kam erst einige Monate vor der Geburt ihres Kindes in die Schweiz und hatte kein soziales Umfeld, das sie unterstützte. «Im Kurs lernte ich andere Mütter kennen, denen es ähnlich ging.» In einer WhatsApp-Gruppe tauschten sie sich auch ausserhalb des Kurses aus.
Ohne Hemmungen Fragen stellen
Dank der interkulturellen Vermittlerin Ashti HamaAmin verstand die junge Schwangere, um was es im Kurs ging. Hama-Amin arbeitet für den Dolmetschdienst Zentralschweiz von Caritas Luzern und spricht Deutsch, Kurdisch, Arabisch, Farsi und Dari. Ihre Arbeit geht über das sinngemässe Dolmetschen
hinaus. Sie kennt beide Kulturen und bezieht auch die Lebenswelt der Frauen mit ein. Sie ist mittendrin in ihrem Leben – sogar im Gebärsaal war sie schon dabei. Sie wählt ihre Worte bedacht und lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Auch sie musste aus ihrer Heimat Kurdistan/Nordirak fliehen und
gebar ihren Sohn im Iran ohne Unterstützung ihrer Familie. «Hier im Kurs sind alle gleich – trotz Unterschieden. Die Frauen können ohne Hemmungen ihre Fragen stellen.»
Erhöhte Chance auf Risikoschwangerschaft
Als Hebammen haben Hürlimann und ihre Kollegin Pia Scognamiglio gesehen, dass schwangere und sozial benachteiligte Migrantinnen mit Verständigungs- und Zugangsschwierigkeiten keine Anlaufstelle kennen: «Es war schlimm, zu sehen, wie diese Frauen viel zu früh oder zu spät ins Spital gekommen sind und manche ihre Kinder verloren haben.» Sie besuchen selten herkömmliche Geburtsvorbereitungskurse: Entweder kennen sie das Angebot nicht, haben ungenügende Sprachkenntnisse oder ihnen fehlen die finanziellen Mittel. Die Hebammen merkten: Wüssten die Frauen Bescheid, könnte viel Leid verhindert werden. Deshalb ergriffen sie die Initiative, um das Konzept von Mamamundo Bern auch in Luzern einzuführen. Ihr Anliegen ist auf grosses Interesse gestossen.
Erfolgreiches Projekt
Der Bundesrat kommt in einer Studie von 2015 zum Fazit, dass bei Müttern und Säuglingen mit Migrationshintergrund, die sozial benachteiligt sind, öfters Probleme auftreten als bei Schweizer Müttern. Dazu gehören: höhere Raten an Schwangerschaftsabbrüchen, mehr Kinder mit einem geringen Geburtsgewicht, erhöhte Säuglings- und Müttersterblichkeit. Laut einer Studie des Bundesamtes für Statistik von 2014 lag die Müttersterblichkeit von Ausländerinnen während der Jahre 2002 bis 2013 etwa 25 Prozent höher als bei Schweizerinnen. Vor allem das soziale und ökonomische Umfeld können zu diesen Unterschieden führen: Migrantinnen in der Schweiz arbeiten oft unter schwierigeren Arbeitsbedingungen als Schweizerinnen. Ihre Lebenssituationen sind meist belastend: Viele sind allein und leben in prekären Aufenthaltsverhältnissen. «Es ist wichtig, diese oftmals sehr jungen Migrantinnen zu erreichen», sagt Isabelle Häfliger von Caritas Luzern, die das Projekt operativ leitet. Dabei spielen sensibilisierte Mitarbeitende in Asylunterkünften, bei Sozialdiensten und im Schwan-
gerschaftsambulatorium eine zentrale Rolle. Die Kurse fördern die Chancengleichheit auf Gesundheit. Gleichzeitig entlasten sie das Fachpersonal in den Spitälern. Erste Evaluationen zeigen erfolgreiche Ergebnisse: «Im Gebärsaal erzählten sie mir, dass die Frauen, die unseren Kurs besucht haben, ruhiger und harmonischer gebären», sagt Hürlimann.
* Name zum Schutz der Person geändert.
Mehr dazu: caritas-luzern.ch/mamamundo
Petra Hürlimann
ist als freiberufliche Hebamme FH in Luzern und Nidwalden tätig und gibt Geburtsvorbereitungkurse in der Frauenklinik Luzern. Sie hat langjährige Erfahrungen als Pflegefachfrau und Hebamme FH. Wohnhaft ist sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Kriens.
Bild: Christoph Arnet Ashti Hama-Amin
ist seit 2002 Dolmetscherin und interkulturelle Vermittlerin beim Dolmetschdienst Zentralschweiz. Sie übersetzt und vermittelt in vielen Institutionen wie Schulen, Asylzentren, Spitälern, Gefängnissen oder auf dem Standesamt. Sie wohnt mit ihrer Familie im Kanton Luzern.