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Zivilgesellschaft im Wandel

Die Zivilgesellschaft befindet sich im Wandel. Das bürgerschaftliche Engagement hat zwar insgesamt zugenommen, aber sein Tätigkeitsspektrum und seine Organisationsformen verändern sich. Feste, dauerhafte Bindungen an Vereine, Verbände und Parteien verlieren an Bedeutung, während zugleich neue, flexiblere Formen des bürgerschaftlichen Engagements entstehen. Dieser Wandel trägt ganz wesentlich zur Vitalität der Zivilgesellschaft bei, daraus ergeben sich aber auch neue Herausforderungen. Eine dieser Herausforderungen ist abnehmende Beständigkeit bürgerschaftlichen Engagements. Wie kann in einer sich wandelnden Welt von zivilgesellschaftlichen Initiativen Beständigkeit und nachhaltige Wirkung erreicht werden? Diese Frage stellt sich sowohl für alte als auch für neue Formen des bürgerschaftlichen Engagements, wenngleich auf unterschiedliche Weise. Besonders offensichtlich ist das Problem bei der nahezu unüberschaubaren Vielzahl neuer Initiativen und Projekte. Die geringere Formalisierung von projektorientiertem Engagement hat den Vorteil der größeren Spontaneität und Flexibilität, ihr fehlt aber vielfach die Beständigkeit. Zahlreiche Projekte und Initiativen sind gar nicht auf Dauer ausgelegt, vielen anderen fehlen die Ressourcen dafür. Sie sind stark abhängig vom Engagement Einzelner und von (zumeist zeitlich befristeter) öffentlicher Förderung. Ein nachhaltiger Aufbau neuen sozialen Kapitals ist auf diese Weise nur schwer möglich. Aber auch die etablierten Vereine sind inzwischen mit dem Problem der abnehmenden Beständigkeit konfrontiert. Sie sind, wie die aktuelle Studie zum „Bürgerschaftlichen Engagement und Sozialkapital“ in Vorarlberg zeigt, noch immer die stärkste Säule der Zivilgesellschaft. Aber es fällt ihnen nicht nur immer schwerer, junge Mitglieder zu rekrutieren, es nimmt auch die Bereitschaft ihrer Mitglieder, ein Ehrenamt zu übernehmen, ab. Unter diesen Bedingungen wird es immer schwieriger, das vorhandene soziale Kapital zu erhalten. Die Stärkung der Beständigkeit der Zivilgesellschaft muss folglich an beiden Seiten ansetzen. Auf der einen Seite müssen wir sicherstellen, dass bestehende Vereine erhalten bleiben. Auf der anderen müssen neue Initiativen und Projekte so unterstützt werden, dass ihre Beständigkeit größer wird. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Förderung von professionellen Strukturen in den Gemeinden. Wir brauchen in den kommunalen Verwaltungen Stellen und Zuständigkeiten für die Förderung und Unterstützung der Zivilgesellschaft. Auch muss die nachhaltige Finanzierung von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Projekten verbessert werden, insbesondere von neuen zivilgesellschaftlichen Initiativen, um ihnen eine nachhaltige Finanzierungsgrundlage zu bieten.

Auch die etablierten Vereine sind inzwischen mit dem Problem der abnehmenden Beständigkeit konfrontiert.

Eine lebendige Zivilgesellschaft benötigt deshalb eine aktive Engagementpolitik, mit der das bürgerschaftliche Engagement gezielt gefördert wird. Eine solche Engagementpolitik muss zum einen die Autonomie der Zivilgesellschaft respektieren und zum anderen auf Beständigkeit ausgerichtet sein. Nur dann kann die Zivilgesellschaft auch in Zukunft das leisten, was wir von ihr erwarten.

Prof. Dr. Edgar Grande ist Politikwissenschaftler und ist als Gründungsdirektor des Zentrums für Zivilgesellschaftsforschung am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) tätig. Sein Forschungsschwerpunkt ist dabei die Zivilgesellschaftsforschung.

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