5 minute read

Erfassung der Waldschutz-Situation mittels Drohneneinsatz

Erfassung der Waldschutz-Situation mittels Drohneneinsatz

In einigen Wäldern des Churer Rheintals hat die extreme Trockenperiode des Jahres 2018 deutliche Spuren hinterlassen. Um die Situation grossräumig zu erfassen und längerfristig zu dokumentieren, lässt das AWN seit Sommer 2019 ausgewählte Gebiete mit einer Drohne befliegen und fertigt daraus Orthofotos an. Nach deutlichen Schäden im Jahr 2019 hat sich die Situation seither nicht weiter verschärft.

Advertisement

Marco Vanoni, Jürg Hassler und Peter Ebneter

Aus dem Jahr 2018 dürfte vielen noch der heisse und trockene Sommer in Erinnerung sein. Ähnlich ergeht es den Waldbäumen in Graubündens nördlichen Tieflagen, denen man insbesondere die fehlenden Niederschläge von Frühling bis Herbst 2018 noch heute ansieht. Die anhaltende und aussergewöhnliche Trockenperiode hatte bereits im damaligen Sommer zu verfrühter Blattverfärbung, beispielsweise von Buchen im Churer Rheintal, geführt. Allerdings wurde die Trockenheit vielerorts erst verzögert im Folgejahr ab Frühling 2019 weitherum sichtbar. Neben abgestorbenen oder nicht mehr austreibenden Buchen waren plötzlich vor allem auch Waldföhren, Weisstannen und Lärchen frisch abgestorben oder trieben nicht mehr aus. Lokale Ausfälle in sichtbarem Ausmass waren bisher häufig durch Borkenkäfer an Fichten, teilweise auch auf Weisstannen und Waldföhren beschränkt, sodass die Situation auch ein mediales Interesse weckte. Auf nationaler Ebene traten die Schäden besonders in der Nordwestschweiz in Erscheinung, als aus Sicherheitsgründen beispielsweise in Basel ganze Wälder für die Bevölkerung gesperrt werden mussten. Waldschutz ist eine der Kernaufgaben der Revierförster und Regionalforstingenieure. Man weiss heute über die meisten Schädlinge oder schädlichen Einflüsse Bescheid, oder das Wissen ist zumindest rasch abrufbar. Gleich verhält es sich mit den kantonalen Vorgaben in Bezug auf die Bekämpfungsmöglichkeiten und -pflichten. Dank des Erfassungssystems LeiNa ist auch die AWN-Zentrale laufend über die Situation in allen Talschaften Graubündens informiert. Jedoch beinhaltet dies nur diejenigen Fälle, in denen auch tatsächlich waldbauliche Massnahmen getroffen werden. Nicht unmittelbar bekannt ist die Situation also für Fälle, in denen keine finanziellen Beiträge an die Behebung oder Verhinderung von Waldschäden entrichtet werden, was am Beispiel der Trockenheitsschäden der Fall ist. Von einzelnen abgestorbenen Bäumen geht üblicherweise keine Gefährdung für die Waldfunktion aus, deshalb ist das Aufrüsten

Darstellung der Flugbahnen am Beispiel des Gebiets

«Schotsch» in Haldenstein. (Alle Bilder: AWN)

Übersicht der beflogenen Gebiete mit den grössten sichtbaren Trockenheitsschäden zwischen Domat/Ems und Trimmis.

von Dürrständern nicht beitragsberechtigt und es erfolgt keine Anordnung. Um als Erstes das tatsächliche Ausmass zu erfahren, hat das AWN bereits im Herbst 2018 eine interne Umfrage durchgeführt, um grössere betroffene Bestände zu ermitteln. In einem zweiten Schritt wurde beschlossen, ausgewählte Bestände mittels Drohnenluftbildern ab dem Jahr 2019 in regelmässigen Abständen zu erfassen, um auf kantonaler Ebene die Übersicht zu gewährleisten. Die Luftbilder werden mittels dem Drohnentyp DJI Mavic Platinum Pro aufgenommen. Eine Akkuladung reicht je nach Windverhältnissen für eine Flugdauer von circa 20 bis 25 Minuten. Mit den fünf vorhandenen Akkus kann über die sieben ausgewählten Flächen im Rheintal ein fortwährender Flug garantiert werden. Die Auflösung der Kamera beträgt 12 Megapixel. Die Flugplanung wie auch das Postprocessing, bei welchem die einzelnen Bilder zu einem Orthofoto verarbeitet werden, erfolgt mit dem Programm DroneDeploy. Bei der Flugplanung wird der Perimeter definiert sowie die Parameter der frontalen und seitlichen Überlappungen der einzelnen Bilder. Diese Einstellungen zusammen mit der Flughöhe bestimmen die gesamte Flugzeit wie auch die Auflösung des Luftbilds. Über die entsprechende Smartphone-Applikation wird die Flugroute auf die Drohne übertragen. Diese wiederum fliegt autonom die geplante Route ab und erstellt die Bilder, die dann auf einer Speicherkarte in der Drohne zwischengespeichert werden. Anschliessend werden die Bilder auf die Web-Applikation für die Verarbeitung hochgeladen. Die erstellten Luftbilder können von der Internetplattform aus in ver-

Frisch abgestorbene Bäume oberhalb von Chur am 15.Juli 2019.

schiedensten Dateiformaten exportiert und so für weitere Programme bereitgestellt werden. Um eine möglichst repräsentative Sicht über die betroffenen Gebiete im Rheintal und Domleschg zu erhalten, wurden die klimasensibelsten Gebiete ausgewählt. Dabei handelte es sich um Waldstandorte, die sich bis anhin am deutlichsten unter der Trockenheit veränderten. Das heisst, es wurden Wälder ausgeschieden, von denen man annimmt, dass sich die Vegetationsdecke in den nächsten Jahren massgeblich verändern wird. Dies sind vor allem Wälder, die auf flachgründigen Standorten stocken. Mit zunehmender Erwärmung und anhaltenden Trockenperioden stellt sich die Frage, ob alle diese Standorte in Zukunft noch waldfähig bleiben. Eines zeigt sich schon jetzt deutlich: Baumarten, die grossflächig absterben, sind nicht standortgerecht und über Jahrzehnte durch den Menschen gefördert worden. Als Beispiel sind hier einige Lärchenbestände zwischen Trimmis und Says erwähnt. Unter dem Einfluss eines immer wärmeren Klimas im Rheintal und im Domleschg sind auch die Auswirkungen der zunehmenden Trockenheit auf die einheimischen Baumarten wie Buche, Waldföhre, Weisstanne und Fichte immer deutlicher sichtbar. Mit den Orthofotos über die verschiedenen Teilgebiete werden wir in Zukunft sehen können, wie die Baumartenverschiebung vonstattengeht. Im Moment ist nicht ganz sicher, welche Baumarten die Lücken übernehmen. Zum einen verschwinden an einigen Standorten die Nadelbäume und werden durch Laubbäume wie Buchen und Eichen ersetzt. Zum anderen sterben aber

Dank der hohen Auflösung kann die Entwicklung der Einzelbäume nachverfolgt werden. Die Orthofotos stammen vom 24.Juni 2019, 30.September 2019 und 31.August 2020 (v.l.n.r.). Ungefähr in der Bildmitte oberhalb des Waldrands ist beispielsweise eine Buche zu sehen, die bis im Herbst 2019 noch belaubt war und im Verlauf der Vegetationsperiode 2020 abgestorben ist.

auch bereits Buchen ab. Hier ist noch nicht sicher, ob der Standort durch die Eiche übernommen werden kann. Mittelfristig kann sich auch eine dichte Strauchvegetation mit Hasel, Hartriegel, Wolligem Schneeball, Liguster, Mehlbeere usw. einstellen. Aus der Sicht der Biodiversität können auch Rückschlüsse auf das Mortalitätsstadium der verschiedenen Baumarten gemacht werden. So kann beobachtet werden, wie lange es unter den gegebenen Umständen dauert, bis ein Baum oder ganze Baumgruppen absterben. Auch für die Totholzforschung sind die Bilder, die jährlich aufgenommen werden, äussert interessant. So kann überprüft werden, wie lange ein Baum im toten Zustand stehend im Bestand verbleibt. Gleichzeitig kann an toten Bäumen beobachtet werden, wie sich über die Jahre die Kronen reduzieren. Nebenbei wird ersichtlich, wie lange dieser Abbauprozess verläuft, bis sich der Baum vom stehenden zum liegenden Totholz wandelt.

Marco Vanoni und Jürg Hassler arbeiten an der Zentrale des Amts für Wald und Naturgefahren in Chur und sind als Waldschutzbeauftragte zuständig für die laufende Überwachung der Waldschutzsituation in Graubünden. Peter Ebneter arbeitet als Regionalforstingenieur in der Region Herrschaft/Prättigau/Davos, befliegt die ausgewählten Gebiete mit einer Drohne und erstellt die Orthofotos.