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Fokus Wirbelsäule
WIRBELSÄULE ALS MOTOR
Der Ansatz, unsere Wirbelsäule als Zentrum von Bewegung und Gesundheit zu sehen, ist nicht neu. Bereits in traditionellen fernöstlichen Bewegungskulturen rund um Yoga und Tai-Chi nimmt sie die Rolle des Motors in unserem Körper ein. Auch in verschiedenen modernen Trainingskonzepten, z. B. „Exos“ von Mark Verstegen, die WeckMethod und Functional Patterns, werden die Prinzipien rund um Rotation und „Spine First“ hervorgehoben. Die „Spinal Engine Theory“ – ein Bewegungsmodell aus den 1980er Jahren – stellt das 33-teilige vertikale Achsenskelett ins Zentrum unserer Bewegungsfähigkeit. Dr. Serge Gracovetsky (ehem. Dozent an der Universität Montreal)

ROYAL COIL
• Hüftbreiter Stand, die Füße um 45 Grad nach außen rotieren und das Gesäß leicht anspannen. Der Bauchnabel zieht in
Richtung Wirbelsäule, die Augen sind auf ein imaginäres Ziel am Horizont gerichtet.
• Das Gewicht auf den linken Fuß verlagern. Der rechte Fuß macht anschließend einen Schritt diagonal nach hinten.
Drehe nun dein linkes Schulterblatt nach hinten-unten und schiebe deinen linken Ellenbogen so tief du kannst in Richtung deiner linken hinteren Hosentasche. Der linke Daumen zeigt dabei nach außen.
• Strecke gleichzeitig die rechte Faust in Richtung Decke und bring somit deine rechte Seite auf maximale Länge. Halte diese Position für 5–15 Sekunden. Wiederhole diese Übung anschließend auf der anderen Seite. Bei Bewegungen im dreidimensionalen Raum entsteht die wirkliche Kraft nicht nur durch die Kontraktion einzelner Muskeln, sondern auch durch das fein abgestimmte Zusammenspiel ganzer Muskelketten.
schlägt in diesem Konzept vor, Bewegungsimpulse, die uns eine Bewegung nach vorn überhaupt erst ermöglichen, in unsere Körpermitte zu setzen. Durch die mehrdimensionale Verwringung von Hüft- und Schulterachse entsteht so ein erhebliches Kraftpotenzial entlang der imaginären Diagonalen vor unserem Körper. Bei Bewegungen im dreidimensionalen Raum – beim Drehen, Werfen, Schlagen, Sprinten oder Springen – entsteht die wirkliche Kraft nicht nur durch die Kontraktion einzelner Muskeln, sondern auch durch das fein abgestimmte Zusammenspiel ganzer Muskelketten – ein absolutes Muss für Sport und Athletik! Denn auch wenn wir uns im herkömmlichen Fitnesstraining auf die Extremitäten konzentrieren und unseren Rumpf mit antirotatorischen Übungen kräftigen, ist es am Ende doch die Rotationsfähigkeit der Wirbelsäule, die uns eine effiziente Bewegung im dreidimensionalen Raum ermöglicht.
THERAPIE UND TRAINING
Entwicklern von Trainings- und Therapiekonzepten für den Bewegungsapparat ist das Potenzial der Rotationsbewegungen grundsätzlich nicht verborgen geblieben. In einigen Richtungen der Physiotherapie und Osteopathie gilt die Wiederherstellung eines beschwerdefreien und flüssigen Gangbildes als Goldstandard; zu nennen ist hier etwa die bekannte PNF-Methode (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation). Durch den mehrfachen Wechsel von Anspannung und Entspannung der Muskulatur werden kurze Zeitfenster geöffnet, in denen das Nervensystem mehr Bewegungsreichweite (Range Of Motion/ROM) im betroffenen Gelenk zulässt. Eine Reduktion der Beweglichkeitseinschränkung soll zu einer besseren Bewegung und einem besseren Gangbild führen. Nur wenn wir uns um un-
sere vertikale Achse drehen und verwringen, können wir die myofaszialen Muskelschlingen nutzen und gesund halten. Hier sei auf die Lektüre „Anatomy Trains“ von T. Myers (2015) verwiesen. Auch wenn dieser Ansatz heute bereits im fortgeschrittenen Bewegungstraining Verwendung findet, so liegt der Schwerpunkt häufig auf einer reinen Antirotation, einem muskulären Fest- und Dagegenhalten der Wirbelsäule. Dies ist für ein gewisses Trainingsniveau sicher sinnvoll – genauso wie auch für Situationen, in denen bewegungstherapeutisch gearbeitet wird. Denn zuerst muss natürlich die Fähigkeit erlernt werden, ein gewisses Maß an Spannung rund um unsere Körpermitte zu erzeugen, bevor wir sie für effiziente Fortbewegung und komplexe Athletik nutzen können. Doch dieses Niveau ist schnell erreicht und die alleinige Antirotation wirkt ab einem gewissen Punkt unverhältnismäßig. Wer stets nur diese eine Seite des Trainingsspektrums beachtet, der wird das eigene Bewegungs- und Gesundheitspotenzial langfristig nicht voll ausschöpfen können. Es lohnt sich also, den Fokus auf die Bewegungsfähigkeit der menschlichen Körpermitte zu legen, statt sie weiter zu limitieren.
Ein Training lässt sich mühelos in Richtung dieses Konzepts ausrichten, wie die beiden unten vorgestellten Übungen veranschaulichen. Das Konzept des „Coiling Core“ („verwringender Rumpf“) nach David Weck ist der erste Schritt zu einem besseren Verständnis und Erleben von Rotationstraining. Es liegt der Übung „Royal Coil“ zugrunde und steht im Kontrast zum weitverbreiteten Konzept „Bracing Core“ („angespannter Rumpf“), das sich primär auf die Kraftausübung konzentriert. Der „Coiling Core“ bietet einen stärkeren
ALEX MCKINLEY Übertrag auf alist einer der Co-Founder le athletischen der KINWIRE GmbH. Das Bewegungen in Unternehmen entwickelt Kinetic-Tools, darunter Sport und All-
FlowRopes, für dreidimensi- tag und beonales Training. Im Zentrum schreibt im Westeht dabei die Auffassung, dass unsere Wirbelsäule als sentlichen die das Zentrum von Bewegung Erfahrung des und Gesundheit zu sehen ist. www.kinwire.de vollen Bewegungsumfangs


DRAGON ROLL
• Hüftbreiter Stand, das Gesäß leicht anspannen und den
Bauchnabel in Richtung Wirbelsäule ziehen. Aus dieser stabilen
Mitte die Brustwirbelsäule lang und locker aufrichten.
• Als Hilfsmittel dient ein Gewichtsseil. Nimm in jede Hand einen
Griffknoten und starte vorn links vor dem Körper: Ziehe das Rope nach vorn rechts (Drag) und werfe (Roll) es nach links hinter deinen Körper.
• Ziehe (Drag) das Rope hinter deinem Körper nach hinten rechts und werfe (Roll) es erneut auf die Startposition vorn links. Achte auf das „Feedback“ des Seils und wiederhole dieses Bewegungsmuster so lange, bis du sicher in der Bewegung bist.
(ROM) in Seitneigung bei gleichzeitiger Rotation der Wirbelsäule. Zusätzlich wird der große Rückenmuskel (M. latissimus dorsi) auf völlig neue Art und Weise für Bewegung zugänglich gemacht. Die Übung „Dragon Roll“ versorgt die Wirbelsäule mit den nötigen Reizen, um stark und schmerzfrei zu bleiben, und sollte regelmäßig durchgeführt werden. Denn die Wirbelsäule wird oft gerade in den Freiheitsgraden der Rotation und der Lateralflexion vernachlässigt. Darüber hinaus verbessert das wiederholte Training die effiziente Gewichtsverlagerung, die Balance und die Koordinationsfähigkeit sowie das Timing. Diese Fähigkeiten sind nicht nur für Sportarten essenziell, bei denen man sich auf dem Spielfeld orientieren muss (Fußball, Basketball, Handball etc.), sondern auch für den Erhalt der Bewegungskompetenz im Alltag.
Literatur auf Anfrage beim Autor erhältlich W