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Marktplatz Food

VLEISCHESLUST

Bei aller Skepsis gegenüber der Idee an sich: Es gibt Spannendes im Bereich Fleischersatz. Sechs Substitute.

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Dass wir zu viel Fleisch essen, steht außer Frage. Viel zu viel. Die Menge, die wir konsumieren, tut weder unserem Körper gut noch unserem Planeten. Michael Pollan, ein Amerikaner mit Weit- und Durchblick in kulinarischen Gefilden, brachte es auf den Punkt: »Eat food. Not too much. Mostly plants.« Um den Fleischkonsum zu reduzieren, bieten sich ein paar Strategien an. Eine davon ist, Ersatz zu finden. Substitute. Weil wir uns, so scheint es, an die Textur von Schnitzel und Konsorten ebenso gewöhnt haben wie an

würzigen Bratenduft, arbeitet die Industrie daran, mit pflanzlichen Rohstoffen möglichst nah an die Dinge heranzukommen, ohne die wir scheinbar nicht leben wollen: Chicken Nuggets, Burgerpatties oder Extrawurst.

Jetzt kann man natürlich argumentieren, auch VeganerInnen haben ein Recht auf Genuss. Haben sie. Die Frage ist, ob die Industrie da in die richtige Richtung geht. Bei den folgenden sechs ausgewählten Produkten hat es unter der Lupe und in der Bratpfanne einige Überraschungen gegeben.

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TEXT UND BILD Jürgen Schmücking

VEGGIE LIFE – CHICK’N NUGGETS Also »Chicken Nuggets« dürfen sie nicht heißen. Da würde sofort die Behörde auf der Matte stehen (Täuschung!). Oder die Anwälte vom Schachtelwirt (Markenrecht!). Aber »Chick’n«? Grenzwertig, aber scheinbar möglich. Wie sie schmecken? Eigentlich gar nicht übel. Im Grunde nach recht wenig (außer den verwendeten Gewürzen). Damit ist man aber recht nah am Original. Die Chicken Nuggets beim McDonald’s schmecken eigentlich auch nur ein wenig nach Hühnerbrühe. Aber garantiert nicht nach Huhn. Diese hier sind aber bio. Und hauptsächlich aus Soja. Was aber klar war. Kommt immerhin aus dem Hause Tofutown (und aus der Tofustraße 1 – kein Witz). 1

WHEATY – THE VEGAN WAY VEGANES WINNER SCHNITZEL AUS SEITAN Ich muss gestehen, ich bin beeindruckt. Verabschieden wir uns einfach von dem Gedanken, dass diese Produkte wie ihre Vorbilder schmecken müssen. Müssen sie nicht. Hier reicht zum Beispiel die Konsistenz. Und da ist Seitan kein unbeschriebenes Blatt. Geschmacklich ist das Schnitzel jedenfalls beeindruckend. Einzig die Panade macht kleine Schwierigkeiten. Sie nimmt eine Spur zu viel vom Bratfett auf, der Seitan kann mit diesem Fett aber wenig anfangen. Und nein, es ist kein Tippfehler. Es heißt tatsächlich Winner Schnitzel. Verantwortlich für das Schnitzel (und für Wheaty überhaupt) ist Klaus Gaiser. Asienerprobter Kulturwissenschaftler, Tofuguru und Gründer von topas. 2

BIO AUSTRIA gratuliert den Gewinnern der

•Di e Tortenkomponiste n • Kolarik s Lu f bur g • Mi o Bi o

HERMANN – ROSTBRATWÜRSTCHEN OHNE FLEISCH Ein Paukenschlag. Hinter Hermannstehen die Neuburgers. Vater und Sohn »Sagen Sie nie Leberkäse zu ihm«. Also ein Unternehmen, das sein Vermögen mit Fleischkäse gemacht hat und damit (immer noch) einer der größten Fleischverarbeiter Österreichs ist. Jetzt gibt es auch die Linie »hermann«, und sie ist großartig. Bratwürste aus Kräuterseitlingen. Man merkt beim ersten Bissen, dass hier jemand am Werken ist, der was vom Rezeptieren versteht. Bio! Was beim Leberkäse aufgrund der gewaltigen Menge laut Neuburgers nicht möglich war. 3

Eine Initiative von

Mit freundlicher Unterstützung von

DIE OHNE FEINE EXTRA Macht man sich auf der Website von »die Ohne« schlau, sieht man sofort, in welche Richtung die Positionierung geht. Modernes Foodstyling, Instagram-Account, klare Bildsprache, ein Haufen Hashtags. Wir haben uns hier für die Extrawurst entschieden, weil es der Wurstklassiker schlechthin ist. Sagen die von »die Ohne« übrigens auch. Die feine Extra ist eine Komposition aus Milch-, Hühnerei- und Molkeeiweiß. Gefärbt, mit einer Handvoll Geschmacksverstärkern gepimpt, aber fein abgestimmt und überraschend extrawurstähnlich. Ziemlich gut sogar. In Linz beginnt’s, aber nicht ohne die ohne. Und irgendwie schließt sich da wieder ein kleiner Kreis, denn genau wie bei Neuburger steht hinter der Marke die stattliche Fleischmacht von Norbert Marcher mit seinen Marken Landhof, Loidl Spezialitäten und Styria Beef. Wenig erstaunlich also, dass man da recht nah ans Original herankommt. 4

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VEGANZ – BRATGRILLER DIE ORIGINALE Sie heißen »Die Originale«, weil es sie auch in einer anderen Geschmacksrichtung gibt: pikant. Beide probiert, Original ist besser. Das Produkt ist ein Amalgam aus Palmfett, Erbsenstärke, Kartoffel- und Weizenhalmfasern, Sonnenblumenöl und Kräutern. Aus der Pfanne genommen, wenn Fett und Hitze die Kräuter und Gewürze noch einmal unterstreichen, ist der Bratgriller schon recht nah an der Bratwurst. Oder – aufgeschnitten und in scharfem Curry ertränkt – recht nah am Currywurstfeeling. Was auch nicht verwunderlich ist. Immerhin ist Veganz ein Berliner Start-up. Mittlerweile natürlich ein großer Player am Markt. 5

EDEN –VEGETARISCHER FLEISCHKÄSE Beginnen wir damit, wie er aussieht. Der Grundton gleicht einem Leberkäse, der ohne Nitritpökelsalz hergestellt wurde. Das ist von der Qualität und vom Geschmack her zwar etwas besser, farblich aber immer eine gewisse Herausforderung. Hier kommt dazu, dass die Gewürze und andere Zutaten offen sichtbar sind. Kurz: Rein vom Anschauen her ist der Eden weit weg vom Paradies. Geruch und Geschmack sind da deutlich besser. Die Basis, Soja, ist erkennbar, auch Muskatnuss, Knoblauch und Kurkuma. Eden, der Hersteller, ist ein Urgestein am Biomarkt. Mit 120 Jahren ein Methusalem sogar unter den Bionieren. 6

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Die SchülerInnen der HLTW13 Bergheidengasse beim Nachkochen der aus den Einreichungen ausgewählten Rezepte.

FÜRS KLIMA GEKOCHT

TEXT Irina Zelewitz SCHÜLERINNENINTERVIEWS Corinna Domenig Ein klimafreundliches Kochbuch, gemacht von fast allen für fast alle. W as rauskommt, wenn ein Ministerium, (s)eine Bildungsinitiative, SchülerInnen und LehrerInnen mit einer ngo, einem Forschungsinstitut und der Umweltberatung der Wiener Volkshochschulen auf Basis eines öffentlichen Rezeptwettbewerbs gemeinsam ein Kochbuch produzieren wollen? Ein weniger zähes Projekt, als man vielleicht meinen würde jedenfalls.

Am Anfang war beim Initiator Forum Umweltbildung die Idee eines klimafreundlichen Kochbuchs – und wenig später die Frage, was »klimafreundlich« im Kontext Kochen bedeuten kann, erinnert sich Rebecca Zeilinger, die das Buchprojekt beim Forum Umweltbildung verantwortete. Ebendieses, eine Initiative des österreichischen Landwirtschaftsministeriums und des Bildungsministeriums, wollte nämlich breit zu einem Rezeptwettbewerb zum Thema aufrufen – und hat sich für die Einreichkriterien Hilfe von ExpertInnen gesucht und sie beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau, der Umweltberatung (der Wiener Volkshochschulen) und dem wwf Österreich gefunden. »Rausgekommen ist, dass wir nur Einreichungen annehmen wollten, die entweder Getreide als Hauptzutat haben oder zu über 50 % aus Obst oder Gemüse bestehen oder vegetarisch oder vegan sind«, sagt Zeilinger. Außerdem mussten die verwendeten Zutaten – mit Ausnahme von Gewürzen und Ölen – zu mindestens ¾ aus regionaler Produktion verfügbar sein. Und regional bedeute in diesem Fall Österreich und seine Grenzregionen, erläutert Zeilinger.

Aus den Einreichungen wurden 40 Rezepte ausgewählt und mit der hltw13 Bergheidengasse nachgekocht, das Ganze wurde dokumentiert. Gerahmt von knackigen Informationshappen findet sich das Ergebnis in »Von wilden Kräutern und beerigen Zeiten. Ein klimafreundliches Koch- und Lesebuch« zusammengefasst. Mühsam sei der Erstellungsprozess jedenfalls nicht gewesen, beteuert Zeilinger. »Ich war da von Anfang an zuversichtlich, weil ich wusste, wir arbeiten mit einer Schule, an der die LehrerInnen Kochprofis sind und es gewohnt sind, mit den SchülerInnen viel zu kochen.« Die SchülerInnen wiederum hätten interessiert