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Martin Mölgg ist Hobby-Historiker. Nichts fesselt den 62-Jährigen so sehr wie das Stöbern in alten Schriften.

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Herr Mölgg, was macht Vergangenes so interessant?
Bereits in der Grundschule war Geschichte mein liebstes Fach. Irgendwann wollte ich wissen, woher mein Familienname stammt und dies war der Auslöser für mein Interesse an der Genealogie und generell am Forschen. Bleibend war früher der Vorname, während bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts der Nachname je nach Aufenthaltstort wechselte. So wird 1640 im Prettauer Bergwerksarchiv ein Erzzieher Ruepert Felder genannt, dessen Spur zu meinem Stammbaum führt. Der erste als Jakob Mölgg Dokumentierte, ein Kind eines Hans Felder, scheint 1646 in St. Johann auf. Im Urbar in St. Peter ist der Name Mölgg 1547 genannt. Zusätzliche Informationen findet man in den Verfachbüchern, nämlich Kauf- und Handelsverträge für Gebäude, Grunde und Güter, wodurch dann einiges über das Leben der Ahnen ersichtlich wird. Ich stöbere gerne in den Matriken der Pfarreien, wo Tauf-, Hochzeits- und Sterbedaten angeführt sind, weiters in Grundbüchern, im Landesarchiv in Bozen sowie im Zeughaus und Ferdinandeum Innsbruck. Absolut spannend!
Erstellen Sie auch für anderen Menschen Ahnentafeln?
Ich helfe gerne dabei, lege aber
Martin Mölgg
aus Luttach
„Wenn man die Vergangenheit nicht kennt, kann man die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ (nach Helmut Kohl)
Wir suchen MITARBEITER
jeden ans Herz, selber den Stammbaum zu erkunden, weil gerade das Forschen die Faszination ausmacht und die Wertschätzung weit größer wird. Auch muss das Lesen alter Schriften erlernt werden – und im Gesamten ergibt das eine erfüllende Erfahrung.
Ist es nicht schwierig, die alten Schriften zu entschlüsseln
Mein Grundschullehrer David Auer lehrte uns das Lesen der deutschen Kurrentschrift. Das Lesen der gotischen Schrift brachte ich mir selber bei, weil ich neugierig war und wissen wollte, was da geschrieben steht. Zudem gilt es, alte Begriffe oder Abkürzungen, die es heute nicht mehr gibt, zu verstehen. Da half mir das Stöbern in Sekundärliteratur weiter.


Sie befassen sich auch mit Heraldik …
Mich erstaunten all die aufgemalten Wappen an Häusern, ich ging der Sache nach und fand, dass der Großteil Phantasiewappen ohne historische Grundlage sind. Wappen stehen jemandem nämlich nur mit einem Wappenbrief zu und wenn die Vorfahren in männlicher Linie bis dahin zurückverfolgt werden können. Bei uns eruierte ich bisher nur zwei echte Wappen in Taufers, und zwar jenes von Ottenthal, die im Ansitz Neumelans wohnten, sowie von Kammerlander. Verbürgt ist letzteres 1610 durch einen Johann Kammerlander, welcher Bergverweser in Prettau war und 1620 durch das Siegel des Landrichters Christian Kammerlander. 2010, genau 400 Jahre später übergab ich das Wappen – einen Löwen mit Bergwerkshammer - dem Bergsteiger Hans Kammerlander. Schön, wie sich diese Geschichte schreibt – und immer noch mit Berg zu tun hat …
Sie interessieren sich auch für Numismatik …
In der Grundschule erfuhr ich ein Schlüsselerlebnis: Ein Bub hatte eine 5-Kronen-Münze dabei, wo Kaiser Franz Josef abgebildet war. Dieser Bärtige zog mich in den Bann. Bald darauf durfte ich mit Bekannten nach Innsbruck fahren und kam zufällig an einem Schaufenster mit Münzen vorbei. Ich stürmte in den Laden, kaufte einen Numismatik-Katalog und meine kindliche Neugier erfuhr ein neues Entdeckungsfeld, das mich bis heute nicht loslässt. Später befasste ich mich hauptsächlich mit der Münzprägestätte Meran.
Die Musik ist aus Ihrem Leben ebenso nicht wegzudenken … Bereits als Kind spielte ich in der Musikkapelle Luttach Klarinette, die Noten lehrte uns der Pfarrer in der 3. Klasse Grundschule. Mein musikalischer Traum ging mit der Big Band „Die Musik“ in Erfüllung, wo ich Saxophon blies. Seit rund 20 Jahren trete ich mit Kollegen als Sax-Quartett auf, wir spielen auf kleineren Veranstaltungen und es macht mir großen Spaß.
Sie tragen einen Dzi-Stein aus Tibet, warum?
Ich habe ihn von Hans Kammerlander, ich war bei drei Trekkings in Nepal und Tibet dabei: zum Basislager am Everest, um den Heiligen Berg Kailash und in Ladakh auf den Stok Kangri, mit 6.153 Meter mein höchster Berg. Das Bergsteigen und Skitourengehen bereiten mir große Freude als Ausgleich zu meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Gemeindebeamter.
Gibt es Wünsche?
Ich kann es kaum erwarten, bis das Graf-Enzenberg-Archiv im Pfisterhaus in Steinhaus zugänglich gemacht wird. Es ist eines der umfangreichsten und vollständigsten Bergwerksarchive Tirols. Da ruhen wahre kulturhistorische Schätze zum Erforschen der lokalen Geschichte. Ich freue mich schon darauf! (IB)
Die Niederweger-Chronik
Der Theologe und Kapitelnotar Josef Valentin Niederweger hat eine der ersten, umfassendsten Chroniken des Tauferer Ahrntales geschrieben. In dieser und kommenden Ausgaben des stellen wir Auszüge daraus vor.
Zum 200. Todestag von Josef Valentin Niederweger (15.7.1753 - 22.11.1822) wollen wir Ausschnitte aus seinem großartigen, fünfbändigen Werk im wiedergeben, beginnend in dieser Ausgabe und in Abständen in weiteren Ausgaben, gleichsam in Gedenken an Niederwegers 270. Geburtstag im kommenden Jahr.
WER WAR J. V. NIEDERWEGER?
Josef Valentin Niederweger wuchs in Mühlen in Taufers als Sohn der Marianne Marcherin aus Bruneck und des Johann Niederweger aus Mühlen zusammen mit acht Geschwistern auf. Trotz bescheidener Verhältnisse im elterlichen Hause konnte er zum Studium der Theologie nach Hall, Innsbruck und Brixen. Mit 24 Jahren wurde er zum Priester geweiht und wirkte anschließend als Supernumerar in Weitental und Luttach sowie als Kooperator in Niederdorf und Brixen. Mit 33 Jahren wurde ihm das Amt als Notar des Domkapitels zu Brixen übertragen, das er in vorbildlicher und für ihn erfüllender Weise ausübte. Herausragend bis heute sind Niederwegers sorgfältige Archivarbeiten und wissenschaftliche Abhandlungen, vor allem sein fünfbändiges Werk „Nachrichten von der Herrschaft Taufers“, welches generell als „Niederweger-Chronik“ bezeichnet wird und dessen Original im Pfarrarchiv von Taufers einsehbar ist. Im Folgenden einige gekürzte Auszüge davon; die Schreibweise entspricht dem Original bzw. einer späteren Transkription:
ST. JÖRGEN
St. Jörgen (heute St. Georgen), das des größten Theils zum Burgfrieden Gisbach, Michelsburg und Uttenheim gehörte, ist ein schönes und zimlich beträchtliches Dorf, welches eine halbe Stunde von Bruneck und eine halbe Stunde von Gais in einer anzween Theile theilet (scheidet), die mit einer guten Brücke verbunden sind. Bey der St. Jörgen-Kirche war hier schon um 861 ein Plazitium gehalten, und Heinrich Herzog in Kärnten schenkte um das Jahr 989 den Bischof Albuin einen Hof in St. Georgi. Nebst diesem besaß das Stift Brixen noch einige andere Häuser und Güter zu St. Jörgen, welche unmittelbar zur Gerichtsbarkeit des Stiftes gehörten, und von dem Oberamt zu Brunecken abhingen. Die St. Georgen-Kirche steht im diesseitigen Dorfe nahe am Weege, enthält aber wenig Merwürdiges, doch einige ältere Epitaphien und Denkmähler der Troyer von Gisbach, und die Mörl v. Mühlen und Sichlburg. Die Kirche ist sehr net. Ober der Kirchthüre ist die Jahreszahl 1407 zusehen.
ANSITZ GÜSSBACH
Der adelige Ansitz Güßbach jenseits der Brücke ist ein ansehliches großes Gebäude daß von den Troyen aufgeführet worden. Darinnen befindet sich eine geweihte Kapelle zu Ehren der göttlichen Mutter und des hl. Pyriaeus. Dieser Ansitz und der dazugehörige Burgfrieden ist von den Troyern dem Doctor Stifler vor einigen Jahren verkauft worden. Unweit dieses Ansitzes steht auch der adeliche Ansitz der Freyenstein von weniger Bedeutung. Der ober diesen Ansitzen herabströmenden Gißbach hat zu verschiedenen Zeiten in allen Richtungen schreckliche Verwüstungen angerichtet. Aber durch Menschenfleiß sind ganze Strecken widerum gernütet, und zu trächtigen Äckern und Wiesen hergestellt worden. Auf gleiche Weise wurde die große und weite vorwärtsliegende bis an die Brunecker Felder sich hinanziehende Gemeinsaue von St. Jörgen Urbar gemacht, und zu den schönsten Wiesen und Ackerfeld seit einigen Jahren umgeschaffen. Hoch wird rücksichtlich der ältern Zeiten allda angeführt, daß die wiedertäufersche Sekt, welche zu Anfang des 16ten Jahrhunderts entstanden, auch zu St. Jörgen über alle Massen eingerissen hab. In einem Berichtschreiben nach Brixen vom Jahre 1532 wird die Anzeige gemacht, daß das ganze Dorf zu St. Jörgen mit Wiedertäufern angefüllet seye. In einem Zimmermanns-Hause hielten sie ihre Versammlungen, theilten das Abendmahl aus und bredigten ihre Lehre. Hanns v. Rost, damaliger Pfleger zu Uttenheim erhielt demnach den Auftrag, diese zu ergreifen und einzufangen. Noch eine frühere Stiftung für einen Priester wurde 1442 von den Kirchpropsten zu St. Jörgen und Aufhofen gemacht, wochentlich 6 Messen, und zwar 3 zu St. Jörgen und 3 zu Aufhofen lesen sollte.
AUFHOFEN
Aufhofen liegt zwischen St. Jörgen, Dietenheim und Bruneck, von jedem Ort eine halbe Stunde entfernt, hart an dem Aufhofner Kofl, in einer angenehmen Lage, die eine schöne Aussicht auf die Stadt Brunecken, und unübersehbare Felder gewähret. Aufhofen ist nur ein kleines Dorf mit etwa 26 Häusern, zählet aber einige adelige Ansitze und gut gebaute Häuser, mit einigen wohlhabenden Bauern. Schon in den 10ten Jahrhundert besaßen die Bischöfe zu Brixen einige Güter in Aufhofen (in alten Urkunden Ufhoven-Ufhova). Herzog Heinrich v. Kärnten schenkte dem Bischof Alboin um 989 einem Hof in Ufhoven. Unter Bischof Alteein wurden 1050, und 1070 mehrere Zusammenkünfte gehalten. Und schon in dieser Zeit oder in der Folge kam sogar ganz Aufhofen als ein Eigenthum mit allen gerechtsammen zu Stift Brixen. Hier hatten die Bischöfe einen eigenen Ansidl oder Thuenschen seit 1150, und dieser war der Wohnsitz von den Bischöfen gesetzten Öconomen oder Pröbste oder Amtsleute, welche die Gefälle des Hochstiftes in ganz Pusterthal zu verwalten hatten. Ein solcher Oekonom oder Verwalter war Engilwer, welcher 1152 in den Neustifter Urkunden als Geonomus einkommt und Gnoto, dessen hinterlassene Witbe Alheid 1210 dem Bischof Conrad einen Wladen mit seinen Kindern schenkte. Als um 1254 Bischof Bruno die Stadt Bruneck und das Schloss erbaute, wurde dieses Probsten oder Verwaltungsamt, nach Bruneck übersetzet, und zu den dortigen Amte gezogen, wo es auch immer geblieben ist. Dem alten Ansitze oder Thuem zu Aufhofen erhielt hierauf der damalige Amtsmann Conrad v. Aufhofen zu lehen. Von diesem kam derselbe auf die Rinkering (?) v. Aufhofen um 1510 an seine Schwester Dorothea als Erbe des Thurn. Da diese mit Hannsen Heus verehelichet war, so gieng der Ansitz Aufhofen auf die Heusen v. Mühlbach über. Siegmund Heus verkaufte diesen 1502 (?) an die Herren v. Rost, und diese um 1706 an die Hebenstreit, welche dieselben von dem Stifte zu Brixen zu lehen trugen. Die St. Katherina-Kirche ist ein altes gestiftete Gebäude, welche aber von aussen und innen einige schöne Epitaphien und Denkmäler der Familien v. Rost, Hebenstreit und Söll enthält. Vorzüglich zeichnet sich aus, daß bey der großen Kirchthüre von Marmor aufgerichtete Monument des Feldmarschallen Freyherren v. Adelzhoven, welche im Jahre 1648 verstorben, und alda begraben liegt. (IB)