59 minute read

Altschuldenlösung, Investitionen und effektivere Förderprogramme ........... Seite

Ohne Zweifel haben die Kommunen aufgrund der Unterstützung durch Bund und Länder das Jahr 2020 mit einem blauen Auge überstanden: die Konjunkturpakete haben die lokale Wirtschaft stabilisiert, die Übernahme der Gewerbesteuerverluste hat funktioniert, die Aufstockung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft entlastet insbesondere die großen Kommunen dauerhaft und auch der ÖPNV-Rettungsschirm hat geholfen. 2021 sehen nicht alle, aber viele Kommunen eine überraschend schnelle Erholung der Gewerbesteuereinnahmen, zum Teil sogar auf einem Niveau, das deutlich über dem Vorkrisenjahr 2019 liegt. Es herrscht allerdings Einigkeit, dass es sich hier um ein Zwischenhoch handelt, bedingt durch stark überdurchschnittliche Steuereinnahmen aus den starken Veranlagungsjahren 2017 bis 2019 sowie Nachholeffekten bei den Vorauszahlungen für frühere Jahre.

Trotz dieser schnellen Erholung 2021 haben die drei kommunalen Spitzenverbände Ende Oktober gemeinsam Alarm geschlagen und vor einer neuen, langanhaltenden kommunalen Haushaltskrise mit steigenden Defiziten und der Gefahr einbrechender Investitionshaushalte gewarnt. Als Ursache werden stark steigende Sozial-, Personal- und Sachausgaben genannt, die auch durch moderat steigende Steuereinnahmen nicht kompensiert werden können und sich bis 2024 auf ein Defizit von über 25 Mrd. Euro summieren. Man befürchtet einen jährlichen Rückgang der Investitionen um fünf Mrd. Euro pro Jahr mit der Folge, dass wichtige Zukunftsinvestitionen in Bildung, Klimaschutz, Verkehrswende und Digitalisierung nicht angegangen werden können. Dies vor dem Hintergrund, dass der errechnete kommunale Investitionsstau nach dem KfWKommunalpanel immer noch knapp 150 Mrd. Euro beträgt. Die Ergebnisse der NovemberSteuerschätzung bestätigten die unerwartete Erholung für das Jahr 2021 mit hohen Steigerungsraten bei Gewerbesteuer und Einkommenssteuer gegenüber dem ersten Krisenjahr 2020, aber auch gegenüber der Mai-Steuerschätzung 2021. Die Prognose zeigt aber auch, dass die Steuereinnahmen der Kommunen in den Folgejahren ab 2022 zumindest bis 2024 schwächer weiterwachsen als in der MaiSteuerschätzung angenommen. Verstärkt wird das sich abzeichnende “Long-Covid-Syndrom” der Kommunalfinanzen durch Zusatzbelastungen aufgrund direkter Pandemiekosten für Personal in der Kontaktnachverfolgung, Pandemieartikel, vor allem aber aufgrund hoher Corona-Verluste von wichtigen kommunalen Beteiligungen wie Kliniken, Verkehrsbetrieben, Messen oder auch Flughäfen. Die vierte Welle hat in allen diesen Segmenten die erhoffte wirtschaftliche Erholung massiv beeinträchtigt. Deswegen sind kommunale Forderungen nach finanziellen Hilfen auch für kommunale Unternehmen der Daseinsvorsorge berechtigt, finden allerdings aktuell aufgrund der laufenden Regierungsbildung kaum Ansprechpartner. Insofern dürfte klar sein, dass der Alarmruf der kommunalen Spitzenverbände im Oktober nicht als das branchenübliche “Jammern” im Hinblick auf die Berücksichtigung von kommunalen Finanzinteressen im “Ampel-Koalitionsvertrag” zu sehen ist, sondern als eine ernst zu nehmende Warnung vor einer drohenden Abwärtsspirale, von der wir alle dachten, dass wir sie hinter uns gelassen haben. Und um es noch ein wenig zuzuspitzen: in einem Moment, in dem es als Konsens gilt, dass unser Land auf allen Ebenen einen Aufbruch insbesondere bei den Megathemen Klimawandel, Verkehrs- und Energiewende sowie Digitalisierung braucht, wäre es fatal, wenn der föderalen Ebene, die diesen Aufbruch vor Ort mit konkreten Investitionen umsetzen soll, das Geld fehlt, um das anzupacken. Wir haben für Nürnberg mal errechnet, dass wir in den nächsten zehn Jahren ca. 2,4 Mrd. Euro ausgeben werden bzw. müssen, um die Anforderungen an eine klimaneutrale Stadt auch nur annähernd zu erfüllen. Dazu gehören: • die energetische Sanierung des städtischen Gebäudebestandes, die flächendeckende

Ausstattung von Dächern mit

PV-Anlagen, die Umstellung des städtischen Fuhrparks auf

E-Mobilität und der Aufbau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur, • Klimaanpassungsmaßnahmen im Bereich Grün und Stadtplanung – mehr Parks und Straßenbäume, grüne Dächer und

Fassaden, • die Umsetzung der Mobilitätswende mit einem flächendeckenden Ausbau von Radwegen, dem Ausbau und der

Digitalisierung des ÖPNV, dazu subventionsfinanzierte ÖPNV-

Preisangebote wie das 365- Euro-Ticket für jedermann. Dies alles zusätzlich zu den ohnehin notwendigen Investitionen in Höhe von fast 4,5 Mrd. Euro für den Neubau und die Sanierung von Schulen und Kitas, Infrastruktursanierungen von Brücken, Straßen und Kulturbauten wie Stadthalle, Opernhaus, Museen. Der Stadt Nürnberg fehlen aufgrund dieser Prognoserechnung, die wir “Szenario 2031” genannt haben, allein vier Mrd. Euro an eigentlich notwendigen Eigenmitteln, d. h. wir würden diese Maßnahmen komplett mit neuen Schulden finanzieren. Die Pro-Kopf-Verschuldung der Stadt würde sich damit innerhalb eines Jahrzehnts auf einen Wert verdreifachen, der sich der 10.000-Euro-Grenze annähert. Dies alles vorausgesetzt, dass eine solche Entwicklung haushaltsrechtlich überhaupt vorstellbar und genehmigungsfähig wäre, was äußerst unwahrscheinlich ist. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass selbst eine Kommune wie Nürnberg, die unter den großen Städten über 300.000 Einwohner hinsichtlich ihrer Finanz- und Steuerkraft im guten Mittelfeld anzusiedeln ist, die notwendigen Investitionen für Klimaschutz, Verkehrswende und Digitalisierung eigentlich nicht angehen kann. Dann aber können es viele finanzschwächere Kommunen in Deutschland erst recht nicht und damit würden diese gesamtgesellschaftlichen Ziele insgesamt zur Diskussion stehen. Allein aus diesen Gründen sind die konkreten Forderungen der letzten Wochen, die von unterschiedlicher kommunaler Seite an die neue Bundesregierung und die Länder gerichtet wurden, wichtig und können gar nicht oft genug wiederholt werden: • Schneller finanzieller Ersatz der

Pandemie-Mehraufwendungen der Kommunen – allein 2020 hatte eine Kommune wie Nürnberg fast 28 Mio. Euro Mehrausgaben, die bisher nicht erstattet wurden. Auch 2021 und 2022 drohen ähnliche Größenordnungen durch Personalmehrkosten im Kontaktmanagement,

Kosten von Pandemieartikeln, entgangenen Gebühren- und

Eintrittseinnahmen usw. • Auch in der vierten Welle brauchen wir finanzielle Unterstützung für unsere kommunalen

Krankenhäuser, Flughäfen,

Messen, Beschäftigungsgesellschaften bis hin zu unseren

Behindertenwerkstätten. • Daneben Fortsetzung des ÖP-

NV-Rettungsschirms – auch aktuell halten die kommunalen

Verkehrsbetriebe ihr Angebot trotz niedriger Fahrgastzahlen aufrecht – und mindestens

genauso wichtig: eine bessere, künftige Finanzausstattung des kommunalen ÖPNV: Erhöhung der sog. Regionalisierungsmittel um 1,5 Mrd. Euro, um Investitionen in die Infrastruktur und das rollende Material zu unterstützen und Einstieg in die Finanzierung der laufenden Defizite, die sich bis 2031 auf elf Mrd. Euro aufsummieren werden und ansonsten aus den laufenden Kommunalhaushalten zu decken sind. • Eine stärkere finanzielle Unterstützung für den klimawandelbedingten Stadtumbau z.B. in

Form eines erhöhten kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer, befristet bis zum Erreichen der gesamtgesellschaftlichen

Klimaneutralität. Was wir Kommunen nicht wollen, sind detaillierte, bürokratische Förderprogramme, deren Umsetzung dann aufgrund ihres Zeitverzugs wieder Kritik nach sich zieht. Allein die Stadt Nürnberg ist aktuell mit laufenden Beantragungsverfahren für über 100 verschiedene Förderprogramme der unterschiedlichen Ebenen

Bund, Land und Europa beschäftigt. Leider greift der Ende November vorgelegte Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung diese Forderungen kaum auf. Über die wichtige Ankündigung der Lösung des Altschuldenproblems hinaus, die aber nur einem Teil der Kommunen zugutekommt, ist die Ankündigung der Entbürokratisierung der laufenden kommunalen Förderprogramme enthalten, aber kein Vorhaben, den Kommunen direkt weitere Finanzmittel im obigen Sinn zur Verfügung zu stellen. Deshalb sei es an dieser Stelle nochmals deutlich gesagt: Bund und Länder sind jetzt gefordert, einen kommunalen “Long Covid” zu verhindern und damit gleichzeitig alle Kommunen finanziell fit zu machen für Verkehrswende, Klimaschutz und Digitalisierung!

Paradoxon der kommunalen Haushalte

Long Covid trotz Zwischenhoch bei der Gewerbesteuer?

(BS/Harald Riedel) Es wird immer klarer, dass die Pandemie nicht nur große Unsicherheit bezüglich der medizinischen und gesellschaftlichen Folgen unseres Landes verursacht, auch die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen sind nicht einfach zu bewerten. Dies gilt ebenso für die aktuelle und mittelfristige Entwicklung der Kommunalfinanzen in Deutschland. Die Ambivalenz zeigte sich auch in den Nachrichten und Prognosen der letzten Wochen.

Harald Riedel ist Stadtrat, Finanzreferent und Kämmerer der Stadt Nürnberg. Foto: BS/privat

Als Finanzminister hatte Olaf Scholz bereits einige Versuche unternommen, die Altschuldenproblematik der Kommunen anzugehen. Im Koalitionsvertrag haben SPD, FDP und die Grünen das Thema nun aufgenommen: “Wir brauchen leistungsstarke und handlungsfähige Kommunen. Es gibt viele Kommunen mit hohen Altschulden, die sich nicht mehr aus eigener Kraft aus dieser Situation befreien können. Ihnen fehlt die Finanzkraft für dringend notwendige Investitionen. Wir wollen daher diese Kommunen von Altschulden entlasten. Dazu bedarf es einer gemeinsamen, einmaligen Kraftanstrengung des Bundes und der Länder, deren Kommunen von der Altschuldenproblematik betroffen sind”, heißt es im Kapitel VIII “Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Finanzen”. Um die Kommunen von den Altschulden zu entlasten, ist eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: “Dies kann nur in einem übergreifenden Konsens gelingen, der das Einvernehmen der Länder erfordert und einer Änderung des Grundgesetzes bedarf, für die die entsprechende Mehrheit im Deutschen Bundestag und Bundesrat nötig ist.” Damit Kommunen nicht wieder in eine solche Situation kommen, soll zudem eine erneute derartige Überschuldung künftig rechtssicher verhindert werden, die Investitionskraft gestärkt und ein enges Monitoring etabliert werden. Von den betroffenen Kommunen fordern die Ampelparteien im Koalitionsvertrag auch eigene Beiträge zur Entschuldung. “Wir fühlen uns verstanden und hoffen darauf, dass die Versprechen gehalten werden”,

Koalitionsvertrag verspricht bessere Finanzausstattung

Altschuldenlösung, Investitionen und effektivere Förderprogramme

(BS/lkm) Die neue Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag auch für die Kommunalfinanzen stark gemacht. Sie spricht dort eine Lösung der Altschuldenfrage, Investitionen in Zukunftsthemen und kommunale Förderprogramme an. Die Kommunalverbände haben die Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag überwiegend positiv aufgenommen. Insgesamt sehen die Kommunen im Koalitionsvertrag ein wichtiges Signal auf dem Weg zu einer gerechten Finanzverteilung und gleichwertigen Lebensverhältnissen. Ein bedeutender Aspekt fehle allerdings.

kommentierte Remscheids Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz die Vorhaben der Koalitionäre. Mast-Weisz ist einer der vier Bündnissprecher des Aktionsbündnisses “Für die Würde unserer Städte”, in dem sich benachteiligte Kommunen zusammengeschlossen haben, um auf ihre finanziellen Probleme aufmerksam zu machen.

Lichtblick im Förderdschungel

Um die Altschuldenlösung in Angriff zu nehmen, kündigten die Koalitionäre an, entsprechende Gespräche mit den Ländern und den anderen Fraktionen der demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag zeitnah im Jahre 2022 führen zu wollen. Das Aktionsbündnis setzt große Hoffnung in dieses Versprechen: “Damit könnte das Hin-und-Herschieben von Verantwortung, das wir in den vergangenen Jahren so oft und so bitter erfahren mussten, endlich ein Ende finden”, so Mast-Weisz. Die Kommunen würden ihre Forderungen deshalb insbesondere bei den Regierungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wiederholen. In diesen Ländern gebe es bisher keine Altschuldenregelung, anders als beispielsweise in Brandenburg, Hessen oder dem Saarland, erläuterte Remscheids Oberbürgermeister. Neben den Altschulden bekennen sich SPD, FDP und Grüne im Koalitionsvertrag zur Unterstützung kommunaler Investitionstätigkeit, unter anderem im Bereich des Klimaschutzes und der Transformation. “Für die zielgerichtete Unterstützung bauen wir Investitionshemmnisse bei den Förderprogrammen ab und passen die Bedingungen zur Inanspruchnahme insbesondere für steuerschwache oder überschuldete Kommunen gezielt an”, heißt es dazu im Papier. Der Eigenanteil von benachteiligten Kommunen soll reduziert oder ersetzt und die Förderung soll am Merkmal “Strukturschwäche” ausgerichtet werden. Die kommunalen Förderprogramme sollen verbessert werden, indem sie entbürokratisiert und dort, wo möglich, sinnvoll gebündelt und mit praxistauglichen Fristen versehen werden. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) fordert seit Jahren, den Förderdschungel zu entwirren und somit den Zugang zu Fördermitteln auch für kleinere Verwaltungseinheiten zu vereinfachen. Der Kommunalverband begrüßt daher, dass hier eine neue Förderstruktur die Übersichtlichkeit und damit auch die Umsetzbarkeit erleichtern soll. Auch die reduzierten Eigenanteile bei finanzschwachen Kommunen bewertet der DStGB positiv. Das Aktionsbündnis begrüßt die Reform bei den Förderprogrammen ebenfalls. Die bisherige Förderpolitik des Bundes habe nicht zu benachteiligten Kommunen gepasst. Sie hätten nicht das Personal, um die aufwendigen Antragsverfahren zu bewältigen, und ihnen würden oft auch die Eigenmittel fehlen, die dabei vorausgesetzt würden. Von den Förderprogrammen hätten daher meist die wohlhabenden Städte profitiert. Der Deutsche Städtetag bewertete es als “gut und notwendig”, die Investitionsfähigkeit der Städte zu unterstützen. Allerdings bräuchten die Städte nicht nur Förderprogramme, sondern mehr frei verfügbare Mittel durch einen größeren Anteil am Steueraufkommen. In einem Punkt hätten sich die Kommunen mehr von der neuen Regierung erhofft. Wesentliche Ursache für die Lasten der Kommunen sei die ungerechte Finanzverteilung in der Sozialpolitik. Der Bund könne die Aufgaben hier beliebig an die Kommunen delegieren und dabei festlegen, wie er die Kosten der Kommunen ausgleiche. In der Vergangenheit hätten die Kommunen bei Weitem nicht das Geld bekommen, das sie hätten ausgeben müssen. Sie seien gezwungen gewesen, Kredite aufnehmen, um Aufgaben zu erfüllen, die ihnen der Bund übertragen hätte, kritisiert Mast-Weisz.

Vor allem Kommunen, die tief in der Verschuldung stecken, können mit dem neuen Koalitionsvertrag auf eine Lösung der Altschuldenproblematik hoffen. Foto: BS/CC BY 2.0, 7C0, flickr.com Sozialbereich wird weiter ausgedehnt

Im Koalitionsvertrag wird zwar angekündigt, dass die Bundesregierung bei neuen Aufgaben im Sozialbereich stärker auf die “Ausgewogenheit der Finanzierung” achten möchte, jedoch sind für den DStGB die geplante Einführung einer Kindergrundsicherung, das Bürgergeld (Ersatz für Hartz-IV), die Rentengarantie, die fehlende Positionierung, dass in einer älter werdenden Gesellschaft auch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit kein Tabu sein darf, Indizien dafür, dass der Sozialbereich weiter ausgedehnt werden wird. In diesem Zusammenhang fehle ein wirklich klares Bekenntnis zum Grundsatz: Wer bestellt, bezahlt. Dem Kommunalverband ist die nachhaltige Finanzierung im Koalitionsvertrag zu vage formuliert. Es bleibe zu hoffen, dass die Ampel die Leistungsfähigkeit des Staates und der Wirtschaft nicht überschätzt. Insbesondere im Sozialbereich sei eine Reform mit dem Ziel “Finanzierung des Sozialstaats dauerhaft sichern, Überforderung vermeiden” kaum erkennbar. Auch der Deutsche Städtetag bewertet die Ankündigungen als “unzureichend”.

Trotz leichter Erholung bei den Steuereinnahmen

(BS/lkm) Die November-Steuerschätzungen von Bund und Ländern fielen besser als erwartet aus. Die Steuereinnahmen werden höher sein als noch im Mai dieses Jahrs erwartet. Auf kommunaler Ebene erwartet das Bundesfinanzministerium für dieses Jahr demnach ein Steuerplus von 12,2 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020. Für die Kommunalfinanzen könne dennoch keine Entwarnung gegeben werden, meint der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB).

Der Arbeitskreis Steuerschätzungen prognostiziert für die Kommunen im Jahr 2021 Steuereinnahmen in Höhe von 120,5 Milliarden Euro und im Jahr 2022 dann 122,5 Milliarden Euro. Das macht ein Plus von mehr als zwölf Prozent. Dennoch werden die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden 2021 um 1,4 Milliarden Euro unter den ursprünglichen Erwartungen vor Corona liegen. Für 2022 werden 3,6 Milliarden Euro weniger prognostiziert als ursprünglich angenommen. Einnahmeverluste

Das Gesamtaufkommen der Gewerbesteuer, eine der wichtigsten Steuern der Städte, wird 2021 voraussichtlich bei 55,8 Milliarden Euro liegen und damit 0,6 Milliarden unter dem Niveau, was vor Corona zu erwarten war. Dieser Wert sei allerdings stark von Nachzahlungen für das Jahr 2020 geprägt. Auch beim Einkommensteueranteil erwarten die Gemeinden spürbare Einnahmeverluste. “Die kommunalen Finanzen erholen sich, stecken aber weiter im Corona-Tief”, betonte Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. “Auch wenn die Lage der öffentlichen Finanzen eine positive Tendenz aufzeigt, kann vor allem für die Kommunalfinanzen keine Entwarnung gegeben werden. Wir brauchen mehr kommunale Finanzmittel und dürfen die Städte und Gemeinden nicht mit immer neuen Aufgaben und Ausgaben überlasten.” “Zwar ist die Lage der Kommunalfinanzen nicht mehr katastrophal – sie bleibt aber angespannt”, gab auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, zu bedenken. Ferner sei offen, ab wann wieder mit steigenden Zuweisungen seitens der Länder gerechnet werden könne. Zudem sei ein großer Teil der verbesserten Erwartungen Folge der gestiegenen Inflation: Die Steuermehreinnahmen müssten also zu einem Teil herhalten, um höhere Preise zu kompensieren. Laut DStGB werden die Kommunen trotz der Steuererholung bis 2024 mit 19,6 Milliarden Euro weniger im Vergleich zu den Planungen vor Corona auskommen müssen. Der DStGB fordert von der neuen Bundesregierung und den Ländern daher eine dauerhafte und auskömmliche finanzielle Unterstützung. Nur so könnten die Haushalte vieler Kommunen stabil gehalten und es könne in die Zukunft investiert werden.

lanfgrisitge Finanzierung sichern

“Die neue Bundesregierung muss klären, wie die nötigen Investitionen in die Zukunft unseres Landes verlässlich und langfristig ausfinanziert werden können”, so Landsberg. Der Investitionsrückstand der Kommunen beläuft sich schon heute auf fast 150 Milliarden Euro. Dieser Berg kann nur langfristig abgetragen werden, dafür sind ein Bürokratieabbau, Pauschalierungen und vor allem Planungssicherheit unverzichtbar, um die nötigen Personalkapazitäten in den Verwaltungen und in den Unternehmen zu gewinnen und halten zu können.

Mehr Absicherung notwendig

“Zudem dürfen die Kommunen nicht immer weiter mit Ausgabenbelastungen ausgezehrt werden”, so Landsberg. “Der Anspruch auf Ganztagsbetreuung ist politisch und gesellschaftlich gewollt. Wenn der Bund diesen verspricht, muss der dessen Erfüllung auch ausfinanzieren und nicht bei den Gemeinden abladen, die Milliardenausgaben deswegen zu stemmen haben, über die sie nicht verfügen. “Weniger versprechen, mehr absichern” muss die Devise sein”. Der Deutsche Städtetag fordert zur besseren Finanzausstattung der Kommunen einen höheren Anteil am Steueraufkommen. “Nur bei einer ausreichenden Finanzausstattung werden wir vor Ort in eigener Verantwortung und frei von bürokratischen Hemmnissen deutlich stärker investieren können. Und nur so wird es den Städten möglich werden, die wichtigen Transformationsprozesse rund um Klima, Mobilität, Bildung und Digitalisierung erfolgreich zu gestalten”, so Dedy. Kommunen stehen vor der Aufgabe, tragfähige Zukunftskonzepte für städtische Räume zu entwickeln. Die Menschen wünschen sich erlebnisorientierte Innenstädte mit vielfältigen Angeboten des Handels und der Gastronomie, aber auch Freizeit- und Kulturaktivitäten. Wie kann ein lokaler OnlineMarktplatz dieses Bedürfnis unterstützen? Die Realität zeigt, dass Kommunen, die Locamo nutzen, die Attraktivität ihrer Innenstadt steigern konnten. Denn aus Anwenderperspektive wird hier mehr als ein Shopping-Portal geboten: Eine digitale Plattform, die den lebendigen Charakter einer Stadt widerspiegelt. Der Funktionsumfang lokaler Online-Marktplätze von Locamo orientiert sich am Bedürfnis nach Information, Einkauf, Genuss und Erlebnis. Für jedes Projekt wird der Marktplatz individuell konfiguriert und ist gleichzeitig Shopping-Plattform und Unternehmensverzeichnis mit Öffnungszeiten und Kontaktmöglichkeiten. Er präsentiert Gastronomie, Dienstleister, Handwerk und Vereine. In der Funktion als Info- und Buchungsportal für Gutscheine, Veranstaltungen, Tourismus, ÖPNV und Parken bündelt das Portal alle relevanten Angebote für Besucher. Per Click & Collect werden Einzelhändler auch ohne OnlineShop sichtbarer und profitieren vom Wunsch der Verbraucher, verstärkt lokal einzukaufen. Wenn der Weg in die Stadt mit einem Besuch im Café oder bei einem Dienstleister verbunden wird, trägt Locamo auch zu einer positiveren Umweltbilanz bei.

Vielfalt digital erleben

Zukunft von Stadt und Handel gestalten

(BS/Torsten Schröder*) Einkaufen, genießen, erleben – eine Stadt wird laut aktuellen Studien dann als attraktiv wahrgenommen, wenn sie es schafft, als Ort der Begegnung alle Sinne anzusprechen. Mit einem lokalen Online-Marktplatz von Locamo lässt sich Ihre Stadt in ihrer ganzen Bandbreite abbilden: Das multifunktionale Konzept verbindet stationäre Angebote mit Online-Sortimenten und Services. Erfahren Sie, wie Städte Bürger und Besucher digital abholen und diese Lösung nutzen, um die Gesamtattraktivität zu stärken sowie die Innenstädte zu beleben.

Lokale OnlineMarktplätze sind eine geeignete Lösung, um die Innenstädte nicht nur in PandemieZeiten mit all ihren Facetten zu erhalten. Locamo hat deshalb einen Online-Marktplatz speziell für den stationären Einzelhandel entwickelt.

Foto: BS/Locamo

Möchten Sie erfahren, ob sich diese Marktplatz-Lösung auch für Ihre Stadt oder Region lohnt? Nähere Informationen erhalten interessierte Städte bei Torsten Schröder: torsten.schroeder@locamo.de .

*Torsten Schröder ist Vertriebsleiter City Solutions bei Locamo.

“Aufgabenverteilung”

Kommunalisierungsgrad im Vergleich

von Dr. Ulrich Keilmann

Die Aufteilung von Landes- und kommunalen Aufgaben ist im Flächenländervergleich heterogen. Zur kursorischen Untersuchung der Aufgabenverteilung hat sich die Kenngröße des Kommunalisierungsgrades etabliert. Dieser beschreibt den prozentualen Anteil der kommunalen Ausgaben an den Gesamtausgaben des Landes und seiner Kommunen. Damit können Unterschiede in der Aufgabenverteilung näherungsweise dargestellt werden. Unterschiede können sich u. a. aus einer heterogenen Aufgabenfülle und den gesetzten Standards ergeben. Zu beachten ist: Der Kommunalisierungsgrad ist nur quantitativ interpretierbar. Über ihn lassen sich keine Aussagen über die Qualität oder Effizienz der erbrachten Leistungen ableiten. Zur Berechnung des Kommunalisierungsgrades gibt es verschiedene Methoden. Im Folgenden werden die unmittelbaren Ausgaben herangezogen. Die unmittelbaren Ausgaben sind die im Zuge der Aufgabenerfüllung getätigten Ausgaben – ohne Zahlungen an den öffentlichen Gesamthaushalt. Zu den unmittelbaren Ausgaben zählen: Personalausgaben, laufender Sachaufwand, Zinsausgaben, laufende Zuweisungen und Zuschüsse, Schuldendiensthilfen, Sachinvestitionen (Baumaßnahmen sowie Erwerb von Sachvermögen), Vermögensübertragungen, Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen, Darlehen an andere Bereiche und Erwerb von Beteiligungen. Die Abbildung zeigt den Kommunalisierungsgrad auf Basis der Kassenstatistik 2019 im Flächenländervergleich. Die Analyse beschränkt sich auf das Vorkrisenjahr, um ein Bild ohne pandemiebedingte Auswirkungen zu zeigen. Im Durchschnitt der Flächenländer lag der Kommunalisierungsgrad bei 51,74 Prozent. Damit war das Ausgabevolumen der Kommunen etwas größer als das der Länder. Indes finden sich im Flächenländervergleich große Differenzen. Den höchsten Wert des Kommunalisierungsgrads hatte mit 57,20 Prozent NordrheinWestfalen und den niedrigsten Wert mit 40,22 Prozent das Saarland.

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

Kommunalisierungsgrad 2019 im Flächenländervergleich Lesen Sie mehr zum Thema “Aufgabenverteilung” im Kommunalbericht 2020, Hessischer Landtag, Drucksache 20/3456 vom 25. September 2020, S. 35 ff. Der vollständige Kommunalbericht ist kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.

Fuhrparkmanagement

Die Themen “Klimaschutz” und “Nachhaltigkeit” sind für Freiburg nicht neu – im Gegenteil: sie werden hier seit Jahrzehnten großgeschrieben und gehören praktisch zur DNA der Stadt. Sie sind fest verankert: in der Politik, der Verwaltung und der Bürgerschaft. Bereits 1996 wurden hier erstmals städtische Klimaschutzziele formuliert. Seitdem werden unsere Klimaschutzziele regemäßig überprüft, angepasst und von Zeit zu Zeit auch immer ehrgeiziger. Freiburg hat sich schon früh mit seiner ambitionierten Umweltpolitik und einem klaren politischen und bürgerlichen Bekenntnis zur nachhaltigen Stadtentwicklung als “Green City” weltweit einen Namen gemacht. Regio-Umweltkarte

Schon vor Jahrzehnten wurde hier, mit dem Bau neuer Straßenbahnlinien, eine Art Verkehrswende eingeläutet. Dazu kam 1991 die Einführung einer sogenannten Regio-Umweltkarte für den ÖPNV, die Radwege wurden – und werden

noch immer – weiter ausgebaut, der Verkehr für Fußgänger/-innen wird ebenso gezielt gefördert und in neuen Stadtteilen plante man schon früh erste autofreie Wohngebiete – der neue Stadtteil Dietenbach, der gerade am Entstehen ist, soll sogar ganz klimaneutral werden. Zudem hat Freiburg ein Märkte- und Zentrenkonzept entwickelt – sozusagen eine “Stadt der kurzen Wege”, d. h. die Stadtteilzentren werden durch ortsnahe Versorgung und den Anschluss an die Stadtbahnnetze gestärkt. Ansiedlungen auf der “grünen Wiese” werden nur unter bestimmten Voraussetzungen genehmigt. Ein weiterer wichtiger Baustein für eine nachhaltige Stadtentwicklung ist sicher auch der in den letzten Jahren verstärkte Ausbau von Carsharing-Angeboten und Leihrädern. Und Freiburg lässt nicht nach: Mit dem im Jahr 2019 verabschiedeten Klima- und Artenschutzmanifest werden alle Entscheidungen des Gemeinderats hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Klima und die biologische Vielfalt überprüft. Auch die Klimaschutzziele hat man erst vor wenigen Tagen noch einmal verschärft: Die CO2-Emissionen soll bis zum Jahr 2030 um 60 Prozent reduziert werden – und schon 2038 soll Freiburg klimaneutral sein! Was die Verwaltung selbst angeht, ist man sogar noch ehrgeiziger: Hier will man bis 2030 klimaneutral werden! Diese ehrgeizigen Ziele können nur erreicht werden, wenn hier auch die Verwaltung Verantwortung und eine wichtige Vorbildfunktion einnimmt – in ihrer täglichen Arbeit, aber auch für die Mitarbeiter/-innen. Was kann klimaverträglich gestaltet werden? Das betrifft unter anderem den eigenen Bausektor, die Mobilität, aber auch interne Abläufe.

Auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt

Wie gelingt uns die CO2-freie Verkehrswende?

(BS/Prof. Dr. Martin Haag*) “Stadtverträgliche Mobilität fördern, weniger Verkehrsbelastung produzieren” – so lautet eines der Freiburger Nachhaltigkeitsziele. Eine nachhaltige Mobilität ist unabdingbar, um die verkehrsbedingten Emissionen zu senken und damit die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen.

Prof. Dr. Martin Haag ist Baubürgermeister der Stadt Freiburg im Breisgau, BadenWürttemberg. Foto: BS/Stadt Freiburg In Freiburg werden 79 Prozent der Wege zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV zurückgelegt.

Foto: BS/Stadt Freiburg

Klimaneutrale Dienstfahrten

Für den Neubau und die Sanierung sämtlicher Verwaltungsgebäude, Schulen oder Kindergärten gibt es in Freiburg zum Beispiel klare Energieleitlinien. Für Neubauten ist die Passivbauweise grundsätzlich umzusetzen. Auch in Sachen Mobilität geht die Freiburger Verwaltung mit gutem Beispiel voran: Der stadtinterne Post-Botendienst wird ausschließlich auf Fahrrädern bewerkstelligt und der stadteigene Fahrzeugpool besteht größtenteils aus Elektro-Autos. Um die klimafreundliche Mobilität der Mitarbeiter/-innen zu unterstützen, hat die Stadtverwaltung 2016 mithilfe eines externen Beratungsunternehmens ein Personenmobilitätskonzept entwickelt. Das Konzept sollte aufzeigen, wie die Stadt die eingesetzten Verkehrsmittel der Beschäftigten für Dienstfahrten und Dienstgänge optimieren und auch die Wege zwischen Wohnort und Arbeitsplatz umweltfreundlicher gestalten kann. Die Mitarbeiter/-innen sollten also für nachhaltige Mobilität sensibilisiert werden. Herausgekommen sind – auch fi nanziell gesehen – attraktive Angebote für die Beschäftigten. Die wichtigsten Punkte sind die Optimierung des Fahrzeugpools (ein verwaltungsinternes Carsharing), die Reduzierung von Parkplätzen für private Autos, der sehr hohe Zuschuss für ein ÖPNV-Ticket und die Möglichkeit des Fahrradleasings im Gehaltumwandlungsmodell. Die Beschäftigten können das Rad bzw. E-Bike ihrer Wahl sowohl im Dienst als auch privat nutzen. Mit den genannten Bausteinen des Personalmobilitätskonzeptes leistet die Stadt Freiburg somit einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz, zur Verkehrsentlastung und auch zur Gesundheitsvorsorge der Mitarbeitenden. Und die Maßnahmen zeigen Erfolg: Eine aktuelle Studie zur Verkehrsmobilität zeigt: bereits jetzt werden in Freiburg 79 Prozent der Wege im innerstädtischen Verkehr zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV zurückgelegt. Damit ist Freiburg bezogen auf den Verkehrsbereich eine der umweltfreundlichsten Städte Deutschlands. Die Bedingungen im Fuß- und Radverkehr sowie im ÖPNV erhalten regelmäßig Bestnoten in Bürgerumfragen oder Mobilitätsuntersuchungen. Und trotzdem sind die CO2-Emissionen im Verkehr noch zu hoch – hier stagniert der Rückgang. Das wollen wir ändern. Um die Verkehrswende voranzubringen, wollen wir neue Wege einschlagen. Denn der Rückgang des motorisierten Individualverkehrs leistet nicht nur einen positiven Klimabeitrag: Auch die Lebens- und Aufenthaltsqualität in den Städten, die Verkehrssicherheit sowie die Lärm- und Feinstaubbelastung werden somit verbessert. Ein Gewinn für Mensch und Klima!

Planung und Bereitschaft

Mithilfe eines Klimamobilitätsplans möchten wir im kommenden Jahr genau untersuchen, wo noch weiteres Einsparpotenzial liegt, wo wir genau auf unserem Weg zur Klimaneutralität im Verkehr noch ansetzen können und welche Maßnahmen hier besonders wirksam sind. Diese sogenannten Klimamobilitätspläne sind ein Instrument im neuen Klimaschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg – Freiburg hat sich beim Verkehrsministerium für dieses Projekt beworben und wurde als eine von vier Pilotkommunen ausgewählt. Mit der richtigen Stadt- und Verkehrsplanung und der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich umweltverträglich zu verhalten, ist in der Zukunft noch einiges möglich. Aber nicht alle Elemente einer Mobilitäts- und Verkehrswende tragen gleichermaßen zum Klimaschutz und zur Minderung der CO2-Emission bei. Deswegen sind sie aber nicht überfl üssig, da sie andere wichtige politische Ziele verfolgen: Denn mit diesen Maßnahmen verbessern wir auch die Lebensqualität in unseren Städten!

Damit Unternehmensmobilität langfristig bestehen kann, muss sie sowohl ökonomisch als auch ökologisch tragfähig sein. Die Weichen dafür muss die neue Regierung in einem Masterplan stellen. Die wichtigsten Treiber in der Wende sind zum einen alternative Antriebsarten als Beitrag zur Dekarbonisierung bis 2050 und zum anderen eine weiter zunehmende Geschwindigkeit der Digitalisierung. Hier ist aktives Handeln der nächsten Bundesregierung gefragt.

Mobilitätsalternativen schaffen

Unternehmen mit betrieblichem Fuhrpark nehmen eine Schlüsselfunktion beim Mobilitätswandel ein. Die Mobilität der Arbeitnehmer/-innen kann aber nur durch intelligente Unternehmensstrategien und punktuelle öffentliche Unterstützung verändert werden. Um den Wandel hin zu ökologischen Alternativen zu vollziehen, muss das Blickfeld geöffnet werden. Forderungen nach einem absoluten “Verbot aller Verbrennerfahrzeuge” stellen Unternehmen vor unlösbare Probleme, wenn beispielsweise Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in erforderlicher Größe und Leistungsfähigkeit noch nicht vorhanden sind. Die UN-Klimakonferenz hat gezeigt, dass das “Verbrenner-Aus” immer noch ein Thema ist. Zum jetzigen Zeitpunkt sollte allerdings noch kein Verbrenner-Verbot beschlossen werden, solange es keine ausreichenden Alternativen gibt. Deutschland setzt vordergründig auf Elektromobilität, ohne dass dafür die geeigneten Mittel vorhanden sind. Zum jetzigen Zeitpunkt herrscht bei der möglichen Regierung Einigkeit darüber, dass bis 2035 nur noch Null-Emissionen-Fahrzeuge neu zugelassen werden sollen. Damit ist aber noch nicht das endgültige Verbot des Verbrenners beschlossen – alternative Kraftstoffe wie E-Fuels könnten durchaus Teil der Lösung sein. Das wäre wünschenswert. Außerdem sollten bereits vorhandene und bewährte Technologien (beispielsweise CNG) als Übergangslösungen genutzt und gefördert werden.

Es gibt viel zu tun, Herr Wissing!

Forderungen an die neue Regierung

(BS/Axel Schäfer*) Mit der UN-Klimakonferenz im November ist ein fast vergessenes Thema wieder in den Fokus gerückt – der Klimawandel. Und damit einhergehend natürlich auch die Frage nach der dringend nötigen Mobilitätswende. Der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP bietet gute Ansätze. Um dem Klimawandel endgültig entgegenzuwirken, bedarf es aber weiterer Maßnahmen. Der Bundesverband Fuhrparkmanagement e. V. (BVF) hat dazu konkrete Impulse und Forderungen entwickelt, um den Mobilitätswandel in Unternehmen weiter anzukurbeln.

Lösungsansätze

Um den Mobilitätswandel zu bestreiten, bedarf es eines Masterplans der Regierung. Dadurch ist nicht nur eine Verbesserung bei der ökologischen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit möglich, sondern auch eine Steigerung in der Qualität der Mobilitätsangebote. An erster Stelle des Masterplans sollte ein Mobilitätsgesetz stehen, das regulatorische Rahmenbedingungen auch für die betriebliche Mobilität schafft. Elektromobilität scheint – zumindest aus Sicht der Regierung – das Mittel auf dem Weg in die Nachhaltigkeit. Dafür bedarf es aber noch einiger Veränderungen. Insbesondere die Frage der Schaffung von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge und ein verbindliches Roaming-System für Ladestrom-Tarife sollten im Rahmen eines Masterplans festgelegt werden. Der derzeit herrschende Tarifdschungel verursacht bei Fuhrparkmanager/innen einen erheblichen Mehraufwand. Durch die Vielzahl der Anbieter bestehen abweichende Zahlungsmittel und Konditionen, was die Abrechnung der Ladevorgänge unnötig erschwert. Hier wäre beispielsweise die Vorgabe eines einheitlichen Zahlungsmittels, das immer an Ladestationen nutzbar sein sollte, sinnvoll. Ebenso zu überdenken ist die staatliche Förderung alternativer Antriebe. Zur Erreichung des Mobilitätswandels mit nachhaltig ökologischer Wirkung ist eine stärkere Differenzierung der Förderung erforderlich. Die Förderung von Plugin-Hybriden ist nicht zielführend, da diese zwar die Automobilindustrie bei der Erreichung von CO2-Vorgaben begünstigt, in der Praxis aber kein nennenswerter Nachhaltigkeitseffekt sichtbar ist. Außerdem werden diese Fahrzeugtypen zu wenig elektrisch betrieben. Als Anreiz für den Kauf dient meist der Dienstwagensteuervorteil – nachhaltige Aspekte spielen häufi g keine Rolle. Die Förderungen und die Dienstwagenbesteuerung sollten von der neuen Bundesregierung dringend korrigiert werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt eines Masterplans zur Mobilitätswende ist die hürdenfreie Bereitstellung von Mobilitätsdaten. Außerdem muss das Recht auf die eigenen Daten des Datengebers gewährleistet sein. Fahrzeughersteller dürfen nicht Eigentümer und Verfügungsberechtigte über Daten der Fahrzeugnutzer/-innen sein, da hierdurch sinnvolle, durch Dritte angebotene Services zur Verbesserung der Mobilität eingeschränkt würden. Zudem muss der Masterplan die Angleichung steuerlicher Gegebenheiten beinhalten. Derzeit werden Unternehmen durch je nach Bundesland abweichenden Regelungen eingeschränkt, wenn sie ihren Mitarbeitenden den Zugang zu alternativen Mobilitätsmitteln wie Fahrrädern oder ÖPNV ermöglichen. Dem muss entgegengewirkt werden. Zuständigkeiten müssen geregelt werden

Eine erforderliche Grundlage für den Mobilitätswandel ist es, Zuständigkeiten, Entscheidungs- und Umsetzungskompetenzen für alle Mobilitätsmittel zu bündeln. Das betrifft nicht nur die Organisation der verantwortlichen Ministerien, sondern auch die Interaktion der nachgeordneten Behörden und Gesellschaften im Bundesbesitz. Der Bund muss die dazu nötigen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen. Die Verantwortung für die Gestaltung des Mobilitätswandels sollte weiterhin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gebündelt sein, das aber als Bundesministerium für Mobilität auftreten sollte. Um die Probleme aus dem Weg zu räumen, denen Unternehmen derzeit bei der Gestaltung des Mo-

bilitätswandels ausgesetzt sind, ist die Umsetzung des Masterplans sinnvoll. Es bedarf einer Kombination aus gesetzlichen Vorgaben und Nutzerfinanzierung (Push) und Angebotsverbesserungen in Qualität und Quantität (Pull). Der Handlungsbedarf ist groß, eine strategisch ausgerichtete und gebündelte Vorgehensweise wird uns aber schneller machen, Kosten reduzieren und Unmut verhindern. Alle sollen Lust bekommen, an nachhaltigen Verbesserungen mitzuwirken.

Axel Schäfer ist Geschäftsführer und beratendes Vorstandsmitglied des Bundesverbands Fuhrparkmanagement e. V.

Foto: BS/Bundesverband Fuhrparmanagement

Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland bis 2045 die Treibhausgasneutralität erreichen soll. Der Verkehrssektor muss dazu bis 2030 48 Prozent weniger Treibhausgase emittieren. Auch die Europäische Union verfolgt ambitionierte Reduktionsziele. Für das öffentliche Beschaffungswesen wurde 2019 die überarbeitete Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge (Clean Vehicles Directive) erlassen. Die Richtlinie fordert und fördert die Transformation hin zu einer emissionsärmeren Mobilität in den EU-Mitgliedsstaaten. Damit rücken vermehrt Städte, Landkreise und Kommunen in den Fokus von Klimaschutzmaßnahmen im Straßenverkehr. Landkreise und kreisfreie Städte in ihrer Funktion als Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie Gemeinden mit kommunalen Fuhrparks haben als öffentlicher Auftraggeber die Möglichkeit, über die Art der zu beschaffenden Straßenfahrzeuge zu bestimmen. Sie können dabei festlegen, welche Nachhaltigkeits- und Umweltaspekte im Beschaffungsprozess berücksichtigt werden sollen.

SaubFahrzeugBeschG

Deutschland setzt die Clean Vehicles Directive durch das neu erlassene Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (Saubere-FahrzeugeBeschaffungs-Gesetz – SaubFahrzeugBeschG) um. Nach diesem sind die öffentliche Hand sowie bestimmte private Akteure seit dem zweiten August dieses Jahres dazu verpflichtet, dass ein Teil der neu angeschafften Fahrzeuge emissionsarm oder -frei sein muss. Die Umstellung kommunaler Fuhrparks und Flotten des ÖPNV birgt eine große Chance, alternative Antriebe sichtbar und den ÖPNV attraktiver zu machen. Viele Städte und Kommunen besitzen bereits eigene Klimaschutz- oder Elektromobilitätskonzepte. Damit leisten sie schon jetzt einen wertvollen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung und fördern durch eine dauerhafte Senkung des Energieverbrauchs den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Auch der Ausbau von Betankungs- und Ladeinfrastruktur für emissionsarme und emissionsfreie Fahrzeuge ist ein wichtiger Schritt hin zur Gestaltung einer flächendeckenden Verkehrswende. Dabei können die Fahrzeuge mit alternativen Antrieben nicht nur Emissionen senken. Unter bestimmten

MELDUNG 3G für ÖPNV

(BS/mj) Mit Beschluss des neuen Infektionsschutzgesetzes durch Bundestag und Bundesrat soll im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und in den Zügen des Regional- und Fernverkehrs zukünftig die 3GRegel gelten – zusätzlich zur Maskenpflicht. Laut einem Sprecher des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) sind “die 3G-Kontrollen deutlich aufwendiger als die Maskenkontrollen, da nicht auf den ersten Blick erkannt werden kann, ob jemand geimpft, genesen oder getestet ist”. Außerdem wird kritisiert, dass für viele Menschen in systemrelevanten Berufen Bus und Bahn die einzige Möglichkeit seien, zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen. Die Gewerkschaft Verdi fordert zudem, die Kontrollen nicht auf die Beschäftigten abzuwälzen und klare Zuständigkeiten zu schaffen. Christine Behle, stellvertretende Verdi-Vorsitzende, erklärt: “Eine

Alternative Antriebe in Fuhrparks

dena erarbeitet einen Leitfaden für Kommunen

(BS/Carsten Bamberg/Jascha Lackner/Stefan Siegmund) Die Deutsche Energie-Agentur (dena) erarbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) einen Leitfaden für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in Kommunen. Damit bekommen Gemeinden und Landkreise konkrete Unterstützung bei der Umsetzung einer nachhaltigeren Mobilität.

Carsten Bamberg ist Seniorexperte für alternative Antriebe und nachhaltige Mobilität. Fotos: BS/dena

Voraussetzungen lassen sich auch die laufenden Kosten für den Betrieb der Fahrzeugflotte reduzieren.

Jascha Lackner ist Experte für Marktintegration von E-Mobilität sowie für nachhaltige Mobilität.

Übersichten zu derzeit am Markt verfügbaren Fahrzeugen und deren Lade- und Betankungsinfrastruktur. Auch beschreibt schwere Nutz- und Sonderfahrzeuge für den kommunalen Bereich sowie Busse.

Rechtssichere Beschaffung

der Leitfaden Fördermöglichkeiten für alternative Antriebe. Die Marktübersicht umfasst dabei Pkws, leichte Nutzfahrzeuge,

Für eine rechtssichere Beschaffung sind zudem die Anforderungen des Vergaberechts zwingend zu beachten. Dessen Komplexität stellt kommunale Aufgabenträger häufig vor große Herausforderungen. Daher bietet der Leitfaden eine Hilfestellung Stefan Siegmund ist Leiter der Abteilung bei der Integration alterna“Nachhaltige Mobilität und alternative tiver Antriebe in das VerEnergieträger” (alle dena). gabeverfahren. Anhand von konkreten Beispielen und Formulierungshilfen zeigt er auf, wie kommunale Gebietskörperschaften im Beschaffungsprozess Fahrzeuge mit alternativen Antrieben integrieren bzw. berücksichtigen können. Eine Checkliste unterstützt kommunale Akteure bei einer ersten Einschätzung, welche Antriebstechnologie in ihrem Anwendungsfall am besten geeignet sein kann. Bereits heute gibt es eine Vielzahl an Kommunen, die Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in ihren Fuhrparks einsetzen. Neben dem reinen Personentransport finden sich mittlerweile auch immer mehr Fahrzeuge für den Bereich der Straßenreinigung, Abfallsammlung und Grünflächenpflege. Die Anzahl von batterieelektrischen Bussen steigt stetig an und bringt vielseitige Vorteile für Menschen in Stadt und Land mit sich. Der Leitfaden stellt daher kommunale Praxisbeispiele vor, die bereits Fahrzeuge mit alternativen Antrieben angeschafft haben. Es zeigt sich, dass viele Kommunen, trotz weiterhin bestehender Herausforderungen, positiv auf die Beschaffungen der Fahrzeuge blicken. Denn die Fahrzeuge tragen nicht nur zum Erreichen der Klima- und Luftreinheitsvorgaben bei, sondern stärken das Image durch die modernen Flotten.

Leitfaden zur Beschaffung

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unterstützt Kommunen und kommunale Akteure (z. B. ÖPNV) durch ein breites Förderangebot bei der Beschaffung von Fahrzeugen mit klimafreundlichen Antrieben sowie der Infrastruktur. Das BMWi in Zuständigkeit für Energie- und volkswirtschaftliche Effizienz unterstützt kommunale Gebietskörperschaften durch einen im Dezember 2021 erscheinenden Leitfaden mit Hintergründen und organisatorischen Fragestellungen zur Beschaffung von Fahrzeugen. Erstellt wurde der Leitfaden “Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in Kommunen” durch die Deutsche Energie-Agentur (dena). Der Leitfaden gibt einen umfassenden Überblick über die Möglichkeiten zur Beschaffung von Straßenfahrzeugen mit alternativen Antrieben für den öffentlichen Personennahverkehr und kommunale Fuhrparks sowie deren notwendiger Infrastruktur. Es werden die verschiedenen alternativen Antriebskonzepte und die entsprechenden Lade- bzw. Betankungsinfrastrukturen sowie deren Vor- und Nachteile dargestellt. Der Leitfaden verdeutlicht anhand von ausgewählten Best-Practice-Beispielen, wie unterschiedliche lokale Lösungen in der Praxis aussehen können. Des Weiteren enthält er

halbgare Regelung nutzt dem Infektionsschutz sicherlich nichts und bringt die Beschäftigten in Gefahr.” Auch Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), merkt an: “Sofern die künftigen Regierungskoalitionäre sich weiter gehende Kontrollen vorstellen, müssen sie die Frage beantworten, wie die öffentliche Mobilität dann aufrechterhalten werden soll und ob beispielsweise die Bundespolizei die Kontrollen dann auch im ÖPNV durchführt.” Eine flächendeckende Kontrolle der 3G-Regel sei im Nahverkehr nicht möglich, meint auch Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB). “Aber konsequente, stichprobenartige Kontrollen können eine Wirkung entfalten. Die Länder sind gefordert, die Bußgelder entsprechend zu erhöhen, damit die Wirkung nicht verfehlt wird.”

Die Aufgaben des Fuhrparks sind im Sachgebiet Mobilitäts- und Fuhrparkmanagement gebündelt. Neben der reinen Verwaltung obliegt den Mitarbeitenden auch die Beschaffung, Aussonderung und Reparatur der Fahrzeuge, wobei die Fahrzeuge der Feuerwehr und der Eigenbetriebe (z.B. Theater und Zoo) hier ausgenommen sind. Eine typische Aufgabe des bisherigen Mobilitätsmanagements war es, einen Mobilitätspool zu konzipieren und aufzubauen. In diesem Pool werden bis heute nicht nur die Autos, sondern auch Dienstfahrräder und -monatskarten verwaltet.

Die Beschäftigung mit alternativen Antrieben ist eine obligatorische Aufgabe im Fuhrpark, wobei das Hauptaugenmerk gegenwärtig auf der Elektrifizierung liegt. Weitere Alternativen wie Wasserstoff werden aber ständig evaluiert. Die Elektrifizierung des Fuhrparks hat 2016 mit ersten Überlegungen begonnen, die dazu führten, dass 2017 drei E-Pkws angeschafft wurden. In den letzten Jahren wurden weitere 13 E-Pkws beschafft. Ziel der Stadtverwaltung Erfurt ist es, bis Ende 2026 im Bereich der Pkws 85 Prozent auf Elektroantrieb umzustellen. Im Segment der Kleintransporter und Kastenwagen wird für den gleichen Zeitraum eine Umstellung auf 50 Prozent angestrebt.

Im Bereich der Grünanlagenpflege und Friedhofsunterhaltung sind derzeit zwei E-Lastenräder im Einsatz und erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Ebenfalls wurden zwei E-Transporter beschafft, die in der Grünanlagenpflege und im Sachgebiet Landschaftsbau/ Technik eingesetzt werden. Des Weiteren sind derzeit 22 Dienstfahrräder als E-Bikes in allen Ämtern der Stadt in Benutzung.

Umsetzung mit Schwierigkeiten

Die anfängliche Skepsis der Mitarbeitenden gegenüber der damals noch unbekannten Technologie, vor allem was die Reichweite betrifft, ist im Laufe der letzten Jahre eher in eine Begeisterung für diese Technologie umgeschlagen. “Das ist ein wenig wie Kart fahren” ist zwar keine offizielle Aussage, aber eben auch nicht selten zu hören. Ebenfalls hat die Einführung und Möglichkeit der Nutzung von dienstlichen E-Bikes zur Steigerung der Akzeptanz dieser Technik bei den Mitarbeitenden geführt. Ungeachtet dieser positiven Entwicklung des Meinungsbildes stehen die Mitarbeitenden des Mobilitäts- und Fuhrparkmanagements noch vor erheblichen Problemen im Zusammenhang mit der Ladeinfrastruktur selbst. Damit mehrere Fahrzeuge an einem Standort gleichzeitig laden können – und es ist mittlerweile Allgemeinwissen, dass dies nicht über eine handelsübliche Schukosteckdose, sondern mittels Wallboxen oder Ladesäulen funktioniert –, wird ein ausreichend großer Netzanschluss vorausgesetzt. Das bedeutet konkret, dass an den meisten Ladestandorten gänzlich neue Anschlüsse mittels aufwendiger Tiefbauarbeiten gezogen werden müssen, um ausreichend dimensionierte Leitungen für die Ladevorgänge zu haben.

“Wir fahren umweltfreundlich”

Die Elektrifizierung des Erfurter Fuhrparks

(BS/Andreas Hegt*) Die Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Erfurt unterhält einen eigenen Fuhrpark, der dem Garten- und Friedhofsamt zugeordnet ist. Dies ist teils historisch gewachsen, da das Gartenamt einerseits zu den größten Ämtern gehört und die meisten Fahrzeuge nutzt, andererseits verfügt Erfurt nicht über ein klassisches Hauptamt.

Abrechnung

Die Abrechnung des getankten Stromes wie auch die Anzahl der zukünftigen E-Fahrzeuge und die dementsprechende Anzahl an Ladepunkten sind weitere Schwierigkeiten, vor denen die Mitarbeitenden des Fuhrparks stehen. Diese Probleme zu lösen, hat die letzten zwei Jahre in Anspruch genommen. So wurde zum Beispiel entschieden, dass die Abrechnung des getankten Stroms direkt über den Fuhrpark erfolgt. Damit dies passieren kann, wird nun an jedem neuen E-Mobil-Standort ein neuer Strom-Hausanschluss beantragt, der direkt über den Fuhrpark angemeldet wird. Die Anzahl der E-Fahrzeuge wird stetig steigen, die Anzahl der Ladepunkte dagegen nicht. Jedem E-Dienstfahrzeug einen eigenen Ladepunkt zur Verfügung zu stellen, würde einerseits die Kosten für die Ladeinfrastruktur in die Höhe treiben und andererseits die Anforderungen an den jeweiligen Netzanschluss überfordern. Daher entschied man sich für eine intelligente Ladeinfrastruktur mit integriertem Lastenmanagement und einem Verhältnis von E-Fahrzeug zu Ladepunkt von zwei zu eins. Der weitere Vorteil der intelligenten Ladeinfrastruktur liegt in der Möglichkeit, die einzelnen Ladevorgänge je Fahrzeug über das Intranet auszulesen und im Nachhinein, wenn es notwendig ist, zuordnen zu können – und dies ohne zusätzliche Kosten, denn viele Anbieter von Ladeinfrastruktur bieten diese Möglichkeiten nur in Verbindung mit UMTS-Karten in der Ladeinfrastruktur und einem kostenpflichtigen Online-Portal. Der Ausbau der Elektromobilität im Bereich der Pkwss und Kleintransporter auf nahezu 85 Prozent innerhalb der nächsten zehn Jahre ist das große Ziel der Stadtverwaltung Erfurt. Neben diesem ambitionierten Ziel wird gleichzeitig der Ausbau der Mobilitätspools in der Stadtverwaltung Erfurt weiter vorangetrieben. Mehrere dieser Pools sind bereits in Betrieb und erfreuen sich großer Beliebtheit. Auch dort wird weiter auf E-Mobilität umgestellt, einerseits bei den Fahrzeugen und andererseits bei den Fahrrädern.

“Wir fahren umweltfreundlich” lautet das Motto der Stadtverwaltung von Thüringens Hauptstadt. Die Dienstfahrzeuge laden hauptsächlich an stadteigener Ladeinfrastruktur. Foto: BS/Andreas Hegt Auch Transporter und Kipper werden elektrisch

Neben den gewöhnlichen Pkws soll der Fuhrpark aber auch im Bereich der Transporter mit Pritsche oder mit Kipper weiter auf Elektromobilität umgestellt werden. Hier zeigt sich allerdings aktuell immer mehr, dass die Hersteller in der Entwicklung solcher Fahrzeuge noch nicht so weit sind beziehungsweise es nur wenige Fahrzeuge in diesem Segment gibt und bei diesen die Ausstattungsvarianten stark in der Nutzung eingeschränkt sind.

*Andreas Hegt ist Sachgebietsleiter des Fuhrpark- und Mobilitätsmanagements der Stadt Erfurt.

“Der Anwendungsbereich ist sehr groß”

Umrüstung statt Neukauf

(BS) Die Uckermärkische Verkehrsgesellschaft (UVG) rüstet Dieselbusse auf Wasserstoff-Brennzellen-Antrieb um, anstatt neue Wasserstoffbusse zu kaufen. Darüber spricht Lars Boehme, Geschäftsführer der UVG, im Interview mit Matthias Lorenz.

Behörden Spiegel: Warum hat sich die UVG für die Umrüstung von Dieselbussen und nicht für die Neuanschaffung von Wasserstoffbussen entschieden?

Lars Boehme: Dafür gibt es ein paar gute Gründe: Zum Zeitpunkt der Entscheidung gab es vielleicht zwei potenzielle Hersteller von Neufahrzeugen, die möglicherweise in der Lage gewesen wären, Wasserstoffbusse als Neufahrzeuge anzubieten. Allerdings versehen mit einer Technik von gestern und mit Preisen von übermorgen. Von den Lieferzeiten von deutlich über zwei Jahren gar nicht gesprochen. Auch hätten diese Hersteller zunächst eher Experimentalfahrzeuge auf die Straße gebracht und das zu einem damaligen Preis, der jede Vorstellungskraft gesprengt hat (damals über 0,7 Mio. Euro). Auch heute sind Wasserstoff-Busse wenigstens zwei- bis dreimal so teuer wie normale herkömmliche Fahrzeuge. Von Sonderfahrzeugen (Gliederfahrzeugen oder Hochflur) ganz abgesehen. Da ergibt es dann Sinn, auf bestehende Fahrzeuge zurückzugreifen und diese umzurüsten. Die Effekte und Nutzen liegen klar auf der Hand: Die Lebensdauer der “alten” Fahrzeuge wird um sieben bis zehn Jahren, verlängert. Man spart die Ressourcen für den Neubau. Außerdem unterstützt man so den Nachhaltigkeitsgedanken viel stärker und hilft den Herstellern von Nutzfahrzeugen, eine zeitliche Lücke zu schließen, da diese mit der Produktion von Neufahrzeugen gar nicht hinterherkommen, um die gewünschten Klimaziele mittelfristig zu erreichen. Es müsste jetzt schon begonnen werden, rund 200.000 Nutzfahrzeuge wie Lkws oder Busse emissionsfrei auf die Straße zu bringen. Davon sind die Hersteller noch Lichtjahre entfernt. Von der benötigten Tankinfrastruktur ganz zu schweigen.

Behörden Spiegel: Lohnt sich eine solche Umrüstung im Gegensatz zur Neuanschaffung?

Boehme: Wir sagen klar ja. Es lohnt sich aus unterschiedlichen

130 Fahrzeuge per Software im Blick

Stadtwerke Neumünster digitalisieren Fuhrparkverwaltung

(BS/Andreas Schneider*) “Digitalisierung des Fuhrparks“ – so der Vorsatz der Stadtwerke Neumünster für 2021. Im Laufe der Zeit und durch wechselnde Zuständigkeit war ein heterogener Datenbestand herangewachsen, teils auf Papier, teils in Excel-Tabellen, der nicht immer einfach zu verwalten war.

Dem sollten digitale Lösungen ein Ende setzen. Die Fuhrparkverwaltung sollte künftig als Software auf Cloud-Basis schlanker und homogener sein. Nach einem Vergleich verschiedener Möglichkeiten fiel die Wahl auf das Software-Angebot von Vimcar. Anfang des Jahres erfolgte die Umstellung. Seitdem können die Stadtwerke Neumünster die Kosten ihres Fuhrparks zentral überblicken und analysieren. Auch Aufgaben wie eine rechtssichere Führerscheinkontrolle sind im neuen System möglich. Zudem erleichtert die integrierte Übersicht aller CO2-Emissionen die geplante Umstellung auf Elektromobilität. “Heutzutage möchte ich Daten managen und Erkenntnisse ziehen. Für unseren Fuhrpark sind wir jetzt aussagefähig”, sagt Frank Wede von den Stadtwerken Neumünster (SWN).

Lars Boehme, Geschäftsführer der UVG

Foto: BS/UVG

Gründen, bestehende Fahrzeuge umzurüsten und nicht nur auf Neufahrzeuge zu setzen. Die Wertschöpfung kann in der Region bleiben und landet nicht bei den großen Nutzfahrzeugherstellen allein. Die Lebensdauer der Fahrzeuge kann deutlich erhöht werden. Das Fahrpersonal braucht sich nicht umzustellen bzw. auf neue Fahrzeuge umgewöhnen, was ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist. Und der Umbau selbst wird mit einer entsprechenden Skalierung der Stückzahlen deutlich günstiger sein bzw. werden als Neufahrzeuge. Sind die Teilkomponenten (Brennstoffzelle, Tanksystem, Elektroachsen etc.) für die Fahrzeugtypen einmal konzipiert, kann der Umbau relativ zügig und schnell erfolgen. Zusätzlicher Effekt ist die Einsparung von Ressourcen. Und vor allem bleibt und ist die Umrüstung wesentlich günstiger als eine Neuanschaffung.

Behörden Spiegel: Wo liegen die Herausforderungen bei der Umrüstung?

Boehme: Aus unserer Sicht liegen die größten Herausforderungen darin, zunächst einmal standardisierte Komponenten für die Fahrzeugtypen zu entwickeln. Da spielen Einsatzbereiche, Routenlängen und Gesamtkapazitäten eine wichtige Rolle. Hiernach müssten Handbücher und Dokumentationen erstellt werden, wie die Umrüstung entsprechender Fahrzeuge vonstatten gehen soll. Ist das einmal beschrieben und sind die Techniker und Mechaniker geschult (Hochvolt und Gastechnik), werden die Teile der Fahrzeuge ausgetauscht. Das bedeutet: Verbrennungsmotor raus, Brennstoffzelle und Batterie rein. Gastanks kommen auf das Dach, Leitungen werden neu und sach- und fachgerecht verlegt. Größte Herausforderung ist die Softwareanpassung und Umsetzung dieser in den Fahrzeugen. Die Originalhersteller haben bisher wenig bis gar nichts dazu beigetragen. Warum nicht? Diese Frage darf sich jeder gern nach seinen eigenen Vorstellungen selbst beantworten. Ein weiteres großes Problem wird die Betankungsinfrastruktur sein. Ohne diese können weder umgerüstete noch neue Fahrzeuge sinnvoll eingesetzt werden. Auch die Produktion von günstigem grünem Wasserstoff muss zu einem konkurrenzfähigen Preis erfolgen. Passiert dies nicht, wird sich diese Technik rein schon aus monetären Gründen nicht durchsetzen, was dann auch verständlich ist. Niemand wäre gegenwärtig bereit, sich ein Fahrzeug anzuschaffen, für das er den zwei- bis dreifachen Preis des Diesels bezahlen muss.

Behörden Spiegel: Wie werden die umgerüsteten Busse zukünftig eingesetzt?

Boehme: Die UVG plant, die Fahrzeuge im bestehenden Liniennetz auf der sogenannten “Nationalparklinie” entlang von Teilen des Nationalparks “Unteres Odertal” einzusetzen. Gegenwärtig sind diese zwei ersten Fahrzeuge “Testfahrzeuge”, die im Rahmen eines Projektes umgebaut wurden und nun auf Herz und Nieren getestet werden sollen. Die daraus gewonnen Erkenntnisse fließen in die Weiterentwicklung von Umbaukomponenten zukünftiger Nutzfahrzeuge ein. Auch sollen die Fahrzeuge nach und nach als ganz “normale Fahrzeuge” ihren Dienst bei der UVG auf dem gesamten Streckennetz verrichten.

Behörden Spiegel: Plant die UVG die Umrüstung weiterer Busse?

Boehme: Sofern es dafür Fördermöglichkeiten gibt, würden wir gern die gesamte Fahrzeugflotte mit rund 120 Fahrzeugen Zug um Zug auf emissionsfreie Antriebe umrüsten. Ohne Förderungen werden wir das als UVG allerdings nicht stemmen können. In diesem Fall werden wir so lange auf konventionelle Fahrzeuge setzen müssen, bis der Gesetzgeber diese verbietet und/oder der Aufgabenträger Leistungen mit emissionsfreien Fahrzeugen bestellt. Der klassische Verbrenner ist derzeit leider noch wirtschaftlich konkurrenzlos günstiger als andere Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Die Klimabilanz steht auf einem anderen Blatt.

Behörden Spiegel: Welche Kosten entstehen denn durch die Umrüstung?

Boehme: Für die Umrüstung im ersten Schritt entstehen Kosten für die Entwicklung sämtlicher für den Austausch benötigten Komponenten. Die Mitarbeiter müssen auf die neue Technik vorbereitet und geschult werden. Daneben muss die Software entsprechend entwickelt und für die Fahrzeuge angepasst werden. Auch müssen die Gebäude mit entsprechenden Sicherungssystemen wie automatischen Deckenlichten ausgestattet werden. Sind diese “Erstkosten” einmal getätigt, können zukünftig die benötigten Komponenten pro Fahrzeugtyp von der Stange gekauft und eingebaut werden. Dies könnte dann eine beliebige mittlere Nutzfahrzeugwerkstatt erledigen. Auf die Fläche projiziert lassen sich in relativ kurzer Zeit dann viele, viele Fahrzeuge umrüsten – warum nicht auch Müllfahrzeug, Rettungsfahrzeug oder Gabelstapler? Der Anwendungsbereich ist sehr groß.

Die Motivation für die Umstellung auf einen elektrisch betriebenen Fuhrpark sahen Kreispolitik und Verwaltung darin, sich den Herausforderungen des Klimaschutzes zu stellen und als Vorbild im Bereich der nachhaltigen Mobilität zu fungieren. Da der Verkehr mit 20 Prozent zu den Treibhausgasemissionen in Deutschland beiträgt, wird ein verstärktes Engagement für eine klimaschonende Mobilität als wichtiges Handlungsfeld im Kreis Pinneberg gesehen. Bereits bei vorherigen Wechseln der Fahrzeuge hatte die Kreisverwaltung auf eine klimagerechte Ausstattung des Fuhrparkes geachtet. So lag der Durchschnittswert der CO2-Belastung durch den kreiseigenen Fuhrpark bei 95 g/ km. Folglich war die vollständige Umstellung auf Elektrofahrzeuge in Verbindung mit einer intelligenten Ladeinfrastruktur und einer FlottenmanagementSoftware eine konsequente Weiterentwicklung, ein gutes Beispiel für digitale Transformation.

Mobilitätsanalyse

Um sicherzustellen, dass die Fuhrparklösung den Anforderungen der Kreisverwaltung gerecht wird und ein hohes Maß an Komfort bei der Nutzung bietet, wurde vorab eine Mobilitätsanalyse durchgeführt. Diese Analyse beinhaltete unter anderem die Erfassung der Fahrstrecken der Mitarbeiter/-innen der Kreisverwaltung. Innerhalb eines Bemessungszeitraumes von sieben Monaten wurden die 26 Bestandsfahrzeuge des Fuhrparks insgesamt 121.672 km

bewegt. Dabei zeigte sich, dass etwa ein Drittel der Tagesfahrten eine Strecke von höchstens 30 Kilometern ausmachen und 90 Prozent der Tagesfahrten Entfernungen von maximal 100 Kilometern betragen. Bei weiteren fünf Prozent lag die Tagesleistung bei bis zu 200 Kilometern. Also gerade einmal fünf Prozent der Fahrten können nicht rein elektrisch durchgeführt werden. Außerdem zeigte die Mobilitätsanalyse, dass durch das stete Wachstum der Kreisverwaltung ein zusätzlicher Bedarf an Dienstfahrzeugen besteht. Denn auch aus ökologischen Gründen gilt bei der Kreisverwaltung das Gebot, möglichst alle dienstlichen Fahrten mit dem ÖPNV oder einem Dienstwagen zu absolvieren und auf die Nutzung privater Fahrzeuge zu verzichten. Der neue Fuhrpark der Kreisverwaltung wurde um folglich zehn Fahrzeuge auf insgesamt 32 rein elektrische Kleinwagen (Renault Zoe und BMW i3) und fünf Hybrid-Fahrzeuge (VW Passat) aufgestockt. Der Dienstwagen der Landrätin ist ein VW ID.3. Für die Planung und Umsetzung eines Projektes dieser Größenordnung gibt es bundesweit keine vergleichbaren Beispiele. Zwar gibt es Carsharing-Modelle schon seit langer Zeit oder es werden einzelne E-Fahrzeuge in (kommunalen) Fuhrparks eingesetzt. Aber einen integrierten Fuhrpark mit einer nahezu eingriffsfreien Gesamtsteuerung samt intelligenter Ladeinfrastruktur, auf den über 1.000 Beschäftigte individuell niederschwellig zugreifen müssen, dafür gab es bisher keine übertragbaren Beispiele. Daher hat sich die Kreisverwaltung Pinneberg mit der Firma GP Joule aus Nordfriesland einen kompetenten Partner an die Seite geholt, mit dem das Gesamtprojekt konzipiert und umgesetzt wurde. Die besondere Herausforderung bestand darin, dass am Tag der Umstellung des herkömmlichen auf den rein eklektisch betriebenen Fuhrpark alle Systeme einwandfrei funktionieren mussten. Eine Rückkehr zum alten System war natürlich ausgeschlossen. Daher lagen alle Anstrengungen darauf, den neuen Fuhrpark ab dem ersten Tag störungsfrei zu betreiben.

Der E-Fuhrpark des Kreises Pinneberg

Ein Beispiel für digitale Transformation

(BS/Andreas Köhler/Alexander Dittmer*) Der Startschuss fiel im Dezember 2016. Der Kreistag des Kreises Pinneberg hatte beschlossen, zum nächstmöglichen Zeitpunkt den eigenen kommunalen Fuhrpark komplett auf E-Mobilität umzurüsten. Der richtige Zeitpunkt kam mit dem turnusmäßigen Wechsel der Verbrenner-Leasingfahrzeuge 2020, die Projektarbeit begann im Frühjahr 2018.

Ausfallsicherheit

Um die Energieversorgung des Fuhrparks möglichst nachhaltig zu gestalten, wurde auf dem Dach des Carports eine Photovoltaikanlage installiert. Diese kann an einem sonnigen Tag bis zu 75 Prozent des durchschnittlich benötigten Ladestroms generieren. An einem wolkenreichen Tag wird die Photovoltaikanlage durch einen integrierten Batteriespeicher mit einer Kapazität von 50 kWh unterstützt. Im Falle eines Stromausfalles könnten über den Batteriespeicher ca. zwei Fahrzeugladungen bezogen

Auf dem Dach des Carports befindet sich eine Photovoltaikanlage. BS/Kreis Pinneberg

werden. Diese Technik bietet in Kombination mit der Photovoltaik eine hohe Ausfallsicherheit und kann auch in einem Katastrophenfall die Nutzung von Dienstfahrzeugen sicherstellen. Wird die erzeugte Energie des gewonnenen Stroms nicht benötigt, so wird die überschüssige Sonnenenergie in das Gebäude der Kreisverwaltung Pinneberg eingespeist. Dank der intelligenten Ladeinfrastruktur ist in Verbindung mit einer auf die Bedürfnisse des Kreises angepassten smarten Buchungssoftware sichergestellt, dass jederzeit ein ausreichend geladenes Fahrzeug genutzt werden kann. In die neu installierten Baulichkeiten und Systeme auf dem Kreishausgelände wurde eine synchronisierte Flottenmanagement-Software implementiert, die E- Fahrzeuge wurden für Sharing umgerüstet und sind schlüssellos buchbar und nutzbar.

Buchung per App

Die Buchung der Fahrzeuge erfolgt über eine extra entwickelte App, mit der nicht nur das Fahrzeug gebucht, sondern auch geöffnet und nach Fahrtende verschlossen wird. Informationen für das Fahrtenbuch werden automatisch erzeugt. Außerdem ist die Buchung auch webbasiert möglich. Das Buchungssystem ist bis hin zur Schlüsselfunktion komplett digitalisiert worden. Energiespitzen und -kosten

In einem bevorstehenden nächsten Schritt wird das System auf die Buchung einer konkreten Fahrt und nicht mehr auf ein vorab bestimmtes Auto abgestellt. Mit der Angabe der Fahrtstrecke wird den Beschäftigten ein auf ihre Nutzung zugeschnittenes Fahrzeug bereitgestellt, das eine entsprechende Batterieladung aufweist. Das gelingt deshalb,

Die Fahrzeuge werden im Carport der Kreisverwaltung geladen. BS/ Kreis Pinneberg

weil das Lademanagement die Aufladung je nach Bedarf reguliert und nicht alle Fahrzeuge zu jeder Tages- und Nachtzeit zu 100 Prozent voll auflädt. Vollständig geladene Fahrzeuge werden für lange Fahrten zugewiesen, während für kurze Fahrten auch teilgeladene Autos zugeteilt werden. Bei der Ladung werden Energiespitzen vermieden, Energiekosten im Blick behalten. Ein großer Vorteil des Softwaresystems besteht darin, dass gebuchte Fahrzeuge, die nicht zur Nutzung abgeholt werden, nach 30 Minuten automatisch wieder von anderen Beschäftigten gebucht werden können. Dies ermöglicht eine optimale und effiziente Auslastung der Fahrzeuge und verhindert, dass auf private Pkws zurückgegriffen werden muss, obwohl gebuchte, aber ungenutzte Dienstwagen in der Garage stehen.

Fahrsicherheitstraining

Wichtige Informationen zur Bedienung der E-Fahrzeuge wurden den Beschäftigten in Schulungen vermittelt. Weiterhin wurden zahlreiche Fahrsicherheitstrainings genutzt, um eine entsprechende Sicherheit im Umgang mit den neuen Fahrzeugen zu geben und die Akzeptanz für die E-Autos sicherzustellen. Die Fahrsicherheitstrainings erfreuten sich großer Beliebtheit bei den Teilnehmenden.

Fast komplett digital

Der Fuhrpark funktioniert weitestgehend autark mit nur geringem Eingriff durch den Fuhrparkmanager. Personalkapazitäten wurden entsprechend reduziert und auf ein Mindestmaß zurückgeführt, da auch die Überwachung des Fuhrparks digital erfolgt. Mit der Umstellung des Fuhrparks ist ein überdurchschnittlicher Effizienz- und Effektivitätsgewinn verbunden. Nur eines muss noch von Menschenhand gemacht werden: Ab und an benötigen die Fahrzeuge eine Reinigung von innen und von außen. Und das ganz analog.

*Andreas Köhler ist Leiter des Fachbereichs Service, Recht und Bauen im Kreis Pinneberg, und Alexander Dittmer arbeitet für den Fachbereich Service, Recht und Bauen im Kreis Pinneberg.

Zwar war in den LockdownWochen, als das öffentliche Leben stillstehen musste, deutlich weniger Verkehr auf den Straßen unterwegs. Aber eines wurde sehr deutlich: Das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs blieb verlässlich. Busse und Bahnen haben die Menschen jederzeit pünktlich und sicher vorangebracht. Der öffentliche Nahverkehr hat sich auch in dieser unsicheren Zeit als starkes Rückgrat des städtischen Verkehrs bewiesen. Zugelegt haben im vergangenen Corona-Jahr der Rad- und Fußverkehr in den Städten. Darauf haben die Städte schnell reagiert. Bekannt geworden sind etwa die Pop-up-Radwege. Damit wurde der Radverkehr unmittelbar gestärkt. Mittlerweile sorgen Autos und Lieferverkehre wieder für übervolle Straßen und Staus. Abgase und der CO2-Ausstoß belasten das Klima. Es gibt immer mehr Verkehr in den Städten und mehr Lärm. Darunter leiden die Wohn- und Aufenthaltsqualität. Deshalb brauchen wir dringend Lösungen. Wir müssen den öffentlichen Raum besser für ein Miteinander der Menschen nutzen. Denn Städte für Menschen können nicht Parkplätze sein, sie sind Orte zum Leben und Wohlfühlen. Wenn wir die Städte entlasten und den CO2-Ausstoß im Verkehr verringern wollen, brauchen wir jetzt Mut und Willen zur Veränderung. Laut Prognosen werden Ende 2021 noch etwa 15 Prozent

Verkehr der Zukunft

“Wie gelingt die Mobilitätswende in den Städten?”

(BS/Helmut Dedy*) Wir brauchen eine Mobilität, die klimaschonender und attraktiver wird, aber fair bezahlbar bleibt. Diese Ziele sind unstrittig. Doch während der Corona-Pandemie sind viele Menschen wieder auf das eigene Auto umgestiegen. Weil es sich sicherer anfühlte. Ist uns also die Corona-Pandemie auf dem Weg hin zum klimaschonenden Verkehr in den Städten in die Quere gekommen? Wurde der Umbau hin zu nachhaltiger Mobilität sogar ausgebremst?

weniger Fahrgäste im Nahverkehr mitfahren als vor der Pandemie. Trotzdem bleiben wir dabei: Bis 2030 wollen die Städte die Zahl der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr verdoppeln. Doch wie motivieren wir die Menschen, vom Auto auf emissionsarme und flächensparende Verkehrsmittel umzusteigen? Umsteigen attraktiv machen

Das A und O ist ein attraktiver, moderner und leistungsstarker öffentlicher Nahverkehr. Dafür müssen wir Straßen- und Stadtbahnen ausbauen und erneuern, Tunnel- und Gleisanlagen sanieren. Es braucht zeitgemäße und komfortable Busse, Bahnen und Haltestellen und digitale Bezahlsysteme, die das Abrechnen für die Fahrgäste erleichtern. Und die unterschiedlichen Verkehrssysteme müssen so aufeinander abgestimmt werden, dass sie eine engere Taktung und Verbindung mit anderen Beförderungsmöglichkeiten bieten. Schon diese Beispiele zeigen: Für all das muss viel Geld in die Hand genommen werden. Es gilt, den ÖPNV nach Corona finanziell zu stabilisieren und weiter auszubauen. Und genauso kommt es auf ein attraktives und sicheres Rad- und Fußwegenetz an. Um die Innenstädte zu entlasten, brauchen wir auch gute Verbindungen zum Umland. Wenn es mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV schneller und stressfreier geht, das Parkticket in der Innenstadt mehr kostet, werden mehr Menschen ihr Auto häufiger stehen lassen. Zu einer guten Mischung gehören auch Sharing-Anbieter und On-Demand-Dienste für Kleinbusse. So wird die Mobilität in den Städten vielfältiger. Denn wir brauchen in der Stadt kluge Alternativen zum privaten Auto. Niemandem ist geholfen, wenn wir die Straßen weiter ausbauen – denn Straße erzeugt stets Verkehr. Dann stehen immer mehr

private Autos und Paketdienstleister darauf im Stau. Zuviel Verkehr darf erst gar nicht Helmut Dedy, Hauptgeschäfts- entstehen. Die führer des Deutschen Städ- Städte brauchen tetages deshalb mehr Foto: BS/Laurence Chaperon, HandlungsspielDeutscher Städtetag räume für Mobilitätsprojekte, zum Beispiel für Bürgertickets oder im Umgang mit Tempo 30 oder anderen, dem jeweiligen Ort angepassten Geschwindigkeiten. Klimaziele im Verkehr bis 2030 erreichen Gerade im Verkehr gibt es noch viel Potenzial für CO2-Einsparungen. Dass müssen wir nutzen, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Die Städte und ihre Betriebe rüsten beispielsweise ihre Verkehrsflotten auf Elektromobilität, Wasserstoff oder Biogas um. Und auch für den privaten Verkehr wird mit dem Aufbau von Ladeinfrastruktur der Weg hin zur klimafreundlichen Fortbewegung geebnet. Auch für den Lieferverkehr brauchen wir neue Konzepte. Ich denke da an eine durchgängige Elektrifizierung von Lieferketten. Meine Bestellung kann zum Beispiel nachts weite Strecken mit der Bahn zurücklegen, dann über das Umladen auf Elektro-Lkws weiterfahren und schließlich per Lastenrad oder zu Fuß bei mir ankommen. Logistikunternehmen könnten sich endlich für Lieferkonzepte auf der “letzten Meile” zu den Kunden zusammenfinden, gemeinsame Mikro-Depots als Zwischenlager unterhalten und anschließend die Auslieferung bündeln. Dafür können die Städte bei der Suche nach entsprechenden Flächen unterstützen und Ladezonen in der Stadt stellen. Wir müssen dafür sorgen, dass intensiv verbrauchende Verbrenner-Fahrzeuge mehr zahlen, saubere Fahrzeuge dagegen entlastet werden. Eine entschiedene CO2 Bepreisung kann dabei helfen, klimafreundlichen Verkehr gegenüber schädlichen Verkehrsformen besserzustellen. Für mich ist klar: Die Verkehrswende kann nur gelingen, wenn wir sie als große Gemeinschaftsaufgabe verstehen. Die Europäische Union, der Bund und die Länder müssen gemeinsam mit den Städten an einem Strang ziehen. Wir alle brauchen den Mut der Politik, neue Wege zu gehen, zu fahren und zu rollen. Und alle beteiligten Ebenen müssen diesen Wandel ausreichend und verlässlich finanzieren. In Deutschland haben wir ein Bündnis für moderne Mobilität zwischen Bund, Ländern und Kommunen erprobt. Ich denke, das war durchaus ein Erfolgsmodell. Auf einer nationalen Plattform zur Zukunft der Mobilität wurden mit den unterschiedlichsten Interessengruppen auf Bundesebene Ideen entwickelt, wie wir die Mobilität der Zukunft nachhaltig gestalten. Daraus müssen jetzt konkrete Pläne, Programme und Projekte werden. Die europäische Kommission hat ihr Programm für einen nachhaltigen Verkehr ganz frisch in das umfangreiche “Fit for 55”-Paket verpackt. Damit sollen der Ausstoß klimaschädlicher Gase im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent sinken und die Klimaziele 2030 erreicht werden. Um Mobilität so zu gestalten, dass sie zu den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen passt, brauchen wir vor Ort Entscheidungsspielräume. Die Städte müssen Neues unter Realbedingungen erproben können. Dafür muss der Bund die gesetzlichen Regelungen schaffen. An Bund und Länder gewandt kann ich nur sagen: Habt Mut, Neues auszuprobieren und vertraut den Entscheidungen der Städte vor Ort.

Elektrifizierung des Straßenverkehrs

Vorausschauender Aufbau der Ladeinfrastruktur notwendig

(BS/Dagmar Fehler/Johannes Pallasch) Im Rahmen ihrer Klimaschutzstrategie hat die Bundesregierung beschlossen, den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor bis zum Jahr 2030 um etwa die Hälfte gegenüber 1990 zu reduzieren. Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs ist ein zentraler Bestandteil der umfassenden Verkehrswende, die für die Erreichung der Klimaschutzziele notwendig ist. In den vergangenen Monaten ist der endgültige Durchbruch der Elektromobilität gelungen.

Im August 2021 konnte mit einer Million zugelassener Elektrofahrzeuge (Batterie und Plugin) ein wichtiges Zwischenziel erreicht werden. Bis zum Jahr 2030 werden bis zu 14 Millionen Elektroautos erwartet. Dieser Markthochlauf macht einen vorausschauenden Ausbau einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur notwendig, bei dem Bund, Länder, Kommunen, Energie- und Mineralölwirtschaft und Automobilindustrie gemeinsam entschlossen handeln müssen. Derzeit gibt es in Deutschland rund 46.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte, davon knapp 7.000 Schnellladepunkte mit mehr als 22 kW Leistung. Bis 2030 müssen in jedem relevanten Szenario mehrere Hunderttausend öffentliche Ladepunkte vorhanden sein. Die große Bedeutung des Ladeinfrastrukturausbaus schlägt sich auch in den bis zum Jahr 2025 für den Ausbau der Tank- und Ladeinfrastruktur für alternative Antriebe vom Bund zur Verfügung gestellten Mitteln in Höhe von 7,1 Milliarden Euro nieder. Auf europäischer Ebene hat die EU-Kommission ebenfalls ein Paket von ambitionierten Vorschlägen beschlossen, um die Treibhausgasemissionen zu senken (“Fit for 55”). Bundesweiter Ausbau

Im Jahr 2019 hat die Bundesregierung im Rahmen des “Masterplans Ladeinfrastruktur” erstmals eine umfassende Gesamtstrategie für den Ausbau der Ladeinfrastruktur formuliert und die unterschiedlichen Maßnahmen der Bundesregierung zum beschleunigten Aufbau von Ladeinfrastruktur mit den Bemühungen aus der Wirtschaft zusammengeführt. Innerhalb der Bundesregierung arbeitet das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) federführend an der Umsetzung

Die Ladeinfrastruktur in Deutschland muss massiv ausgebaut werden.

Foto: BS/A.Krebs, pixabay.com

StandortTOOL zur datenbasierten Bedarfsplanung für Pkw und Lkw und das FlächenTOOL zur Meldung von für den Aufbau von Ladeinfrastruktur verfügbaren Flächen.

Das Leitungsteam der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur: Dagmar Fehler und Johannes Pallasch Use-Cases

dieser Ziele. Entsprechend des Masterplans hat das BMVI im Jahr 2020 die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur gegründet, um den Aufbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland besser zu koordinieren. Im Auftrag des BMVI koordiniert und steuert die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur unter dem Dach der bundeseigenen NOW GmbH die Aktivitäten zum Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland. Wir begreifen uns als “Think-anddo-Tank” rund um das Thema Ladeinfrastruktur. Wir unterstützen beim Planen, Umsetzen und Fördern von Ladestationen, analysieren Daten zu deren Aufbau und Betrieb und entwickeln eigene digitale Tools wie das

Fotos: BS/Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur Damit der breite Umstieg auf die Elektromobilität gelingen kann, müssen aber vor allem die Nutzerinnen und Nutzer überzeugt und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Planungen gestellt werden. Deshalb orientieren sich Leitstelle und Bundesregierung an den verschiedenen Anwendungsfällen (“Use-Cases”) des Ladens und reagieren mit einem Portfolio aus einer Reihe passgenauer Fördermaßnahmen auf die sich unterscheidenden Nutzerbedürfnisse – egal ob beim Laden zu Hause, beim Arbeitgeber, beim Einkaufen, in der Freizeit oder auf Reisen. Mit der Förderrichtlinie “Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge” stehen bereits seit 2017 300 Millionen Euro für den Aufbau öffentlich zugänglicher Ladepunkte zur Verfügung. Knapp 30.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte wurden so gefördert. Dieses Förderprogramm für öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur wurde nun mit einem Fördervolumen von 500 Millionen Euro neu aufgelegt. Die Antragszeiträume der ersten zwei Förderaufrufe laufen noch bis zum Januar 2022. Mit der Förderrichtlinie “Ladeinfrastruktur vor Ort” unterstützt das BMVI zum Beispiel Restaurants, Hotels, Fachgeschäfte und Gebietskörperschaften beim Aufbau öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur mit einem Fördervolumen von 300 Millionen Euro. Eine weitere Förderrichtlinie zielt auf die Beschleunigung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur für das Laden am Arbeitsplatz und von Firmenflotten. Dafür stehen in naher Zukunft 350 Millionen Euro zur Verfügung. Einen riesigen Erfolg erzielte das Förderprogramm für private Wallboxen, welches im Juli 2021 zum dritten Mal auf nun insgesamt 800 Millionen Euro aufgestockt wurde. Darin können sich Hausbesitzerinnen, Mieter, Vermieterinnen und Vermietungsgesellschaften die Anschaffung und die Installation einer Wallbox pauschal mit 900 Euro fördern lassen. Auch das zeigt: Die Elektromobilität ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Probleme überwinden

Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur treten aber bisweilen auch Probleme auf. Regelmäßig erhalten wir Rückmeldungen dazu, dass sich der Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur verzögert oder die Nutzungsfreundlichkeit nur unzureichend beachtet wurde. Eine einheitliche, benutzerfreundliche und einfache Zahlungsmöglichkeit an allen öffentlich zugänglichen Ladepunkten ist weiter Ziel der Bundesregierung, maßgeblich dafür sind die Ladesäulenverordnung (LSV) sowie auf europäischer Ebene die AFI-Richtlinie. Um zusätzliche Flächen für die Ladeinfrastruktur zu erschließen, wurden zuletzt ebenfalls weitere rechtliche Voraussetzungen geschaffen. Beispiele sind hier das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) oder das Baulandmobilisierungsgesetz mit seinen Vorschlägen an die Gemeinden zur stärkeren Berücksichtigung der Elektromobilität. Mit dem Schnellladegesetz hat der Bundestag außerdem die rechtliche Grundlage für die Ausschreibung und Finanzierung der mehr als 1.000 Schnellladestandorte im “Deutschlandnetz” verabschiedet. Die Ausschreibung zum Deutschlandnetz ergänzt die Förderprogramme des Bundes und reagiert auf den zukünftig weiter stark wachsenden Bedarf nach Schnellladeinfrastruktur. Sie antizipiert den fahrzeugseitigen Markthochlauf und die absehbaren technischen Entwicklungen. Mit insgesamt etwa 10.000 neuen HochleistungsSchnellladepunkten an mehr als 1.000 Standorten erweitert sie den aktuellen Bestand sinnvoll, tilgt weiße Flecken auf der Ladelandkarte und leistet einen entscheidenden Betrag für die Mittel- und Langstreckentauglichkeit der Elektromobilität. Gerade in diesem Marktsegment ist der Ausbau bislang hinter dem zukünftig notwendigen Bedarf zurückgeblieben. Durch dieses weltweit einzigartige Infrastrukturvorhaben wird es ermöglicht, dass im gesamten Bundesgebiet die nächste Schnellladestation innerhalb weniger Minuten zu erreichen sein wird. Sorgen über die Erreichbarkeit von Ladeinfrastruktur werden damit schon in naher Zukunft der Vergangenheit angehören.

MELDUNG CNG-Hybrid-Bus

(BS/mj) Der Verkehrsbetrieb Greifswald nimmt den ersten Bus der neuen Generation von CNGHybrid-Bussen der Firma MAN in Betrieb. CNG steht für Compressed Natural Gas und besteht vorwiegend aus Methan. Damit werde ein Dieselbus ersetzt und somit würden CO2-Emmissionen von 54 bis 60 Tonnen pro Jahr eingespart, erklärt Henrik Umnus, Geschäftsführer des Verkehrsbetriebs Greifswald GmbH. Der Bus präsentiere sich zudem mit neuem Außendesign und habe mehr Komfort für die Fahrgäste und das Fahrpersonal. “Aktuell fahren 14 von 18 Bussen der Verkehrsbetrieb Greifswald GmbH (VBG) mit Biomethan und sind damit CO2-neutral. Das sind 77 Prozent der Busflotte und 2022 soll der Anteil weiter steigen”, berichtet Umnus. Der zunächst erste CNG-Hybrid-Buss in Mecklenburg-Vorpommern verfüge, wie die gesamte Erdgasbusflotte, über einen Abbiegeassistenten des Herstellers ROSHO vom Typ TurnCAM 4. Damit sollen der tote Winkel ausgeschaltet und die Verkehrssicherheit beim Abbiegen spürbar erhöht werden. Auch einen gesteigerten Komfort verspricht die neue Busgeneration. Die Stadtwerke Greifswald beziehen für ihre beiden Erdgastankstelle verbiogas, einen echten Biokraftstoff für CNG-Fahrzeuge. Dieser wird seit 2014 in Schwedt/Oder aus 100 Prozent Stroh hergestellt, ganz ohne den Einsatz von Nahrungsmitteln. Wer mit 100 Prozent Biomethan unterwegs sei, fahre 100 Prozent klimaneutral und sei damit der E-Mobilität gleichgestellt, meint Umnus. Zudem sei für viele Fahrzeuggruppen die Elektrifizierung keine Option, führt er aus, da deren Ladezeit viel zu lang sei, weswegen man bei einer rein elektrisch betriebenen Flotte an Müllbeseitigungsfahrzeugen beispielsweise 50 Prozent mehr Fahrzeuge brauche – noch dazu sei deren Anschaffung viel teurer und Subventionen übernähmen maximal den Differenzbetrag.

Nach ersten positiven Erfahrungen mit der Erprobung der Technologie und dem Einsatz von vier Prototypen bzw. Vorserienfahrzeugen in den Jahren 2011 bis 2016 war es für die RVK an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen und die Fuhrparkumstellung auf emissionsfreie Antriebe weiter voranzutreiben. Diese Gelegenheit bot sich im großen Maßstab im Rahmen der europäischen JIVE- und JIVE-2-Projekte, die auf europäischer Ebene vom FCH JU (Fuel Cell and Hydrogen Joint Undertaking) gefördert sowie national vom BMVI (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) im Rahmen des NIP 2 (Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) kofinanziert werden. Mit über 52 BrennstoffzellenBussen Anfang nächsten Jahres verfügt die RVK über die größte Brennstoffzellenbusflotte Deutschlands!

In den kommenden Jahren sollen 50 weitere Brennstoffzellenbusse beschafft und eingesetzt werden. Die internen Vorbereitungen hierzu laufen bereits.

Errichtung der H2-Betankungsinfrastruktur

Zeitgleich musste auch für die entsprechende Wasserstoffbetankungsinfrastruktur gesorgt werden. Neben der Nutzung der Tankstelle des RVK-Gesellschafters Stadtwerke Hürth am Chemiepark Hürth-Knapsack nutzt die RVK auch zwei H2Tankstellen der H2 Mobility am Flughafen Köln/Bonn sowie in Frechen.

Zusätzlich wurden 2020 auf den RVK-eigenen Betriebshöfen in Meckenheim (Rhein-SiegKreis) und Wermelskirchen (Rheinisch-Bergischer Kreis) weitere Betankungsmöglichkeiten geschaffen. An beiden Tankstellen können täglich jeweils 20 Busse betankt werden. Aufgrund der steigenden Anzahl emissionsfreier Busse werden für die Zukunft weitere Tankmöglichkeiten im Verkehrsgebiet benötigt. Der Bau einer solchen Tankstelle in Eigenregie ist dabei sowohl vom personellen, zeitlichen als auch vom inhaltlichen Aufwand nicht zu unterschätzen. Bei den anfallenden Kosten sind nicht nur die Investitions- und Errichtungskosten der Gesamtanlage zu beachten, sondern in der Folge auch die notwendigen Wartungs-, Instandhaltungs- sowie ggf. Reparaturkosten und natürlich die laufenden Betriebskosten. Dessen ungeachtet kann eine neue Technologie nur dann wirksam greifen, wenn es Vorreiter gibt, die gerade im öffentlichen Raum eine breite Basis schaffen können.

Brennstoffzellenbus

Praxiserfahrungen der Regionalverkehr Köln GmbH

(BS/Marcel Frank) Bereits seit 2009 arbeitet die Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) im Zuge ihres Projekts “Null Emission” intensiv daran, einen nachhaltigen und emissionsfreien ÖPNV zu realisieren. Ziel ist es, ab 2030 ausschließlich Busse mit klimaneutralen Antrieben zu beschaffen. Bis zu diesem Zeitpunkt soll bereits eine signifikante Flotte an emissionsfreien Bussen im Einsatz und die dafür benötigte Infrastruktur aufgebaut sein. Die RVK geht dabei technologieoffen vor, jedoch liegt ein wesentlicher Fokus auf der Brennstoffzellentechnologie.

Ein A330 FC von Van Hool am Busbahnhof in Bergisch Gladbach Bensberg

Foto: RVK Die Trailerstation an der RVK-Wasserstofftankstelle in Meckenheim

Foto: Aschoffotografie

Vorteile der Brennstoffzellentechnologie Den Vorteil der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie sieht die RVK neben der Vermeidung von schädlichen Emissionen vor allem darin, dass sich durch den Einsatz von Brennstoffzellenbussen nahezu keine Einschränkungen im Betriebsablauf ergeben. Die Busse haben mit 350 Kilometern (Sommer wie Winter, ohne fossile Zusatzheizung) eine ähnliche Reichweite sowie mit durchschnittlich zehn Minuten eine ähnliche Betankungszeit wie konventionelle Dieselbusse. Gerade Reichweite und flexibler Fahrzeugeinsatz sind im Regionalverkehr sowie in einem topografisch anspruchsvollen und flächenmäßig großen und heterogenen Verkehrsgebiet, wie dem der RVK, entscheidende Kenngrößen. Eine hohe Flexibilität ist gegeben, da keine weitere streckengebundene Nachladeinfrastruktur notwendig ist bzw. keine unwirtschaftlichen Leerfahrten ins Depot zur Nachladung anfallen sowie keine zusätzlichen Standflächen und -zeiten erforderlich werden. Es lassen sich somit Produktivitätsverluste im Fahrdienst nahezu vollständig vermeiden. Die Investitionskosten für Fahrzeuge und Infrastruktur – wie bei allen NullEmissionstechnologien – liegen momentan noch deutlich über den Kosten für Dieselbusse. Tatsächlich konnten die Kosten für Brennstoffzellenbusse aber bereits signifikant reduziert werden, da sich der Anbietermarkt im Bereich Wasserstoff seit dem Startprojekt bei der RVK im Jahr 2011 stark weiterentwickelt hat. Der Anschaffungspreis im Zuge des EU-Förderprojekts JIVE 2 lag bei 625.000 Euro pro Bus. Durch die Akquirierung von Fördermitteln lassen sich die Mehrkosten gut auffangen. Kosten und Nutzen Beim Aufbau der Infrastruktur sind Wasserstofftankstellen ggf. die kostengünstigere Variante im Vergleich zu anderen NullEmissionstechnologien. Wegen der kurzen Betankungszeiten ist eine hohe Auslastung der H2-Infrastruktur möglich, wodurch eine schnelle Amortisierung ermöglicht wird. Gerade bei größeren Flotten (> 50 Busse) sind H2-Tankstellen daher oft günstiger als z. B. der Aufbau einer Ladeinfrastruktur inklusive einer gegebenenfalls benötigten Ertüchtigung der Stromnetze, Umspannung und so weiter. Trotz allem muss natürlich erwähnt werden, dass die Einführung und Umstellung einer komplett neuen Technologie eine gewisse Zeit benötigt. Neue Prozesse und Kommunikationswege müssen sich erst einspielen, die Zusammenarbeit im Bereich After-Sales mit den unter Umständen neuen und unbekannten Herstellern muss zunächst etabliert und auf den Bedarf im Linienverkehr eingestellt werden. Zudem ist eine Aufrüstung und Ausstattung der Werkstätten mit entsprechendem Equipment und Sicherheitsvorkehrungen vonnöten. Hinzu kommen umfassende Schulungen des Werkstatt-, Wartungs- und Fahrpersonals sowie ggf. von weiteren relevanten Mitarbeiter(inne)n. Insgesamt hat sich jedoch gezeigt, dass die Brennstoffzellentechnologie bereits jetzt für den ÖPNV bestens geeignet ist. Gerade bei anspruchsvollen Verkehren bietet diese innovative Technologie im Vergleich zu den Batterie-Bussen eine gute Lösung und Alternative für einen emissionsfreien ÖPNV. Beide Null-Emissionstechnologien sollten jedoch nicht als Konkurrenten wahrgenommen werden, sondern als sich ergänzende Konzepte mit konkreten Vor- und Nachteilen. Wichtig ist, dass bei der Einführung von alternativen Antrieben sowohl die Einsatzbedingungen bzw. Ansprüche des Verkehrsunternehmens an die Fahrzeugtechnologie als auch die (regionalen) Rahmenbedingungen betrachtet werden und im Anschluss für die spezifische Situation die beste Wahl getroffen wird. Denn vor dem Hintergrund des voranschreitenden Klimawandels, steigender Luftschadstoffbelastungen und der Verknappung von Ressourcen sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, um einen Beitrag zum Umweltschutz und zur Erreichung der Klimaziele zu leisten sowie den Fahrgästen einen zukunftsorientierten und zuverlässigen ÖPNV zu bieten.

Marcel Frank ist Geschäftsführer der Regionalverkehr Köln GmbH. Foto: BS/RVK