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Fontanes Havelland
Neue Wanderungen durch die Mark Brandenburg
BeBra Verlag
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© be.bra verlag, Medien und Verwaltungs GmbH, 2023
Asternplatz 3, 12203 Berlin post@bebraverlag.de
Lektorat: Gabriele Dietz, Berlin
Umschlag: hawemannundmosch, Berlin (Titelmotiv: Adobe Stock)
Satz: typegerecht berlin
Schrift: Dante MT 10,5/13,7 pt
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-89809-222-7 www.bebraverlag.de
Vorwort
Fontane ist im Havelland ein Zauberwort. Erscheint sein Name im Betreff, ist eine Antwort garantiert. Es öffnen sich Tür und Tor – zu alten und neuen Geschichten. Im Havelländischen ist der Dichter besonders populär. Kein Wunder: Seine literarische Erkundung ist die Liebeserklärung an eine historische Kulturlandschaft, die man im Märkischen sonst vergeblich sucht. Seinem dritten Wanderungen-Band, der 1873 erschien, stellt er voran, was er seiner Ruppiner Heimat zeitlebens verwehrte: ein sehnsuchtsvolles Gedicht – eine Ode an das Havelland. Nach langem Säumen zieht es Fontane, der zuvor als Kriegsberichterstatter in Dänemark, Österreich und Frankreich unterwegs war, nicht an Rhin und Dosse zurück. Wieder aufnehmen soll ihn stattdessen: die heimische Havel.
Es ist nicht nur der pointierte und poetische Erzählstil, der den Havelland-Band zum »weitaus besten« (Fontane) seiner vierbändigen Wanderungen durch die Mark Brandenburg gemacht hat. Der Autor bekam an den Ufern und Seen der Havel alles geboten, was er für ein ideales Wanderungen-Menü brauchte: architektonisch gescheiterte Schlösser und lachende Dörfer, malerisch verfallene Klöster und kahle Kirchen, dunkle Grüfte und eine Geister -Grotte, gutmütige Seen und eigentümliche Landschaften, selbst eine Feeninsel. Als Vorspeise serviert Fontane allerhand Geschichte(n) aus der Preußen-Wiege und zum Dessert erzählt er über seine Spurensuche, die im Havelland – mehr als in anderen Bänden – in die Gegenwart reicht und sogar die Kehrseite des industriellen Fortschritts beschreibt. Ihm gelingt, was in der Rezeption häufig übersehen wird: der schwierige Spagat zwischen dichterischer Verklärung und kritischer Distanz.
Fontanes Havelland ist geografisch kaum zu fassen. »Seine« Orte und Landschaften liegen, wie die Havel fließt: kreuz und quer in der Mark. Die literarische Vermessung stimmt mit den historischen und gegenwärtigen Grenzen des Havellandes nicht überein. Sie erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung vom Kloster Chorin bis zum Schwielowsee und in West-Ost-Richtung von Kattes Wust unweit der Elbe bis nach Charlottenburg in Spree-Athen. Dass Fontane weitaus mehr Orte aufnehmen wollte, geht aus dem Notizbuch von 1869 hervor. Die überlieferte Gliederung enthält auch Orte wie Plaue oder Potsdam, die später unberücksichtigt geblieben sind. Vorgesehen waren insgesamt 28 Kapitel.
Es überrascht daher nicht, dass Fontane für das Havelland zwei Teilbände plante. Weil 1873 zunächst nur der Band Ost-Havelland erschien, wurden Orte wie Trebbin und Friedrichsfelde später in das geografisch näher liegende Spreeland übernommen. Und Orte wie Sacrow und Fahrland, die für den zweiten Teil West-Havelland und Potsdam vorgesehen waren, tauchten erst in der zweiten Auflage von 1880 auf, nun unter dem endgültigen Haupttitel Havelland
Neue Fahrten und Forschungen
Unsere Auswahl der Fontane-Lokalitäten in diesem Buch umfasst sowohl mitten im Havelland liegende Orte wie Werder und Paretz als auch exotische Außenposten wie die Pfaueninsel. Wie Fontane steigen wir auf Kirchtürme hinauf und in Grüfte hinab, wandeln durch alte Herrenhäuser und malerische Klosterruinen, lassen uns mit der Fähre über die Havel chauffieren und durch märkische Obstplantagen führen. Und wir porträtieren Menschen, die heute die Region prägen und sich dem Fontane-Erbe auf kreative Weise verpflichtet fühlen.
Im Gepäck haben wir nicht nur Fontanes Havelland-Band, sondern auch seine weniger bekannten Reisenotizen. Sie offenbaren im Vergleich zum gedruckten Text das unmittelbar vor Ort Erlebte und enthalten bisher unbekannte Skizzen, die dem Wanderer damals als visuelle Gedächtnisstütze dienten und heute zusätzliche Details liefern.
Auf unserer Spurensuche im Havelland schauen wir nicht nur, was heute noch zu entdecken ist, sondern gehen auch neuen Fragen nach. In Paretz möchten wir erfahren, warum Fontane sich dem markwür - digen Kult um Königin Luise entzogen hat. In Wust erzählen wir nicht nur vom letzten Akt der Katte-Tragödie, die in der Familiengruft endet, sondern auch vom Zweifel an der Echtheit der sterblichen Überreste des enthaupteten Jugendfreundes Friedrichs II. In Werder berichten wir, wie der Klimawandel den Obstbauern zu schaffen macht und den Winzern zu neuen Sorten verhilft. In Chorin wollen wir herausfinden, warum Fontane der Klosterruine so vehement das eigentlich Malerische absprach. Im Ziegeleidorf Glindow schildern wir seine temporäre Wandlung vom Dichter zum Journalisten, der uns vor Augen führen wollte, wie Industrialisierung und Proletarisierung den Orten und der Landschaft die Unschuld nahmen, und wir fragen, ob der letzte in Betrieb befindliche Ziegelofen eine Überlebenschance hat. In Marquardt suchen wir nach Resten der geheimnisvollen »Blauen Grotte«, in der einem preußischen König suggeriert wurde, er könne mit verstorbenen Persönlichkeiten sprechen.
Apropos Marquardt: Was die erzählerische Vielfalt in Fontanes Havelland anbelangt, gilt noch immer die Lektüreempfehlung an seinen Verleger Wilhelm Hertz: »Ich würde Ihnen vorschlagen, nur das lange Kapitel ›Marquardt‹ zu lesen, da haben Sie alle Züge des Buches vereinigt: Schloß-, Park- und Landschaftsbeschreibung, Historisches, Anekdotisches, Familienkram und Spukgeschichte. Mehr kann man am Ende nicht verlangen.«
Am Schwielowsee im Winter 2022/23