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D etlef B ohnke (*1950)
1978–1989, Vorderhaus
3. Etage links
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C atrin Przewozny hatte ihn beiläufig als netten Nachbarn erwähnt. Komisch, ich hatte die Hausbücher nun schon so oft studiert, aber, wie schon erwähnt, keinen »Parteisekretär« entdeckt. Erst durch Catrins Tipp fand ich ihn. Denn Detlef Bohnke hatte 1978 lediglich »politischer M itarbeiter« bei seinem Einzug mit Frau und K ind als seine Tätigkeit angegeben.
Auch in seinem Fall frage ich mich zunächst, ob er nach fünfundzwanzig Jahren nicht einfach seine Ruhe haben will, zumal ich übers Melderegister herausgefunden hatte, dass Detlef Bohnke inzwischen am R ande von Frankfurt am Main lebt. Der ehemalige Parteisekretär vom »Haus des Volkes«, wie der Palast der Republik in der DDR auch offiziell bezeichnet wurde, sollte nun also ausgerechnet in der Bankenmetropole, der Z entrale des Finanzkapitals, zu Hause sein?
Ich rief ihn an und er sagte sofort zu. Er sei regelmäßig bei seinen K indern in Berlin, wir könnten uns bald mal treffen.
I m Café am Weinbergsweg laufe ich erst mal an ihm vorbei. M it L ederjacke, S onnenbrille und grauem S chnauzer sieht er aus wie einer dieser S echzigjährigen, die sich eine Harley kaufen und es noch mal richtig krachen lassen wollen. A n einen SEDFunktionär erinnert mich dieser Typ überhaupt nicht. B ohnke lacht scheppernd, steckt sich eine Marlboro an, sagt, er sei »nur« stellvertretender Parteisekretär im Palast der Republik gewesen.
A ls er in unser Haus einzog, wohnten wir, die Ulrichs, schon lange nicht mehr dort. Aber an den Palast kann ich mich sehr gut erinnern. Für uns Jugendliche war der Bau am Marx-Engels-Platz in den 1970 er-Jahren eine, wie man heute sagen würde, coole Location. Wir lümmelten nach der S chule im großen Foyer in Ledersesseln herum und rauchten betont lässig unsere K aro- oder Juwel-Z igaretten. Kein Erwachsener machte uns irgendwelche Vorhaltungen. I m Gegenteil, die freundlichen Palast-Hostessen lächelten sogar uns pickligen L anghaarigen freundlich zu. M it etwas Glück ergatterten wir gelegentlich K arten für die D isko im Untergeschoss. Dort gab es eine sich drehende, auf und ab bewegende Tanzfläche, der absolute Clou damals.
Aber was hatte eigentlich ein Parteisekretär zu tun in dem größten Vergnügungstempel der Hauptstadt?
»Um das Parteileben musste ich mich kümmern, schließlich war ja die H älfte der zweitausend M itarbeiter G enossen. D a mussten Versammlungen und S chulungen abgehalten werden, und für die Parteidisziplin war ich schließlich auch zuständig.«
Eine Strafe allerdings habe er nur ein einziges Mal verhängt. Zu der stehe er heute noch. Eine G enossin kam damals in sein Büro gestürmt, B ohnke sollte helfen, ihr M ann gehe fremd. Bohnke und die Partei sollten den Untreuen zur R aison bringen. Das war kurz vor dem E nde der DDR und die E inheitspartei mischte sich längst nicht mehr so inquisitorisch ins Ehe- und S exualleben ihrer M itglieder ein, wie sie es noch in den 50 er- oder 60 er-Jahren getan hatte. Die Genossen akzeptierten inzwischen stillschweigend, dass die O stdeutschen ein promiskes Volk waren und genauso gern heirateten, wie sie sich auch wieder trennten, die Q uote lag bei eins zu eins. Ehescheidungen waren damals noch kein Synonym für drohende lebenslange Unterhaltszahlungen an den E x-Partner, das S cheidungsrecht war ein