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EU-Vergaberichtlinien weiterhin erforderlich, Schwellenwerterhöhung wäre kontraproduktiv

staatlichen Bediensteten. Die öffentliche Beschaffung hat daher erhebliche Auswirkungen auf weitere wichtige Aspekte, wie Geschäftschancen der anbietenden Wirtschaft, kleine und mittlere Unternehmen und Arbeitsplätze. Insgesamt erreicht das Volumen aller öffentlichen Aufträge auf zentraler, regionaler und lokaler Ebene einen Wert von mehr als 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU.33 Angesichts dieses enormen Volumens kann die öffentliche Beschaffung beispielsweise auch Katalysatorwirkung für technische Innovationen oder Beiträge zum Umwelt- und Klimaschutz entfalten.

EU-Vergaberichtlinien weiterhin erforderlich, Schwellenwerterhöhung wäre kontraproduktiv

Um Barrieren für einen grenzüberschreitenden Beschaffungsmarkt in ganz Europa abzubauen und den Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu stärken, hat die EU über Jahre hinweg einen effektiven Rechtsrahmen für große, binnenmarktrelevante Vergaben ab bestimmten Mindestauftragswerten (Schwellenwerten) geschaffen.34 Durch die EU-Richtlinien für öffentliche Aufträge werden die Märkte für große Aufträge ab den Schwellenwerten EU-weit geöffnet. Zugleich wird dabei sichergestellt, dass bei der Vergabe die Prinzipien der Transparenz und Gleichbehandlung aller Bietenden zwingend zu beachten sind. Zudem ist für den Fall von Verfahrensfehlern vorgesehen, dass diese im Wege eines zügigen und effektiven Vergaberechtsschutzes beanstandet und gegebenenfalls korrigiert werden können. Dieser EU-Rechtsrahmen zum öffentlichen Auftragswesen bildet einen bedeutenden und weiterhin unverzichtbaren Pfeiler des Binnenmarktrechts.

Aus dem politischen Raum ist zuletzt teilweise für eine Erhöhung der EU-Schwellenwerte plädiert worden. Hintergrund dafür ist, dass die Kommission aufgrund einer Evaluierungsklausel in der relevanten EU-Richtlinie für öffentliche Aufträge35 fünf Jahre nach deren Inkrafttreten eine Überprüfung der Schwellenwerte vornehmen muss, die bereits bis April 2019 hätte erfolgen müssen. Der Rat der EU hat die Kommission im November 2020 aufgefordert, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Schwellenwerte auf den Binnenmarkt zu überprüfen und in Erwägung zu ziehen, bei einer nächsten Verhandlungsrunde eine Anhebung der geltenden Schwellenwerte vorzuschlagen, soweit dies möglich und angemessen ist.36

Angesichts der fortbestehenden Notwendigkeit der Marktöffnung innerhalb des EU-Binnenmarktes wäre eine Schwellenwerterhöhung höchst problematisch und kontraproduktiv, zumal bereits die bisherigen Schwellenwerte sehr hoch sind. Gerade aus Sicht der exportorientierten deutschen Industrie sind die EU-Richtlinien für öffentliche Aufträge weiterhin unverzichtbar, da sie unbedingt nötige Garantien für den Zugang deutscher Unternehmen zu wichtigen Auslandmärkten in der EU enthalten.

Darüber hinaus wäre eine Schwellenwerterhöhung auch für die nötige Marktöffnung in Drittstaaten jenseits der EU äußerst schädlich für die deutsche und europäische Industrie. Denn eine wesentliche Erhöhung der EU-Schwellenwerte würde zunächst eine Erhöhung der Schwellenwerte des für die EU bindenden Government Procurement Agreement der WTO (GPA) erforderlich machen. Letztere hätte zur Folge, dass damit die im GPA mühsam erreichten, eher noch zu geringen Garantien zur

33 Europäische Kommission, Single Market Score Board für 2019, s. folgende Internetveröffentlichung: Public Procurement Performance per Policy Area - The Single Market Scoreboard - European Commission (europa.eu), nach dem Stand vom 15.10.2021. 34 Den Kern des EU-Vergaberechts bilden insbesondere die EU-Richtlinien für öffentliche Aufträge und Konzessionen, zuletzt neugefasst durch die Richtlinien 2014/24/EU, 2014/25/EU und 2014/23/EU, eine Richtlinie für Vergaben in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (2009/81/EG), sowie die beiden Rechtsmittelrichtlinien 89/665/EWG und 92/13/EG, beide geändert durch Richtline 2007/66/EG. 35 Art. 92 Richtlinie 2014/24/EU. 36 S. Schlussfolgerungen des Rates vom 25.11.2020: „Öffentliche Investitionen durch öffentliches Beschaffungswesen: Nachhaltige Erholung und Wiederbelebung einer widerstandsfähigen EU-Wirtschaft, Ziffer 7.

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