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Die Finanzpolitik stützt die Erholung weiterhin, aber in geringerem Umfang
mit knapp sechs Prozent wachsen. Venezuela wird wohl nach einer tiefen Rezession von 30 Prozent dieses Jahr um weitere zehn Prozent einbrechen. Der IWF betont, dass die Länder in der Region bis auf wenige Ausnahmen (Chile, Costa Rica) noch nicht ausreichend Impfstoff erwerben konnten und daher noch mit dem Risiko von Infektionswellen und Beschränkungen leben müssen. Afrika südlich der Sahara wird mit knapp 3½ Prozent die Einbrüche des Vorjahres mehr als wettmachen können. Südafrika wird jedoch nach dem harten Einbruch (minus sieben Prozent) dieses Jahr nur mit gut drei Prozent wachsen, Nigeria wenigstens mit 2½ Prozent (minus 1,8 Prozent 2020).
Die Finanzpolitik stützt die Erholung weiterhin, aber in geringerem Umfang
Die Regierungen der großen Volkswirtschaften haben im letzten und im laufenden Jahr die wirtschaftliche Aktivität durch eine Vielzahl von Programmen gestützt. Der IWF hat ein Volumen von 16 Billionen US-Dollar an Maßnahmen, die bis Ende März beschlossen waren, errechnet; davon entfielen zehn Billionen US-Dollar auf Mehrausgaben und Mindereinnahmen und sechs Billionen auf Kredite, Garantien und Eigenkapitalhilfen; über die Hälfte der Maßnahmen war zur Einkommenssicherung von Arbeitnehmern vorgesehen (IWF 2021b). Der Löwenanteil entfiel auf die Industrieländer, die auch in diesem Jahr die Wirtschaft weiter stützen werden. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer konnten 2020 in nur geringerem Umfang gegenhalten, und viele beginnen bereits dieses Jahr mit der Konsolidierung. Ohne diese massiven Maßnahmen wäre die Wirtschaftsleistung in der Welt wohl um weitere sechs Prozentpunkte eingebrochen (IWF 2021a). Insgesamt dominierten bislang die Rettungselemente in der Finanzpolitik, während echte konjunkturelle Stimuli in Verbindung mit politischen Schwerpunktsetzungen in der Regel zugunsten von Klimaschutz, Digitalisierung, Infrastruktur und Wachstum noch nicht breit vertreten sind. Insbesondere die Konjunkturprogramme in Deutschland, Frankreich und Japan enthielten bereits früh solche Elemente, während die entsprechenden Ansätze in den USA erst in den nächsten beiden geplanten Maßnahmenpaketen der Biden-Administration zum Zuge kommen sollen.
In den USA hatte bereits die Trump-Administration zwei Programme beschlossen, die durch das jüngste Biden-Paket noch ergänzt worden sind. Die Maßnahmen umfassten 2020 16,7 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Kombination aus dem Dezember-Paket der Trump-Administration in Höhe von 900 Milliarden US-Dollar und dem Biden-Paket in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar in diesem Jahr wird einen Impuls von gut zehn Prozent der Wirtschaftsleistung setzen. Biden plant zwei weitere Maßnahmenpakete in der Größenordnung von vier Billionen US-Dollar, die steuerfinanziert werden sollen. Ob dies alles auch im Rahmen von Haushaltsgesetzgebungen möglich sein wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall dürfte die US-Finanzpolitik das wirtschaftliche Wachstum in Kanada und Mexiko um bis zu einem Prozentpunkt und in Europa und China um gut einen Viertel- bis einen Halbpunkt stärken (OECD 2021); für Deutschland hat der Sachverständigenrat einen Effekt von 0,4-0,7 Prozent errechnet (Sachverständigenrat 2021); wir gehen von gut einem halben Punkt aus.
China hatte 2020 nur moderat gegengesteuert und wird dieses Jahr die öffentlichen Finanzen leicht konsolidieren. Japan hat mit mehreren Nachtragshaushalten Impulse in beiden Jahren gesetzt, die sich auf knapp 16 Prozent beliefen, das Vereinigte Königreich hielt mit 13 Prozent gegen.
Allein im Euroraum beliefen sich die Stützungsprogramme auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung durch direkte Maßnahmen, auf weitere fünf Prozent im Rahmen automatischer Stabilisatoren und auf 19 Prozent durch indirekte Maßnahmen wie Kredite und Garantien (IWF 2021b). Die Europäische Kommission rechnet für dieses Jahr erneut mit Stützungsmaßnahmen in der Größenordnung von knapp vier Prozent der Wirtschaftsleistung, die nächstes Jahr dann auf ein Prozent sinken dürften
(Europäische Kommission 2021). Nationale Stützungsprogramme sind z.T. für dieses Jahr auch aufgestockt worden, so in Italien um 30 Milliarden EUR und in Deutschland um 60 Milliarden Euro. Im zweiten Halbjahr dürften dann die Aufbau- und Resilienzpläne im Rahmen von NextGeneration EU in vielen Mitgliedstaaten einsetzen. Dies wird die Aktivität in Höhe von bis zu einem zusätzlichen Wachstumspunkt über den Euroraum in diesem und im nächsten Jahr stützen, in Italien und Spanien sogar noch stärker. In Europa war, ist und bleibt die Finanzpolitik 2020-22 angemessen expansiv dimensioniert. Dieses Jahr bleibt die Finanzpolitik leicht expansiv, und im nächsten Jahr werden einige Maßnahmen zwar auslaufen, es entfallen aber auch Restriktionen. Das sollte zurecht nicht als restriktiv gewertet werden. Die gesamtstaatlichen Haushaltssalden im Euroraum werden somit von einer Situation nahezu ausgeglichener Haushalte 2019 (Defizit von gut einem halben Prozent des BIP) und Defiziten über sieben Prozent im letzten Jahr (7,2 Prozent 2020) auf acht Prozent dieses Jahr nochmals leicht ansteigen und auf unter vier Prozent im nächsten Jahr sinken. Die Konsolidierung wird dann schrittweise einsetzen; 2022 dürften jedoch noch mehr als die Hälfte der Länder über dem MaastrichtReferenzwert für die Nettokreditaufnahme in Höhe von drei Prozent liegen. Das um konjunkturelle Effekte, Einmaleffekte und befristete Programme bereinigte strukturelle Defizit wird sich dieses Jahr wie im Vorjahr nochmals um 2½ Prozent erhöhen, im nächsten Jahr jedoch wieder um 2½ Prozent sinken. 2021/22 werden in allen großen Euroraumländern die Outputlücken deutlich sinken, während das strukturelle Primärdefizit, bei dem zusätzlich die Zinsausgaben herausgerechnet werden, das 2020 auf 3½ Prozent im Schnitt angestiegen war, nur in Deutschland wohl auf gut zwei Prozent zurückgehen dürfte. In Frankreich, Spanien und Italien dürfte es wohl 2022 noch deutlich über vier Prozent liegen.
Pandemie belastet öffentliche Haushalte weltweit stark
Die Defizitquoten sind im Zuge des Wirtschaftseinbruchs und der Pandemiebekämpfung weltweit kräftig angestiegen, auf 11,7 Prozent der Wirtschaftsleistung in Industrieländern, 9,8 Prozent in Schwellenländern und 5,5 Prozent in Entwicklungsländern mit niedrigem Einkommen. Die Schuldenquote stieg weltweit um 13 Prozentpunkte auf 97 Prozent an. Der durch die Pandemie verursachte Wirtschaftseinbruch hat IWF-Berechnungen zufolge allein zehn Punkte dazu beigetragen. In den Industrieländern trugen Mehrausgaben für Gesundheit, Stützung von Unternehmen und Transferzahlungen an Arbeitnehmer etwa genauso zu den Defiziten bei wie die Einbrüche bei den Steuern und Abgaben. In den Entwicklungs- und Schwellenländern ging dies hauptsächlich auf Einnahmenrückgänge zurück. In diesem Jahr ist mit einem leichten Rückgang der Defizite zu rechnen, bei einem geringfügigen weiteren Anstieg der Schuldenquoten. Die Defizite dürften weltweit nach IWF-Schätzungen jedoch dieses Jahr auf hohem Niveau bleiben (USA 15 Prozent, China 13,5 Prozent incl. Schattenhaushalte, Vereinigtes Königreich 11,8 Prozent, Japan 9,4 Prozent, Euroraum 6,7 Prozent, Deutschland 5,5 Prozent). Über die nächsten fünf Jahre dürfen die Defizite dann deutlich zurückgehen, da die Erholung die Einnahmeseite stärkt, die Sonderausgaben für Stützungsmaßnahmen auslaufen und die konjunkturellen Stimuli die Aktivität stärken.
Es ist zwar Konsens, dass die Finanzpolitik nach den breiten Programmen schrittweise zielgenauer werden muss, die Stützung auf noch beschränkte Branchen konzentrieren und ansonsten die Reallokation von Ressourcen in neue Felder unterstützen soll. Dies ist jedoch einfacher gefordert als umgesetzt. Zwar ist die Inanspruchnahme von Krediten, Garantien und Eigenkapitalhilfen deutlich hinter den anfänglichen Erwartungen zurückgeblieben, die Unsicherheit über die mögliche Rückkehr normaler Nachfragemuster in den hart getroffenen Branchen ist jedoch nach wie vor hoch. Zudem ist noch unklar, in welchem Ausmaß Insolvenzen in diesen Branchen das Angebot reduzieren werden, und in