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Wald wird Kriegsopfer

Eine junge Hirtin an einem Quellsee bei Khamis Banisaad in der zunehmend entwaldeten Provinz al-Mahweet.

In dem vom Krieg gezeichneten Jemen ist die Nachfrage nach Brennholz in die Höhe geschossen. Nicht nur WissenschaftlerInnen haben bereits Sorge, dass die humanitäre Krise des Landes, in dem Millionen Menschen von Hunger bedroht sind, das Risiko der Wüstenbildung deutlich erhöht.

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»Jährlich werden 886.000 Bäume gefällt, um Bäckereien und Restaurants zu versorgen.«

Fotos (3): REUTERS/Khaled Abdullah

Der jemenitische Landarbeiter Ali al-Emadi verbringt Stunden damit, einen Akazienbaum mit einer Axt zu fällen, während sein 12-jähriger Neffe beim Spalten der Stämme hilft. In einem vom Krieg gezeichneten Land muss Emadi in der nördlichen Region al-Mahweet Holz fällen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der wirtschaftliche Zusammenbruch hat die Landwirtschafts- und Bauarbeiten, für die er früher durch das Land reiste, zunichte gemacht. In dem zerfallenden Staat, in dem seit 2014 ein Stellvertreterkrieg von Iran gegen Saudi-Arabien befeuert wird, ist Brennholz mittlerweile vielerorts die einzige Energiequelle für ZivilistInnen. Die Preise für Benzin und Gas sind heute Abdullah Abul-Futuh, Umweltschutzbehörde Jemen. doppelt so hoch wie noch vor einem Jahr. Mehr als 40 Prozent der rund 30 Millionen JemenitInnen haben nicht genug zu essen. Laut Welternährungsprogramm gelten rund 2,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren unterernährt. Die Lebensmittelpreise sind trotz einiger Hilfsprogramme der Vereinten Nationen durch die Decke geschossen. In dieser humanitären Krise steigt das Risiko der unwiederbringlichen Waldzerstörung enorm – eine Bedrohung sowohl für die Umwelt im Jemen als auch für jede Hoffnung auf eine langfristige Lebensgrundlage für Männer wie Emadi. »Die Besitzer von Bäckereien verwenden Holz und Stein, um ihre Öfen zu heizen. Früher haben sie Gas verwendet, aber jetzt gibt es nur noch Holz«, so Emadi. »Wenn es genügend Holz gibt, können wir davon leben, Gott sei Dank. Aber heutzutage gibt es kaum noch Bäume«, so der siebenfache Vater. »Wenn ich etwas bekomme, essen wir. Zumindest leben oder sterben wir gemeinsam.« In dem seit mehr als sechs Jahren andauernden Krieg zwischen der von einer saudi-geführten Koalition unterstützten anerkannten Regierung und der mit dem Iran verbündeten Houthi-Bewegung sind Zehntausende von Menschen ums Leben gekommen. 80 Prozent der jemenitischen Bevölkerung sind auf Hilfe angewiesen. Die Treibstoffknappheit infolge der Blockade der von den Houthi gehaltenen Gebiete durch die KoAli al-Emadi, der als Holzfäller arbeitet, und sein Neffe spalten alition, die auch den Zugang zum Haupthafen von Hodeidah Brennholz mit Äxten in ihrem Dorf in der Provinz al-Mahweet. einschränkt, hat dazu geführt, dass Unternehmen und Familien

Ein Verkäufer wartet auf Kunden auf einem Brennholzmarkt in Jemens Hauptstadt Sanaa.

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Diesel und Gas gegen Brennholz eintauschen. Die Allianz behauptet, die Blockade sei notwendig, um den Waffenschmuggel zu unterbinden.

Allein in der Hauptstadt Sanaa würden jährlich rund 886.000 Bäume gefällt, um Bäckereien und Restaurants zu versorgen, so Abdullah Abul-Futuh, Leiter der Abteilung für biologische Vielfalt und Naturschutzgebiete bei der jemenitischen Umweltschutzbehörde in der Stadt, die wie der größte Teil des Nordjemen von den Houthi-Behörden verwaltet wird. In den letzten drei Jahren seien im gesamten Norden des Landes etwa 5 Millionen Bäume gefällt worden. »Das entspricht einer Waldfläche von 213 Quadratkilometern. Und nur 3,3 Prozent der Gesamtfläche des Jemen sind als Wald klassifiziert«, so Abul-Futuh. Die Behörde konnte keine Vergleichszahlen nennen, da es sich um ein neues Phänomen handelt.

Nachdem in den 1980er Jahren in der Region Marib Gas entdeckt wurde, beschränkte sich der Holzeinschlag auf abgelegene Gebiete, aber der Krieg hat die Energieproduktion des Jemen abgewürgt, sodass man zunächst auf Importe und jetzt auf Holz von Bäumen angewiesen ist, die normalerweise für den Hausbau verwendet werden. Im Jemen gibt es nur wenige Wälder, dafür aber eine relativ reiche Pflanzenwelt in der ölproduzierenden Wüstenregion der Arabischen Halbinsel. In al-Mahweet, das für seine dichten Baumkronen bekannt ist, verschwinden mehrere Arten von Akazien, Zedern und Fichten. HolzfällerInnen, die über die nötigen Mittel verfügen, kaufen einen Akazienbaum von LandbesitzerInnen für umgerechnet etwa 100 Dollar und verkaufen die Stämme dann an HändlerInnen, die sie in »Wir haben Angst, die Städte schicken. Ein mit dass das Land zu Holzstämmen beladener einer Wüste wird.« 5-Tonnen-Lkw bringt in Sa- Sulaiman Jubran, Holzfäller naa umgerechnet 300 bis 700 Dollar ein, je nach Holzart und Transportentfernung. »Die Nachfrage hängt von der Anzahl der Treibstoffschiffe ab, die den Hafen von Hodeidah anlaufen. In diesen Tagen ist sie (die Nachfrage) sehr hoch«, sagt der Holzfäller Sulaiman Jubran, der seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Brennholz an ausländische HändlerInnen verdient. »Wir haben Angst, dass das ganze Land zu einer Wüste wird. Das ist mancherorts bereits der Fall, einst bewaldete Berghänge sind heute schon kahl«, sagt er.

Die Wälder des Jemen befinden sich größtenteils in Privatbesitz, und arme Familien durften traditionell kostenlos Holz schlagen, solange sie nur Äste abschnitten und die Stämme für die Regeneration verschonten. »Jetzt entwurzeln wir sie mit Mattocks (Spitzhacken), nichts bleibt übrig«, sagt Emadi. Khaled Abdullah und Ghaida Ghantou | Mit freundlicher Genehmigung von Reuters | INSP.ngo

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