273388

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 1

Rose Höfflin

Zum Glück bin ich nicht besser Für alle unerkannten Helden ...

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 2

Für Ilka Danke für deine Freundschaft.

Dank auch deiner Familie, insbesondere Jan-Luca, der immer wieder seine Ungeduld bezähmt, wenn du „schon wieder mit der da telefonierst“.

Für alle unerkannten Helden, die morgens am liebsten ganz tief unter die Decke kriechen würden, und trotzdem aufstehen, die immer wieder dieselben Hemden bügeln, und es trotzdem sinnvoll finden, die sonntags alleine zu Mittag essen müssen und sich nicht darüber beklagen, deren Telefon tagelang nicht klingelt, und die es trotzdem nicht abmelden, die trotz zahlreicher Diäten nicht abnehmen, und sich trotzdem schön finden können!

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 4

Inhalt Vorwort

Höfflin, Rose Zum Glück bin ich nicht besser ISBN 3-89436-388-6 (c) Copyright 2003, Christliche Verlagsgesellschaft, Dillenburg Satz: Winster GmbH, Berlin Umschlaggestaltung: Graphworks, Bad Endbach Druck: FVA, Fulda Printed in Germany

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

Von der Barmherzigkeit Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Unter einem schlechten Stern geboren? . . . . . . . . 16 Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Selbst eingebrockt! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Das Wunder der Alltäglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Gespräch im Bügelzimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Nur ein paar Tassen Kaffee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Geschaffen für den Himmel! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Ostersonntag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Löwenmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Nachgedacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Vorurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Vom Keller, von Sorgen und der Gnade Gottes . . . 54 Geburtstagsblues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Himmelsbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Mut zum ersten Schritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Zum Glück bin ich (nicht) besser als die anderen . 68 Ewigkeitssonntag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Oft ist es nur ein kleines Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Exklusivrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 „Wir sind keine Egoisten!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Lebensglück mit Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Sarah . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Arbeitslos = Wertlos? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Das Nikolausgebet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Gott ist für mich! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Die Kollegin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Alles nur Flickwerk? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Was ist Reichtum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Das etwas andere Weihnachten . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Sind die Kleinen immer die Dummen? . . . . . . . . . . 116 „Wie viele Hände hat Gott?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Der neue Chef . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Nachwort

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 6

Vorwort Vor 11 Jahren bin ich aus einem verschlafenen Schwarzwalddorf nach Mannheim gezogen, weil ich hier eine Arbeitsstelle bekommen habe. Die Umstellung vom Dorf auf die Großstadt ist mir nicht allzu schwer gefallen, da ich zuvor schon für etliche Monate in London und Barcelona gelebt hatte. In den vergangenen Jahren habe ich Mannheim kennen und lieben gelernt. Besonders für diese Stadt eingenommen haben mich das große Angebot der Kinos und des Theaters, die Cafés und Bistros in vielen verschiedenen Stilrichtungen, zahlreiche Schuhgeschäfte und Buchhandlungen, denn all das gehört zu meinen erweiterten Grundbedürfnissen!

Ich liebte meinen Beruf als Betriebsdolmetscherin und war voll dabei, mitten im Leben, wie man so schön sagt. Trotzdem kam Gott bei mir an erster Stelle, denn nach einer christlichen Erziehung habe ich mich als

6

7

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 8

Erwachsene entschlossen, den „Kinderglauben“ mit in die große Welt zu nehmen, und habe mich ganz bewusst für ein Leben mit Gott entschieden.

So lebte ich denn in Mannheim, zwischen Beruf, Gemeinde und Freunden glücklich und zufrieden bis zu dem Tag, als mich völlig überraschend die Diagnose „Multiple Sklerose“ ereilte. Und das im Alter von 25 Jahren!

Zunächst hoffte ich, dass den Ärzten und Gott ein Fehler unterlaufen war. Nachdem ich beide Instanzen über Monate hinweg mehrfach befragt hatte, stellte sich heraus, dass die Diagnose tatsächlich stimmte.

Nun begann für mich eine schwere Zeit der Trauer, Wut und Angst. Die Hoffnung, die mir der Glaube an Gott gab, war das tragende Fundament in dieser Zeit.

Diese Hoffnung war tiefer als meine Gefühle, meine Verzweiflung und die inneren Wutausbrüche. Obwohl ich längst nicht an jedem Tag mit Gott „im Reinen“ war, wusste ich doch tief in mir, dass er mich liebt und mir helfen wird, wann immer das auch sein mochte.

Verstanden habe ich ihn damals nicht, und warum „es“ mich getroffen hat, weiß ich bis heute nicht. Aber in der Zwischenzeit habe ich gelernt, dass Gottes Liebe zu mir sich nicht daran ablesen lässt, ob es mir gut oder schlecht geht, ob ich arm oder reich, hübsch oder durchschnittlich bin. Ich habe mit dem Herzen gelernt (mein Kopf wusste es schon lange), dass Gott aus Liebe zu mir vor 2000 Jahren seinen Sohn Jesus in die Welt geschickt hat, damit ich heute leben kann; damit ich Vergebung meiner Sünden durch Jesu Tod am Kreuz empfangen kann und dadurch von Gott angenommen bin – und das ist die Hauptsache!

Jetzt weiß ich, dass meine Krankheit keine Strafe oder gar Verwechslung von Gott ist, sondern ein Teil seiner Lebensplanung für mich, mit der er ein Ziel verfolgt.

Ich bin jetzt 35 Jahre alt. Seit fast 10 Jahren lebe ich nun mit Multiple Sklerose. Es hat sich manches ver-

8

ändert, das Allermeiste zum Positiven hin. Ich beziehe Gott mehr in mein Leben ein und rede viel mehr mit ihm und er mit mir – dadurch hat mein Alltag unglaublich viel an Erfüllung und Freude gewonnen.

Meistens schaue ich auch täglich für einige Minuten in die Bibel, lese darin und bete, dass Gott mir klarmacht, was der Text, den ich gelesen habe, an diesem Tag für mich bedeutet. Ich habe viel Trost, Rat, Frieden und Zuversicht dadurch bekommen.

Ich lebe immer noch in Mannheim zwischen Beruf (jetzt ca. 8 Stunden pro Woche), Gemeinde und Freunden – und immer noch glücklich und zufrieden –, weil ich mich von Gott getragen weiß!

Oft sind es Pannen im Alltag, Schicksale von Zeitgenossen oder Begegnungen mit Kindern, die meinen Blick weg von mir selbst – hin zu Gott lenken. Von solchen Erlebnissen und Begegnungen erzählen die Kurzgeschichten dieses Buches, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte.

Rose Höfflin Mannheim, im Februar 2003

9

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 10

1 Von der Barmherzigkeit Gottes Zwischen Quarkplunder und Früchtetörtchen sagte sie mir unvermittelt, dass sie HIV-positiv sei. Mir blieb beinahe der Atem weg, und da ich noch nie zuvor jemanden getroffen hatte, der mir eine solche Mitteilung gemacht hatte, wusste ich nicht so recht, was ich tun oder sagen sollte. Deshalb schob ich mir – der Einfachheit halber – ein Stückchen Quarkplunder in den Mund, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.

Sie war eine Kollegin aus den Anfängen meiner Berufszeit und wir hatten uns immer gut verstanden.

Dann hatte sie ein Auslandsjahr eingelegt und danach bei einer anderen Firma in unserer Stadt weitergearbeitet. Wir hatten losen Kontakt gehalten. Und dann kam vor einer Woche der Anruf mit der Frage, ob ich sie zum Kaffee besuchen würde. Ich freute mich auf das Wiedersehen und war auf diese Offenbarung so ganz und gar nicht vorbereitet gewesen. Sie erzählte

10

11

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 12

mir, dass sie sich oft müde fühlte, es ihr aber sonst gut gehe. Sie hatte seit längerer Zeit geahnt, dass sie sich infiziert hatte, damals im Ausland. Es wäre so eine fetzige Party gewesen, mit vielen netten Leuten, und dort hätte sie einen aufregend interessanten Kerl kennen gelernt. Sie wären nicht lange zusammen gewesen, nur so ungefähr zwei Monate, dann hatte sie gemerkt, dass er ein Windhund war, der jede Woche eine andere Frau brauchte. Sie bereue es ja sehr, aber damals war sie noch so jung und unerfahren gewesen, und das Abenteuer schien so verlockend. Da wir uns immer gemocht hatten, wollte sie einfach ihr Geheimnis mit mir teilen. Ich versuchte sie zu trösten, so gut ich konnte.

In der darauffolgenden Nacht hatte ich nicht viel Schlaf abbekommen. Meine ehemalige Kollegin tat mir in der Seele Leid und ich fragte mich, ob ich das Richtige gesagt hatte. Wir hatten damals in der Firma öfter über Glaubensfragen gesprochen, sie war interessiert gewesen und kannte die Botschaft des Evangeliums. Dass sie nicht recht gehandelt hatte, war ihr sowieso klar. Eine Verurteilung lag mir fern.

Ich kenne mich selbst und weiß, wozu ich fähig bin, und es war allein Gottes Gnade, dass ich nicht schuldig geworden bin. Aber hatte ich auf ihre Fragen wirklich richtig geantwortet? Irgendwann gegen Morgen schlief ich dann mit dem Gedanken ein, dass sie Gott kennt und Gott sie, und ich betete dafür, dass Gott ihr neu begegnen würde.

In der folgenden Woche las ich einige Geschichten im Neuen Testament, die mir das Verhalten Jesu in einem andern Licht erscheinen ließen. Ich las in Johannes 8, Verse 1-10 die Geschichte jener Frau, die – beim Ehebruch in flagranti erwischt – von den Gesetzeslehrern vor Jesus geschleppt wurde, in der Hoffnung, sie steinigen zu dürfen. Jesu Kommentar zu den Anschuldigungen beschränkte sich auf einen Satz: Als sie aber fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er

12

sich auf und sprach zu ihnen: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.“ Nach und nach, löste sich die Menge der Schaulustigen und Ankläger auf. Zuletzt war Jesus allein mit der Frau. Er fragte sie: „Frau, wo sind sie?

Hat niemand dich verurteilt? Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige von jetzt an nicht mehr!“ Jesu Verhalten war eindeutig. Er bezeichnete die Tat als das, was sie war: Sünde. Er gab einen klaren Befehl: „Tu diese Sünde nicht mehr!“ Aber er verurteilte die Frau nicht, er wandte sich nicht von ihr ab mit den Worten: „Wie konntest du nur! Ich kann deine Schlechtigkeit gar nicht fassen, komm mir bloß nie wieder unter die Augen.“ Er hielt ihr auch keine Moralpredigt, er ließ die Sünde nicht in der Synagoge abkündigen, denn bekannt war sie ja ohnehin. Er verfasste auch keinen Artikel für die Lokalzeitung über die Schlechtigkeit der Menschen. Nein, Jesus sagte der Betroffenen – und nur ihr – die Sünde auf den Kopf zu, aber er verurteilte sie nicht. Er begegnete der Sünderin mit einer Barmherzigkeit, die nach der Landessitte dieser Sache gegenüber so gar nicht angemessen war. Und sagte Jesus nicht zu seinen Jüngern: „Lernet von mir“? Wie könnten wir dann einen reuigen Sünder verurteilen?

Ich habe es am eigenen Leib erfahren, wie wohltuend es ist, wenn man nach dem Bekennen eines Fehltrittes nicht mit großen Augen angeschaut wird und hören muss: „Wie in aller Welt konntest du nur!“ Ich hatte das Glück zu hören: „Ja, so etwas gibt’s. Ist mir auch schon passiert. Aber jetzt bitten wir zusammen Jesus um Vergebung.“ Eine andere Geschichte, die ich in derselben Woche las, zeigte mir auch, dass sich Jesus über die Tabus seiner Zeit hinwegsetzte, wenn es um das Wohl eines Menschen ging. Es ist ein Text, über den nicht gerade oft gepredigt wird. Wir finden ihn in Lukas 8,40-48:

13

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 14

Die Geschichte einer Frau, die seit zwölf Jahren an Blutungen litt und der kein Arzt helfen konnte. Sie drängte sich durch die Volksmenge, die Jesus umgab, nach vorne, schlich sich hinter Jesus und berührte eine Quaste seines Gewandes. Sofort hörte die Blutung auf. Jesus fragte: „Wer ist es, der mich angerührt hat?“ Niemand wollte es gewesen sein, und Petrus sagte: „Meister, die Volksmengen drängen und drücken dich!“ Aber Jesus erwiderte: „Es hat mich jemand angerührt; denn ich habe gespürt, dass Kraft von mir ausgegangen ist.“ Als die Frau merkte, dass ihr Tun nicht verborgen geblieben war, trat sie zitternd vor und warf sich vor Jesus nieder. Vor dem ganzen Volk erklärte sie, warum sie ihn angefasst hatte und dass sie im selben Augenblick geheilt worden war.

Jesus sagte zu ihr: „Tochter, dein Glaube hat dich geheilt. Geh hin in Frieden!“ Nach dem jüdischen Gesetz hätte eine Frau in diesem Zustand niemanden berühren dürfen, denn sie galt als unrein. Und auf gar keinen Fall hätte sie dieses Tabuthema öffentlich ansprechen dürfen. Doch Jesus bekam keinen Zornesausbruch angesichts dieser zweifachen Gesetzesübertretung, er ließ sie auch nicht abführen, er nannte sie „Meine Tochter!“ Was für einen barmherzigen Gott haben wir doch, der sich, wenn es um das Leben eines Menschen geht, über alle Sitten, Gebräuche und Gesetze hinwegsetzt. Den Traditionen und Vorschriften setzte Jesus Verständnis, Liebe und Barmherzigkeit gegenüber. Er sah das verwundete und glaubende Herz dieser Frau und gab ihr, was sie so bitter benötigte.

Ist es nicht wohltuend zu wissen, dass Jesus alles, auch unsere dunkelsten Geheimnisse kennt und uns trotzdem mit offenen Armen entgegenkommt? Wenn Menschen uns nicht glauben, sich von uns abwenden, uns an verschiedenen Fronten Unrecht begegnet, nimmt uns Jesus in seine Arme und sagt: „Meine Tochter, ich werde dich heilen. Menschen konnten dir

14

nicht helfen, die Mitmenschen verachten und meiden dich, du leidest unverschuldet und findest kein Verständnis, aber ich habe deinen Glauben gesehen: Sei geheilt, gehe hin in Frieden.“ Mit diesem Zuspruch können auch wir ein neues Leben beginnen.

Warum nur begegnen wir unseren Mitmenschen und Mitchristen oft so unbarmherzig, wenn sie einen Fehltritt zugeben oder in Not geraten sind? Warum weigern wir uns, die Dinge beim Namen zu nennen und breiten über Tabuthemen den Mantel des Schweigens aus, wenn wir glauben, dieses Thema hätte bei Christen keinen Platz?

Ich wünsche mir und uns, dass wir von Jesu Klarheit, Barmherzigkeit, Liebe und grenzenlosem Verständnis lernen. Er hat sich nie brüskiert oder peinlich berührt abgewandt. Er hat sich den Menschen mit Freundlichkeit und Wärme zugewandt.

Das machte Mut zur Wahrheit.

In Lukas 10, Vers 27 steht: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Verstand und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Möge dieser Vers zu unserem Motto werden!

15

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 16

2 Unter einem schlechten Stern geboren?

Es war an einem warmen, sonnigen Sommertag. Ich hatte mich mit einer Tasse Kaffee und der Tageszeitung auf den Balkon zurückgezogen, um das Wetter (und das Leben!) zu genießen und ein bisschen auszuspannen. Da klingelte das Telefon und beendete meine idyllische Sommerfrische.

Es war der für Schwerbehinderte zuständige Betriebsrat aus der Firma, der sich nach meinem werten Ergehen erkundigen wollte. Ich sagte ihm, dass es mir trotz meiner MS gut gehe und ich momentan zwei halbe Tage pro Woche arbeite. Wie es nächstes Jahr beruflich weitergehen werde, wisse ich natürlich noch nicht. Eine volle Arbeitsstelle auszufüllen, könne ich mir natürlich nicht vorstellen, das würde aus gesundheitlichen Gründen wohl eher nicht klappen. Der Betriebsrat, ein freundlicher Herr, der mich schon fast 8 Jahre lang kennt, fasste die Lage (aus seiner Sicht)

16

so zusammen: „Also, Frau Höfflin ich muss schon sagen, Sie sind wirklich in einer sehr bedauernswerten Lage. Wie kann ein Mensch nur so viel Pech haben!

So jung und so krank! Dann der Verlust Ihrer ursprünglichen Arbeitsstelle durch die Umstrukturierung und die damit verbundenen Nachteile für Sie. Sie müssen unter einem schlechten Stern geboren sein, dass Ihnen so viel Unglück widerfährt!“ Mit diesem Satz beendete er das Gespräch und ich widmete mich wieder wohlgemut meiner Zeitung. Der letzte Satz des freundlichen Herrn blieb jedoch in meinem Gedächtnis hängen und veranlasste mich, darüber nachzudenken: „Unter einem schlechten Stern geboren? Ich? Wie kommt er nur darauf, vielleicht weil ich eine bislang unheilbare Krankheit habe, die mit viel Schrecken und Vorurteilen besetzt ist?“ Ich vermute einmal, dass das der Grund war, der ihn zu dieser Aussage veranlasst hatte. Sicher hat er nicht bedacht, dass die Krankheit doch nur ein Teil von mir ist und ganz sicher nicht den ganzen Menschen ausmacht. Es geht mir doch auch gut. Ich bin glücklich, und sehr oft danke ich Gott, dass ich leben darf und so viel Schönes erleben kann: ein Sommerspaziergang im Park, mich an der Blumenpracht erfreuen können, das tiefe dunkle Grün der Bäume vor meinem Schlafzimmerfenster, den Wind im Gesicht spüren, ein leckeres Pastagericht kochen, ein Bummel durch die Innenstadt, in der Stadtbücherei stöbern, ein schönes Buch lesen und nicht zuletzt das Lachen meines kleinen Neffen sehen, wenn er voller Begeisterung die Rutschbahn hinunter saust. All das hat mir Gott geschenkt, damit ich es erleben und genießen kann. „Unter einem schlechten Stern geboren?“ Also, ich ganz sicher nicht, so viel steht fest.

In der Bibel steht in Psalm 139, Verse 13-14: „Denn du bildetest meine Nieren. Du wobst mich in meiner Mutter Leib. Ich preise dich darüber, dass ich auf eine

17

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 18

erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke, und meine Seele erkennt es sehr wohl.“ Daran glaube ich. Dass Gott mich so geschaffen und gewollt hat, wie ich bin. Auch mit Krankheit. Mit allen Macken. Aber auch mit allem Schönem. Von wegen schlechter Stern. Geplant im Himmel, von Gott persönlich. Ein Meisterwerk – sozusagen. Und da sind Fehler ausgeschlossen. Da gibt es keine Rückrufaktionen wegen fehlerhafter Teile, so wie wir es von der Autoindustrie kennen.

Natürlich kenne ich sie auch, jene anderen Tage, die uns nicht gefallen. Die damit beginnen, dass wir verschlafen, dann den Bus verpassen, in der Firma Ärger haben, den heißen, gebrauchten Kaffeefilter auf den frisch geputzten Boden fallen lassen, uns beim Salatzubereiten in den Finger schneiden, etc. Und ich kenne die Tage der Depression, Tage, an denen man die Nachricht erhält, dass ein Familienmitglied ernstlich erkrankt ist, dass ein guter Freund plötzlich gestorben ist, dass sich die Krankheit wieder zurückmeldet oder eine Bekannte versucht hat, sich das Leben zu nehmen.

Wir sind Menschen und leben noch auf dieser Welt mit allem, was dazugehört. Und dazu gehören auch Ängste, Krankheit, Trauer, Versagen und Fehler. Aber wir haben Gott auf unserer Seite, wenn wir das wollen.

Ihm können wir von unseren Ängsten und Belastungen erzählen, ihm unser Versagen und unsere Fehler bekennen, damit er sie uns vergeben kann. Und für die restlichen Tage unseres Lebens hat er uns ein großartiges Versprechen gegeben. Es ist aufgeschrieben in Jesaja 46, Verse 3-4: „Hört auf mich, Haus Jakob und der ganze Überrest des Hauses Israel, die ihr von Mutterleib an ,mir‘ aufgeladen, von Mutterschoß an ,von mir‘ getragen worden seid! Auch bis in ,euer‘ Greisenalter bin ich derselbe, und bis zu ,eurem‘ grauen Haar werde ich selbst ,euch‘ tragen. Ich, ich habe es

18

getan, und ich selbst werde heben, und ich selbst werde tragen und werde erretten.“ Weil ich darauf vertraue, ist mir völlig egal, unter welchem Stern ich geboren bin. Hauptsache ist, dass Gott mich gemacht und gewollt hat und mich hier auf der Erde festhält und durchträgt, bis ich eines Tages bei ihm im Himmel angekommen bin. Ich freue mich auf den Himmel – und Sie?

19

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 20

3 Vertrauen Ihr letztes großes Junggesellenabenteuer führte sie nach Australien. Ich war in großer Aufregung: Konnte ich meine beiden „kleinen“ Brüder so weit weg lassen?

Ganz ohne mich? Schließlich waren sie erst 21 und 27 Jahre alt!

Sie ließen sich von ihrer besorgten Schwester leider nicht aufhalten, also fügte ich mich in das Unvermeidliche. Nicht jedoch, ohne sie vorher mit vielen guten Ratschlägen ausgerüstet zu haben. Ich hatte ihnen erklärt, wie man sich im Falle eines Absturzes verhält, sie zigmal davor gewarnt, sich in Bangkok bei der Zwischenlandung irgendwelche Päckchen zustecken zu lassen, und ich half ihnen, ihre Englischvokabeln aufzufrischen. So flogen die Jungs glücklich und erwartungsvoll davon.

Ich durchlebte die sorgenvollsten 4 Wochen meines Lebens. Irgendwie glaubte ich, meine Gebete durch

20

Sorgen bereichern zu müssen. Ich malte mir sämtliche vorstellbaren Notfälle aus, durchlebte in Gedanken Entführungen, Unfälle und Überfälle und kam erst zur Ruhe, als ich die beiden 4 Wochen später in Frankfurt am Flughafen gesund und braungebrannt wiedersah.

Ich schickte mindestens tausend Dankgebete gen Himmel. Ich dankte Gott dafür, dass er meine Brüder bewahrt hat.

Es war etwa ein Jahr später, als sich mein jüngster Bruder einer kleinen Routineoperation unterziehen musste. Am Operationstag sprach ich morgens in meiner persönlichen Andacht ein Gebet, in dem ich Gott um Bewahrung bei der OP bat. Danach fuhr ich ins Büro und widmete mich ganz meiner Arbeit. Ich war völlig ruhig und unbesorgt, schließlich war es eine Routineoperation und völlig ungefährlich. Deshalb fand ich es auch nicht nötig, zwischendurch für meinen Bruder zu beten. Schließlich war ich klug genug, das Risiko richtig einzuschätzen. Mit der Ruhe war es erst vorbei, als mein Vater mich nach dem Mittagessen anrief und sagte: „Er wacht nicht auf.“ Sofort begann ich wie ein Weltmeister zu beten und war natürlich in aller größer Sorge. „Lieber Gott, bitte mache doch, dass mein Bruder ganz schnell aufwacht und dass er wieder ganz gesund wird, bitte, bitte.“ Ich spüre noch heute in der Erinnerung die Erleichterung, als ich erfuhr, dass mein Bruder endlich aufgewacht und außer Gefahr war.

Bei diesem Erlebnis war mir klar geworden, dass es in keinem Menschenleben so etwas wie Routine gibt.

Ich wurde dankbar dafür, dass Gott uns auch dann bewahrt, wenn wir uns keiner Gefahr bewusst sind und nicht um Bewahrung gebetet haben. In wie viel gefährlichen Situation mag Gott uns wohl schon bewahrt haben, ohne dass wir auch nur etwas davon ahnten?

Und manchmal müssen wir auch genau das durchleben, vor dem wir uns so gefürchtet haben und Gott

21

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 22

baten, jenen Kelch an uns vorübergehen zu lassen. In solchen Situationen hilft mir der Vers aus Jesaja 55: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR.“ Wir verstehen Gottes Handeln mit uns Menschen so oft nicht. Aber wir haben die Zusagen Gottes in der Bibel, dass Gott immer noch auf dem Thron sitzt und die Geschicke seiner Kinder nach seiner Weisheit lenkt. Seine Wege können wir kleinen, begrenzten Menschen natürlich oft nicht verstehen. Dafür können wir ihm aber felsenfest vertrauen, dass es Liebe ist, die seine Hand lenkt, und dass sein Plan ein festes Ziel verfolgt. Unsere Notlagen sollen mit dazu dienen, uns für die Ewigkeit im Himmel vorzubereiten. Ich finde es so unendlich beruhigend zu wissen, dass Gott uns ganz genau kennt und dafür sorgt, dass wir nicht im Elend ertrinken. Er streckt uns seine Hand entgegen und zieht uns heraus. Er hat alles bis ins kleinste Detail unter Kontrolle. Er hat uns sogar in Lukas 12, Vers 7 gesagt: „Aber selbst die Haare eures Hauptes sind alle gezählt. Fürchtet euch nicht!“ Sollte man diesem Gott nicht vertrauen können?

Deshalb möchte ich mich darin üben, meine Sorge um das Leben meiner Lieben bei Gott abzugeben, denn bei ihm sind alle gut aufgehoben, meine Familie und meine Sorgen.

22

4 Selbst eingebrockt!

Ich ahnte nichts Gutes, als mich die junge Ärztin wieder ins Wartezimmer schickte und einen Kollegen zur Besprechung ins Sprechzimmer bat. Dabei hatte ich doch nur Fieber und Kopfschmerzen! Der Arzt, der mich schon seit langem betreute war leider in Urlaub, und nun musste sich seine Vertretung mit mir abmühen.

Schließlich wurde ich wieder zur Ärztin hineingerufen und mir wurde die Verdachtsdiagnose „Meningitis“ (Hirnhautentzündung) mitgeteilt. Gleichzeitig wurde mir eine Krankenhauseinweisung in die Hand gedrückt, zusammen mit dem Befehl der Autorität in Weiß, mich sofort ins Krankenhaus zu begeben.

Plötzlich hatten die Ärzte es sehr eilig, mich wieder los zu werden; ich hatte keine Chance zu rebellieren oder gar zu diskutieren.

Also begab ich mich auf schnellstem Weg in das nächste Café, um nachzudenken. Meine Gehirnzellen

23

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 24

funktionieren leider nur, wenn sie durch Koffein angetrieben werden. Ich kam zu dem Ergebnis, dass die Ärzte sich irrten und ich keineswegs ernsthaft krank war. Deshalb nahm ich mir vor, erst am nächsten Tag ins Krankenhaus zu gehen. Ein schwerer Fehler, wie sich sehr bald herausstellen sollte.

Zunächst kamen mir die Einhaltung meines Tagesplanes und das In-Ordnung-bringen meines Haushaltes wesentlich dringlicher vor.

Am nächsten Morgen, einem Freitag, ging ich also mit meiner dringenden Einweisung ins Krankenhaus.

Nach stundenlangem Warten wurde ich ins Untersuchungszimmer gerufen, wo der Arzt die Verdachtsdiagnose sehr aufregend und leider überhaupt nicht abwegig fand. Zur genauen Klärung der Diagnose wollte er mich punktieren und erklärte mir noch mal, wie sehr wahrscheinlich eine Meningitis wäre – und wie gefährlich. Also setzte ich mich gemäß Anweisung auf die Untersuchungsliege und er stach zu. Anders kann man das beim besten Willen nicht nennen – jedenfalls traf er weit neben sein Ziel und mir wurde entsetzlich übel. Er entschuldigte sich damit, dass ihm das seit zwanzig Jahren nicht mehr passiert sei, und es demnach nur an mir liegen könne. Völlig meiner Schuld bewusst, erteilte ich mit gemischten Gefühlen die Erlaubnis zum zweiten Versuch. Dieser endete noch schlimmer. Als mich jemand schüttelte und fragte, ob ich noch lebe, merkte ich, dass mein Erdendasein noch nicht beendet war. Immerhin hatte der Arzt jetzt ein Einsehen und lies mich auf Station bringen, um seinen Kollegen dort zu informieren, dass dieser einen neuen Versuch starten sollte.

Leider vergaß er dieses wichtige Telefonat, und so kam es, dass ich bis Montagmorgen vergessen wurde.

In einer Großstadtklinik, im 21. Jahrhundert.

Abends erkundigte ich mich dann bei einer Schwester, wann denn der Arzt käme, da ich ja angeblich eine gefährliche Meningitis hätte. Daraufhin erfuhr ich,

24

dass die Ärzte schon lange Feierabend hätten – und niemand auf Station von meinem Dasein wusste. Der Wochenenddienst wurde gerufen, befand mich für relativ gesund und empfahl mir, das Wochenende im Krankenhaus zu genießen.

So langsam wurde es mir unheimlich. Kein Arzt hatte mich bisher richtig untersucht, bis auf die zwei Ärzte, die behaupteten, ich hätte Meningitis. Ich bekam Angst. Was, wenn ich wirklich krank bin? Was könnte bis Montag alles passieren! Wäre ich doch nie in dieses Krankenhaus gegangen. Das Fieber stieg – und meine Panik. Kein Mensch interessierte sich für mich, niemand hatte meine Adresse, niemand wusste, dass ich gegen ca. 500 Medikamente allergisch bin.

Ich dachte immer, gleich müsste die Tür aufgehen und ein Kamerateam mit den Worten hereinplatzen: „Ha, ha, das war doch nur ,Verstehen Sie Spaß‘.“ In den folgenden Nächten klammerte ich mich an Gott wie nie zuvor. Die Gebete zu ihm, das Wissen, dass er mich hört und sieht, bewahrten mich vor dem Durchdrehen.

Ich flehte ununterbrochen zu ihm, dass er mich vor Schaden bewahrt und überleben lässt. So deutlich wie damals ist mir nie bewusst geworden, dass Gott an allen Orten ist, auch an denen, die von keinem Menschen gesehen werden. Ich war so unendlich dankbar, dass ich mich an Gott klammern konnte.

Immer und immer wieder sagte ich mir den Liedvers vor: „Du bist mein Zufluchtsort, ich halte mich an dich, denn du schützt mich, Herr, wann immer mich Angst bedrückt, traue ich auf dich, ja ich trau auf dich.

Und ich sage, ich bin stark, in der Kraft meines Herrn.“ Dieses Lied war mein Fels in der Brandung, auf den ich mich flüchtete, wenn die Angst mir die Luft zum Atmen nehmen wollte.

Schließlich kam der Montag, und ich wurde zur Kenntnis genommen. Zunächst wurde festgestellt, dass ich keine Meningitis hatte. Ich wurde noch zwei

25

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 26

Wochen lang untersucht und dann entlassen, ohne je erfahren zu haben, was der Grund des Fiebers und der Kopfschmerzen gewesen war.

Zwei Dinge habe ich durch diese Erfahrung gelernt: Erstens, gehe niemals an einem Freitag ins Krankenhaus. Zweitens, auf Gott ist grenzenlos Verlass, auch und gerade dann, wenn Menschen versagen und die Umstände sehr schwierig sind. Er ist ein verlässlicher Ansprechpartner in Krisenzeiten, der seine Kinder nicht im Stich lässt. Selbst dann nicht, wenn sie sich die Suppe selbst eingebrockt haben, die sie auslöffeln.

5 Das Wunder der Alltäglichkeit Es war an einem ganz gewöhnlichen Abend mitten in einer anstrengenden Arbeitswoche. Ich hatte gerade den Abwasch erledigt (ich gehöre zu den äußerst bedauernswerten Menschen, die keine Spülmaschine besitzen) und schaute mich in meiner aufgeräumten Küche um: Genauso hatte doch die Küche heute morgen auch ausgesehen, ja es schien mir gerade so, als hätte es diesen Tag gar nicht gegeben, vielleicht gar nicht geben brauchen.

Was war an diesem Tag schon Bewegendes in meinem Leben passiert? Nichts, überhaupt nichts, es war ein sehr gewöhnlicher Alltag gewesen, ein grauer Alltag vielleicht sogar. Ich hatte heute nicht das große Los gezogen, niemand hatte angerufen, der Briefkasten war leergeblieben, ja, es war noch nicht einmal eine Karte darin. Wie gesagt, ein ganz gewöhnlicher Tag.

26

27

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 28

Plötzlich fiel mir ein Kalenderspruch ein, den ich kürzlich bei einer Freundin gelesen hatte: „Die Alltäglichkeit der Welt ist ein großes Wunder.“ Langsam dämmerte mir eine bislang neue Erkenntnis. Ich sah den Tag plötzlich in einem anderen Licht.

Was war doch heute nicht alles an Großartigem geschehen: Es begann schon damit, dass ich schmerzfrei aufstehen konnte. Wie viele Menschen müssen morgens im Bett liegen bleiben, bis eine Pflegerin oder ein Pfleger ihnen beim Aufstehen hilft. Sie können sich nicht einfach einen Kaffee kochen, wenn sie Lust dazu haben. Und ich stehe einfach so auf und gehe zur Arbeit.

Ja, richtig! Ich gehe zur Arbeit, einen Teil des Weges zumindest lege ich zu Fuß zurück. Wer schon einmal mit gesundheitlichen Einschränkungen der Beine leben musste, weiß dieses Ereignis des „Gehens“ zu schätzen. Auf dem Weg kann ich das Grün der Bäume sehen und das Gezwitscher der Vögel genießen, alles keine Selbstverständlichkeiten, wenn man nur einmal beginnt, darüber nachzudenken.

Im Büro geschahen dann viele „kleine“ Wunder.

Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie viele Gehirnzellen und Muskeln zusammenspielen müssen, damit wir z. B. Schreibarbeiten am Computer erledigen können? Mich fasziniert das immer wieder, wenn ich sehe, wie meine Finger automatisch die richtigen Tasten finden. Meistens, jedenfalls!

Um die Beschreibung des Tagesablaufes etwas abzukürzen: Ich bewältigte einen Arbeitstag, danach erledigte ich noch den Wocheneinkauf, schleppte Einkaufstaschen in die Küche, kochte und durfte mich satt essen. Toll! Neulich hörte ich einen sehr wahren Satz: „Zufriedenheit ist erlernbar.“ Nur ein ganz gewöhnlicher Tag? Ich denke nicht.

Grauer Alltag? Nein, es war ein Tag, an dem ich unzählige Dinge erlebte und tun konnte, die ich allein Gottes Güte und Gnade zu verdanken habe; dass ich

28

bis heute die Spur gehalten, bis heute durchgehalten habe, wenn es auch manchmal traurige Tage gab.

Gott sei Dank, dass er heute das Wunder der Alltagsbewältigung geschehen ließ, dass er meine Augen für die Zeichen seiner Gegenwart und Güte geöffnet hat.

29

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 30

6 Gespräch im Bügelzimmer Sie beobachtete jede meiner Bewegungen ganz genau.

Dabei reichte ihr Näschen gerade mal knapp einen Zentimeter über das Bügelbrett. Das erschwerte das Bügeln an diesem warmen Sommertag enorm, denn nun hatte ich nicht nur auf den Hemdkragen unter meinen Händen, sondern noch auf eine kleine Nase und zehn zarte Finger zu achten, die sich an den Rand des Bügelbretts klammerten.

Ich war zu Besuch bei einer Freundin und wollte ihr etwas Arbeit abnehmen. Ihre 3-jährige Tochter Kristin leistete mir dabei Gesellschaft und unterhielt mich. „Unsere Nachbarin ist gestorben und ist jetzt im Himmel“, eröffnete Kristin das Gespräch im Bügelzimmer. Bevor ich etwas sagen konnte, schob die Kleine auch schon eine Frage nach: „Sag mal, Rose, wie kommt man eigentlich in den Himmel?“ Ich war erstaunt über diese Frage, doch Kristin schaute mich

30

erwartungsvoll an und verlangte nach einer Antwort. „Nun, wenn du an Jesus glaubst, wirklich glaubst, dass er lebt, dann kommst du in den Himmel“, antwortete ich. „Und muss ich das dem Jesus auch sagen, dass ich an ihn glaube?“, forschte Kristin weiter. „Ja, das wäre schön, wenn du ihm das sagst“, entgegnete ich. „Also, dann komme ich in den Himmel, denn ich glaube an Jesus“, verkündete Kristin glücklich, um gleich eine zweite Frage loszuwerden: „Du, kann denn der Jesus auch reden?“ Ich hatte mir, ehrlich gesagt, das Bügeln etwas leichter vorgestellt. „Ja, Jesus kann auch reden“, erklärte ich, „nur kannst du ihn nicht so hören, wie du mich hörst. Du hörst ihn in dir drinnen, mit dem Herzen“, damit hoffte ich sehr, dieser wichtigen Frage gerecht geworden zu sein. Doch Kristins Wissensdrang war nun erschöpft und ihre nächste Frage lautete: „Spielst du jetzt mit mir Knete? Meine Mama hat’s erlaubt und ich will die rosarote Knete haben.“ Dieser Dialog mit Kristin über Ewigkeitsfragen ist noch lange in mir nachgeklungen. Wie logisch und einfach ist diese entscheidende Frage doch für ein Kind, eine Frage, der sich mancher Erwachsene ein Leben lang nicht stellt.

Ein Mann hat sie vor vielen Jahren dem Apostel Paulus gestellt und folgende Antwort bekommen: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden, du und dein Haus“ (Apostelgeschichte 16, Vers 31).

Und wir, die Menschen, die wir schon lange an Jesus glauben, kennen wir die Antwort wirklich, oder ist sie schon beinahe in Vergessenheit geraten?

Meinen wir nicht oft, die Gnade sei schon ein großzügiges Geschenk, das wir zu schätzen wissen, aber man lässt sich doch nichts schenken, oder? Wir zeigen uns ein wenig erkenntlich, indem wir regelmäßig die Gebetsstunde besuchen, die Nachbarn zum Gottesdienst einladen, die Kinder einer Bekannten beaufsichtigen, den Gemeindekaffee finanzieren, etc. Nichts

31

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 32

von alledem ist schlecht, im Gegenteil, supertoll, nur das Motiv ist nicht das Beste. Tu ich all diese Dinge nur, um Jesus einen Gefallen zu tun, um meine Punktzahl im Himmel zu erhöhen? Habe ich ein schlechtes Gewissen und möchte ich Jesus zeigen, dass ich es wirklich ernst meine?

Doch Jesus steht einfach da mit offenen Armen und sagt zu uns: „Komm her, mein Kind, ich will nicht dein schlechtes Gewissen, ich will nicht deine Leistung und auch nicht dein Geld, ich möchte einfach nur deine Liebe. Denn ich habe alles für dich getan.“ Gnade. Es ist einfach Gnade, dass ich an ihn glauben kann und er mich liebt. Und wenn ich das kapiert habe, dann wachsen aus der Dankbarkeit und Liebe heraus die Dinge, die ich vorher vielleicht aus falschen Motiven getan habe.

Ich wünsche es uns, dass wir alle mit solch leuchtenden, großen Augen wie Kristin sagen können: „Ich komme in den Himmel, weil ich an Jesus glaube.“

7 Nur ein paar Tassen Kaffee? „Achtung!“, schrie der Handwerker auf dem Gerüst über mir, doch es war zu spät. Das Flacheisen, das ihm beim Anziehen einer Schraube aus der Hand gerutscht war, schoss durch die Luft und knallte auf meinen Kopf.

Der Arzt, den ich später wegen starker Kopfschmerzen aufsuchte, war entsetzt. Er meinte, wenn mich das Werkzeug nur wenige Zentimeter weiter vorne am Kopf getroffen hätte, wäre ich mit großer Wahrscheinlichkeit tot gewesen. Zum Glück, oder besser, Gott sei Dank, hatte der Unfall, von einer großen Beule und Kopfschmerzen abgesehen, keinen Schaden angerichtet.

Nur vorsichtshalber sollte ich ein paar Tage liegen, meinte der Arzt, was ich der Schmerzen wegen auch gehorsam tat.

Dieser kleine Unfall hatte mich zum Nachdenken angeregt und ich grübelte wieder einmal über das Leben nach.

32

33

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 34

In seinem Artikel „Der Geliebte Gottes sein“ (aus „Aufatmen“, Sommer 1997) schrieb Henri J. M. Nouwen: „Ziemlich am Ende seines Lebens fragte Jesus Petrus: ,Petrus, Sohn des Johannes, liebst du mich?‘ Und plötzlich sehen wir, dass Gott, der für alle Ewigkeit gesagt hat: ,Ich liebe dich mit unendlicher Liebe‘, Sie und mich fragt: ,Liebst du mich auch?‘ Das ist der Sinn des Lebens, darum geht es: Eine kurze Gelegenheit für uns, ja zu dieser Liebe zu sagen.“ Ich hatte bereits im Alter von 10 Jahren „Ja“ zu Gott und seiner Liebe gesagt, als ich ihn bat, in mein Leben zu kommen. Damals bin ich sein Kind geworden – so, wie Gott selbst es uns in der Bibel verspricht, nämlich im Johannesevangelium Kapitel 1, Verse 12 und 13: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben; die nicht aus Geblüt, auch nicht aus dem Willen des Fleisches, auch nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ Trotzdem zweifelte ich jetzt, ca. 19 Jahre später, an dem Sinn und Wert meines Lebens. Ich hatte nämlich die ärztliche Ruheverordnung dazu genutzt, über den Wert meines Lebens nachzudenken und bin dabei zu dem Schluss gekommen, dass mein Leben nicht besonders wichtig ist, da ich für niemanden die Nummer Eins bin. Unbewusst hatte ich im Laufe der Zeit den Sinn des Lebens daran festgemacht, wie wichtig ich für Freunde bin (Eltern „müssen“ ihre Kinder von „berufswegen“ ja lieben, deshalb habe ich die Eltern in dieser Frage einmal ausgeschlossen). Und jetzt war mir klar geworden, dass die Welt meiner Freunde (Gott sei Dank!) nicht zusammenbrechen würde, wenn ich nicht mehr da wäre. Dafür ist beinahe meine Welt zusammengebrochen, als ich erkannte,

34

dass mein Leben nicht deshalb wertvoll ist, weil ich von Menschen geliebt werde.

Ich hatte immer geglaubt, das Leben von Müttern wäre wertvoller als das Leben von Alleinstehenden, weil Mütter unbedingt gebraucht werden. Dieser kleine Unfall hat mir gezeigt, dass ich den Wert meines Lebens an falschen Idealen festgemacht hatte. Und jetzt, in der Krise, fiel meine bescheidene Philosophie wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Und doch hatte es sein Gutes: Ich wurde erneut daran erinnert, dass ich von Gott unendlich geliebt bin. Das zählt! Ich bin wertvoll, weil Gott mich gewollt hat, sonst wäre ich gar nicht geboren worden. Und dann hat Gott noch seinen Sohn Jesus für mich (und natürlich für alle Menschen) in die Welt geschickt, damit sein Tod uns Leben bringen kann. Diese beiden Tatsachen geben meinem Leben den Wert, auch wenn ich nicht der absolute Mittelpunkt im Leben eines Menschen bin, auch wenn ich nicht im Rampenlicht stehe, auch wenn ich selbst mich für entbehrlich halte. Nebenbei bemerkt: Muss ich eigentlich unbedingt der Mittelpunkt sein?

Damit möchte ich die zwischenmenschliche Liebe nicht schmälern, nur die Prioritäten ein wenig zurechtrücken. In Jesus wurde Gottes Liebe zu uns sichtbar, und ich denke, dass Gott sich wünscht, dass seine Liebe durch uns sichtbar wird. Manchmal brauchen wir einfach ab und zu ein sichtbares Zeichen der Liebe: einen Anruf, der uns zeigt, dass wir vermisst wurden; eine Freundin, die uns zum Kaffee einlädt, oder einfach jemanden, der uns sagt, wie gern er uns hat.

Wenn wir niemanden haben, der uns Gutes tut, sollten wir selbst damit anfangen, die Liebe an andere, vielleicht ebenso „unbedeutende, sich ungeliebt fühlende Menschen“ weiterzugeben. Warum machen wir nicht den Anfang?

Ich war froh, dass meine Maßstäbe durch diesen kleinen Unfall und andere Erlebnisse wieder geordnet

35

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 36

und neu an Gott ausgerichtet wurden. Trotzdem blieb oft ein Gefühl der Leere zurück, ein Suchen nach „der“ Perspektive für mein Leben. Viele Jahre habe ich darauf gewartet, „meine persönliche Lebensaufgabe“ zu erkennen. Der Berufsalltag, die Aufgaben in der Freizeit, ein paar Zeilen an Freunde schreiben – kurz: normaler Alltag eben, das kann doch keine Lebensaufgabe sein – oder? Ich dachte bei diesem Wort „Lebensaufgabe“ an etwas Großes, etwas Ungewöhnliches und Unvergängliches, etwas Herausragendes.

Bis ich von einer Missionarin las, die als Missionskrankenschwester nach Afrika reiste, um dort ihre „Lebensaufgabe“ als Krankenschwester zu verwirklichen. Doch es kam alles ganz anders als geplant. Ihre Kinder waren ständig krank, so dass sie erst gar nicht dazu kam, ihren Dienst im Krankenhaus anzutreten.

Sie war vollauf damit beschäftigt, sich um ihre kranken Kinder zu kümmern und die vielen Nachbarskinder, die ständig zu Besuch waren, mit Getränken zu versorgen. Über diese Situation war die Missionarin sehr unglücklich, und eines Tages fragte sie Gott, ob er keine wichtigeren Aufgabe für sie hätte, als die Kinder zu versorgen.

Als ich diesen Bericht gelesen hatte, kam ich mir vor, als ob mir jemand einen Spiegel vorgehalten hätte.

Meine Worte! War ich nicht zu Größerem berufen, als hin und wieder Gäste zu haben, ihnen zuzuhören, ein Essen zu servieren oder einfach nur Kaffee zu kochen? Zu erkennen, dass da jemand alleine und traurig ist, ein gutes Wort nötig hat, dass da jemand auf einen Besuch oder eine Einladung wartet – ist das zu gewöhnlich, um wichtig zu sein? Ich merkte auf einmal, dass ich die ganzen Jahre über, in denen ich nach einer Perspektive suchte, die Dinge tat, die ich als meine Aufgabe ansah, ohne zu erkennen, dass auch diese „kleinen Dinge“ eine Lebensaufgabe sein können. Ich hatte jahrelang nach dem gesucht, was ich längst schon hatte! So entschied auch ich mich, meine

36

Träume vom „Großen“ zu den Akten zu legen, um hier und heute das zu tun, was Gott mir zeigt – wenn das keine Perspektive ist!

In unserer hektischen und oft auch gedankenlosen Zeit, in der jeder nur sein eigenes kleines Glück sucht und den Anderen neben sich nicht mehr sieht – was könnte es da Größeres geben, als Menschen Zeit und Liebe zu schenken, ihnen zuzuhören und viele Tassen Kaffee zu kochen, um Liebe sichtbar werden zu lassen?

37

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 38

8 Geschaffen für den Himmel!

Es war eine sehr bewegende Reportage. Eindrücklich wurde das Schicksal einer schwerst pflegebedürftigen Frau gezeigt, die ihren Tod vorbereitete.

Sie sah in ihrem Leben, das sie ausschließlich im Bett verbringen musste, keinen Sinn mehr. Sie empfand sich als Belastung für die Familie ihres Bruders, von der sie liebevoll gepflegt wurde. So hatte sich die Frau intensiv mit dem Thema der aktiven Sterbehilfe beschäftigt und nach reichlicher Überlegung beschlossen, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

Diesen Todeswunsch diskutierte sie mit der Familie, die über diesen Gedanken entsetzt war und ihr bestes tat, die Frau zum Leben zu überreden. Doch sie ließ sich nicht umstimmen, ihr Entschluss stand fest.

So kam es, dass sie sich einige Monate später in die Schweiz fahren ließ, um dort mit Hilfe eines Sterbehelfers, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

38

Mich beschäftigte dieser Bericht noch einige Tage nach der Sendung. „Was würde ich in dieser Situation tun?“, fragte ich mich und: „Ab wann ist ein Leben sinnlos?“ Für mich stand fest, mit Gott ist jedes Leben sinnvoll, egal wie viel oder wie wenig ein Mensch noch tun kann.

Ich war sehr berührt, als vergangenen Sonntag die Predigt genau die Antwort gab, die ich noch suchte, obwohl ich mit niemandem über diese Reportage und meine Gedanken gesprochen hatte. Das Predigtthema war der Schöpfungsbericht aus 1. Mose 1, einschließlich der Frage, wozu Gott den Menschen geschaffen hat. Wir erfuhren, dass Gott, der sehr wohl ohne Menschen leben konnte, die Menschen schuf, weil er gerne Gemeinschaft mit ihnen haben wollte. Gott sehnte sich nach der Gegenwart und dem Gespräch mit seinen Geschöpfen. Das können wir in dem Bericht lesen, der erzählt, wie Gott durch den Garten Eden ging um die Menschen zu besuchen und mit ihnen zu reden. Die Sonntagspredigt schloss mit den Worten: „Unser Lebenssinn besteht darin, Gemeinschaft mit Gott zu haben und ihn anzubeten.“ Und das – nämlich die Gemeinschaft mit Gott pflegen, mit ihm reden, ihm für sein Dasein danken – kann man in jeder Lebenssituation. Auch wenn man „nur“ noch im Bett liegen kann, hat man seinen Lebenszweck noch lange nicht verfehlt, wenn man das Gespräch mit Gott sucht.

Mich hat diese Predigt sehr getröstet und mir erneut die Güte und Liebe Gottes vor Augen geführt („... denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen“, Römer 5, Vers 5b). Er legt unseren Lebenssinn in die Gemeinschaft mit ihm, und die ist unabhängig von unserer Gesundheit, unserem Aufenthaltsort, Alter, Ansehen oder unserer Bildung. Durch Jesus hat Gott uns den Zutritt zu sich ermöglicht – für jeden, der

39

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 40

glaubt und ihm vertraut. Wir sind für den Himmel geschaffen, nicht für Verzweiflung und Tod! „Du, Gott, hast mich herausgeholt aus undurchdringlicher Finsternis.

Gewaltsam wollte ich meine Last abwerfen, du aber halfst mir, sie mit anderen Augen zu sehen, in ihr das Geheimnis deines Weges mit mir zu ahnen.

Du bist bei mir. Das ist genug für mich.“

9

(entnommen: Losungen 2003, 26.01)

Ostersonntag Ostersonntag 1985. Ich fror und grub mich tiefer in meine Bettdecke ein. Es war kein schöner Sonntagmorgen für mich, ich lag zitternd und heimwehkrank in meinem Londoner Dachzimmer und wünschte mich weit weg nach Hause in den Schwarzwald. Das Leben eines Au-Pair Mädchens war – genauer betrachtet – nicht so rosig, wie ich es mir aus der Ferne vorgestellt hatte. Ich kam mit den zwei Kindern nicht gut klar, sie waren ziemlich verzogen und tanzten mir auf der Nase herum. Zumindest der Ältere der beiden, James, 5 Lenze alt.

Es pochte kurz an der Tür, Sekunden darauf flog selbige auf und herein stürmte James, mit lauten Jubelschreien. Er stürzte zu meinem Bett und zog die Decke weg: „Aufstehen! Es ist Sonntag und schönes Wetter“, brüllte er in mein Ohr. Von wegen! Heute war mein freier Tag, der kalt, langweilig und einsam vor

40

41

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 42

mir lag. Nichts würde mich die nächste Stunde aus dem Bett herausbewegen können. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie James etwas auf meinem Nachttisch abstellte und sich dann an den schweren Vorhängen zu schaffen machte. Diese dicken Vorhänge waren auch wirklich nötig, denn aus mir unbegreiflichen, bautechnischen Gründen, schlossen die Fenster nicht richtig, und die Londoner Kaltluft konnte ungehindert ins Zimmer strömen.

Jedenfalls schlüpfte James hinter den Vorhang und stieß einen weiteren Jubelschrei aus: „Wow, die Sonne scheint, wir haben wunderbares Wetter. Zeit für dich aufzustehen und mir mein Frühstück zu machen.“ Aha, daher bläst der Wind. Dieses Bürschchen würde mich nicht dazu kriegen, auf seine Tricks hereinzufallen, dachte ich. Dann fiel mein Blick auf das riesige orangefarbene Schokoladenei, das auf meinem Nachttisch lag. Mir wurde plötzlich ein wenig wärmer, ich liebe Schokolade! Und überhaupt, dass sie an mich gedacht haben, ist doch irgendwie lieb, musste ich denken.

James stand jetzt wieder neben meinem Bett und fuchtelte mit schokoladenbraunen Händen vor meinem Gesicht herum: „Komm schon, Rose. Es ist ein herrlicher Tag und ich habe Hunger, bitte!“ Na ja, mein Herz ist schließlich nicht aus Stein, gegen einen Tee hatte ich eigentlich auch nichts einzuwenden, ich könnte ja vielleicht doch aufstehen, überlegte ich. Ich schälte mich aus meinen verschiedenen Lagen Zudecken heraus, lief zum Fenster und riss die Vorhänge zurück. Sofort traf mich ein kalter Windstoß, es regnete in Strömen und ein grauer Schleier lag über der Stadt. „Ha, ha, hereingefallen“, triumphierte James hinter mir.

Ich versuchte, ihn mir zu greifen, und verfolgte ihn bis in die Küche. Dort kochte ich Porridge mit Honig für James, Tee für mich und sann über das Leben nach. Ich war nicht mehr so traurig wie nach dem

42

Aufwachen, die Vorfreude auf einen Sonnentag hatte mein Herz erwärmt, die Freude an der Schokolade das Ihrige getan und die plötzliche Ernüchterung angesichts der feuchten Tatsachen konnte mich nicht mehr umstimmen. Die Osterfreude war plötzlich durchgebrochen. „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Diese Botschaft galt auch in dem grauen London, auch für ein heimwehkrankes Au-Pair-Mädchen – für mich! Heute, jetzt, für immer!

Die unbeschreibliche Größe dieser Tatsache, Christus hier bei mir, überragte den Regen, das Heimweh, die Verzweiflung. Nicht nur an Ostern – auch hier und heute, wo immer wir sind.

43

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 44

10 Löwenmut Mein Lieblingstier ist der Löwe. Er ist ein so kraftvolles, energiegeladenes und unerschrockenes Tier, dass ich mich einfach für ihn begeistern muss. Majestätisch schreitet er über die Steppe und blickt seinen Feinden mutig in die Augen. Wenn er Hunger hat, macht er mit kleineren Tieren nicht viel Federlesen, er frisst sie mit Haut und Haar.

Vielleicht fasziniert mich der Löwe deshalb so, weil mir die meisten seiner Attribute, die ich so bewundere, weitgehend fehlen. Das war nicht immer so. Doch im Laufe meiner MS-Erkrankung wurde meine Kraft kleiner, die Energie weniger und die Ängste nahmen zu.

Jetzt kann mich schon eine leichte Spastik im Bein erschrecken, weil ich befürchte, es könnte der Vorbote eines Schubes (neue Krankheitsaktivität) sein.

Da ich schon seit mehr als 8 Jahren mit Multiple Sklerose lebe, habe ich einige Übung darin. Trotzdem

44

falle ich ab und zu auf die Nase. Das passiert meistens dann, wenn ich meine Kräfte überschätze und mir mehr zumute, als gut für mich ist. Erst kürzlich habe ich so eine Erfahrung gemacht, an der ich Sie teilhaben lassen möchte.

Von der Gemeinde aus starteten wir eine missionarische Aktion, an der ich mich beteiligte. Das bedeutete für mich, an drei aufeinander folgenden Tagen für je zwei Stunden von Haus zu Haus zu gehen und jedem Haushalt ein kostenloses Video des Jesus-Filmes anzubieten. Mir war klar, dass diese Aktion meine Energie für die gesamte Woche aufbrauchen würde.

Trotzdem hatte ich es nicht geschafft, an den restlichen Tagen kürzer zu treten, weil ich dachte, noch sämtliche anstehenden Arbeiten in meinem Haushalt erledigen zu müssen. Das war dann letztendlich zu viel gewesen. Es folgte eine vorübergehende Verschlechterung der MS-Symptomatik.

Ich wär nun mal so gerne eine Löwin, ungeheuer stark und durch nichts platt zu kriegen. Manchmal bilde ich mir ein, tatsächlich die Kräfte einer Löwin zu besitzen und versuche entsprechend zu leben. Und dann muss ich für diesen Irrtum bezahlen. Spätestens dann sehe ich ein, dass ich eben keine Löwin, sondern eine Gazelle (Wortwahl meiner Mutter!) bin. Diese Einsicht, die mich aus den Träumen zur Wirklichkeit zurückbeordert, erfordert Demut, vielleicht fällt sie mir deshalb so schwer. Sich selbst einzugestehen, dass man nicht die Person ist, die man gerne wäre, gelingt sicher nicht beim ersten Anlauf. Ich übe noch.

Aber ich bin sicher, dass es sich lohnt! Schreibt doch David in Psalm 139, Vers 14: „Ich preise dich darüber, dass ich auf eine erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin.“ Wenn Gott mich so gewollt hat, wie ich bin, warum sollte ich dann jemand anders sein wollen?

Eine der für mich wichtigsten Lektionen, die ich in Bezug auf meine Krankheit gelernt habe bzw. täglich

45

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 46

neu lerne, ist, dass Gott an meiner ehrlichen Liebe zu ihm mehr Freude hat als an meinen „Werken“ für ihn und er mich auch an den Tagen liebt, an denen ich so gar nichts tun kann. Dass bei Gott das Sein mehr zählt als das Tun, ist für mich eine große Entlastung.

Gott hat mich mit Zufriedenheit, Frieden und Freude beschenkt, die ich in gesunden Tagen nie gekannt habe. Damals fragte ich mich immer, ob der Bibelvers aus Psalm 16, Vers 11: „Du wirst mir kundtun den Weg des Lebens; Fülle von Freuden ist vor deinem Angesicht, Lieblichkeiten in deiner Rechten immerdar“, schon für die Erdenzeit zutrifft, da ich damals in meinem Leben noch nichts von diesem Versprechen bemerkt hatte. Ich bin jetzt so froh, dass Gott diesen Vers in meinem Leben Wirklichkeit werden ließ.

Neulich ging mir während meiner persönlichen Andachtszeit mit der Bibel auf, dass ich auch als „Gazelle“ einen Löwenmut haben kann. Ich las den Abschnitt in Lukas 13, Verse 31-33. Darin wird beschrieben, wie Jesus von den Pharisäern gewarnt wurde, die Gegend zu verlassen, da Herodes ihn umbringen lassen wollte. Jesus ließ Herodes ausrichten, dass er nicht fliehen würde, sondern seine Aufgaben fortzusetzen gedenke. Jesus wusste, dass er erst in Jerusalem sterben würde.

Für mich bedeutete dieser Text an jenem Morgen, als mir Symptome meiner MS zu schaffen machten, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, weil es so kommen würde, wie Gott es schon seit langer Zeit geplant hatte. Mein Leben verläuft nach seinem Plan, meine Gesundheit liegt in seinen guten Händen und ich bin nicht ein Spielball der Multiplen Sklerose.

Diese Gewissheit hat mir an jenem Morgen ungeheuren Mut gegeben: Löwenmut.

Dass bei allem Mut zwischendurch doch wieder Ängste aufflackern können, finde ich nur allzu normal. Bodie Thoene schrieb in ihren Zionchroniken einen bemerkenswerten Satz zu diesem Thema, der

46

mir sehr viel zu sagen hat: „Tapfer (,Mut zu haben‘ Anm. d. A.) zu sein heißt nicht unbedingt, dass man nie Angst hat. Vielleicht verhält es sich mit der Tapferkeit so ähnlich wie mit dem Wissen um Gut und Böse, das man auch dann noch hat, wenn man müde ist oder Angst hat. So stelle ich es mir auch mit der Angst und der Tapferkeit vor: Tapferkeit bedeutet, dass man weitermacht ...“ In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und mir den Mut eines Löwen.

47

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 48

11 Nachgedacht Neulich musste ich mit Bedauern feststellen, dass mein Auto (es war nicht mein jetziger wunderbarer Opel!) einen ganz miesen Charakter hat. Es gehört nämlich zu jener Sorte Objekten, die ihr Mäntelchen in den Wind hängen.

Auf der Fahrt zum Gottesdienst kamen aus Richtung Motorhaube ganz entsetzlich hohe Pfeifgeräusche. Zuerst dachte ich, es läge an meinen Ohren, doch Barbara, meine sonntägliche Mitfahrerin, hörte es auch. Sie diagnostizierte schnell und unkompliziert ein Keilriemenproblem. Ich stimmte ihr zu, denn schließlich ist der Keilriemen das einzige technische Teil, das ich außer dem Motor noch kenne.

Jedenfalls habe ich das Auto dann am Montagmorgen in die Werkstatt gebracht. Abends rief mich der Mechaniker an und fragte, was meinem Auto

48

eigentlich fehle, er könne nichts Schadhaftes feststellen. Ich erklärte ihm geduldig das Problem.

Dienstags rief er wieder an, es sein kein Pfeifen zu hören. Also wanderte ich zur Werkstatt und überzeugte mich selbst: Mein Auto gab außer einem schönen, gleichmäßigen Motorgeräusch nichts von sich. Ich traute dem Frieden nicht, aber was blieb mir anderes übrig, als mein hinterhältiges Auto wieder mitzunehmen?

Anlässlich des Geburtstages meiner Mutter machte ich mich donnerstags auf den Weg in den Schwarzwald. Und genau bei Karlsruhe fing mein Auto wieder an, in den höchsten Tönen zu pfeifen.

Nicht, dass mich das verwundert hätte, aber es war trotzdem sehr unangenehm. Zuerst versuchte ich das Geräusch mit Musik zu übertönen, leider unmöglich. Dann versuchte ich es mit einem Gebet.

Wirkte nur vorübergehend. Dann fing ich an, an allen möglichen Knöpfen herumzudrehen. Bei Offenburg stellte ich fest, dass das Pfeifen aufhörte, wenn ich die Heizung ausschaltete. Bei Hausach merkte ich, dass die Heizung auch in Nullstellung arbeitete. Ich schwor mir, nie mehr mit diesem Auto zu fahren. Im Schwarzwald angekommen, versuchte ich meinen Vater nach allen Regeln der Kunst zu einem Autotausch zu bewegen. Doch beim Auto hörte die väterliche Liebe auf. Auch meine beiden Brüder, die ich danach bearbeitete, blieben unerbittlich.

Irgendwann kam mir der Gedanke, dass zwischen meinem Auto und mir eigentlich gar kein so großer Unterschied besteht. Weiß ich nicht auch ganz genau, welche Töne ich in welchem Umfeld von mir geben muss? Gibt es nicht Themen, die ich in der Gemeinde nie anschneiden würde, aber problemlos im Kollegenkreis zur Sprache bringe? Auch habe ich mittlerweile gelernt, die sonderbare Prioritätenliste meiner Lieblingskollegin widerspruchslos zu akzep-

49

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 50

tieren, um des lieben Friedens willen. Oder wage ich es noch, meinem Arzt zu widersprechen, von dem ich – in manchen Aspekten – abhängig bin?

Wer bin ich, dass ich mich über mein Auto erhebe? Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, daran zu arbeiten, dass die Unterschiede zwischen meinem Auto und mir wieder größer werden!

12 Vorurteile Ich stand in der gleißenden Mittagssonne auf dem mit Zigarettenstummeln übersäten Bahnsteig in Viladecans, einer Kleinstadt unweit Barcelona. Ich wartete auf den Zug mit dem ich wie jeden Tag nach Barcelona fahren wollte. Dort besuchte ich an der Uni einen Hispanistikkurs für Ausländer.

Der Zug hatte wieder einmal Verspätung, auch das wie fast jeden Tag. Fahrpläne dienen in Spanien in ländlichen Gegenden nur als ungefährer Anhaltspunkt. Das hatte ich mittlerweile schon gelernt. Auch, dass es den Spaniern nicht das Geringste auszumachen schien, jeden Tag mindestens 15 Minuten auf den Zug zu warten. Verspätungen waren einfach ein ganz normaler Bestandteil des Lebens, den sie klaglos hinnahmen. Endlich, nachdem die junge Frau neben mir gerade ihre fünfte Zigarette fertiggeraucht hatte, kam der Zug.

50

51

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 52

Ich stieg hinter der jungen Spanierin ein, die ungefähr in meinem Alter zu sein schien, und setzte mich neben sie. Mittlerweile hatte ich mich an den halsbrecherischen Fahrstil der Zugführer gewöhnt und betete nicht bei jeder Fahrt ums Überleben. Eine Weile schauten wir verlegen aneinander vorbei, dann begann eine von uns das Gespräch. Ich weiß heute nicht mehr, wer sie war. Jedenfalls erfuhr ich, dass sie täglich nach Barcelona zur Arbeit fuhr und in irgendeinem Geschäft als Verkäuferin arbeitete. Sie merkte, dass ich Ausländerin war, und erkundigte sich nach dem Woher und Wohin. Ich sagte ihr, dass ich aus Deutschland komme. Sie glaubte es nicht und dachte, ich hätte einen Scherz gemacht. „Jetzt aber mal ernsthaft, woher kommst du?“, insistierte sie. Ich wiederholte noch ein paar Mal, dass ich Deutsche bin. Dann klärte mich Paquita auf, ihren Namen hatte ich zwischenzeitlich auch erfahren. „Du kannst keine Deutsche sein, denn die Deutschen sind alle blond und hübsch.“ Zum Glück fuhr der Zug kurz darauf in Barcelona ein und ich konnte mich von dieser unhöflichen Person trennen. Natürlich habe ich nie wieder mit ihr gesprochen, denn auch Ausländer haben ihren Stolz!

Selbstverständlich wusste ich, dass ich ein paar Kilos zu viel auf den Hüften hatte, aber dafür konnte ich nichts. Daran war die Hausfrau schuld, in deren Familie ich wohnte. Denn sie kochte nie vor 22.30 Uhr das Abendessen, meist ein Pastagericht mit reichlich fettiger Käsesoße oder gebratene Hühnerteile. Außerdem hatte ich schreckliches Heimweh und musste schon deshalb viel mehr essen als in Deutschland.

Aber mich deshalb gleich als „nicht hübsch“ einzustufen, fand ich dann doch etwas übertrieben.

Trotzdem fand ich es schwer zu verstehen, dass eine so junge und intelligent aussehende Frau wie Paquita noch an dem Vorurteil festhielt, die Deutschen seien alle blond.

52

Ich habe mich noch oft im Leben über die Vorurteile gewundert, die Menschen in allen Ländern pflegen.

Doch seit mir klar wurde, dass auch ich nicht frei von Vorurteilen und vorschnellen Be- und Verurteilungen meiner Mitmenschen bin, versuche ich, mich zu bessern. Wie schön wäre es doch, wenn es uns gelänge unseren Nächsten zuerst mit den Augen der Liebe zu sehen, bevor wir ihn in die berühmte „Schublade“ stecken.

53

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 54

13 Vom Keller, von Sorgen und der Gnade Gottes Erfolgreich hatte ich die Aktion „Keller aufräumen“ zwei Jahre vor mir hergeschoben. Letzte Woche war der Tag gekommen, an dem ich es nicht länger hinausschieben konnte, und so hatte ich mich an die ungeliebte Arbeit gemacht. Zum Glück, denn ich machte eine großartige Entdeckung: Ich fand ein WeihnachtsService, wie ich es mir die ganzen letzten Jahre schon gewünscht hatte und dabei hatte ich keine Ahnung, dass es sich bereits in meinem eigenem Keller befand!

Als ich meiner Mutter begeistert davon erzählte, sagte sie mir, dass sie mir dieses Service doch vor zwei Jahren geschenkt habe, da sie wusste, wie sehr es mein Wunsch gewesen wäre. Irgendwie hat es dann jahreszeitlich nicht in die Wohnung gepasst und ich stellte es „vorübergehend“ in den Keller, wo es dann geblieben war – bis letzte Woche eben. (Hier möchte ich hinzufügen, dass es nicht meine Gewohnheit ist, Geschenke in

54

den Keller zu verfrachten und dort zu vergessen.)

Für mich war diese Sache mehr als ein „Schmunzelerlebnis“. Ich musste plötzlich an Gott und meine Wünsche denken und fragte mich, ob ich nicht vielleicht Gott um Dinge bitte, die ich schon längst besitze und einfach nur vergessen habe, dass sie bereits da sind. Ich musste an die vielen wunderbaren Verheißungen denken, die er uns in der Bibel gegeben hat.

Zum Beispiel die bekannte Stelle Matthäus 6 Vers 25, wo Jesus uns sagt: „Seid nicht besorgt für euer Leben, was ihr essen und was ihr trinken sollt, noch für euren Leib, was ihr anziehen sollt! Ist nicht das Leben mehr als die Speise und der Leib mehr als die Kleidung?“ Wenn es um das Sorgen machen geht, gehöre ich zu den Top 10 der Weltrangliste. Das wird mir fast jedes Mal bewusst, wenn ich ein neugeborenes Baby sehe.

Mein erster Gedanke nach „ach wie süß“ ist nämlich: Was hat es dieses Baby gut, es muss sich überhaupt keine Sorgenmachen, es kann sich einfach darauf verlassen, dass seine Mutter sich um all seine Bedürfnisse kümmert.

Kann ich das eigentlich nicht? Mich darauf verlassen, dass Gott für mich sorgt, wo er es doch in seinem Wort versprochen hat? Und nicht nur einmal, er hat es so oft gesagt!

Natürlich gibt es viele Dinge, um die wir uns als Erwachsene kümmern müssen: Einkaufen zum Beispiel, sonst bleibt der Kühlschrank nämlich leer, kochen, putzen, Termine vereinbaren und wahrnehmen, Post erledigen, etc. Sicher hat jeder eine längere Liste von Dingen, die er zu erledigen hat, als ihm Zeit zur Verfügung steht. So ist es leider, aber müssen wir uns deshalb auch noch zusätzlich Sorgen machen, wo doch unser himmlischer Vater für uns sorgt?

Manchmal verläuft das Leben nicht nach unseren Vorstellungen. Und auch in manch anderer Hinsicht ist unser Leben nicht mehr ganz so einfach wie das eines

55

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 56

Babys, aber wir haben denselben Gott, der sich mit derselben Liebe um uns kümmert.

Neulich las ich in 2. Mose 34, Vers 6: „Und der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Jahwe, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue.“ Ist das nicht ein wunderbares Versprechen, das uns Gott da gibt? Viel zu schade, um es im „Keller“ verstauben zu lassen. Wenn wir Gott gehören, haben wir alles, was wir zum Leben brauchen.

Aber oft übernehmen wir die Vorgaben der Leistungsgesellschaft für unser Leben – und scheitern kläglich. Wir sind nicht so schön, so effizient, so perfekt, wie wir sein sollten. Wir haben übervolle Tagespläne und sind abends deprimiert, wenn wir feststellen, dass wir nicht alles geschafft haben, obwohl wir selbst völlig geschafft sind! Dann überkommt einen schnell ein schlechtes Gewissen und man fühlt sich minderwertig.

Gefährlich wird es, wenn man die Maßstäbe der Leistungsgesellschaft auf das Leben mit Gott überträgt und meint, Gott mit vielen guten Taten zufrieden stellen zu müssen. Überprüfen wir doch, ob die Punkte auf unserer Arbeitsliste von Gott stammen, oder ob sie vielleicht aus ehrgeizigen Motiven oder Zwängen auf der Liste gelandet sind. Gott überfordert uns nicht, oft überfordern wir uns selbst, um Menschen zu gefallen.

Ich glaube auch, dass Gott an unserer Liebe zu ihm mehr Gefallen findet, als an unseren Werken für ihn.

Und ich finde es so großartig, dass er uns trotzdem liebt, trotz unseres oft so „unproduktiven“ Lebens. Es ist wunderbar, dass es wenigstens einen gibt, bei dem es nicht auf Leistung ankommt. Einen, der uns vielleicht so noch mehr liebt, als wenn wir nur mit „tun“ beschäftigt wären. In Jakobus 2, Vers 5 steht: „Hört, meine geliebten Brüder: Hat nicht Gott die vor der Welt Armen auserwählt, reich im Glauben und Erben

56

des Reiches zu sein, das er denen verheißen hat, die ihn lieben?“ Wir kommen in den Himmel, weil wir Gott lieben und nicht, weil wir so viel für ihn tun. Aus dieser Liebe heraus wachsen die Werke dann auf natürliche Weise und Gott gibt uns den Blick für die Dinge, die er von uns erledigt haben möchte. Aber die Reihenfolge ist wichtig: Gott hat uns zuerst geliebt, und zwar bedingungslos.

Manchmal sind die Aufträge, die wir von Gott erhalten, klein und in unseren Augen bedeutungslos im Vergleich zu dem, was andere Menschen vollbringen.

Doch Gott kehrt die Maßstäbe der Gesellschaft um, und kleine Dinge sind vor ihm groß.

Nebenbei bemerkt: Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt „Bedeutungsloses“ im Leben gibt. Gehört nicht alles irgendwie dazu und ist wichtig? Auch wenn ich schon wieder die Wäsche meiner Lieben wasche oder andere unbeliebte, sich ständig wiederholende Arbeiten erledige. Oder Ärger und Streit – reinigen diese nicht oft die Luft? Vielleicht gehört das ja alles – für uns unsichtbar – zu dem großen Ganzen dazu und wir sollten es einfach annehmen.

Alle Mitchristen, die sich im Alltagsgetriebe und in Sorgen verloren haben, denen Gottes Versprechen vielleicht in den „Keller der Vergessenheit“ geraten sind, möchte ich Gottes Zusage vor Augen halten: „Nie mehr werde ich zornig auf dich sein und nie mehr dir drohen! Berge mögen von ihrer Stelle weichen und Hügel wanken, aber meine Liebe zu dir kann durch nichts erschüttert werden, und meine Friedenszusage wird niemals hinfällig. Das sage ich, der Herr, der dich liebt“ Jesaja 54, Vers 10 (Gute Nachricht Bibel, 1997).

Atmen Sie auf und lassen Sie sich ganz in Gottes Gnade fallen. Er ist größer, als Sie ahnen!

57

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 58

14 Geburtstagsblues Es war wieder einmal mein Geburtstag und so sehr ich ihn auch fürchte, passiert er mir doch immer wieder regelmäßig einmal im Jahr!

Viele Jahre versuchte ich, meinen Geburtstag zu verdrängen, indem ich überhaupt nicht daran dachte, bis er dann wirklich da war. Dann fiel ich in ein tiefes Loch, weil ich ja so völlig unvorbereitet war. Es gab keine Feier, keinen Kuchen, kein tolles Essen – dafür jede Menge Anrufe mit der Frage, wie ich denn meinen Ehrentag begehen würde. Echt super!

Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, warum ich meinen Geburtstag nicht mag. Vielleicht weil das so ein Tag ist, an dem man (bzw. frau) Bilanz zieht und das bislang Erreichte neben der Anzahl der vergangenen Jahre aufschichtet. Bloß, dass es da nicht so viel zu schichten gab, wie ich mir das in holden Jugendjahren erträumt hatte. Dem Traum meiner Jugend

58

entsprechend hätte ich jetzt folgende Besitztümer: ein eigenes Haus, bevölkert mit vielen, hübschen, intelligenten und vor allem sehr braven Kindern, dazu einen charmanten, möglichst gut betuchten Ehegatten und ein Auto, das sich zum Angeben eignet. Ich selbst hätte natürlich mein Studium abgeschlossen, einen angesehenen Beruf ausgeübt und schließlich die Karriere für meine Familie geopfert. Dazu hätte ich viele Freundinnen und wäre Vorsitzende verschiedener karitativer Vereine. So lebte ich in meiner Traumwelt glücklich dahin, bis ich am Morgen meines richtigen Geburtstages in der Realität aufwachte.

In der realen Welt verbrachte ich einige Stunden meines Geburtstags im Badezimmer, weil mir schrecklich übel war. Dazu kam, dass es nicht mein eigenes Bad war, sondern ich befand mich in der Wohnung meiner Schwägerin und meines Bruders, weil ich mangels eigener Familie – Sie wissen schon: brave Kinder, reicher Mann, etc. – meinen Geburtstag mit der Familie meines Bruders feierte. Und das auch nur, weil mein Bruder meinte, einen 35sten Geburtstag dürfe man nicht übergehen.

Das leckere Geburtstagsfrühstück, das meine Schwägerin zubereitet hatte, musste ich wegen meiner Übelkeit stehen lassen und mich mit Schwarztee begnügen. Dafür erfreute ich mich an den Späßen meines kleinen Patenkindes, das überhaupt das schönste Kind ist, das diese Welt je gesehen hat. Beim Mittagessen in einem Lokal, musste ich wiederum die knusprige Gänsekeule auf dem Teller lassen, da mir immer noch übel war (das Essen war schon Tage im Voraus bestellt worden – so will es die Tradition). Mittlerweile war meine Stimmung auf dem Nullpunkt angelangt und ich sagte die Kaffeestunde ab und bat darum, sofort nach dem Mittagessen zum Bahnhof gebracht zu werden.

So kam es, dass ich schon kurz nach 16.00 Uhr wieder in meiner Wohnung war – und zwar allein. Allein

59

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 60

am 35sten Geburtstag, wenn das kein ausreichender Grund ist, um vom Balkon zu springen!

In meiner Verzweiflung betete ich zu Gott, er möge irgendwie jemanden vorbeischicken oder anrufen lassen. Und das Telefon klingelte (solche prompten, wunschgemäßen Gebetserhörungen erlebe ich eher selten!). Die 3-jährige Kristin war am Apparat und gratulierte mir so herzlich, dass mein Herz beinahe dahinschmolz. Da Kristin aber auch ein neugieriges kleines Mädchen ist, schob sie sofort die Frage nach: „Und wer ist jetzt alles bei dir?“ Ich sagte ihr, dass niemand da sei. Da rief Kristin gut hörbar ins Wohnzimmer: „Mama, stell dir vor, die ist ganz alleine!“ Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen, ging es mir nach diesem Anruf entschieden besser. Ich wollte nicht mehr länger vom Balkon springen, sondern dachte darüber nach, was Kristin gesagt hatte. „Ganz allein“, stimmte das denn wirklich? Natürlich wusste ich, dass an Jesus glaubende Menschen nie ganz alleine sind, weil Jesus versprochen hat, an jedem Tag bei ihnen zu sein. Aber irgendwie hatte ich das an meinem Geburtstag vergessen. Kristin hat mir die Gegenwart Jesu wieder ins Bewusstsein gerufen – und das hat meine Sinnesänderung bewirkt.

So saß ich nun auf dem Sofa und zog Bilanz. Auf der einen Seite stand das, was mir fehlte: Haus, Auto, Kinder und Ehemann. Auf der anderen Seite jedoch stand eine lange Liste von Menschen, Dingen und Eigenschaften – die mich tief beglückten: Stetig wachsende Beziehungen zu wunderbaren Freundinnen, Familien – die mich immer wieder einmal aufnehmen und an ihrem Leben teilnehmen lassen; eine Gemeinde, in der ich mich zu Hause fühlen kann; eine Arbeitsstelle, die mir sehr viel Freude und Erfüllung bringt; ein abgeschlossenes Studium und zumindest der Beginn einer Karriere; eine äußerst gemütliche Wohnung; ein Auto, das sich fast zum Angeben eignet und nicht zuletzt die Beziehung zu Jesus, die immer tiefer

60

und fester wird und mir schon unendlich viel Trost, Frieden und Freude geschenkt hat.

Jawohl, unter dem Strich meiner Bilanz bin ich eine sehr glückliche Gewinnerin – wenn auch auf völlig andere Art und Weise als in meinen Träumen. Doch die Gegenwart zählt – nicht wahr? Gerade vor zwei Tagen las ich einen Vers in der Bibel, der mein Glück noch etwas anwachsen ließ: „Denn der Sohn Gottes, Christus Jesus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist ... war nicht Ja und Nein, sondern in ihm ist ein Ja geschehen. Denn so viele Verheißungen Gottes es gibt, in ihm ist das Ja, deshalb auch durch ihn das Amen, Gott zur Ehre durch uns“ (2. Korinther 1, Verse 19-20). Wow! In Jesus sagt Gott ja zu mir, so wie ich bin (und nicht so, wie ich gerne wäre), und in Jesus steht Gott zu allen seinen Versprechen. Wenn das keine Perspektive für kommende Geburtstage ist!

61

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 62

15 Himmelsbürger Ihre Absätze klapperten auf dem italienischen Fliesenboden. Diese morgendliche Tonleiter zeigte mir an, dass meine Nachbarin kurz vor dem Aufbruch in ihre Kanzlei stand.

Heute traf ich sie auf dem Flur und wir gingen den Weg in die Tiefgarage gemeinsam. Sie sah wieder einmal toll aus: Perfekt geschminkt, Haare kunstvoll hochgesteckt, kurzer Rock, hohe Absätze und ein flotter Wintermantel mit Pelzbesatz zur Abrundung des geschmackvollen Bildes. In dreißig Minuten hatte sie einen Termin vor dem Arbeitsgericht, so hat sie mir berichtet. Der gegnerische Anwalt sei ein Ekel, nachmittags müsse sie noch nach Freiburg ins Gericht fahren und alles in allem, stünde ihr ein langer harter Tag bevor. Das alles hatte sie mir im Stenogrammstil auf dem Weg zur Garage berichtet, wo sie in ihr rotes Cabrio stieg und davonbrauste.

62

Als ich wenig später im Auto saß und ins Büro fuhr merkte ich, dass ich meine Nachbarin zutiefst beneidete. Sie war eine attraktive Frau, die mitten im Leben stand und jede Menge Anerkennung erfuhr. Ich dagegen fuhr ins Büro, in dem ich einen wenig anspruchsvollen Aushilfsjob erledigte. Ansonsten war ich mit der Instandhaltung meines kleinen Ein-Personenhaushaltes, dem Wahrnehmen von diversen Arztterminen, einigen Aufgaben in der Gemeinde, einem sozialen Dienst und anderen, kleineren Nebentätigkeiten beschäftigt. Jedenfalls waren keine Aktivitäten dabei, die mir maßgebende gesellschaftliche Anerkennung eingebracht hätten.

Schnapp! Die Falle hatte sich über mir geschlossen.

Wieder einmal war ich hineingetappt, in die Falle des sich Vergleichens, sich Herabsetzens, sich Abwertens, des sich an Maßstäben Messens, die nicht für einen gedacht sind.

Einige Wochen später las ich im Neuen Testament, wie Gott mich sah: „So seid ihr nun nicht mehr Fremde und Nichtbürger, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“ (Epheser 2, Vers 19).

Gott selbst hat mir durch Jesus Christus Bürgerrecht im Himmel versprochen. Verleiht mir das nicht viel mehr Wert, als es je eine Tätigkeit der Welt könnte? Ich habe mir immer gewünscht, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu haben, zusätzlich, versteht sich. Warum hat mich die Tatsache, dass ich die himmlische Staatsbürgerschaft habe, so lange unberührt gelassen? War sie mir zu selbstverständlich geworden? Gott verleiht mir Wert, der wirklich unantastbar ist und völlig unabhängig von meiner gesellschaftlichen Position und meinem Erfolg. Ist das nicht wunderbar? Doch das ist noch nicht alles, in den folgenden Versen werde ich auch noch mit einer unheimlich wichtigen Aufgabe betraut. „Ihr seid aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten,

63

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 64

wobei Christus Jesus selbst Eckstein ist. In ihm zusammengefügt, wächst der ganze Bau zu einem heiligen Tempel im Herrn, und in ihm werdet auch ihr mitaufgebaut zu einer Behausung Gottes im Geist“ (Epheser 2,20-22).

Ich stehe mit meinem Lebenswert und der gesicherten Zukunft nun nicht irgendwo im Niemandsland, um darauf zu warten, endlich in den Himmel einreisen zu können. Ich bin hier auf der Erde mit einer wichtigen Mission betraut: Mitarbeiter zu sein in Gottes Bauunternehmen, dessen Ziel es ist, dass alle Menschen von der Möglichkeit des Bürgerrechts im Himmel erfahren. Ob ich nun als Architekt, Ingenieur, Techniker, Statiker oder Arbeiter an diesem Bau mitarbeite, entscheidet der Bauherr. Benötigt werden alle Berufsrichtungen, damit der Bau vollendet werden kann. Ob ich nun vorne stehe und Anweisungen gebe, damit sich der Bau plangemäß zusammenfügt, auf die Sicherheit achte oder die Anweisungen detailgetreu ausführe, spielt letztendlich keine Rolle. Wichtig ist nur, dass ich dabei bin, vom Bauherrn engagiert, und meine Aufgabe gut ausführe.

Meinen Wert und mein Selbstwertgefühl erhalte ich nicht durch meine Position auf der Baustelle, sondern durch Jesus Christus, den Bauherrn, der mich ausgesucht und eingestellt hat. Denn Gott wohnt durch seinen Geist auch in mir, weil er in seinem Bauwerk – der Gemeinde – wohnt, von der auch ich ein Teil bin.

Deshalb spielt es keine Rolle, ob ich von Beruf Anwältin, Datentypistin oder Hausfrau bin. Auf Gottes Baustelle kann ich mit jeder Ausbildung mitarbeiten.

Und das Tolle daran ist, dass noch nicht einmal der Beruf zählt. Gott liebt den Architekten nicht mehr als den Arbeiter, die Anwältin nicht mehr als die Datentypistin. Das Einzige, was zählt, ist Gottes große Liebe, deretwegen er mich unbedingt dabei haben möchte. Dafür hat er seinen Sohn, Jesus, auf die Erde geschickt, um die Menschen in Gottes himmlisches

64

Reich einzuladen und die Voraussetzungen für das Bürgerrecht im Himmel zu schaffen. Jesus hat alles für die Einbürgerung vorbereitet, nur anmelden muss sich jeder Mensch selbst. Das geschieht ganz einfach dadurch, dass der Mensch Gottes Einladung in den Himmel annimmt, indem er glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist, von Gott auf die Erde gesandt, um für die Sünden der Menschheit zu sterben. Denn Gott und der Himmel sind so heilig, dass wir Menschen – so, wie wir geboren wurden – keinen Einlass finden würden.

Deshalb brauchen wir Jesus, der uns unsere Sünden vergibt. Dadurch werden wir heilig, so dass wir in den Himmel einreisen können, wenn unsere Zeit gekommen ist. Wenn ich begreife, was Jesus für mich getan hat, wächst wie von selbst eine große Liebe und Dankbarkeit für diese Erlösung in mir. Dann liegt mir auf einmal viel daran, dass auch andere Menschen dieses Geschenk des himmlischen Bürgerrechts kennen lernen.

Als zukünftige Himmelsbürgerin erfüllt mich schon jetzt viel Freude, Zuversicht, Dankbarkeit und Liebe.

Ich lebe ein Leben mit Perspektive. Auch als Aushilfskraft. Denn ich weiß jetzt wieder, was zählt: Gottes Liebe zu mir macht mich liebenswert und wertvoll. Und dass ich seine Liebe erwidern und weitergeben kann, ist ein unendlich großes Geschenk. Ich könnte mir kein besseres Leben vorstellen!

65

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 66

16 Mut zum ersten Schritt Marlene war mir von Anfang an aufgefallen, als ich in die neue Stadt gezogen war. Sie war eine attraktive junge Frau, die ungefähr in meinem Alter zu sein schien. Wir sahen uns jeden Sonntag in der Gemeinde im Gottesdienst, doch Marlene war immer von einer Menge Leute umringt, so dass ich nie an sie herankam. Bei der jährlichen Adventsfeier der Gemeinde kam es dann zu einer ersten kurzen Unterhaltung. Ich war auf der dringenden Suche nach einer Freundin und hoffte sehr, dass zwischen Marlene und mir vielleicht eine Freundschaft entstehen könnte. Plötzlich kamen drei süße kleine Kinder angetrabt und zogen an ihrem Rock: „Mami, kommst du? Ich will noch einen Kuchen haben.“ Marlene verabschiedete sich.

Ich war tief enttäuscht. Nie hätte ich gedacht, dass die nette Frau schon Kinder hat. Und auch noch gleich drei!

Dann kommt eine Freundschaft ja nicht in Frage, fol-

66

gerte ich und zog mich von ihr zurück. Natürlich habe ich Marlene weiterhin aus den Augenwinkeln beobachtet, denn sie interessierte mich immer noch, wenn ich meine Chancen auch als aussichtslos betrachtete.

Ungefähr zwei Jahre später lud sie mich zum Kaffee ein. Auf der Fahrt in ihr Dorf, legte ich mir ein paar familienfrau-gerechte Gesprächsthemen zurecht und klingelte dann mit klopfendem Herzen an ihrer Tür. Auch Marlene wirkte zunächst verlegen. Nach etlichen allgemeinen Fragen kamen wir auf Persönliches zu sprechen und stellten fest, dass wir sehr viele Gemeinsamkeiten haben. Wir hatten beide eine ähnliche Erziehung genossen, denselben Berufswunsch gehabt, viele gemeinsame Träume, einige identische Interessengebiete, dieselben Ängste und vieles mehr. Nach zwei Stunden hatten wir beide das Gefühl, uns schon lange zu kennen. Dann sagte mir Marlene auch, dass sie etwas Bammel vor meinem Besuch hatte, da sie nicht wusste, worüber sie als Familienfrau mit einer berufstätigen Senkrechtstarterin (damals war ich das noch) reden sollte. Auf einmal waren wir nicht mehr Hausfrau und Dolmetscherin, Mutter und Single, sondern einfach zwei Frauen, die sich jenseits ihrer familiären Situation gefunden hatten.

Dieses Erlebnis ist nun schon beinahe vier Jahre her und Marlene und ich sind gute Freundinnen geworden.

Wir haben uns im Laufe der Jahre noch besser kennen gelernt und uns verbinden viele schöne gemeinsame Stunden und Erlebnisse. Jetzt wissen wir so viel voneinander, dass wir uns gegenseitig ermutigen, helfen und trösten können. Einige meiner Freundinnen sind verheiratet und wir pflegen „trotzdem“ eine innige Freundschaft. Was haben wir schon zusammen gelacht und gefeiert! Über wie vielen Tassen Kaffee haben wir Schulprobleme, Erziehungsfragen, Elternbeziehungen, Mode- und Einrichtungsfragen, Urlaubspläne, Kinofilme und vieles mehr diskutiert.

Was hätte ich alles verpasst, wenn Marlene nicht den Mut aufgebracht hätte, den ersten Schritt zu tun!

67

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 68

17 Zum Glück bin ich (nicht) besser als die anderen Es war ein sehr schwüler Spätsommertag. Eine Freundin hatte mich zum Kaffee eingeladen und als ich bei ihr angekommen war, war ich bereits in Schweiß gebadet. Auch den Kinder machte das Wetter zu schaffen. Die 3-jährige Kristin war sehr quengelig und auch ihr kleiner Bruder Matteo wusste an diesem Tag nichts mit sich anzufangen. Es war schwierig, eine Unterhaltung zu führen, denn Kristin stellte dauernd etwas an, das das Eingreifen ihrer Mutter erforderlich machte. Meine Freundin erklärte, ermahnte und schimpfte am laufenden Meter.

Schließlich war auch einmal ihre Geduld erschöpft und sie ging mit Kristin hinaus, um ihr einen Klaps zu geben. Mittlerweile hatte sich Matteo die Streiche seiner Schwester abgeguckt und für nachahmenswert befunden. Als er nach dem x-ten Nein seiner Mutter trotzdem mit dem Finger in den Kuchen auf

68

der Tischmitte bohrte, ging meine Freundin auch mit ihm hinaus, um ihn zurechtzuweisen. Als Mutter und Sohn wieder ins Wohnzimmer kamen, sagte Kristin ganz cool: „Also Mama, mit dem Matteo musst du heute aber viel schimpfen.“ Ich verschluckte mich beinahe an meinem Kaffee, so viel Selbstgerechtigkeit hätte ich dem kleinen Menschen nicht zugetraut. Wie kann man nur so blind für die eigenen Fehler sein!

Zum Glück bin ich selbst nicht so vernagelt, wenn es um meine eigenen Schwächen geht. Denn die sind nun wirklich nicht so unangenehm wie die meiner lieben Mitmenschen. Und falls ich doch den einen oder anderen Fehler haben sollte, merke ich das natürlich sofort und korrigiere mich.

Ich fühlte mich mindestens eine Stunde lang Kristin haushoch überlegen, bis mir dann nach und nach dämmerte, dass ich um kein Haar besser bin als sie.

Wie war das denn neulich, als ich einen Fehler bei einem Bruder sah und mich freute, dass mir so was nicht passieren würde? Erst später fiel mir ein, dass ich einige Jahre zuvor genau dasselbe getan hatte.

Bin ich nicht manchmal froh, dass ich etwas besser bin als ein anderes Gemeindeglied, wenn ich sehe, wie eine bestimmte Person sich immer wieder vor unangenehmen Arbeiten drückt? Drückebergerei ist mit Sicherheit nicht in Ordnung, aber Überheblichkeit genauso wenig.

In Sachen Nächstenliebe und Annahme gibt es wohl kaum einen bessere Fortbildungsmaßnahme als die Lektüre des 1. Johannesbriefes. Dort stehen in Kapitel 2, Verse 9-11 deutliche Worte zu diesem Thema: „Wer sagt, dass er im Licht sei, und hasst seinen Bruder, ist in der Finsternis bis jetzt. Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht, und nichts Anstößiges ist in ihm.

Wer aber seinen Bruder hasst, ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht, weil die Finsternis seine Augen verblendet hat.“

69

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 70

Ich möchte wirklich lernen, meinen Nächsten zu lieben, auch wenn er nicht so ganz meinen Vorstellungen entspricht: Auch wenn er sonntagmorgens ganz schrecklich nach Knoblauch riecht, eine Duftnote, die sich einfach nicht mit meinem Parfüm verträgt. Auch wenn er beim Beten die Hände anders faltet als ich.

Auch wenn sie immer ganz unpassende Farbkombinationen trägt. Denn Gott hat mich auch so angenommen, wie ich bin, und hält trotz vielfältiger Rückschläge zu mir. In Vers 12 desselben Kapitels steht: „Ich schreibe euch, Kinder, weil euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.“ Ist das nicht wunderbar? Jesus Christus hat uns unsere Schuld vergeben, die Eigenliebe und die Überheblichkeit, wie sollten wir da anderen die Vergebung verweigern? In Jesus ist immer ein Neuanfang möglich, wir müssen nicht an Altem kleben bleiben. Wenn das keine Herausforderung ist!

So wie ich Kristin kenne, war das bestimmt nicht die letzte Lektion, die ich von ihr gelernt habe.

18 Ewigkeitssonntag Im Terminkalender wird er Totensonntag genannt, der letzte Sonntag im Kirchenjahr. Mir gefällt diese Bezeichnung nicht besonders gut, für mich klingt das so deprimierend. Ich werde dadurch an die Menschen erinnert, die ich in den letzten Jahren verloren habe, und bin traurig, dass sie nicht mehr hier sind. Da gefällt mir die Bezeichnung im Losungsbuch doch viel besser, dort heißt er „Ewigkeitssonntag“, dieser letzte Sonntag vor Advent. Und mit dem Wort „Ewigkeit“ bekommt dieser Sonntag eine ganz neue Dimension: Ich werde daran erinnert, dass auch ich nicht ewig auf dieser Erde sein werde, dass alles vergänglich ist. Da werden Nichtigkeiten und kleine Ärgernisse wieder an den rechten Platz gerückt und nehmen nicht mehr das ganze Denken ein.

Auch am „Ewigkeitssonntag“ denke ich an meine Freunde und Verwandten, die ich hier auf der Erde

70

71

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 72

nicht mehr besuchen kann, weil sie in den Himmel umgezogen sind. Aber jetzt tröstet mich der Gedanke, dass sie für ewig beim Herrn geborgen sind und ich sie dort wiedersehen werde. Sicher, das Heimweh wird bleiben und auch der Schmerz, den ich verspüre, wenn Erinnerungen aufsteigen und sich die Traurigkeit wie Novembernebel auf die Seele legt.

Aber ich freue mich auf den Tag, an dem Gott alle Tränen abwischen wird und es keine Traurigkeiten mehr gibt. Ich muss nur noch ein bisschen Geduld haben. Und durchhalten.

Und das ist das zweite Stichwort, das mir heute erneut wichtig geworden ist: Durchhalten.

Ein einfaches Wort für eine große Sache. Sie denken, ich übertreibe? Durchhalten als Lebensaufgabe? Ich glaube, der Schreiber des Hebräerbriefes hat um die Schwierigkeiten des Durch- und Aushaltens gewusst, als er schrieb: „Deshalb lasst nun auch uns, da wir eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, jede Bürde und die uns so leicht umstrickende Sünde ablegen und mit Ausdauer laufen den vor uns liegenden Wettlauf, indem wir hinschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes“ (Hebräer 12,1-2).

Ich finde es ungleich schwerer, in langanhaltenden Krisenzeiten durchzuhalten, sozusagen als Lebensaufgabe, als kurzfristig herausragende „große Taten“ zu vollbringen. Oder wer kennt nicht jene Zeiten, wenn das Unglück mit aller Macht über uns hereinbricht und unser Denken so lähmt, dass wir nur noch an unsere Wunden und Verluste denken können und nicht wissen, wie wir die Situation aushalten können? Wenn dann der Schmerz Wochen und Monate anhält, ist unser Durchhalten gefragt. „Unser?“ Können wir das überhaupt, „durchhalten“?

Wie froh bin ich, dass ich das nicht muss, denn ich

72

kann es nicht. In der oben zitierten Bibelstelle aus Hebräer wird uns klar gesagt, dass Jesus uns an das Ziel bringen wird. Wir brauchen nur in Kontakt zu Jesus zu kommen und bleiben und unseren Blick auf Jesus richten, der uns im vertrauenden Glauben den Weg vorausgegangen ist.

Es ist noch nicht so lange her, dass ich das eben Beschriebene am eigenen Leib erfahren habe. Die Verzweiflung war groß und die Finsternis dunkler als alle bis dahin erlebten Nächte. Trotz aller meiner Anstrengungen und Denkakrobatik war kein Ausweg zu sehen. Da hielt ich im Gebet Jesus mein Leben hin und sagte: „Hier ist mein Leben, mein bisschen Mensch, nimm es hin, mach es heil, hilf durchhalten und wenn möglich, mach daraus etwas zu deiner Ehre.“ Und Jesus griff ein, wenn auch nicht gleich sichtbar und verständlich für mich. Aber er half und brachte wieder Licht in das Dunkel. Immer mehr, bis die Verzweiflung weichen musste. Bis ich ganz langsam wieder den nächsten Schritt sehen konnte. Und er hilft täglich durchzuhalten. Nichts ist zu kaputt für Gott, um es nicht in etwas umwandeln zu können, was Ewigkeitswert hat.

Zum Schluss möchte ich die Worte einer Freundin wiedergeben, die oft hart an die Grenzen ihres Durchhaltens kam. Ihre fast 3-jährige Tochter starb ganz plötzlich ohne erkennbare Ursache. Die Kleine wachte morgens krank auf und starb in der folgenden Nacht. Schwere Jahre, gekennzeichnet von tiefster Verzweiflung, folgten darauf für meine Freundin.

Lange Zeit kämpfte sie damit, einen Sinn für den Tod ihrer Tochter zu finden. Vor vier Wochen erhielt ich einen Brief von ihr, der mit folgenden Worten endete: „Weißt du, ich kann Gott in vielen Dingen nicht verstehen und ich glaube, ich muss mich da geschlagen geben. Ich will nicht länger kämpfen und den Sinn suchen, es gibt zu viele Fragen. Natürlich ist es nicht

73

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 74

einfach, aber ich will warten, bis Gott mir die Antwort geben wird, wenn nicht hier, dann eben im Himmel, von Angesicht zu Angesicht.“ Bis wir dort ankommen, wird Gott uns hier auf der Erde helfen durchzuhalten. Wir sind und bleiben in Gottes Hand. Und es ist eine starke, gütige Hand, die uns hält.

19 Oft ist es nur ein kleines Wort Die Welt ist kalt und herzlos. Es gibt Tage, da meint man, dass sich alles gegen einen verschworen hat. Ich hatte gerade so einen Tag, genauer gesagt, eine ganze Woche mit dieser Einstellung verbracht. Es fing mit einer ernsten Erkrankung meines Vaters an. Die Sorge fraß an Nerven und Gemüt. Und dann kam Weihnachten. Er war im Krankenhaus und wir hatten doppelte Arbeit, seine Arbeit, unsere Arbeit, Besuche bei ihm im Krankenhaus – kurz, es war eine schreckliche Zeit. Was sollte bloß noch werden?

Meine Eltern führten ein christliches Gästehaus und durch die Erkrankung meines Vaters, bei Vollbelegung des Hauses, hatten wir mehr als alle Hände voll zu tun. Nach den Besuchen im Krankenhaus hatte ich oft noch stundenlang in seinem Büro zu tun. An Schlaf war kaum zu denken. Die Erschöpfung hinterließ ihre Spuren.

74

75

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 76

Leider zeigten einige Gäste wenig Verständnis für unsere schwierige Situation und spannten durch Extrawünsche und (ungerechtfertigte) Beschwerden unsere ohnehin strapazierten Nerven bis zum Anschlag. Ich hätte diese rücksichtslosen Gäste im Allgemeinen und die Christen im Besonderen auf den Mond schießen können. Eine Familie fiel besonders auf: Nichts war gut genug, nichts konnte man recht machen, überall fanden sie etwas auszusetzen. Doch ich blieb freundlich, wenn auch nur äußerlich und wünschte diese Familie dorthin zurück, wo sie hergekommen war.

Es war nach dem Abendessen. Völlig erschöpft saß ich im Speisesaal und wollte eben selbst etwas essen.

Da sah ich sie. Ein süßes, vierjähriges blondes Mädchen stand an der Theke und wollte mich sprechen.

Sie war die jüngste Tochter jener besagten Familie. Bei mir klingelten sämtliche Warnglocken: Sicherlich sollte sie etwas im Namen der Eltern bemängeln oder noch einen vierten oder fünften Gang bestellen. Ich glaubte nicht mehr an das Gute im Gast. Die Kleine war schüchtern. Ich ging auf sie zu und erkundigte mich nach ihrem Wunsch. Scheu sah sie zu mir auf und sagte: „Ich will nur dem Wirt sagen, dass mir das Essen so gut geschmeckt hat.“ Dieser eine einfache Satz, gesprochen von einem vierjährigen Mädchen, änderte mit einem Schlag meine ganze Gesinnung und die Einstellung zu den Gästen.

Ich fand wieder, dass ein Gästebetrieb eine wunderbare Einrichtung war, und hätte alle Abendgäste umarmen können. Ich war wieder froh. Was doch ein paar wenige freundliche Worte ausmachen können!

76

20 Exklusivrecht Frau Lindner hatte das Exklusivrecht zum Klagen.

Von diesem Recht machte sie in jeder Mittagspause regen Gebrauch. Ansonsten war sie eine patente Frau, mit der ich sehr gerne zusammenarbeitete. Sie war Abteilungsleiterin einer großen Firma und konnte die Monate bis zu ihrem Ruhestand beinahe an einer Hand abzählen. Schon seit einigen Jahren fühlte sie sich der ständig zunehmenden Verantwortung und Arbeitslast nicht mehr gewachsen, brauchte wesentlich länger für ihre Arbeit als früher und war abends kolossal erschöpft. Ich schätzte Frau Lindner sehr und arbeitete gerne mit ihr.

Mittags gingen wir gemeinsam zum Essen in die hervorragende Werkskantine, zusammen mit noch zwei Kolleginnen.

Und dort legte Frau Lindner los. Ihr ganzer Frust über die männlichen Kollegen, ihren Chef, die unzu-

77

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 78

verlässigen Mitarbeiterinnen und ihre mangelnde Anerkennung schüttete sie dann über uns aus.

Natürlich war auch das Essen nicht nach ihrem Geschmack, die Mittagspause zu kurz, der nächste Urlaub zu weit entfernt, und, und, und ... So klagte sie Mittag für Mittag. Meistens versuchte ich, ihren Redeschwall irgendwann zu unterbrechen, um ihr Fragen zu stellen, die mir gerade spontan einfielen, z. B. wohin ihr nächster Urlaub ginge, was sie am Wochenende kochen wollte, welchen Krimi sie mir empfehlen könnte usw. Ich war es einfach leid, mir täglich ihr Klagelied anzuhören. Sehr oft funktionierte meine Taktik auch und sie ließ sich auf ein anderes Thema ein.

Eines Abends, als ich von der Arbeit nach Hause kam, fand ich einen Brief von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) im Briefkasten. Ich ahnte nichts Gutes. Die BfA teilte mir mit, dass ich zu einer Reha-Maßnahme gehen müsse. Bloß das nicht!

So etwas hatte ich schon längere Zeit befürchtet. Nun war die Reha in Sichtweite gerückt. Aber ich mag keine Kliniken, keine täglichen Gymnastik- und Bewegungsübungen und schon gar kein nasses Wasser.

Ich mag weder Klinikkaffee noch sechs Wochen Käsebrot zum Abendessen. Und wer kann schon wissen, was mir sonst noch alles an Schrecklichem widerfahren würde.

Da jeder Mensch ja irgendwann einmal irgendwo Dampf ablassen muss, nutzte ich die Mittagspause am nächsten Tag, um meinen Kolleginnen von dem großen Unglück zu berichten, das über mich hereingebrochen war. Da ich monatelang nie gejammert hatte, fand ich, stünde mir ein fünfminütiges Klagelied mit Sicherheit zu. Falsch gedacht! Meine klagegeübte Kollegin unterbrach mich mit harschen Worten: „Sie sind doch sonst immer so gläubig. Jetzt vertrauen Sie halt’ mal ihrem Gott. Wer weiß, vielleicht macht er ja noch einen Segen aus dieser Sache.“

78

Solchermaßen zur Räson gebracht, schwieg ich betreten. Sie hatte ja Recht, die liebe Kollegin. Gott stand über den Dingen.

Mit diesem Trost fuhr ich dann Wochen später in die Reha-Klinik. Und tatsächlich, Gott hat einen Segen daraus gemacht. In Zukunft will ich immer daran denken, dass ich das Exklusivrecht der Christen besitze: das Vertrauen in einen allmächtigen Gott.

Na, wenn das kein Grund zum Danken ist!

79

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 80

21 „Wir sind keine Egoisten!“ Es war während meines Umzugs als ich mit der kleinen Tamara auf dem Rücksitz zu einem Baumarkt fuhr. Tamara, die kleine Tochter einer befreundeten Familie, war erst 4 Jahre alt und hatte kein großes Verständnis für Umzüge. Deshalb gab man sie mir als Einkaufsberaterin mit, um in Ruhe arbeiten zu können.

Tamara war eine kleine Plaudertasche und redete unentwegt auf mich ein, als ich mir den Weg durch den Feierabendverkehr bahnte. „Mist! Ich muss dort vorne links abbiegen und von diesen Egoisten lässt mich keiner auf die linke Spur einfädeln“, schimpfte ich vor mich hin. Bis dahin war ich an alles hörende Kinderohren noch nicht gewöhnt. Sofort kam die Frage vom Rücksitz: „Was sind Egoisten?“ – „Egoisten sind Menschen, die immer nur an sich selbst denken“, beantwortete ich die Frage und hoffte auf eine kleine

80

Ruhepause für meine strapazierten Nerven. Kurzes Schweigen, dann das Ergebnis der Denkminute: „Also, dann sind wir aber keine Egoisten. Weißt du, meine Eltern die spenden an Weihnachten immer Geld für die armen Kinder in Afrika“, klärte mich Tamara auf.

Das hatte ich eigentlich gar nicht wissen wollen, auch nicht, was ihre Eltern sonst noch Gutes tun, doch Tamara hatte sich bereits in Fahrt geredet.

Tamara war erst vier Jahre alt, so kann man es ihr nicht verdenken, dass sie glaubt, eine Einmalspende pro Jahr macht einen Menschen zu einem mitfühlenden und wohltätigen Wesen. Nur schade finde ich, dass viele erwachsene Menschen so ähnlich denken.

Einmal im Jahr eine Spende veranlassen, einmal im Jahr, meist zu Weihnachten, in die Kirche gehen, einmal im Jahr der Mutter danken und einmal im Jahr Bilanz ziehen.

Wäre es nicht schön, wenn wir an jedem Tag im Jahr, Gott und uns fragen würden, wem wir heute ein Stück von Gottes großer Liebe näherbringen könnten?

Wenn wir die Liebe, die wir von Gott empfangen und genießen, Stück für Stück mit unseren Mitmenschen teilten? Dann gäbe es mehr „barmherzige Samariter“, die spontan zugreifen, dort, wo Hilfe Not tut.

Von Tamaras Eltern weiß ich übrigens, dass sie keine Egoisten und keine Einmal-im-Jahr-Christen sind. Tamaras Mutter hat schon viele einsame Gäste bekocht und verwöhnt. Sie hat viele Menschen mit ihren schönen Bastelarbeiten erfreut und Kranke besucht. Ihr Vater hat nicht nur mich einmal „abgeschleppt“, als mein Wagen mit leerer Batterie liegengeblieben war. Ich habe viel von ihnen gelernt, auch wenn Tamara sich nur an die Weihnachtsspende erinnert hat.

81

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 82

22 Lebensglück mit Gott Dicke Tränen kullerten dem kleinen Mann über die Wangen. Seine Eltern schauten sich besorgt und ratlos an. Was war bloß geschehen? Seine Mutter wollte Matthias, fast 3 Lenze alt, eben nur einen Löffel Salat auftun, als er plötzlich in herzzerbrechendes Schluchzen ausbrach. Nach und nach und unter kräftigem Seufzen konnte Matthias den Grund für seine plötzliche Weltuntergangsstimmung erklären. Er hatte die Salatsoße machen wollen und seine Mama hatte ihn nicht dazu in die Küche gerufen. Da Matthias’ Mama keine Haushaltshilfe hat, steht Matthias normalerweise seiner Mutter bei der Hausarbeit zur Seite. Die Zubereitung der Salatsoße war seine erklärte Lieblingstätigkeit. Da durfte er Essig, Öl und Maggi nach Mutters Anweisung in die Schüssel träufeln.

Die Mutter erklärte: „Du hast vorhin so schön mit Papa gespielt, da wollte ich dich nicht stören.“ – „Doch,

82

ich will stören, ich will die Salatsoße machen“, entgegnete Matthias gekränkt. Die Mutter versuchte zu erklären, dass der Papa morgen wieder bei der Arbeit wäre und dann nicht mit Matthias spielen könne.

Deshalb fand sie, dass heute Spielen angesagt sei, und morgen wieder Salatsoße zubereiten. Matthias verstand diese völlig unlogische Erklärung seiner Mutter nicht, er hätte beides gleichzeitig tun können, ist doch klar!

Wie oft geht es mir wie dem kleinen Matthias. Ich würde so gerne zwei Dinge gleichzeitig tun, die sich aber gegenseitig ausschließen. Erst neulich ist mir wieder so etwas passiert.

Ich saß völlig in meine Zeitung vertieft bei einer Tasse Kaffee in einem Stadtcafé, als mich plötzlich ein Mann ansprach. Er unterbreitete mir ein höchst attraktives Angebot, das meinen Puls in die Höhe trieb.

Dieser nette Mann lud mich ein, ihn auf eine private Feier zu begleiten. Von so etwas träumt man (bzw. frau) sonst nur nachts. Meine Gedanken überschlugen sich. Gleichzeitig wusste ich tief in mir drin, dass es Gott durchaus nicht gefallen würde, wenn ich das Angebot annähme. Ich zögerte die Entscheidung hinaus, um wenigstens den Augenblick zu genießen und verwickelte den Mann in ein Gespräch. Dabei überlegte ich, ob ich Gott wohl für ein oder zwei Tage um „Glaubensurlaub“ bitten könnte. Ich stellte mir vor, den Glauben an Gott und die Beziehung zu ihm, für zwei Tage wie einen Mantel an den Nagel zu hängen, meinen Wünschen nachzugehen, um dann den „Mantel“ wieder anzuziehen. Wäre eigentlich praktisch, fand ich. Dann setzte zum Glück wieder mein Verstand ein und ich verabschiedete mich für immer von dem Mann, und zwar ohne Austausch der Telefonnummern. Ich habe es nicht länger als zehn Minuten bereut und war sehr froh, auf mein Gewissen gehört zu haben. Manchmal gibt es eben Situationen, in denen sich mein Wollen von dem in der Bibel

83

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 84

beschriebenen Willen Gottes unterscheidet. Wie bin ich froh, dass Gott mir geholfen hat, mich für ihn zu entscheiden.

Eines ist mir erst später aufgefallen: Gottes Plan für mein Leben und mein Lebensglück schließen sich gegenseitig nicht aus – wie schön!

23 Sarah Sarah war eine kleine zierliche Frau von etwa 70 Jahren. Sie hatte ein schweres Leben hinter sich und ich fragte mich oft, wie sie die Gegenwart ertrug. Man beschrieb sie mir als fröhliche, starke Frau und ich wollte sie schon immer gerne kennen lernen. Jetzt war es endlich soweit: Sie war meiner Einladung gefolgt und besuchte mich zusammen mit ihrem Mann.

Nachdem dieser sich zur Ruhe gelegt hatte, erzählte sie mir ihre Geschichte.

Sarah heiratete schon früh. Sie hoffte, ihre Liebe würde ihrem alkoholabhängigen Mann die Kraft geben, ein neues Leben anzufangen. Leider musste sie den Irrtum dieser Idee schnell erkennen. Nur wenige Wochen nach der Hochzeit erlitt Klaus einen Rückfall.

Es folgten unbeschreibliche Tage der Qual – Tage, an denen er nicht nach Hause kam und sie überhaupt nicht wusste, wo er sich aufhielt. Tage, an denen er völ-

84

85

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 86

lig betrunken heimkam und sie schlug, bedrohte oder einfach „nur“ beschimpfte.

Je größer ihre Liebe und Freundlichkeit, desto größer seine Brutalität – es muss sein schlechtes Gewissen gewesen sein, das ihn so unerträglich werden ließ, vom Alkohol abgesehen.

Mit der Zeit verflogen Sarahs Ideale, mit denen sie diese Ehe eingegangen war, und Trostlosigkeit machte sich breit. Sie war froh, jeden Morgen einer Arbeit nachgehen zu können und so wenigstens einige Stunden am Tag abgelenkt zu sein.

Eines Tages stellte sie voller Freude fest, dass sie schwanger war. Endlich ein Wesen, über das sie ihre ganze Mütterlichkeit und Liebe ungestraft ausschütten konnte. Als die Wehen einsetzten, musste Sarah ein Nachbarskind losschicken, um den Vater zu suchen, der sich in irgendeiner Kneipe aufhielt. Klaus brachte Sarah ins Krankenhaus und ging danach auf eine Tour durch seine Stammlokale. So erfuhr die Familie tagelang nichts von der Geburt des kleinen Jungen.

Schon bald merkte Sarah, dass das Kind, sie hatte ihn Michael genannt, nicht gesund war. Sein Gehirn war im Laufe der schweren Geburt verletzt worden und Michael wuchs nicht seinem Alter entsprechend.

Doch er war ihr Sonnenschein und sie genoss jede Stunde mit ihm. Tagsüber musste Sarah selbstverständlich arbeiten, um ihre Familie ernähren und einkleiden zu können, da Klaus kein Geld mit nach Hause brachte – wenn er mal kam. So brachte Sarah Michael jeden Morgen schweren Herzens zu ihrer Mutter, die wegen ihres Rheumatismus ohnehin zu Hause bleiben musste und sich angeboten hatte, Michael zu betreuen. Sie sorgte gut für ihn. Aber nach vier Monaten starb Michael. Sarah ging alleine hinter dem kleinen Sarg her. Ihr Ehemann hatte sich wieder einmal betrunken und war nirgends zu finden. Es war nur einer von vielen schweren Wegen, die Sarah noch

86

im Laufe ihres Lebens alleine gehen musste. Nicht ganz alleine, Gott war immer bei ihr gewesen. Sie bezeugte immer wieder: „Gott und ich, wir haben das zusammen durchgestanden.“ Ihr Glaube war so stark, ihr ganzes Vertrauen setzte sie in Gott, dem sie sich kurz nach der Hochzeit zugewandt hatte. Auf Michaels Grabstein ließ sie den Satz prägen: „Im Vertrauen auf Gott.“ Damals wusste Sarah noch nicht, dass sie keine weiteren Kinder mehr bekommen konnte. Als sie diese traurige Nachricht erfuhr, schloss sie sich für einige Zeit in ihr Schlafzimmer ein, um mit Gott alleine zu sein. Sie hat mir nicht erzählt, was sie damals zu Gott sagte, und auch nicht, was er zu ihr gesagt hatte.

Den Nachbarinnen, die ab und zu abends vorbeikamen und sie fragten, wie sie dieses Leben ertragen könne (Klaus schlug sie nun regelmäßig, weil sie ihm keinen weiteren Kinder schenkte), sagte sie immer wieder: „Es ist der Glaube an Gott, der mir hilft.“ Nie gab sie die Hoffnung auf, doch nochmals schwanger zu werden. „Gott kann alles, er kann jedes Wunder tun, das er möchte“, pflegte sie zu sagen.

Obwohl ihr sehnlicher Wunsch schließlich nicht erfüllt wurde, verzweifelte sie nicht. Sie vertraute weiterhin ihrem Gott, der sie den rechten Weg führen würde.

Ihr Lieblingslied war „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt“: Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.

Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

Dem Herren musst du trauen, wenn dir’s soll wohlergehn; auf sein Werk musst du schauen, wenn dein Werk soll bestehn.

Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein lässt Gott sich gar nichts nehmen, es muss erbeten sein.

87

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 88

Weg hast du allerwegen, an Mitteln fehlt dir’s nicht; dein Tun ist lauter Segen, dein Gang ist lauter Licht; dein Werk kann niemand hindern, dein Arbeit darf nicht ruhn, wenn du, was deinen Kindern ersprießlich ist, willst tun.

Auf, auf gib deinem Schmerze und Sorgen gute Nacht, lass fahren, was das Herze betrübt und traurig macht; bist du doch nicht Regente, der alles führen soll; Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.

Ihn, ihn lass tun und walten, er ist ein weiser Fürst und wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst, wenn er, wie ihm gebühret, mit wunderbarem Rat das Werk hinaus geführet, das dich bekümmert hat.

(Paul Gerhardt 1653)

So lebte Sarah mit Klaus, bis sie 50 Jahre alt war.

Dann machte Klaus eine Entziehungskur und blieb trocken. Sein Charakter war jedoch so verformt, sein Selbstvertrauen so zerstört, dass Sarah noch lange unter diesen Auswirkungen zu leiden hatte. Erst allmählich begann Klaus, auch nach ihrem Wohl zu fragen. Er war völlig hilflos und brauchte für fast alle kleinen Aufgaben des Alltags die Hilfe seiner Frau. Und Sarah half ihm liebevoll, sie hielt ihm die Vergangenheit nicht vor, sondern richtete seinen Blick auf die schönen Seiten der Gegenwart, obwohl es noch lange nicht leicht für sie war.

Manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie im Laufe der Jahre verlernt hatte, an ihr eigenes Wohl zu denken, und sich selbst vergaß. Doch dann sah ich sie den Wein trinken, den ich ihr angeboten hatte, und merkte, dass sie sich immer noch freuen konnte: Sie nahm das Weinglas in die Hand, drehte es und war voller Bewunderung über das schön geformte und geschliffene Glas. Dann hielt sie den Wein ans Licht und freute sich über das schöne Farbenspiel, es lag

88

kindliche Begeisterung in ihrem Blick und den Gesten. Erst nach diesem Zeremoniell trank sie den Wein in kleinen Schlucken.

Es war auch faszinierend zu sehen, wie sie ihren Kaffee trank. Am Frühstückstisch verriet sie mir, dass sie sich schon den ganzen Morgen auf den Kaffee gefreut hatte. Dann nahm sie ganz behutsam, fast liebevoll, die Tasse in die Hand und genoss jeden Schluck sichtlich.

Dasselbe tat sie mit dem Essen. Sie erklärte das einfache Mittagessen, das ich gekocht hatte, zu ihrem Lieblingsessen und sah mich dabei strahlend an.

Diese Frau hat dadurch einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen, dass sie sich durch all die schweren Jahre hindurch die Fähigkeit bewahrt hatte, sich an den kleinen Dinge des Lebens zu freuen.

Mich hat ihre kindliche Freude über die vielen Kleinigkeiten sehr beeindruckt. Bevor ich sie traf, hätte ich diese Kleinigkeiten vielleicht Selbstverständlichkeiten genannt. Doch die kleine, zarte Frau hat mir die Augen geöffnet für die Freude und Größe, die in diesen Kleinigkeiten lag.

Als ich sie daraufhin ansprach, erklärte sie mir: „Die Vergangenheit war schrecklich, sie war oft die Hölle.

Aber das ist jetzt vorbei. Wir müssen einmal einen Schlussstrich ziehen unter all das Böse, das Leidvolle, das jetzt Vergangenheit ist. An die Zukunft möchte ich jetzt noch nicht denken, heute ist meine Chance. Ich möchte nicht zulassen, dass das Negative aus der Vergangenheit mich dauernd belastet und mir die Freude an der Gegenwart verdirbt. Die Last der Vergangenheit ist der Freudenkiller der Gegenwart. Alles Böse von früher habe ich zu Jesus Christus unter das Kreuz gebracht – dort wurde dem Bösen die Macht genommen, Christus hat mir und meinen Schuldnern vergeben – ich bin jetzt frei! Ich lebe heute und möchte mich an allem Guten freuen, was ich heute habe.“ Das ist Sarah zweifellos gelungen.

89

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 90

Als die beiden abgereist waren und ich die Bettwäsche in die Waschmaschine stopfte, ließ ich den Besuch gedanklich Revue passieren. Doch am meisten haben mir ihre Aussagen über den Glauben, ihr unerschütterliches Vertrauen in Gott, der sie nie im Stich gelassen hat, für mein Leben geholfen: „Gott und ich, wir schaffen das schon, er hat mich noch nie alleine gelassen“, und: „Es ist der Glaube, der mich trägt.“ Sollte mich jetzt jemand interviewen und nach meiner Heldin der Gegenwart fragen, wäre mir die Antwort klar: Sarah!

24 Arbeitslos = Wertlos?

Ich war erst zwei Monate arbeitslos, als ich zu spüren begann, wie Zweifel und Mutlosigkeit sich ihren Weg zu meinem Selbstbewusstsein fraßen. „Warum bloß wollte mich keiner haben?“, fragte ich mich immer wieder, wenn wieder einmal eine Absage in meinem Briefkasten lag. Die Begründungen waren so vielfältig wie die Branchen, in denen ich mich beworben hatte. Die Erklärungen der Firmen reichten von „Ihr Alter passt nicht in unser Team“ über „Wir nehmen nur jemanden mit Erfahrung in der Branche“ bis zu „Die Stelle wurde leider zwischenzeitlich gestrichen“. Irgendwie erschienen mir alle Begründungen reichlich fadenscheinig.

Deshalb bezog ich die Absagen allmählich auf meine Person. „Wahrscheinlich bin ich nicht attraktiv genug, trete nicht ausreichend selbstbewusst auf, sehe aus wie ein Versager“ – diese und ähnliche hausgemachte Erklärungen dachte ich mir dazu aus.

90

91

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 92

Die Tage hatten auf einmal viel mehr als 24 Stunden, das Radio spielte nur noch langweiliges Programm, die Frühstücksbrötchen schmeckten nicht mehr so gut wie früher und die Nachbarn schauten mich neugierig an, wenn sie mich vormittags um 10.00 Uhr Einkaufen gehen sahen. Langsam aber sicher begann sich meine Umgebung negativ zu verändern – meinte ich. Nur die Menschen in der Gemeinde hielten treu zu mir, sprachen mir Mut zu und luden mich ab und zu zum Frühstück oder anderen Unternehmungen ein. Ich empfand es als sehr wohltuend zu merken, dass mich viele Leute als Mensch noch genauso wertschätzten wie früher, als ich eine Arbeitsstelle hatte.

Gleichzeitig wuchsen mein Verständnis und meine Anteilnahme für meine Zeitgenossen, die dasselbe Schicksal mit mir teilten. Da ich vorher nur eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt hatte, war der Sprung in die totale Arbeitslosigkeit für mich nicht so groß wie für jene Menschen, die vorher eine vollzeitige Stelle ausgefüllt hatten. Wie ungleich schwerer muss das erst für sie sein.

Sicher wusste ich, dass Gott mich unabhängig von einem Arbeitsverhältnis liebt, und dass es bei ihm weder auf Leistung noch auf gesellschaftlichen Status ankommt. Trotzdem fehlte mir die menschliche Anerkennung für gut erledigte Arbeit. Solchermaßen eines Pseudo-Haltes beraubt, begann ich mich wieder auf den echten, sturmerprobten Halt in der engen Beziehung zu Jesus zu besinnen. Eines Morgens las ich im zweiten Brief an die Thessalonicher in Kapitel zwei die Verse 16-17:

Diese Worte haben mich an jenem Morgen so richtig ins Herz getroffen. Ich wurde wieder neu daran erinnert, dass Gott mich zuerst geliebt hat, und zwar völlig unabhängig von meiner persönlichen Situation. In und von Gott alleine bekomme ich Trost und Hoffnung, nicht von einem gesicherten Arbeitsverhältnis.

Und von Gott erhalte ich Kraft, die Zeit meiner Arbeitslosigkeit durchzustehen und für Gutes zu nutzen.

Sicher sind damit nicht alle Probleme auf einmal vom Tisch gefegt, aber die Grundpfeiler, auf denen mein Lebenshaus steht, sind wieder gefestigt worden.

Ich weiß wieder, woher ich komme und wozu ich da bin. Arbeitslos = Wertlos? Nein, jetzt weiß ich es besser: Arbeitslos = Trotzdem geliebt, getröstet, ermutigt. „Ich sage jeden Tag zu Gott: ,Du bist wunderbar!‘ Je mehr ich das sage, desto mehr lässt er mich Wunder seiner Liebe sehen.“ (Phil Bosmans)

„Er selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und Gott, unser Vater, der uns geliebt und uns in seiner Gnade ewigen Trost und gute Hoffnung gegeben hat, tröste eure Herzen und stärke sie in jedem guten Werk und Wort!“

92

93

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 94

25 Das Nikolausgebet Es war draußen so dunkel und kalt wie es nur im Dezember sein kann. Umso mehr machte ihr das Backen in ihrer kleinen, gemütlichen Küche Freude.

Dass sie dieses Jahr backen konnte, war schon für sich etwas Besonderes. In den vergangenen Jahren konnte sie ihrer Arthritis wegen nicht mehr so lange stehen und musste schweren Herzens auf die Weihnachtsbäckerei verzichten. Für die alte Frau bedeutete es schon ein Verzicht, hatte sie in ihrer Jugend der schlechten Zeiten wegen doch nur selten Plätzchen genießen können. Deshalb war ihr dies nun umso wichtiger.

Weil die alte Dame so voller Dankbarkeit und Freude war, wollte sie anderen Menschen von der Freude weitergeben, mit der Gott ihr Herz erfüllt hatte.

Deshalb beschloss sie, ihren Nachbarn zum Nikolaustag selbstgebackene Plätzchen vor die Tür zu stellen.

94

Am Abend des 5. Dezembers packte sie ihr Selbstgebackenes liebevoll in Weihnachtsservietten, schnürte die Päckchen mit einem roten Band zusammen und stellte sie spätabends vor die Nachbarstüren.

Der Gedanke an den Nikolaustag weckte in ihr viele Kindheitserinnerungen. Zum Beispiel an jenes Jahr, als sie ein kleines Mädchen und ihre Mutter zu krank war, um ihren Stiefel vor der Tür zu füllen. An die Spannung am Vorabend und die Freude am frühen Nikolausmorgen, als neben ihrem leeren Stiefel ein Teller mit Weihnachtsgebäck stand. Und Schokolade.

Das war damals schon etwas Besonderes und sie liebt Schokolade bis heute. Damals hatte eine freundliche Hausbewohnerin sich ihrer erbarmt, als sie den leeren Stiefel frühmorgens sah. Ihre Mutter weinte vor Glück, als das Mädchen mit dem vollen Teller an ihr Bett trat und ihn voller Stolz der Mutter zeigte. Vor Glück und Freude darüber, dass es noch solche Menschen gab, die ein kleines Mädchenherz nicht enttäuschen konnten. Und vor Dankbarkeit gegenüber Gott, der ein kleines Menschenkind in dem Mietshaus nicht übersehen hatte.

An all dies musste die alte Frau denken, als sie ihre Wohnungstür schloss, nachdem sie die Nachbarn beschenkt hatte. Sie war eine bescheidene Frau und mit Wenigem zufrieden, aber eine kleine Überraschung am Nikolaustag vor der Tür, das wünschte sie sich doch an diesem Abend.

Am nächsten Morgen öffnete sie gespannt die Tür, doch da lag nur die alte, abgetretene Fußmatte. Sie war enttäuscht, obwohl sie nichts anderes erwartet hatte. Da fiel ihr wieder ihr Kindheitserlebnis ein und sie erinnerte sich, dass Gott sich damals über das kleine Mädchen erbarmt hatte. So sprach sie ein kurzes, einfaches Gebet, in dem sie Gott bat, ihr an diesem Tag ein kleines Nikolausgeschenk zu machen.

Dann widmete sie sich den Pflichten des Tages und dachte nicht mehr an ihr Gebet. Am Nachmittag fuhr

95

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 96

sie mit der Straßenbahn zu einer jungen Frau aus ihrer Gemeinde, der sie ein wenig beim Sockenstopfen beistehen wollte. Des Schneematsches wegen, zog die Frau ihre Stiefel vor der Wohnungstür der jungen Frau aus und schlüpfte in ihre mitgebrachten Hausschuhe. Es wurde wieder ein vergnüglicher, gemeinsamer Stopfnachmittag, an dem die alte Frau für wenige Stunden in das Leben einer Großfamilie eintauchte. Erfüllt und befriedigt packte sie dann am Abend ihre Sachen zusammen, schlüpfte aus den Hausschuhen und steckte den rechten Fuße in den Stiefel. Dann den linken Fuß und da stieß sie mit den Zehen an etwas Spitzes. Überrascht zog sie den Fuß aus dem Stiefel und stülpte ihn um. Heraus fiel ein kleiner Nikolaus aus Schokolade und im selben Moment hörte sie hinter sich Kinder kichern. Der jüngste Sohn des Hauses erkundigte sich, ob der Nikolaus der Frau gefiele. Der kleine Mann erzählte, dass er den Nikolaus von seiner Oma bekommen und sich gedacht hatte, dass die Stopffrau auch eine Überraschung haben sollte, weil es doch Nikolaustag war.

Die alte Frau hatte ihr Nikolausgebet vom Morgen schon vergessen, aber Gott hatte sie mit ihrem kindlichen Gemüt nicht vergessen. So wie damals vor vielen Jahren, schickte er eine Süßigkeit vom Himmel, diesmal durch die Hand eines kleinen Jungen.

96

26 Gott ist für mich!

Sie thronte an der Stirnseite des großen Familientisches und lehnte sich in ihrem Armstuhl zurück.

Besorgt blickte sie auf jeden Teller, um sich zu vergewissern, dass ihre Lieben auch genug aßen. Ab und zu stand sie auf und ging zum Herd, um die leergewordenen Schüsseln aufzufüllen. Danach ermutigte sie jeden in der Tischrunde, kräftig nachzulegen, damit auch alles leer würde. Mit den Jahren fiel ihr das Aufstehen immer schwerer, denn Arthrose hatte ihre Knie befallen. Trotzdem sorgte sie sich unermüdlich um das Wohl ihrer Großfamilie. Ich rede nicht von einer italienischen Familienmutter, sondern von meiner Großmutter väterlicherseits. So flink und emsig sie in ihrer Jugend und Lebensmitte auch war, im Alter wurde sie zu einer bedächtigen und ruhigen Frau. Früher hatte sie einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Kühen, Schweinen und Hühnern, einige

97

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 98

Quadratkilometer Ackerland, viele Weinberge und einige kleine Kinder neben dem Haushalt versorgt. Im Alter nahmen ihr nun Kinder und Schwiegerkinder die Arbeit ab. Doch in der Küche führte sie noch immer das Kommando. Ihre Nudelsuppe und der Gugelhupf werden der Familie unvergesslich bleiben.

Erstaunlich fand ich immer, dass sie nie auch nur ein Mitglied der Familie aus den Augen verloren hat. Ich sehe sie noch heute vor mir, wie sie am Tisch sitzt, sich in dem Stuhl zurücklehnt und die Menschen um ihren Tisch herum liebevoll und manchmal auch ein wenig besorgt beobachtet.

Sie liebte es, sich erzählen zu lassen. Man wagte es nicht, auf ihre Aufforderung hin „So, und nun erzählst du uns etwas“ zu antworten: „Was soll ich denn erzählen?“ Das wäre ein bitteres Armutszeugnis gewesen. Sie wollte einfach alles wissen: Wie es beruflich lief, ob man genug verdiente, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, wie es um die Gesundheit stand, ob man gute Freunde hatte, wo man sonntags in den Gottesdienst ging, ob man sich abends einsam fühlte, ob man sich vernünftig ernährte und natürlich, wann man zuletzt jemanden von den Verwandten getroffen hatte. Sie legte großen Wert auf eine harmonische Großfamilie und Streitigkeiten machten ihr sehr zu schaffen. Bei Kindern waren die aktuellen Schulnoten ein allseits beliebtes Thema.

Meine Noten entsprachen leider nicht immer dem geforderten Standard. Da Großmutter in der Schule nur Einsen bekommen hatte, war die Latte recht hoch angesetzt. Trotzdem war ich mir sicher, dass heutzutage selbst Großmutter vor der Mathematik kapituliert hätte.

Ihre tiefblauen Augen glänzten, wenn sie angestrengt zuhörte, und manchmal wurden sie in den Augenwinkeln auch ein wenig feucht. Aber man spürte deutlich, dass sie alles in sich aufnahm und verarbeitete. Wir wussten alle, dass sie abends die gehörten

98

Erlebnisse im Gebet vor Gott ausbreiten würde. Und wir wussten, dass sie jeden Abend für einen jeden von uns betete. Sie kam mir immer schon sehr alt vor, vielleicht ihrer schneeweißen Haare wegen. Und natürlich, weil sie (fast) alles schon hinter sich hatte und deswegen immer einen Rat wusste. Egal um was es ging, sie hatte ein Beispiel aus ihrem Leben parat, das zur Situation passte. Sie blickte immer so zufrieden und abgeklärt in die Tischrunde, dass ich sie oft um ihre Erfahrungen und Lebenssattheit beneidete.

Doch auch ich wurde älter und gestern noch kam ich mir vor wie meine eigene Großmutter. Nein, ich habe keine weißen Haare bekommen und blaue Augen habe ich leider immer noch nicht. Aber ich hatte den Eindruck, im Laufe meiner beinahe 35 Lebensjahre viel Erfahrung erworben zu haben und manche Fehler nie wieder begehen zu können. Und ehrlich gesagt, hatte ich auch geglaubt, die meisten wichtigen Entscheidungen im Leben gut hinter mich gebracht zu haben.

Deshalb hatte ich mich im letzten halben Jahr auch gemütlich zurückgelehnt, habe wohlwollend aus der Bluse geschaut und mich alt und satt gefühlt. Und auch ein bisschen stolz: „Habe ich das nicht gut hinbekommen?“ Plötzlich hat es jemand gewagt, in meine gemütliche, gut durchorganisierte Welt einzudringen und meine Sicherheit wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen zu lassen. Auf einmal stand ich wieder vor einer bedeutenden Entscheidung und kam mir klein und hilflos vor. Dabei hatte ich wirklich gedacht, diese Phasen der Hilflosigkeit, Unrast und das Gefühl der totalen Überforderung für immer hinter mir gelassen zu haben.

Na ja, vielleicht hatte sie ja doch ein wenig Recht, meine Großmutter, wenn sie meine Naivität belächelte. Jedenfalls weckte mich in dieser Phase der Unsicherheit und Angst nachts um 3.00 Uhr ein Hustenanfall. Und schon war sie wieder da: die Sorge, ob ich

99

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 100

mich richtig entscheiden würde. Ich saß auf meinem Küchenstuhl und wartete, bis das Teewasser kochte, als mein Blick auf eine Postkarte fiel, die seit 2 Jahren am Kühlschrank klebt. „Wenn alle mich verlassen – GOTT ist FÜR mich“, steht auf der Karte. Der Spruch ist Psalm 56, Vers 10 entnommen: „Dann werden meine Feinde ablassen – an dem Tag, da ich rufe; dieses habe ich erkannt, dass Gott für mich ist.“ Heißt das, dass er sich um meinen Sorgenkram kümmert, auch wenn ich bisher vergessen habe, ihm davon zu erzählen, fragte ich mich? Kann ich mich darauf verlassen, dass er mich in den Entscheidungen lenkt, auch wenn ich keine Ahnung habe, welche Richtung ich einschlagen soll? Kann ich mich einfach so auf ihn verlassen, nur wegen einer alten Postkarte am Kühlschrank?

Nach einer Tasse Hustentee sah ich klarer: GOTT steht nicht nur in dicken Lettern auf einer Postkarte, er wohnt auch in mir, lebt mit mir, lenkt meine Gedanken und hält mein ganzes Leben in seiner Hand. Er eilt mir zu Hilfe, wenn ich ihn rufe! Deshalb kann ich mich auf ihn verlassen, in allen Lebenslagen, auch im Alter von beinahe 35 Jahren, in denen man das Leben eben doch noch nicht hinter sich hat.

Schließlich muss es doch einen kleinen Unterschied zur Großmutter geben!

Vielleicht liegt es daran, dass ich die alten Wahrheiten über Gottes Handeln, sein Versprechen, immer mit uns zu sein, seine Trostworte schon so lange kenne, dass ich sie hin und wieder vergesse. Deshalb ist es gut, wenn uns alte Postkarten am Kühlschrank die Gegenwart Gottes wieder ins Gedächtnis rufen.

Am folgenden Tag, es war ein Sonntag, stand im Wochenpsalm: „Dieses habe ich erkannt, dass Gott für mich ist“ (Psalm 56, Vers 10 b).

Da wusste ich es wieder genau: Gott ist für mich!

100

27 Die Kollegin Sie arbeitete seit 10 Jahren in derselben Firma. In dieser Zeit hat sie manch neue Kollegin zur Seite gestellt bekommen und versuchte stets, zu allen gleich freundlich zu sein. Bei mancher ist ihr das leichter gefallen, bei mancher schwerer. So wie das im Leben eben ist.

Jenny glaubte seit vielen Jahren an Gott und versuchte, die Zuversicht und die Freude die der Glaube ihr gab, an die Kolleginnen weiterzugeben. Doch die standen der Gottesfrage allesamt ablehnend gegenüber. Sie hätten ihr Leben zum Glück selbst im Griff, meinten sie. Gott bräuchte man höchstens, wenn man alt sei, und selbst dann könne man sich nicht auf ihn verlassen, war die vorherrschende Meinung im Kollegenkreis. Und überhaupt, wer könne bei all dem Elend dieser Welt noch an den lieben Gott glauben, wurde Jenny als letztes schlagkräftiges Argument entgegengehalten.

101

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 102

Jenny drängte den Glauben niemandem auf, sie gab an ihrem Arbeitsplatz ihr Bestes und hatte ein offenes Ohr für die Nöte der Menschen um sie herum. Eines schönen Morgens, als sie ihr Büro betrat, saß da eine „Neue“ am Schreibtisch ihr gegenüber. Tina kam von einer Zeitarbeitsfirma und war vorübergehend als Krankheitsvertretung eingestellt worden. Tina und Jenny verstanden sich auf Anhieb. Tina hatte zwar viel Liegengebliebenes aufzuarbeiten, doch in den Frühstückspausen unterhielten sich die beiden angeregt. Mit der Zeit wurden die Gespräche persönlicher und schon bald erfuhr Jenny von Tinas Problemen.

Tina war sehr bedrückt, weil ihr Vater vor einem halben Jahr eine Hirnblutung erlitten hatte und seither schwerstpflegebedürftig war. Wegen einer akuten Lungenentzündung wurde er zwischen dem Pflegeheim und Krankenhaus hin- und hergeschoben. Tina fand die ganze Situation äußerst bedrückend und litt mit ihrem Vater. Da ihre Mutter die Erkrankung des Vaters nicht verkraftet hatte, war sie schon seit Monaten in psychiatrischer Behandlung und die ganze Verantwortung für den kranken Vater lag auf Tina. Außerdem konnte Tina ihrer Mutter nicht verzeihen, dass sie die Hirnblutung des Vaters zu spät erkannt hatte und erst nach Stunden den Notarzt rief.

Seit jenem Tag sprach Tina kein Wort mehr mit ihrer Mutter.

Kurz vor Weihnachten verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Tinas Vater erheblich und Tina weinte viel im Büro. Manche Nacht hatte sie neben dem Telefon gewacht und auf den Anruf aus der Klinik gewartet, der ihr mitteilen würde, dass ihr Vater verstorben sei. Sie war mit den Nerven am Ende und die Verantwortung wuchs ihr über den Kopf. Jenny fragte vorsichtig, ob Tina denn an Gott glaube, da sie selbst, durch den Glauben schon viel Trost in schweren Stunden erfahren hatte. Empört wies Tina sie ab: „Wenn ich je an Gott geglaubt hätte – spätestens seit

102

der Erkrankung meines Vaters würde ich es nicht mehr tun. Wie könnte Gott zulassen, dass ein unschuldiger Mensch so leiden muss? Mein Vater war mir immer ein Vorbild, er war so ein guter Mensch, der keinem etwas zu leide getan hat.“ Am letzten Arbeitstag vor Weihnachten brachte Jenny für Tina neben selbstgebackenem Weihnachtsgebäck zwei Schriften mit. Die eine war eine Anleitung, wie man zum persönlichen Glauben an Jesus Christus finden kann. Die andere handelte von Leid und warum ein liebender Gott das zulassen kann. Tina versprach, die Hefte in den Ferien zu lesen.

Es folgten ausgefüllte Weihnachtstage, an denen Jenny Tina völlig vergaß. Doch auch die schönsten Urlaubstage finden gewöhnlich ein viel zu schnelles Ende und so kam der Januar und mit ihm der erste Arbeitstag im neuen Jahr. Als Jenny ihren Computer nach neuen Nachrichten abfragte, stürmte Tina ins Büro. Bevor Jenny wusste, wie ihr geschah, riss Tina sie von ihrem Stuhl hoch und drückte sie an sich. Und schon sprudelte sie los: „Ich wünsche dir ein frohes neues Jahr, Jenny. Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll. Ich habe an Weihnachten deine Heftchen gelesen und bin ein neuer Mensch geworden. Ich habe auch mit meiner Mutter Frieden geschlossen, weil man das ja soll, wie es dort drin steht, obwohl ich im Recht bin.“ Jenny brachte keinen Ton heraus, so verblüfft und erfreut war sie. Endlich, endlich einmal hat sie einem Menschen den Weg zu Gott zeigen können.

Zehn Jahre hatte Jenny auf diesen Tag gewartet.

Und er war gekommen. Es war ihr immer bewusst gewesen, dass Gott auch dann am Wirken ist, wenn wir es nicht sehen. Es mag sein, dass manche Kollegin mehr über Gottes Friedensangebot an die Menschen nachdachte, als sie zugab. Wir erleben nicht immer die Auswirkungen von Gottes Wirken mit. Aber wenn wir es dürfen, ist es etwas Wunderbares.

103

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 104

Jesus wurde einmal gefragt, wann das Reich Gottes beginnt. Er antwortete: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte; auch wird man nicht sagen: Siehe hier! Oder: Siehe dort! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Lukas 17, Vers 20b-21).

Vieles geschieht im Verborgenen der Menschenherzen, ohne dass es uns bewusst ist. Auf einmal entsteht etwas Neues, ohne dass wir sein Werden bemerkt haben. Gott hat unsere kläglichen Versuche, andere auf ihn aufmerksam zu machen, gebraucht. Er hat sie gebraucht, wachsen und reifen lassen und zu seiner Zeit die Ernte eingefahren. So wirkt Gott mit und manchmal auch trotz unserer Mithilfe!

28 Alles nur Flickwerk?

Staunend stand ich vor meiner Wohnzimmerwand und bewunderte mein Werk. „Doch, das habe ich gut hinbekommen“, stellte ich fest. „Wenn man alle Fehler im Leben so gut ausmerzen könnte wie ein Loch in einer geblümten Tapete, wäre das schön“, musste ich denken, als ich mein Flickwerk betrachtete.

Vorausgegangen war meine Aktion: „Bilder aufhängen“ – und zwar alleine. Da gerade niemand da war, der meine Bilder „mehr nach rechts“ oder „mehr nach links“ dirigieren konnte, schlug ich die Nägel nach weiblicher Intuition in die Wand. Trat ich dann zwei Schritte zurück, stellte ich natürlich fest, dass die Bil-der nicht in der gewünschten Proportion zur rechten bzw. linken Wand hingen. Also zog ich die Nägel wieder heraus und versetzte sie. So kam es schließlich, dass ich für ein Bild fünf Nägel benötigte, was im Endeffekt hieß, dass ich vier überflüssige Löcher in der Tapete hatte.

104

105

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 106

Nun hatte ich endlich die Ersatztapete aus dem Keller geholt und die Löcher damit zugeklebt. Ohne Brille kann ich die sorgfältig aufgeklebten Tapetenstücke nun schon gar nicht mehr erkennen, gut gemacht nicht?

Dieses „Flickwerk“ hat mich an die kleinen und größeren Schandflecken erinnert, die sich im Laufe eines Menschenleben so ansammeln. Man schämt sich dafür und versucht, die Flecken zu verdecken, indem man sie „zuklebt“ oder etwas „davor stellt“.

Doch irgendwann trocknet der Kleber aus, die Tapetenflicken lösen sich und der Fleck wird wieder sichtbar.

Wie gut ist es doch, dass Gott unsere Fehler nicht einfach zudeckt, sondern restlos vergibt, wenn wir ihn darum bitten. So hat er es uns in 1. Johannes, Kapitel 1, Vers 9 versprochen: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.“ Gott macht kein Flickwerk, er hat seinen Sohn Jesus für die Menschheit geopfert, um eine komplette Vergebung anbieten zu können. Manchmal hinterlassen unsere Sünden Spuren, die wir trotz Vergebung noch sehen können, wir müssen die Konsequenzen unserer Verfehlungen tragen. Aber die Vergebung Jesu gilt restlos für alle unsere Schuld, und niemand hat mehr das Recht, uns deswegen anzuklagen. Oder würden Sie sich getrauen, in meinem Wohnzimmer die Tapetenflecken von der Wand zu reißen? Ich fände das nicht nett.

Genauso unfein ist es, wenn wir Menschen, die an uns schuldig geworden sind, ihre Verfehlungen noch vorhalten, wenn sie Gott und uns um Vergebung gebeten haben. Wenn Gott jemandem seine Schuld vergibt, wer bin ich, dass ich die Vergebung verweigern darf?

Es gibt Verfehlungen, an denen wir schwer zu tragen haben, die man nicht einfach so im Minutentakt

106

vergeben kann. Manchmal braucht es viel Zeit. Aber dennoch, am Ende sollte die Vergebung stehen, denn uns hat Gott auch vergeben. Und weil Gott so unermesslich groß ist, hilft er uns sogar noch dabei, unseren Mitmenschen zu vergeben. Da möchte ich nicht kleinlich sein!

107

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 108

29 Was ist Reichtum?

Zwei Namen standen auf meiner Liste: Frau Weindorf auf Zimmer 12 und Frau Schilling von Zimmer 8, beide auf der Station 40/2. Seit einem Jahr bereits arbeitete ich ehrenamtlich beim Christlichen Krankenhausbesuchsdienst mit und hatte dabei schon allerhand erlebt. Doch dieser Nachmittag ist mir als besonders eindrücklich im Gedächtnis haften geblieben.

Ich begann meinen Dienst in Zimmer 12 bei Frau Weindorf. Zunächst sah ich nur einen silberfarbenen Lockenkopf unter der Decke hervorschauen. Beim näheren Hinsehen fiel mir dann das hübsche, spitzenbesetzte Nachthemd auf. Da kam mir auch schon ihre Stimme entgegen: „Sie können sich auf den Stuhl dort setzten. Räumen Sie einfach die Zeitungen zur Seite, aber bringen Sie mir bloß nichts durcheinander!“ Also setzte ich mich folgsam auf den zugewiese-

108

nen Stuhl und schon begann Frau Weindorf zu erzählen. Ich erfuhr, dass ihr verstorbener Mann ein sehr bekannter Arzt gewesen war, ebenso wie ihr Onkel und jetzt auch ihr Neffe. Sie hatte ihr Vermögen größtenteils in Aktien angelegt und beim letzten Börsencrash beinahe alles verloren. Sie konnte sich nicht länger mit ihrem Vermögen Anerkennung verschaffen. Deshalb lag sie jetzt wie der Großteil der Patienten in einem ganz normalen städtischen Krankenhaus, anstatt wie früher, in einer Privatklinik aufmerksam umsorgt zu werden. Der Verlust ihres Reichtums und Ansehens machte ihr schwer zu schaffen. Sie tat mir wirklich Leid, deshalb ließ ich mich auch von ihr hin und her kommandieren. Dann kam die Stationsärztin, um die Befunde vom Vortag mit Frau Weindorf zu besprechen, und ich war froh, mich verabschieden zu können.

Nachdenklich ging ich zu meiner nächsten Patientin: Frau Schilling. Sie strahlte mir in einem dieser schrecklichen Krankenhaushemden entgegen und freute sich, dass jemand sie besuchte. Sie kam aus dem Pflegeheim und hatte nur ganz selten Besuch von ihren Enkeln. Ich erfuhr, dass sie Sozialhilfeempfängerin war. Sie war so dankbar, dass sie in diesem Krankenhaus von den Schwestern so liebevoll gepflegt wurde. Sie freute sich an den vergrößerten Fotos ihrer Urenkel, die ihr jemand mitgebracht und an die Wand geheftete hatte. Sie erzählte mir aus ihrem Leben und dankte immer wieder fürs Zuhören. Sicher, auch sie hatte Schmerzen, wenig Besuch und machte sich Sorgen, wie denn alles nach der Entlassung werden würde. Aber sie war dankbar für jede Hilfe und Erleichterung, die sie im Krankenhaus erfuhr. Ihr Zimmer verließ ich beschwingten Schrittes und mit frohen Gedanken.

Auf dem Nachhauseweg dachte ich über das Erlebte und Gehörte nach. Zwei Frauen, eine war sehr reich und angesehen gewesen, die andere eher arm. Doch

109

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 110

was machte das noch für einen Unterschied – von der Qualität der Nachthemden mal abgesehen –, wenn man krank und alleine im Krankenhaus lag? Ist es da nicht viel wesentlicher, was wir in uns tragen? Welch ein elementarer Unterschied kann doch da der feste Glaube an Gott und das Wissen um seine Gegenwart in jeder Situation des Lebens für uns sein! Durch Gott sind wir reich und können die Sicherheit des ewigen Lebens haben, auch wenn wir so arm sind, dass wir kein eigenes Hemd mehr besitzen.

Diese Lektion wurde mir wenige Wochen nach diesen Krankenbesuchen sehr wichtig, als ich plötzlich in einem Punkt selbst betroffen war.

Bei meinem letzten Arztbesuch teilte mir der Arzt mit, dass er mir ab sofort ein für mich sehr wichtiges Medikament nicht mehr verschreiben dürfte. Ich war entsetzt. Endlich ging es mir gut, da traf mich schon wieder ein Querschläger.

Am nächsten Tag bat ich Gott in meiner persönlichen, täglichen Andacht mit der Bibel, mich auf einen Vers aufmerksam zu machen, der in meine Situation passte und mir Ruhe schenken würde. Ich lese meistens fortlaufend in den Büchern der Bibel. An diesem Tag war das 2. Kapitel der Offenbarung an der Reihe.

An Vers 9a blieb ich hängen, dort steht: „Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut – du bist aber reich ...“ Ich merkte sofort, dass das genau der Vers für meine persönliche Situation war: Ich kam mir arm vor, weil ich nicht genügend Geld hatte, um das Medikament privat zu bezahlen. Ich kam mir arm vor, weil ich das Gefühl hatte, ein Opfer des Machtkampfes zwischen Arzt und Krankenkasse zu sein. Ich kam mir arm vor, weil ich mich dem Arzt ausgeliefert fühlte. Und dann steht da einfach in der Bibel: „Aber in Wirklichkeit seid ihr reich!“ Darüber musste ich eine Weile nachdenken.

Nach einiger Zeit dämmerte es mir: Natürlich bin ich reich, sehr reich sogar! Meine Zukunft ist geklärt,

110

denn ich habe durch den Glauben an Jesus Christus das ewige Leben. Leben in Ewigkeit, in der Gegenwart Gottes – wer kann diese Tragweite erfassen? Meine Gegenwart ist durch ein Versprechen Gottes abgesichert: „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir! Habe keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich stärke dich, ja, ich helfe dir, ja, ich halte dich mit der Rechten meiner Gerechtigkeit“ (Jes 41, Vers 10).

Ich weiß, dass Gott seine Versprechen hundertprozentig einhält. Darauf vertraue ich, auch wenn ich mir in meiner momentanen Lage arm vorkomme. Vielleicht ist es manchmal sogar gut, wenn unsere selbsternannten Sicherheiten in sich zusammenfallen, damit wir uns wieder darauf besinnen, woher allein unsere Hilfe kommt.

Jawohl, ich bin reich, auch wenn ich den Kampf um mein Medikament vorerst verloren habe. Aber ich glaube, dass Gott die Macht hat, meine Krankheit auch ohne dieses Medikament unter Kontrolle zu halten. Ich fühle mich sicher, weil ich mich an Gottes Hand gut aufgehoben weiß! „Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt!

Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.

Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.

Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit“.

(Klaus Peter Hertzsch)

111

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 112

30 Das etwas andere Weihnachten Endlich war die letzte Vorlesung vorbei, die Koffer gepackt und ich saß im Bus von Barcelona nach Kehl.

Leider fuhr der Touring-Bus nicht bis Schenkenzell, dem kleinen Schwarzwalddorf, in dem damals meine Familie wohnte. Weihnachten 1989 stand vor der Tür und ich freute mich riesig darauf, meine Familie endlich wiederzusehen.

Die Busfahrt war nicht gerade gemütlich zu nennen.

Erstaunlicherweise war ich nicht die Einzige, die Weihnachten nach Hause wollte. Der Bus war bis auf den letzten Platz besetzt. Der Sitz neben mir war bis zur letzten Haltestelle in Spanien freigeblieben und zu meinem Entsetzten stieg dort ein ca. 180 kg schwerer Mann zu, der sich genüsslich neben mir in den Sitz fallen ließ. Natürlich benötigte sein Lebendgewicht noch einen Großteil meines Sitzes. Das alleine wäre nicht das Schlimmste gewesen, wie ich recht bald feststellen

112

musste. Mein Nebensitzer nutzte die lange Nacht dazu, mir die Vorzüge seiner Persönlichkeit und seine Karriere als erfolgreicher Diskothekenbesitzer sehr detailgetreu zu schildern. Dabei wanderte seine Hand immer wieder zu meinem rechten Knie und ich war vollauf damit beschäftigt, diese Hand auf meinem Knie wieder ihrem rechtmäßigen Eigentümer zuzuführen.

So kam es, dass ich mich während der gesamten 16stündigen Busfahrt dicht an das Fenster presste und den Kopf in einer bedenklichen Schieflage weit weg von meinem Nachbarn hielt. Wenige Stunden nach meiner glücklichen Ankunft in Deutschland rächte sich mein Hals mit Steifheit und Schmerzen. Doch da Frauen im Allgemeinen hart im Nehmen sind, maß ich dem Ganzen keine größere Bedeutung zu, freute ich mich doch so sehr auf Weihnachten, das wir in diesem Jahr zum ersten Mal bei meiner Patentante Margret in Wunstorf bei Hannover verbringen wollten. Sie war bekannt dafür, eine hervorragende Köchin und Gastgeberin zu sein.

Kurz vor Weihnachten wurden meine Halsschmerzen jedoch ziemlich unerträglich und ich beschloss, vor den Feiertagen vorsorglich noch einen Arzt aufzusuchen. Dieser schickte mich zum Röntgen ins Krankenhaus. Anstatt endlich meinen Hals zu röntgen, steckte die Krankenschwester mir jedoch nur ein Thermometer in den Mund. Der Arzt kam und verkündete mir mit ernster Miene, dass ich ein hühnereigroßes Geschwür am Hals habe, das sofort operiert werden müsse, so man denn könne. Da ich hohes Fieber hatte, war an eine Operation jedoch nicht zu denken und ich wurde auf Station verlegt, um zum ersten Mal in meinem Leben Weihnachten im Krankenhaus zu verbringen.

Ich war untröstlich. Hatte nicht ich die Einladung bei meiner Tante organisiert und mich so unendlich auf das Fest bei ihr gefreut? Außerdem, die Familie

113

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 114

musste hinfahren, denn meine Tante hatte schon Unmengen an Köstlichkeiten eingekauft und vorgekocht. Überhaupt konnte man nicht zulassen, dass Onkel Peter alles alleine aufessen musste.

Der Tag der Abreise nach Wunstorf kam und ich lag in Freudenstadt im Krankenhaus und bekam dank meines hohen Fiebers nicht mit, wie die Stunden dahinschlichen. Am Morgen des 24. Dezembers betrat mein Vater leise das Krankenzimmer. Wenn ich nicht schon im Bett gelegen hätte, wäre ich mit Sicherheit vor Schreck umgefallen. Mit meinem Vater hatte ich auf keinen Fall gerechnet, denn gehörte zu einem kranken Kind nicht unbedingt die Mutter? Außerdem hatten wir zu jener Zeit nicht gerade ein inniges Verhältnis. Irgendwie klappte es mit der Kommunikation zwischen uns beiden nicht. Was einer von uns sagte, bekam der andere grundsätzlich in den falschen Hals und wir redeten aneinander vorbei. So hatten wir ein sehr angespanntes Verhältnis.

Doch jenes Weihnachtsfest sollte der Wendepunkt werden. Mein Vater hatte mit dem Stationsarzt verhandelt und erwirkt, dass ich an Heiligabend für drei Stunden nach Hause durfte. Liebevoll, sanft und ungeschickt versuchte mein Vater auf meine Bitte hin, mein über ein Meter langes Haar zu entwirren und zu kämmen. Dann führte er mich ins Wohnzimmer, wo er den Kaffeetisch gedeckt hatte. Man sah es dem Tisch an, dass mein Vater es nicht gewohnt war, ihn zu decken. Es gab Kaffee aus Mutters Teekanne und den Kuchen aßen wir mit Fleischgabeln. Auf meinem Platz lag mein Weihnachtsgeschenk, ein großes Etwas, in viele Lagen Weihnachtspapier gehüllt und mit unglaublichen Mengen Tesafilm zusammengehalten. Aber in all diesem Tun war so viel Liebe versteckt, dass ich völlig überwältigt war. Während des Abends sprachen wir uns dann einmal richtig aus und haben viele Missverständnisse aus meiner Teenagerzeit aus dem Weg geräumt. So gesehen, war es vielleicht das

114

schönste Weihnachtsfest, das ich je hatte. Mit Sicherheit aber das einzige Weihnachten, an dem die Weihnachtsbotschaft „Friede auf Erden“ so direkt in meinem Leben Wirklichkeit wurde.

Als die Feiertage vorbei waren und die Ärzte voller Tatendrang und Operationslust ins Krankenhaus zurückkehrten, enthüllte eine Krankenschwester meinen eingewickelten Hals. Die Ärzte mussten mit Bedauern feststellen, dass sie zu spät gekommen waren.

Das Geschwür war von alleine verschwunden.

115

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 116

31 Sind die Kleinen immer die Dummen?

Während Tante Christa das Nudelwasser abschüttete und eine Vielzahl von leckeren Salaten schon auf dem Tisch bereit stand, sah ich mich in der Küche um. Die Seitenwand des Küchenschrankes schien die Verwaltungszentrale der 8-köpfigen Familie zu sein.

Neben Stundenplänen, Terminzetteln und Impfinformationen hing eine Strichliste mit der Überschrift „Mineralwasser aus dem Keller holen“. Darunter waren die Namen der Familienmitglieder aufgelistet und daneben eben die Striche, die anzeigten, wer wie oft schon den Weg in den Keller angetreten hatte. Ich musste schmunzeln, als ich sah, dass David, das jüngste Familienmitglied, in dieser Woche schon 17 Mal Wasser geholt hatte, während Josa, der Zweitjüngste, erst 5 Striche hinter seinem Namen aufweisen konnte. „Typisch“, dachte ich, „genauso war es auch in unserer Familie. Immer der Jüngste musste dran glauben!“

116

Für mich war das damals natürlich kein Problem gewesen, schließlich war ich die Älteste. Mein kleiner Bruder Karl-Ernst, der Jüngste von uns drei Kindern, war zwar der Kleinste, aber keineswegs der Schüchternste. Lautstark tat er seinen Unmut kund, schimpfte über Ungerechtigkeit und Sklavendienst, während er wütend die Kellertreppe hinunter stampfte. Auch die hochwertige pädagogische Erklärung unseres Vaters, dass „in jeder Familie derjenige mit den jüngsten Beinen“ in den Keller geschickt wurde, konnte meinen Bruder nicht beruhigen. Was für ein Glück, dass er dieses jahrelange „Unrecht“ so unbeschadet überstanden hat.

Ich als Älteste musste zwar nicht so oft in den Keller laufen, aber ich bin bis heute die Kleinste von uns Geschwistern. Meine Brüder überragen mich um mindestens 25 cm. Das hat auch seine Nachteile, z. B. wenn man die ersten Kirschen vom Baum pflücken möchte, über den Zaun springen will, um einen Weg abzukürzen oder es einfach nicht schafft, in Vaters Auto die Kupplung durchzutreten, weil die Beine zu kurz sind.

Doch diese „Unzulänglichkeiten“ konnte ich mit den Jahren durch so manchen Trick ausgleichen. Viel schlimmer empfand ich dagegen andere Benachteiligungen. Viele Jahre später, als ich in einer großen Pharmafirma tätig war, hatte ich den Eindruck, dass die Ehrlichen, die Bescheidenen und die Anständigen die Dummen sind. Da hatte ein Kollege seinen Namen unter eine Übersetzung gesetzt, die mir gut gelungen war. Er bekam eine Belobigung, während ich hart für einen Fehler kritisierte wurde, den mir jener Kollege untergejubelt hatte. Ich regte mich sehr über dieses Unrecht auf, hatte jedoch nicht den Mut, die Tatsachen klarzustellen.

Es gab noch manche Erlebnisse, in denen die Wahrheit mir vordergründig Nachteile einbrachte.

Doch diese wogen nicht so schwer wie eine Lüge, die

117

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 118

die Beziehung zu Gott getrübt hätte. In vielen Fällen habe ich später erfahren, dass Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit die Wegbereiter für mein Ziel waren.

Ich kenne manche Christen, die vordergründig Nachteile in Kauf nehmen, weil sie wahrhaftig sind.

Sei es bei der Steuererklärung, bei Eintrittspreisen („Wie alt ist ihr Kind“?), Versicherungsfragen oder Bewerbungsgesprächen. Doch Gott steht zu seinem Wort und belohnt den Gehorsam seiner Kinder.

Wie froh bin ich angesichts mancher Ungerechtigkeit in dieser Welt, dass bei Gott andere Maßstäbe gelten als in unserer Gesellschaft. Jesus selbst sagt uns: „Aber viele Erste werden Letzte und Letzte Erste sein“ (Matthäus 19, Vers 30).

Und Paulus schreibt: „Das Törichte der Welt hat Gott auserwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt, damit er das Starke zuschanden mache. Und das Unedle der Welt und das Verachtete hat Gott auserwählt, das, was nicht ist, damit er das, was ist, zunichte mache“ (1. Korinther 1, Verse 27-28).

Es gibt weitaus schlimmere „Gemeinheiten“, die einem im Leben begegnen können, als immer zum Wasser holen in den Keller geschickt zu werden. In solchen Situation ist es mir ein erheblicher Trost, dass Gott am Ende unseres Lebens die Dinge richtig stellen wird.

Ich finde es großartig, dass er sich zu uns stellt, wenn wir uns zu ihm bekennen, und dass bei ihm in Ewigkeit Gerechtigkeit und Barmherzigkeit herrschen werden. Und weil Gott so allmächtig ist, kann er kleine und schwache Menschen gebrauchen, um seinen Plan zu verwirklichen. Ich finde, die Kleinen sind keinesfalls die Dummen, sondern von Gott persönlich ausgesucht! Welch ein Privileg!

118

32 „Wie viele Hände hat Gott?“ Das Frühstück hatten sie ohne ungewöhnlich viele „Um“fälle von Milchbechern und Honigglas gut hinter sich gebracht. Zum Schluss dankte die Mama Gott noch für das Essen und bat um Hilfe für den Tag, um Bewahrung für Papa bei der Arbeit, um Schutz für Tante Kati, um Gottes Segen für Oma und Opa und schließlich um Sonnenschein für den Ausflug des Kindergartens.

Man sah es der kleinen, aber aufgeweckten Kristin an, dass das Gebet sie beschäftigte. Und schon platzte sie ehrfürchtig mit ihrer Frage heraus: „Mama, hat denn Gott tausend Hände?“ Die Mama überlegte, wie sie die Allmacht Gottes einem kleinen Mädchen erklären könnte. Dann fand Mama es am besten, der Vorstellungskraft ihres Mädchens nachzugeben und erwiderte: „Ja, das könnte man so sagen, Gott hat tausend Hände, vielleicht sogar noch mehr.“

119

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 120

Es war einige Wochen später, als ich in eine sehr bedrängende Notlage kam. Ich setzte alle Hebel in Bewegung, um die notwendige (hier wörtlich gemeint: die Not wendende) Hilfe zu bekommen. Trotz zunächst guter Erfolgsaussichten und williger Helfer, scheiterte unser Plan und ich saß mit meiner Not alleine da. Ich opferte meinen Sorgen einige unerquickliche Nachtstunden. Am nächsten Morgen stieß ich während der Andacht auf folgenden Vers: „Er wird nicht zulassen, dass dein Fuß wanke. Dein Hüter schlummert nicht“ (Psalm 121, Vers 3). Da wusste ich es wieder: Gott hat die Macht, mir zu helfen, auch ohne menschliches Zutun; auch ohne die Mittel, die ich für unbedingt nötig halte – einfach deswegen, weil er Gott ist und mir seine Hilfe versprochen hat. Es hat mich ungemein erleichtert, wieder daran erinnert worden zu sein, dass Gott nicht im Himmel schläft, während ich meine, hier auf der Erde zu verkommen. Nein, er sieht mich, kümmert sich um meine Angelegenheiten und er behütet mich. Gott schafft das nämlich, auch wenn er sich gleichzeitig um Tante Kati, Kristins Papa und den Kindergartenausflug kümmern muss – ob nun mit oder ohne tausend Hände, überlasse ich getrost ihm! „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des der den Himmel lenkt: Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann“.

(Paul Gerhardt)

120

33 Der neue Chef Susanne merkte recht schnell, dass ihr neuer Chef anders war als ihre bisherigen Vorgesetzten. Er war nicht so aalglatt und machtgierig wie seine Vorgänger.

Auch ließ er Susanne nicht für sich lügen, wenn ihm ein Telefonat oder Besucher unangenehm war.

Schade nur, dass er verheiratet war nette Männer sind fast immer verheiratet!

Sie gewöhnte sich bald an seine Arbeitsweise und war froh, so einen umgänglichen Chef erwischt zu haben. Natürlich merkte sie mit der Zeit auch, dass er nicht in allen Dingen perfekt war – doch er hatte den Mut, zu seinen Fehlern zu stehen.

Zu Weihnachten bekam sie außer dem üblichen Scheck der Firma von ihrem Chef ein christliches Buch geschenkt. Sie war sehr erstaunt darüber. Nie hätte sie gedacht, dass ihr Vorgesetzter mit Religion etwas am Hut hatte, schließlich war er doch modern

121

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 122

und aufgeschlossen. Bei der gemütlichen Kaffeerunde vor dem Weihnachtsurlaub getraute Susanne sich, ihre Gedanken zu dem Buch zu äußern. Daraufhin erklärte ihr Vorgesetzter, dass er nicht religiös veranlagt sei, sondern Christ aus Überzeugung ist. Susanne hatte bisher gedacht, dass das ein und dasselbe sei.

In den folgenden Monaten hat Susanne öfter mit ihrem Chef über dessen Glauben gesprochen, denn so langsam wurde sie neugierig. Einmal erfuhr sie, dass man nicht automatisch in den Himmel kommt, wenn man ein einigermaßen ordentliches Leben führt. Das beunruhigte sie doch sehr, denn bislang glaubte sie, den Himmel sicher in der Tasche zu haben. Dann lud ihr Chef sie zu einem Bibelgesprächskreis ein, in dem die Wahrheiten der Bibel näher erläutert wurden. Dort erfuhr Susanne, dass alle Menschen Sünder sind, einfach deshalb, weil sie als Sünder geboren wurden und nicht wegen der unrechten Dinge, die jeder in seinem Leben – mehr oder weniger – tut. Im Verlauf des ersten Gesprächskreises wurde dann auch erklärt, dass Menschen deshalb nicht einfach in den Himmel kommen können, weil Gott durch und durch heilig ist und keine Sünde oder Sünder im Himmel dulden kann (siehe Grafik 1, S. 125). Als Versöhnungsangebot hat Gott seinen Sohn, Jesus, auf die Erde geschickt. Durch seinen Tod am Kreuz von Golgatha hat Jesus die Sünde der ganzen Menschheit auf sich genommen.

Es dauerte einige Tage, bis Susanne begriff, dass Jesus vor etwa 2000 Jahren für sie persönlich starb, lange bevor sie überhaupt geboren wurde. In den folgenden Bibelgesprächskreisen gingen ihr mehr und mehr Lichter auf. Sie begriff, dass sie das Versöhnungsangebot Gottes auch akzeptieren musste, damit die Vergebung der Schuld in ihrem Leben Wirklichkeit werden kann. Es wurde klar und deutlich erklärt, dass man Vergebung seiner Schuld – und zwar aller Schuld – bekommt, wenn man Jesus im Gebet darum bittet. Zu

122

diesem Thema wurde die Bibel aufgeschlagen, im Neuen Testament der 1. Johannesbrief, Kapitel 1 Vers 9: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.“ Wenn man glaubt, dass der Tod Jesu für einen persönlich gilt, wenn man Jesus seine Sünden bekennt und glaubt, dass Jesus der Weg zum Himmel ist, und bereit ist, sein Leben in Zukunft von Jesus bestimmen zu lassen, dann ist man ein wahrer Christ (siehe Grafik 2, S. 126). Susanne dämmerte es, dass sie hier das gehört hatte, wonach sie schon so lange suchte. Nach wirklichem Frieden für ihre Seele und nach Freude, die nicht vom Wetter oder Urlaub abhängig ist. Doch so recht getraute sie sich noch nicht, dieser neuen Erkenntnis nachzugeben.

Sie hatte Angst, dabei etwas falsch zu machen. So blieb sie nach dem letzten Gesprächskreis noch an der Garderobe stehen, bis die anderen Teilnehmer gegangen waren. Dann fasste sie all ihren Mut zusammen und bat die Frau ihres Chefs darum, mit ihr zu beten und Gott zu sagen, dass sie an Jesus glaubt.

Langsam sprach sie die Worte nach, die sie hörte: „Herr Jesus Christus, ich habe erkannt, dass ich eine Sünderin bin und Vergebung brauche. Ich brauche dich. Dir bekenne ich meine Sünde und Schuld ... Bisher habe ich mein Leben selbst in die Hand genommen, jetzt möchte ich, dass du die Führung übernimmst. Ich bedaure und bereue meine Schuld aufrichtig. Bitte reinige mich von aller Schuld und bitte vergib mir. Dein Blut ist auch für mich am Kreuz geflossen. Das glaube ich. Du sollst ab heute über mein Leben bestimmen dürfen.

Verändere mich so, wie es dir gefällt. Nimm du den ersten Platz in meinem Leben ein. Mach mich zu deinem Kind. Du versprichst es in der Bibel: Jeder, der dich aufnimmt, wird ein Kind Gottes (Johannes 1, Vers 12). Und weil du hältst, was du versprichst, darf

123

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 124

ich davon ausgehen, dass ich jetzt dein Kind bin. Ich verlasse mich ganz auf dich. Auch von den Sünden, die mir im Moment nicht bewusst sind, reinige mich bitte. Auch von allen finsteren Bindungen des Aberglaubens, der Wahrsagerei und Magie reinige und erlöse mich. Ich sage mich jetzt im Namen Jesu davon los, von allem was meinen Leib, meine Seele und meinen Geist gebunden hat. Herr Jesus, übernimm jetzt die Herrschaft in meinem Leben. Danke für deine große Liebe, mit der du mich zuerst geliebt hast.“ Susanne war so erleichtert, dass ihr fast die Tränen kamen. Endlich hatte sie das entscheidende Gebet gesprochen. Sie konnte kaum glauben, dass es so einfach gewesen war. Doch ihr neues Leben, das nun begonnen hatte, hing nicht von ihren Worten, sondern von der Erlösungstat Jesu Christi ab, die diesen Worten Kraft verleiht. Bevor Susanne nach Haus fuhr, wurde ihr noch empfohlen, täglich in der Bibel zu lesen, um Jesus besser kennen zu lernen. Außerdem wollte sie weiterhin an den Bibelgesprächskreisen teilnehmen, um wie eine junge Pflanze in ihrem Glauben wachsen zu können und tiefer darin verwurzelt zu werden. Susanne hatte nun begriffen, dass sie in Jesus das gefunden hatte, wonach sie bisher so verbissen und doch vergeblich gesucht hatte. Sie konnte die Freude des Gefängniswärters aus der Geschichte im neuen Testament nachvollziehen, als er auf seine Frage: „Was muss ich tun, dass ich errettet werde?“, die Antwort bekam: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden, du und dein Haus“ (Apostelgeschichte 16, Verse 30-31).

Dann kam das Wochenende und mit ihm Susannes erste Zweifel. War sie nun wirklich Gottes Kind, einfach nur, weil sie Jesu Worten glaubte? Susanne wagte es nicht, ihren Chef am Wochenende anzurufen, und sonst kannte sie keine Christen. So beschloss sie,

124

die Zweifel zu verdrängen, und begann ihre Fenster zu putzen, die förmlich nach Wasser und Putzmittel schrien. Damit sich die ganze Sache jedoch nicht so langweilig gestaltet, schaltete sie den Fernsehapparat ein. Es lief gerade die Übertragung des FußballChampionsleague-Finalspiels und die sich fast überschlagende Stimme des Reporters gab ihr den nötigen Schwung. Gerade als Susanne ins Wohnzimmer kam, um dort das Fenster zu putzen, schoss ein Leverkusener Spieler ein Tor. Vor Freude riss er sein Trikot hoch und auf dem T-Shirt, das er darunter trug, stand klar und deutlich zu lesen: „Jesus liebt dich.“ Da wusste Susanne es plötzlich wieder: Jesus liebte sie so sehr, dass er für sie gestorben war, um den Weg in den Himmel für sie freizumachen. Und weil sie das glaubte, von ganzem Herzen glaubte, war sie sein Kind.

Am Montag sprach sie mit ihrem Chef über das Erlebnis vom Wochenende und er bestätigte ihr, dass Jesu Liebe und ihre neue Beziehung zu Jesus felsenfest bestehen bleiben, unabhängig von Zweifeln und Gefühlen. Denn Susanne war jetzt in der Hand Gottes geborgen, für Zeit und Ewigkeit.

Grafik 1 veranschaulicht, wie die Sünde einen unüberwindbaren Graben zwischen dem Menschen und Gott

125

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 126

darstellt. In der Bibel steht: „Denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Römer 3, Vers 23).

Nachwort In Grafik 2 sehen wir, dass Jesus die Brücke ist, über die der Mensch zu Gott gelangen kann. „Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich“ (Johannes 14, Vers 6).

Die Geschichten in diesem Buch erscheinen mir bunt wie das Leben: Gelb – wie der Frühling – wenn die Freude langsam erwacht und Leben wächst.

Rot – wie die Liebe – wenn Gottes Liebe Menschenherzen verändert und Menschen Staunen lernen.

Grün – wie die Natur – wenn Hoffnung aufkeimt und Einsicht weise macht.

Blau – wie das Meer – wenn die Weite der Güte Gottes aufatmen lässt und das Ziel am Horizont die Verzweiflung verdrängt.

Schwarz – wie die Trauer – wenn Menschenleid und

126

127

Zum_Glueck_bin_ich.qxd

15.07.2003

14:38 Uhr

Seite 128

Schmerz uns verstummen lassen und wir merken, dass hier das Vertrauen in Gottes gute Wege mit uns gefragt ist.

Ich wünsche den Leserinnen und Lesern, und natürlich auch mir, dass unser Glaube und Vertrauen in den Einen immer größer wird, der uns versprochen hat, dass er jedes Haar auf unserem Kopf gezählt hat: Jesus sprach: „Werden nicht fünf Sperlinge für zwei Pfennig verkauft? Und nicht einer von ihnen ist vor Gott vergessen. Aber selbst die Haare eures Hauptes sind alle gezählt. Fürchtet euch nicht! Ihr seid mehr als viele Sperlinge“ (Lukas 12, Verse 6-7).

Ich möchte dieses Buch nicht schließen, ohne meiner Familie für alle Liebe und den Rückhalt, den sie mir gibt, zu danken: Herzlichen Dank an meine Mutter, Marta Klara, für alles Mutmachen und natürlich für die unzähligen Briefe und Anrufe.

Besonderen Dank an meinen Vater, Paul Wilhelm, der die Telefonrechnung bezahlt und immer einen besonders starken Kaffee kocht, wenn ich zu Besuch komme.

Vielen Dank an meine Schwägerin Debora für wunderbare Gespräche (und sehr gute Mahlzeiten) und für meinen Neffen Joel und an meinen Bruder Karl-Ernst für die klugen Kommentare über die 1. Fußball-Bundesliga und seine Zuverlässigkeit.

Nicht zu vergessen den Rest der Familie, Schwägerin Rahel und Bruder Samuel mit ihren Buben, die sich in der Schweiz eingerichtet haben und super leckere Schokolade liefern.

Danke allen Menschen, die in treuer Fürbitte hinter uns stehen. Gott segne Sie! Rose Höfflin im Juni 2003

128