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Wo bleibt die Würde im Umgang mit unseren pflegebedürftigen Menschen?
from Neu Nota Bene 26
by Mateo Sudar
von Manfred Preuss
Die Altenpflege befindet sich in einer existentiellen Krise. Es fehlen zunehmend die Menschen, die sich den Herausforderungen von Betreuung und Pflege mit Engagement und Leidenschaft stellen wollen. Es fehlen Fachkräfte in bedrohlichem Ausmaß. Einrichtungen können einzelne Wohnbereiche wegen des Personalmangels nicht mehr belegen, ganze Pflegeheime schließen, weil ihnen die explodierenden Kosten wirtschaftlich das Genick brechen. Und das alles bei dem ständig steigenden Bedarf an notwendigen zusätzlichen Versorgungsangeboten. Die Politik erscheint gelähmt, ja zuweilen geradezu hilflos.
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Noch im letzten Jahr hatte man öffentlichkeitswirksam versprochen, dass man politisch sicherstellen würde, dass sich die von Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeheimen zu leistenden einrichtungseinheitlichen Eigenanteile (EEE) deutlich und dauerhaft reduzieren würden. Schon damals hatte man „vergessen“, darauf hinzuweisen, dass sich das nur auf die anteiligen Pflegekosten in den Pflegesätzen beziehen würde. Unverändert waren und sind die weiteren Kostenbestandteile für Unterbringung und Verpflegung und Investivkosten zu zahlen. Seriöse Information sieht anders aus.
Inzwischen sind gesetzliche Maßnahmen angeschoben worden, die mehr Personal und dessen deutlich bessere
Vergütung versprechen – zur Verbesserung der Arbeitsplatzqualität in der Pflege. Dies war und ist dringend erforderlich und wurde von Pflegeanbietern seit Jahrzehnten nachdrücklich gefordert. Unbestritten. Auch das soll aber als politischer Erfolg verkauft werden – nur hat man einmal mehr den davon betroffenen Menschen nicht gesagt, dass dies natürlich zu höheren Kosten in der Pflege führen wird. Wolle man nicht, dass diese von den Verbrauchern zu tragen sind, hätte der Staat darlegen müssen, wie er zur Entlastung der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen sich die Finanzierung dieser Mehrkosten vorstellt. Bis heute hören wir hierzu nichts. Das sind nicht nur handwerkliche Fehler, das ist respektlos.
Gleiches gilt für den Ausgleich der inflationären Kostenentwicklung für nahezu alles, was im Pflegealltag benötigt wird – Lebensmittel, Energie, Dienstleistungen u.v.m.
Dies alles führt durch einen schlecht oder gar nicht recherchierenden Journalismus zu der unseligen öffentlichen Diskussion, die Heime würden mit „ihren“ steigenden Preisen die alten Menschen scharenweise in die Sozialhilfe treiben.
Und damit sind wir beim Kernproblem eines würdigen Umgangs mit den Sorgen und Nöten pflegebedürftiger alter
Menschen. Es muss endlich Schluss sein damit, unser bestehendes System der Inanspruchnahme von Sozialhilfe bei Pflegebedürftigkeit zu stigmatisieren. Diese soziale Unterstützungsleistung des Staates ist kein Almosen, für deren Inanspruchnahme man sich schämen müsste.
Der betreffende alte Mensch muss nicht um Hilfe betteln, er hat einen gesetzlich verbrieften Anspruch, dass er sich – unabhängig von seiner finanziellen Situation – darauf verlassen kann, immer die Hilfe zu erhalten, die er benötigt. Egal, wie gut oder schlecht es ihm geht, egal, ob er arm ist oder nicht –am Lebensabend wird er durch Betreuungs- oder Pflegebedürftigkeit nicht zu einem Menschen zweiter Klasse.
Es ist eine der bedeutendsten Säulen unseres nach dem zweiten Weltkrieg geschaffenen Sozialsystems, genau die Menschen im Alter zu schützen, die letztlich unser Gemeinwesen mit ihrer Kraft und Arbeit zu einem blühenden Land gemacht haben. Es ist ein Ausdruck von Dankbarkeit und Respekt.
Warum hat man das vergessen? Weil der Missbrauch von Sozialleistungen in vielen anderen Gesellschaftsbereichen überhandgenommen hat. Deshalb ist es notwendiger denn je, eine klare Grenzlinie zu der Lebenssituation unserer älteren Generation zu ziehen.
Mein Appell an die Politik lautet: Nehmt unseren Alten das Stigma, befreit sie von der empfundenen Scham. Gebt dieser gesellschaftspolitisch wichtigen und gesetzlich garantierten Finanzierung von Pflege im Alter, auf die wir alle stolz sein dürfen, endlich ein menschlicheres Antlitz – verbannt für diese Leistung den Begriff „Sozialhilfe“. „Pflegebonus“, „Pflegerente“ oder auch „Betreuungsausgleich“ wären da sicher schon besser. Lasst Euch was einfallen. Gebt unseren Alten ihre Würde wieder.