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Über das Erinnern als Informationsaktivist*in

Gedicht in Schichten

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Text: Julia Nitschke

Das war der Anfang des Slogans Be a Public Historian.

Später kamen andere Projekte – Hybridity, Arbeiten in Schichten, Exophony etc. – entstanden. Ich glaube schon, dass es mir in den letzten vier Jahren einigermaßen gelungen ist, die Agenda voranzutreiben und die alberne Debatte überflüssig zu machen. Und das konnte nur geschehen, weil viele von Ihnen, lokale Künstler, Aktivisten, Schriftsteller, Denker mir vertraut haben und Projektpartner wurden.

Ich denke, dieser Geist soll in dieser Ausgabe repräsentiert werden. Nicht als nostalgische Reise oder Projektbericht oder gar als Abschied von mir, sondern als Ihre persönliche (etwas subjektive) Sicht auf das Konzept, dass das Lokale nicht provinziell ist. Vielleicht erwähnen Sie darin nicht einmal das AkademieProjekt. Aber Ihre Erfahrung, die vielfältigen Geschichten und Vermächtnisse feministischer Bewegungen auszugraben, kann als nächste Idee/Agenda angesprochen werden. Dann sind Sie natürlich ein kreativer Autor und werden Ihre eigene Note einbringen. Ich sage also nichts über die Form.

Über das Erinnern als Informationsaktivist*in

1. Es ist allgemein bekannt, dass unser Gehirn uns in unseren Erinnerungen – öfter als uns lieb ist – täuscht. Das Gehirn ist meisterlich darin, unsere Erinnerungen in eine gewünschte

Richtung zu überschreiben. Gibt es vermeintliche Beweise, wie etwa Fotos, verstärkt sich der Eindruck dieser überschriebenen

Erinnerung mit jeder erneuten Erzählung.

Es wird am Ende wahr. 2. Obwohl unsere Erinnerungen fluide sind, dürfen und müssen wir uns vor Gericht auf sie beziehen. 3. Obwohl sie fluide sind, sind sie unser

Anker im jetzigen Sein. Eine Vergewisserung für unser Sein. 4. Eva zitiert immer Carolyn Dinshaw und sagt, das Archivmaterial eröffne eine „community across time“. 5. Ohne Archive gäbe es keine Beweise für die Vergangenheit. 6. Archive sind Machtinstrumente. 7. Archive sind das normierte kollektive

Gedächtnis. 8. Ohne Archive von unten gäbe es nur die Norm im kollektiven Gedächtnis. Ohne

Archive würden wir endlos im luftleeren

Kontext wabern. Generation für Generation mit unserer Arbeit von vorne anfangen. 9. Größer als die Beweise in all den

Archiven sind die Lücken aller nicht festgehaltenen Materialien. Und trotzdem können wir nicht loslassen. 10. Größer ist die Lücke, die aufgrund fehlender Perspektiven entsteht.

Jede Generation aufs Neue. Und die nur von außen festgestellt wird. 11. Ohne Sorgearbeitende würden diese

Erinnerungen nicht aktiviert werden. 12. Archivar*innen erhalten und kümmern sich um die Struktur. Die Menschen, die das Material nutzen und nach außen tragen, sind Informationsaktivist*innen. 13. Sie verkörpern die Energie des Herausholens,

Anfassens, Auffindens. Ihnen fallen die

Erinnerungen ‚zuhänden‘ und durch sie werden sie erinnert und verlebendigt. 14. Das Material entfaltet in seiner Aktivierung seinen ganzen Wert. 15. Jeder Gang ins Archiv trägt eine neue

Schicht Wissen ab. 16. Jedes Wissen generiert neues Unwissen. 17. Jede Wiederbelebung des Materials ist eine Wiederholung; und doch wird sie niemals dupliziert werden können. 18. Diese Informationen sind emotionale

Daten zum Verlieben, zum Streiten, zum

Argumentieren. 19. Sie sind die fehlende Zutat, um die Zukunft zu imaginieren. 20. Sie sind Arbeit am kollektiven Gedächtnis.