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Kunst und Kultur 34

Kulturbiergarten: So stellt sich die KQA-Initiative in ihrer neuen Broschüre eine Belebung der Außenfläche an der Allgäuhalle vor.

KOMMT BEWEGUNG IN DIE SACHE?

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ALLGÄUHALLE: BIGBOX UND KQA-VEREIN REDEN MITEINANDER

Das Beste wäre, man könne über einen gemeinsamen Vorschlag der beiden Bewerber um eine Folgenutzung in der Allgäuhalle entscheiden, so lautet der Auftrag des Werkausschusses des Kemptener Stadtrats an bigBOX-Geschäftsführer Christof Feneberg und den Kulturquartier Allgäu e. V. (KQA). Dieser Ausschuss ist zuständig für den „Kempten Messe- und Veranstaltungsbetrieb“, der die Festwoche veranstaltet sowie Kornhaus oder Markthalle verwaltet und vermietet – und eben auch die umworbene Allgäuhalle. Im Oktober fanden diese Gespräche statt, damit bestenfalls schon in der nächsten Ausschusssitzung im November entschieden werden kann – entweder für einen solchen gemeinsamen Kompromissvorschlag oder aber zwischen beiden Konzepten, sollte es keine Einigung geben.

Generell geht es derzeit nur um eine vorläufige Zwischennutzung von Teilflächen, bis für das gesamte, inklusive Parkplatz, 23.000 Quadratmeter große Areal als letzte innerstädtische Entwicklungsfläche ein endgültiges Gesamtkonzept steht. Zudem sind im städtischen Haushalt aktuell keine Gelder eingeplant, um die beiden seit Mai leerstehenden Hallen und hier insbesondere die Böden für jegliche Nachnutzungen um- beziehungsweise rückzubauen.

OFFENER BRIEF MIT NAMHAFTEN UNTERSCHRIFTEN

Auf frischen Rückenwind kann der KQA-Verein dank eines offenen Briefes an Oberbürgermeister und Stadtrat bauen, den Anfang Oktober nicht nur viele Kunst- und Kulturschaffende aller Sparten unterschrieben haben, sondern unter anderen auch die Vorsitzenden von Heimatverein, Altstadtfreunden, Klecks e. V., artig e. V., Lollipop und Theaterverein Stupor Mundi sowie Vertreter:innen von Tanzherbst, Künstlerhaus und den „Wendejacken“. In diesem Brief plädieren sie für eine gemeinnützige und soziokulturelle Nutzung der Allgäuhallen-Gaststätte als Kleinkunstbühne sowie Jazzclub und bitten den Stadtrat um eine entsprechende Entscheidung, die der Kommune keinen Cent kosten werde. Zudem unterstreichen sie den hohen Flächenmangel, wie er auch im Kulturentwicklungskonzept der Stadt Kempten attestiert wird.

Die Gaststätte als Kleinkunstbühne und Musikclub, wie sie in einer neuen Broschüre vorgestellt wird.

NEUE BROSCHÜRE FÜR GASTSTÄTTEN-KONZEPT

Das bereits im Frühjahr 2022 vorgestellte Konzept umfasst eine Anmietung durch einen gemeinnützigen Träger und eine Bespielung der Gaststätte mehrmals pro Woche. Auch das zeitweilige Mieten weiterer Teilflächen, zum Beispiel für Kunstausstellungen, Schallplattenbörsen oder einen „Kulturgarten“, ist vorgesehen. Das Konzept wurde nun nochmals detailliert in einer großformatigen Broschüre unter dem Titel „Kulturwirtschaft“ ausgearbeitet und dargestellt. Diese liegt unter anderem in der Galerie Kunstreich und im Künstlerhaus aus. Schwerpunkte darin sind neben kulturellen Themen ebenso Inklusion, Nachhaltigkeit, Aufwertung der Innenstadt und das Gedenken daran, dass hier im KZ-Außenlager Kempten Menschen ihrer Freiheit und weiterer Rechte beraubt wurden.

Diesem Konzept voraus gingen zwei weitgreifendere: eines step by step mit etlichen Neu- und Umbauten für ein großes Kulturquartier und eines für eine Nutzung im Bestand, für die hauptsächlich die Böden in beiden Hallen hätten erneuert werden müssen.

Kaum zu glauben, trotzdem wahr: Diese Anlage ist 130.000 Euro wert. So teuer wie ein Sportwagen, klingt aber noch besser.

FAST WIE EIN LIVE-KONZERT

ZU BESUCH AUF DEM HIFI-BAUERNHOF IN ALTUSRIED

von Dominik Baum

Als Jahrgang 1992 habe ich Benjamin Blümchen und Co. zwar noch auf dem Kassettenrecorder kennengelernt, heute höre ich meine Musik trotzdem hauptsächlich auf StreamingPlattformen. Musik ist ja schließlich Musik, egal, ob Kassette, CD, Schallplatte oder eben online. Dachte ich jedenfalls. Bei meinem Besuch in Altusried – gemeinsam mit Verlagsinhaber Chris und FOS-Praktikantin Selina – sollte ich eines Besseren belehrt werden. Seit 43 Jahren betreibt dort Dietmar Sutter den Hifi-Bauernhof und verzaubert seine Kund:innen mit einem einzigartigen Klangerlebnis. So viel vorweg: Uns wurden die Ohren geöffnet.

Seit 43 Jahren zeigt Dietmar Sutter auf dem Hifi-Bauernhof, wie gut Musik klingen kann

ALS KLEINER BUB GING‘S LOS

Für Dietmar Sutter ist klar: „Musik muss berühren – sonst brauche ich sie nicht“. Der gelernte Bankkaufmann, der zwischenzeitlich als Vollerwerbslandwirt den elterlichen Betrieb übernahm, hat seine Leidenschaft für Musik bereits in seiner Kindheit entdeckt. „Mit zwölf Jahren habe ich angefangen, Platten zu sammeln und mir meine erste Anlage selbst zusammengebaut. Etwas anderes konnte ich mir damals nicht leisten“, erinnert sich Dietmar und lacht. 1979 – mit 19 Jahren – eröffnete er dann den Hifi-Bauernhof mit zwei Hörräumen (Hi-Fi steht für High Fidelity – ein Qualitätsstandard in der Tontechnik). Heute, 43 Jahre später, sind sechs Vorführzimmer daraus geworden, ausgestattet mit Hi-Fi-Anlagen europäischer Premiumhersteller.

MUSIK IST NICHT GLEICH MUSIK

Dietmar führt uns in den ersten Hörraum. „Ich habe euch den Song Dreams der britisch-amerikanischen Rockband Fleedwood Mac mitgebracht“, erklärt Dietmar und schließt ein Handy an die Anlage an, um das Lied von der Streaming-Plattform abzuspielen. „Klingt doch gut“, denke ich mir. Als CD und Vinyl folgen, ändert sich schnell meine Definition von „gut“. Noch deutlicher werden die Unterschiede, als Dietmar die Anlage aufdreht. Während der Online-Song - obwohl auch über die professionelle Anlage wiedergegeben - ab einer gewissen Lautstärke nur noch nervt, kommen bei CD und Vinyl die einzelnen Instrumente – besonders bei komplexen Passagen – immer besser zur Geltung. „Das gestreamte Lied kommt irgendwie nicht aus der Box raus, als würde man einen 2D-Film schauen“, versuche ich den Unterschied in Worte zu fassen. Doch klar ist: Es lässt sich nicht wirklich beschreiben, man muss es gehört haben.

Kristalle auf der Anlage sorgen für eine hörbare Klangverbesserung

AUGEN ZU UND GENIESSEN

Wir wandern von Hörraum zu Hörraum. Die Anlagen werden größer – und teurer. Angefangen im niedrigen vierstelligen Bereich landen wir schließlich im Dachstudio. Vor uns steht ein wahres Monstrum von Anlage. „Alles zusammengenommen – Plattenspieler, Verstärker, Lautsprecher und weiteres technisches Equipment – kommen wir auf einen Wert von rund 130.000 Euro“, rechnet uns Dietmar vor. Wir nehmen staunend vor der Anlage Platz, schließen unsere Augen und könnten fast auf einem Live-Konzert stehen. „Auch mit einer günstigen Anlage lässt sich ein guter Klang zaubern, wenn diese richtig aufgestellt wird und die Raumakustik stimmt“, betont Dietmar. Auf Wunsch fährt er auch zu seinen Kund:innen und richtet die Anlage für ein optimales Klangerlebnis auf den jeweiligen Raum aus.

Gehobene Einsteigerkomponenten der Firma Atoll aus Frankreich

VINYL ERFÄHRT RENAISSANCE

Ebenfalls Teil des Hifi-Bauernhofs ist ein Plattenladen mit rund 5.000 neuen und gebrauchten Schallplatten. Während diese anderswo zwischenzeitlich längst von der Ladenfläche verbannt worden sind, gibt es bei Dietmar seit 43 Jahren ununterbrochen Vinyl zu kaufen. Für den Musikliebhaber ist der Tonträger sowieso das Nonplusultra: „Der Sound ist einfach intensiver“. Auch er spürt, dass sich Vinyl in den letzten Jahren wieder größerer Beliebtheit erfreut. „Jeden Tag kommen Kunden in den Plattenladen, auch viele junge Leute. Die kennen gar keine CD mehr, nur das Handy als Abspielmedium. Sie stoßen dann irgendwie auf die Platte, beispielsweise über die Eltern und finden es interessant – das ist schön zu beobachten.“ Als uns Dietmar nach dem Rundgang verabschiedet, sagt er abschließend mit einem Grinsen im Gesicht: „Du musst halt ein bisschen verrückt sein, um das hier über 40 Jahre zu machen“. Ans Aufhören denkt er allerdings noch lange nicht. Viel zu groß ist seine Liebe zur Musik.

Im Plattenladen können Kund:innen inmitten von 5.000 gebrauchten und neuen Vinyls stöbern

Plattenspieler der absoluten Spitzenklasse von der Firma Audio Note UK

WOCHENENDE DER OFFENEN TÜR AUF DEM HIFI-BAUERNHOF

FÜR ALLE, DIE MUSIK MAL ANDERS ERLEBEN WOLLEN, DEFINITIV EIN MUSS:

Am Samstag, den 19. und Sonntag, den 20. November wird es jeweils von 10 bis 16 Uhr in mehreren Studios durchgehend Vorführungen geben – mit Musik aller Stilrichtungen.

Außerdem: Im Plattenladen gibt es 10 Prozent Rabatt auf alle neuen LPs und CDs und 25 Prozent Rabatt auf gebrauchte Vinyls.

Hifi-Bauernhof

Äußere Kemptener Str. 3 87452 Altusried Tel.: 08373 7019 www.hifi-bauernhof.de

GEHT INS OHR, BLEIBT IM OHR

IN-EARS VON DEER EAR SORGEN FÜR KRISTALLKLAREN SOUND

DEER EAR-Gründer Jürgen Lang

Von Dominik Baum

Kennt ihr den Radioslogan „Geht ins Ohr, bleibt im Kopf“? Bei den In-Ears von Jürgen Lang müsste es eher heißen: „Geht ins Ohr, bleibt im Ohr“. Vor rund einem halben Jahr hat der Hörgeräteakustiker-Meister aus Altusried DEER EAR gegründet und seine ersten eigenen In-Ears entwickelt. Wie es dazu kam und warum der Sound bei seinen Kopfhörern genau dort ankommt, wo er hin soll, lest ihr im Interview.

Jürgen, vor fünf Monaten hast du angefangen, deine eigenen In-Ear-Kopfhörer herzustellen. Dein Hauptberuf ist aber eigentlich ein anderer …

Das stimmt. Ich bin gelernter Hörgeräteakustiker-Meister sowie Otoplastik- und Gehörschutzexperte. Gemeinsam mit meiner Frau betreibe ich unser familiengeführtes Fachgeschäft FRITZ Hörgeräte + Gehörschutz. Wie der Name schon erahnen lässt, bieten wir vor Ort einen Rundum-Service zu den Themen Hörgeräte und Gehörschutz.

Erklär mir kurz: Wie passt DEER EAR da rein?

Ich hatte schon immer Bock auf einen guten Sound. DEER EAR ist ein schöner, kreativer Ausgleich zum Geschäft. Letztlich ergänzt sich das wunderbar, schließlich bin ich mit der Anatomie des Ohrs seit Jahrzehnten vertraut.

Du sprichst von einem guten Sound. Wie entsteht dieser bei deinen In-Ears?

Alle DEER EAR-Modelle sind maßgefertigt und so auf das individuelle Ohr zugeschnitten. Das führt dazu, dass wenig Schall austritt, weil dieser nah am Trommelfell abgegeben wird. Natürlich spielt auch die Qualität der verbauten Komponenten eine Rolle. Ich arbeite nur mit qualitativ hochwertigen Produkten.

Das heißt, du stellst die In-Ears selbst her?

Genau. Nach der Abformung der Gehörgänge und der Ohrmuschel nutze ich eine spezielle Software für die 3D-Modellierung. Anschließend werden die In-Ears im Labor mit dem 3D-Drucker gefertigt – dieser arbeitet auf 0,025 Millimeter genau. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist mir beim Produktions-

prozess sehr wichtig. Wann immer möglich, beziehe ich die Materialien aus der Region.

Auf der Website habe ich gesehen, dass es drei verschiedene Modelle gibt: 2-Wege-, 3-Wege- und 4-Wege-Modelle. Welches Produkt ist für wen geeignet?

Für alle, die beispielsweise beim Sport nebenher gute Musik hören wollen, reicht das 2-Wege-System aus. Ab dem 3-Wege-Modell wird es für audiophile Menschen und Musiker, die auch auf der Bühne stehen, interessant. Je mehr Wege, desto kristallklarer der Klang. Diese Detailliertheit ist vor allem im Tieftonbereich entscheidend. Für Magnus Dauner habe ich sogar ein 5-Wege-System angefertigt. Als Schlagzeuger, der auf der Bühne den Takt angibt, ist es besonders wichtig, alle Töne in ihren Details zu hören.

Was ist der erste Schritt auf dem Weg zu meinem persönlichen DEER EAR In-Ear?

Jeder kann gerne bei uns im Fachgeschäft in Altusried vorbeikommen und sich beraten lassen. Interessant für alle, die nicht aus der Region kommen: Auch eine telefonische Beratung ist möglich. Jeder Akustiker kann die notwendige Abformung von Gehörgang und Ohrmuschel vornehmen und mir anschließend die Daten für die 3D-Modellierung zusenden.

Vielen Dank für den spannenden Einblick.

Immer wieder gerne.

Magnus Dauner, Schlagzeuger

„Das In-Ear-Monitoring von DEER EAR gibt mir die Möglichkeit, mich zu 100 Prozent auf meinen Job zu fokussieren. Egal, ob auf der Festivalbühne oder im Studio, sie sind meine erste Wahl. Das speziell für mich angefertigte 5-Wege-System bietet mir die nötige

Griffigkeit in den Mitten, die Brillanz in den Höhen und angenehm runde Bässe. Vor allem als Schlagzeuger ist es für mich wichtig, alle Instrumente im Mix gut zu hören. Erst dann kann ich der Musik geben, was sie von mir braucht. Nebenbei schauen sie tierisch elegant aus und sitzen bombenfest. Seitdem ich sie habe, gehören sie fest zu meinem Must-have-Setup.“

Bis zum Schluss achtet Jürgen Lang auf eine regionale Produktion. Die Aufkleber der DEER EAR-Dosen kommen aus Kempten, die Filztasche wird in Altusried bestickt.

Valentin Hingerl, Inhaber Musikschule Hingerl

„Mit den In-Ears begibt man sich auf eine Klangreise. Sie sind wie eine virtuelle Brille für die Ohren. Man taucht vollständig in die Musik ein. Ich habe das Gefühl, mich mitten in der Musik zu bewegen. Der ganze Kopf ist voller Klang, das Erlebnis ist überwältigend. Gleichzeitig bieten die In-Ears eine qualitativ so hochwertige Trennschärfe, dass ich mich nach Belieben jedem Musiker der Band zuwenden kann. Und ein netter Nebeneffekt: Außengeräusche werden vollständig gedämpft, sodass die Anweisungen meiner Frau spurlos an mir vorübergehen.“

Auf die sogenannte Faceplate der DEER EARS kommt das Wunschdesign des Kunden – das Logo, Holz und sogar farbige Trockenblüten sind möglich

Euch fallen die Kopfhörer beim Joggen raus? Mit den In-Ears von DEER EAR passiert euch das nicht. Das 2-Wege-Modell beginnt bei 439 Euro. Oder vielleicht sind die maßgefertigten Kopfhörer ja auch ein gutes Weihnachtsgeschenk für ein musikbegeistertes Familienmitglied?

Ihr habt Fragen zu DEER EAR? Jürgen Lang beantwortet sie gerne.

Piero und Batti - Die LAMAS

„Die In-Ears haben nicht nur einen mega Sound, auch der direkte Kontakt, der Service und die Individualisierung der In-Ears haben uns überzeugt. Ob auf der Bühne oder im

Flugzeug – der Sound und die Passform sind immer ein Genuss.“

Fritz Hörgeräte + Gehörschutz

Leutkircher Straße 16 87452 Altusried 08373 9213876 lang@fritz-hoergeraete.de www.deer-ear.com

LÄUFT BEI DIR?

WARUM DAS THEMA MENSTRUATION ENTTABUISIERT WERDEN MUSS

Ein Gastbeitrag vom feministischen Kollektiv „Access Allgäu Area“

Ganze acht Jahre ihres Lebens verbringen Menstruierende im Schnitt blutend. Ekelhaft? Peinlich? Darüber spricht man nicht? Statistisch gesehen hat genau in diesem Moment, während ihr diese Zeilen lest, jede:r fünfte Menstruierende auf dieser Welt die Regelblutung. Das sind rund 300 bis 800 Millionen Menschen weltweit*.

Menstruation, Periode, Monatsblutung, Erdbeerwoche, Rote Armee oder ganz schlicht „die Tage“ gehören zum Alltag. Dennoch wird dieser natürliche Vorgang nach wie vor tabuisiert. Es ist an der Zeit, dass wir die Menstruation aus der Schmuddelecke holen und normalisieren. Denn nur dadurch ist umfassende Aufklärung und ein unverkrampfter Umgang mit ihr möglich. Wir verstecken Tampons auf dem Gang zur Toilette heimlich im Handballen und fürchten uns monatlich vor einem Blutfleck in der Hose. Offene Kommunikation über Menstruation? Fehlanzeige. Dabei kann das fatale Folgen haben – für die persönliche Gesundheit, das Wohlbefinden sowie die finanzielle und soziale Gleichstellung.

Wohl jede Frau kennt den Satz „Kriegst du etwa deine Tage?“, der die hormonellen Schwankungen, die viele Menstruierende erleben, ins Lächerliche zieht und stigmatisiert. Dabei sind psychische Symptome, Krämpfe, Wassereinlagerungen oder PMS ernstzunehmende Begleiterscheinungen. Wenn sie nicht thematisiert werden, ist es unmöglich einen schmerzlindernden Umgang mit ihnen zu erlernen. Die Folgen sind eine hohe Dunkelziffer an Endometriose-Erkrankungen und erschreckende Forschungslücken im Bereich der Periodenbeschwerden. Nur wenn wir ohne Scham und Stigmatisierung über die Periode sprechen, können wir lernen, mit Herausforderungen umzugehen, Abläufe zu normalisieren, gesundheitliche Gefahren zu erkennen und unser Wohlbefinden zu steigern. Wusstet ihr beispielsweise, dass manche Menstruierende während ihrer Periode besonders Lust auf Sex haben? Zur Enttabuisierung der Periode gehört auch, über vielfältige Menstruationsprodukte (Menstruationstasse, Tampon, Binde, Periodenwäsche, etc.) aufzuklären, ihre Inhaltsstoffe transparent zu benennen (dazu sind Hersteller bislang nicht verpflichtet) und den Zugang zu ihnen zu erleichtern. Denn der ist gar nicht selbstverständlich. Eine britische Studie hat ergeben, dass Menstruierende in ihrem Leben ganze 20.000 Euro für ihren Zyklus ausgeben. Das können sich nicht alle leisten. Wenn Menstruierende nicht genug Geld haben, sich Periodenprodukte zu kaufen, spricht man von Periodenarmut. Diese geht häufig einher mit hoher psychischer Belastung und im schlimmsten Fall temporärer sozialer Isolation. 100.000 Wohnungslose sind in Deutschland von Periodenarmut betroffen, aber auch viele weitere an der Armutsgrenze lebende Personen.

Neben Periodenprodukten werden Menstruierende auch in anderen Bereichen verstärkt zur Kasse gebeten. Insbesondere Verhütungsmittel wie Spirale, Kupferkette oder Pille haben stolze Preise. Für identische Dienstleistungen zahlen Frauen** auch in anderen Bereichen häufig deutlich mehr als Männer, etwa beim Haarschnitt oder der Textilreinigung. Aufschläge auf Körperpflegeprodukte, Kosmetik- oder Hygieneartikel sind an der Tagesordnung. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes errechnete 2017, dass fast die Hälfte der 400 untersuchten Dienstleistungen für Frauen** teurer sind. Pink Tax nennt sich diese Preisdiskriminierung, die andernorts bereits gesetzlich verboten wurde.

Die Gesundheit und das Wohlbefinden Menstruierender sollten nicht länger vom Geldbeutel abhängig und durch Tabuisierung gefährdet sein. Zu lange hat das patriarchale, kapitalistische System Menstruierende nicht mitgedacht. Wir fordern die Enttabuisierung der Menstruation, verstärkte Forschung zu Periodenbeschwerden und ein beherztes Vorgehen gegen Periodenarmut durch eine kostenfreie Bereitstellung von Menstruationsprodukten in öffentlichen Einrichtungen und Schulen in ganz Deutschland.

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