Fazit 178

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Alle Revolutionen haben bisher nur bewiesen, dass sich vieles ändern lässt, bloß nicht die Menschen. Karl Marx

rinnen und Wähler immer Recht hätten und dass Kahrs Erfolg das Ergebnis demokratischer Wahlen gewesen sei.

Fotos: Silvana Weidinger, Fischer

Dass Graz mit Elke Kahr eine Kommunistin als Bürgermeisterin hat, sorgt europaweit für Aufsehen. In ihrer Antrittsrede bekannte sie sich zu Graz als Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturstadt. Elke Kahr ist Grazer Bürgermeisterin Was viele bis zuletzt für unmöglich hielten, ist tatsächlich eingetreten. Graz hat mit Elke Kahr tatsächlich eine orthodox-kommunistische Bürgermeisterin, die sich nicht nur zu Marx bekennt, sondern etwa auch im kommunistischen Diktator von Exjugoslawien, Josip Broz Tito, der Tausende Andersdenkende ermorden ließ, ein Vorbild sieht. Gewählt wurde Kahr trotzdem. Und zwar von der neuen Grazer Rathauskoalition aus KPÖ, Grünen und der SPÖ. Die drei Parteien wollen Graz mit ihrem Programm »Gemeinsam für ein neues Graz« sozialer, klimafreundlicher und demokratischer machen. Angelobt wurde die neue Bürgermeisterin durch Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP). Er wünschte ihr eine gute Hand für Graz und stellte klar, dass die Wähle14 /// FAZIT DEZEMBER 2021

Kahr will profitgetriebene Bauprojekte stoppen In ihrer Antrittsrede dankte Kahr nicht nur Ernest Kaltenegger, der die KPÖ in Graz groß gemacht hat, sondern auch ihren Vorgängern Siegfried Nagl (ÖVP) und Alfred Stingl (SPÖ). Sie bekannte sich erstmals auch zu Graz als Stadt der Wirtschaft und des Gewerbes und dazu, die ökonomischen Stärken gemeinsam mit Wissenschaft und Kultur auszubauen und zu schützen. Mit ihrer Absage an profitgetriebene Bauprojekte schlug sie aber auch einen mächtigen inhaltlichen Pflock ein. So wolle sie die Flächenwidmung überarbeiten. Der neue ÖVP-Chef Kurt Hohensinner wünschte der neuen Bürgermeisterin alles Gute und kündigte gleichzeitig eine neue Rolle seiner Partei als Gegengewicht zur linken Koalition an. Hohensinner stellte klar, dass das, was Kahr im Stadtrat der letzten Jahre gezeigt habe, aus ÖVPSicht nicht für die Gesamtverantwortung reiche. Warum unterstützt die SPÖ die Kommunisten? Der Umstand, dass SPÖ-Klubobmann Michael Ehmann ohne politisches Gegengeschäft – etwa einem SPÖ-Sitz im Stadtrat – eine KPÖ-Bürgermeisterin ermöglicht hat, sorgt zumindest bei der Landes-SPÖ für Aufsehen. Das macht ihn nach Nagl und Mario Eustacchio (FPÖ) wahrscheinlich zum nächsten Ablösekandidaten an der Spitze einer Grazer Gemeinderatsfraktion. Wie die Grazer SPÖ – als ehemalige Bürgermeisterpartei – ausgerechnet unter einer kommunistischen Bürgermeisterin zur alten Stärke zurückfinden will, erschließt sich wohl nicht einmal Michael Ehmann selbst. Zur allgemeinen Überraschung sagte Ehmann bei der konstituierenden Gemeinderatssitzung auch noch, die SPÖ unterstütze Kahr vor allem wegen ihrer Lösungs-

kompetenz, aber auch wegen der Gemeinsamkeiten im Programm.

Ungleicher Lohn für gleiche Arbeit. Gibt es das wirklich? Der Equal Pay Day fiel in Österreich heuer auf den 25. Oktober. Dieser Tag ist ein tolles PR-Instrument, das 1966 von amerikanischen Frauen- und Bürgerrechtsorganisationen mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, auf die damals übliche ungleiche Bezahlung zwischen Männern und Frauen, insbesondere afroamerikanischer Frauen, hinzuweisen. Geschlechterdiskriminierung bei der Bezahlung wäre, wenn es sie denn tatsächlich gäbe, ein echter Skandal, der bei jedem österreichischen Unternehmen, das seine Mitarbeiterinnen schlechter bezahlt als seine Mitarbeiter, gnadenlos publik gemacht werden sollte. Laut Eurostat beträgt die Lohnungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen heuer unglaubliche 18,5 Prozent. Wie kann das sein? Welche Tellerwäscherin verdient um beinahe ein Fünftel weniger als ihr männlicher Kollege? Wie schaut das bei Friseurinnen und Friseuren, bei Installateurinnen und Installateuren oder bei Richterinnen und Richtern aus? Die publizierten 18,5 Prozent entsprechen 68 Tagen des heurigen Kalenderjahres, an denen die geschundenen Frauen arbeiten müssen, ohne von ihren Arbeitgebern bezahlt zu werden. Im Vorjahr wurden die Frauen sogar 71 Tage lang um ihren Verdienst gebracht. Und gemäß Eurostat zählt Österreich damit zu den EU-Ländern mit der größten Lohnungerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Denn im EU-Durchschnitt stehen den heimischen 18,5 Prozent geschlechtsbedingtem Lohn- und Gehaltsunterschied »nur«14,1 Prozent in der EU gegenüber. In Österreich gibt es sogar zwei Equal-Pay-Days Seltsamerweise gibt es in Österreich nicht nur einen, sondern sogar zwei Equal-PayDays. Der erste war heuer am 21. Feb-


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