Fazit 169

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Eine Impfpflicht könnte auch den Eindruck erwecken, dass die sachlichen Argumente doch nicht so gut sind. Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts

»nur« bei jenen 2,7 Promille der Infizierten liegen würde, die der US-Virologe John Ioannidis in einer Metastudie nachgewiesen hat, wären das 17.000 österreichische Todesopfer. Die Todesrate von 2,7 Promille geht noch dazu von einer intakten medizinischen Versorgung aus. Bei einer ungehemmten Ausbreitung des Virus würden bekanntlich die Spitalskapazitäten innerhalb von wenigen Wochen zusammenbrechen. Die Zahl der österreichischen COVID-19-Toten läge daher um ein Vielfaches über 2,7 Promille. Um die Pandemie zu besiegen, müssen daher rund 6,5 Millionen Österreicher – das entspricht den für die Herdenimmunität notwendigen 70 Prozent – so schnell wie möglich und ohne wenn und aber gegen das Virus geimpft werden.

Fotos: BKA/Regina Aigner, Archiv/Scheriau

Gesundheitsminister Rudolf Anschober ist gegen eine gesetzliche Impfpflicht. Ohne Impfung drohen viele weitere Lockdowns Die zahlreichen Impfgegner im Land stellen die verantwortlichen Politiker vor ein strategisches Dilemma. Um die CoronaPandemie nachhaltig besiegen zu können, muss nämlich eine Herdenimmunität in der Bevölkerung erreicht werden. Doch dazu müssten sich entweder 70 Prozent der Menschen gegen die Krankheit impfen lassen oder sich über Infektion immunisieren. Dass eine Durchseuchung keine Lösung sein kann, liegt wegen der zu erwartenden Zahl an Todesopfern auf der Hand. Denn selbst wenn die Mortalität tatsächlich 12 /// FAZIT JÄNNER 2021

Schützenhöfer befürwortet Impfpflicht Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hat Mut bewiesen, als er sich in einem TV-Interview eindeutig für eine Impfpflicht aus der Deckung wagte. Denn für den gestandenen Landespolitiker ist völlig klar, dass es ohne Impfung in absehbarer Zeit keinen Herdenschutz geben kann. Um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, müsste das ganze Land daher noch über viele Monate – wenn nicht sogar Jahre – ständig zwischen einem harten und einem leichten Lockdown hin- und herswitchen. Längere Öffnungsphasen wären wetterbedingt wohl nur in den Sommermonaten möglich. Noch vor Schützenhöfer konnte sich übrigens der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer für die Idee einer Impfpflicht erwärmen. Sowohl bei Stelzer als auch bei Schützenhöfer war das Geschrei der Impfgegner natürlich enorm. Daher ist es nach wie vor sehr unwahrscheinlich, dass es zu einer gesetzlich verpflichtenden Impfung kommen wird – selbst wenn sich ohne eine solche die Zahl der Corona-Toten um mehrere Tausend erhöhen wird. Denn Impfungen sind in Österreich inzwischen ziemlich unbeliebt geworden. Und statt die Bevölkerung rational und trans-

parent über die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer niedrigen Impfrate zu informieren, reduziert sich die mediale Diskussion auf im Raum stehende staatliche Zwangsmaßnahmen. Und anstelle von Argumenten werden längst nur mehr Emotionen ausgetauscht.

Nur 17 Prozent wollen sich »ganz sicher« impfen lassen Der Politologe Peter Hajek hat eine Umfrage durchgeführt, bei der nur etwa 17 Prozent der Bevölkerung angaben, sich »ganz sicher« gegen COVID-19 impfen lassen zu wollen. Hingegen erklärten 29 Prozent, »ganz sicher nicht« zur Impfung zu gehen. Diese Zahlen kennen auch die Politiker. Daher haben sich nicht nur die Populisten aus den Reihen der Opposition auf die Seite der Impfgegner geschlagen. Auch die Bundesregierung hat in dieser Frage immer wieder eindeutig Stellung bezogen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist »grundsätzlich« gegen eine Impfpflicht und auch der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober nimmt allem Anschein nach lieber weitere Tote in Kauf, als die grünen Wähler mit zu verärgern. Denn obwohl die Zulassungsstudien klar ergeben haben, dass sowohl der RNA-basierte Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer als auch der Vektorimpfstoff von Astra-Zeneca zu den sichersten Impfungen gehören, die es überhaupt gibt, fehlen natürlich Untersuchungen über zwar unwahrscheinliche, aber dennoch nicht völlig auszuschließende langfristige Nebenwirkungen. Jetzt gibt es unter den Impfverweigerern allerdings höchst unterschiedliche Typen. Da ist eine kleine, aber dafür extrem lautstarke Gruppe von Virusleugnern, die nicht nur die Existenz des Corona-Virus bestreitet, sondern generell alle Viruserkrankungen wie auch die Masern in Frage stellt. Aus ihrer eigenen Perspektive handeln sie natürlich völlig logisch: Sie wollen keine Impfschäden riskieren, weil es die Krankheit, gegen die eine Impfung schützen soll, ohnedies gar nicht gibt. Die Zahl der so Denkenden liegt jedoch im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Eine Her-


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