Fazit 153

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Es ist nicht einfach, perfekt zu sein. Aber einer muss es ja sein. Niki Lauda

Fotos: Lechner/HBF, Scheriau

Bundespräsident Alexander Van der Bellen beherrscht die durch das Ibizavideo ausgelöste Krise mit ruhiger und überparteilicher Souveränität.

10 /// FAZIT JUNI 2019

Ibiza – die Rolle des Präsidenten Obwohl seine Wahl die Republik anfangs ähnlich gespalten hat wie die Abwahl der Sozialdemokratie aus der Bundesregierung, waren die Österreicher selten zuvor so zufrieden mit ihrem Bundespräsidenten. Alexander Van der Bellen beherrscht die Krise mit ruhiger überparteilicher Souveränität. Er bezieht nicht nur die beteiligten Politiker, sondern auch die Bevölkerung mit ein und versucht, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. Denn nicht nur das, was im Video zu sehen war, sondern auch das, was sich im Anschluss daran in den sozialen Medien getan hat, war atemberaubend schrecklich, hasserfüllt, intolerant und niederträchtig. Auf der einen Seite die Anhänger der FPÖ, die die Affäre mit dem Rücktritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und FP-Klubchef Johann Gudenus beendet sehen wollten. Auf der anderen Seite die politischen Kleingeldsammler einer ideenlosen Opposition, die endlich die Chance erkannten, den überaus beliebten Bundeskanzler aus fadenscheinigen Gründen mit Strache und Gudenus mit abzuservieren, obwohl Kurz genau das getan hat, was zu tun war. Van der Bellen überzeugte nicht nur mit seinen live im Fernsehen übertragenen Reden, sondern auch seinen Twitter- und Facebookbotschaften wie: »… es gibt keinen Grund, besorgt zu sein. Denn gerade in Zeiten wie diesen, zeigt sich die Eleganz, ja die Schönheit unserer österreichischen Bundesverfassung«, oder »Liebe Österreicherinnen und Österreicher, ich habe eine große Bitte an Sie: Wenden Sie sich nicht angewidert von der Politik ab. Beteiligen Sie sich an Diskussionen«. Besonders beeindruckend war auch der Appell an die politischen Parteien: »Denken Sie jetzt bitte nicht daran, was Sie für ihre Partei kurzfristig herausholen können, sondern denken Sie daran, was Sie für Österreich

tun können …; Fragen Sie nicht ‚Hilft es mir bei der Wahl?‘, sondern fragen Sie ‚Hilft es Österreich?‘« Unser Land hat einen ausgezeichneten Bundespräsidenten.

Ibiza und die Folgen für die Steiermark Auch die Diskussion über den steirischen Landtagswahltermin kocht im Zuge der Ibiza-Affäre wieder hoch. Aus den Aussagen von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ist nämlich herauszuhören, dass er durchaus auch mit einer Vorverlegung der Wahl leben könnte. Denn die Gefahr des Stillstands sei groß, weil das letzte Jahr der steirischen ÖVP-SPÖ-Regierungskoalition zuerst vom Nationalratswahlkampfgetöse und ab Herbst vom einsetzenden Vorwahlkampf in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Wie richtig Schützenhöfer lag, sollte sich nur einen Tag später herausstellen. Denn obwohl der Landeshauptmann klargestellt hatte, dass er nicht als Trittbrettfahrer des Ibizavideos erscheinen wolle und eine Wahlvorverlegung nur im Einvernehmen mit der steirischen SPÖ möglich sei, reagierte Landeshauptmannstellvertreter Michael Schickhofer äußerst gereizt auf Schützenhöfers Äußerungen. Eine Vorverlegung der Landtagswahl sei ein glatter Wort- und Koalitionsbruch durch die ÖVP, so Schickhofer. Und damit wird es wohl bei den Maiwahlen bleiben. Dabei könnte zumindest eine Zusammenlegung mit der steirischen Gemeinderatswahl, die voraussichtlich im Jänner stattfinden wird, durchaus Sinn ergeben. Den Tausenden ehrenamtlichen Wahlbeisitzern würde sie zumindest einen freien Sonntag einbringen. Eindeutig für die Vorverlegung der Landtagswahl hat sich die grüne Spitzenkandidatin Sandra Krautwaschl ausgesprochen. Sie will den Landtag schon im Herbst gemeinsam mit dem Nationalrat wählen. Ihr Argument ist der ins Haus stehende äu-


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