Filmpodium Programmheft Februar/März 2023 // Programme booklet February/March 2023

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WITTSTOCK I–IV (VOLKER KOEPP, D 1975–1981) S. 23

Gespräch mit Regisseur Volker Koepp nach dem Film. Moderation: Nicole Reinhard

DO, 16. FEBRUAR | 18.15 UHR

DIE MARILYN-MONROE STORY S. 15

Multimedia-Vortrag von Andreas Furler

MI, 22. FEBRUAR | 18.15 UHR

DOUBLE BILL ON DOUBLE BILL: MARILYN MONROE S. 15

Johannes Binotto und Elisabeth Bronfen im Gespräch

Ein Pas de deux zu Some Like it Hot (Billy Wilder, USA 1959) und The Misfits (John Huston, USA 1961)

DO, 2. MÄRZ | 20.00 UHR

EIN ABEND MIT HELENA TŘEŠTÍKOVÁ S. 27

18.30 UHR: René – Prisoner of Freedom (Helena Třeštíková, Tschechien 2021)

20.30 UHR: Gespräch mit der tschechischen Regisseurin und Langzeit-Dokumentaristin

Helena Třeštíková. Moderation: Georg Escher und Susanna Ellner (Gespräch in tschechischer Sprache, mit Übersetzung ins Deutsche) FR, 3. MÄRZ

BUCHPRÄSENTATION

«MAGNIFICENT OBSESSIONS SAVED MY LIFE» S. 10

This Brunner (Kurator und ehemaliger Leiter der Zürcher Arthouse Kinos) spricht über seine Autobiografie. Moderation: Michel Bodmer anschliessend: Niagara (Henry Hathaway, USA 1953)

MI, 15. MÄRZ | 18.15 UHR

MICHAEL SAUTERS ERZÄHLWELTEN S.

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18.15 UHR: Sennentuntschi (Regie: Michael Steiner, Drehbuch: Michael Sauter, CH 2010) mit Live-Kommentar des Regisseurs

20.45 UHR: Präsentation des Buchprojekts «Schaurige Schweiz» von Janine Lichtensteiger und Michael Sauter

Mit Elisabeth Bronfen, Janine Lichtensteiger, Philipp Theisohn und Matthias Uhlmann

Moderation: Wanda Wylowa. Anschliessend Apéro FR, 17. MÄRZ

SCHWEIZER FILMPREIS: WOCHE DER NOMINIERTEN

Die besten neuen Schweizer Filme, in Anwesenheit vieler Filmschaffenden Siehe separates Programm sowie quartz.ch und filmpodium.ch MO, 20. MÄRZ – SO, 26. MÄRZ

PRIVATE/PUBLIC. HERAUSFORDERUNGEN DES LANGZEITDOKUMENTARFILMS S. 32

Podiumsdiskussion. Monika Dommann (Historikerin), Bert Rebhandl (Filmkritiker) und Nikola Biller-Andorno (Mitglied der Ethik-Gruppe der EU) diskutieren über Chancen, Risiken und Nebenwirkungen des Langzeitdokumentarfilms

Moderation: Volker Pantenburg (Leiter Seminar für Filmwissenschaft, UZH) MI, 29. MÄRZ | 20.15 UHR

Februar/März
Filmpodium-Highlights

Editorial

As Time Goes By

Tick, tack, tick, tack. Die Zeit. Unaufhaltsam und stetig läuft sie in eine Richtung. Von der Vergangenheit, die wir erforschen und betrachten können, über die Gegenwart, die gelebt und gestaltet sein will, in die Zukunft, die offen scheint, geheimnisvoll. Werden sich unsere persönlichen Hoffnungen und Träume erfüllen? Stehen wir als Menschheit am Rande eines Abgrunds? Gelingt es uns, das Ruder nochmals herumzureissen? Oder kommt sowieso alles ganz anders? Die Zeit wird es weisen. Und im Licht der Vergangenheit werden Wahrheiten von heute neu bewertet werden. Die kleinen und die grossen. Das Filmpodium wird mit dem aktuellen Programm zur Zeitmaschine: Die Magie der dokumentarischen Langzeitbeobachtung lässt die Vergangenheit im Zeitraffer vor unserem Auge vorüberziehen – und vielleicht kann dadurch auch so manche Erkenntnis gewonnen werden. Die britische Up-Serie beispielsweise startete 1964 als einzigartiges soziales Experiment: Regisseur Michael Apted begleitete 14 damals siebenjährige Kinder aus unterschiedlichen sozialen Verhältnissen durch ihr Leben. Bis 2019. Da waren sie 63 Jahre alt! Neun mitreissende Filme sind entstanden, die uns Anteil nehmen lassen an Lebensläufen, Erfolgsgeschichten und Schicksalsschlägen. Und an der Erkenntnis, dass nur einer von 14 den Sprung über die Klassengrenze geschafft hat! Wir präsentieren einige der wichtigsten und aufschlussreichsten Langzeitprojekte der Filmgeschichte.

Die Zeit vergeht, aber manches hat Bestand: Marilyn Monroes Charme und Sexappeal etwa verströmen heute wie damals eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Das jüngst erschienene, viel diskutierte Biopic Blonde von Andrew Dominik erzählt sie uns aber einmal mehr als naives, traumatisiertes Opfer männlicher Blicke und Begierden. Für uns Anlass, ihre Filme noch einmal neu und genau anzuschauen und dabei weit mehr als das Klischee zu entdecken: Eine beeindruckende Schauspielerin, die im Scheinwerferlicht nicht nur erstrahlt wie keine andere, sondern differenziert und mit umwerfend komischem Timing zu spielen weiss. Und auch eine Künstlerin auf der Suche nach dem eigenen Ausdruck und selbstbestimmten Projekten. MM revisited!

As time goes by … verändern sich manche Dinge radikal! So hat die einflussreiche «Sight & Sound»-Liste der 100 besten Filme aller Zeiten 2022 den Filmkanon neu aufgemischt. Wir recherchieren für Sie bis zum Sommer die Erhältlichkeit der entsprechenden Kopien. Sie sind dann unsere Jury und stellen die Filmpodium-Bestenliste zusammen. Geschaut und kontrovers diskutiert wird im Dezember!

Tick, tack, tick, tack. Bis bald in unserem Kino!

Titelbild: How to Marry a Millionaire von Jean Negulesco; Plakatentwurf: Meret Mächler

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INHALT

Marilyn Monroe Revisited 04

Marilyn Monroe (1926–1962) wurde und wird zumeist als naiv-dümmliche Blondine angesehen, die aufgrund ihrer Rundungen zum Superstar gehypt wurde, aber stets blosses Objekt und Opfer männlicher Blicke und Begierden blieb; das Netflix-Biopic Blonde verstärkt diese Wahrnehmung. Anlass genug, nochmals neu und genau auf ihre Filme zu sehen: Von starken Kurzauftritten in The Asphalt Jungle und All About Eve über Glamournummern (Gentlemen Prefer Blondes) und brillante Komik (How to Marry a Millionaire, Some Like It Hot) bis zu Femmes fatales (Don’t Bother to Knock, Niagara) und differenzierten Rollen in The Prince and the Showgirl und The Misfits bewies Monroe Talent und Vielseitigkeit und bestimmte ihren Weg zunehmend selbst.

Bild: The Misfits

As Time Goes By: Die Magie der 16 filmischen Langzeitbeobachtung

Ein Leben im Zeitraffer und in wenigen Stunden erzählt. Politische Systeme, die vor unseren Augen erstehen und wieder zusammenbrechen. Städte und Landschaften, die sich tiefgreifend verändern. Wie kaum ein anderes Medium kann Film Zeit sichtbar machen und damit vielleicht das Geheimnis unseres Daseins etwas lüften. Wie glückt ein Leben, wie scheitert es? Wo wurden wann welche Weichen gestellt? Das Filmpodium wird zur Zeitmaschine und präsentiert eine Auswahl der spannendsten Langzeitbeobachtungen: vom britischen Sozial-Experiment Up zu Volker Koepps lyrischer Studie über Textilarbeiterinnen in Wittstock bis zu Helena Třeštíkovás Begegnung mit dem charismatischen Outlaw René. Zu Gast: Volker Koepp und Helena Třeštíková.

Bild: 28 Up

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© 1961 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. All Rights Reserved.

Filmpodium Classics: 34 Branded to Kill

Goro ist ein Auftragskiller mit Ambitionen, zwei Frauen in seinem Leben und einem fatalen Faible für den Duft von gekochtem Reis. Seijun Suzukis Branded to Kill (1967) wirkt so, als hätte Jean-Luc Godard einen YakuzaThriller gedreht.

Filmpodium für Kinder: 36 Kiriku und die Zauberin

Klein, aber kühn, winzig, aber weise –das ist Kiriku. Ein zauberhafter Animationsfilm, inspiriert von einem westafrikanischen Märchen. Eine Freude für alle unter einem Meter zwanzig, und natürlich auch für die darüber.

Bild: Kiriku und die Zauberin

Filmpodium Premiere 35 Armageddon Time

In seinem preisgekrönten autobiografischen Coming-of-Age-Drama Armageddon Time mit Anne Hathaway und Anthony Hopkins entwirft James Gray (Two Lovers, Ad Astra) auch ein Bild vom Niedergang des American Dream.

Bild: Armageddon Time

Einzelvorstellung

Michael Sauters Erzählwelten: 33 Sennentuntschi mit anschliessender Buchpräsentation «Schaurige Schweiz».

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© 1959 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. All Rights Reserved.

Marilyn Monroe Revisited

Sechzig Jahre nach Marilyn Monroes mysteriösem Tod 1962 hat Netflix im letzten August mit Blonde das Interesse an diesem einzigartigen Star wieder angefacht. Die Verfilmung des Romans von Joyce Carol Oates stellt Monroe aber sehr reduktiv dar. Elisabeth Bronfen, die schon in ihrem Buch «Diva» (2002) über Monroe reflektiert hat, wirft einen anderen Blick auf die Blondine, die keine war.

Bei der Verwandlung von Norma Jeane Baker in die berühmteste Ikone weiblicher Verführungskraft des 20. Jahrhunderts spielt das Changieren zwischen den zwei Körpern des Stars eine wesentliche Rolle. Für den Psychothriller Niagara (1952) wurde ihr natürlicher Körper durch plastische Chirurgie zum Starkörper umgemodelt: Ihre Nase wurde geliftet, ihr Haaransatz korrigiert, die Zähne wurden begradigt und dem Kinn verlieh man markantere Züge. Doch obgleich man bei der Twentieth Century Fox Marilyn Monroe auf ihre aufreizenden Körperteile zu reduzieren suchte – «liebliches Gesicht», «praller Busen», «knackiger Po» –, ging von dieser Sexgöttin eine ganz eigene Strahlkraft aus. In das vorgesehene Schema wollte sie sich nicht pressen lassen, stattdessen hat sie es demontiert, indem sie ihren erotischen Charme bis zum Exzess zur Schau stellte. Wenn Marilyn Monroe in The Seven Year Itch (1955) über einem U-Bahn-Schacht steht, damit der Wind des vorbeifahrenden Zuges ihren Rock immer höher flattern lässt, bleibt sie ihrem Diktum treu: «In Wahrheit habe ich nie jemandem etwas vorgetäuscht. Ich habe nur Männern manchmal erlaubt, sich selbst etwas vorzumachen.»

Ausbeutung und Selbstbestimmung

Eine Oscarnominierung hat sie nie erhalten, denn die Widersprüche, die sie öffentlich zur Schau trug, machten Hollywood nervös. Einerseits war sie die sensible, verletzliche Träumerin, die, unfähig sich zu verteidigen, hilflos der Ausbeutung durch das Studiosystem ausgeliefert war. Andererseits sehnte sie sich nach Ruhm und setzte ihren ganzen Ehrgeiz daran, als Schauspielerin ernst genommen zu werden. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere hat sie ihre eigene Produktionsfirma gegründet, um in The Prince and the Showgirl (1957) mit intelligentem Charme das eigene Starimage zu entlarven: Elsie Marina weiss genau, dass der karpathische Aristokrat (gespielt von Laurence Olivier, der auch Regie führte) sie nur zu sich hat kommen lassen, um sie sexuell aus-

↑ Marilyn Monroe stiehlt allen die Show: Some Like It Hot.

→ Gentlemen Prefer Blondes: Lorelei Lee muss sich der Likes erwehren.

↓ Eindrucksvolle Nebenrolle: The Asphalt Jungle.

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zunutzen. Als sie ihn dann mit List und Tücke dazu bringt, sich in sie zu verlieben, ist sie diejenige, die ihm nach zwei stürmischen Nächten zu verstehen gibt: Es war doch nur eine kurze Affäre, aber eine, in der stets ich die Fäden in der Hand hatte.

Wenn wir also heute auf Marilyn Monroe blicken, dann um den Widerstreit zwischen dem Starimage der «dummen Blondine» und ihrem selbstbestimmten Umgang damit nochmals neu zu betrachten. Dabei rückt weiterhin ihr geheimnisvoller Tod am 4. August 1962 das Tragische in ihrem Leben in den Vordergrund: die Drogen- und Alkoholabhängigkeit, die Depressionen und die Schlaflosigkeit, die psychischen Zusammenbrüche, die Fehlgeburten, die gescheiterten Ehen mit Joe DiMaggio und Arthur Miller. Im Nachhinein lässt sich viel leichter erkennen, wie sehr ihrer unbekümmerten Fröhlichkeit ein grenzenloser Selbstzweifel und eine tiefe Einsamkeit innewohnten, wie sehr ihr strahlendes Lächeln oft in eine untröstliche Traurigkeit umzukippen drohte. Die besondere Strahlkraft, die von ihr ausgeht, begreifen wir heute als Anzeichen dafür, wie fragil diese Lichtgestalt war, die einen besonderen Puder benutze, um ihre Haut noch heller erscheinen zu lassen. Die einseitige Sichtweise, die jüngst in Andrew Dominiks Netflix-Film Blonde dargeboten wurde, reduziert Marilyn Monroe einmal mehr auf einen Gegenstand, zwar nicht auf ein Sexsymbol, dafür aber auf das Symbol des weiblichen Opfers. Doch wer ihren Wunsch nach Celebrity vornehmlich als Kompensation für Ängste und Minderwertigkeitsgefühle deutet, übersieht das, was Monroes nachhaltigen Charme ausmacht: ihre Intelligenz, ihr Witz und ihr Talent.

Monroes Blick auf sich selbst

Unermüdlich hat Monroe in Interviews darauf hingewiesen, dass sie mehr sei als eine Projektionsfläche, derer andere sich uneingeschränkt bedienen dürfen. «Man landet immer im Unbewussten anderer Leute. Es ist zwar schön, in den Fantasien anderer Menschen vorzukommen, aber man möchte doch eigentlich gerne akzeptiert werden als das, was man selbst ist.» Heute nochmals auf Marilyn Monroe zu blicken, könnte heissen, sie nicht als Ware zu betrachten, mehr zu sehen als ihre Reduktion auf eine Chiffre. Die vielen Filmaufnahmen, die sie mit schwingenden Hüften von hinten zeigen, könnte man auch als Angebot verstehen, mit ihr zu blicken, statt sich auf ihren Po zu fixieren. Die eng anliegenden Kleider müssen nicht zwingend als Beispiel für jenen Exhibitionismus gesehen werden, der zum Starimage einer jeden Sexgöttin gehört. Wenn die Nähte ihrer Kleider zu platzen drohen, lässt sich das auch als Zeichen dafür lesen, dass sich ihre Sinnlichkeit nicht vom engen Korsett der Moralvorstellungen der 1950er-Jahre einschränken liess.

Marilyn Monroe nicht auf eine Chiffre zu reduzieren, kann auch heissen, unsere Aufmerksamkeit auf jene Selbstironie zu lenken, mit der sie das

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Klischee der «dummen Blondine» sowohl bediente als auch entlarvte – und dabei mit klugem Witz an ihrem Image zu schleifen wusste. Am Ende von Gentlemen Prefer Blondes (1953) findet ein treffendes Gespräch zwischen Lorelei Lee und dem Vater ihres Bräutigams statt. Erstaunt bemerkt der ältere Herr, der diese Heirat hartnäckig verhindern wollte, sie sei ja gar nicht dumm, wie man ihm berichtet habe. Schlagfertig erwidert sie, sie könne durchaus intelligent sein, wenn es darauf ankomme, nur würden die meisten Männer das nicht mögen. Ebenso ironisch ist die Selbstdemontage in der Schlussszene von Some Like It Hot (1959), in der Sugar Kane sich begeistert einem Liebhaber hingibt, von dem sie weiss, er wird sie enttäuschen. Die Geste bestrickt uns, weil wir wissen, dass sie dies sehenden Auges tut: Bei ihrem ersten Treffen mit dem als «Josephine» verkleideten Tony Curtis in der Toilette des Zuges erzählte sie von ihrer Schwäche für untreue Saxofonisten. Am Ende der Beichte deutete sie mit dem Zeigefinger auf ihre Schläfe und meinte strahlend von sich selbst: «Not very bright.» Das kann nur eine Schauspielerin so leichtfüssig darbieten, die tatsächlich sehr klug, sehr fordernd und sehr kritisch ist. Im Nachhinein fällt auf, was man damals nicht wahrnehmen wollte: Kein anderer Hollywoodstar wurde so oft wie sie als Lesende fotografiert, von Eve Arnold sogar mit Joyce’ «Ulysses» auf dem Schoss.

Schauen wir heute noch einmal auf Marilyn Monroe, dann nicht zuletzt wegen der einzigartigen Liebesbeziehung, die sie mit der Kamera hatte. Von den Beschränkungen durch ihre Filmrollen befreit, hat sie sich von Fotografen in ihrer nackten Menschlichkeit aufnehmen lassen. So bleibt neben den unnachahmlichen Gesten und dem einzigartigen Timbre ihrer Stimme der geheimnisvolle Reiz ihres Gesichts. So viel gibt ihr direkter Blick in die Kamera preis und behält doch so viel für sich. Eben weil Marilyn Monroe sich nie ganz, nie endgültig begreifen lässt, ergreift uns ihr Anblick auch weiterhin. Was Shakespeare in seiner Tragödie «Antony and Cleopatra» über die altägyptische Herrscherin sagen lässt, trifft auch für die Königin der CelebrityCulture zu: «Sie macht hungrig, wo sie am meisten befriedigt hat.»

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Elisabeth Bronfen Elisabeth Bronfen ist Kulturwissenschaftlerin an der UZH und Autorin.
Business
Monkey → Don’t Bother to Knock → Clash by Night
1952
→ All About Eve.
©
Twentieth Century Fox Film Corporation

THE ASPHALT JUNGLE

USA 1950

Ein kriminelles Genie engagiert eine Bande für einen Juwelenraub. Trotz minuziöser Planung geht der Coup schief, die Bande fällt auseinander und reibt sich auf, während sich das Netz der Polizei immer enger zusammenzieht.

«The Asphalt Jungle ist Inauguration und Vorbild aller Spielarten des modernen Gangsterfilms. (…) Kühl und ohne moralische Entrüstung zeigt Huston eine Mikrogesellschaft, die Verbrechen als andere Form menschlichen Strebens begreift.» (Harry Tomicek, Österreich. Filmmuseum Wien, 4/2005)

«Mit ihren zwei Szenen gelang es Monroe, die Aufmerksamkeit von Joseph L. Mankiewicz auf sich zu ziehen – dieser besetzte sie dann in einer ähnlichen Rolle in All About Eve.» (Peter Heath Becker, criterion.com)

112 Min / sw / DCP / E // REGIE John Huston // DREHBUCH Ben Maddow, John Huston, nach dem Roman von W. R. Burnett // KAMERA Harold Rosson // MUSIK Miklós Rózsa // SCHNITT George Boemler // MIT Sterling Hayden (Dix Handley), Louis Calhern (Alonzo D. Emmerich), Jean Hagen (Doll Conovan), James Whitmore (Gus Minissi), Sam Jaffe (Doc Erwin Riedenschneider), Marilyn Monroe (Angela Phinlay).

ALL ABOUT EVE

USA 1950

Ein alternder Broadwaystar gerät unter den Einfluss einer jungen Schauspielerin, hinter deren Bewunderung sich ganz eigene Pläne verbergen. Marilyn Monroe tritt als strahlend junge Blondine auf. Ihre «kleine Rolle erregte grosses Aufsehen, ihre beiden Szenen leiten jeweils entscheidende Wendepunkte ein. Man findet darin schon viele Charakteristika, auf die sie später festgelegt wurde und gegen die sie oft erfolglos aufbegehrte. Die Starbesetzung jagte ihr schreckliche Angst ein, doch Regisseur Mankiewicz gab ihr die nötige Lockerheit. Ihr Schauspielkollege Gregory Ratoff prophezeite am Set: ‹That girl ees goink to be a beeg star!›» (Filmmuseum München, 22/2012)

138 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Joseph L. Mankiewicz // DREHBUCH Joseph L. Mankiewicz, nach der Erzählung

«The Wisdom of Eve» von Mary Orr // KAMERA Milton R.

Krasner // MUSIK Alfred Newman // SCHNITT Barbara

McLean // MIT Bette Davis (Margo Channing), Anne Baxter (Eve Harrington), George Sanders (Addison DeWitt), Marilyn Monroe (Miss Casswell), Celeste Holm (Karen Richards), Gary Merrill (Bill Simpson), Hugh Marlowe (Lloyd Richards), Thelma Ritter (Birdie Coonan), Gregory Ratoff (Max Fabian).

CLASH BY NIGHT USA 1952

Desillusioniert kehrt eine Frau aus der Grossstadt in ihren Heimatort an der kalifornischen Küste zurück und heiratet einen Fischer. Doch bald beginnt sie eine Affäre mit seinem Freund.

«Zu einer Zeit, als der ‹Code of Decency› der amerikanischen Filmindustrie die Darstellung des Ehebruchs noch tabuisierte, erfrechte sich Lang, eine Frauenfigur zu zeichnen, die einen Mann heiratet, der ihr bloss eine fast väterliche Geborgenheit und materielle Sicherheit bringt, und die einem Freund erliegt, der – das wird so klar, wie es damals gezeigt werden konnte – sexuell offenbar stimulierender und befriedigender ist. Das Skandalöse an Langs Darstellung ist, dass er diese Frau nicht negativ zeichnet.» (Martin Girod, Filmpodium, Oktober/November 2007)

«Mehr noch als Barbara Stanwyck überzeugt Marilyn Monroe», die die Freundin des Bruders der Hauptperson spielt und «die man bislang wohl noch nie so nett und natürlich und so angenehm ihrer koketten Unarten entkleidet sah.» (Franziska Violet, Filmmuseum München, 22/2012)

105 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Fritz Lang // DREHBUCH

Alfred Hayes, nach dem Theaterstück von Clifford Odets // KAMERA Nicholas Musuraca // MUSIK Roy Webb // SCHNITT

George Amy // MIT Barbara Stanwyck (Mae Doyle D’Amato), Marilyn Monroe (Peggy), Paul Douglas (Jerry D’Amato), Robert Ryan (Earl Pfeiffer), J. Carroll Naish (Onkel Vince), Silvio Minciotti (Papa D’Amato), Keith Andes (Joe Doyle).

DON ’ T BOTHER TO KNOCK

USA 1952

«Nachdem seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hat, bandelt der frustrierte Pilot Jed im Hotel mit der jungen Nell an, die dort als Babysitter arbeitet, aber in die eleganten Kleider ihrer Arbeitgeberin geschlüpft ist. Allmählich muss Jed feststellen, dass Nell nicht nur eine Lügnerin ist, sondern psychotische Züge zeigt, indem sie ihn für ihren toten Liebsten hält und vor nichts zurückschreckt, um ihren Wahn aufrechtzuerhalten. Nachdem Clash by Night Marilyn Monroe viel Publizität gebracht hatte (...), glaubte sie Fox-Produzent Darryl F. Zanuck reif für eine grosse dramatische Rolle. Auch wenn Marilyn Monroe und ihre damalige Schauspiellehrerin Natasha Lytess den Film für eine Katastrophe hielten, lobte die Presse sie fast einhellig; Ado Kyrou schrieb in seinem Buch ‹Le surréalisme au cinéma›, die beste Darstellung einer Sexualneurose im Kino sei Marilyns Interpretation der Nell in Don’t Bother to Knock.» (Filmpodium, Juli/August 2012)

09 Marilyn Monroe Revisited

76 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Roy Ward Baker // DREHBUCH Daniel Taradash, nach dem Roman von Charlotte Armstrong // KAMERA Lucien Ballard // MUSIK Lionel Newman // SCHNITT George A. Gittens // MIT Marilyn Monroe (Nell Forbes), Richard Widmark (Jed Towers), Anne Bancroft (Lyn Leslie), Donna Corcoran (Bunny Jones), Jeanne Cagney (Rochelle), Elisha Cook jr. (Eddie Forbes).

MONKEY BUSINESS USA 1952

Ein zerstreuter Wissenschaftler, seine Frau, sein Chef und dessen nicht schreibmaschinenkundige Sekretärin geraten unter die Wirkung eines Verjüngungstrankes, den ein Affe zufällig zusammengemixt hat.

«Das Timing der Gags stellt den grössten Teil der Hollywood-Komödien in den Schatten. Die klassische Verkehrte-Welt-Komödie, in der Kinder und Tiere sexuelle Anarchie in die gesetzte Erwachsenenwelt bringen.» (Don Macpherson, Time Out Film Guide)

«Marilyn Monroe, die von Cary Grant als ‹noch ein halbes Kind› beschrieben wird (worauf Ginger Rogers kontert: ‹Aber nicht die sichtbare Hälfte!›), hat etwas in ihrer Haltung und in ihrem Gang, das suggestiv genannt werden muss. Was sie suggeriert, ist etwas, um das es in diesem Film die meiste Zeit geht, mit oder ohne Verjüngung.» (Archer Winston, New York Post, 1952)

97 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Howard Hawks // DREHBUCH Ben Hecht, Charles Lederer, I. A. L. Diamond, nach einer Story von Harry Segall // KAMERA Milton R. Krasner // MUSIK Leigh Harline // SCHNITT William B. Murphy // MIT Cary Grant (Prof. Barnaby Fulton), Ginger Rogers (Mrs. Edwina Fulton), Marilyn Monroe (Miss Lois Laurel, die Sekretärin), Charles Coburn (Mr. Oliver Oxly), Hugh Marlowe (Hank Entwhistle), Henri Letondal (Dr. Jerome Kitzel).

NIAGARA

USA 1953

Im Urlaub an den Niagarafällen plant Rose (Marilyn Monroe) mit ihrem Geliebten die Ermordung ihres vom Koreakrieg traumatisierten Ehemanns. Ein biederes junges Ehepaar auf Flitterwochen wird in die Intrige hineingezogen.

«Ob Marilyn Monroe in Niagara nackt unter einem Betttuch liegt, um es während der Dreharbeiten unauffällig beiseitezuschieben, ob sie über einem U-Bahn-Schacht steht, um durch den Wind des vorbeifahrenden Zuges ihren Rock immer höher flattern zu lassen (wie in The Seven Year Itch) –ihr Diktum war immer: ‹Ich liebe es, Dinge zu tun, die die Zensur nicht durchgehen lässt. Wozu sind wir denn alle auf der Welt? Um rumzustehen und

das Leben an uns vorbeiziehen zu lassen?›» (Elisabeth Bronfen / Barbara Straumann: Die Diva, Schirmer & Mosel, 2002)

92 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Henry Hathaway // DREHBUCH Charles Brackett, Walter Reisch, Richard L. Breen // KAMERA Joseph MacDonald // MUSIK Sol Kaplan // SCHNITT Barbara McLean // MIT Marilyn Monroe (Rose Loomis), Joseph Cotten (George Loomis), Jean Peters (Polly Cutler), Max Showalter (Ray Cutler), Denis O’Dea (Inspektor Starkey), Richard Allan (Ted Patrick), Don Wilson (Jess C. Kettering).

Vor der Vorführung von Niagara am Mittwoch, dem 15. März um 18.15 Uhr präsentiert This Brunner seine Autobiografie «Magnificent Obsessions Saved My Life» im Gespräch mit Michel Bodmer.

GENTLEMEN PREFER BLONDES

USA 1953

Zwei Showgirls (Marilyn Monroe und Jane Russell) reisen per Schiff nach Paris, die eine sucht Liebe, die andere eine gute Partie. Die blonde Lorelei ist immerhin schon mit dem Millionärssohn Gus verlobt, strebt aber nach noch mehr Wohlstand. Gus ahnt das und schickt einen Detektiv hinterher, der sie beschatten soll.

«Dieser Klassiker des Musicals und der Sozialsatire bietet ein straffes Drehbuch, Hawks’ gewohnt menschlichen Stil und eine ganze Reihe von Gesangs- und Tanznummern, darunter das berühmte ‹Diamonds Are a Girl’s Best Friend›. Der Zynismus des Plots – geldgierige Varietétänzerinnen auf Luxuskreuzfahrt – wird wunderbar widerlegt mit einer grosszügigen Dosis Gefühl, und die von Monroe und Russell verkörperten sexuellen Stereotype werden ironisch eingesetzt, um eine Reihe erotischer Strategien durchzuspielen: Unschuld, Dreistigkeit, Versuchung, Verführung. Interessant ist auch: Die männlichen Rollen dienen lediglich als Kontrastfiguren für die sympathisch-rivalisierende Beziehung der weiblichen Hauptfiguren.» (Chris Auty, Time Out Film Guide)

91 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Howard Hawks // DREHBUCH Charles Lederer, nach dem Musical von Anita Loos, Joseph Fields // KAMERA Harry J. Wild // MUSIK Lionel Newman, Songs: Jule Styne, Liedtexte: Leo Robin // SCHNITT Hugh S. Fowler // MIT Marilyn Monroe (Lorelei Lee), Jane Russell (Dorothy Shaw), Elliott Reid (Ernie Malone), Charles Coburn (Sir Francis «Piggy» Beekman), Tommy Noonan (Gus Esmond Jr.), George Winslow (Henry Spofford III).

 Dieser Film gehört auch zur «Sélection Lumière». Dienstag, 14. März, 20.45 Uhr: Einführung von Mischa Haberthür

10 Marilyn Monroe Revisited

HOW TO MARRY A MILLIONAIRE USA 1953

Drei New Yorker Models (Marilyn Monroe, Lauren Bacall und Betty Grable) kratzen ihr letztes Geld zusammen, mieten ein extravagant ausgestattetes Penthouse und schwören einander, nicht mehr ihrem Herzen zu folgen, sondern Millionäre zum Heiraten zu finden.

Jean Negulescos eleganter und grosszügig ausgestatteter Film war die erste Komödie in Cinemascope – «und wie macht sich Marilyn Monroe auf der Grossbild-Leinwand? Wer darauf besteht, in der ersten Reihe zu sitzen, fühlt sich wahrscheinlich wie in einer Sauna. Ihre Leistung als Komikerin ist von der gleichen Klasse wie ihr Aussehen. Als kurzsichtiges Geschöpf, das in Gegenwart von Männern ihre Brille aus Eitelkeit nicht tragen will, rennt sie gegen Möbel und hält Bücher verkehrt herum – alles auf so aufreizende Weise, dass die Leinwand fast schmilzt.» (Otis L. Guernsey Jr., New York Herald Tribune, 1953)

95 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Jean Negulesco // DREHBUCH Nunnally Johnson, nach den Theaterstücken «The Greeks Had a Word for It» von Zoe Akins, und «Loco» von Dale Eunson, Katherine Albert // KAMERA Joseph MacDonald // MUSIK Cyril J. Mockridge // SCHNITT Louis R. Loeffler // MIT Marilyn Monroe (Pola Debevoise), Betty Grable (Loco Dempsey), Lauren Bacall (Schatze Page), David Wayne (Freddie Denmark), Rory Calhoun (Eben), Cameron Mitchell (Tom Brookman), Alexander D’Arcy (J. Stewart Merrill).

RIVER OF NO RETURN

USA 1954

Farmer Matt Calder und sein Sohn Mark helfen einem jungen Paar, das in ihrer Nähe mit einem Floss am Flussufer strandet. Als Indianer angreifen, sucht der Fremde mit Calders Pferd und Gewehr das Weite. Matt und Mark müssen mit der zurückgelassenen Barsängerin Kay auf dem Floss den gefährlichen Strom hinabfliehen.

«Erzählt wird also vom Inferno einer äusseren Konfrontation, das sich nach und nach zum Abenteuer einer inneren Annäherung weitet. Calder und die Sängerin streiten sich unentwegt, finden aber in Momenten der Gefahr auch fürsorgliche Gesten füreinander. Je grösser die Gefahr draussen, desto enger die Bindung zwischen den Flüchtenden auf dem Floss. (...) Ein ‹unschuldiger, fast kindlicher Film› wurde River of No Return einmal genannt. Das hat auf der einen Seite mit dem kumpelhaften Umgang der Darsteller miteinander zu tun, von Robert Mitchum und Marilyn Monroe, die sich offensichtlich mochten. (...) Andererseits kommt es von dem sichtbaren Vergnügen aller Be-

teiligten, dieses Rührstück mit Musik mit bunten Tönen und dicken Strichen auszumalen.» (Norbert Grob, in: Otto Preminger, Jovis 1999)

91 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Otto Preminger, Jean Negulesco (ungenannt) // DREHBUCH Frank Fenton, nach einer Erzählung von Louis Lantz // KAMERA Joseph LaShelle // MUSIK Cyril J. Mockridge // SCHNITT Louis R. Loeffler // MIT Robert Mitchum (Matt Calder), Marilyn Monroe (Kay Weston), Rory Calhoun (Harry Weston), Tommy Rettig (Mark Calder), Murvyn Vye (Dave Colby), Douglas Spencer (Sam Benson).

THE SEVEN YEAR ITCH

USA 1955

«In der Sommerhitze von New York verdreht eine grenzenlos naive, aber ungemein aufreizende junge Nachbarin einem Strohwitwer so gehörig den Kopf, dass ihm die erotischen Fantasien wilde Streiche zu spielen beginnen.

Die Verfilmung eines Broadwaystücks, dessen leicht biedere Anzüglichkeit Wilder systematisch ins Absurde steigert. Resultieren daraus auch eine weitgehende Denunziation der Figuren und eine Reihe mässig komischer Schlüpfrigkeiten –darunter die berühmte Szene mit Marilyns hochgewehtem Kleid über dem U-Bahn-Schacht –, so werden diese Schwächen wettgemacht durch die sexuellen Wunschvorstellungen des Helden, die Wilder unwiderstehlich komisch inszeniert und mit maliziösen Parodien auf romantische Filmklischees spickt. Selten ist die bigotte Sexualmoral der Nachkriegszeit gründlicher demontiert worden.» (Andreas Furler, Filmpodium, Juli/ August 2012)

105 Min / Farbe / Digtal HD / E/d // REGIE Billy Wilder // DREHBUCH Billy Wilder, George Axelrod, nach dem Theaterstück von George Axelrod // KAMERA Milton R. Krasner // MUSIK Alfred Newman // SCHNITT Hugh S. Fowler // MIT Marilyn Monroe (das Mädchen), Tom Ewell (Richard Sherman), Evelyn Keyes (Helen Sherman), Sonny Tufts (Tom MacKenzie), Robert Strauss (Mr. Kruhulik), Oscar Homolka (Dr. Brubaker).

BUS STOP

USA 1956

Bo, ein unerfahrener junger Cowboy auf Brautschau, verfällt dem Sexappeal der Barsängerin Chérie und verschleppt sie kurzerhand, um sie zu seiner Frau zu machen. Aber um Chéries Liebe gewinnen zu können, muss er noch viel dazulernen.

«Joshua Logan hat Monroe dazu gebracht, ihrer Figur Würde zu verleihen und Anteilnahme an ihrem Schicksal erwecken zu lassen. Dies mag sich für diejenigen, die ihre Miss Monroe lieber

11 Marilyn Monroe Revisited
→ Gentlemen Prefer Blondes → How to Marry a Millionaire. → River of
No Return
→ Niagara

kerngesund und voller Begierde sehen, nicht gerade vielversprechend anhören. Doch denken Sie ja nicht, dass sie, weil sie in diesem Film wirklich eine Charakterstudie abliefert, deshalb weniger lebendig, humorvoll oder attraktiv ist als sonst.» (Bosley Crowther, New York Times, 1956)

96 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Joshua Logan // DREHBUCH George Axelrod, nach dem Theaterstück von William Inge // KAMERA Milton R. Krasner // MUSIK Cyril J. Mockridge, Alfred Newman // SCHNITT William H. Reynolds // MIT Marilyn Monroe (Cherie), Don Murray (Beauregard «Bo» Decker), Arthur O’Connell (Virgil Blessing), Betty Field (Grace Hoyland), Hope Lange (Elma Duckworth), Robert Bray (Carl), Eileen Heckart (Vera).

THE PRINCE AND THE SHOWGIRL

GB/USA 1957

1911 kommt Grossherzog Charles, Regent von Karpathien, zur Krönung Georges V. nach London, begleitet von seinem 16-jährigen Sohn, dem designierten karpathischen König Nicolas. Beim Besuch eines Musicals bemerkt der Fürst das Showgirl Elsie Marina und lädt sie in seine Residenz zum Tête-à-Tête ein. Doch die scheinbar naive Amerikanerin widersteht nicht nur seinen Verführungskünsten, sondern stellt auch die politischen Pläne des Regenten auf den Kopf.

Marilyn Monroe kaufte die Filmrechte an Terence Rattigans Stück «The Sleeping Prince», das Laurence Olivier auf der Londoner Bühne mit sich und Vivien Leigh in den Hauptrollen inszeniert hatte. Sie bezirzte Olivier, auch die Verfilmung zu übernehmen. Der Dreh erwies sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Vorstellungen von Schauspielerei als schwierig, was man dem Ergebnis aber nicht anmerkt.

«Monroes gehauchte Kleinmädchenstimme und ihr polymorph-perverser Nicht-Schauspielstil haben einen speziellen pseudounschuldigen Charme, den offenbar keine ihrer Nachahmerinnen einzufangen vermag.» (Pauline Kael: 5001 Nights at the Movies, Marion Boyars 1993)

115 Min / Farbe / 35 mm / E/d // REGIE Laurence Olivier // DREHBUCH Terence Rattigan // KAMERA Jack Cardiff // MUSIK Richard Addinsell // SCHNITT Jack Harris // MIT Marilyn Monroe (Elsie Marina), Laurence Olivier (Grossherzog Charles), Sybil Thorndike (Königinwitwe), Richard Wattis (Northbrook), Jeremy Spenser (König Nicolas).

SOME LIKE IT HOT USA 1959

Die arbeitslosen Musiker Joe und Jerry werden als Mordzeugen von Gangstern verfolgt und müssen

untertauchen. Als Frauen verkleidet schmuggeln sie sich in eine Damenkapelle, deren UkuleleSpielerin Sugar sie zu amourösen Verrenkungen und Ränken sondergleichen inspiriert.

«Was für ein Werk der Kunst wie auch der Natur ist doch diese Monroe. Sie ist nicht zur Ikone gealtert, sondern scheint sich in dem Moment, wo wir ihr zuschauen, jeweils neu zu erfinden. (…) Schauen Sie sich ihr Solo ‹I Wanna Be Loved by You› genauer an: Ein hübsches Mädchen steht vor ihrem Orchester und singt. Monroe und Wilder verwandeln diese simple Szene in eine der faszinierendsten und unverfroren sexuell aufgeladensten Filmszenen überhaupt: Sie in ihrem hauchdünnen Kleidchen in der Mitte eines Spots, der sie nicht nur von den Hüften an aufwärts beleuchtet, sondern der mit ihr so präzise spielt, als wäre er ein zusätzlicher Ausschnitt. Ein Striptease, in dem Nacktheit überflüssig ist. Sie scheint sich dieses Effekts nicht bewusst zu sein, stattdessen singt sie unschuldig ihren Song. Bei dieser Szene wird klar, dass niemand eine grössere sexuelle Chemie mit der Kamera besitzt als Monroe. (…) Der Film handelt ja eigentlich von den beiden Figuren, die von Jack Lemmon und Tony Curtis gespielt werden – doch Monroe stiehlt den beiden die Show, so wie sie es in jedem ihrer Filme macht.» (Roger Ebert, Chicago Sun-Times, 9.1.2000)

120 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Billy Wilder // DREHBUCH

Billy Wilder, I. A. L. Diamond, nach einer Geschichte von Robert Thoeren, Michael Logan // KAMERA Charles Lang Jr. // MUSIK

Adolph Deutsch // SCHNITT Arthur P. Schmidt // MIT Marilyn Monroe (Sugar Kane Kowalczyk), Tony Curtis (Joe/Josephine), Jack Lemmon (Jerry/Daphne), George Raft (GamaschenColombo), Pat O’Brien (Det. Mulligan), Joe E. Brown (Osgood E. Fielding III), Joan Shawlee (Sweet Sue).

LET ’ S MAKE LOVE

USA 1960

Ein Multimillionär will gegen eine Revue vorgehen, in der er veräppelt wird – und verliebt sich in die Hauptdarstellerin (Marilyn Monroe). Von ihr für einen brotlosen Schauspieler gehalten, lässt er sich in die Truppe einschleusen und heimlich von Topstars coachen, um sie nicht mit Geld, sondern mit seinem Charme für sich zu gewinnen.

«Monroe ist natürlich eine wahre Freude in der massgeschneiderten Rolle einer Off-BroadwaySchauspielerin, die intellektuell weiterkommen will (...), aber sie hat auch einen einzigartig begabten Kostar in Yves Montand. Dieser spielt den reichsten Mann der Welt, der eine Frau sucht, die ihn nur um seiner selbst willen liebt, mit viel Herz und Humor. Immer wenn die Geschichte zu langweilig zu werden droht, kommt eine umwerfende Musiknummer von Cole Porter.» (Variety, 1959)

13 Marilyn Monroe Revisited
→ The Prince and the Showgirl → Bus Stop
→ The Seven Year Itch

119 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE George Cukor // DREHBUCH Norman Krasna, Hal Kanter, Arthur Miller (ungenannt) // KAMERA Daniel L. Fapp // MUSIK Lionel Newman // SCHNITT David Bretherton // MIT Marilyn Monroe (Amanda Dell), Yves Montand (Jean-Marc Clement/Alexander Dumas), Tony Randall (Alexander Coffman), Frankie Vaughan (Tony Danton), Wilfrid Hyde-White (George Welch).

THE MISFITS

USA 1961

«Eine frisch geschiedene Nachtclubtänzerin lernt in Nevada drei von ihren Lebensverhältnissen enttäuschte Cowboys kennen, bei denen sie Trost sucht. Doch statt des erhofften Abenteuers wird die gemeinsame Jagd auf wilde Pferde zum Albtraum: Die Männer hetzen die Tiere mit Flugzeug und Autos – im Auftrag der Hundefutterindustrie.

Der letzte fertiggestellte Film Marilyn Monroes und auch Clark Gables ist ein stiller Abgesang auf den Wilden Westen und die Verlorenheit seiner Figuren, nachdem die Mythen von einer prosaischen modernen Wirklichkeit eingeholt worden sind. Szenen wie Monroes nächtlicher Tanz unter den Bäumen oder die abschliessende Treibjagd sind ins Repertoire der magischen Filmmomente eingegangen.» (Filmpodium, Juli/August 2002)

124 Min / sw / DCP / E/d // REGIE John Huston // DREHBUCH

Arthur Miller // KAMERA Russell Metty // MUSIK Alex North // SCHNITT George Tomasini // MIT Marilyn Monroe (Roslyn Taber), Clark Gable (Gay Langland), Montgomery Clift (Perce Howland), Thelma Ritter (Isabelle Steers), Eli Wallach (Guido), James Barton (alter Mann in der Bar).

DIE MARILYN-MONROE-STORY MI, 22. FEB. | 18.15 UHR

MULTIMEDIA-PRÄSENTATION VON ANDREAS FURLER

Sechzig Jahre nach ihrem Tod und bald hundert nach ihrer Geburt ist Marilyn Monroe noch immer einer der grössten Filmstars, die Hollywood je hervorgebracht hat. Doch in den Medien und in Filmen wie jüngst dem Netflix-Biopic Blonde überlebt von ihr fast nur das Klischee von der dümmlichen Blondine mit Ambitionen, grossem Busen und noch grösseren Neurosen.

Andreas Furler, langjähriger Filmkritiker, Koleiter des Filmpodiums und Betreiber des Filmportals cinefile, lässt in seiner Multimedia-Präsentation Monroes Leben und Werk anhand von Filmausschnitten und reichem Bildmaterial Revue passieren, um den Gegenbeweis anzutreten: Monroe gilt zu Recht als Jahrhundertfigur. Ihre Persönlichkeit und ihre Filme sind ungleich schillernder, als ständig behauptet wird, und ihr tragischer Tod mit 36 ist eine weitere Episode in der düsteren Geschichte der Psychiatrie.

| 20.00 UHR SOME LIKE IT HOT & THE MISFITS MIT ELISABETH BRONFEN & JOHANNES BINOTTO

DOUBLE BILL ON DOUBLE BILL DO, 2.

Im Dialog aus zwei Filmen ein stimmiges Duett machen – das ist das Prinzip des FilmpodiumFormats «Double Bill on Double Bill», diesmal mit Marilyn Monroe als Bindeglied. Dabei könnten die Rollen und Stimmungen, die sie in Billy Wilders überdrehtem Some Like It Hot und John Hustons düsterem The Misfits spielt, unterschiedlicher nicht sein. Im einen bezaubert sie als naive Träumerin, die von all dem Chaos um sie herum nichts mitzukriegen scheint; im andern hat sie als desillusionierte Aussenseiterin einen umso klareren Blick auf die bittere Realität amerikanischer Träume. Vielleicht zeigt sich aber gerade in der Kombination von beiden Filmen Monroes einzigartiges Talent am besten, das Leichtfüssige immer auch mit tragischer Note und das Hoffnungslose stets auch mit Ironie zu versehen. Solchen und vielen anderen Doppelseitigkeiten gehen die Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen und der Medienwissenschaftler Johannes Binotto im Gespräch nach, mit Marilyn Monroe an ihrer Seite. Mit dem Double-Bill-Ticket können Sie eine Vorstellung von Some Like It Hot oder The Misfits zum reduzierten Preis beziehen (nur an der Kasse erhältlich).

15 Marilyn Monroe Revisited
MÄRZ
© Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH

As Time Goes By

Die Magie der filmischen Langzeitbeobachtung

Die Zeit vergeht. Und kaum sichtbar nimmt das Leben seinen Lauf, verändern sich Land- und Gesellschaften. Filmische Langzeitbeobachtungen nähern sich diesem Mysterium des Lebens an, begleiten Alltagsheld:innen über Jahre und Jahrzehnte – und machen die Zeit auf der Leinwand sichtbar. Die Zeitmaschine Filmpodium präsentiert eine Auswahl der spannendsten Langzeitbeobachtungen, lädt zur Begegnung mit ihren Macher:innen und fragt nach Chancen und Herausforderungen dieser filmischen Spielart in einem prominent besetzten Podium.

«Film hat mich schon immer fasziniert wegen seiner Fähigkeit, Dinge einzufangen», erklärt Sam Klemke am Anfang von Sam Klemke’s Time Machine (2015). Klemke ist ein Filmenthusiast, der in den 1970er-Jahren anfängt, das eigene Leben auf Film festzuhalten: «Film kann alles erfassen, was er sieht, aber vor allem erfasst er: Zeit.» Für Langzeitbeobachtungen ist das eine schöne Definition, denn das Verführerische daran ist letztlich genau das – die Zeit, die dokumentiert wird, die klar erkennbare Veränderung in Vorhernachher-Bildern von Menschen und Landschaften, Orten und Gesellschaften. Darauf versteht sich kaum jemand so gut wie Helena Třeštíková. 1949 geboren, studierte sie auf der Prager Filmhochschule (FAMU) und debütierte 1975 mit dem kurzen Film Miracle über die Kindheitsfreundin Jana, deren Mann Petr und die Geburt ihres Sohnes Honza. Ein Anfang, auch für das Werk von Třeštíková, die diesem Leben 37 Jahre lang mit der Kamera folgen wird. Der Film bewegt sich entlang der Aufzeichnungen, die der Vater über das Aufwachsen des Kindes gemacht hat, und kontrastiert das Familienleben mit Fernsehbildern der politischen Entwicklungen und Verhältnissen in der ČSSR und der Tschechischen Republik vor und nach 1989/90. Private Universe (2012) ist ein so eleganter wie treffender Titel für diese Langzeitbeobachtung, weil er die Grösse von Třeštíkovás ausdauernder Unternehmung beschreibt, die dem Leben so lange mit der Kamera zuschaut, bis etwas Universelles sichtbar wird.

Für Helena Třeštíková ist die Langzeitbeobachtung der Normalfall dokumentarischen Arbeitens. Immer hat die Filmemacherin mehrere Projekte

↑ What will I be? – Boyhood

→ Aufwachsen im Visier der Kamera: Das Leben drehen.

↓ Aufbruch in eine ungewisse Zukunft: Über die Jahre.

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zeitgleich betreut – neben Private Universe etwa die «Ehe-Etüden» Marriage Stories (1987/2006), in denen sie Paare mehr als 20 Jahre lang beim Zusammensein porträtiert (was auch heissen kann: beim Sichtrennen). Eine besondere Arbeit ist der noch vor der Öffnung des Eisernen Vorhangs begonnene Film über den Strafgefangenen René Plášil: René (2008) rückt eine Figur am Rande der bürgerlichen Gesellschaft ins Zentrum der Aufmerksamkeit, ein Leben, für das sich gemeinhin kaum jemand interessiert. In gewisser Weise «erschafft» Třeštíková den hochintelligenten Kriminellen René sogar erst, wie die Fortsetzung René – The Prisoner of Freedom (2021) belegt. Dort steht am Anfang die mediale Popularität des charismatischen Protagonisten als Buchautor und Talkshow-Gast, die sich dem Film von 2008 verdankt. Die Geschichte handelt also auch von wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Filmemacherin und Protagonist, die Třeštíková transparent macht.

Der fremde Blick auf das eigene Leben

Die längste Langzeitdokumentation der Filmgeschichte kommt allerdings aus Grossbritannien. Seven Up! hiess der 40-minütige Film, der 1964 im britischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. 20 Kinder im Alter von sieben Jahren, die über sich und ihre Welt Auskunft geben. Obwohl die Dokumentation anfangs gar nicht als Serie gedacht war, veröffentlichte der 2021 verstorbene Michael Apted, bei der ersten Folge noch Assistent, alle sieben Jahre eine neue Folge; das letzte Mal 2019 – 63 Up. Schon beim zweiten Film ist die (vermeintliche) mediale Unschuld des Auftakts verschwunden, wenn die 14-jährigen Teenager kritisch-verschämt auf die Bilder blicken, die sie als Kinder zeigen. So kommentiert sich die Up-Serie auch permanent selbst, ordnen die Protagonist:innen mittels des Blickes des über die Jahre vertrauten Beobachters Apted das eigene Leben. Dem Sog, den die wiederkehrenden Gespräche mit den älter werdenden Protagonist:innen durch die Zeit hindurch entfalten, ihren Gesichtern, in die sich das Leben einschreibt, kann man sich nur schwer entziehen. Wer zuschaut, will wissen, wie es weitergeht. Dabei steht, und das war einst Prämisse des Projekts und davon handelt es die ganze Zeit, im Alter von sieben Jahren schon ziemlich viel fest über den weiteren Lebensweg. Apted hat sein Projekt entlang von Klassengrenzen entworfen, und dieser Kontrast macht den Reiz der Serie aus. Dass etwa die schnöselig-artikulierten Reichenkinder John und Andrew, die im ersten Film schon die «Financial Times» und andere Zeitungen ihrer Väter lesen (oder das zumindest behaupten, ohne rot zu werden), genau in den Oxbridge-Eliteunis landen, von denen sie wissen, dass ihnen der Platz dort zusteht, überrascht nicht. Von den finanziell weniger gut ausgestatteten Familien gelingt nur dem Bauernsohn

Nick der Aufstieg zum Professor in den USA.

Die Up-Serie ist in ihrer Vorfreude aufs Jahr 2000 ein Produkt der Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit. Etwas von diesem Geist findet sich auch

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am Anfang von Volker Koepps Wittstock-Zyklus (1975–1997). Der erste Film Mädchen in Wittstock beginnt als Reportage über die Arbeit in einer neuen Textilfabrik, die offiziell als Zeichen des DDR-Fortschritts gilt, deren Unzulänglichkeiten aber schon damals beklagt werden (fehlende Fenster!). Koepp ist von den klassischen Langzeitbeobachtern der essayistisch Verspielteste. Die Wittstock-Filme registrieren aufmerksam auch, was im Off der Hauptfiguren passiert, also die Landschaft, deren Geschichte und Veränderung. Der historische Raum, den der Wittstock-Zyklus eröffnet, wird durch das elegante Schwarzweiss der tollen Kameraarbeit (Christian Lehmann, Thomas Plenert) markiert. Schwarzweiss ist hier kein Mangel an Farbe, kein Zeichen von überholter Aufnahmetechnik, sondern macht es möglich, den Blick auf das Wesentliche, auf die Geschichten der Menschen zu konzentrieren. Der politische Umbruch von 1989/90, das Ende der DDR, eröffnet dem Zyklus eine zusätzliche historische Dimension und neuen, brisanten Erzählstoff. Ausgerechnet die tapfere Edith, die immer den Mund aufmacht im Betrieb und die Dinge benennt, die nicht funktionieren, ist die Erste, die 1990 entlassen wird. Ein prekärer Moment, der auch eine Frage aufwirft, der sich alle Langzeitbeobachtungen stellen müssen: Wie umgehen mit den Misserfolgen, den Momenten, in denen das Leben nicht gut aussieht? «Lass mal die Kamera weg», bittet Edith, Koepp reagiert verzögert, markiert den Moment des Unterbrechens aber durch eine kurze Schwarzblende.

Ein Archiv, das die Zeit festhält

Film hält aber nicht nur fest, was da ist, sondern auch, was fehlt: In James Bennings Milwaukee-Porträt One Way Boogie Woogie (1978) zeigt der Filmemacher den Ort der eigenen Kindheit, aufgelöst in 60 feste Einstellungen. Wenn Benning 27 Years Later dieselben Aufnahmen noch mal macht, hat sich die Welt vor der Kamera verändert: Häuser fehlen, Menschen haben graue Haare gekriegt, Fassaden sehen anders aus. Ums Kindsein geht es auch in Richard Linklaters ungewöhnlichem Spielfilmprojekt Boyhood (2014). Die Dreharbeiten haben sich über zwölf Jahre erstreckt, damit auf doppelte Weise vom Coming of Age, der Adoleszenz eines Jungen und seiner Schwester erzählt werden kann. Die Schauspieler und Schauspielerinnen, also auch die Eltern (Patricia Arquette und Ethan Hawke), altern durch die lange Drehzeit mit. Und das macht das Binge-Watching von Biografien im Laufe ihrer Verfertigung, das Langzeitbeobachtungen gestatten, so attraktiv. Es passiert am Ende zwar immer nur das, was allen passiert – Hoffnung und Enttäuschung, Glück und Liebe, Scheidung und Verlust. Aber es vollzieht sich vor unseren Augen und geschieht Figuren, die einem im Laufe der Zeit vertraut und nahe sind.

Das Projekt One Way Boogie Woogie / 27 Years Later erinnert derweil daran, dass das Vergehen von Zeit nicht nur einen sentimental-persönlichen Kern hat. Denn was sich in der Transformation des Kindheitsortes vor der

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Kamera von James Benning ereignet, ist der Strukturwandel von Gesellschaft, der im Hintergrund privater Leben passiert.

In diesem Fall geht es um den Niedergang einer alten Industrie, beim eingangs erwähnten Sam Klemke um das Aufkommen einer neuen. Das ist zumindest die berührende Pointe von Sam Klemke’s Time Machine, dem Kompilationsfilm, den der Regisseur Matthew Bates aus dem selbst aufgenommenen Material montiert hat. Denn irgendwann entsteht um Klemkes stetiges Dokumentieren des eigenen Lebens – auch wenn es lange Zeit nicht so glorreich verlief wie vielleicht erhofft – mit YouTube ein Kontext, in dem Klemkes ganze Pionierarbeit sinnhaft wird – ein Archiv, in dem Zeit festgehalten ist.

Matthias Dell ist Medienjournalist, freier Redaktor und Autor beim Deutschlandradio. Er schreibt u.a. für «Cargo». Im Frühling erscheint sein Buch «Peter Hacks auf der Fenne in Gross Machnow (1974–2003)» im Verlag für Berlin-Brandenburg.

Die Filmreihe ist eine Gemeinschaftsproduktion mit dem Stadtkino Basel. Herzlichen Dank für die schöne Zusammenarbeit! Ein grosser Dank geht auch an Marian Petraitis für die Unterstützung bei der Konzeption der Reihe.

Für die finanzielle Unterstützung dieser Reihe danken wir:

FRANZ ROGOWSKI

20 Filmstill: In den Gängen (2018)
MÄRZ 2023

VOLKER KOEPP: WITTSTOCK

WITTSTOCK I-IV

«Eine der spannendsten Langzeitbeobachtungen der deutschen Filmgeschichte.» (Die Zeit)

«Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass jede deutsche Schulklasse diese Filme sehen sollte. Weil sie erzählen, was die DDR war, wie in ihr gelebt, geliebt und gearbeitet wurde, wie sie funktionierte oder eben nicht.» (Anke Leweke, Die Zeit)

MÄDCHEN IN WITTSTOCK

DDR 1975

«Als Volker Koepp 1974 erstmals in der märkischen Kleinstadt Wittstock an der Dosse dreht, findet er eine Aufbruchsituation vor: Der VEB Obertrikotagenbetrieb ‹Ernst Lück› wird vor den Toren der Stadt aufgebaut, 1000 Arbeiterinnen sind hier schon tätig, 3000 sollen es werden.» (absolut Medien)

«Der Auftakt zu dem sich über zwei Jahrzehnte erstreckenden Wittstock-Zyklus, in dem Volker Koepp die Lebensläufe verschiedener Arbeiterinnen im VEB Obertrikotagenwerk ‹Ernst Lück› festgehalten hat. Im ersten Teil fragte Koepp die jungen Frauen nach ihren Erfahrungen mit der Arbeit, interviewte sie zu ihren Erwartungen und Enttäuschungen. Verschmitzt und schüchtern, charmant und impulsiv gaben sie Auskunft über ihre Probleme und Wünsche, wobei der Ernst und die Krisenhaftigkeit der zukünftigen Entwicklungen sich bereits andeuten. Die Heldinnen der späteren Wittstock-Filme – Renate, Edith und Stupsi – sind hier zum ersten Mal zu sehen.» (Angelika Hölger, Programmheft Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin, 2004)

WIEDER IN WITTSTOCK

DDR 1976

«Ein Jahr nachdem er mit den Dreharbeiten zu seinem Wittstock-Zyklus begonnen hatte, reiste Volker Koepp wieder nach Wittstock. Der leichte Unmut, der sich bereits im ersten Teil angedeutet hatte, ist stärker geworden. Dennoch hoffen die jungen Arbeiterinnen des Textilbetriebs auf baldige Veränderungen.» (Angelika Hölger)

«In das ‹emotionale Zentrum› der Filme rückt Stupsi, eine junge Arbeiterin, die bereitwillig und nicht ohne Koketterie von ihrem Privatleben erzählt: von Kabale und Liebe, von den Jungs, die zu viel saufen und schnell zuschlagen, von dem Traum, einmal, für eine kurze Zeit, wegzugehen aus Wittstock an der Dosse.» (Stefan Reinecke, in: «Die Geschichte eines Lächelns. Die WittstockFilme von Volker Koepp», Berlin 1993)

WITTSTOCK III

DDR 1978

«Im dritten Teil (...) steht Edith Rupp im Mittelpunkt, die wieder als Bandleiterin eingesetzt ist. Den Film zeichnet vor allem seine im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Filmen weitaus dichtere Darstellung aus, die die zukünftige Zuspitzung ahnen lässt.» (Angelika Hölger)

LEBEN UND WEBEN (WITTSTOCK IV)

DDR 1981

«Leben und Weben ist vielleicht der deprimierendste Wittstock-Film. Zu Beginn sehen wir Edith die Mutige, die Aktive. Sie hat sich verlobt und ist Obermeisterin geworden. Es gibt Arbeit, aber auch Heimat? Im Lehrlingsheim sind Übernachtungen von Männern verboten, die sozialistische Moral soll gewahrt bleiben, sagt die Leiterin. Immer wieder sieht man lange, kalte Flure; darin manchmal übermütige Mädchen, die, wie trotzig, die Unwirtlichkeit des Ortes missachten. Kleine Fluchten, kleine Wünsche. (...) Der Alltag scheint zermürbend zu sein. Arbeit und Fernsehen, manchmal Kneipe, manchmal Lesen. Am Ende redet Edith von der Rente. Von Glück keine Spur mehr.» (Stefan Reinecke)

MÄDCHEN IN WITTSTOCK

20 Min / sw / 35 mm / D // REGIE Volker Koepp // DREHBUCH

Volker Koepp, Wolfgang Geier, Richard Ritterbusch // KAMERA Michael Zausch // MUSIK Konrad Körner // SCHNITT Barbara Masanetz-Mechelk.

WIEDER IN WITTSTOCK

22 Min / sw / 35 mm / D // REGIE Volker Koepp // DREHBUCH

Volker Koepp, Wolfgang Geier // KAMERA Christian Lehmann // MUSIK Mario Peters // SCHNITT Rita Blach.

WITTSTOCK III

32 Min / sw / 35mm / D // REGIE Volker Koepp // DREHBUCH

Volker Koepp, Wolfgang Geier // KAMERA Christian Lehmann // MUSIK Rainer Böhm // SCHNITT Barbara Masanetz-Mechelk.

LEBEN UND WEBEN (WITTSTOCK IV)

29 Min / sw / 35mm / D // REGIE Volker Koepp // DREHBUCH

Volker Koepp, Wolfgang Geier // KAMERA Christian Lehmann // SCHNITT Barbara Masanetz-Mechelk.

LEBEN IN WITTSTOCK

DDR 1984

«Mit Leben in Wittstock legte Volker Koepp ein 85-minütiges Resümee der vorangegangenen Wittstock-Filme vor, das konzentriert und intensiv die offene wie auch die latente Unzufriedenheit der jungen Frauen einfängt, den Zuschauer ihre

21 As Time Goes By
© DEFA-Stiftung Christian Lehmann © DEFA-Stiftung → Seven Up!. → Seven Plus Seven → Leben in Wittstock → Leben und Weben (Wittstock IV) → Seven Up!. → 28 Up → Wieder in Wittstock → Neues in Wittstock

Wehmut spüren lässt und den Blick auf ihre weitgehende Desillusionierung freigibt. Ediths Schweigen, so hat es Elke Schieber treffend ausgedrückt, ‹kommt einem allmählich lauter vor als ihr Murren›. Gerade im Rückblick betrachtet hat Koepp mit diesem Film eine ebenso erhellende wie verstörende Bestandsaufnahme des DDR-Alltags hinterlassen.» (Günter Jordan, Ralf Schenk, in: «Schwarzweiss und Farbe», Berlin 2000)

85 Min / sw / 35 mm / D // REGIE Volker Koepp // DREHBUCH

Volker Koepp, Wolfgang Geier, Annerose Richter // KAMERA Christian Lehmann // MUSIK Rainer Böhm // SCHNITT Lutz Körner.

NEUES IN WITTSTOCK

Deutschland/Frankreich 1992

«Im sechsten Teil seiner Wittstock-Langzeitdokumentation über drei Textilverarbeiterinnen im brandenburgischen Wittstock an der Dosse zeigt Koepp die nach der Wende bereits früh erkennbaren Veränderungen in der kleinen Gemeinde. Die drei Frauen, die im Fokus der Dokumentation stehen, erfahren auf unterschiedliche Weise, was Haltlosigkeit bedeutet: In mehr als einem Sinne ist diese ‹Wende› ein Ende, ein Abschied: Das Textilkombinat wird abgewickelt und Edith als eine der Ersten entlassen. Sie wird Wittstock verlassen und nach Württemberg übersiedeln. Zunächst hatte

Koepp den Zyklus nach dem fünften Teil beendet, doch nach der Wende und den damit verbundenen Umbrüchen in Ostdeutschland entschied er sich, die Reihe weiterzuführen.» (filmportal.de)

99 Min /sw / DCP / D // DREHBUCH UND REGIE Volker Koepp // KAMERA Christian Lehmann // SCHNITT Angelika Arnold.

WITTSTOCK, WITTSTOCK Deutschland

1996

«Deutschland revisited. (...) Nach der Wende 1989/90 wird die Trikotagenfabrik abgewickelt. Sozialismus, Kapitalismus, Pragmatismus: (Koepps Protagonistinnen) sind zum ersten Mal arbeitslos und müssen sich neu orientieren. Elsbeth gerät ins Karussell der ABM-Jobs und Umschulungsprogramme, Renate arbeitet bald als Zimmermädchen in einem Hotel. Edith, die als junges Mädchen immer in Wittstock bleiben wollte, nimmt einen Job in Süddeutschland an – das Leben verläuft eben nicht in geordneten Bahnen. Eine Langzeitbeobachtung über zwei Jahrzehnte: Brüche in Biografien, Szenen aus einer Kleinstadt und die grossen Umbrüche eines Landes. Deutsche Geschichte und drei starke Frauen – ein schöner Film.» (DOK.fest München, 2006)

117 Min / sw / 35 mm / D // DREHBUCH UND REGIE Volker Koepp //

«Und was macht das Leben?» – Der grosse deutsche Dokumentarist Volker Koepp braucht meist nur wenige Worte, um andere Menschen dazu zu bringen, ihm tiefe Einblicke in ihr Dasein zu gewähren. Wie kaum einem andereren gelingt es ihm, in poetischen Bildern, die persönlichen Schicksale mit der Landschaft zu verweben, vor der sie sich zutragen und historische Linien und Zusammenhänge sichtbar zu machen. Seit über vierzig Jahren portraitiert Koepp so Menschen und Landschaften im Osten Deutschlands und Europas und spürt entlang der politischen Verwerfungslinien des 20. Jahrhunderts Geschichte und Geschichten auf. Manche seiner Filme wie In Sarmatien (2013) oder Seestück (2018) wirken heute vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine fast prophetisch.

Sein siebenteiliger Wittstock-Zyklus (1975–1996), der über zwei Jahrzehnte das Leben dreier Textilarbeiterinnen in der DDR und anschliessend in Deutschland begleitet, ist eine der spannendsten und schönsten Langzeitdokumentationen der deutschen Filmgeschichte. Volker Koepp wurde am 19. Januar mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt Wittstock geehrt. Am 16. Februar ist er zur Eröffnung der Retrospektive As Time Goes By im Filmpodium zu Gast.

Das Gespräch findet anschliessend an die Vorstellung von Wittstock I – IV statt. Moderation: Nicole Reinhard

23 As Time Goes By
DO, 16. FEB. | 18.15 UHR
VOLKER KOEPP IM FILMPODIUM KAMERA Christian Lehmann // SCHNITT Angelika Arnold.

MICHAEL APTED: UP

SEVEN UP! + SEVEN PLUS SEVEN

«Ein Experiment, wie es in der Filmgeschichte noch keines gegeben hat.»(Roger Ebert)

«Alle sieben Jahre besucht der britische Regisseur Michael Apted eine Gruppe von Menschen, deren Leben er seit ihrer Kindheit begleitet hat. Während er sich mit ihnen darüber unterhält, wie die Dinge laufen, dringen seine Filme zum zentralen Geheimnis des Lebens vor (...): Warum bin ich ich und warum nicht du? Warum bin ich hier und warum nicht dort?» (rogerebert.com)

Ein Einstieg in die Up-Series ist dank Rückblenden in allen Episoden möglich.

SEVEN UP!

GB 1964

Ursprünglich wurde Seven Up! als einmalige Sondersendung des Nachrichtenmagazins «World in Action» 1964 im englischen Fernsehen ausgestrahlt. Kinder aus ganz unterschiedlichen sozialen Verhältnissen erzählen von ihren Hoffnungen und Träumen für die Zukunft. Inspiriert ist die Sendung einerseits von einem jesuitischen Prinzip: «Gib mir ein Kind, bis es sieben ist, ich gebe euch den Menschen.» Andererseits von der Unzufriedenheit über das starre britische Klassensystem. Zusammen mit den späteren Fortsetzungen verfolgt die Serie die Frage, inwieweit das Leben der Kinder durch ihre Herkunft vorbestimmt sei.

SEVEN PLUS SEVEN

GB 1970

«Eine Gruppe sieben Jahre alter englischer Kinder aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen wird zu den verschiedensten Themen befragt. Michael Apted nimmt dieselbe Gruppe von in Grossbritannien geborenen Menschen nach sieben Jahren wieder auf. Die Protagonist:innen werden zu den Veränderungen befragt, die in den letzten Jahren in ihrem Leben stattgefunden haben.»(Mubi.com)

«Michael Apteds bahnbrechende und fesselnde Filmreihe, die mit Seven Up! als Versuch begann, die langfristigen Auswirkungen sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten unter englischen Schulkindern mit ‹unterschiedlichem Hintergrund› zu dokumentieren, ist viel mehr geworden. (…) Die ambitionierte Zeitraffermethode der Serie, bei der die Probanden in regelmässigen Abständen erneut besucht werden, ermöglicht einen erstaunlich intensiven Blick auf ihr Leben.»

(Janet Maslin, The New York Times, 15.01.1992)

SEVEN UP!

40 Min / sw / Digital HD / E/e // REGIE Paul Almond // KAMERA David Samuelson // SCHNITT Lewis Linzee // MIT Douglas Keay (Erzähler).

SEVEN PLUS SEVEN

52 Min / Farbe + sw / Digital HD / E/e // REGIE Michael Apted // KAMERA Tony Mander // SCHNITT David Naden // MIT Michael Apted (Erzähler).

21 UP GB 1977

Michael Apted besucht erneut dieselbe Gruppe von Kindern im Alter von 21 Jahren. Einige der jungen Erwachsenen haben ihre Zukunftspläne verwirklicht, andere weichen von ihrem in der Kindheit geäusserten Weg ab.

«Im Verlauf von 21 Up entpuppt sich die bunt zusammengewürfelte Interview-Gruppe selbst als Apteds schärfste Kritiker. Sie stellen den sozialen und den unterhaltenden Wert der Serie auf manchmal auch grausame Weise infrage. (...) Neil Hughes, der Hauptdarsteller von Seven Up!, wird hier zur tragischen Figur. Seine wirtschaftliche Instabilität und seine Enttäuschung über das Leben können in diesem Film und im Rest der Serie als Folge seiner Weigerung interpretiert werden, sich in ein vorgegebenes Klassensystem einzugliedern. Während andere heiraten und Kinder bekommen, ist der gutherzige Neil (…) obdachlos und hat sich mit einem Leben ohne Kinder abgefunden, weil er befürchtet, dass sie seine Einsamkeit erben würden.» (Ed Gonzales, slantmagazine.com, 25.10.2004)

100 Min / Farbe / Digital HD / E/e // DREHBUCH UND REGIE

Michael Apted // KAMERA George Jesse Turner // SCHNITT Andrew Page // MIT Michael Apted (Erzähler).

28 UP

GB 1984

«Was 28 Up eindringlich zeigt, ist, wie schwer es für Menschen sein kann, sich selbst zu mögen, dass jeder eine Geschichte hat und dass Menschen, auch wenn sie nicht so charmante Wesen sind, immer beachtenswert sind. 28 Up ist wie eine Party, auf der man wirklich mit Menschen spricht und etwas über sie erfährt.» (Lawrence O’Toole, Entertainment Weekly, 2.8.1991)

«Je älter die Probanden in Apteds Experiment der Verhaltensevolution werden, desto ernsthafter setzen sie sich mit Themen auseinander, die mit Geld, Politik, Gott, ‹race›, Sex und allem, was dazwischenliegt, im England der ThatcherÄra zu tun haben – alles Begriffe, die Apted seit Seven Plus Seven miteinander verbindet und von denen er glaubt, dass sie ihren Ursprung in der

24 As Time Goes By

sehr spezifischen Stellung eines jeden im britischen Klassensystem haben.» (Ed Gonzalez, Slant Magazine, 25.10.2004)

136 Min / Farbe / Digital HD / E/e // DREHBUCH UND REGIE

Michael Apted // KAMERA George Jesse Turner // SCHNITT

Kim Horton, Oral Norrie Ottey.

42 UP

GB 1998

«Es ist faszinierend, den Teilnehmern dabei zuzuhören, wie sie über die Serie und ihre eigene Rolle darin nachdenken. Im Laufe der Jahre fühlten sich einige von ihnen falsch dargestellt, sind gekränkt und manchmal auch wütend, obwohl sie ihre Beschwerden in der Regel mit britischer Zurückhaltung vorgebracht haben. Oft äussern sie eine Ambivalenz, die man bei Dokumentarfilmen oder im Reality-TV nur selten findet. Heute erwartet jede und jeder seine 15 Sekunden – nicht diese Seelen. Und doch haben sie trotz aller Vorbehalte ihren Mund, ihr Herz, ihr Zuhause (…) geöffnet.»

(Manohla Dargis, The New York Times, 3.1.2013)

139 Min / Farbe / Digital HD / E/e // DREHBUCH UND REGIE

63 UP

GB 2019

«Wo ist die Zeit hin? Die Kinder, die Apted 1964 zum ersten Mal gefilmt hat, sind jetzt auf dem Weg ins Rentenalter. Das Filmmaterial aus so vielen früheren Jahren vermischt sich nun mit dem neuen – fast fühlt es sich an, als würden wir Geistern beim Spielen in einem Labyrinth zusehen. Temperamentvolle Kinder werden zu schüchternen Teenagern. Schüchterne Teenager werden zu nervösen ‹Twentysomethings›. Aus nervösen ‹Twentysomethings› werden echte Erwachsene, die lernen, sich gegen starke Winde, fliegende Äste und andere Wechselfälle des Lebens zu stemmen.» (Lucy Mangan, The Guardian, 4.6.2019) «Ich hoffe, Sie geniessen den neusten Up-Film. Es ist eine seltsame Erfahrung für mich, da die Filme so sehr mit meinem eigenen Leben verbunden sind. Da ist dieses ‹Familienmitglied›, das ohne Vorwarnung auftaucht und ernsthafte Aufmerksamkeit verlangt und ein ‹Nein, geh weg. Ich bin beschäftigt› nicht akzeptiert. Es weiss natürlich, dass ein ‹Geh weg› für keinen von uns eine Option ist. Das Schicksal hat uns zusammengeführt und nur der Tod wird uns trennen.» (Michael Apted)

Michael Apted ist am 7. Januar 2021 verstorben.

145 Min / Farbe / Digital HD / E/e // DREHBUCH UND REGIE

Michael Apted // KAMERA George Jesse Turner // SCHNITT

Kim Horton.

HELENA TŘEŠTÍKOVÁ

RENÉ Tschechien 2008

«20 Jahre eines Lebens, das hauptsächlich in Gefängnissen verbracht wurde. Ein Mann, der immer wieder neu anfängt, scheitert, Schriftsteller wird und die Regisseurin immer wieder herausfordert. Im Jahr 1989 beginnt Helena Třeštíková, den jugendlichen Straftäter René zu filmen. Fast 20 Jahre lang folgt sie dem Rhythmus seines Lebens, das er grösstenteils in Gefängnissen verbringt, nur unterbrochen von kurzen Abschnitten der Freiheit. 20 Jahre, in denen sich epochale gesellschaftliche Umwälzungen vollziehen, Systeme, Regimes und Regierungen wechseln – dargestellt durch Fernsehbilder, die bis in Renés Zelle gelangen.» (DOK Leipzig, 2008)

«Die Bindung zwischen Filmemacherin und Protagonist mag nicht einfach sein – selbst Třeštíková ist vor Renés Diebstahl nicht sicher –, aber sie ist immer das stürmische, schlagende Herz dieses grossartigen Films.» (International Documentary Film Festival Amsterdam, 2018)

83 Min / Farbe / 35 mm / Tsch/e // DREHBUCH UND REGIE

Helena Třeštíková // KAMERA Miroslav Souček, Vlastimil Hamerník, Ondřej Belica // MUSIK Tadeáš Věrčák // SCHNITT Jakub Hejna.

KATKA

Tschechien 2009

«Die Hauptfigur ist ein Junkie namens Katka. Die eindringliche Geschichte ihres 14-jährigen Kampfes gegen die Drogensucht gipfelt im Frühjahr 2007, als die 30-jährige Katka unerwartet schwanger wird und sich der Schwerpunkt des Films auf den verzweifelten Kampf um die Zukunft des Kindes verlagert.» (Karlovy Vary International Film Festival, 2010)

«Třeštiková fängt berührende Momente ein, etwa wenn Katka mit all ihren Kleidern in einen Brunnen springt. In diesen Szenen sehen wir die schöne, gesunde Frau, die hinter dem Schleier der Sucht immer noch existiert – eine Frau, die einen Versuch nach dem anderen unternimmt, um von der Sucht loszukommen, immer mit guter Laune.» (International Documentary Film Festival Amsterdam, 2010)

90 Min / Farbe / 35 mm / Tsch/e // DREHBUCH UND REGIE

25 As Time Goes By
Michael Apted // KAMERA George Jesse Turner // SCHNITT Kim Horton. Helena Třeštíková // KAMERA Vlastimil Hamerník, Kristian Hynek, Martin Kubala // MUSIK Tadeáš Věrčák // SCHNITT Jakub Hejna.
→ Private Universe
→ Katka
→ René

PRIVATE UNIVERSE

(Soukromý vesmír)

Tschechien 2012

«Als Petr 1974 am Tag seiner Hochzeit mit Jana in Prag ein Tagebuch beginnt, weiss er nicht, wie die Welt und wie sein kleines Familienuniversum sich entwickeln werden – und wie sich beides gegenseitig beeinflusst. Als Helena Třeštíková kurz darauf beginnt, Janas Schwangerschaft mit der Kamera zu begleiten, weiss sie nicht, dass daraus 37 Jahre später ihre bisher längste Langzeitdokumentation entstehen sollte (…). Petrs Tagebuchaufzeichnungen bilden das variable Gerüst für dieses stets leichtfüssige Familienporträt. Aus der Tagebuch-Perspektive erscheinen grosse politische Umbrüche zuweilen als Randnotizen, während erste Zähne zu zentralen Ereignissen werden. Im Kleinen wird der Wandel der tschechischen Gesellschaft nachvollzogen, ein Leben zwischen Karel Gott und John Lennon.» (Lars Meyer, DOK Leipzig, 2012)

83 Min / Farbe / DCP / Tsch/e // DREHBUCH UND REGIE Helena Třeštíková // KAMERA Jessica Horváthová, Jan Špáta, Jan

RENÉ – THE PRISONER OF FREEDOM (René –

Vězeň svobody)

Tschechien 2021

«Der tschechische Kriminelle René hat es schwer, auf dem rechten Weg zu bleiben. Er wechselt Jobs genauso wie seine Geliebten und entdeckt, dass ein ehrliches Leben viel schwieriger ist, als hin und wieder etwas zu stehlen. 1989 beginnt die Filmemacherin den damals 18-jährigen Delinquenten mit ihrer Kamera zu begleiten. René –The Prisoner of Freedom setzt mit der Premiere

EIN ABEND MIT HELENA

ihres ersten Films René ein, der 2008 einen riesigen Medienrummel auslöste. In den folgenden dreizehn Jahren filmte Třeštíková mit mehrmonatigen Unterbrechungen Renés Alltag und seine existenziellen Reflexionen weiter. Sein neu erworbener nationaler Status als ‹liebenswerter Krimineller› hat ihm bisher wenig gebracht, abgesehen von der Aufmerksamkeit seiner weiblichen Fans. Wird er es diesmal schaffen, nicht ins Gefängnis zu kommen? Sein persönliches Motto und Tattoo auf dem Hals ‹Fuck the People› scheint zu verblassen, je älter und freundlicher er wird. René beginnt allmählich, sich in einem bürgerlichen Leben zurechtzufinden – und sogar in der Liebe.» (International Documentary Film Festival Amsterdam, 2021)

102 Min / Farbe / DCP / Tsch/e // DREHBUCH UND REGIE Helena Třeštíková // KAMERA David Cysař // MUSIK Tadeáš Věrčák // SCHNITT Jakub Hejna //

CHRISTIAN SCHOCHER

DIE KINDER VON FURNA (NEUFASSUNG VON 1997)

Schweiz 1975

«In den siebziger Jahren war mein Jugendfreund Heinz Lüdi Lehrer in Furna, einem kleinen Bergbauerndorf im Prättigau. Dank ihm konnte ich meinen ersten Film realisieren, das Porträt dieses Dorfes und seiner Kinder, die von ihrem Alltag, ihren Wünschen und Träumen erzählen.» (Christian Schocher, swissfilms.ch)

«Nur anderthalb Stunden vom reichen Zürich entfernt stossen wir auf ein Stück ‹Dritte Welt›, das wir vorerst gar nicht irgendwo im fernen Indien suchen müssen. Hier oben gibt es keine millionenschweren Schulhausbauten mit allem technischen Schnickschnack (…). Die Kinder tur-

Helena Třeštíková ist ganz nah bei ihren Protagonist:innen, bei der Familie von Honza, bei der drogenabhängigen Katka oder beim charismatischen Kriminellen und Buchautor René. Die tschechische Dokumentarfilmerin ist empathische Seismografin persönlicher Schicksale, aber auch genaue Beobachterin politischer und gesellschaftlicher Umbrüche. Bei manch einem Filmprojekt begann die gemeinsame Lebensreise bereits in den 1970er-Jahren und dauerte oft über mehrere Jahrzehnte an. Im Gespräch mit Helena Třeštíková nähert sich Georg Escher, Kulturwissenschaftler und Dozent am Slavischen Seminar der Universität Basel, dem ebenso feinfühligen wie unerbittlichen Werk der Cineastin an und fragt nach ihrer Arbeitsweise, ihrer ethischen Haltung und den Chancen und Herausforderungen von Langzeitbeobachtung.

Das Gespräch findet auf Tschechisch statt und wird ins Deutsche übersetzt. Dauer ca. 70 Minuten.

27 As Time Goes By
Malíř, Martin Kubala // SCHNITT Jakub Hejna.
TŘEŠTÍKOVÁ FR, 3. MÄRZ | 20.30 UHR
© James Benning → Hoop Dreams
/ 27 Years Later
→ Die Kinder von Furna
One Way Boogie Woogie
→ Jahre später

nen an einer verrosteten Reckstange und springen im Nebel auf der Dorfstrasse herum. Freizeitprobleme kennt man da nicht, denn die Kinder müssen nach der Schule in den Stall oder beim Heuen helfen. (…) Der eindrückliche Dokumentarfilm des Bündners Christian Schocher macht ein Stück Realität sichtbar. (...) Die ganze Problematik [der Abwanderung; Anm. d. Red.] wird hier nicht mit schönen, ideologisierenden Sprüchen abgetan.» (Christian Murer, Zoom, 4/75) Wir zeigen die von Christian Schocher leicht gekürzte und mit einer neu bearbeiteten Tonspur versehene Fassung.

65 Min / sw / DCP / Dialekt // DREHBUCH, REGIE, KAMERA Christian Schocher.

JAHRE SPÄTER

Schweiz 1997

«Was ist aus den Kindern von Furna, ihren Träumen und Wünschen geworden? In Jahre später besucht Christian Schocher zusammen mit seinem Jugendfreund Heinz Lüdi das abgelegene Bergdorf Furna erneut. (…)

[Inzwischen] sind aus den Kindern Erwachsene und selbst wieder Eltern geworden. Der notenverweigernde Lehrer Lüdi ist nun Pfarrer in Freiburg. Luzi, sein aufgewecktester Schüler, hat als Elektromonteur die halbe Welt gesehen. Die zurückhaltende und bescheidene Menga pflegt nun bedürftige Alte. Hans, der sich für Jürg Jenatsch begeisterte und Lokomotivführer werden wollte, hat es als Ingenieur nach Mexiko verschlagen. Ein stilles Mädchen im Hintergrund hat nach Drogen- und Alkoholexzessen auf der Alp ihre innere Ruhe gefunden. (…)

Die eingefrorene Zeit von zwei weit auseinanderliegenden Momenten im Leben eines Dutzends Menschen fasziniert. Sie verweist – über die einzelnen Lebensläufe hinaus – auf den Lauf der Zeit.» (Thomas Schärer, Cinema Nr.44)

70 Min / Farbe + sw / Digital SD / Dialekt // DREHBUCH, REGIE, KAMERA, SCHNITT Christian Schocher // MUSIK Nathan Schocher.

HOOP DREAMS

USA 1994

«Der Dokumentarfilmer Steve James (zusammen mit den Produzenten Frederick Marx und Peter Gilbert) feierte einen sensationellen Erfolg mit seinem fesselnden und bewegenden Film Hoop Dreams, (…) einer epischen, dreistündigen Studie über zwei afroamerikanische Jungs aus schwierigen Vierteln in Chicago: Arthur Agee und Wil-

liam Gates, deren herzzerreissend offene, intelligente, vertrauensvolle und hoffnungsvolle Gesichter von der Leinwand strahlten. James verarbeitete 250 Stunden Filmmaterial, das er über fünf Jahre hinweg aufgenommen hatte, und zeigte sie beim Aufwachsen im Alter von 14 bis 19 Jahren. Beide waren basketballverrückt und hofften auf ein Basketball-Stipendium für das College und ein vermeintlich besseres Leben danach, vielleicht sogar auf eine Karriere als superreiche und berühmte Basketballstars in der NBA.» (Peter Bradshaw, The Guardian, 25.10.2019)

«Ein Film wie Hoop Dreams ist das, wofür das Kino da ist. Er nimmt uns mit, erschüttert uns und lässt uns auf neue Weise über die Welt um uns herum nachdenken. Er gibt uns den Eindruck, das Leben selbst berührt zu haben.» (Roger Ebert, Chicago Sun Times, 21.10.1994)

ONE WAY BOOGIE WOOGIE / 27 YEARS LATER

USA 2005

«Ein Film über die Erinnerung und das Älterwerden.» (James Benning)

«1977 drehte Benning One Way Boogie Woogie, einen einstündigen Film, der aus 60 einminütigen Plansequenzen industrieller Stadtlandschaften in seiner Heimatstadt Milwaukee besteht. Für 27 Years Later kehrte er an dieselben Schauplätze mit denselben Menschen zurück, um die Veränderungen aufzuzeichnen.» (Mubi.com)

«So entstand ein besonderer Zwillingsfilm, der die Veränderungen an einem Ort aufzeigt. Neben humorvollen Momenten überwiegt die Unausweichlichkeit der schleichenden Zerstörung, die sich Fortschritt nennt. Da Benning den zweiten Film auf anderem, klarerem Filmmaterial drehte, ist der Zeitsprung noch deutlicher spürbar. Ausserdem verwendete er die gleiche Tonspur für beide Filme, ein Verfremdungseffekt, der die verlorene Zeit gleichsam hörbar macht.» (International Film Festival Rotterdam, 2007)

121 Min / Farbe / 16 mm / E // DREHBUCH, REGIE, KAMERA, SCHNITT James

MY REINCARNATION

Schweiz/Deutschland/Italien 2010

«My Reincarnation ist die Geschichte des tibetischen Meisters Chögyal Namkhai Norbu und

29 As Time Goes By
170 Min / Farbe / Digital HD / E // REGIE Steve James // DREHBUCH Steve James, Frederick Marx // KAMERA Peter Gilbert // MUSIK Ben Sidran // SCHNITT William Haugse, Steve James, Frederick Marx. Benning.
Sam Now
→ My Reincarnation
→ Sam Klemke’s Time Machine

seines Sohnes Khyentse Yeshi. Während Namkhai Norbu – einer der letzten grossen reinkarnierten und in Tibet ausgebildeten Rinpoches – seit den 60er-Jahren im italienischen Exil für die Bewahrung der spirituellen Tradition kämpft, weigert sich sein Sohn anfangs hartnäckig, sein Familienerbe anzutreten. Im Westen aufgewachsen, träumt Yeshi von einem normalen Leben, frei von den Pflichten eines Lehrers. Dabei sieht sein Schicksal einen anderen Weg für ihn vor: Bei der Geburt wurde er bereits als Reinkarnation seines Onkels, eines bekannten Dzogchen-Meisters, erkannt.» (Orell Füssli)

Unsicher, ob sie nach Beirut: The Last Home Movie je wieder einen Film machen wollte, reiste die damals 29-jährige Jennifer Fox 1989 als Sekretärin mit ihrem Meister Chögyal Namkhai Norbu umher und war bald so fasziniert von ihm, dass sie ihn und seine Familie mit einer kleinen Videokamera zu filmen begann, noch ohne zu wissen, was sie mit dem Material anstellen wollte. Jahrelang passierte nichts, bis Yeshi von Visionen seines vergangenen Lebens heimgesucht wurde und Jennifer Fox den Film, von dem sie schon damals geträumt hatte, fertigstellen konnte – nicht zuletzt dank Mitteln, die sie via Crowdfunding über das Internet zusammentrommelte.

100 Min / Farbe / Digital HD / E+Sp+I+Tib/d // DREHBUCH

UND REGIE Jennifer Fox // KAMERA Jennifer Fox, Patrick Lindenmaier, Carla Caponi // MUSIK Jan Tilman Schade, Moe Jaksch // SCHNITT Sabine Krayenbühl, Mary Lampson.

BOYHOOD USA 2014

«Boyhood ist über ein Jahrzehnt entstanden. Der kleine Mason wächst gleichzeitig mit seinem Darsteller Ellar Coltrane auf. Aus der fiktiven Langzeitstudie wird ein wahrhaftiger Comingof-Age-Film.

Nichts mit aufwendigem Schminken oder Auswechseln des Casts, um jemanden älter werden zu lassen. Das Filmprojekt hat sich dem Lauf der Zeit angepasst und wurde in Etappen gedreht: Ab 2002 traf sich das Ensemble des amerikanischen Indie-Regisseurs Richard Linklater alljährlich zum Dreh, und seine Veränderungen wurden Teil der Inszenierung. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Mason, der mit seiner anstrengenden Schwester Samantha und seinen geschiedenen Eltern fertigwerden muss. Ethan Hawke spielt den Vater, der selber noch etwas Zeit braucht, um erwachsen zu werden. Genauso stark ist Patricia Arquette in der Rolle der alleinerziehenden Mutter, die an die falschen Männer gerät und nebenbei ihr Studium erledigt.» (Kino Xenix, Januar 2014)

165 Min / Farbe / Digital HD / E/d // DREHBUCH UND REGIE

Richard Linklater // KAMERA Lee Daniel, Shane F. Kelly // SCHNITT Sandra Adair // MIT Ellar Coltrane (Mason Evans), Patricia Arquette (Olivia Evans), Ethan Hawke (Mason Evans Sr.), Lorelei Linklater (Samantha Evans).

SAM KLEMKE’S TIME MACHINE

Australien 2015

«Zu seinem 12. Geburtstag schenkten ihm seine Eltern eine Filmkamera, und Sam Klemke begann sein Leben filmisch zu begleiten. Immer in der Hoffnung, die Zukunft hielte Grosses für ihn bereit und seine Existenz würde eine bedeutsame. Was sich sodann im Verlauf der kommenden Jahrzehnte vollzog, war das alltägliche Scheitern. Unverdrossen und uneitel dokumentiert von einem Mann, der mit seinem Übergewicht kämpft, berufliche Enttäuschungen und persönliche Krisen zu bestehen hat – und der sich doch immer wieder aufs Neue mit dem Umstand arrangiert, dass Plan und Fakt nur äusserst selten in eins fallen. Klemkes überbordendes Lebensarchiv ist die ideale Materialsammlung für den aus Nordengland stammenden, in Australien beheimateten Dokumentarfilmemacher Matthew Bate, der in seinen Werken ‹for meaning in the white noise of pop-culture› sucht.» (Bildrausch Filmfest Basel, 2015)

89 Min / Farbe / DCP / E/d // DREHBUCH UND REGIE Matthew Bate // KAMERA Sam Klemke, Matthew Bate // MUSIK Raynor Pettge, Jonny Elk Walsh // SCHNITT Bryan Mason.

ÜBER DIE JAHRE Österreich 2015

«Im Winter 2004 ist nicht klar, wie lange die alte Textilfabrik im nördlichen Waldviertel noch wirtschaftlich überleben kann. Als die Firma schliesslich doch zusperrt, beginnt für die Arbeiterinnen und Arbeiter eine Zeit des Umbruchs. Die Menschen leben auf dem Land und orientieren sich neu. Andere Arbeit, unbezahlte Beschäftigung, mehr Zeit für Hobbys, für das Engagement bei der Feuerwehr und die Pflege der Angehörigen. Neuanfänge und Veränderungen – das Leben geht weiter.» (filminstitut.at)

«Wenn man sieht, wie hier Stoffwindeln von Hand in Zellophanpapier verpackt werden, dann ahnt man, dass es bald vorbei sein wird. Ausgehend vom Niedergang einer Textilfabrik im österreichischen Waldviertel, die zunächst noch als altertümliche Produktionsstätte im Betrieb gezeigt wird, stellt dieser Film die Frage nach der Bedeutung von Arbeit für das Selbstverständnis und die Persönlichkeit der Menschen. Nach Konkurs und Schliessung der Fabrik begleitet der Filmema-

31 As Time Goes By

cher einige der Arbeiterinnen und Arbeiter auf ihrem weiteren Weg, befragt sie zu ihrem Tagesablauf, ihren Lebensumständen, der Arbeitssuche oder den neuen Jobs. (…) Was als Dokumentation eines aussterbenden Industriezweigs begann, entwickelt sich so über zehn Jahre hinweg zu einer epischen dokumentarischen Erzählung über Arbeit und Leben im postindustriellen Zeitalter. Es ist ein grosser, ein ergreifender, den Menschen zugewandter Film.» (Berlinale Forum, 2015)

188 Min / Farbe / DCP / D/d // REGIE UND KAMERA, Nikolaus Geyrhalter // DREHBUCH Nikolaus Geyrhalter, Wolfgang Widerhofer // SCHNITT Wolfgang Widerhofer.

DAS LEBEN DREHEN

Schweiz 2016

«Als Eva Vitija volljährig wurde, bekam sie von ihrem Vater einen abendfüllenden Film über ihr bisheriges Leben. Er hätte ihr kein schlimmeres Geschenk machen können. Denn der Vater und Filmemacher Joschy Scheidegger dokumentierte seine Familie obsessiv. Und Tochter Eva hatte immer vergeblich versucht, seiner Kamera zu entkommen. Erst sein Tod bewog sie dazu, nicht nur sein riesiges Filmarchiv, sondern auch seine Kamera zu übernehmen. Sie tat, was ihr zuvor im Traum nicht eingefallen wäre: Sie drehte einen Film über das Leben ihres Vaters. (…) Eine liebevolle Familiengeschichte über das Filmen und den Versuch, das Leben festzuhalten.» (Filmcoopi)

«Eva Vitija erzählt sehr ehrlich von ihrer Familie und so überaus geschickt, dass es uns alle etwas angeht.» (SRF)

77 Min / Farbe / DCP / Dialekt/d/f // DREHBUCH UND REGIE

Eva Vitija // KAMERA Stefan Dux // MUSIK Christian GarciaGaucher // SCHNITT Fabian Kaiser, Natascha Cartolaro.

SAM NOW USA 2022

«Die Halbbrüder Sam und Reed haben schon immer zusammen Filme gedreht. Auch damals, als Sam 14 Jahre alt ist und seine Mutter eines Tages, ohne irgendeine Erklärung zu hinterlassen, die Familie verlässt. Während sich Vater, Grossmutter und Tanten jahrelang über das Geschehene ausschweigen und Bruder Jared den Antrieb im Leben verliert, scheint Sam keine Schmerzen davonzutragen. Bis ihm Reed vorschlägt, seine Mutter zu suchen. Was folgt, ist ein Roadtrip durch Washington, Oregon und Kalifornien – der Beginn einer emotionalen Achterbahnfahrt. Anhand von eigenen Super-8-Aufnahmen und Homevideos aus dem reichhaltigen Familienarchiv erzählt Filmemacher Reed Harkness mit feinem Humor von den Wunden der Trennung und der Kraft der Versöhnung.» (Zurich Film Festival, 2022)

86 Min / Farbe / DCP / E/d // DREHBUCH, REGIE, KAMERA Reed Harkness // MUSIK Roger Neill // SCHNITT Darren Lund, Jason Reid.

DES LANGZEITDOKUMENTARFILMS

Langzeitdokumentarfilme faszinieren: Als Bild- und Tonspeicher langer Zeitverläufe sind sie gesättigt mit historischen Spuren und lassen im kleinen und im grossen Massstab Geschichte vor unseren Augen entstehen. Zugleich bieten sie Einblicke in Biografien mit ihren unabsehbaren Hochs und Tiefs und verhandeln die Grenze zwischen Privateben und Öffentlichkeit. Oft sind sie Resultate langer und auch intensiver Beziehungen zwischen Filmemacher:innen und gefilmten Subjekten und werfen nicht zuletzt ethische Fragen danach auf, wie das gelebte und das gefilmte Leben aufeinander einwirken und an welchen Punkten das Private gegen die Öffentliche geschützt werden sollte.

Monika Dommann (Historikerin, UZH), Bert Rebhandl (Filmkritiker, CARGO, FAZ u. a.) und Nikola Biller-Andorno (UZH, Mitglied der Ethik-Gruppe der EU) diskutieren über Chancen, Risiken und Nebenwirkungen des Langzeitdokumentarfilms. Moderation: Volker Pantenburg (Filmwissenschaft, UZH). Dauer: ca. 90 Minuten.

Eine Kooperation zwischen dem Filmpodium, dem Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich und der Datenschutzbeauftragten des Kantons Zürich.

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MI, 29. MÄRZ | 20.15 UHR
PRIVATE/PUBLIC. HERAUSFORDERUNGEN
PODIUMSDISKUSSION
As Time Goes By

Mit einem besonderen Abend wollen wir den im letzten Herbst verstorbenen Drehbuchautor Michael Sauter ehren.

Der Filmautor Michael Sauter (1973–2022) hat sich mit seinen zahlreichen Drehbüchern einen festen Platz in der Schweizer Filmszene erarbeitet. Bekannt geworden ist er unter anderem durch seine Mitarbeit an der Vorlage für Sennentuntschi, die von Michael Steiner verfilmt wurde. Sauter hat aber auch für zahlreiche andere Filme Drehbücher verfasst, darunter Grounding, Strähl und Mein Name ist Eugen. Sauters assoziative Denk- und Schreibweise, die ihre Inspiration auch in der Musik und der Literatur fand, hat ihn zu einem der herausragenden Schweizer Filmautoren gemacht.

18.15 Uhr: Der Abend beginnt mit dem Schweizer Blockbuster Sennentuntschi – live kommentiert von Sauters langjährigem Kreativ-Partner Michael Steiner!

20.45 Uhr: Anschliessend stellen wir das Buchprojekt «Schaurige Schweiz» vor, das Michael Sauter mit seiner Partnerin Janine Lichtensteiger entwickelt hat und das die Lust an der düsteren Seite des Schweizer Storytellings zelebriert: von Mary Shelley zu H. R. Giger, von Sagen aus dem Calancatal bis zu den Riffs von Celtic Frost. Elisabeth Bronfen (Professorin für Amerikanistik), Philipp Theisohn (Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft) und Matthias Uhlmann (Filmwissenschaftler) kommentieren und kontextualisieren Sauters Erzählwelten in diesem inspirierenden Spannungsfeld. Moderation: Wanda Wylowa. Eintritt kostenlos.

Zum Ausklang stossen wir bei einem Apéro auf Michael Sauters sprühende Fantasie an.

Ein Abend konzipiert von Maison du Futur (Samuel Schwarz, Wanda Wylowa), Filmpodium und Janine Lichtensteiger. Mit der Unterstützung des ARF.

SENNENTUNTSCHI

Schweiz/Österreich 2010

122 Min / Farbe / 35 mm / Dialekt + F/d // REGIE Michael Steiner // DREHBUCH Michael Sauter, Michael Steiner, Stephanie Japp // KAMERA Pascal Walder // MUSIK Adrian Frutiger // SCHNITT Ueli Christen // MIT Roxane Mesquida (Sennentuntschi), Andrea Zogg (Erwin), Carlos Leal (Martin), Joel Basman (Albert), Nicholas Ofczarek (Sebastian Reusch), Hanspeter Müller-Drossaart (Notter), Ueli Jäggi (Pfarrer Salis), Peter Jecklin (Dr. Zingg), Daniel Rohr (Bauer Stähli).

Die Schweizer Alpen 1975 – in einem abgelegenen Bergdorf wird eines Tages eine verwahrloste junge Frau aufgegriffen. Die Dorfpolizei tappt bei der Ermittlung ihrer Identität im Dunkeln. Allmählich verdichten sich jedoch die Hinweise, dass die Frau von der Höhenalp zu kommen scheint. Dort, so sagt ein Gerücht, kennen Sennen merkwürdige Rituale gegen die Einsamkeit. Bald überrollt eine Lawine aus Lust, Wahnsinn, Dämonenglauben und Mord die scheinbare Idylle.

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MICHAEL SAUTERS ERZÄHLWELTEN FR, 17. MÄRZ | 18.15 UHR

Filmpodium Classics

Branded to Kill

Goro ist ein Auftragskiller mit Ambitionen, zwei Frauen in seinem Leben und einem fatalen Faible für den Duft von gekochtem Reis. Seijun Suzukis Branded to Kill (1967) wirkt so, als hätte Jean-Luc Godard einen Yakuza-Thriller gedreht.

Goro Haneda wird in der Unterwelt als Nr. 3 auf der Liste professioneller Auftragskiller geführt. Sein Ehrgeiz ist es, die Nr. 1 zu werden. Doch Versagen wird nicht geduldet: Als ein Schmetterling die erfolgreiche Ausführung eines Mordauftrages vereitelt, wird Goro schon bald von der Nr. 1 gejagt. Gefahr droht ihm aber auch von seiner treulosen Gattin Mami und der geheimnisvollen Schönheit Misako.

Seijun Suzuki drehte für die japanische Filmgesellschaft Nikkatsu zwischen 1956 und 1967 über vierzig B-Movies. Weil ihn deren Formelhaftigkeit langweilte, entwickelte er einen eigenen flamboyanten und surrealistischen Stil, den er in immer weitere Extreme trieb. Den Höhepunkt dieser Phase erreichte er mit Branded to Kill. Der heute zu Recht als Meisterwerk gefeierte Film fand aber bei Nikkatsu kein Verständnis. Er wurde als «unverständlich» gebrandmarkt, und Suzuki wurde gefeuert. Daraufhin klagte Suzuki gegen das Studio – und gewann. Am kommenden 24. Mai könnte der 2017 verstorbene Filmemacher seinen hundertsten Geburtstag feiern.

Die digitale 4K-Restaurierung von Branded to Kill wurde bei den 79. Internationalen Filmfestspielen von Venedig (2022) mit dem Venice Classics Award für den besten restaurierten Film ausgezeichnet. (pm)

BRANDED TO KILL

(Koroshi no rakuin) / Japan 1967

92 Min / sw / DCP / Jap/d // REGIE Seijun Suzuki // DREHBUCH

Guryu Hachiro // KAMERA Kazue Nagatsuka // MUSIK Naozumi Yamamoto // SCHNITT Mutsuo Tanji // MIT Jo Shishido (Goro Hanada), Mariko Ogawa (Mami Hanada, seine Frau), Anne Mari (Misako Nakajo), Koji Nanbara (Nr. 1), Isao Tamagawa (Yabuhara Michihiko), Hiroshi Minami (Kasuga Gihei).

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Filmpodium Premiere Armageddon Time

In seinem preisgekrönten autobiografischen Coming-of-Age-Drama Armageddon Time mit Anne Hathaway und Anthony Hopkins entwirft James Gray (The Yards, Two Lovers) auch ein Bild vom Niedergang des American Dream.

«Paul wächst in den 1980ern im New Yorker Stadtteil Queens in einer jüdischen Familie auf. Statt sich auf seine Schulkarriere zu konzentrieren, zeichnet er lieber. Einzig sein Grossvater unterstützt seine künstlerischen Ambitionen. Pauls bester Freund ist der Afroamerikaner Johnny, mit dem er durch dick und dünn geht. Doch als sich Pauls Eltern entscheiden, ihren Sprössling auf eine Privatschule zu schicken, gerät die Freundschaft der beiden Jungen in Gefahr. Regisseur James Gray (The Lost City of Z, Ad Astra) verdichtet sein autobiografisches Coming-of-Age-Drama Armageddon Time zu einer Parabel über den bis heute vorherrschenden Rassismus und die Chancenungleichheit in den USA.» (Zurich Film Festival 2022)

ARMAGEDDON

TIME / USA 2022

115 Min / Farbe / DCP / E/d // DREHBUCH UND REGIE James Gray // KAMERA Darius Khondji // MUSIK Christopher Spelman // SCHNITT Scott Morris // MIT Anne Hathaway (Esther Graff), Jeremy Strong (Irving Graff), Banks Repeta (Paul Graff), Jaylin Webb (Johnny Davis), Anthony Hopkins (Aaron Graff), Ryan Sell (Ted Graff), Andrew Polk (Herr Turkeltaub), Tovah Feldshuh (Mickey Graff), John Diehl (Fred Trump), Jessica Chastain (Maryanne Trump).

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Filmpodium für Kinder

Kiriku und die Zauberin

Noch im Mutterleib spricht der kleine Kiriku und bringt sich kurz darauf selbst zur Welt. Auch sonst erschreckt den schlauen Kleinen fast nichts. Ein westafrikanisch inspiriertes Animationsfilm-Märchen mit der Musik von Youssou N’Dour.

«Kaum geboren, kann Kiriku sprechen und unheimlich schnell rennen. In seiner afrikanischen Heimat ist die Welt jedoch aus den Fugen. Furcht und Schrecken regieren das Dorf. Die meisten Männer, so erzählt man sich, hat die böse Zauberin Karaba aufgefressen. (…) Kiriku möchte das Dorf von Karabas Bann befreien und herausfinden, warum sie so böse ist.» (filmernst.de)

KIRIKU UND DIE ZAUBERIN (Kirikou et la sorcière) / Frankreich/Belgien/Luxemburg 1998

874 Min / Farbe / 35 mm / D / ab 6 // DREHBUCH UND REGIE Michel Ocelot // MUSIK Youssou N’Dour // SCHNITT Dominique

Lefèvre // MIT DEN DEUTSCHEN STIMMEN VON Gabriel Wanka (Kiriku), Claudia Urbschat-Mingues (Karaba), Mo Asumang (Mutter), Harald Leipnitz (Grossvater), Philipp Brammer (Kiriku als Mann)

Altersfreigabe: Zutritt ab 6 (Begleitung durch Erwachsene generell empfohlen).

Kinderfilm-Workshop

Im Anschluss an die beiden Vorstellungen vom 4. und 11. März bietet das Filmpodium einen Film-Workshop für Kinder unter der Leitung der Filmwissenschaftlerin Julia Breddermann an (ca. 30 Min., gratis, keine Voranmeldung nötig). Die Kinder erleben eine Entdeckungsreise durch die Welt der Filmsprache und werden an einzelne Szenen und Themen des Films herangeführt.

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IMPRESSUM

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich

LEITUNG Nicole Reinhard (nr), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb)

WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Primo Mazzoni (pm), Flurina Gutmann

SEKRETARIAT Claudia Brändle

BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 412 31 25

WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 415 33 66

UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: Andromeda Film, Zürich; Arsenal Distribution, Berlin; Constantin Film, München; Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin; Filmcoopi, Zürich; Frenetic Films, Zürich; Geyrhalter Film, Wien; Kartemquin Films, Chicago; Motion Picture Licensing Corporation (MPLC), Zürich; Negativ Film Prod., Prag; Park Circus, Glasgow; Rapid Eye Movies, Köln; Jason Reid, San Francisco; Christian Schocher, Pontresina; SRF Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich; Universal Pictures International, Zürich; Ventura Film, Meride; Visit Films, New York.

DATABASE PUBLISHING BITBEE Solutions AG, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich

GESTALTUNG TBS, Zürich // KORREKTORAT Nina Haueter, Daliah Kohn // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 4500

ABONNEMENTE & VERGÜNSTIGUNGEN Filmpodium-Generalabonnement: CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // alle unter 25 Jahre & Kulturlegi: CHF 9.– // Programm-Pass: CHF 60.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen einer Programmperiode) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

VORSCHAU APRIL / MAI

Cinema Seen Through the Eyes of:

Cyril Schäublin

Dene wos guet geit und Unrueh – zwei Langfilme haben gereicht, um allen klarzumachen, dass Cyril Schäublin ein AusnahmeFilmemacher mit Vision und Haltung ist. Wir wollten von ihm wissen, wie sein persönlicher Filmkanon aussieht: Was hat ihn geprägt, welche aktuellen Filme hält er für zukunftsweisend?

Seine Filmliste hat uns begeistert und spiegelt den Regisseur und sein Werk: kämpferisch, zeitgeistig, humanistisch, existenziell mit hintergründigem Humor und einem unbedingten Glauben an die Kraft der filmischen Form. Von Ozu über Altman und Straub-Huillet zu Mati Diop. Cyril Schäublin wird die Filme persönlich vorstellen.

Alain Tanner

Letzten Herbst ist Alain Tanner (1929–2022) verstorben. Er zählte mit Claude Goretta und Michel Soutter zur Groupe 5, die dem neuen (West-)Schweizer Film zum internationalen Durchbruch verhalf. Sein Erstling Charles mort ou vif errang 1969 den Goldenen Leoparden; La Salamandre lief 1971 in Cannes, und Les années lumière wurde dort preisgekrönt. Tanner hinterfragte hartnäckig das Selbstverständnis der Schweiz, beschäftigte sich mit Rassismus (La femme de Rose Hill, 1989), mit dem Verlust der Utopien (Jonas qui aura 25 ans en l’an 2000, 1976: Jonas et Lila, à demain , 1999) und immer wieder mit der Liebe (Le milieu du monde, 1974; Une flamme dans mon cœur, 1987).

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JETZT IM KINO

DMYTRO SUKHOLYTKYY-SOBCHUK, UKRAINE
«Der Film verbindet märchenhafte Mystik mit schnörkelloser Erzähltradition. – Wunderschön designt und in kristallklare Bilder getaucht.» critic
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