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Juni 2011 Zedern im Feuer

Zwei Freunde Reisen von Istanbul in das Herz der arabischen Revolution

Schuldenschatz Euro

„Es ist nicht alles Geld, was glänzt“

„Regeln brechen gehört dazu”

Weltreporter Dennis Gastmann über Begegnungen mit Gurus, Nazis & falschen Taxifahrern

Grenzgänger - Wo ist dein Limit?


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Editorial

“Passt perfekt!”

Liebe Leserinnen, liebe Leser, wie einfach es doch ist, Grenzen zu überschreiten! Wir brauchen nicht mal mehr einen Reisepass um von Deutschland nach Schweden zu kommen. Spontanes Pariswochenende oder morgen in Lissabon frühstücken? Kein Problem für den europäischen Grenzgänger. So macht Grenzüberschreitung richtig Spaß. Ähnlich befreiend ist es auch, wenn man mal an seine persönliche Grenze stößt und diese dann schließlich doch überwindet. So ein Erfolgserlebnis kennt sicher jeder und manchmal braucht man das auch, um aus dem Alltagstrott auszubrechen. Doch was, wenn man unfreiwillig an eine scheinbar unüberwindbare Grenze – sei es räumlich oder im eigenen Kopf – stößt? Macht das dann immer noch Spaß? Die BiTSLicht-Redakteure sind auf die Suche nach Grenzen gegangen und haben die unterschiedlichsten gefunden. Und überwunden! Wir haben uns zum Beispiel von einem auf Rückführungen spezialisierten Coach an unsere Grenzen bringen lassen und dabei Überraschendes über uns erfahren. Wir haben mit einem Mann gesprochen, für den Grenzen nur Striche auf der Landkarte sind, denn als Weltreporter sind Grenzüberquerungen für ihn etwas Selbstverständliches. Im Gegensatz dazu gibt es Menschen, die diese Freiheit nicht haben. Im Krieg bekommen Ländergrenzen eine ganz andere Bedeutung und

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BiTSLicht-Ausgabe 19, Juni 2011

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Herausgeber: BiTSLicht e.V. Reiterweg 26 58636 Iserlohn Telefon: 02371 - 776 301 Fax: 02371 - 776 503 E-Mail: chefredaktion@bitslicht.de Internet: www.bitslicht.de

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Das erste weibliche Duo in der Chefredaktion: Charlotte Druwe (links) und Eva Book (rechts)

schränken z.B. die Bürger im Libanon enorm ein. Andere wiederum erfahren Grenzen als persönliche Herausforderung und suchen diese, um sich zu beweisen. Warum sonst sollte man sich einen Schärfeschock antun, der harmlos per Currywurst daher kommt? Und auch das BiTSLicht-Team hat sich für diese Ausgabe wieder in Gefahr gebracht. Beim Klettern im Hochseilparcours sind wir alle bis an unsere Grenzen gegangen – und noch höher. Sogar wir „Chefredakteusen“ (vielen Dank, liebe Redaktion, für diesen Spitznamen) haben während der Entstehung der aktuellen Ausgabe

Anzeigen & Marketing: Ann-Kathrin Balla, Carina Assauer, Marie-Luise Niepel Layout: Konstantinos Sampanis (Teamleiter), Simon Albers, Sarah Dönges, Sascha Dejas, Daniel Hohmeyer, Charlotte Druwe, Sue Nicole Susenburger Bildredaktion: Daniel Hohmeyer (Teamleiter), Charlotte Druwe, Sue Nicole Susenburger

Auflage: 3.000 Stück

Titelbildgestaltung: Konstantinos Sampanis

Chefredakteure: Charlotte Druwe und Eva Book

Karikaturist: Simon Albers

manchmal unser Limit kennen und dabei Koffein schätzen gelernt. Aber der Einsatz hat sich gelohnt und wir haben erkannt: Wer ins kalte Wasser geschmissen wird, lernt schwimmen. Wir wünschen euch jetzt viel Spaß beim Lesen der neuesten BiTSLicht! Bei Anregungen oder Kritik: Mailt uns an chefredaktion@bitslicht.de.

Euer BiTSLicht-Team

Lektorat: Konrad Neumann (Teamleiter), Nadine Klingen, Annika Wurm, Nathalie Kirsch, Timo Senger, Kristina Köller Themenmanagement: Kristina Köller Redaktion: Myriam Apke, Sascha Dejas, Sarah Dönges, Timo Senger, Inka Kiedrowski, Thorsten Streber, Charlotte Druwe, Christian Ferreira, Daniel Hohmeyer, Simon Albers, Eva Book, Nathalie Kirsch, Michael Kleppi, Jennifer Kohel, David Lucas, Sue Nicole Susenburger, Christoph Grundig, Lina Zaraket, Isabell Zillmer, Ferry Radix

wiesbaden

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Heimatkunde 6 8 10 12 15

Was geht an der BiTS? Business as usual?! Praktikumsrecht von Friedrich Schade Zeit für Experimente: nrwision 14 Tage?! Das heißt Zwoche!

Über Leben 10

Rechte von Praktikanten stärken!

Titelthema 16

Was Menschen alles tun... ...für die Schönheit, den Scharfsinn oder auch für den Herrn

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RevuePalast Ruhr I‘m a machine - oder doch nur Student? Erinnerung an Unvernunft Grenzwertige Jugendkulturen Cranger Kirmes

19 Ausgebrannt Zu Gast bei einem Seminar zur Burnout-Prophylaxe

Aufstieg

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„Regeln brechen gehört dazu” Weltreporter Dennis Gastmann über Begegnungen mit Gurus, Nazis und falschen Taxifahrern

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Schuldenschatz Euro „Es ist nicht alles Geld, was glänzt“

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Zwischen Liebe und Hass Seelische Grenzgebiete

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Grenzen, die es in sich haben Einmal im Leben sollte man...

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Warum wir uns gerne erschrecken Das Empfinden von Aufregung ist tief verankert, auch beim modernen Menschen

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Zedern im Feuer Zwei Freunde Reisen von Istanbul in das Herz der arabischen Revolution

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Wenn Heimatbesuch zum Albtraum wird Aufzeichnungen aus dem Libanonkrieg

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Heilung oder Hokuspokus? Rückführungen - die etwas andere Art, Probleme zu lösen

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Spiel mir das Lied der Volksmusik Der Schlager trägt die Volksmusik zu Grabe

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Das BiTSLicht-Team in Gefahr: Diesmal ging es hoch hinaus!

Die Unternehmer-Befreiung: HackFwd Verkehrte Welt! ASC HochTief Seitenwechsel: Vom Journalismus in die PR

Versuchsgebiet 54 58

BiTSLicht-Team in Gefahr: Klettern Unterwegs auf leisen Sohlen

Ansichtssache 63 64 65 66 67 52

Sie hat den Sprung vom Journalismus in die PR gewagt.

Iserlohn: Utopia für Autofahrer Ferris‘ Glosse Angeschaut: Black Swan Angelesen: Faserland Angehört: Kastelruther Spatzen

Geistesblitz 68

Das BiTSLicht-Rätsel

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Heimatkunde

Heimatkunde

Was geht an der BiTS? Studenten zwischen den Welten: Im Kinderkrankenhaus, vor der Konsole und in der Arbeitswelt

Neben Farina sitzt Maximilian am Spieltisch. Auch er ist mit der Knete beschäftigt. „Und was machst du da?“, fragt ihn die Heilpädagogin. „Einen Grabstein“, antwortet der Junge. Meike Ruhl nimmt die Worte gelassen hin. Sie studiert im dritten Semester Business Psychology an der BiTS. Seit einigen Monaten besucht sie die Kinderstation regelmäßig, um etwas Abwechslung in den Alltag der kleinen Patienten zu bringen. „Klar ist so eine Antwort im ersten Moment schockierend. Aber er macht sich nicht wirklich Gedanken über den Tod, sondern will bloß Aufmerksamkeit erregen.“

Erschütternde Szenen auf der Kinderstation

Einmal pro Woche besuchen einige Mitglieder des Ressorts „BiTS2Society“ die Kinderstation im BethanienKrankenhaus, um mit den Kranken im Alter von fünf bis 16 Jahren zu spielen, zu puzzeln oder ihnen vorzulesen. An diesem Nachmittag aber hat kein Patient Lust, sich von den Studenten unterhalten zu lassen. „Letzte Woche war dagegen richtig viel los“, ist Meike etwas enttäuscht. Während die Jungen und Mädchen mit ihren Familien das sonnige Wetter genießen oder in Ruhe fernsehen möchten, sitzt das BiTSTeam nun wartend im Spielzimmer. „Vielleicht kommt ja noch jemand.“ Dass man bei den Besuchen in der Kinderklinik auch viele erschütternde Szenen miterlebt, weiß auch Meike zu berichten. „Einiges nimmt einen natürlich mit“, erzählt die BiTS-Studentin. „Aber man lernt damit umzugehen.“ Nach einer Stunde ist das Besuchsprogramm dann für heute abgeschlossen. Bis auf Farina hat sich zwar niemand zum Spielen gefunden, doch auch das wird eine Woche später wieder anders sein, hofft die studentische Besuchergruppe.

Die weiteren Projekte von BiTS2Society gingen in diesem Semester natürlich ebenso weiter: Computer-Kurse für Senioren, die Betreuung von Hunden aus dem Iserlohner Tierheim und der Blutspendetag. Darüber hinaus besuchten die Ressortmitglieder im Rahmen des Projekts „Dialog“ zum ersten Mal Altenheime in der Region, um das Leben von Demenzkranken ein Stück lebenswerter zu machen.

Foto: b.one

Die Wände sind bunt bemalt und mit übergroßen Comic-Figuren verziert. Aus dem Spielzimmer hört man Kinderlachen, wenn Farina aus selbstgemachter Knete eine Schnecke formt. Andere Kinder kreischen, als sie versuchen, ihren Freunden beim Fangen-Spielen im Flur zu entkommen. Die Fröhlichkeit wirkt ansteckend, aber auch sie kann den ganz speziellen Krankenhaus-Geruch nicht vollends überdecken. Denn wir befinden uns nicht, wie man vielleicht denken könnte, in einem Kindergarten, sondern in der Kinderklinik „Bethanien“ in Iserlohn.

Grenzgänger: Wie sich Studenten in Geschäftsleute wandeln – Moritz Gerschermann, Ilka Ohlmer, Stefan Klang und Stefan Gresch von b.one Consulting.

Fan-Unterstützung im Kampf um die Champions-League Eine andere Gruppe von Studenten an der BiTS kämpft derweil sogar um die Deutsche Fußball-Meisterschaft und den Triumph bei der ChampionsLeague – zumindest virtuell. An der Xbox 360 und der PlayStation 3 treten die Mitglieder der „BiTSleague“ einmal wöchentlich gegeneinander an. Bei Redaktionsschluss liefen gerade die Halbfinals der Königsklasse, mit durchaus überraschenden Teilnehmern. Neben den Mannschaften Arsenal und Chelsea waren auch Zenit St. Petersburg und Galatasaray Istanbul noch vertreten. „Das zeigt ja“, bewertet Koordinator Timothy Schulte, „dass sich die

besseren Spieler auch durchsetzen und nicht die besten Mannschaften.“ Ehrgeizig gehen die meisten der 32 Mitspieler die Sache an. „Einige Leute sind total verrückt“, erzählt Timothy. So bringen manche gerne auch mal Fans mit, die für ordentlich Lärm vor den Konsolen sorgen. Rivalität gehört dazu, schließlich erwarten die besten drei Teilnehmer auch ansehnliche Preise. „Die Spieler schenken sich nichts“, hat Timothy beobachtet. „Aber ein paar Leute nehmen das fast schon zu ernst.“ Ob das der Grund ist, warum immer noch keine Frau die Männerrunde gesprengt hat? Zwar gab es bereits einige Interessierte, doch so recht wagen sich die BiTS-Studentinnen noch nicht aus der Deckung. Die Mitspieler würden sich freuen, so Timothy: „Es wäre doch sicherlich mal ganz lustig, wenn auch eine Dame mit dabei wäre.“ Ob männlich oder weiblich – wer Interesse am Mitspielen hat, kann sich zu Semesterbeginn bei Timothy Schulte melden. Einzige Einlassbeschränkung zur „BiTSleague“: zehn Euro Teilnahmegebühr.

Foto: BiTS2Society

Der erste Schritt in den Berufsalltag

Die BiTS-Studentinnen Vera Picht (l.) und Kristina Quindt betreuen für BiTS2Society Patenhunde aus dem Tierheim Iserlohn.

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Der internationale Wirtschaftswettbewerb „Rubicon“ ist neben dem Campus Symposium vielleicht das Aushängeschild der BiTS. Organisiert wird die alljährliche Veranstaltung von der „b.one Consulting“, einem

eingetragenen Verein, der sich aus BiTS-Studenten zusammensetzt. Doch „Rubicon“ ist längst nicht das einzige Projekt, das der Vorstand um Stefan Klang, Stefan Gresch und Ilka Ohlmer gemeinsam mit den 25 aktiven Mitgliedern betreut. In der Hauptsache verbirgt sich hinter „b.one“ nämlich eine studentische Unternehmensberatung, die Studierenden die Möglichkeit gibt, erste Praxiserfahrungen zu sammeln. „Wir arbeiten sehr projektbezogen“, erklärt Ilka Ohlmer, zuständig für die Pressearbeit. So führt der Verein derzeit zum Beispiel eine Kundenzufriedenheitsanalyse für einen IT-Dienstleister aus der Region durch. „Da mussten wir natürlich am Anfang erst die Frage klären, wie wir die Zufriedenheit überhaupt messen wollen“, unterstreicht Ilka. „Welche Dimensionen ziehen wir in Betracht: den Service, die Produkte oder noch etwas anderes?“ Nachdem diese Entscheidungen in Absprache mit dem Unternehmen getroffen worden waren, konnte ein Fragebogen entwickelt werden. „Die Ergebnisse werden danach dann statistisch ausgewertet“, erläutert sie den weiteren Prozess. Für jedes Projekt stellt der Vorstand ein Projektteam auf, dessen Mitglieder sich die Arbeit teilen. „Mitglieder sollten bereit sein, motiviert und engagiert zu arbeiten“, beschreibt Stefan Klang die Anforderungen. Der jeweilige Zeitaufwand ist dabei sehr unterschiedlich, auch weil sich jedes Mitglied seine Arbeit selbst einteilen kann.

Schon als Student Verantwortung übernehmen

Ilka Ohlmer, Stefan Klang und Stefan Gresch sind schon seit einigen Jahren Mitglied bei „b.one“. Ihnen gefällt vor allem die Arbeitsatmosphäre: „Man kann Dinge frei gestalten und sich einbringen“, so Ilka. Und Stefan Gresch ergänzt: „Durch die Mitarbeit hat man schon als Student die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen.“ Das kann Moritz Gerschermann, Erstsemester in „Business and Management Studies“, voll bestätigen: „Ich arbeite bei ‚b.one‘ mit, weil hier strukturiertes und analytisches Denken gefragt ist.“ Viel Wert legen die Vorstandsmitglieder aber auch auf Harmonie. „Es gibt keine wirklichen Hierarchien“, hebt Ilka hervor. Und auch für den Spaß neben der Arbeit soll gesorgt sein: So wird es im Sommer zur Feier des 10-jährigen Jubiläums von „b.one Consulting“ ein großes Grillfest für aktive und passive Mitglieder mit vielen Alumni geben. THORSTEN STREBER

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Heimatkunde

Heimatkunde

Business as usual?!

Von Sitzung zu Sitzung

Foto: Sue Nicole Susenburger

Ein Tag im Leben des Dr. Volker Busch

Prof. Dr. Volker Busch ist Geschäftsführer und Rektor der BiTS. Doch wie sieht sein Tagesablauf aus? Ich habe mich an seine Seite begeben. Schon unsere erste Diskussion über geregelte Tagesaufgaben brachte uns in Schwierigkeiten. Einen festgelegten Ablauf gibt es für ihn nämlich nicht. Dennoch möchte ich in diesem Artikel den Alltag von Volker Busch, seine Aufgaben und Meinungen ein wenig näher beleuchten. Angefangen hat alles an der Universität zu Dortmund. Nach dem Abschluss seines BWL-Studiums 1994 arbeitete er bis zu seiner Promotion sowohl als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität selbst, als auch in der Unternehmensberatung seines Doktorvaters, dem CIC in Dortmund. Nachdem er 2003 zu-

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nächst als Berater der BiTS arbeitete, folgte nur einige Monate später die feste Einstellung in Iserlohn und somit der Anfang an unserer Hochschule. Seit 2005 ist Volker Busch nun akademischer Leiter und arbeitet an der stetigen Weiterentwicklung der BiTS. Seitdem kommen jeden Tag neue Termine und Aufgaben auf ihn zu. Der Morgen beginnt gegen 9:00 Uhr mit dem Abrufen der eingegangenen EMails. Zwischen 50 und 100 Nachrichten warten jeden Morgen darauf, gelesen und beantwortet zu werden. Was dann folgt, ändert sich von Tag zu Tag, wie ich an seiner Seite feststellen durfte. Neben den Aufgaben als akademischer Leiter hält Volker Busch auch Vorlesungen, wahlweise in den Fächern Accounting, Controlling oder Kostenmanagement. Viele von uns Studenten durften schon miterleben, wie er beispielsweise ab-

soluten Laien im ersten Semester das Prinzip der Buchungssätze erklärt und was auf die Haben- und Soll-Seite gehört. Natürlich gehören dazu das Zusammenstellen eines Skriptes und die Stellung einer Klausur. Doch geht es ihm nicht nur um das Unterscheiden der Aktiv- und Passivseite, sondern auch um den Kontakt zu den Studierenden. Kurz vor unserem Treffen hat Volker Busch an seiner Rede zur bevorstehenden Bachelorabschluss-Feier gearbeitet und seine Gedanken aufgeschrieben. „Diese Reden mag ich nicht so gerne, ich verabschiede mich lieber einzeln und persönlich“, sagt er. Nicht nur am Ende des Studiums kommt er gerne mit den Studierenden ins Gespräch. Häufig trifft er auf dem Weg zur Mensa den einen oder anderen BiTSler. „Dann kommt man einfach ins Gespräch.“

Die Stelle des akademischen Leiters bringt in der Woche unzählige Sitzungen mit sich. Zu Mittag lädt Volker Busch Manuela Richter und Lars Holtvoeth zu sich ein, um das Thema Akkreditierung zu besprechen. Ein Projektplan muss aufgestellt werden, um weiterhin eine gute Bewertung des Wissenschaftsrates zu gewährleisten. Im Vorfeld dazu wurden per Telefon Absprachen zum Akkreditierungsverfahren mit dem Ministerium in Düsseldorf getroffen. Diese Sitzung ist nur eine von vielen, die Volker Busch im Laufe seiner Arbeitswoche erwarten. Neben Einstellungsgesprächen mit Dozenten, geht es in dieser Woche besonders um das Thema CHEHochschulranking. Die Anfang Mai erschienenen Daten müssen analysiert und besprochen werden. Die positiven Bewertungen freuen Volker Busch sehr, doch setzt er vor allem bei den nicht mit „sehr gut“ benoteten Punkten an, um diese gezielt zu verbessern. Als akademischer Leiter geht es vor allem um die Organisation und Gewährleistung der guten Voraussetzungen für Studierende. Doch was ist ihm bei seiner Arbeit überhaupt am wichtigsten? „Ehrlichkeit! Versprechen müssen gehalten werden, auch wenn das Ergebnis für einen selbst von Nachteil sein kann“, sagt er. Der sich stets verändernde Zeitplan spiegelt sich auch in seinen Feierabendzeiten wieder. Im Schnitt beendet er seine Woche am Freitag um 17:00 Uhr. Häufig ist er auch samstags in der Hochschule. Nur der Sonntag ist und bleibt für ihn Wochenende. „Oberste Priorität hat mein Sohn Paul. Wenn ich die Zeit habe, möchte ich sie auch mit ihm verbringen“, beschreibt er seine Freizeit. Neben sportlichen Aktivitäten wie Badminton ist ihm aber auch der Erhalt von Freundschaften wichtig. Erst am Wochenende vor unserem Treffen kam es zum Wiedersehen mit neun Kameraden seines Abiturjahrganges.

„Unser gutes Umgangsniveau zeichnet uns aus“ Dass man auch Freizeit an der BiTS selbst verbringen kann, zeigen in re-

gelmäßigen Abständen unsere B7Parties. Auch hier lässt sich Volker Busch gerne sehen, „mindestens einmal im Semester“, seiner Aussage nach. Alkohol wird dabei in geringem Maße getrunken, da es am nächsten Tag stets viel zu tun gibt. Dazu mag die 1- bis 2-mal am Tag stattfindende Raucherpause mit Prof. Dr. Uwe Eisermann sicherlich nicht zählen. Doch es gibt andere wichtige Dinge zu erledigen. Ohne eine positive Einstellung wird es schwierig, das auch stets zu bewerkstelligen. „Man muss der positive Fixpunkt für andere sein. Die Herausforderung ist nicht, das zu werden, sondern es zu bleiben. Und dies ist eine Frage des Charakters“, findet er. Dies versucht er Tag für Tag aufs Neue. Seine Verbundenheit zur BiTS macht es ihm mit Sicherheit leichter. Auf meine Frage, ob er seinen Job mag, bekomme ich ein klares Ja. „Unser gutes Umgangsniveau an der BiTS zeichnet uns aus. Das finde ich einfach klasse!“ Das macht die BiTS auch für ihn zu einer besonderen Hochschule. Dieses gute Umgangsniveau zeigt sich nicht nur innerhalb der Hochschule, sondern auch in den Beziehungen zu internationalen Partnerunis. Bei einem weiteren Meeting ging es um die Internationalität der BiTS. Es ist Besuch aus den USA in Volker Buschs Büro. Auf amerikanischen Messen wird Werbung für Studiengänge gemacht. Zahlreiche Informationen zur BiTS werden weitergegeben. So kann diese auch über Europa hinaus weiter Bekanntheit erlangen. Zum Thema Internationalität soll es das für heute aber noch nicht gewesen sein. Ein Anruf aus Lissabon, am anderen Ende der Rektor einer Universität, die neu im Laureate-Netzwerk ist. Auch hierfür ist unter anderem Volker Busch zuständig. Die Beziehung zu Partneruniversitäten soll schließlich möglichst gut sein.

ge, was ihm seine berufliche Karriere am meisten gebracht hat, zögert er zunächst. „Unser Umfeld prägt einen mehr als wir es vielleicht wahrhaben wollen. Auch der Job hier hat mich geprägt, meine Veränderungsbereitschaft ist gewachsen, ebenso mein Kommunikationsverhalten.“ Der Job mag viel beinhalten, vielleicht manchmal auch zu viel, doch Volker Busch bekennt sich zur BiTS. Sein beruflicher Plan: „eine Kombination aus Stabilität und Innovation“. Er will die BiTS auch in Zukunft gemeinsam im Team steuern. „Ich mag die BiTS!“ Beste Voraussetzungen. TIMO SENGER

Jeden Tag etwas Neues Business as usual?! Keineswegs. Auch wenn ich für eine kurze Zeit einen Einblick in den Berufsalltag von Volker Busch bekommen habe, so habe ich längst nicht alle Aufgabenfelder miterleben können. Volker Busch leitet die BiTS im Team jeden Tag mit neuem Engagement. Auf meine Fra-

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Heimatkunde

Heimatkunde

Praktikumsrecht:

BiTSLicht: Freiwillige Praktika fallen grundsätzlich unter den arbeitsrechtlichen Schutz. Was kann man machen, wenn ein Unternehmen dennoch mit seinen alten unfreundlichen Praktikumskonzepten fortfährt?

Rechte von Praktikantinnen und Praktikanten stärken!

Friedrich Schade: Man kann sagen: Lieber Praktikumsgeber, kaufen Sie sich dieses Buch! Alle Arten von Praktika, bis auf das verpflichtende Studierendenpraktikum, fallen zumindest unter einen Teil des Berufsbildungsgesetzes. Somit sind viele für einen Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften anwendbar. Diese Praktikanten müssen bezahlt werden, sie müssen Urlaub bekommen. Und da unterstelle ich mal den Unternehmen - im positiven Sinne -, dass sie eben bisher nichts von diesen Pflichten wussten. Und da hilft mein Buch weiter. Insbesondere auch den vielen Praktikanten.

Praktikanten: Für Unternehmen oft nur Dienstboten ohne Vergütungsbedarf. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Mit seinem Buch „Praktikumsrecht“ offenbart Prof. Dr. Friedrich Schade die Pflichten von Praktikumsgebern und die Rechte von Praktikanten. BiTSLicht: Herr Schade, was hat Sie zu Ihrem Buch „Praktikumsrecht“ inspiriert? Friedrich Schade: Immer wieder haben mir Studierende an der BiTS ihre Praktikumsverträge gezeigt und mich gefragt, wie es denn sein kann, dass der eine während des Praktikums Urlaub bekommt und der andere nicht. Oder auch, warum einer mehr vergütet wird als der andere- oder gar keine Vergütung des Praktikums stattfindet. Auf all diese Fragen wusste ich vor einem Jahr keine Antworten. Deshalb habe ich mich näher mit der Thematik beschäftigt und festgestellt, dass es nirgendwo genaue und übersichtliche Informationen zu den Rechten und Pflichten von Praktikumsgebern und Praktikanten gibt. Um diese Lücke in der Rechtsliteratur zu schließen, habe ich mich entschieden, das Buch „Praktikumsrecht“ zu verfassen. Jetzt ist es erschienen. BiTSLicht: Es gibt sicherlich einige andere Bücher über Praktika; warum ist Ihr Buch besonders? Friedrich Schade: Ja, es gibt mittlerweile viel allgemeine Literatur zum Thema „Praktikum“, z. B mit Tipps für erfolgreiche Bewerbungen. Doch bisher gab es kein juristisches Buch. Es fehlte ein Standardwerk zum Praktikumsrecht mit detaillierten Erläuterungen über die Rechte und Pflichten von Praktikumsgebern und Praktikanten im Rahmen von Praktikumsverhältnissen. Mein Buch hat also ein Alleinstellungsmerkmal, zumal es eine, so meine ich, bedeutende Lücke in der Rechtsliteratur schließt.

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BiTSLicht: Und was ist mit den verpflichtenden Hochschulpraktika, die - wie Sie sagten – grundsätzlich nicht unter den Schutz der Arbeitsgesetze fallen?

Jura-Professor Friedrich Schade setzt sich für Praktikanten ein.

Zwar ist schon im Jahr 1959 ein erster bedeutender Aufsatz mit dem Thema „Ausbildung und Rechtsstellung des Praktikanten“ in der Zeitschrift „Betriebs-Berater“ erschienen. Bis heute sind aber insgesamt weniger als weitere zwanzig juristische Aufsätze zur Rechtsproblematik von Praktikumsverhältnissen verfasst worden. Aber die meisten Praktikanten, die ja auch nicht aus dem juristischen Bereich kommen und auch die Unternehmen - sie finden all diese juristischen Aufsätze nicht, die im Übrigen die Rechte und Pflichten in Praktikumsverhältnissen nur bruchstückhaft aufzeigen. Ich habe all diese Rechte, aber selbstverständlich auch

die Pflichten zusammengefasst und somit einen juristischen Leitfaden über das Praktikumsrecht erstellt. So umfassend ist das Thema zuvor noch nie behandelt worden. Es gibt zum Beispiel verschiedene Arten von Praktika, die unterschiedlich zu behandeln sind. Für die freiwilligen Praktika gilt in wesentlichen Teilen der Schutz des Berufsbildungsgesetzes und somit der Arbeitsgesetze. Doch bei verpflichtenden Studienpraktika besteht bis heute bedauerlicherweise kein rechtlicher Schutz durch die Arbeitsgesetze. Und diese bedeutenden rechtlichen Unterschiede sind so ausführlich in der Rechtsliteratur noch nicht behandelt worden.

Friedrich Schade: Diese rechtliche Situation ist absolut bedauerlich und so ist nicht vertretbar. Oft werden Praktikanten als preiswerte oder sogar kostenlose Arbeitnehmer genutzt, da der Arbeitsschutz bei ihnen nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht gilt. Bei den verpflichtenden Studierendenpraktika mit Hochschulbezug soll es sich um eine reine Hochschulausbildung handeln. So hat es das Bundesarbeitsgericht schon im Jahr 1974 entschieden. Aber ich halte diese Entscheidung für falsch. Meine Forderung: alle Arten von Praktikumsverhältnissen müssen endlich gleichbehandelt werden, um soziale Missstände zu vermeiden. Der Praktikumsgeber sollte fair sein und alle Praktikanten gerecht behandeln. Die Praktikanten von heute sind schließlich die Arbeitnehmer von morgen. Durch den demografischen Wandel werden gut ausgebildete Arbeitnehmer immer weniger; die Unternehmen brauchen junge Arbeitskräfte mehr denn je. Und deshalb muss sich etwas ändern! Auch gesetzlich. Der Bundesgesetzgeber muss endlich mit einer Änderung des Berufsbildungsgesetzes dafür zu sorgen, dass auch verpflichtende Prak-

tikumsverhältnisse mit Hochschulbezug vom arbeitsrechtlichen Schutz umfasst werden. BiTSLicht: Mit Ihrem Buch wollen Sie also dafür sorgen, dass in Praktikumsverhältnissen mehr Gerechtigkeit herrscht? Friedrich Schade: Auf jeden Fall! Ich nenne Ihnen einmal ein typisches Beispiel: Es gibt Hochschulen, die schon vor der Immatrikulation von zukünftigen Studierenden ein Praktikum verlangen. Da diese Studierenden zu dem Zeitpunkt noch nicht immatrikuliert sind, also kein Hochschulbezug besteht, hat die Hochschule keinen direkten Einfluss auf ein solches Praktikum. Ich höre immer wieder von Studierenden, dass sie bei einem solchen Vorpraktikum keinen Urlaub bekommen haben und auch nicht bezahlt wurden. Das ist rechtlich falsch! Ein Vergütungsanspruch sowie Urlaubstage stehen den Praktikanten in einem Vorpraktikum sogar rechtlich zu. Unterstellen wir den Unternehmen wieder im positiven Sinne: Sie wussten es nicht, dass für sie als Praktikumsgeber diese Pflichten gegenüber den Praktikanten bestanden. Durch die Ausführungen in meinem Buch wird es aber solche Situationen zukünftig hoffentlich nicht mehr geben.

Jahr insgesamt mehr als eine Millionen Praktika zu absolvieren haben. Man spricht sogar von der „Generation Praktikum“. Ich hoffe sehr, dass ich mit dazu beitragen kann, die rechtliche Situation in Deutschland zu Gunsten der Praktikanten zu verbessern. LINA ZARAKET

BiTSLicht: Wie bringen Sie Ihr Buch in den Fokus der Aufmerksamkeit, damit sich die Situation von Praktikanten ändert? Friedrich Schade: Ich werde zu dieser brennenden Thematik Vorträge halten. Verbände und mittelständische Unternehmen habe ich ein Schreiben plus Flyer und Poster gesandt, um sie auf das Buch aufmerksam zu machen. Auch Bundestagsabgeordnete, also die politische Ebene, hat bereits Informationen zu dem Thema erhalten. So habe ich bereits unserer Bundeskanzlerin, unserer Arbeitsministerin, unserer Justizministerin und unserer Bildungsministerin geschrieben und ihnen jeweils das „Praktikumsrecht“ zugeschickt. Auch den Parteivorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien habe ich ein Buch zugesandt. Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt, etwas zu Gunsten der Praktikanten zu verändern. Denn es gibt viele junge Menschen in Deutschland, die jedes

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Heimatkunde

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Zeit für Experimente: nrwision

„Ich fühle mich als Coach“

Fotos: David Lucas Fotos: Daniel Hohmeyer

Auf den Spuren des Lern- und Lehrsenders von TV-Dozent Stefan Malter

UNTERZEILE

In der ersten Ausgabe hat es ganz gut geklappt – also probieren wir es noch mal. Jeder von euch kennt sie, die mal mehr, mal weniger sagenumwobenen Geschichten, die sich hinter den Fassaden unserer Dozenten verbergen. Der eine besitzt einen Tabakladen, der nächste arbeitet als Berater und dann hat jeder ja auch eine unternehmerische Vergangenheit. Wie sonst sollte sie oder er auch sonst an die BiTS gekommen sein? Dieses Leben ein bisschen bekannter zu machen, einmal hinter die Kulissen zu gucken, soll Aufgabe dieser kleinen Serie mit dem Titel „Unter Nehmern – das Leben als Nicht-Dozent“ werden. Dabei begeben wir uns in die Höhle des Löwen, schauen uns die Verhältnisse vor Ort an und lassen uns selbst auf komplett neue Branchen ein. Heute stellen wir den Mediendozenten Stefan Malter vor – er ist Chefredakteur und Mit-Entwickler des Lehr- und Lernsenders nrwision.

Lernen durch Praxis Wer Studenten fragt, die etwas mit Medien machen, erhält häufig folgende Antwort: „Ich möchte zum Fernsehen.“ Die Vorstellungen von der Arbeit dort sind vielfältig. Rampenlicht, Kameras, ein großes Studio, möglicherweise ein Publikum, viele Menschen, die hektisch eine Sendung fahren – Nachrichten, Scripted Reality, Spielfilme, QuizShows. All das macht das Fernsehen aus. Der Weg zur eigenen Sendung ist aber lang und beschwerlich, die Ausbildung erfordert viele praktische Anteile und ein Verständnis davon, was Fernsehen ist und wie Bewegtbild funktioniert. Ein Mann, der das schon

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geschafft hat, ist Stefan Malter, Chefredakteur des Lern- und Lehrsenders nrwision und außerdem TV-Dozent an der BiTS. Gemeinsam mit Projektleiter und Sportstudio-Moderator Michael Steinbrecher verantwortet er die inhaltliche Entwicklung des Senders, der von der Landesanstalt für Medien NRW gefördert wird. Angeschlossen an die TU Dortmund, hat es auf der einen Seite die Zielsetzung, den Studierenden dort die Möglichkeit zu geben, Programmverantwortung in einem Fernsehsender übernehmen zu lernen. Auf der anderen Seite ist es ein Nachfolgemodell für die geschlossenen offenen Kanäle und somit für jeden Bürger offen – jeder interessierte und begeisterte Fernsehmacher kann Beiträge einsenden, die im Regelfall auch gezeigt werden. „Dabei kommen die herrlichsten Sa-

chen raus“, erinnert sich dann auch im Gespräch Stefan Malter. Sein „Baby“, wie er es bezeichnet, ist Teil eines Pilotprojekts – noch. Seit Juli 2009 ist der Sender on air, seither zeigt er 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, Programm und ist im digitalen Kabelnetz sowie online empfangbar. Mit ihm zusammen arbeiten im Team u.a. noch ein Produktionsleiter, ein Techniker und Ausbilder, eine Kollegin für Öffentlichkeitsarbeit, einer für Grafiken und Post-Produktion, einer für die Sendeabwicklung sowie neun Auszubildende für den Beruf Mediengestalter Bild/Ton. „Die redaktionelle Hauptarbeit leisten Studenten – etwa 20 von ihnen bilden die Programmredaktion, zwei bis drei studentische Hilfskräfte unterstützen uns ebenfalls regelmäßig“, erklärt Malter.

Er fühlt sich bei seinem Job in seinem Element – und versteht sich selbst als Coach und Motor des Projekts. „Wir leisten einzigartige Arbeit für diesen tollen Sender mit immenser Strahlkraft“, erzählt Malter, und erinnert sich an die Frage, ob er sich vorstellen könne, an dem Projekt mitzuarbeiten. Für ihn selbst war es schnell klar, ein Experiment dieser Größenordnung und mit diesen Herausforderungen kann er nicht ausschlagen, zu zahlreich waren die spannenden Aufgaben. Da ging es zunächst um nichts anderes als die grundlegenden Entscheidungen, wie etwa der Sender distribuiert werden sollte, wer in welcher Art und Weise eingebunden wird - und wie das Team das Projekt überhaupt bekannt machen könnte. „Dabei hatten wir natürlich

nur ein begrenztes Budget zur Verfügung, für Eigenwerbung natürlich noch weniger als für die Produktion“, sagt Malter – an ein Projekt könne er sich aber noch sehr gut erinnern: „Unsere Studis haben sich weiße Schutzanzüge besorgt, selbst Lebensmittelfarbe angerührt und in Dortmund einen Flashmob veranstaltet, bei dem sie sich alle gegenseitig mit Farbe beworfen haben“, lacht er begeistert. Das sei natürlich allen Medien aufgefallen, sodass es Berichterstattung gab, auf der anderen Seite war die Idee aber auch genial, weil sie zum Leitmotiv des Senders „Neue Farbe ins TV“ passt. Drei Ziele machen das Pilotprojekt mit dem Titel „Ausbildungs- und Erprobungsfernsehen in NRW“ aus: Partizipation, Relevanz und Medienkompetenz. An der Erreichung dieser Ziele wird nach drei Jahren gemessen, ob das Projekt erfolgreich war und auch, ob es überhaupt weitergeführt und in den Regelbetrieb übernommen wird. „Wir

verstehen uns als Sender, der Fernsehproduktion genauso erklärt, wie den allgemeinen Umgang mit Medien“, fasst der BiTS-Dozent zusammen. Dabei ist es natürlich die ständige Herausforderung, zu erkennen, was relevant ist – gerade für Menschen aus dem Bereich Medien ist es nämlich nicht immer leicht, zu erkennen, was gerade das Volk bewegt. „Ich verstehe Journalisten als Übersetzer schwieriger Zusammenhänge in der Welt – dies zu lernen ist zentraler Bestandteil der praktischen Ausbildung in diesem Projekt“, unterstreicht er den pädagogischen Charakter der Idee. Dabei muss das Team auch noch anders kreativ werden: eine Sendung komplett alleine zu fahren und einen regelmäßigen Programmablauf entwickeln. Das alles bei äußerst knappem Budget umzusetzen, ist keine leichte Herausforderung.

„Fehler machen ist erlaubt“ Dabei steht die Ausbildung immer ganz klar im Vordergrund: „Fehler machen ist erlaubt“, lautet das Credo des Senders. Das gilt natürlich zum einen für die Studenten, zum anderen aber auch gerade für die Bürger, die sich mit an dem Programm beteiligen sollen: jedes Format, das von den Zuschauern und Nicht-Studenten eingereicht wird, soll ausgestrahlt werden. Dabei kommen tolle Formate zusammen, etwa das Senioren-Magazin „Seniorama“ oder „queerblick“, ein Magazin für junge Homosexuelle. Dass der Sender besonders volksnah ist, hat er schon gezeigt, schließlich kommt sein Name von den Zuschauern, die in einem Wettbewerb dazu aufgerufen waren, Vorschläge einzusenden, der sperrige ursprüngliche Arbeitstitel TV-Lernsender.NRW war auf Dauer kein tragbarer Zustand. Die Aktion hat gleichzeitig bewiesen, dass der Teil der Partizipation genauso wie das Marketing vor allen Dingen auf OnlineWegen gut funktioniert: Facebook, Twitter und die Website sind nicht nur Vertriebs-, sondern direkt auch Distributionskanäle: der Sender kommt zum Zuschauer, nicht mehr umgekehrt. „Und das ist ja unsere große Stärke: wir können im Gegensatz zu unserer Konkurrenz den Mut zum Ex periment wagen“, schließt Malter – und freut sich dabei auf die kommende abwechslungsreiche und spannende Zeit mit seinem Team.

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Heimatkunde

„14 Tage?! Das heißt Zwoche!“ Wie ein neues Wort den Campus der BiTS und bald auch den Duden erobert

Im Gespräch mit dem Chefredakteur von nrwision, Stefan Malter Wieso sind Sie damals mit in das Projekt eingestiegen?

Die Entscheidung damals war sehr leicht zu treffen: ich konnte auf der einen Seite als Chefredakteur praktisch arbeiten, Strategien entwickeln und bei der Programmredaktion mitwirken. Auf der anderen Seite hatte ich die tolle Möglichkeit, meine Erfahrungen als Medientrainer mit einfließen zu lassen. Hier lernen schließlich auch alle Beteiligten.

Was sind für Sie die größten Vorzüge an diesem Projekt?

Einmal natürlich, dass wir die Möglichkeit haben, ganz viel auszuprobieren – wer kann das schon von sich behaupten? Gleichzeitig ist es toll zu sehen, dass die Studenten und Auszubildenden gut zusammen arbeiten und vor allem voneinander lernen. Was den Azubis an journalistischem

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Hintergrund fehlt, bekommen sie von ihren studentischen Kollegen mit, die Azubis zeigen dafür aber auch, wie man mit der Technik richtig umgeht und ein Bild und eine Sendung so macht, dass sie stimmig ist und gut aussieht.

Welche Herausforderungen sind mit nrwision verbunden?

Unsere Aufgabe ist es, den Zuschauer einzubinden, mediale Aufklärung zu leisten und außerdem unsere Studenten und die Bürger praktisch an das Medium heranzuführen. Dabei müssen wir aufpassen, dass wir den Kontakt zu unseren Zuschauern nicht verlieren und wir uns mit ihnen entwickeln. Das ist für jeden Journalisten eine große Herausforderung und für das Team unglaublich wichtig.

Welche Erfolge konnten Sie schon verbuchen?

Im Prinzip ist ja jeder Tag und jedes abgeschlossene Kleinprojekt ein Erfolg. Es tut sicherlich sehr gut, von Harald Schmidt in seiner Sendung erwähnt zu werden oder

zu spüren, wie sich ganz viele Menschen – oft auch aus anderen Bundesländern – für den Sender interessieren. Toll ist es auch, mit dem ganzen Team so Aktionen wie die Farbschlacht zu veranstalten oder groß die Namensverkündung zu inszenieren. Im Prinzip macht jeder Tag mit dem Team Spaß.

Welchen Tipp würden Sie Studenten, die selbst etwas machen wollen, mit auf den Weg geben?

Zeigt Mut zum Experiment, traut euch was. Jeder muss an die Idee glauben und sich mit ihr identifizieren können. Gleichzeitig muss aber eine gewisse Offenheit gegenüber anderen und neuen Ideen herrschen, außerdem ist ein langer Atem Pflicht. Nicht alles funktioniert auf Anhieb, Fehler sind aber auch erlaubt, wenn man aus ihnen lernt. Das gilt nicht nur in einem Lernsender.

Und sehr weit hergeholt ist die Idee nicht. Ein gern genommenes Argument der Zwochen-Befürworter ist, dass der Begriff in anderen Sprachen längst existiert. So hat das Englische beispielsweise die „fortnight“ oder das Italienische die „bisettimanale“. Desweiteren existiert ein entsprechender Begriff im Griechischen, Französischen oder aber

Grafik: Philipp Möhring

„Die Zwoche gibt es eigentlich schon wesentlich länger, als unsere Community bei Facebook“, berichtet Lea Krähahn lächelnd. Lea gehört zusammen mit Philipp Möhring und Maximilian Zeibig zu den treibenden Kräften der Initiative und moderiert online das „ZwochenMagazin“, welches fester Bestandteil der Kommunikation rund um die Zwoche ist. „Wir haben den Begriff bereits Ende letzten Jahres bei einer Partie Scrabble erfunden. Seitdem haben wir mit der Idee gespielt, dieses Wort in den Duden zu bringen“, sagt Lea weiter.

Grafik: Philipp Möhring

Jedem, der in den vergangenen Tagen an der BiTS unterwegs war, könnte der Begriff „Zwoche“ inzwischen schon einmal begegnet sein. Die „Zwoche“ beschreibt einen Zeitraum von 14 Tagen und soll, wenn es nach den Initiatoren geht, irgendwann fest im deutschen Sprachgebrauch und damit auch im Duden verankert sein. Doch was verbirgt sich hinter der Initiative?

Zwoche bald auch im Duden?

auch im Spanischen. Warum also auch nicht in der deutschen Sprache?

Marketing-Theorie in die Praxis bringen „Der Versuch hat aber natürlich auch noch einen ganz anderen Aspekt“, meint Philipp Möhring. „Wir testen aus, was nötig ist, um im Social Web mit Kommunikationsmaßnahmen einen gewissen Erfolg verzeichnen zu können. Social Media-Kompetenz wird heutzutage immer wichtiger und dieser Selbstversuch hilft uns Erfahrungen zu sammeln. Zusammen mit

unserem Team, das sich unter anderem um die technische Bearbeitung der Videos kümmert, hoffen wir, bald noch größere Erfolge verzeichnen zu können.“ Das wird wahrscheinlich auch ein Grund sein, warum auch Dozenten die Initiative aktiv

unterstützen. So stellte sich bereits Prof. Dr. Roland Schröder in einer Ausgabe des ZwochenMagazins als Talkgast zur Verfügung und erläuterte die vielseitigen Vorteile der Zwoche im Alltag.

Kooperation mit bekanntem Blogger Für die Zukunft will das ZwochenTeam noch höher hinaus. „Über 250 Fans haben wir in der ersten Zwoche generiert. Das ist schon ganz gut – aber da geht noch mehr“, sagt Maximilian Zeibig. „Wir arbeiten bereits an einer Städtepatenschaft und stehen in Kontakt zu einem sehr bekannten Blogger, der uns eventuell auch noch einen gewaltigen Schritt nach vorne bringen kann. Außerdem soll bald eine eigene Website folgen“. Damit das Projekt Erfolg haben kann, sind die Initiatoren auf viel kreative Unterstützung angewiesen. Unter facebook.de/Zwoche findet man alles rund um das Thema und kann mit einem einzigen Klick helfen, die Zwoche weiter in die Welt zu tragen.

DAVID LUCAS Prof. Dr. Roland Schröder im Gespräch mit der Moderatorin des ZwochenMagazins Lea Krähahn

ISABELL ZILLMER

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Was Menschen alles tun…

von einem Asbestmantel, letztlich selber anzündet. Unfreiwillig verletzt hat Lindemann sich trotz des hohen Risikos bisher auf der Bühne nur selten. Freiwillig dafür umso öfter, da jeder Effekt authentisch wirken soll. So verwarf er die ersten Aufnahmen für das Video zum Song „Rosenrot“ vollständig, die eine Szene beinhaltete, in der er und seine Mitstreiter sich gegenseitig auspeitschen. Die Geißelung war offensichtlich nur gespielt- ein Fall für Dr. Grusel Lindemann, selber die Hand mit der Peitsche anzulegen. Auch für sein letztes Video sah ihm der Spezialeffekt zu sehr eben danach aus. Aus seinem Mund sollte grelles Licht strahlen, was sich durch in den Mund führende Kabel mit kleinen Leuchten einfach hätte umsetzen lassen. Doch Lindemann bevorzugte es, sich Löcher in die Wangen zu bohren und die Kabel dadurch direkt in den Mund zu führen. Ein Grenzgänger aus Leidenschaft.

… für ein bisschen Schönheit

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dafür muss man gerade mal nach Düsseldorf. Hier werden Treter und Latschen zu zierlichen, grazilen Schreitern. Die Zehenknochen werden durchgesägt und je nach Wunsch der Größe, dann so viel Knochen entfernt, dass die Füße in den Schuh passen. Durch einen Draht werden die beiden Knochenteile anschließend wieder miteinander verbunden, damit die Zehenknochen auch wieder gerade zusammenwachsen können. Ob Minizehen an Klumpfüßen jetzt besser aussehen, bleibt jedem selbst überlassen. Trotzdem: von Größe 40, auf 38 in ein paar Stunden – wer die Schuhe nicht umtauschen will , für den erschließen sich so definitiv neue Möglichkeiten.

… für ihren SCHARFsinn Harte Nerven und ein heißen Körper – In Wanne-Eickel gibt es die schärfste Currywurst der Welt. Von einem geschmacklichen Erguss kann hier kaum noch die Rede sein. Bei einem Test gegen den eigenen Körper kann die Currywurst in zehn verschiedenen Schärfegraden verzerrt werden, wobei vor allem zwischen „echt scharf“, „gnadenlos scharf“ und Gesundheitsgefahr unterschieden wird. Mutige mampfen

beim jährlichen Wettbewerb um den Titel schärfste Frau, bzw. schärfster Mann der Welt. Der Körper wird auf eine heiße Probe gestellt und dabei ständig mit einem Bluthochdruckmessgerät kontrolliert. Die Teufelswurst ist auf jeden Fall nicht zu unter

Körper hielten dem Hitzeschuss nicht stand und kollabierten. Das Wettessen zwischen Adrenalin-Kick und Rettungswagen sollte in keinem Fall unterschätzt werden – es ist immer ein Spiel mit dem Feuer.

… für die ultimative Show

Auf jeden Fall mit Vorsicht zu genießen: Die Currywurst aus Wanne-Eickel.

schätzen. Der schärfe verursachende Stoff Capsaicin reizt die Schleimhäute und löst Schmerzempfinden aus. Nach Expertenmeinung können die enormen Schärfegrade sogar einzelne Geschmacksknospen auf der Zunge zerstören. Die Wucht der Chilischote bekamen 2007 auch zwei Teilnehmer des Schärfe-Wettessens zu spüren. Die

Wer in Deutschland „Grenzgänger“ sagt, muss auch Rammstein sagen. Ihre Texte sind kontrovers, egal ob sich das lyrische Ich in die Rolle des Kannibalen von Rotenburg versetzt oder das Drama um Josef Fritzl vertont. Ihr martialisches Image wird von den Fans geliebt und von vielen als „Naziästhetik“ abgestempelt und verachtet. Ihre Videos sorgen immer für Gesprächsstoff- das Video zur ersten Single des aktuellen Albums „Liebe ist für alle da“ veröffentlichten sie online in einem Erotikportal und schockten die Nation mit einem waschechten Pornofim. Ob man das Sextett aus Berlin nun als geniale Künstler oder Bringer des moralischen Verfalls sieht: Ihren Ruf als Profi-Provokateure haben sie sich hart erarbeitet. Und um den RammsteinJüngern zu bieten, was sie erwarten, ist sich Sänger und Mastermind Till Lindemann für Nichts zu schade. Der

… für den Herrn

48-Jährige muss nämlich nicht nur extremen Druck der Medien in Kauf nehmen sondern hat auch eine persönliche Leidenschaft für das Spiel mit dem Feuer. Dies ist teilweise sogar wörtlich zu nehmen, wenn der staatlich geprüfte Bangemacher pro Auftritt LKWLadungen voller Feuerwerkskörper verpulvert, für seine Choreografie akribisch auf die Platzierung der Flammenwerfer achten muss oder sich, geschützt

Die Leidensgeschichte von Jesus Christus ist allgemein bekannt. Über zwei Milliarden Anhänger des christlichen Glaubens sind demütig und dankbar dafür, dass Jesus für sie gestorben istdie wenigsten dürften ihn um seinen qualvollen Tod am Kreuz auf dem Berg Golgata beneiden. Doch es gibt diese Minderheit. Auf den Philipinen lässt sich ein gutes Dutzend Gläubige jedes Jahr pünktlich am Karfreitag ans Kreuz nageln. In mehreren Orten fühlen sie die Passion Christi mit und zwar vor Augen tausender Touristen. Außerdem begleiten mehrere Sanitäter das archaische Spektakel, damit niemand den starken Blutungen oder bösartigen Inferktionen erliegt. Um die Aspekte Risiko um Gesundheit oder letztendlich das eigene Leben sorgen sich die Hardcore-Christen allerdings wenig- es zählt für sie einzig und allein, dem Herrn wirklich nah zu sein. Sie vergessen all ihre „irdischen Sorgen“, bis sie nach einigen Minuten wieder von den Qualen erlöst und vom Kreuz genommen werden. JENNIFER KOHEL Fotos: pixelio

Man sollte meinen die Verstümmelung von Frauen zum Preis eines Schönheitsideals habe die westlichen Länder umgangen. Solche „grausamen“ Traditionen, sind doch heute nicht mehr tragbar – doch die Parallelen sind enorm. In der „zivilisierten“ Welt legen sich Frauen für flache Bäuche, verführerische Lippen und pralle Brüste, gern mal unters Messer – und zahlen auch noch einen Haufen Geld dafür sich die Nase brechen zu lassen oder Fremdkörper einpflanzen zu lassen. Manche von ihnen tun es den Mursi gleich und lassen sie sich für ein Endgeld fotografieren und filmen. Unser Knaller in Sachen Schönheits-Op: Zehen verkleinern. Der Schuh kneift schon wieder? Ständig neue Blasen? Römerzehen? Was nicht passt, wird passend gemacht. Und

Zeichnungen: Simon Albers

„Wer schön sein will, muss leiden“ Die Mursi Frauen in Afrika,lassen sich für ihr Schönheitsideal die Unterlippen aufschneiden, zwei Schneidezähne entfernen und einen Teller in die Lippen setzten. Mit der Zeit werden immer größere Lippenteller eingesetzt, denn je größer, desto schöner – zumindest bei den Mursi. Frauen aus Birma tragen Ringe um den Hals, jedes Jahr kommt einer dazu. Dadurch dehnt sich der Hals auf Giraffen-ähnliche Länge. Würden die Frauen die Ringe abnehmen, würden sie unmittelbar einen Ge nickbruch erleiden.

UND SIMON ALBERS

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en: r e i stud r e s gen n Bes u t Leis e r e um. i uns d u r St h I r fü

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Ausgebrannt.

Foto: Ferry Radix

Zu Gast bei einem Seminar zur Burnout-Prophylaxe

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In einer Gesellschaft, in der es verpönt ist, Schwäche zu zeigen, sind psychische Krankheiten wie Depressionen immer noch ein Tabuthema. Bei einem Burnout-ProphylaxeSeminar wird gerade dies aber mal ganz offen angesprochen. BiTSLicht war bei einem solchen Seminar in Schwerte dabei. Immer wieder muss Veranstalter Dr. Matthias Henzler feststellen, dass Patienten zu spät auf Zeichen ihres Körpers reagieren. „Anfängliche Probleme wie Überforderung im Alltag führen daher nicht selten zu schweren Depressionen“, stellt der Arzt für Allgemeinmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie fest. Das Burnout-Syndrom ist ein Zustand ausgesprochener emotionaler Erschöpfung. Das Seminar richte sich an „Menschen, die das Gefühl haben, auszubrennen“, sagt Henzler. Weitere Anzeichen seien Antriebslosigkeit und das ständige Gefühl der Überforderung.

Männer haben größere Probleme, sich zu öffnen Obwohl das Interesse im Vorfeld groß

schien, haben sich für das erste Seminar lediglich drei Frauen angemeldet. Die Angst, die Krankheit und deren Anzeichen zu akzeptieren und dagegen anzugehen, sei groß. „Und Männer haben oft größere Probleme, sich psychischen Problemen zu öffnen“, erklärt sich der Psychologe die übersichtliche und rein weibliche Teilnehmerliste des ersten Seminars. An vier Samstagen kommen die Teilnehmer für jeweils zwei Stunden in den Räumlichkeiten in der Hüsingstraße zusammen, um ihre Probleme lösungsorientiert anzugehen. „Manchmal vergisst man, auf vorhandene Ressourcen im Körper zurückzugreifen“, weiß Henzler, der versucht, diese Ressourcen wieder zu aktivieren. Des Weiteren sollen die Anwesenden lernen, die Frühwarnzeichen der psychischen Belastung zu erkennen und mit Stresssituationen besser umzugehen.

Arbeitsdichte nicht entscheidend Anfällig für dieses Krankheitsbild sind laut Henzler besonders Personen, die im Berufsleben keine Wertschätzung bekommen: „Es kommt nicht auf die Arbeitsdichte an, sondern auf die Zu-

friedenheit.“ Eine Altersgrenze gebe es für das Burnout-Syndrom nicht, aber häufiger trete es bei Menschen auf, die mitten im Leben stehen „und dann feststellen, dass die Anforderungen über ihre Belastbarkeit hinausgehen.“ Der größte Schritt sei es, sich einzugestehen, dass man überhaupt Probleme habe, meint eine Teilnehmerin des Seminars. Die 43-Jährige ist diesen Schritt gegangen und hofft nun, mit Hilfe von Dr. Matthias Henzler „den Alltag wieder mit positiver Sichtweise angehen zu können und nicht alles mit einem negativen Touch zu belegen.“ Die Büroangestellte nahm ihre Beschwerden erstmals im Herbst letzten Jahres wahr. Vorher habe auch sie die Körpersignale, wie „Erschöpfung und Hang zur Depression“, ignoriert. Nun warte sie, wie viele andere auch, seit über sechs Monaten auf einen dringend benötigten Therapieplatz. Da diese schwer zu bekommen sind, freut sie sich über die Möglichkeit, am Seminar von Dr. Henzler teilzunehmen. Dieser ist sich sicher, für zukünftige Seminare mehr Teilnehmer gewinnen zu können. Zu verbreitet sei das Burnout-Syndrom heutzutage. FERRY R ADIX

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„Regeln brechen gehört dazu“ Weltreporter Dennis Gastmann über Begegnungen mit Gurus, Nazis und falschen Taxifahrern

Oft frage ich einfach nur „Warum?“. Wenn man seine Fragen nicht verquast, sondern einfach, offen und schonungslos ehrlich stellt, passiert etwas Wunderbares: Die guten Menschen reden ganz frei, die Bösen sagen plötzlich die Wahrheit. Das hat manchmal etwas Therapeutisches wie bei einer Frage an den Sohn eines SS-Kriegsverbrechers in Bariloche, Argentinien: „Haben Sie sich je für Ihren Vater geschämt?“ „Ich gehe dorthin, wo Korrespondenten selten vorstoßen“ BiTSLicht: Bei Ihrem Trip in die USA haben Sie den Vorsitzenden des Ku-Klux-Klans gefragt, ob er eigentlich schwarze Freunde habe. Wie hat er reagiert?

BiTSLicht: Herr Gastmann, Sie reisen seit zwei Jahren fast ununterbrochen für die gleichnamige NDR-Reihe „Mit 80.000 Fragen um die Welt“. Wann wurden Sie auf Ihren Reisen zuletzt über Ihre Grenzen geführt? Dennis Gastmann: Auf meiner Indien-Reise im Frühjahr. Die Frage war „Wie wird man Guru?“ und führte mich in einen Ashram am Fuße des Himalayas, in dem ich tagelang gebetet, gefastet und über den Sinn des Lebens philosophiert habe: Kein Alkohol, kein Fleisch, kein Fernsehen, keine Matratze und ein denkwürdiges Bad im eiskalten Gangeswasser.

stische Distanz über Bord, begibt sich gnadenlos subjektiv mitten in die Situation, reitet auf Elefanten und kämpft mit einem Stier. In Interviews geht er dahin, wo es weh tut. Er muss sich dafür nicht schämen. „Dennis Gastmann“ denkt sich hinterher manchmal: „Oje, was hat der Dennis denn heute wieder angestellt?“ Klingt das schizophren? BiTSLicht: Dennis‘ Markenzeichen sind naive Fragen und ein kindlich-

neugieriges Verhalten. Welchen Effekt hat das auf seine Gesprächspartner? Dennis Gastmann: Ich würde sagen, es sind die richtigen Fragen. Ich bin Meinungsjournalist, ich will in den Interviews keine Zahlen und Daten hören, sondern lachen, weinen, abstrahieren, philosophieren, manchmal auch provozieren und so einen kleinen Eindruck von der Gesinnung und den Gefühlen der Menschen bekommen.

Dennis Gastmann: Ich hatte erwartet, dass er lügt und große Sympathien gegenüber Schwarzen bekundet. Stattdessen hielt er mir einen kleinen Vortrag: Er stritt vehement ab, schwarze Freunde zu haben: „I never felt the need to have black friends!!“ Dabei wirkte er irgendwie angeekelt und seine Stimme bebte immer lauter. Das sagte eine Menge aus. BiTSLicht: Sie beantworten als NDR-„Weltreporter“ auf Ihren Reisen Zuschauerfragen. Wie werden die ausgewählt? Dennis Gastmann: Ganz spießig. Wir setzen uns bei Kaffee und Keksen in der Redaktion zusammen und diskutieren. Die „Weltbilder“ favorisieren Fragen, die mich in abgelegene Gebiete führen.

Dennis Gastmann: Dennis ist eine Rolle, die es mir ermöglicht, unglaublich mutig zu sein. Wenn ich meine grüne Jacke trage und den seltsamen Burberry-Koffer in der Hand halte, dann bin ich nicht mehr Dennis Gastmann, sondern „Dennis“. Und der steht zu hundert Prozent unter dem Fokus seiner Mission. Er wirft alle journali-

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Fotos: freeeye.tv

BiTSLicht: Unser Heft steht unter dem Titel „Grenzgänger – Wir sehen uns auf der anderen Seite“. Ist die Kunstfigur „Dennis“, die in Ihren Reportagen auftritt, ein mutiger Typ?

Dorthin, wo die Korrespondenten der ARD nicht so häufig vorstoßen. Außerdem sollte eine Frage möglichst tiefsinnig daher kommen: „Wie schön ist Panama?“, „Kommen Adam und Eva aus Afrika?“, „Was ist der Amerikanische Traum?“ oder „Wie voll sind tausend Russen?“. BiTSLicht: Gibt es da Einsendungen, die sogar Ihnen zu weit gehen und die Sie ablehnen? Dennis Gastmann: Bei „Wo ist Osama bin Laden?“ habe ich mein Veto eingelegt. „Wie reitet man einen Wal?“ oder „Wie kämpft man gegen einen Hai?“ gehören auch nicht zu meinen Favoriten. BiTSLicht: Wenn Sie selber die Möglichkeit hätten: Welche Frage würden Sie sich selbst mit auf den Weg geben? Dennis Gastmann: Ich trage ständig eine mit mir herum: „Wie lange muss man eigentlich reisen, um anzukommen?“ „Zwischen Nord- und Südkorea hat der Kalte Krieg überlebt“ BiTSLicht: Erzählen Sie etwas über Ihre Reisen: Welche Reportage hat besonders viel Spaß gemacht? Dennis Gastmann: Tja, die Weltbilder-Zuschauer scheinen eine sadistische Ader zu haben. Sie schicken mich gerne an böse Orte, etwa nach „Prison City“ („Wie stirbt es sich in Texas?“) oder in die Slums von Nairobi („Wo ist der schwarze Kontinent am schwärzesten?“). Eine seltsame Mischung aus Spaß und Furcht habe ich bizarrerweise im Grenzstreifen zwischen Nord- und Südkorea erlebt. Einerseits ist es erschreckend zu sehen, wie sich Soldaten des eigentlich selben Volkes stumm gegenüberstehen – der Kalte Krieg hat überlebt. Andererseits entstanden immer wieder unfreiwillig komische Momente, wenn sich die Militärs zu ernst nahmen. Reisen Sie doch selber mal dorthin und fragen Sie nach Sergeant Meisenheimer. Dann wissen Sie, was ich meine. Eine echte Grenzerfahrung. BiTSLicht: Was war Ihre bislang heikelste Tour? Dennis Gastmann: Ich würde nie wieder zu einem falschen Taxifahrer ins

Auto steigen wie in Buenos Aires, nie wieder Wodka und Bier mischen wie in Moskau und niemals wieder gegen eine Kuh kämpfen. Die Frage war „Warum wird man Torero?“ und ein professioneller Matador aus Sevilla versuchte, mir die Antwort möglichst plastisch zu geben: „Du wirst fühlen, wie Dein Herz rast, wie Deine Kehle austrocknet und den Wunsch verspüren, im Kampf zu sterben.“ Danach drückte er mir ein Torero-Tuch in die Hand und ließ eine pechschwarze, andalusische Chica auf mich los. Die kleine Kuh preschte auf mich zu und ich hielt das Tuch schützend vor mich. Dumme Idee. BiTSLicht: Wie lange sind Sie Jahr für Jahr auf Reisen? Dennis Gastmann: In den vergangenen zwei Jahren jeweils fünf Monate. Bisher habe ich in 30 Ländern etwa 45 Fragen beantwortet. Wenn ich in diesem Tempo alle 80.000 Missionen bestehen möchte, brauche ich bei gleichem Tempo noch etwa 3.800 Jahre. Nun ja. BiTSLicht: Können Sie sich da einen normalen Strandurlaub überhaupt vorstellen? Brauchen Sie im privaten Urlaub ebenso viel Action wie als Reporter? Dennis Gastmann: Ich habe seit Jahren keinen Urlaub mehr gemacht, brauche aber dringend welchen. Wenn es dazu kommt, möchte ich so wenig erleben wie möglich. Kein Scherz: Ich muss einfach mal abschalten. „Madagaskar ist ein magischer Ort – so bedroht er auch ist“ BiTSLicht: Sie sind nur mit einem Kameramann zusammen unterwegs. Wie kann man es vermeiden, dass man sich nach einer gewissen Zeit nicht mehr sehen kann? Dennis Gastmann: Man reist mit guten Freunden. Meine Kamera-Gurus Matthias Sdun und Thomas Hipp – die beiden wechseln sich ab – sind unglaublich talentierte, witzige und ehrliche Menschen. Das meine ich ausnahmsweise nicht ironisch: Wir haben uns noch nie gestritten. BiTSLicht: Welches Equipment braucht man, um wirklich überall überleben zu können?

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Dennis Gastmann: Ich reise niemals ohne meinen Glücksbringer: Einen kleinen Mädchenkoffer mit falschem Burberry auf der einen und PlastikKrokodilleder auf der anderen Seite. Der begleitet mich seit zweieinhalb Jahren. Die Zuschauer glauben, meine 80.000 Fragen seien in dem Ding. Ich verrate aber nicht, was wirklich darin ist. Ansonsten habe ich das Übliche dabei: Ohrstöpsel, Steckdosenadapter, Desinfektionsmittel und meinen gesunden Menschenverstand. BiTSLicht: Sie bezeichnen sich als „Weltreporter“. Da liegt der Vergleich mit Peter Scholl-Latour, wie ihn das Online-Magazin ViSdP.de bereits gezogen hat, natürlich nahe. Was unterscheidet Dennis Gastmann von Peter Scholl-Latour?

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Dennis Gastmann: Sicher, Madagaskar ist ein magischer Ort – so bedroht die Insel durch Misswirtschaft, Sextouristen und Korruption auch ist, der Präsident ist ein 36-jähriger DJ. Die Madagassen pflegen einen bizarren Totenkult, die Famadihana. Alle paar Jahre buddelt man auf Geheiß des Dorfschamanen die Reste von Oma, Uroma oder Ururoma wieder aus, wickelt sie in Tücher und tanzt – schwer alkoholisiert – mit den Gebeinen seiner Vorfahren durch die Straßen. Die Frage war „Wer liegt vor Madagaskar?“ Antwort: Eine äußerst unsichere Zukunft – gerade ist auf der Insel mal wieder die Pest ausgebrochen… „Ich stehe den Bösewichten dieser Erde direkt gegenüber“

Dennis Gastmann: Die Zeitschrift nannte mich den „Peter Scholl-Latour der Generation Twitter“. Der Vergleich hinkt: Scholl-Latour ist ein Wissender, ich bin ein Fragender.

BiTSLicht: Ihre Fernsehkarriere hat bei der NDR-Satiresendung „Extra 3“ begonnen, jetzt sind Sie „Weltreporter“. In welchem Job muss man öfter Grenzen überschreiten? Und welches ist der leichtere Job?

BiTSLicht: Wenn Sie heute auf Ihre Reisen zurückblicken: Gilt Ihre Aussage noch, dass Madagaskar für Sie persönlich das schönste Reiseziel war? Was haben Sie dort erlebt?

Dennis Gastmann: Beide Jobs tanzen auf der Rasierklinge, Grenzen überschreiten und Regeln brechen gehört zum Geschäft. Ich bin Satiriker geworden, weil ich Kritik äußern, etwas

bewegen, Missstände beseitigen wollte. Bei „extra3“ konnte ich mich dabei manchmal hinter Studiokulissen und Archivmaterial verstecken, in meinem jetzigen Job geht das nicht. Heute stehe ich den Bösewichten dieser Erde direkt gegenüber – ich habe Interviews mit Henkern, Hexendoktoren und Holocaustleugnern geführt. BiTSLicht: Kennen Sie Ihr nächstes Reiseziel schon? Dennis Gastmann: Es geht wieder in die USA – vielleicht wird‘s diesmal ein Roadmovie. „Wie begrenzt sind die unbegrenzten Möglichkeiten?“ Oder so. THORSTEN STREBER

Der Weltreporter Dennis Gastmann, 33, ist Reporter beim NDR-Magazin Weltbilder. Seit etwas mehr als zwei Jahren dreht er auf allen Kontinenten Reportagen, mit denen er möglichst kreative oder kuriose Zuschauerfragen beantwortet. „Vielleicht war das die Idee meines Lebens“, so Gastmann im Gespräch mit BiTSLicht. Seine Fernsehkarriere begann er 2005 bei der Satiresendung Extra 3. 2009 wechselte er als „Weltreporter“ zu den Weltbildern. Für die Reportage-Reihe „Mit 80.000 Fragen um die Welt“ erhielt er 2010 den Axel-Springer-Preis für junge Journalisten und wurde für den Grimme-Preis nominiert. Im März 2011 erschien das gleichnamige Buch zur Reihe: Mit 80.000 Fragen um die Welt (Rowohlt, 16,95 €).

*Für Schüler, Auszubildende, Studenten, Grundwehr- und Zivildienstleistende.

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Leistung aus Leidenschaft. BiTSLicht 17

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Über die Grenzen und wieder zurück?

Die gemeinsame Währung steht auf wackeligen Beinen, doch Deutschland hält an dem Euro fest Viele betiteln den Euro als „Teuro“ – sind unzufrieden mit der Situation, den Preisen und sträuben sich gegen die Finanzstützen für Griechenland, Irland und Portugal. Ein Blick hinter die Kulissen des verteufelten Preistreibers zeigt aber: Deutschland ist auf den Euro angewiesen. Am 1. Januar 2002 lief gefühlt jeder mit den kleinen Beutelchen glänzender neuer Geldmünzen herum, die an Spielgeld erinnerten. Gegen 20 Deutsche Mark bekam man an den Banken und Sparkassen das sogenannte „Starter-Kit“: Ein kleines Säckchen mit 10,23 Euro. Die neue Währung wurde neugierig beäugt, gedreht und gewendet und dann direkt im nächsten Laden ausprobiert, egal ob man nun gerade brauchte, was es dort zu kaufen gab. Der Euro fand seinen Platz in der Geldbörse - und viele würden ihn von dort jetzt gerne wieder verbannen. Das Thema Euro erhitzt die Gemüter und die Debatte um die gemeinsame Währung wird sich in absehbarer Zeit vermutlich auch nicht legen.

Das Für und Wider

„Das ist ein historischer Tag, deswegen, weil sich hier für jedermann zum Anfassen zeigt, was europäische Einigung ist und dass dies das große Wohlstands- und Friedensprojekt für das 21. Jahrhundert hier für uns Europäer ist.“ Mit diesen Worten resümierte der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel die Einführung des Euros in Deutschland. Mittlerweile führen ihn siebzehn Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Tendenz steigend. Er bietet uns finanzielle Stabilität auf internationaler Ebene und der Euro hat uns vor allem den freien Warenverkehr und das Reisen erleichtert. Statt lästigem Währungstausch und

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Problemen bei der Umrechnung verschiedener Währungen, bewegen sich Euro-Mitglieder in den EU-Staaten so frei, als wären sie im eigenen Land. Auch die Preise können verglichen werden, ohne Wechselkurse im Blick haben zu müssen. Zudem soll der Euro die Mitgliedsstaaten aneinander annähern und die Identifikation mit Europa fördern. Aber natürlich

...ist auch nicht immer alles Geld, was glänzt. Die Einführung des Euros wurde bereits zu Beginn von vielen Finanzexperten, wie Prof. Dr. Wilhelm Hankel, scharf kritisiert. In einem offenen Brief an die Bundesregierung schreibt er: „Mit der Wegnahme der D-Mark hat der frühere Bundeskanzler Kohl den Deutschen ihre Identität geraubt und ihre große geschichtliche Leistung annulliert. Er konnte das nur, weil das Recht des Volkes auf seine Währung nicht in unserer Verfassung steht und er den Übergang zur Euro-Währung mit Versprechungen rechtfertigte, bei denen von Beginn an feststand, dass weder er noch seine Nachfolger sie würden einlösen können: Der Euro würde die Einheit Europas befördern, ein Wirtschaftswunder auslösen, Europas Stellung in der Weltwirtschaft stärken – und dennoch so stabil sein und bleiben wie die Deutsche Mark.“ Bereits ein Jahr nach der Einführung des Euros, hatte der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank Wim Duisenberg gegenüber der belgischen Zeitung „De Financieel Economische Tijd“ zugegeben: „Wir haben nur zögernd zur Kenntnis genommen, dass die Umstellung in gewissem Maße preissteigernd gewirkt hat.“ Zwar wird der Euro oft mit Preissteigerung in Verbindung gebracht, doch in diesem Zusammenhang hinkt vor allem der Vergleich mit der „guten, alten Deutschen Mark“. Dass auch diese von der Inflation betroffen

gewesen wäre und sich die Preise in den letzten zehn Jahren dem Markt angeglichen hätten, wird schnell vergessen. Denn unterm Strich sei die Inflation seit dem Euro geringer als zu D-Mark Zeiten. Problematisch ist, dass gefühlte und tatsächliche Inflation oft weit auseinander gehen. So vergleicht die Bundesregierung in ihrem Magazin zur Europapolitik: „Preise werden unterschiedlich stark wahrgenommen. Exemplarisch ist hier ein Parkhaus, welches seine Gebühren von einer D-Mark auf einen Euro nahezu verdoppelt hat. So ärgerlich ein derartiger Preisanstieg ist, stellt er trotzdem nur einen Bruchteil der Gesamtausgaben eines Haushaltes dar.“ Andere Kosten, wie nahezu konstante Mietpreise, würden wegen ihrer Regelmäßigkeit nicht bewusst wahrgenommen werden. Doch nicht nur die durch die gefühlte Inflation bedingte Preissteigerung reizt die Stimmung. Um die finanzielle Stabilität der Währung zu gewährleisten, muss Ländern wie Griechenland, Irland und Portugal unter die Arme gegriffen werden. Griechenland muss mittlerweile seinen Status als Eintagsfliege aufgeben und entpuppt sich als Stechmücke für die deutschen Steuerzahler. Es ist inzwischen klar: Das Land kann seine Schulden nicht mehr tilgen. Deutschland soll herhalten und dabei jegliche Mitbestimmungsrechte an der monetären Verwaltung aufgeben. Das bringt die deutsche Mehrheit zum Wackeln und die Politiker Frank Schäffler (FDP) und Hermann Otto Solms (FDP) führen die Reihe der Skeptiker an. In einem Focus-Interview erklärte Solms: „Einen Blankoscheck für die Bundesregierung darf es nicht geben. Es geht schließlich um Bürgschaften in der Höhe von bis zu 170 Milliarden Euro, für die deutsche Steuerzahler auch über die nächsten Wahlen hinaus in Haftung genommen werden können.“ Mittlerweile sprechen sich immer mehr Bundestagsabgeordnete gegen die Unterstützung Griechenlands aus, doch die Abschaffung des Euros komme für viele nicht in Frage,

Viele trauern der D-Mark hinterher, wünschen sie sich zurück. Und warum sollen wir jetzt auch noch für die Schulden anderer Länder aufkommen? Was für die Privatperson unverständlich ist, liegt für viele Wirtschaftsexperten auf der Hand. Zwar hat China Deutschland den Titel „Exportweltmeister“ geraubt, trotzdem gehört Deutschland weiterhin zur Spitze. Fast die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts entsteht über den Außenhandel. Dem Statistischen Bundesamt zufolge war Europa auch 2010 der bedeutendste Absatzmarkt für Deutschland. 71,1% des Exportes seien über den europäischen Markt abgewickelt worden. Davon seien deutlich mehr als die Hälfte allein an die Mitgliedsstaaten der Eurozone gegangen. Die Stabilität des Euros gewährleistet, dass sich andere europäische Länder diese Exportgüter überhaupt leisten können. Der Euro ermöglicht dadurch einen gewissen Lebensstandard, den wirtschaftlich schwächere Länder so gar nicht halten könnten. Durch die Auflösung des Euros, steige der Wert der deutschen Währung drastisch an und Währungen wie die Griechenlands, Irlands, Portugals oder auch Spaniens würden ungemein abgewertet werden. Wäre die Prozedur damit abgeschlossen, könnten wir uns in anderen Ländern auf Schnäppchenjagd begeben, da die Preise für uns deutlich unter dem jetzigen Einkaufspreis liegen würden. Die wirtschaftlich schwachen Länder könnten sich allerdings auch keine deutschen Güter mehr leisten. Deutschland würde seine Ware auf dem Handelsmarkt für unerschwingliche Preise anbieten, niemand würde sie einkaufen und der deutsche Export würde erheblich einbrechen. Hier bestimmen Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage nach deutschen Gütern sinkt, das Angebot geht zurück und der Abbau von Arbeitsplätzen ginge nur als eine der vielen Folgen aus der Währungsumstellung hervor. Deutschland verlöre seinen bedeutendsten Absatzmarkt. Der Euro sorgt also erst für unseren derzeitigen Lebensstandard. Die Umschuldung Griechenlands würde

Deutschland nur einen Bruchteil des finanziellen Aufwandes kosten, im Vergleich zur Abschaffung des Euros. Nach Meinung vieler Wirtschaftsexperten könne sich Europa die Umschuldung Griechenlands leisten. Wir haben die Qual der Wahl: Durch die gemeinsame Währung teilen wir ein gemeinsames Schicksal.

Die Frage nach dem „Wie?“ Ob die Einführung des Euros, und damit das gemeinsame Schicksal, die richtige Entscheidung war, wird von vielen Seiten angezweifelt. Schon damals hatte Wirtschaftspolitikerin Renate Ohr ein Manifest gegen den Euro eingereicht. Doch nun haben wir ihn, den Euro. Das Rad der Zeit ist nicht zurückzudrehen, der Euro nicht mehr absetzbar, zumindest nach Meinung des Ökonom Barry Eichengreen. „Ich glaube, der Euro überlebt! Ich habe 2007 untersucht, unter welchen Umständen Länder aus dem Euro zu ihrer alten Währung von der Drachme bis zur D-Mark zurückkehren könnten. Eine nette akademische Überlegung - es ist aber praktisch unmöglich“, erklärt er in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Politik muss sich jetzt viel mehr die Fragen stellen: Wie gehen wir mit der Schuldenkrise um, wie gehen wir es an, wie vermitteln wir es der Öffentlichkeit? Die Frage nach der Umsetzung wirft viele kritische Ansätze und Forderungen auf. Doch ein großes Manko haftet an den Fersen des Euros: Vertrauensverlust. Umschuldung, Finanzhilfen und Grenzkontrollen – wo setzt man jetzt eigentlich die Schranken? Über den Kopf Brüssels hinweg, führt Dänemark die Grenzkontrollen wieder ein. Kap Kapselt sich das Land ab? Auch über Griechenland waren Gerüchte entfacht, das Land wolle austreten. Griechenland selbst hatte dies dementiert. Austrittsgerüchte und -debatten sind jedoch nicht die einzigen Unklarheiten. Anfangs war es nur eine Finanzhilfe an Griechenland, um dem Land wieder auf die Beine zu helfen. Anfangs war es auch Konvergenzkriterium (legt die Bedingungen der EuroEinführung an die Länder fest), dass das jährliche Haushaltsdefizit der EU-Mitglieder maximal drei Prozent

des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen dürfe und die gesamten öffentlichen Schulden nicht mehr als 60 Prozent des BIP überschreiten sollten. Der Euro-Durchschnitt lag 2010 bei sechs Prozent Haushaltsdefizit gegenüber des BIP. Bei Griechenland sind es 10,5 Prozent und Irland übertrifft alle anderen Euro-Länder. Das Land hat ein Haushaltsdefizit von 32,4 Prozent des BIP. Selbst Deutschland überschreitet die Grenze um 0,3 Prozent. Jetzt weiß keiner mehr so wirklich, welche Regeln noch gültig sind. Regeln werden ausgeweitet, umgeformt oder übergangen. Hier wird subventioniert, dort werden, trotz Schengenabkommen, die Grenzkontrollen wieder eingeführt. Finanzminister treffen sich heimlich und die Transparenz der EU-Politik geht völlig unter. Das Defizit an Aufklärung ruft nicht nur bei den Steuerzahlern Vertrauensverlust hervor, auch an den Finanzmärkten sorgt dies für Unsicherheit. Dadurch entfachen wilde Spekulationen und auch die Zinssätze für die Staatsverschuldung der einzelnen Euro-Länder steigen an. Hedgefonds-Manager Karsten Schröder erklärte bei Maybrit Illner: „Mit der Informationspolitik, die betrieben wurde, erreiche ich nicht unbedingt eine Stabilisierung der Märkte.“ Auch Wirtschaftspolitikerin und Euro-Gegnerin Renate Ohr fand: „Man kann die Spekulationen nicht verhindern, indem man die Leute ständig belügt. Wahrheit ist der bessere Weg.“ Eine einheitliche Lösung der Schuldenkrise ist nicht klar abgrenzbar und wird in dieser Form vermutlich auch nie aufgestellt werden können. Die Frage nach der Zukunft des Euros bleibt ungeklärt – eine Rückkehr zu unabhängigen Währungen ist in vielen Ländern aber keine Option. Der irische Wirtschaftsprofessor Colm McCarthy schrieb dazu im „Irish Independent“: „Wenn die Einführung einer weichen Währung eine Zauberformel wäre, dann wäre Simbabwe eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte.“

JENNIFER KOHEL

Fotos: pixelio

Schuldenschatz Euro

denn Deutschland braucht den Euro.

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Seelische Grenzgebiete

Wenn man klein ist, wünscht man sich schnell erwachsen zu werden: Endlich kein Zimmer mehr aufräumen, keine Schule, eigene Wohnung, ein Auto fahren, und endlich alles machen, was man will - was für ein Traum. Erwachsen werden ist aber nicht einfach. Junge Heranwachsende kämpfen häufig mit Fragen, Ängsten und dem eigenen Selbst. Nicht selten führt das zu psychischen Erkrankungen, die oftmals tief mit der eigenen Geschichte verwurzelt sind. Das Bordel i ne - Sy ndrom ist eine dieser Erkrankungen.

und Liebe liegen nahe beieinander. „Irgendwann fing das an. Ich fühlte mich unwohl, wollte nicht mehr in die Schule gehen und hab mich in mein Zimmer zurückgezogen. Nach einiger Zeit hab ich dann angefangen, mich zu ritzen, um mich zu spüren. Ich wusste nicht wohin, wer ich war. Ich glaube man kann das schlecht beschreiben“, sagt Julia. Sie ist 23 Jahre alt und arbeitet als Praktikantin in einem Fair Trade Shop. Mit 14 Jahren kam sie das erste Mal in eine Psychiatrische Klinik. Mit vielen an-

In Deutschland leiden 1,6 Millionen Menschen unter dieser p s yc h i s c hen Störung. Besonders junge Menschen haben mit innerer Zerrissenheit und Orientierungslosigkeit zu kämpfen, die typisch für diese Erkrankung sind. Ein einheitliches Krankheitsbild gibt es nicht. Das Klischee vom sich ritzenden Jugendlichen, der schwarz trägt, trifft also längst nicht immer zu.

Borderline bedeutet Grenzlinie Borderline-Patienten sind extrem in ihrer Art, mit Gefühlen umzugehen: Einerseits haben sie den Wunsch nicht allein zu sein, andererseits haben sie unglaubliche Angst, enttäuscht zu werden. Sie drohen mit Selbstmord, um geliebte Menschen zu halten. Hass

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Borderline-Kranken wurden sexuell missbraucht, wobei in rund der Hälfte der Fälle ein Familienmitglied beteiligt war. Bei Julia war das nicht so. Ihre Familie war eigentlich intakt, erst später fand sie in zahlreichen Gesprächen heraus, dass ihr Verhältnis zur Mutter zu eng war, die Eltern sie zu sehr behütet hatten. Von ihren Mitschülern wurde sie gehänselt, das Arbeitspensum der Schule konnte sie psychisch nicht verkraften. Sie war zu emotional, zu instabil, zog sich dann mehr und mehr zurück.

Zwischen den Gefühlen

deren Jugendlichen sollte sie dort über Gespräche und andere Therapiearten wieder ein Gefühl für sich bekommen. Denn häufig wissen die Borderline-Patienten nicht mehr, wer sie eigentlich sind, was ihre Stärken und Schwächen sind und welche Ziele sie eigentlich verfolgen. Besonders häufig fehlt es an der Grundlage, die beispielsweise durch die Familie mitgegeben wird. Statt Vertrauen erfahren viele oft traumatische Ereignisse wie eine Trennung der Eltern, der Verlust eines geliebten Menschen, verbale oder körperliche Misshandlung oder sexuellen Missbrauch. Bis zu 70 Prozent der

Insgesamt war sie in drei verschiedenen Kliniken. Erstmals wurde sie von ihren Eltern getrennt und obwohl sie ihre Eltern auch vermisste, tat es ihr gut und sie konnte sich auf die Therapie einlassen. „Das Komische ist, dass meine Schwester ganz anders ist. Sie ist total unabhängig, studiert in Lüneburg und ist irgendwie kühl.“ Sie sei das nicht, eher harmoniesüchtig, meint Julia. Die Aggressivität richtete sie dann gegen sich selber. Impulsives Handeln ist hier ausschlaggebend: ein plötzliches Verlangen, sich zu schaden, weil man ist, wie man ist. Das kann durch das Ritzen mit Messern oder Glas geschehen, genauso wie mit Ausreißen von Haaren, Schlucken von giftigen Flüssigkeiten oder Hungern bis zum Zusammenbruch. „Ich

habe lange immer Stulpen um die Handgelenke getragen, damit man die Narben nicht sieht“, sagt Julia, die sich darüber ärgert, dass viele Menschen denken, sie wollte einfach nur Aufmerksamkeit. „Es gibt Menschen, die sich ritzen und das mal ausprobieren. Die wollen Aufmerksamkeit, aber davon bleiben dann keine Narben zurück. Wer Narben hat, der hat auch einiges erlebt.“ Julia hat viel erlebt, vor allem während ihrer Klinikaufenthalte. „Was mir ganz entscheidend geholfen hat, war die therapeutische Wohngemeinschaft. Da habe ich fünf Jahre gelebt, Gespräche geführt und versucht, Struktur in mein Leben zu bekommen.“ Die Schule beendete sie mit vielen Fehlzeiten und einem Hauptschulabschluss. „Ich war zu instabil, um eine Ausbildung anzufangen. Außerdem: Bei so einem Lebenslauf nimmt einen niemand.“ Deswegen vermittelten ihr die Helfer in der Wohngruppe gemeinsam mit dem Sozialamt für junge Erwachsene die Teilnahme an einer Arbeitsmaßnahme. Mittlerweile wurde sie vom Amt als arbeitsfähig eingestuft und verfolgt ihren Wunsch, Einzelhandelskauffrau zu werden. In der WG habe sie viel gelernt, erzählt Julia. Gemeinsam mit anderen psychisch erkrankten Jugendlichen teilte sie sich die Wohnung. Auch mit anderen Borderline-Patienten, die zum Teil ganz andere Symptome aufwiesen: Manche nahmen Drogen, waren

alkoholabhängig, trauten sich nicht aus dem Haus oder schafften es nicht, morgens aufzustehen. Noch vielfältiger sind die Geschichten, die hinter den Erkrankungen stehen.

Die Grenzen definieren „Seit einem halben Jahr wohne ich jetzt nicht mehr in der WG. Ich habe aber natürlich immer noch psychologische Unterstützung. Außerdem nehme ich ja auch Medikamente, damit ich nicht wieder in ein Loch falle.“ Seit letztem Sommer hat Julia auch einen festen Freund. Lange hat sie sich nicht getraut, ihm zu sagen, dass sie Tabletten nimmt und in psychologischer Behandlung ist. „Ich war so verliebt, da hab ich die Medikamente einfach abgesetzt. Aber das ging schief, es ging mir wieder richtig mies. Das war schon eine Enttäuschung.“ Aber ihr Freund hat Verständnis, was Julia einerseits beruhigt und andererseits unter Druck setzt, weil sie ihn nicht verlieren will. „Sobald etwas gut läuft, habe ich Angst, dass es nicht so bleibt. Das ist ein ziemlicher Druck und ich bin häufig unzufrieden mit mir.“ Aber mittlerweile weiß Julia, was sie tun muss, wenn es ihr schlecht geht. Sie verletzt sich nicht mehr selber, sondern redet über Probleme und Ängste. Das Gefühl jedoch, nicht normal zu sein, bleibt. Automatisch habe sie bei

vielen Gleichaltrigen ein Minderwertigkeitsgefühl, sodass sie sich lange Zeit nur mit langärmeligen Pullovern aus dem Haus getraut hat. Aber sie arbeitet an sich: Im Sommer trägt sie endlich wieder T-Shirts und denkt nicht an die Narben. In der therapeutischen WG hat sie Freunde gefunden und kann sich jetzt der nächsten Hürde stellen: Einen normalen Beruf ausüben und genauso belastbar sein wie die Kollegen. „Im Moment habe ich Angst, dass ich das nicht packe. Das Praktikum läuft gut und sie würden mich als Auszubildende übernehmen. Aber acht Stunden arbeiten, gleichzeitig den Haushalt schmeißen, sich um Freunde kümmern und auch noch die Gespräche mit den Ärzten - das geht schon an meine Grenzen“, glaubt Julia. Aber sie kann stolz auf sich sein, dass sie den Weg gegangen ist und sich den Problemen gestellt hat. Das tun und können längst nicht alle psychisch kranken Menschen: Lebenslange Selbstqual, Suizidgedanken oder das Gefühl von Versagen können die Folge sein. Eine Therapie ist langwierig und häufig sehr anstrengend und schwierig. Aber oftmals ist sie erfolgreich, sodass der Patient mit den Schwächen und Ängsten umgehen kann. Eine vollkommene Heilung ist jedoch eher unwahrscheinlich. „Ich kenne mich, glaube ich, ziemlich gut“, sagt Julia. Trotzdem gebe es solche und solche Momente. „Viele meiner Bekannten erleben Rückfälle und es ist schon schwierig, sich abzugrenzen und immer weiter zu machen.“

Fotos: pixelio

Zwischen Liebe und Hass

MYRIAM APKE

1,6 Millionen Borderline-Kranke in Deutschland. Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, Stimmung und Selbstbild gekennzeichnet ist. Borderline (eng) bedeutet auf deutsch Grenzlinie bzw. grenzwertig. Man geht davon aus, dass immer mehr Menschen, besonders Jugendliche, an einer Borderline-Erkrankung leiden werden. Weitere Informationen unter: www.borderline-borderliner.de

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Grenzen, die es in sich haben

..mit einem krassen Anmachspruch versuchen bei dem anderen (oder auch selben) Geschlecht zu landen - Ein Beispiel für diese Situation wäre: „Ciao Bella, mein Name ist Francesco. Du solltest ihn Dir gut merken, denn du wirst ihn später laut ausschreien“ oder auch „Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick? Oder soll ich lieber nochmal reinkommen?“

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…einen FKK-Strand besuchen und sein schamgefühl überwinden! …und wenn es das Letzte ist was Ihr tut: Fallschirmspringen - Steige in ein Luftfahrzeug und spring mit einer Geschwindigkeit von ca. 200 km/h dem Erdboden entgegen.

...so viel Alkohol zu sich nehmen bis einen am nächsten Tag nichts anderes mehr erwartet als einen Filmriss! Denn dann wirst du überrascht sein, wie viele neue „Freunde“ der Abend für Dich mitgebracht hat.

...bei einem Marathon mitlaufen bis der eigene Körper schwächelt und du Dich so sehr nach einem Glas Wasser sehnst, wie es in der Sahara von nöten ist.

Fotos: Daniel Hohmeyer

…,,in den Seilen hängen“ - Kletter hoch hinaus in 16 meter hohe Baumkronen und schwinge mit einer Seilbahn durch den Wald wie Tarzan es im Dschungel vormachte ! Das „BiTSLicht-Team“ in Gefahr weiss wovon es spricht.

Einmal im Leben sollte man...

...nachts in ein Freibad gehen und ins kühle Nass springen bis einen grelle Leuchten anstrahlen.

...mit dem Tier seiner Angst kuscheln, ob Spinne, Schlange oder Ratte schließt es einfach tief in die Arme! 28

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...in eine düsseldorfer Kneipe gehen und ein Kölsch bestellen!

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Zeichnungen: Simon Albers

…seine mühsam lang gewachsenen Haare rappelkurz schneiden, was besonders für das weibliche Geschlecht eine Herausforderung sein sollte!

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Warum wir uns gerne erschrecken Das Empfinden von Aufregung ist tief verankert, auch beim modernen Menschen.

Seit dem Beginn der Säugetier-Evolution, aus der schließlich der Mensch hervorging, war Angst und Gefahr ein ständiger Begleiter. Furcht war überlebenswichtig, leichtsinnige und unbekümmerte Arten wurden leichter zu Beute, als vorsichtige und scheue. Die Angst manifestierte sich also schon in einer sehr frühen Entwicklungsstufe, und die Fähigkeit sie zu empfinden, ist etwas, das alle intelligenten Lebensformen gemeinsam haben, da es unadingbar für das Überleben ist. Kommt es zu einer Angstreaktion oder ist man aufgeregt, steigt der Puls, mehr Blut wird durch den Körper gepumpt, um notfalls schneller reagieren zu können. Als Nächstes werden die Hormone Adrenalin und Endorphin ausgeschüttet, um die Sinne zu schärfen und den Körper auf eventuelle Schmerzen vorzubereiten. Wurde ein Neandertaler beispielsweise während der Jagd von einem Mammut verletzt, nahm er so den Schmerz nur gemindert wahr, wodurch eine Flucht erleichtert wurde. Der Körper versucht sich in diesem ersten Schritt also selbst zu schützen und die besten Überlebenschancen zu bieten. Nach überwundener Gefahr wird im zweiten Schritt der Puls wieder gesenkt und Dopamin ausgeschüttet. Dies ruft eine rauschähnliche Reaktion hervor und ein Hochgefühl stellt sich ein, das von Mensch zu Mensch unterschiedlich lang anhält. In der modernen Gesellschaft ist es vor allem dieser zweite Schritt, der eine große Rolle bei unserem Spaß an der Angst spielt. Denn Angst als solche wird von den meisten Menschen nicht als angenehm empfunden. Aufregung jedoch schon. Das Leben eines modernen Menschen bietet nur wenige „Extremsituationen“, in denen diese Art der Aufregung

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Foto: pixelio

Es mag paradox klingen, aber Angst und Aufregung sind wesentliche Bestandteile unseres Lebens, die wir, sofern sie nicht immer auftreten, zum Spaß selbst hervorrufen. Dabei ist es egal, ob man sich einen Horrorfilm anschaut oder Achterbahn fährt. Es ist dieser gewisse Nervenkitzel, den wir offensichtlich brauchen.

Spaß an der Aufregung: Nirgendwo deutlicher als beim Achterbahnfahren

stattfindet. Deshalb versuchen viele, sie künstlich zu erzeugen. Wir neigen dazu, ganz unterbewusst gewisse Risiken einzugehen. Zum einen, da es instinktiv zum Leben dazu gehört, zum anderen, um den Dopamin-Rausch und das damit verbundene Glücksgefühl zu bekommen.

Achterbahn der Gefühle Ein gutes Beispiel hierfür sind der Einund Ausgang einer Achterbahn. Sehen die in der Eingangsschlange stehenden Besucher nervös, angespannt und aufgeregt aus, so sind die aus dem Ausgang kommenden einfach nur glücklich. Es ist also im wahrsten Sinne des Wortes eine „Achterbahn der Gefühle“, die am Ende zu dieser Glücksreaktion führt. Das Empfinden von Angst und Aufregung ist jedoch individuell unterschiedlich. Für manche ist eine Achterbahnfahrt ein Riesenspaß, andere wiederrum empfinden sie als furchtbar und haben Todesangst. An Stelle von Dopamin schüttet der Körper dann Serotonin aus, was je nach Menge sogar zu vollkommener Reglosigkeit führen kann. Am besten zu beobachten ist dies bei Rehen, die im Scheinwerferlicht zu erstarren scheinen. Jeder Mensch hat also eine persönliche Grenze, an der sich positive Aufregung

in Angst wandelt und dies als äußerst unangenehm empfunden wird.

Die Mischung macht‘s So gibt es auch Menschen, die, um den gewöhnlichen „Kick“ einer Achterbahnfahrt zu bekommen, vergleichsweise enorme Risiken eingehen. Zu ihnen gehören beispielsweise Basejumper, die eine höhere persönliche Grenze als die meisten Menschen haben. Nur Wenige sind in der Lage, derart intensiv mit Angst konfrontiert zu werden. Die Mehrheit hat tatsächlich eine gesunde Mischung, was ihr Angstempfinden angeht. Das kommt daher, dass zu ängstliche Menschen in der Steinzeit ihre Höhle überhaupt nicht verlassen hätten und zu furchtlose Menschen leichter gestorben wären. Im Verlauf der Evolution hat sich eine Mischung der beiden Extreme als die Kombination mit den besten Überlebenschancen herausgestellt. Nichtsdestotrotz ist das Empfinden von Angst ein wichtiger Teil unseres Lebens, und da wir nicht mehr auf der Suche nach Nahrung durch die Savannen Afrikas streifen, und unser Alltag nur noch wenig Gefahr bietet, ist es hin und wieder ein Spaß, uns selbst zu erschrecken. DANIEL HOHMEYER

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Zedern im Feuer „Yes Mr. Coward, this is Antiqua“ – mit diesem Gruß empfing mich ein älterer Mann in einem kleinen Fischerdorf südlich von Beirut im kriegsgeplagten Libanon. Doch der Reihe nach... Es war Sonntag, der 10. April 2011, und die erste frühsommerliche Hitze lag über Istanbul, in Libyen herrschte Krieg und in Syrien rollten die ersten Panzer des Assad-Regimes, um die Revolution im Keim zu ersticken. An diesem Tag traten mein Freund Alper und ich unsere Reise in den Nahen Osten an, dem Tor zu einer anderen Welt – der arabischen Welt – die vor ihrem größten Umbruch seit Generationen steht. Als wir in Beirut landeten und zielstrebig auf das Gepäckband zuliefen, kam es unerwartet zu Komplikationen. „Was wollen Sie im Libanon?“, fragte man uns an der Passkontrolle. Während ich antwortete, schoss uns die nächste Frage entgegen: „Wo genau werden Sie wohnen?“ Wir wussten nicht die exakte Adresse, nur einen Treffpunkt an dem uns Freunde empfangen würden. Das Personal sprach kein Englisch. Ein Grenzoffizier wurde herbeigerufen, gab uns aber mit seinem scharfen Befehlston ein ungutes Gefühl. Man obduzierte uns bis ins kleinste Detail.

„Jetzt bloß nicht in die Augen der Polizisten blicken“, dachte ich. Man sprach über uns, wir verstanden kein Wort, erste Leute wurden auf uns aufmerksam. Sollte die Reise enden bevor sie begann? Wir fühlten uns wie Gestrandete. Ewigkeiten später standen wir am Gepäckband und atmeten den Zigarettenrauch der umliegenden Passanten ein. In der arabischen Welt wird der Genuss noch über die gesundheitlichen Risiken gestellt.

Beirut bei Nacht Vor dem Flughafen wartete ein schwarzer Mercedes auf uns. Das Ziel war eine Straßenecke im Herzen Beiruts. Die dunklen Hochhäuser entlang der Straße wirkten nach der ersten Grenzerfahrung wie bedrohliche Schatten. Ich zündete mir eine Zigarette an. Beirut blickt auf eine Jahrtausende alte Geschichte zurück. Sie stand unter der Herrschaft der Phönizier, Römer und Araber. Sie wurde von Kriegen und Naturkatastrophen zerstört, ging jedoch nie völlig zugrunde. Der letzte Libanonkrieg liegt gerade mal fünf Jahre zurück. Bei israelischen Luftangriffen kamen 2006 hunderte Libanesen ums Leben. Der Flughafen und viele Gebäude der Stadt wurden zerstört und bis heute sind die Narben des Krieges ersichtlich. Zwei Freunde brachten uns vom Treffpunkt nach Hamra. Dieser Stadtteil ist das pulsierende Herz der Zweimillionenstadt, doch in dieser Nacht stand es still. Kaum waren unsere Rucksäcke sicher verstaut, zog uns das milde Klima nach draußen. Wir erkundeten die Straßen der Stadt und führten Gespräche mit Einheimischen bis in die frühen Morgenstunden.

Wunden der Vergangenheit So klein die Stadt auf der Karte wirkt, so groß ist die Gefahr der explosiven

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Mischung unvergessener Kriege und unterschiedlichster Weltanschauungen. Die friedliche Koexistenz zwischen den verschiedenen Ethnien und Glaubensgemeinschaften existiert nur oberflächlich. Die Edelkarossen, die Luxushotels am Meer, die glitzernden Fassaden der Modemarken auf der Hamra-Street – all das mag unwissende Touristen darüber hinweg täuschen, auf welch blutige Geschichte das Land zurückblickt. Beirut ist ein Vulkan, dessen Magma aus Gold besteht. Die investierten Dollars mögen die Wunden kaschieren, doch die Menschen, das Lebenselixier dieser Stadt, sind gespalten und wütend. Das große Geld sucht sich sein Glück woanders auf der Welt, denn in Beirut können selbst Milliardenvermögen kein ewiges Leben kaufen, wie der tödliche Anschlag 2005 auf den damaligen Ministerpräsidenten Rafiq al-Hariri beweist.

„The world is Beiruting again“ Wenn die Sonne auf die Stadt prallt und sportive, schöne Menschen die Küste entlang stolzieren, fällt es leicht, diese Schattenseiten zu vergessen. Im Hier und Jetzt fühlte sich Beirut einfach großartig an. Wir genossen unseren ersten Tag bei Sonnenlicht in vollen Zügen und fühlten uns wie Könige, denn gutes Essen und Trinken gab es zu sehr erschwinglichen Preisen. Vor einer der vielen, großen Baustellen direkt an der Küste prangte der stolze Slogan: „The world is Beiruting again“. Für wie lange, weiß niemand. Es heißt, wer im Libanon lebt, sollte stets mit einem Bein außerhalb des Landes sein. An diesen weisen Ratschlag erinnerten die gigantischen Einschusslöcher in einem verlassenen, grauen Betonblock, der zwischen den neu errichteten Luxushotels hervorragte. Gleich dahinter, das schier endlose, im Sonnenlicht funkelnde Meer.

Werbeglanz und Waffengewalt

Fotos: Christoph Grundig

Zwei Freunde reisen von Istanbul in das Herz der arabischen Revolution.

Am zweiten Morgen mieteten wir ein Auto für unseren Erkundungstrip entlang der libanesischen Küste. Für Dienstag standen die nördlichen Städte Tripolis und Baalbek auf dem Plan. Die unzähligen Werbetafeln entlang des Highways in den Vororten Beiruts nahmen einem die Sicht auf die eindrucksvolle Landschaft. Sie propagierten meist den US-amerikanischen Lebensstil, zeigten westliche, bestechend schöne Menschen oder geschönte Produkte. Mit wachsender Entfernung nahm die Zahl der Werbeflächen ab und das Militär dominierte die Schnellstraße. Was in anderen Ländern die Straßenmautposten, sind im Libanon die Militärkontrollen. Alle zehn Kilometer mussten wir abbremsen und an schwer bewaffneten Patrouillen vorbei. Krasser konnte der Kontrast zwischen der Werbewelt und der Alltagsrealität nicht sein. Tripolis lag nun vor uns und ich saß hinter dem Steuer. Vermutlich rissen bei mir in den folgenden Minuten unzählige Nervenstränge, denn der Verkehr erinnerte an die Zustände auf Indiens Straßen. In Tripolis regierte zweifelsohne das Gesetz der längeren Motorhaube und der lautesten Hupe. Blinker? Fehlanzeige! Die Stadt selbst barg eine ganz andere Atmosphäre als Beirut. Konservativ geprägt und in Teilen von der Hisbollah kontrolliert, beschlossen wir die Stadt aus dem Auto heraus zu erkunden. Wir tasteten uns langsam durch die Straßen und nahmen unfreiwillig Umwege in Kauf. Die Blicke der bärtigen Einwohner durchbohrten unsere Wind-

schutzscheibe wie Gewehrkugeln. Selten habe ich mich in Blech auf Rädern so unsicher gefühlt – was nicht an der französischen Automarke lag.

Der versperrte Pass Es gibt viele Momente, in denen das Herz schneller schlägt. Beim Sport, beim ersten Date oder wenn das Militär ausgerechnet dich aus dem Verkehr zieht. Der Soldat an der Grenzkontrolle beugte sich über den Fensterrahmen. Sein markantes Gesicht und die Mündung seines M16 Gewehr ragten in unser Auto. Er stellte Fragen, viele Fragen, die wir mit Gegenfragen beantworteten. Die Taktik ging auf. Nach Minuten rutschte das Herz aus der Hose an seinen rechten Fleck zurück und wir durften weiterfahren. Unser Ziel war das 2000 Meter über dem Meeresspiegel liegende Baalbek. Nach einer Odyssee auf Libanons Straßen erfuhren wir von einem alten Mann, dass der Gebirgspass dorthin zugeschneit und vereist sei. Schnee und Eis im Sommer – mitten im Libanon? Leicht misstrauisch schenkten wir seinen Worten Glauben und trösteten uns darüber hinweg, angesichts unseres begrenzten Zeitkontingents und der entführten Wanderer im Osten des Landes. Wir wollten ungern die Nächsten sein.

Das Meer gehört euch nicht

Die Traumküste Libanons hat einen entscheidenden Nachteil: Sie ist meist in privater Hand. Wenn nicht riesige Fabrikanlagen, brachliegende Plantagen oder Grundstücke den Zugang zum Meer versperrten, führte das Militär dort Schießübungen durch. Wir verzichteten auf ein Sonnenbad neben Munitionslagern und Panzern und fuhren zurück zu unserem sicheren Hafen. In dem Restaurant „Bayrock“ an der Steilküste wollten wir uns von den Strapazen erholen. Der Chefkellner begrüßte uns auf perfektem Deutsch, das er während seiner Zeit in Bonn gelernt hatte. Einer seiner Kellner kam herbei, um die Bestellung aufzunehmen, sah mich an und sprach, als er von meiner Herkunft erfuhr, lautstark den Hitlergruß aus. Wir saßen also mitten in diesem Lokal voller Fremder, erschöpft vom Tag und ich blickte in die grinsende Visage eines Hitlerverehrers. Definitiv eine Grenzerfahrung für Geduld und Verständniskraft.

„Yes Mr. Coward, this is Antiqua!“ Am zweiten Tag entlang Libanons Küste verschlug es uns nach Süden zu den Städten Saida und Sour. Letztere liegt nur wenige Kilometer nördlich der israelischen Grenze, daher sind die Erinnerungen an die israelischen Angriffe besonders frisch. Auf dem Weg dorthin passierten wir von der Hisbollah kontrolliertes Gebiet. Überall Militär und Söldnertruppen, die protestierende Menschenmassen in Schach hielten. Wir fuhren dicht daran vorbei und hielten unsere Kameras versteckt, denn alle paar Kilometer erinnerten Schilder an deren Verbot. In Sour angekommen liefen wir dort durch die friedlichsten Gassen, denen ich mich entsinnen konnte. Kinder spielten Fußball zwischen weißen Steinhäusern, ältere Männer hobelten an handgemachten Stühlen oder bearbeiteten frisches Leder. Es roch angenehm nach orientalischen Gewürzen. Als wir die engen Gassen verließen, strahlte uns die untergehende Sonne am Meereshorizont entgegen. „Yes Mr. Coward, this is Antiqua.“ TEIL 2 „Die Reise nach Syrien“ in der nächsten Ausgabe! CHRISTOPH GRUNDIG

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Wenn Heimatbesuch zum Albtraum wird

Todesangst raubt den Verstand Am nächsten Tag ist es offiziell: Es herrscht Krieg. Die Flucht ist nicht mehr möglich, denn der Flughafen wurde bombardiert. Die Angriffe werden immer lauter, die israelischen Flieger kommen uns bedrohlich nahe. Wir können sie sehen und hören. Keiner traut sich heraus- die Angst, von oben abgeschossen zu werden, ist zu groß. Eingesperrt in der Wohnung, fange ich an zu grübeln. Wie kann ich überleben, wenn die nächste Bombe uns erwischt? Ich finde schnell eine Strategie. Ich setze mich in die Ecke eines Zimmers, nehme mir ein Kissen und halte es mit meinen beiden Händen über den Kopf. Ich wäre geschützt, sollte das Gebäude nach einem Angriff über uns zusammenbrechen. Die Steine können mir nichts anhaben… Ich weiß nicht, wie lange ich an jenem grauen Tag in dieser Ecke hocke. Meine Arme werden

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Fotos: Christoph Grundig /pixelio

Ein lauter Knall, die Erde bebt… Stille. Minuten später dann die Meldung im Fernsehen: Ein israelischer Luftangriff auf den Süden Libanons. Es ist der 12. Juli 2010. Ich befinde mich nur 10 km vom Angriffsort entfernt in meiner Heimatstadt Tyrus. Eine dunkle Atmosphäre zieht sich durch die Stadt. Die sonst lebendigen Straßen sind wie leer gefegt: Kein Hupen der Autos, keine lauten Konversationen, keine spielenden Kinder mehr. Alles ist tot. Meine Mutter versucht mich zu beruhigen: „Ein kleiner Angriff, nichts weiter. Kommt oft vor. “ Doch ich glaube ihr nicht. Ich spüre, dass etwas nicht stimmt. Die Sonne geht langsam unter. Ich spähe aus dem riesigen Fenster unserer Wohnung. Das erste Mal in meinem Leben empfinde ich den Ausblick auf das Meer und den Sonnenuntergang als bedrohlich. Weit im Hintergrund höre ich Explosionen, unsere Wohnung wackelt leicht. Tränen rennen mir die Wangen herunter, es sind Tränen der Angst.

irgendwann taub, doch das stört mich nicht. Mein Leben ist wichtiger. Oma, Opa, Tante und Onkel, meine Mutter, Schwester und ein paar Cousinen. Alle haben sie schon den bitteren Geschmack des Krieges gekostet. Sie erscheinen furchtlos- vielleicht spielen sie die Rolle der starken Helden auch nur. Ihre Unterhaltungen im Nebenraum nehme ich kaum wahr. Ich antworte knapp, wenn jemand mich anspricht. Ich möchte in Ruhe gelassen werden, möchte nicht in meiner Konzentration auf die Entfernung der Luftangriffe gestört werden. Ich fühle mich paralysiert.

Der Tod lauert vor der Tür Ein paar Tage vergehen und das Essen geht langsam aus. Appetit hat inzwischen aber eh keiner mehr. Die Unterhaltungen meiner Mitbewohner haben sich auf das Mindeste reduziert. Alle scheinen sie zu warten- auf den Tod. Die Luft ist dicht mit Wolken aus dunklem Rauch. Wir wissen, es würde nicht mehr lange dauern, bis es uns trifft. Ich will es nicht wahrhaben, dass- mit einem Knall – alles vorbei sein soll. Plötzlich Totenstille. Keine Explosionen mehr, die Erde bebt nicht mehr. Etwa zehn Minuten lang Ruhe. Ich schaue zu meiner Mutter und bringe ein schwaches Lächeln über die trockenen Lippen. In den Nachrichten wurde von einem eventuellen Waffenstilltand berichtet, zu Gunsten von Friedensverhandlungen. Eine Explosion! Riesige Steine lassen das Glas des sich mir gegenüber befindenden Fensters in tausend Stücke zerspringen. Es ist das Haus gegenüber. Ich höre Geschrei, sehe nichts mehr; der dunkle Rauch versperrt mir die Sicht. Ich renne schnell aus der Wohnung heraus, ich weiß nicht warum. Der Rauch blockiert meine Atemwege. Ich sacke auf der Straße zusammen und warte. Sekundenspäter noch eine Explosion, sie kommt irgendwo von links- vielleicht 100 Meter von mir entfernt. Ich rühre mich nicht. Ich weiß nicht wie viel Zeit vergeht, kann nicht glauben, was um mich herum geschieht. Ich bli-

Fotos: Broilers

Wie alles begann…

mehr. Mich packt eine Hand an die Schulter, ich drehe mich leicht um und blicke in die leeren Augen meines Onkels. „Wir sind hier nicht mehr sicher, wir wechseln die Wohnung“. Seine Worte sind unsinnig, soviel verrät mir mein getrübter Verstand noch. Die Flugzeuge schießen ziellos um sich herum. Immer und überall. Wir gehen zurück in die Wohnung. Mein Kissen liegt einsam in der Ecke, es kann mir nicht mehr dienen. Das weiß ich jetzt.

Die Hoffnung stirbt zuletzt Die Nächte sind lang, die Tage auch. Ich will nicht in der Nacht sterben, ich hatte schon immer Angst vor der Dunkelheit. Alles wirkt bedrohlicher, düsterer- der Bombenhagel lauter. Ich eile zum Telefon, möchte mit meinem Vater sprechen, der sich in Deutschland befindet. Ich hoffe, dass die Leitung endlich geht. Nur für eine Minute. Ich möchte mich ver-

abschieden. Auf der anderen Seite des Telefons klingelt es, ich atme kurz auf. Mein Vater geht dran, ich möchte so vieles sagen, doch ich kann nicht. Mein lautes Schluchzen verschluckt meine Worte. Mein Vater spricht: „Ich habe mit der deutschen Botschaft gesprochen. Sie wird euch hier raus bringen. Geht morgen zum UN-Gebäude und von da aus, werdet ihr mit einer Fähre weggebracht“. Die Rettung naht: Nur noch die eine Nacht.

Die Flucht Zu zehnt pferchen wir uns in den alten Mercedes meines Onkels- das Benzin muss bis in die Hauptstadt reichen, alle Tankstellen wurden bereits bombardiert. Opa und Oma bleiben zu Hause, der Rest fährt in die Hauptstadt- dort herrscht kein Krieg. Meine Schwester, Mutter und ich müssen nicht so weit fahren, 15 Minuten vielleicht. Über uns die Kampfflugzeuge. Nicht weit hinter uns ein ohrenbetäubender Knall. Nun

sind wir dran, wir sind das Angriffsziel. Ich umfasse meine Schwester ganz fest und schließe die Augen. Wir leben noch. Ich öffne meine Augen vorsichtig und blicke hinaus auf die Straße. Vor uns vereinzelt ein paar Autos, vermutlich auch auf dem Weg in die Hauptstadt. Wir hoffen, dass die Automenge nicht steigt- allgemein bekannt ist, dass israelische Flieger auf solche Anhäufungen warten, um ihre „Gegner“ effizient zu beseitigen. Wir fahren an zertrümmerten Autos vorbei. Hunde nagen am Fleisch von Menschenkadavern. Den gebäudetiefen Löchern in den bombardierten Straßen versucht mein Onkel durch Ausweichmanövern und Umwegen auszuweichen. Ich sehe die Umrisse des UN-Gebäudes immer näher kommen und weiß, der Albtraum ist vorbei. Ein kurzer letzter Blick ins Auto reicht als Abschied aus. Die restlichen Autoinsassen haben noch einen langen Weg vor sich. Ich hebe die Hand und winke. Ich weiß nicht, ob ich diesen Teil der Familie je wiedersehen werde. LINA ZAR AKET

cke nach vorne, sehe Trümmer und weiß: Meine Nachbarn liegen unter ihrer eigenen Wohnung vergraben. Die zwei kleinen Mädchen, die einst Fangen gespielt haben, waren nicht

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Heilung oder Hokuspokus? Fotos: Inka Kiedrowski /pixelio

Rückführungen - Die etwas andere Art, Probleme zu lösen

Psycho-Coach Andreas Winter versetzt seine Kunden in Trance

Psycho-Coach Andreas Winter versetzt seine Kunden in Trance, um ihre Probleme auf den tatsächlichen Ursprung zurückzuführen. „Ich möchte Ihnen eine kleine Spielerei zeigen, damit Sie wissen, dass etwas möglich ist, das man sonst nicht für möglich hält. Setzen Sie sich bequem hin. Schließen Sie die Augen...“ Ich bin nervös, mein Herz rast und ich fange an zu schwitzen. Was hat Psycho-Coach Andreas Winter mit mir vor? Was werde ich sehen? Ein leichtes Schwindelgefühl stellt sich bei mir ein. Ich habe Angst davor, nicht mehr selbst die Kontrolle über mich zu haben. Aus Neugier lasse ich mich dennoch auf die ruhige Stimme ein. Winter bringt mich dazu, ihm von meinem ersten Schultag zu erzählen. Ich beantworte Fragen zu der Kleidung meiner Klassenlehrerin und dem Inhalt meiner Schultüte sehr detailliert. Daran hätte ich mich allerdings auch ohne Hypnose erinnern können. Der Psycho-Coach will mich noch ein Stück weiter zurückführen: „Du wirst immer kleiner: fünf Jahre, vier Jahre, drei Jahre, zwei Jahre…“ Mir gehen verschiedene Bilder durch den Kopf – Fotos aus meiner Kindheit. Ich versuche, mir mich als kleines Kind vorzustellen, das seine ersten eigenen Schritte wagt. In Gedanken soll ich meine Mutter fragen, welcher Tag „heute“ ist. Zunächst fällt

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es mir schwer und ich könnte eigentlich nur raten. Ich nenne Herrn Winter das Datum, das mir spontan durch den Kopf geht. Je genauer ich mir aber diese Situation vorstelle, wie ich als kleines Mädchen meine Mama anschaue, desto sicherer werde ich. Mit fester Stimme sage ich schließlich, es sei Freitag. „Öffnen Sie bitte mal die Augen“, höre ich von Winter. Er hält mir ein Smartphone hin, das einen Kalender von 1991 zeigt. Tatsächlich hatte ich ein genaues Datum mit dem Wochentag verknüpfen können, an das ich mich nicht bewusst erinnere. Meinem erstaunten Gesicht entgegnet der Psycho-Coach: „Unser Gehirn kann keinen Fehler machen. Es ist ein unglaubliches Rechenzentrum.“ Später konnte ich zu Hause feststellen, dass auf den Fotos meiner ersten Gehversuche tatsächlich das Datum steht, das ich in Trance genannt hatte. Winter erklärt mir das Phänomen: Informationen, die nicht mit hoher Relevanz belegt sind, werden jenseits der Reize abgespeichert. Menschen

haben einen engen Fokus für Wahrnehmung. Der Psycho-Coach beschreibt sich als Projektionsfläche, er gibt einen Auslöser, der Erinnerungen wachruft.

„Denkst du anders, lebst du anders.“ Auch meine anfängliche Angst kann er erläutern: „Ich glaube, die Kontrolle über das Leben ist für uns das Wichtigste. Die Psyche mag es nicht, fremde Absichten zu verwirklichen. Das nenne ich den Algorithmus der Psyche.“ Die Vorstellung, dass jemand anderes steuern kann, woran ich denke, hat Stress in mir ausgelöst. Winter glaubt, dass ein Mensch unter ständigem Stress keine weiteren fünf Jahre überleben könnte. Der Schlüssel zur Gelassenheit ist Gestaltungsmacht, die eigene Absicht möglichst widerstandsfrei zu verwirklichen.

Winter sieht sich als Psycho-Coach – auch Power-Scout genannt. Seine „Kunden“ kommen beispielsweise wegen Prüfungsangst, chronischen Krankheiten oder Partnerschaftsproblemen zu ihm. Er ist kein Reinkarnationstherapeut. Sein Interesse ist nicht etwa, wer jemand im 16. Jahrhundert gewesen ist, was er erlebt hat, wie er gestorben ist, sondern warum ein ehemaliges Ereignis heute noch relevant ist. Als Mitglied der „Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte“ sagt Winter, Beobachtbares muss einen Auslöser haben. Jemand, der unter Erfolglosigkeit im Beruf leidet, ohne dass in seiner Biografie plausible Gründe dafür zu finden sind, muss vorher etwas Prägendes erlebt haben. In Trance könne das Problem auf seinen Ursprung hin reduziert werden. Die Hypnose sei wie ein Dietrich, ein Werkzeug, Problemsituationen aufzulösen. Der Power-Scout erklärt: „Denkst du anders, lebst du anders.“ Die therapeutische Rückführung zeigt auf, welche Chancen der Mensch in einem Dasein vor seiner Geburt nicht genutzt hat. „Bei mir geht keiner ohne Happy End nach Hause. Mein Anspruch ist, Menschen zu helfen“, betont Winter. Keiner seiner Kunden habe die Sitzung verstört verlassen, weil ihm bewusst geworden ist, möglicherweise 30 Jahre seines Lebens verschwendet zu haben. Erschütterung ist verständlich, wenn sich jemand gevierteilt auf dem Scheiterhaufen sieht. Aber anschließend ist er vielmehr dankbar, weil er nun neue Chancen sieht, sich zu verändern. Oft benötige der Psycho-Coach nur einen einzigen Termin, um Probleme banal werden zu lassen und Informationen neu anzuordnen. Das Stressempfinden wird verändert, Situationen im neuen Fokus neu bewertet.

Kontrolle über das eigene Leben Winter erläutert: „Information ist nicht aus der Welt zu schaffen – Information ist Filterung, Überflüssiges wegzulassen.“ Wenn eine CD zerbricht, ist das aufgespielte Lied nicht verloren. Die CD – oder das Gehirn – generiert keine Information, bildet sie lediglich ab. Der Inhalt an sich ist nicht greifbar, nur beobachtbar. Der

Power-Scout arbeitet unter der Prämisse, alle beobachtbaren Symptome erklärbar zu machen. Aufgrund dessen stehen seine Ansichten auch nicht im Widerspruch mit der Naturforschung, sie entsprechen ihr sogar. Den Konflikt sieht der Psycho-Coach lediglich im Vergleich mit Ärzten: „Sie sind heute nur noch Vertriebsprofis für Pharmakonzerne. Sie therapieren, aber heilen nicht. Denn dann wäre der Patient für die Pharmaindustrie verloren.“ Der studierte Diplom-Pädagoge Winter praktiziert bereits seit 24 Jahren. Er beschreibt den menschlichen Körper als Ansammlung von Sauerstoff, Phosphat, Kohlenstoff, Wasserstoff und vielen anderen Atomen, in denen kein Leben ist. Materie wird mit der Nahrung aufgenommen, die Haut ist nach etwa zehn Tagen auf atomarer Sphäre ausgetauscht. Körperliches Leben sei für die Psyche nicht das Wichtigste – sonst gäbe es kein Suizid. Die Gestaltung der Persönlichkeit stehe weit über physiologischen Bedürfnissen. Wenn der Mensch der Kontrolle über sein Leben durch Krankheit oder Sklaverei beraubt wird, mache das Leben keinen Sinn mehr. Winter gibt an, 50 Prozent aller Neuzugänge in Heimen versterben im ersten halben Jahr, weil körperliche Leiden und Regeln sie beschränken. Im Coaching-Prozess soll die Kontrolle über das eigene Leben zurückgegeben werden und damit die Lebensqualität und -quantität verbessert werden. „Die Psyche beendet das aktuelle Dasein. Wir leben einmal, aber ewig“, beschreibt der Psycho-Coach. Der Mensch lande in einer Schleife, so lange die beabsichtigte, persönlich definierte Entwicklung noch nicht erreicht sei.

Persönlichkeit ist nicht Charakter Das Lernziel ist Gestaltungsfähigkeit, je nach Persönlichkeit in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Auf dem Weg dahin werden verschiedene Ebenen durchlebt. Jedes Programm habe das Ziel, sich zu optimieren, optimal zu verwirklichen – möglichst widerstandsfrei, so beschreibt es der „Algorithmus der Psyche“. In welcher Hinsicht dieser Prozess stattfindet, sei abhängig von der Persönlichkeit, die

Winter vom Charakter unterscheidet: Erstere ist fix, die Art und Weise, welche Absicht verfolgt wird. Wie das geschieht, bestimmt der Charakter. Er sei innerhalb von einer einzigen Sekunde beliebig veränderbar. Seine Eigenschaften entstehen durch Förderung und Begrenzungen. Persönlichkeiten unterteilt der Power-Scout in vier unterschiedliche Typen: Der erste orientiert sich an Sicherheit und Struktur. Der zweite strebt Entwicklung und Veränderung an. Der dritte Typus ist durch Fühlen und Verarbeiten gekennzeichnet. Dem vierten ist Schaffen und Gestalten am wichtigsten. Daraus ergeben sich bestimmte Verhaltensmuster, die nochmals je nach Sternzeichen variieren. So gehe ein Stier völlig anders mit Konflikten um, als ein Schütze. Allen gemein sei allerdings, dass Menschen sich schwer damit tun, sich eine neue Situation vorzustellen und andere Standpunkte zu erkennen. Durch Hypnose will der Psycho-Coach seinen Kunden dabei helfen.

Fantasie oder Realität?

Wenn bestimmte Informationen bei jemandem immer wieder ein bestimmtes Symptom hervorrufen, bietet Winter weitere Information an, damit eine die andere ablösen kann. Er führt Menschen zurück zu plötzlich als relevant erscheinenden Situationen des bisherigen (ewigen) Lebens. Durch gezieltes Fragen könne dem Kunden ein neuer Blickwinkel ermöglicht werden. Dieser Effekt wird durch ein Authentizitätsgefühl verstärkt, sodass der Betroffene fühlt, er fantasiere nicht bloß. Dem Power-Scout ist bewusst, was viele über seine Ansichten und Methoden denken: Manipulativer Quatsch, Einbildung, Spinnerei, verrückt, weltfremd, wenig plausibel. Doch in seinen Räumlichkeiten sind unzählige wissenschaftliche Bücher zu finden. Er selbst publiziert regelmäßig Forschungserkenntnisse, die sich mit ernstzunehmenden Problemen beschäftigen und hält unter anderem Vorträge über Quantenphysik. Winters Erläuterungen folgen der Logik. „Öffnen Sie bitte mal die Augen.“ INKA KIEDROWSKI

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Spiel mir das Lied der Volksmusik

hören. „Marschmusik, Altherrenmusik und diese Schlager, wie von den Flippers. Echt furchtbar!“, sagen Teresa und Linda, wenn man sie nach Volksmusik fragt. „Ich gucke keinen Musikantenstadl. Diese ganzen Leute, die über Liebe singen, die es gar nicht gibt, diese Kitschromantik - das geht gar nicht!“ Und auch Simon, 23 Jahre alt und selber Sänger in einer Heavy Metal Band, meint: „Ich habe mal gehört, dass die Schlagersänger sich alle unwohl mit ihrem Image fühlen und deshalb koksen. Aber ich unterscheide schon zwischen Volksmusik und Schlagern. Ich höre zum Beispiel irische Volksmusik gerne. Schlager sind aber einfach nur langweilig. Das ist Musik aus der Dose.“ Ganz anders urteilen viele junge Menschen jedoch über den „Eurovivion Songcontest“, einem Event, das ursprünglich auch traditionell und volkstümlich verwurzelt ist. Erstmals fand diese Veranstaltung 1976 statt. Damals erlebte die Volksmusik durch das Fernsehen einen Aufschwung und Schlagerstars wie Udo Jürgens oder auch Peter Maffay begeisterten mit Songs wie „Aber bitte mit Sahne“ das Publikum. Für Deutschland gewann 1982 erstmals

Der Schlager trägt die Volksmusik zu Grabe

„Herzlich Willkommen zum lustigen Fest der Volksmusik“ - bei diesem Satz ist es Zeit, den Fernseher auszuschalten. Volksmusik - das ist für viele der Inbegriff von Langeweile und schwachsinnig lächelnden Musikanten, die in Trachten und Kostümchen im Rhythmus der Musik in ihre Hände klatschen. Die Volksmusik bietet jedoch mehr, als die Schlagergesänge und Schunkelmucke aus Funk und Fernsehen, die zwar zur volkstümlichen Musik zählt, aber längst nicht die Tradition und die Hintergründe der Volksmusik wiedergibt.

Die Musik der älteren Generation. „Volksmusik besingt die Natur, das Leben und den Tod. Bei uns in der Region haben wir „Am Brunnen vor dem Tore steht ein Lindenbaum“ gesungen. Wir waren acht Geschwister und haben häufig zusammen gesessen und gesungen“, sagt Gertrud. Sie ist 81 Jahre alt, Rentnerin aus Nordrhein-Westfalen und findet nicht, dass das, was im Fernsehen gezeigt wird, Volksmusik ist. „Wir haben uns früher mit Akkordeon, Mundharmonika und Mandoline hingesetzt und musiziert. Volksmusik ist ja auch Volkstanz oder Wanderlieder.“ Den „Musikantenstadl“, der in der ARD regelmäßig gesendet wird,

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Alles eine Frage der Identifikation. Die älteren Fans des Musikantenstadl kennen die Schlagersängerin Nicole und erfreuen sich auch heute noch an ihren Liedern: „Ich gucke gerne Musikantenstadl oder die Carmen Nebel“, sagt Karl, ebenfalls 81 Jahre alt und der Ehemann von Gertrud. „Das ist auch Volksmusik. Ich mag Andrea Berg oder die Kastelruther Spatzen.“ Natürlich habe auch er früher zuhause mit der Familie musiziert, da hätte es ja auch noch kein Fernsehen gegeben, sagt er und stimmt den Heino Song „Blau, Blau, Blau blüht der Enzian“ von 1972 an. Gertrud und Karl sind beide auf dem Land aufgewachsen, wo die Volksmusik ihren Ursprung hat. Sie wurde in das alltägliche Leben aufgenommen. Man sang während der Arbeit, zum

Zeitvertreib oder beim gemütlichen Beisammensein. Und heute sitzt man eben gemütlich vor dem Fernseher, fiebert mit Lena Meyer-Landrut, die mit englischsprachiger „Musik aus der Dose“ Deutschland beim „Eurovision Songcontest“ vertritt und mit der sich heute viele junge Deutsche identifizieren. Trotzdem hat aber auch die unkommerzielle Volksmusik ihre Liebhaber und wird von Volksmusikverbänden und Blasorchestern am Leben erhalten. Aber wie viele andere Musikstile auch, entwickelt sich die Volksmusik stets weiter und wird mit Elementen aus Jazz, Rock oder HipHop gemixt. Das Ergebnis nennt sich dann beispielsweise Alpenrock oder Volkspunk. Der Schlager wird jedoch gerade bei den meisten jungen Deutschen die einzig bekannte Form der Volksmusik bleiben. Spätestens aber, wenn in der Werbung „Die Gedanken sind frei“ gesungen wird, sollte man sich erinnern, dass Volksmusik nicht nur aus dem „Anton aus Tirol“ besteht. MYRIAM APKE

Fotos: Charlotte Druwe

Laut Definition ist Volksmusik eine traditionelle, häufig schriftlos überlieferte Musik, die sich innerhalb von Regionen entwickelt. Dabei gibt es sowohl rein instrumentale Stücke, als auch Musik für Tanz und Volkslieder, die die Tradition, Sprache und Kultur einer Region widerspiegeln. Volksmusik ist Musik für das Volk. Sie ist Zuhause, Tradition und Verbundenheit zwischen Menschen und ihrer Region. Sie gibt ihnen eine Heimat und macht es möglich, sich mit dieser zu identifizieren.

die Sängerin Nicole den „Eurovision Songcontest“. Das Lied „Ein bisschen Frieden“, bei dem sie sich selber mit Gitarre begleitete, machte sie berühmt.

bezeichnet sie als Unterhaltung für die ältere Generation. Vor allem, weil deutsch gesungen werde, sei das bei Älteren beliebt, da könne man was verstehen, meint sie. Es sind vor allem leicht eingängige, eher anspruchslose Lieder über Liebe, Sehnsucht und Heimat. Schlager sollen kommerziell erfolgreich sein und Spaß machen: Mitsingen, Schunkeln und Klatschen - damit werden im Fernsehen noch immer Traumquoten von über 20 Prozent Marktanteil erreicht. Ungefähr sechs Millionen Zuschauer sind dabei, wenn Hansi Hinterseer bei Florian Silbereisen ein Stückchen heile Welt besingt.

Die Musiker jedoch, die sich als Volksmusikanten verstehen, bezeichnen den Schlager als „kommerzielle Schunkelmusik“ und weigern sich, diesen als Teil der Volksmusik anzuerkennen. Tatsächlich bringen die Volksmusikfeste jährlich circa 170 Millionen Euro ein und sind damit in den meisten Köpfen die einzige Art deutscher Volksmusik, die es gibt. Alpenhörner, Jodler und Seemannsgesänge können da nicht mithalten und werden als Volksmusik schlichtweg übersehen. Und so zeigt sich in Umfragen auch, dass Volksmusik bei den unter 18-Jährigen wenig beliebt ist: Nur 16,8 Prozent geben an, dass sie Volksmusik

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Über Leben

Über Leben

RevuePalast Ruhr

I’m a machine – oder doch nur Student?

Femme Fatale heizt den Ruhrpott auf.

Wenn der Lerndruck uns bis an die Grenzen des menschlichen Leistungsvermögens drängt.

Fotos: Quickels

Kulisse für das Spektakel bietet die ehemalige Heizzentrale der Zeche Ewald in Herten. Im Jahr 2000 wurde sie stillgelegt. Im Oktober 2009 eröffnete schließlich der RevuePalast Ruhr unter der Leitung von Christian Strat-

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Industriekultur mann, Prinzipal des Mondpalasts von Wanne-Eickel. Der Palast gilt heute als Paradebeispiel für die neu gewonnene Industriekultur. Mit roten Samtvorhängen, großen Spiegeln und viel Liebe zum Detail hat das Umbau-Team eine einzigartige Atmosphäre geschaffen, welche die glamouröse Stimmung der Shows unterstreicht. Dabei wurden die Wände der alten Heizzentrale in ihrer ursprünglichen Form belassen und durch liebevolle Details der Show angepasst. Der Gast spürt also noch einen Hauch von Industrie, während er sich von den heißen Shows beeindrucken lässt. Ein besonderes Highlight bildet die „Untertagebar“. Durch den Mix aus großen Kronleuchtern und alter Fassade entsteht ein besonderes Flair, das jetzt sogar samt Bar für private Festlichkeiten oder geschäftliche Events angemietet werden kann. Wer sich jedoch einfach nur einen Abend lang in eine andere Welt begeben möchte, der ist in der neuen Show von Femme Fatale, „Magic Moments“, die am 24. April Premiere feierte, gut aufgehoben. Wie auch in der Premierenshow „Voilà“ gibt es wieder viel Glamour und tolle Kostüme. Dazu kommen Akrobatik und Zauberei. Schlagfertig führt Jeanny durch den Abend und präsentiert stolz Tina Turner, die älteste Boygroup der Welt sowie Igor, den gelenkigen Frosch. Das achtköpfige Ensemble gibt alles

und begeistert sowohl mit tänzerischen als auch mit gesanglichen Darbietungen ihre Gäste aus allen Altersgruppen. Die Künstler aus Deutschland, Spanien, Italien, Brasilien und der Ukraine bilden die Gruppe „Femme Fatale“ unter Regisseur Ralf Kuta. Gemeinsam stehen sie seit 1998 auf der Bühne. Als internationales Ensemble bieten sie einen bunten Erfahrungsschatz. Eine Mischung, die ankommt. Über 30.000 Zuschauer sahen im ersten Jahr bereits „Voilà“ sowie „Ganze Kerle“ und auch die Kritiker zeigten sich beeindruckt. „Diven machen Zeche Ewald zum Las Vegas des Reviers“ titelten die Ruhrnachrichten und auch DerWesten.de bezeichnete den RevuePalast als „Geheimtipp“. Zu sehen ist die neue Show immer sonntags. Wer die beiden anderen Vorführungen noch nicht gesehen hat, bekommt weiterhin die Chance dazu. Sie bleiben auch künftig im Programm. SAR AH DÖNGES

Langzeitwirkung solcher Lernverfahren aus? Zum Vergleich sprechen wir mit Austauschstudenten, die z.B. die UEM in Madrid besucht haben. Hier werden kaum Klausuren geschrieben, dafür die Prüfungsleistungen in Gruppen erbracht. Häufiges Phänomen: Einer arbeitet für die ganze Gruppe! Na, immerhin bleibt so zumindest bei einem etwas hängen.

im Vergleich zu ihren Mitschülern überragenden Abiturienten, die sich für Medizin entschieden haben, wird jetzt noch aussortiert. „Mehr als die Hälfte schafft es nicht.“ Wie kommen angehende Mediziner also mit dem Lernstress zurecht? „Ich habe sogar einige Fälle erlebt, in denen Kommilitonen zu Anti-Blocker gegriffen haben. Das ist eigentlich ein blutdrucksenkendes Mittel; macht dich ruhiger, ist aber extrem schwer zu dosieren. Dosiert man es falsch, hat man einen totalen

Werden Fächer, für die man viel Übung braucht, wie beispielsweise Wirtschaftsmathe, ans Ende der Klausurwochen gelegt, kann man sicher sein, dass diese schlechter ausfallen, als zu Beginn der Klausurzeit: „Das sind Fächer, bei denen es auf üben, üben und nochmal üben ankommt, die also viel Zeit verschlingen“, weiß Sofie, die im fünften Semester Business and Management Studies (BMS) studiert. „Der anfängliche Flow geht aber verloren, wenn man sich vorher Tonnen an anderem Wissen in den Kopf geprügelt hat.“ Was also läuft schief? Es ist das sogenannte „Bulimie-Lernen“, das von vielen angeprangert wird: Elf Klausuren in acht Tagen – da wird der Inhalt eines gesamten Semesters hastig aufgesaugt, um in 60 entscheidenden Minuten alles sprichwörtlich wieder „auszukotzen“. Leider geht das Wenigste davon ins Langzeitgedächtnis, was wiederum die Qualität des Lernens, der erreichten Note und des gesamten Prüfungssystems in Frage stellt. Aber, liebe BiTSler, es geht noch „besser“: Ines studiert an der Uni Hohenheim und schreibt seit neustem zwei Klausuren unmittelbar hintereinander. „Das sind aber nur die Klausuren, die je 60 Minuten dauern.“ Ihr habt auch längere? Schluck, da geht’s uns ja fast noch glänzend an der BiTS. Liebe Kultusministerien, wie sieht es denn wohl mit Forschungen über die

Foto: Laura Tump

Glamour, heiße Stimmung und jede Menge Spaß. Der RevuePalast Ruhr in Herten verspricht Unterhaltung der ganz besonderen Art. In den internationalen Travestieshows erleben Gäste einen unvergesslichen Abend zwischen Schein und Sein. „Ob Mann, ob Frau… wer weiß das so genau?!“

Für die erste Klausur ist es generell immer am schwersten zu lernen. Danach ist man einigermaßen im Lernfluss und es wird einfacher. Dann allerdings stellt man ernüchtert fest, dass man für die letzten Klausuren einfach viel zu spät angefangen hat und diese unterm Strich schlechter ausfallen. Der BWLStudent Christoph der Universität St. Gallen weiß, man muss Kompromisse eingehen: „Man muss schauen, dass man sich nicht verzettelt. Sonst hat man für eine Klausur mehr als 100 Prozent gelernt und für die andere zu wenig. Ich lege den Schwerpunkt auf die Anzahl der Credits.“

Auswege aus der Misere? Die Studenten suchen nach Auswegen. Welche Methoden, Mittel und Tricks können eingesetzt werden, um die nächste Klausurenphase zu bewältigen? Selbstverständlich auf möglichst hohem Ergebnisniveau. Extrembeispiel Medizinstudium: Um das Physikum zu bestehen, müssen gut 1.500 Seiten stur auswendig gelernt werden. Der Medizinstudent Fabian von der TU München weiß: „Wenn du zu einem Arzt gehst und sagst, du lernst für dein Physikum, wird er dir ohne Widerworte Antidepressiva verschreiben. Denn er weiß nur zu gut, wie es dir gerade ergeht.“ Selbst bei den einst

Blackout und nichts geht mehr.“ Wer nicht gerade Medizin studiert, geht zunächst einmal in die Apotheke und kauft sich homöopathische Mittel. Gelsemium gibt einem die Apothekerin hier gerne mit. Mit diesem Kauf bewegt man sich auch noch im legalen Bereich. Doch auch hier sollte man mit der Dosierung vorsichtig sein, weiß Theo, sechstes Semester Business Journalism: „Einmal habe ich so viele homöopathische Mittel genommen, dass ich nicht mehr schlafen konnte.“

Ein Selbstversuch In der vergangenen Klausurenphase im Wintersemester haben zwei BiTSStudentinnen der Studiengänge CMM

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Über Leben

Wenn die eigene Kraft nicht mehr ausreicht Nach schlaflosen Nächten und täglichem Lernen beginnen einige Studenten, nach Alternativen zu suchen. Hier schaut man wieder in den medizinischen Bereich. Vielen, nicht nur den Medizinstudenten, ist die „moderne

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nehmt den Leistungsdruck zurück! Was bringt uns der „Young-Altersvorteil“ denn in der Realität? 21 Jahre jung, Abschluss summa cum laude, null Lebenserfahrung und von Beziehungen reden wir jetzt mal gar nicht. Wer setzt solch ein Greenhorn ernsthaft in eine Management-Position, nur um mittelfristig einen weiteren Burnout-Fall zu erleben, einhergehend mit der Erkenntnis „Ich hab wohl was verpasst: zu leben!“

Erinnerung an Unvernunft War früher auch alles, was Spaß macht, verboten, machte dick oder kostete zu viel?

Die Wahrheit, der wir ins Auge sehen, ist eine traurige: Deutschland mutiert zu einer Leistungsgesellschaft der Einzelkämpfer und verliert seinen Gemeinschaftsgeist und kreativen Kreis. Studenten in der ersten Generation, die eine Vernunftdroge konsumieren, um sich den Erwartungen der Gesellschaft anzupassen. Eine traurige Droge und eine Gefahr für unser Bildungssystem.

SUE NICOLE SUSENBURGER Zum Schutz der Interviewten wurden die Namen geändert

das . So zum Beispiel es entspannter ig äudes ein eb r sg wa ht st ric de Ge besser? Zumin es deutschen es ein all r tte ile wa rTo er r he üh de uc Fr cher auf r dem Nichtra . Ein Aschenbe ilettengang vo her Beamtenleben omfort beim To hk uc vernunft von frü Ra Un r e de es r di he heute bemüht, verrät, dass frü ht ric Ge s da türlich ist en. schutz kam. Na ilder zu revidier iche Verbotssch gl in dr ein h rc du

Was haben wir nur mit den Jahren an Freiheiten dazu gewonnen! Wir nehmen unser Leben selbst in die Hand und treffen eigene Entscheidungen. Frauen sind emanzipiert. Männer pflegen ihre langen Haare. Wir können PowerPoint, Word, Excel und ein Smartphone bedienen. Unsere Generation ist wild und unabhängig. Senioren schütteln immer wieder geschockt die Köpfe: „Die Jugend von heute…Früher hätte es sowas nicht gegeben.“

seit dem Studium – gute Nacht“, winkt der Patient ab und verabschiedet sich in die Kur. Der Appell an unsere Leistungsgesellschaft kann nur lauten: Wenn das Studium noch Spaß machen soll, dann

Tatsächlich? Bei näherem Hinschauen erkennt man, dass – zumindest aus heutiger Sicht – das Leben früher manchmal vielleicht sogar noch um einiges lustiger und wilder war. Und was unsere Generation eigentlich im Tausch für ein vermeintlich freieres Leben an ursprünglichen Freiheiten eingebüßt hat. „Ferien? Also ich mach ein Praktikum bei…“

Nehmen wir als Beispiel das Studium. Bei den Worten Bachelor und Master lachen sich unsere Eltern ins Fäustchen und lobpreisen ihre Studentenzeit mit einer Regelstudienzeit von acht Semestern. Gefühlt waren es noch viel mehr, denn die Semesterferien waren so lang, dass man kaum wusste, wohin mit der schönen freien Zeit. Heute hechtet der Bachelor-Student in den vorlesungsfreien Wochen dem nächsten Praktikum hinterher, natürlich verbunden mit der Wohnungssuche in einer möglichst exklusiven Großstadt. Das liest sich so schön im Lebenslauf. Ein ebenso einleuchtendes Beispiel ist die heute gängige Art der Kommunikation. Wir freuen uns einerseits über schnelle und grenzenlose Übermittlung von Nachrichten als SMS, E-Mail oder Facebook-Post. Oma würde Freiheit anders definieren, als stundenlang auf ein technisches Gerät zu starren und auf die Online-Reaktion von Freun-

den zu warten. Oma hätte ihre neuen Schuhe einfach angezogen, wäre zum Dorfplatz gegangen und hätte sie allen Freunden dort gezeigt. Vorbild: Michel aus Lönneberga Und was ist für uns bitte aus all unseren Vorbildern geworden? Die jungen wilden Kinderhelden wie Pippi Langstrumpf, die Kinder aus Bullerbü und Michel aus Lönneberga haben sich eher weniger um ihren Lebenslauf geschert – und hatten dadurch immer einen Mordsspaß! Heute sorgen Übermuttis dafür, dass Theresa keine Erdnüsse isst („Dagegen sind doch so viele allergisch“) und Felix-Jonathan im Kindergarten Einzelnachhilfe im Basteln bekommt. Nicht dass der Kleine später hinterherhinkt. Wäre es nicht für alle schön, ab und an mal wieder unvernünftig zu sein? Lasst doch Felix-Jonathan Matschburgen bauen. Man selbst könnte sich ins Auto setzen und spontan für ein Wochenende in den Süden düsen, eine fette Torte backen und sie einfach alleine essen, eine Nacht durchfeiern trotz Uni am Tag danach und und und. Noch schöner wäre es natürlich, wenn dies ökologisch vertretbar, kalorienarm und ungefährlich für Gesundheit und Karriere wäre. Das ist dann wohl das Ziel für die nächste Generation. EVA BOOK

Fotos: Eva Book

Das Ergebnis: Steigende Leistungsfähigkeit rund um die Uhr, mehrere Klausuren 90 plus, oder sogar 100 Punkte. Wie alles hatte auch dieses Experiment einen Haken, der sich als persönliche Grenzerfahrung herausstellte: „Nach einer Woche fokussiertem Lernen war der Schlafrhythmus vollkommen im Eimer, ich konnte zwei Tage nicht schlafen. “ Eine ähnliche Erfahrung machte die CMM-Studentin: „Am Ende konnte ich extrem fokussiert lernen. Allerdings hatte ich meine Grenzerfahrung, nachdem ich mich außerhalb meines „normalen“ Rhythmus nachmittags zwei Stunden hinlegte. Als ich wieder aufstand, hatte ich enorme Muskelschmerzen, während ich aber hochkonzentriert mit enormer Auffassungsgabe über den Skripten saß. Ich musste das Lernen wegen der starken Muskelschmerzen abbrechen und schlafen gehen.“ Dieser kleine Selbstversuch kann noch als harmlos eingestuft werden, dennoch ist es interessant, seine persönlichen Grenzen zu kennen – ohne weitere Hilfsmittel, wohl bemerkt!

Studentendroge“ Ritalin mittlerweile ein Begriff. Dies ist ein Medikament, das eigentlich hyperaktiven Menschen verschrieben wird, damit sie sich auf eine Tätigkeit fokussieren. Nimmt man dies als nicht-hyperaktiver Mensch, bewirkt es bei vielen eine enorme Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit. Unberücksichtigt bleiben die nicht unerheblichen Nebenwirkungen: Emotionslosigkeit, die Unfähigkeit, Affekte zu kontrollieren, früher oder später Burnout und Wahrnehmungsstörungen. In dem Film „Blow“ (2001) schmuggelte man noch Heroin nach Harvard, heute sind es die Pillen in orange. Wir machen uns zur Lernmaschine, zum menschlichen Roboter. Oder sagen wir eher zum Lance Armstrong der Wissenschaft. Was kann man sich selbst Schlimmeres antun, als sich zum Sklaven dieses Bildungssystems zu machen? Und dabei schneiden wir Studenten uns noch ins eigene Fleisch. Denn indem die „Drogensüchtigen“ ungewöhnlich gute Noten schreiben und damit den Notenspiegel anheben, schaden sie denen, die ohne Hilfsmittel lernen – und treiben das allgemein erwartete Notenniveau auf ein unmenschliches Level. Doch die Konsequenzen erstrecken sich nicht nur auf das Studium. Sind es nicht gerade diese gehetzten Überflieger in all den Consulting-Firmen, die mit Anfang 30 hintüber kippen? „Hey, kennst du schon Ritalin?“ „Ach, schon

Foto: pixelio

und BP ein Lernexperiment gestartet. Untersucht wurde das Pareto-Prinzip. Mit 20 Prozent Lernaufwand 80 Prozent der Klausur schaffen. In der Tat ist der Lernaufwand für die letzten 20 Prozent Wissen wesentlich höher und kostet enorm viel Zeit, Energie und Ausdauervermögen. Das Prinzip kombinierten die beiden mit Tipps aus dem Buch „Stroh im Kopf“. Dieses beschäftigt sich vor allem mit dem Aufbau leistungsfähiger Nervenstränge. Die BP-Studentin hat aufgepasst und weiß: „Schon nach sieben Minuten werden neue Nervenstränge aufgebaut, welche benötigt werden, um neuen Lernstoff aufzunehmen.“ Im Selbsttest ruhten die Studentinnen also 20 oder sieben Minuten – nicht mehr oder weniger, darauf kommt es an! Das Sofa im Wohnzimmer wird zum zentralen Lerntool für die Kurzpausen, um Nervenstränge aufzubauen.

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Über Leben

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Grenzwertige Jugendkultur Emo versus Glamrock

Zebraleggings und Kabuki-Frisuren Die Musiker und deren Fans trugen weibliches, überspitztes Make-up; häufig in Pink und Türkis. Die Haare wurden unter Einsatz von Haarspray, dessen Treibhausgase mehr Ozonschäden anrichteten, als alle Kühe SchleswigHolsteins zusammen, auftoupiert und koloriert. Zu den Kabuki-Frisuren trug man schrill bunte Leggins, jede Menge Tiermuster und Plateauschuhe. Weshalb die ganze Tunterei? Der Stil der Glamrocker war als Reaktion auf die Homosexualitätsdebatte zu verstehen. Schwul sein war eine Krankheit. Und da war keiner krank. Infolge der Diskussion und anschließenden Legalisierung, sorgten die Glamrocker mit ihren schrägen Outfits und Musik allerdings ordentlich für Aufsehen. So unterhaltsam die modischen Grenzgänger für die britische Bevölkerung auch waren, so konnten sich die Amerikaner erst ab den 80ern für den Glam-

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Unattraktive Transvestiten? Aus heutiger Sicht fragt man sich, ob bei denjenigen, die sich nun also vor der Bühne befanden und fünf jungen, halbnackten Männern mit Tina-Turner-Outfit und Sopranstimmen bei der Arbeit zusahen, nie der Begriff Homosexualität im Hinterstübchen fiel. Anscheinend nicht! Ganz im Gegenteilmit den frühen Guns‘ n Roses, Mötley Crue oder Nitro begann die Welle der Groupies, in einem Ausmaß, von dem Hippie-Ikone Jimmie Hendrix vermutlich lange geträumt hatte. Und da sich Frauen somit also auch von geballter Männlichkeit in weiblicher Kostümierung beeindrucken ließen, starb der Glamrock und HairMetal nicht einfach in den 90ern mit der Grunge-Ära, sondern kehrte Anfang des Jahrtausends mit The Darkness, Steel Panther und Wig Wam zurück, die das schrille Erbe toupiert und quietschend bis in die Welt von heute heraus tragen. Wäre ja auch zu schade gewesen.

Röhrenjeans und langer Pony Der in der Einleitung erwähnte Bill Kaulitz von Tokio Hotel war einer von vielen Musikern, den man der allseits bekannten Emo-Szene zuordnete. Doch diese Musikszene macht natürlich viel mehr aus. Der Bezug auf den Glamrock bildet schon eine schöne Überleitung zu diesen Grenzgängern. Denn Grenzgänger sind diese, meist Jugendlichen, in jedem Fall. Sowohl in optischer Hinsicht, als auch in ihrer Einstellung. Genau diese Eigenschaften machen die Emo-Szene auch aus. Das Aussehen, oder auch der Style, ist ein elementarer Bestandteil des typischen Emos. Ebenso sind Musikgeschmack und Lebenseinstellung dieser modernen Jugendkultur fast schon als radikal zu bezeichnen. Jeder „Emo“ hat nämlich seine ganz eigenen Ansichten, was „richtige“ Musik, Kleidung und Lebensphilosophie anbelangt.

Post-Hardcore und kindisches Auftreten

SIMON ALBERS UND SASCHA DEJAS

Die Musikrichtung, die der modernen Emo-Szene zugeschrieben wird, ist der Post-Hardcore, die Kleidung reicht von

Zeichnung: Simon Albers

Und zwar nicht erst seit Bill Kaulitz. „The Cure“-Sänger Robert Smith oder „Dee Snider“ von Twisted Sister dürften zu recht pikiert gewesen sein, als Tokio Hotel und ihre Fans einen femininen Kleidungsstil zu ihrem Markenzeichen machten. Denn bereits in den auslaufenden 60er Jahren entwickelte sich der Musikstil „Glam Rock“, der, wie jede Jugendbewegung, seine eigene Optik mit sich brachte.

Rock- oder Metal begeistern. Aber dafür mit Leib und Seele und in ausverkauften Stadien.

Fotos: Sascha Dejas

Über die „Jugend von heute“ wird sich spätestens seit den Beatles echauffiert. Wann, wo und auf welche Jugendsubkultur exakt bezogen variiert häufig, doch im Großen und Ganzen, ist die Republik diesbezüglich toleranter geworden. Punker sind pubertäre Träumer, Gothics originell und die Bushido-Fans mit Inselfrisur haben Angst vor Schwulen und Frauen. Dabei gibt es so viele andere Jugendkulturen, denen das Spiel mit Geschlechterrollen so richtig Spaß macht.

schwarz bis zu ausgeflippt schrill, kindisch und bunt. In der Einstellung gibt es wohl die größten Differenzen, denn es gibt Emos, die besonders in Klischees passen wollen und es gibt solche, die einfach sie selbst sein wollen und sich möglichst von allen Stereotypen distanzieren wollen. Doch genug der Verwirrung: Räumen wir einfach mal mit den ganzen Vorurteilen auf. Der Großteil dieser Jugendszene ist nicht depressiv, geht gerne raus und liebt es von anderen Menschen umgeben zu sein. Dies zeigt sich besonders daran, dass regelmäßig ET‘s (Emo-Treffs) stattfinden, auf denen sich alle wie eine große Familie verhalten, sich über eventuelle Probleme austauschen und auch den Kontakt mit anderen Menschen nicht scheuen. Wenn man die „wahre“ Emo-Szene also in drei Worten beschreiben wollte, so würden die Worte „gefühlvoll“, „besonders“ und „offenherzig“ am ehesten den Kern der Ideologie beschreiben. Letztendlich ist also klar, dass sowohl Glamrock als auch die Emo-Szene sehr viel mehr zu bieten haben, als ein eventuell lachhaftes Äußeres. Man muss sein Blickfeld nur einmal erweitern und hinter die Kulissen blicken.

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Über Leben

Über Leben

Cranger Kirmes

Cranger Kirmes im 21. Jahrhundert Heute stehen rund 111.000 Quadratmeter Rummelfläche am RheinHerne-Kanal zur Verfügung. Mehr als 500 Schausteller nutzen diese jährlich und machen die Cranger Kirmes zu dem, was sie ist.

„Einmal im Jahr, ist Kirmes auf Crange, einmal im Jahr...“

Die Cranger Kirmes lockt jedes Jahr Millionen Besucher ins Ruhrgebiet. Zehn Tage lang gibt es Vergnügen pur – von der Wildwasserbahn über die Losbude bis zum Feuerwerk. Der Duft von gebrannten Mandeln, Zuckerwatte und Paradiesäpfeln. Lachende Gesichter, Rummellärm und oft auch strahlender Sonnenschein. Die Cranger Kirmes im Herzen des Ruhrgebiets ist kein gewöhnlicher Rummel. Viele Kirmesplätze in Deutschland wollen sich mit ihr vergleichen, doch sie bleibt das größte Volksfest in NRW und ist mit ihrer herzlichen Atmosphäre einzigartig. Etwa vier Millionen Besucher kommen jährlich aus den unterschiedlichsten Ecken Deutschlands, um Teil des Spektakels am Rhein-Herne-

Kanal zu werden. Es startet jeweils am ersten Freitag im August und unterhält die Besucher über eine Dauer von zehn Tagen. Doch wie wurde ein kleiner Fleck im Ruhrgebiet zum Ort für so eine berühmte Kirmes? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns auf eine kleine Zeitreise ins 15. Jahrhundert begeben. Wann genau die erste „Kirmes“ stattfand, ist nicht bekannt. In ihren Anfängen entsprach sie nicht den heutigen Ansprüchen an einen Rummel, sondern war vielmehr ein kleiner Pferdemarkt in Crange, der regelmäßig um den 10. August herum stattfand. Dieser Tag fiel gleichzeitig auf den Laurentiustag, an dem ab etwa 1441 Vieh-Treiber die sogenannten „Emscherbrücher Dickköppe“ zusammentrieben.

Diese Pferdeart galt damals schon als besonders widerspenstig und ausdauernd und war somit bei Käufern besonders gefragt, sodass sie zu Höchstpreisen verkauft wurden. Der Pferdemarkt etablierte sich und im Laufe der Zeit erweiterten ihn Gaukler, Tänzer, Wahrsager und Schausteller zu einem Rummel. Den Besuchern gefiel diese Art der Unterhaltung, sodass die Besucherzahlen stiegen. Mit dem letzten verkauften Cranger Wildpferd vor etwa 150 Jahren, verlor der Pferdemarkt zunehmend an Bedeutung, während das Kirmesgeschäft mit steigenden Umsatz- und Besucherzahlen wuchs.

Die Tradition des Pferdemarktes wird auch heute noch fortgeführt. Einen Tag vor Kirmesbeginn bieten die Veranstalter ganz in der Nähe des Kirmesplatzes auf dem Gut Steinhausen, neben dem Pferdehandel, auch ein reitsportliches Programm.

ner guten Stimmung und von seinen Freunden ermutigt, so kann er sich in der Karaokebar auslassen - vom Schlager bis zur Chartspitze ist alles dabei. Auch die schönsten zehn Tage gehen einmal vorbei. Auf Crange enden sie mit einem Abschlussfeuerwerk über dem Kanal und mit der Vorfreude auf die nächste Cranger Kirmes.

Die nächste Cranger Kirmes findet vom 4. - 14. August 2011 statt. Nähere Informationen, auch zu den Bummel- und Schlemmerpässen, gibt es auf www.cranger-kirmes.de, oder in der Broschüre zur Cranger Kirmes auf www.stadtmarketing-herne.de

SAR AH DÖNGES

Die Kirmeseröffnung am ersten Freitag im August bietet für viele Besucher einen Glanzpunkt der zehn Tage. Im Bayernzelt gibt der Oberbürgermeister mit einem Fassanstich die Kirmes frei und sobald die zehn Böllerschüsse ertönt sind, heißt es „Piel op no Crange“. Der offizielle Startschuss ist gefallen und spätestens am Abend strömen die Besuchermassen nach Crange, um das Eröffnungsfeuerwerk über dem Kanal zu sehen. Nach dem Festumzug am Samstagmorgen, geht es munter weiter - Familientag und sowie Kinderund Seniorennachmittag sorgen für Stimmung in allen Altersgruppen.

Das Riesenrad Bellevue in der Abenddämmerung.

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Foto: Stadtmarketing Herne GmbH

Dank der zahlreichen Attraktionen, wie dem gut 50 Meter hohen Riesenrad Bellevue, der Wildwasserbahn oder auch dem nostalgischen Boxclub, kommen alle Besucher auf ihre Kosten. Auch für Freunde der Spirituosen, die bei einem langen Bummel über den Kirmesplatz sicherlich über kurz oder lang einen gewissen Durst verspüren, gibt es allerlei Brandlöscher in Steinmeisters Bierpavillon. Irreführend ist hierbei der Name, denn es handelt sich nicht nur um einen Pavillon. Vielmehr hat jeder Stadtteil hat seinen eigenen Stand, was den „Pavillon“ zu einer großen Fläche bestehend aus einzelnen Biertheken macht. Ein Insidertipp, den besonders Wanne-Eickeler gerne nutzen, um an einer „ihrer“ Theken Nachbarn und Freunde zu treffen. Ist der Kirmesbesucher nun in ei-

Das Kirmesplakat 2011

Stadtmarketing Herne

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Aufstieg

Die Unternehmer-Befreiung Von der Idee des XING-Gründers Lars Hinrichs, Neugründungen zu unterstützen

ten und guten Gründern die Möglichkeit zur Gründung zu geben: und zwar, indem sie es möglich machen, sich vom aktuellen Alltagsleben, etwa einem Job, zu befreien. Das tut das Unternehmen durch Lohn-Fortzahlungen und immaterielle Unterstützung in Form von Leistungsbewertungen, Seminaren, aber auch Beratungstätigkeiten für Buchhaltung, Unternehmensentwicklung oder Werbung. Im Selbstverständnis richtet sich HackFwd an die leidenschaftlichsten Unternehmer Europas, um es diesen Menschen zu ermöglichen, ihre einzigartigen Ideen umzusetzen. Dabei setzt HackFwd auf eine ganz besondere Transparenz: der Förderer hält weder Auswahlverfahren noch Vertragskonditionen verschlossen, sondern stellt alles auf seine Website. Dieser Ansatz ist bemerkenswert, zeigt aber, dass Gründer Lars Hinrichs an das Internet glaubt. Er verspricht sich davon beispielsweise, möglichst wenige Fehlanmeldungen zu erhalten – oder aber auf das Verfahren optimierte Bewerbungen. Hauptsächliche Zielgruppe sind ITler und Entwickler – das gilt aber nicht nur für komplexe Programme, sondern auch für Online- oder Digital-Kommunikation. Die Unternehmen müssen einen Kundennutzen haben, eine Identifikation der Gründer mit ihrem Unternehmen, sowie ein gewisses Maß an progressivem Wert müssen erkennbar sein. Die wichtigste Eigenschaft ist jedoch: es darf nicht kopiert sein, die Idee ist also weitestgehend einmalig.

DAVID LUCAS

Informationen zum Unternehmen gibt’s auf www.hackfwd. com, ein empfehlenswertes Video, dass in 3:30 Minuten noch einmal die Idee erklärt unter http://youtu.be/Vp1gUgO4DaU

XING-Erfinder und Gründer von Hack Fwd: Lars Hinrichs

Quelle: hackfwd

Die Unternehmerhochschule – das ist der Slogan, mit dem unsere Hochschule immer wieder wirbt. Auf der einen Seite hat das historische Ursachen: schließlich hat der Mehrfach-Gründer Dietrich Walther zusammen mit den Unternehmen der Region diese Hochschule gegründet. Auf der anderen Seite gibt es auch heute noch immer wieder neue Gründer an der BiTS, etwa Vereinsberatungen oder Kommunikationsagenturen. Diese werden teilweise von der BiTS gefördert und erhalten außerdem sehr häufig Unterstützung durch die Dozenten. Gute Unternehmer suchen aber nach immer weiteren Möglichkeiten, Unterstützungen zu bekommen, ihre Fähigkeiten zu erweitern und ein gutes Netzwerk aufzubauen. Eine gute Fördermöglichkeit, insbesondere für die Technologie- und Medienstudenten, ist das Netzwerk HackFwd (sprich: Hack Forward). Gegründet wurde diese Plattform, die noch vor der Seed-Phase eines Unternehmens ansetzt, vom Erfinder des Business-Netzwerks XING, Lars Hinrichs. Die Idee und das Prinzip stehen also für Erfolg. Doch was kann die Idee leisten, wer ist dafür überhaupt geeignet und was bekommen Gründer überhaupt? Wie Gründer gewinnen … Diese wohl wichtigsten Fragen sind schnell und leicht zu beantworten: sie bekommen alles, wenn sie einiges leisten und eine Gewinnbeteiligung zulassen. Doch noch einmal im Detail: Ziel der Plattform ist es eigentlich, interessier-

… und was HackFwd davon hat Doch wie kann sich eine solche Idee halten – anfängliche Venture-Kapitalgeber wollen natürlich auch finanziert werden, die Mitarbeiter von HackFwd müssen sich auch ernähren – und auch die Berater arbeiten zwar ein wenig für das Image, können aber auch nicht umsonst arbeiten. Aus diesem Grund verpflichten sich die geförderten Unternehmen dazu, 27 Prozent ihres Gewinns an HackFwd zu geben, weitere drei Prozent gehen an die beratenden und unterstützenden Firmen. Dies gilt für einen Zeitraum zwischen drei und fünf Jahren. Auf der einen Seite fließen natürlich 30 Prozent des Gewinns nicht in das Unternehmen; auf der anderen Seite sichert diese Summe das Interesse von HackFwd und Beratern, ein möglichst erfolgreiches Unternehmen aufzubauen: schließlich wollen sie auch möglichst viel Geld zurück erhalten.

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Aufstieg

Aufstieg

Verkehrte Welt!

und kurzfristige Renditemaximierung die wichtigsten Aspekte der Anleger sind, ist klar, dass die Nachfrage nach ACS-Aktien und somit der Börsenwert von ACS wesentlich höher ist, als der von HochTief. Den Deutschen fehlt eine nachhaltige Profitabilität, das sagt der Markt.

Wie das Konzept „Hohe Schulden = hohe Gewinne“ funktioniert

Florentino Pérez kennt sich mit großen Verhandlungen aus. In den Jahren 2000 bis 2006 war und seit 2009 ist er Präsident des spanischen Fußballclubs Real Madrid. Während dieser Tätigkeit holte der 64-Jährige Fußballstars wie Zinedine Zidane, Luís Figo oder jüngst Cristiano Ronaldo nach Madrid. Auf seiner langen Erfolgsliste wird aber etwas ganz anderes hinzukommen. Pérez ist neben seinem Engagement im Fußball Verwaltungsratsvorsitzender des spanischen Bauunternehmens Grupo Actividades de Construcción y Servicios, SA, kurz ACS.

ACS erhöht seine Anteile auf 30 Prozent ACS steht unmittelbar vor der Übernahme des deutschen Bauunternehmens HochTief. Bereits 2007 erwarben die Spanier für 1,3 Milliarden Euro knapp 25 Prozent des deutschen Konkurrenten. Lange hat HochTief gegen die „feindliche“ Übernahme gekämpft. Dabei wurde sogar das Emirat Katar herangezogen und erwarb zehn Prozent der HochTief-Anteile. Doch alle Versuche, sich gegen die Übernahme zu wehren, sind bisher gescheitert. Im Januar dieses Jahres erhöhte ACS seine Anteile an HochTief auf über 30 Prozent. Das hat zur Folge, dass ACS keine teuren Pflichtangebote für weitere Anteile mehr machen muss und den restlichen Eignern im freien Handel Angebote machen kann. Einer vollständigen Übernahme steht nichts mehr im Wege und Pérez kann in aller Ruhe weitere Hedge- und Investmentfonds einsammeln. Zur letztendlichen Übernahme genügen 51 Prozent. Pérez‘ Plan geht langsam aber sicher auf. Bei der Hauptversammlung von HochTief Mitte Mai 2011 waren es bereits die Spanier, die

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die Kontrolle übernommen hatten, um den Aufsichtsrat nach ihren Vorstellungen umzustrukturieren.

HochTiefs konservative Geschäftspolitik Eines unterscheidet beide Unternehmen gewaltig voneinander: ihre Finanzlage. ACS plagen knapp neun Milliarden Euro Schulden, HochTief gar keine. Wie ist diese Übernahme überhaupt möglich? Was beide Unternehmen stark voneinander abgrenzt, ist die jeweilige Philosophie bzw. die Art und Weise der Unternehmensführung. HochTief hatte mit der jahrelangen deutschen Baukrise zu kämpfen. Angesichts des Verschwindens zahlreicher heimischer Wettbewerber, ging es dem deutschen Bauunternehmen vor allem um eins: Risiken zu vermeiden und das eigene Geld zusammenzuhalten. Diese stark konservative Einstellung mag zwar vor riesigen Schuldenbergen bewahrt haben, doch hat sie einen Nachteil. Seit Jahren verharrt HochTief in seinem Status Quo. 2009 machte der Konzern einen Umsatz von 18 Milliarden Euro, knapp 85 Prozent davon im Ausland. Der Jahresüberschuss betrug

600 Millionen Euro, Tendenz sinkend.

Hohe Schulden = Hohe Gewinne?!

Ein gewinnsteigerndes Konzept für die Zukunft fehlt.

Das Problem, das HochTief hat, ist die Ertragsschwäche. ACS hat zwar sehr hohe Schulden, macht aber auf der anderen Seite sehr hohe Gewinne. Der fremdfinanzierten Übernahme steht kaum noch etwas im Wege. Durch einen Zusammenschluss würde man zum drittgrößten Bauunternehmen der Welt aufsteigen. Die Frage, die man sich abschließend stellen muss, ist, was genau ACS mit der Übernahme vorhat. Der Nettoverschuldungsgrad würde auf das 2,9-fache des Umsatzes sinken (zuvor 4,5-fache). Mit einer der niedrigsten Werte der Branche könnte ACS mit guten Kreditrankings fest rechnen. Um dies zu erreichen, reicht ACS die Aufführung HochTiefs in der eigenen Bilanz. Das geschieht automatisch ab einem Anteil von über 50 Prozent. HochTief würde also nichts weggenommen werden. Zerschlagen würde das Unternehmen schon gar nicht. Es bleibt abzuwarten, was Pérez genau mit HochTief vorhat. Ob es nur um die eigene Sanierung geht, oder auch um eine allgemeine Wertsteigerung und den Aufbau eines internationalen Bauriesen. Mit dem Konzept des hohen Fremdkapitalanteils hat Florentino Pérez sowohl mit Real Madrid, als auch mit ACS bis dato Erfolg gehabt. Ob diese Taktik auch in schlechten Zeiten die richtige ist, scheint zweifelhaft.

ACS, 1997 entstanden, hingegen hat eine große Wachstumsgeschichte hinter sich. Die Bauwirtschaft macht nicht einmal mehr die Hälfte des Umsatzes aus. Inzwischen wurden die Aktivitäten auf Sektoren wie die Energiewirtschaft oder Recycling von Abfällen ausgeweitet. Der Umsatz im Jahre 2009 betrug mit 15,6 Milliarden Euro zwar einen um 16,4 Prozent niedrigeren Wert im Vergleich zu HochTief, doch entscheidend ist: Es wurde ein Jahresüberschuss von über zwei Milliarden Euro erzielt. Wie ist das möglich? ACS finanziert seine Geschäfte mit einer sehr hohen Fremdkapitalquote. Dies hat einen Hebelwirkungseffekt zur Folge. Wenn die Gesamtkapitalrentabilität größer ist als der Fremdkapitalzinssatz, führt dies zu einer Steigerung der Eigenkapitalrentabilität (vereinfachte Rechnung: Jahresüberschuss durch Eigenkapital). Jede mit Fremdkapital finanzierte Investition, die mehr bringt, als sie kostet, steigert die Rentabilität des Eigenkapitals. In der heutigen Zeit, in der Börsenwert

TIMO SENGER

Fotos: HochTief

Das spanische Bauunternehmen ACS ist hochverschuldet und steht dennoch vor der Übernahme des deutschen Baudienstleisters HochTief. Ein Blick auf die zwei Geschäftsmodelle hilft bei der Erklärung.

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Aufstieg

Aufstieg

Julia Büttner im Alumni-Interview: Eine Karrierefrau packt aus. Einblick in die verschiedenen Medien Print, TV und Hörfunk. Während des vierten Semesters habe ich parallel zum Studium einige Hospitanzen hintereinander gemacht – das habe ich nicht bereut. Meine Diplomarbeit durfte ich – im Anschluss an mein Projektpraktikum beim ZDF („Hallo Deutschland“) auch in der Redaktion schreiben. Mein Redaktionsleiter hatte gleich ein spannendes Thema vor Augen, an dem ich forschen konnte. Das war eine schöne und unvergessliche Zeit.

Auszug aus der BILD Zeitung vom 19. August 2008

BiTSLicht: Redakteurin Unternehmenskommunikation ALDI SÜD - wie bist Du an diese Position gekommen? Gab es Schlüsselerlebnisse auf Deinem Weg dahin, die Dich besonders prägten?

Unter dem Motto: „BILD kämpft für Sie“ setzte sich Julia Büttner 2008 für die sozialen Belange der Menschen ein.

Nach der Diplomfeier im Jahr 2006 und auch schon während ihres Studiums Medienmanagement, lernte Julia Büttner zunächst die verschiedenen Facetten des Journalismus kennen. Doch schon bald sollte sie der PR-Bereich locken und schnell fand sie sich als Redakteurin in der Unternehmenskommunikation von ALDI SÜD wieder. Heute lässt sie ihren bisherigen Werdegang Revue passieren und berichtet von Schlüsselereignissen unter anderem bei BILD und ZDF, die ihre Laufbahn besonders prägten.

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BiTSLicht: Was waren für Dich die ausschlaggebenden Gründe, die BiTS als Hochschule auszuwählen? Julia Büttner: Nach meinem Abitur habe ich mich entschieden, an der BiTS zu studieren, da sich der Studiengang sehr interessant anhörte. Die acht Semester habe ich als sehr sinnvoll erachtet, um auch früh ins Berufsleben einzusteigen. Eine wichtige Komponente war sicher auch der Praxisbezug. Während meines Studiums habe ich so viele Hospitanzen wie möglich absolviert, um gleich Praxiserfahrung zu sammeln. Wichtig war mir der

Julia Büttner: Ich war lange – auch studienbegleitend – journalistisch tätig. Zuerst bei den Lüdenscheider Nachrichten, für die ich vom Kaninchenverein, über Jahreshauptversammlungen bis hin zu Events an der BiTS berichten durfte. Ein Highlight waren auch die Reportagen über unser Auslandssemester in Kapstadt. Das war mein Einstieg in den Journalismus. Später habe ich viel für die BILD Frankfurt (Kulturberichterstattung) und die BILD Düsseldorf (City Talk in Düsseldorf) geschrieben. Durch Zufall habe ich die Stelle als Redakteurin Unternehmenskommunikation entdeckt. Das war für mich eine große Herausforderung und ein Seitenwechsel zugleich. Die journalistische Erfahrung hat mir geholfen, dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Bevor ich meine jetzige Position angetreten habe, war ich für BILD noch mit „BILD kämpft für Sie!“ unterwegs. Wir sind durch die verschiedenen Städte gefahren und haben uns vor Ort für die sozialen Belange der Menschen eingesetzt. Meine Chefin hat mich damals in der BILD Zeitung entdeckt und vor meinem ersten Arbeitstag zu meinen Kolleginnen gesagt:

„Die habe ich eingestellt…“

Julia Büttner: Bisher habe ich meinen Werdegang nicht wirklich geplant. Oft waren es gute Zufälle, die mich dorthin geführt haben, wo ich jetzt bin. Dass ich heute im PR-Bereich tätig bin, freut mich sehr. Ich denke, hier liegt auch meine Zukunft. Irgendwann möchte ich gerne als Pressesprecherin tätig sein.

Julia Büttner: Die Zeit an der BiTS hat mich sehr geprägt. Ich habe in den vier Jahren sicher viel Fachwissen mitgenommen, die Zeit hat meine Persönlichkeit stark geprägt. Es war eine sehr schöne Zeit. An der BiTS habe ich die Theorie gelernt, die ich später mit der nötigen Praxis verbunden habe. Nicht umsonst bin ich zunächst in den Journalismus eingestiegen.

BiTSLicht: Zum Abschluss: Deine Tipps an unsere Studenten. Julia Büttner: Ganz wichtig ist, dass der Job Spaß macht – sonst geht über lange Zeit die Motivation, die für gute Arbeit unabdingbar ist, verloren.

„Das Schreiben war schon immer meine Leidenschaft.“

„In seiner Freizeit Spaß haben und den Arbeitsstress für kurze Zeit vergessen.“ Die ehemalige Medienmanagement-Studentin im Karnevalls-Getümmel.

Die Dozenten an der BiTS haben mir hier die nötigen Grundlagen vermittelt. Mittlerweile habe ich die Seiten gewechselt – auch im PR-Bereich ist das Schreiben die Basis. BiTSLicht: Neue Berufung, neuer Standort. Was gefällt Dir an Deinem momentanen Dreh- und Angelpunkt? Julia Büttner: Ich wohne seit Ende 2006 in Düsseldorf – hier gefällt es mir sehr gut. Die Stadt hat alles, was man sich wünscht. Viel Natur, genug Wasser und schöne Cafés. Hier kann man die Feierabende wunderbar genießen. Vor allem im Sommer gibt es schöne Plätze am Rhein. Ich kann nur jedem empfehlen, einen Abstecher nach Düsseldorf zu machen und hier Fuß zu fassen. BiTSLicht: Jetzt mal ganz unter Frauen. Wie setzt man sich als Frau in der harten Geschäftswelt durch? Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sollte eine zukünftige Unternehmerin Deiner Meinung nach mitbringen, um erfolgreich zu sein? Julia Büttner: Ich denke, das nötige Fingerspitzengefühl ist als Frau sehr wichtig. Man muss sich Autorität und Respekt verschaffen und überzeugend erscheinen. Natürlich ist es ganz wichtig, das nötige Know-how mitzubrin

gen und es gezielt anzuwenden. Mit der Zeit profitiert man selbstverständlich immens von der Berufserfahrung. Unabdingbar sind auch der Ehrgeiz und der nötige Biss.

Ehrgeiz und Biss – Unabdingbare Eigenschaften der Karrierefrau von heute

Ich rate euch: „Seid einfach ihr selbst und baut Eure Fähigkeiten gezielt aus.“ Durch Praktika erkennt man schnell, in welche Richtung man gehen möchte. Ich denke, man muss im PR Bereich häufig einige Umwege einschlagen. Aber: Es lohnt sich. CHARLOTTE DRUWE

BiTSLicht: Was hältst Du von den aktuellen Diskussionen über eine Frauenquote? Ist eine Quote angebracht? Julia Büttner: Eine Quote hin oder her… aber ich finde es nur gerecht, dass auch Frauen in die Führungspositionen kommen. An der Gleichberechtigung sollte weiterhin gearbeitet werden. BiTSLicht: Worauf legst Du außerhalb Deines Berufes wert? Julia Büttner: Familie und gute Freunde sind mir sehr wichtig. Ich finde es wichtig, dass man in seiner Freizeit das unternimmt, was einem Spaß macht – sei es Inlinefahren, Malen oder einfach mit Freunden kochen. Ein guter Job ist wichtig, dennoch sollte immer noch etwas Zeit für Dinge bleiben, die einen harten Arbeitstag kompensieren. Der soziale Kontakt ist und bleibt wichtig, auch, wenn die Tage im Büro mal länger sind.

Fotos: Julia Büttner

Seitenwechsel: Vom Journalismus in die PR

BiTSLicht: Abitur, BiTS, BILD, der Schritt in die PR: Die Zeit vergeht wie im Flug. Wo siehst Du Dich in zehn Jahren?

BiTSLicht: Was hast Du in Deiner Zeit an der BiTS gelernt, das Dich auf Dein aktuelles Berufsleben vorbereitet hat?

Ihr Erfolgsrezept: Sich selbst treu bleiben und seine Fähigkeiten gezielt ausbauen.

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BiTSLicht-Team in Gefahr Klettern im Wildwald - in ungeahnte Höhen zog es das BiTSLicht-Team diesmal

Twilight, Tarzan, Jane… und Mechthild. Passt das zusammen? Das BiTS-Licht-Team hat darauf eine klare Antwort gefunden: Ja! Denn bei unserem Kletterausflug unter dem Motto „BiTSLicht – Team in Gefahr“, gehen sowohl ein Tarzan als auch eine Jane an ihre Grenzen. Am 11. Mai haben wir für euch in Arnsberg, genauer gesagt im Wildpark Vosswinkel, unser Limit gesucht – und auch gefunden.

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Versuchsgebiet

Treffpunkt: der BiTS-Parkplatz. Während die meisten Studenten froh sind, endlich nach Hause fahren zu dürfen, versammelt sich das BiTSLicht-Team, in Vorfreude auf einen spannenden Nachmittag. Nachdem auch der Letzte eingetrudelt ist, verteilen wir uns auf vier Autos und die Karawane fährt los. Wir passieren geschlossene Bahnschranken, Wälder und Wiesen und schließlich das Schild zum „Wildpark Vosswinkel“. Knapp nach dem vereinbarten Startzeitpunkt sammeln wir eilig unsere sieben Sachen zusammen und suchen unsere Ansprechpartnerin. Dabei stellt sich uns immer wieder eine Frage: „Warum liegt hier eigentlich Kot?!“. Und davon jede Menge. Wir erinnern uns daran, dass es sich um einen Wildpark handelt, doch eine klare Antwort werden wir nicht finden. Wir treffen schließlich Mechthild. Unsere Meisterin des Fachs. Sehr kompetent, sehr nett und doch auch ein wenig streng, begrüßt und weist uns freundlich ein: „Oben ist nur ein Plumpsklo, geht also hier!“ Danach folgt ein gefühlter Kilometermarsch über Stock und Stein, bergauf und bergab bis wir schließlich den Ort des Geschehens erreichen.

Mit gutem Willen unterschreiben wir die Einverständniserklärung, ohne zu wissen, worauf wir uns tatsächlich einlassen. „Alles Formsache“, sagt Mechthild und drückt jedem von uns einen Hartschalenhelm in die Hand. Wir notieren: Komplettgurt, Karabiner, die von Mechthild liebevoll K1 und K2 genannt werden, und natürlich ein Helm gehören zur Grundausrüstung eines jeden Kletterers. Zugeschnürt wie ein Postpaket wird es nun langsam ernst. Wie eine Schulklasse hören wir andächtig, aber dennoch gespannt zu, während Meisterin Mechthild uns in die „hohe“ Kunst des Kletterns einweist. „Das sind immerhin 18 Meter an der höchsten Stelle“, erklärt sie und mahnt zu höchster Disziplin. Unsere Ungeduld wächst und endlich dürfen wir uns auf den ersten Parcours wagen. „K1?“ – „JO!“, „K2?“, „ JO!“ schallt es ab jetzt laut durch den Wildwald Vosswinkel.

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Fotos: Nathalie Kirsch

Versuchsgebiet

Was sich anhört wie ein Geheimcode, gehört zum alltäglichen Kletterjargon. Die Kontrolle der Karabiner des Partners durch die simple Frage „K1?“ ist eine der von Mechthild erläuterten Grundregeln. Hierbei geht es darum, dass stets ein Karabiner eingehängt ist und somit den Kletteraffen sichert. Mechthild und ihr Assistent Josh tragen zusätzlich zu unserer Sicherheit bei, indem sie die Einhaltung dieser Regeln vom Boden aus kontrollieren. Wir merken, dass uns zwei Meter Höhe nichts anhaben können und trauen uns die nächsthöhere Ebene in Angriff zu nehmen. Frei nach dem Motto: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Also stellen wir uns der Qual der Wahl – ein Basejump, eine Hamsterrolle oder doch lieber den Catwalk? So verstreuen sich die einzelnen Teams und hangeln sich unter den wachsamen Augen von Mechthild und Josh in die ersten Baumkronen. Mit zunehmender Sicherheit bewältigen wir die Hindernisse in luftiger Höhe. Dass es uns Spaß bereitet, merkt man an vielen lachenden Gesichtern, welche die vorher angespannten Mienen vertreiben. Die Klettereinheiten haben solch abenteuerliche Namen wie „EichhörnchenSchwung“, „Indiana Jones Brücke“,

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oder auch „Ahornblatt-Fähre“. Was das eigentlich bedeutet, merkt der Kletterer erst, wenn es bereits zu spät zum Umkehren ist. Man kann zwar jederzeit von Josh gerettet werden, doch die Überwindung kostet so manchen Mut, der schnell belohnt wird. Denn traut man sich erst, den „Eichhörnchen-Schwung“ mit Hilfe einer Seilbahn, zu überfliegen, fühlt man sich schnell befreit und äußert sein Glück meist in einem lauten Urschrei. Sehr kreativ zeigten sich die Erfinder des Parcours auch bei der „AhornblattFähre“. Hierbei handelt es sich um eine Holzplatte, die, an nur vier Seilen befestigt, in zwölf Metern Höhe hängt.

sich geschickt von einem zum anderen hangeln, bis er schließlich die sichere Plattform erreicht. Der im wahrsten Sinne des Wortes krönende Abschluss des Tages soll aber der violette Parcours sein. Wir klettern bis zu 16 Meter hoch in die Baumkronen, auf der Suche nach unseren eigenen Grenzen, die auch einige von uns finden, sodass einer unter uns von Josh gerettet und sicher zu Boden gebracht werden muss. Hoch hinaus geht es also für unsere mutigsten Kletteraffen und Anforderungen, wie die Überquerung eines Seiles, lassen nun einen regelrechten Geschlechtertausch in 16 Metern Höhe stattfinden. Denn so mancher Tarzan wird nun zur Jane, wenn er auch nur ein einziges Mal nach unten schaut. Auf der anderen Seite stellen unsere weiblichen Kommilitoninnen den Mut eines erfahrenen Kletterers unter Beweis. Als die letzten Kletterer an der höchsten Stelle des berühmt-berüchtigten violetten Parcours ankommen, erinnert die Kulisse schon fast an eine TwilightSzene, denn mittlerweile ist es früher Abend und die letzten Sonnenstrahlen tauchen den Wald in ein seichtes Dämmerlicht. Wie der Herr des Wildwaldes fühlt man sich, wenn man an der höch-

sten Stelle des Klettergartens steht. Und wem dieses Gefühl noch nicht genug ist, dem wird am Ende des Parcours noch eine Freude mit einer circa 20 Meter langen Seilbahn gemacht, deren Fahrtwind unserer Jane wieder allen Angstschweiß aus dem Gesicht wischt. Da nun das gesamte BiTS-Licht-Team wieder gesund und auch ziemlich geschafft auf dem Boden angekommen ist: Zeit ein kurzes Resümee des Tages zu ziehen. Verletzungen: 0, Grenzerfahrungen: gefühlte 1000, Spaßfaktor: gegen unendlich. Klingt gut und es war in der Tat auch ein besonderer Tag für uns, den wir so schnell nicht wieder vergessen. Egal, ob das jetzt an dem Muskelkater liegt, den einige von uns am nächsten Tag zu spüren bekommen werden, oder an den Erfahrungen, die jeder mit nach Hause nimmt. Wir können jedem Leser nur einmal raten, selbst eine solche Tour zu machen. Viel Spaß und eine Menge Selbstvertrauen bilden den Abschluss eines schönen Tages. SAR AH DÖNGES & SASCHA DEJAS

Der Kletterer muss sich möglichst geschickt darauf stellen und sein Gewicht so balancieren, dass er nicht herunter fällt. Gleichzeitig zieht er sich an einem Hilfsseil auf die andere Seite der „Schlucht“, wo er sich auf eine sichere Plattform hangeln kann. Wichtig ist sowohl eine gute Balancierfähigkeit, als auch pure Muskelkraft. Anstrengend ist auch die „Steigbügel Brücke“, bei der sich insbesondere kleine Menschen leicht Blessuren zuziehen können. Wie der Name bereits andeutet, hängen hier Steigbügel in etwa zwölf Metern Höhe. Mit viel Kraftaufwand muss der Kletterer nun die baumelnden Steigbügel erwischen und

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Unterwegs auf leisen Sohlen Vier Studenten fuhren das Elektroauto der BiTS bis zum absoluten Limit

Schnelle Autos: man liebt sie oder man meidet sie. Immer besser sollen sie werden, mehr PS unter der Haube haben und der Spurt von 0 auf 100 kann gar nicht fix genug gehen. Mr. Benz hat vor 125 Jahren die automobile Kutsche vorgestellt und den Pferden ein Stück Arbeit geraubt. Seitdem hat sich einiges getan: Wir lachten über Til Schweiger in „Manta, Manta“, „Fast & Furious Five“ beherrscht gerade die Kinos und alle wollen sie Gas geben und noch mehr Brennstoff schlucken.

Die pferdelosen Kutschen zu füttern, wird in Zukunft immer schwieriger werden. Doch was gibt es für Alternativen zum schwarzen Gold? „Alternative Energien“ – neumodische Wörter, die mein Opa gar nicht hören möchte. „Schnurren muss der gute Motor, sonst ist das doch kein Auto!“ Seit diesem Semester allerdings schmückt sich die BiTS mit einem Beispiel „zum Anfassen“ für eine mögliche leise Alternative: Das Elektroauto! Für das Sommersemester 2011 hat Dozent Niels Biethahn für seinen „Automotive Kurs“ eine Kooperation mit den Stadtwerken Iserlohn und dem ADAC eingefädelt und das kleine Elektroauto Fiat 500-Karabag an die BiTS geholt. Seit einigen Wochen ziert auch eine schicke Elektro-Tanksäule das Pflanzenbeet vor der BiTS. Um dem Elektroauto Leben einzuhauchen, muss es zunächst fünf bis sechs Stunden an einer Starkstromsteckdose geladen werden. Parallel hat es übrigens auch noch einen kleinen Benzintank, denn wenn es die Insassen frösteln sollte, sorgt das Benzin für den Betrieb der Heizung. Alles schön und gut, nur schnurrt das Auto denn auch? Eher weniger. So ein Elektroauto ist ein gespenstisch stilles Gefährt, höchstens vergleichbar mit einer summenden Hummel. Dazu bereitet es zurzeit auch noch nicht ganz so viel Fahrfreude wie Dominic Torettos PS-Monster aus „Fast & Furious“. Die interessierten Studenten des Automotive-Kurses testen während des Semesters das Auto auf Herz und Nieren, schreiben immer brav ins Fahrtenbuch,

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wie weit sie mit dem Auto gekommen sind und erstellen eine empirische Arbeit. „Nur wie weit schafft der kleine Fiat es wirklich?“ haben sich Markus Foidl und Peter Bali gefragt. In den technischen Daten stehen stolze 130 Kilometer mit einer Akkuladung. Doch bei Betrachtung der unterschiedlichen Fahrtstrecken im Fahrtenbuch hat die beiden der Ehrgeiz gepackt: „Da geht mehr! Wir fahren den Fiat bis zum bitteren Ende!“ Die Idee machte Herrn Biethahn hellhörig und er legte spontan noch einen drauf: „Dazu könnte man direkt noch einen Imagefilm drehen!“

Grenzerfahrung mit dem Elektroauto Mutig machen die beiden sich an die Planung und sind gespannt auf die Grenzerfahrung mit dem Elektroauto. Mittwochabend 19:00 Uhr – der Abend vor dem Projekttag: „Ähm ja, wir benötigen für das Kochrezept: Eine Abschleppstange! Oh, dazu brauchen wir noch ein Abschleppauto, welches dann auch als Kamerawagen dienen kann. Außerdem eine Videokamera, dazu einen Kameramann und BiTS-T-Shirts. „Ach ja, wie lange ist eigentlich das Tor der BiTS offen, um das Auto morgens um 6:00 Uhr herauszubekommen?“ Unwissend stürzen sich die beiden BMSler (Business and Management Studies) in die Medienwelt und finden tatkräftige Unterstützung bei den CMMlern (Communication and Media Management.

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Versuchsgebiet

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BMS meets CMM

Unter großzügiger Auslegung des akademischen Viertels brechen vier mutige BiTS-Studenten am Donnerstagmorgen, den 05. Mai 2011, eine Stunde verspätet mit dem Elektro-auto nach Winterberg auf. Dieser Ort wurde von den Automotive-Experten Foidl und Bali als der höchste Ort im Sauerland identifiziert. Der Clou an der Story: Beim Bremsen lädt sich das Elektroauto wieder auf, denn die gewonnene Reibungsenergie wird in die Batterie eingespeist. Daher kann man bei einer Bergabfahrt von Winterberg nach Münster nur gewinnen.

Beim Bremsen lädt sich das Elektroauto wieder auf Im kühlen Winterberg angekommen, vorbei an der klapprigen, kahlen Skisprungschanze, konnte die erste Starkstromsteckdose bei den Stadtwerken Winterberg ausfindig gemacht werden.

Die Betreiber sehen nicht alle Tage ein Elektroauto, waren daher dem Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen und boten bereitwillig kostenlos eine Ladung Strom an. Diese benötigt allerdings mindestens vier Stunden Ladezeit.

ressante Beschäftigung von bestenfalls vier- bis sechsstündiger Dauer in der Nähe der Ladestation überlegen.

Ein Elektroauto muss echt lange laden!

Nach der langen Ladezeit konnte das Projekt „Grenzerfahrung mit dem Elektroauto“ aber endlich starten. Los ging es bei Sonnenschein und 20 Grad Außentemperatur aus knapp 800 Höhenmetern die Serpentinen herunter. Da staunten sogar die Nicht-Sauerländer: echt schick hier! Durch kleine Dörfchen, über gewundene Bergsträßchen kämpfte sich das Elektroauto. Der Fahrer Markus achtete dabei darauf, dass das Auto sich nach Möglichkeit bei einem Verbrauch von Null oder sogar bei einem „+ Verbrauch“ einpendelte. Das ist revolutionär! Wie genial wäre es, wenn der Benzinverbrauch plötzlich plus fünf betragen würde?

Zeit, beim weltweit bekannten McCafé einzukehren, wo dann erst mal eine Weile „abgehangen“ wurde. Wie gut, dass es dort eine Stunde Internet umsonst gibt. Doch irgendwann wurde es dann doch ein bisschen langweilig, Internet hin oder her. Merke also: Wer mit einem Elektroauto unterwegs ist, sollte sich eine inte-

Auf die Plätze, fertig - los!

Benzin“verbrauch“ plus fünf! Das Elektroauto macht es möglich! Denn wann immer gebremst wird, lädt das Auto auf. Und vom hohen Winterberg aus gab es viel zu bremsen. Die Beteiligten erfreuten sich also des geringen Verbrauchs bzw. der Energierückgewinnung. Nachdem die Hälfte der geplanten Strecke geschafft war und das Auto immer noch 66 Prozent Batteriestand anzeigte, wurden die Ausläufer des flachen Münsterlandes erreicht. Peter Bali findet den kleinen Fiat 500 Karabag echt handlich

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Unverhofft kommt oft, und so bot die

Fotos: Sue Nicole Susenburger

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten - als Kameramann konnte noch kurzfristig der CMM-Student Giuseppe Esposito begeistert werden. Sowie ein Dank an die ggf. Leidtragenden, die uns Mittwoch in der BiTS rotieren sahen – ohne euch wäre die Umsetzung manch spontaner, genialer Ideen für wissenschaftliche Experimente nicht möglich gewesen!

Strecke fast alle traditionellen Energiegewinnungsfaktoren aus der Nähe. Gestartet wurde direkt neben einem riesigen Solarfeld. Der Versuch, das Elektroauto dort direkt anzuschließen, blieb allerdings nur ein Gedankenspiel der Fantasie.

Alle Energiequellen auf dem Weg Während der Fahrt konnten es sich die Beteiligten dann nicht nehmen lassen, eine kleine Fotosession vor einem Windpark anzuzetteln. Atemberaubende Filmszenen können im Imagefilm bewundert werden. Und zu guter Letzt darf natürlich das umstrittene Atomkraftwerk nicht fehlen. Die Ereignisse von Fukushima haben bereits gezeigt, wie unbeherrscht dieser Energielöwe sein kann. Doch wo soll all der Strom herkommen? Wohl kaum kann man ganz Deutschland mit Windrädern, Solarflächen und Biogasanlagen zupflastern. Das Elektroauto sorgt sich um seine Energiequelle von Morgen. Noch zählen zu den Hauptenergiequellen fossile Brennstoffe und die Atomkraft. Doch schon bald sind dies jedoch keine Alternativen mehr, der Energiemix der Zukunft wird gesucht. Schon vor Münster war der Versuch rechnerisch gewonnen, denn mehr als 130 Kilometer waren längst geschafft. Aber nun galt es, den Akku restlos leerzufahren. Neben dem Bremsen am Berg gibt es ja noch einen weiteren Trick, wie man Energie sparen kann -

allerdings ist dieser nicht neu: Einfach langsam fahren! Nachdem das Elektroauto von Winterberg aus sogar schon von Traktoren überholt wurde, war es nun an der Zeit, etwas mehr Gas… äh Strom zu geben bis Münster. Allerdings waren Autobahnen zu meiden, denn dort steigt der Stromverbrauch sprunghaft an.

Der Endspurt Auf der Landstraße durch das Münsterland näherte sich die Energieanzeige langsam dem Nullpunkt. Zu aller Überraschung konnten dann sogar noch ein paar Ehrenrunden um das Gebiet der nächsten Starkstromsteckdose gedreht werden. Angekommen am Skaters Palace in

Münster, waren 171 gefahrene Kilometer geschafft! Die Abschleppstange musste also nicht zum Einsatz kommen.

Resümee – Kostenlose Fahrt ins Grüne Das Elektroauto kann was – 171 Kilometer mit einer Akkuladung, und dazu sind die Studenten an diesem Tag gut 400 Kilometer für lau gefahren. Es gibt sie noch, hilfsbereite Menschen und Dinge, die kostenlos sind. In diesem Fall war es Energie aus der Starkstromsteckdose, die diese Tour zur günstigsten aller Zeiten gemacht hat. Text und Fotos: ‚SUE’ NICOLE SUSENBURGER

Geschafft! Markus Foidl freut sich über die 171 gefahrenen Kilometer

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Unsere Hausmeister wissen, wo der

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Das Utopia fßr Autofahrer Eine Stadt zeigt, dass es auch ohne gutes Nahverkehrsnetz geht – oder eben nicht.

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Foto: Daniel Hohmeyer

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Iserlohn: Das letzte Refugium fĂźr Menschen, die einfach mal das Auto nehmen wollen. Mit dem Ausbau von Fahrradwegen, besseren Ăśffentlichen Verkehrsnetzen, hohen ParkgebĂźhren und groĂ&#x; angelegten Kampagnen versuchen viele Städte Ăźberall auf der Welt, Autos und den damit verbundenen Verkehr aus dem Stadtbild zu entfernen. Nicht so Iserlohn. Die 97.000 Einwohner Stadt im Märkischen Kreis scheint das Auto zu lieben. Selbst BĂźrgermeister Peter Paul Ahrens bezeichnet Iserlohn als die autofreundlichste Stadt, in der er je gelebt habe. Etwas, das auf den ersten Blick nicht ganz deutlich wird.

Perfekte Voraussetzungen fĂźr Automobilisten Die Verkehrssituation ist vielen anderen Städten ähnlich und der Ausbau der StraĂ&#x;en nicht auĂ&#x;ergewĂśhnlich. Bei genauerem Hinschauen erkennt man jedoch, dass es kaum Fahrradwege gibt. Kaum jemand geht zu FuĂ&#x; und auch das Ăśffentliche Verkehrsnetz lässt fĂźr eine Stadt dieser GrĂśĂ&#x;e zu wĂźnschen Ăźbrig. Perfekte Voraussetzungen also fĂźr den kompromisslosen Automobilisten. Selbst der Verkehr ist nicht allzu schlimm – fĂźr NRW-Verhältnisse. Zu StoĂ&#x;zeiten kann es zwar vorkom-

men, dass es etwas langsamer voran geht, aber immerhin bewegt man sich noch, etwas, das im Ruhrgebiet nur an wenigen Tagen im Jahr vorkommt und auch nur, wenn Mond und Pluto im richtigen Winkel zur Erde stehen. Ohne Auto kommt man in Iserlohn also nicht weit, vor allem nicht, wenn man in die auĂ&#x;erhalb gelegenen Ortsteile gelangen will. Mit dem Bus kann das schon mal zu einer kleinen Odyssee werden. Darum ab ins Auto und die Fahrt durch eine Stadt frei von falschen Ă–koallĂźren genieĂ&#x;en. AuĂ&#x;er man hat kein Auto‌ das ist dann natĂźrlich doof. Iserlohn ist somit eine Stadt, die, ohne es groĂ&#x;artig politisch zu propagieren, ihre BĂźrger zum Autokauf ermuntert.

KonjunkturmaĂ&#x;nahme fĂźr Autoindustrie

anrichten, ist nichts Neues, genauso wenig wie das Aufstellen von Schildern mit der Aufschrift „StraĂ&#x;enschäden“. Damit das Problem aber als behoben anzusehen, ist neu. Eine Vorgehensweise, die sich offenbar wachsender Beliebtheit erfreut. Verständlich, die Kassen sind schlieĂ&#x;lich klamm und Investieren in die Infrastruktur war ohnehin so ein 90er Jahre Ding. Wer in Iserlohn also von A nach B will, benutzt keine Ăśffentlichen Verkehrsmittel, kein Fahrrad oder läuft. Er fährt. Und um nicht auf ewig in einem Schlagloch zu verschwinden, steuert er am besten etwas mit groĂ&#x;en Rädern und viel Bodenfreiheit. Denn in Iserlohn ist das noch mĂśglich, dem vielleicht letzten Refugium fĂźr Menschen, die fĂźr den kurzen Weg zum Bäcker einfach mal das Auto nehmen wollen. DANIEL HOHMEYER

Der Mangel an alternativen TransportmĂśglichkeiten muss demnach keineswegs als Nachteil verstanden werden, sondern als KonjunkturmaĂ&#x;nahme zur UnterstĂźtzung der deutschen Autoindustrie. Toll Iserlohn. Einziger Wermutstropfen fĂźr den Autoenthusiasten sind die StraĂ&#x;enverhältnisse. Dass harte Winter Schäden

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Angeschaut: Black Swan

Ich saß im Westflügel meines für das Auslandssemester in Australien angemieteten Anwesens, als mir mein Butler eiligst das rote Telefon anreichte. Aus dem Herzen des Campus am Seilersee erreichte mich der Aufruf, auch dieser BiTSLicht-Ausgabe wieder durch eine meiner Glossen, ein Flair von Intellekt und messerscharfer Analytik zu verleihen. Zwar war ich ein wenig pikiert, dass man nicht den, von mir eigens für solche Zwecke installierte, Signalscheinwerfer auf dem Dach des Unigebäudes benutzte, aber selbstverständlich konnte ich nicht ablehnen. Auch wenn die Leitung eigentlich nur für Anrufe von Obama, dem Papst und Emma Watson reserviert ist. Nichtsdestotrotz begann ich, mich mit dem Titelthema „Grenzgänger” auseinanderzusetzen. „Grenzgänger”. Ein großer Begriff. An die Grenzen zu gehen, sich selber zu überwinden - sind das nicht die Dinge, die wir ohnehin schon jeden Tag tun? Wahrlich, niemand führt vermutlich ein solch entbehrungsreiches Leben wie ein Stude -Wie war das? Ja, Sie da ! “Lächerlich” sagen Sie?… Ich hasse es, wenn Leute geradewegs am Ironie-Zeichen am Eingang vorbeigehen. Datt hab‘ ich nich‘ aus Spaß dahin gehängt. Können wir hier weitermachen? Ja? Danke! – Also, kaum eine Kreatur auf Gottes grüner Erde kann es wohl nachvollziehen, wie unglaublich grenzgängerisch das Studentenleben ist. Doch so verlangt es schon eine gewaltige Portion Mut und auch ein wenig Wahnsinn, dem Wecker, morgens um 14 Uhr, auch tatsächlich nach 15maligen betätigen der Schlummertaste Gehör zu schenken. Aber einmal aufgestanden, weht dann auch eine Brise des Erfolgs um einen und man hat das Bedürfnis zu schreien: “Hallo Welt, was hältst du heute wieder für Widrigkeiten für mich

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bereit, denen ich mich mit gewohntem Selbstbewusstsein entgegen stellen werde!?”. Die Welt antwortet dann üblicherweise in Form des Nachbarn, der einen freundlich aber bestimmt darauf hinweist, dass er in Ruhe “Mitten Im Leben” gucken möchte (da Kinder mitlesen könnten, habe ich einfach mal Begriff wie K*****, H******* und X************@* ausgelassen). Auch sonst sind Studenten natürlich absolute Draufgänger, eine explosive Mischung aus Indiana Jones und Snoopy. Und ich meine nicht den faul auf der Hütte liegenden Snoopy, nein, ich meine den Snoopy mit feschem Schal und Fliegerbrille, der sich tollkühn in die Lüfte schwingt! Mit ähnlichem Selbstverständnis gehen wir das Leben an, wenn der Dozent mal wieder meint: “Und fangen sie nicht zu spät mit der Arbeit an, sonst kommen sie nicht hinterher”. Der Grenzgänger in uns weiß, dass dies eher ein Herausforderung denn eine Warnung ist, im Subtext schwingt ein “tu es, tu es” mit, das wir mehr als herzlich begrüßen. Denn so bleibt Zeit für unsere anderen etwaigen extremen Aktionen. Wie etwa einen Wocheneinkauf mit einem 10 Euro Schein zu bestreiten, weil das restliche Budget für die total notwendige Anschaffung des halben KickerAusgabenbestandes des Jahres 1995

drauf gegangen ist. Da werden schon mal Schnitzel zum Drittel des Preises im Jürgen Klopp-Stil gefeiert. Und diese Schnitzel, dessen Haltbarkeitsdaten ungefähr mit dem Erscheinungsdatum gerade erwähnter Kicker-Ausgaben übereinstimmen, noch zu essen. Das, ja das, Kinder, ist wahre „Grenzgängerei“. Grenzgängerigkeit? Grenzgängertum? Wie auch immer, das rote Telefon klingelt. Ich hoffe, dass es das Fräulein Watson ist, aber wenn Obama mir schon wieder die Ohren vollheulen will, lasse ich doch lieber den AB dran gehen. CHRISTIAN FERREIR A

„Letzte Nacht hatte ich einen verrückten Traum von einem Mädchen, das in einen Schwan verwandelt wird. Nur die Liebe kann den Fluch brechen, aber ihr Prinz verliebt sich in eine Andere und sie nimmt sich das Leben.“ Es war der Traum einer Figur, belebt von Darren Aronofsky im Januar 2011 in seinem Psychothriller „Black Swan“. Gespielt von Natalie Portman sollte das Schicksal der Ballerina Nina Millionen Zuschauer in die Kinosäle locken. Der Spiegel - für Tänzer ein unabdingbarer Gegenstand. Jeder Schritt muss perfekt sitzen, jede Bewegung makellos sein. Der Ausdruck muss die Masse bewegen. Der Blick in den Spiegel bedeutet Selbstkontrolle. Doch Verbissenheit und das Streben nach Perfektion haben selbstzerstörerisches Potenzial. Das eigene Spiegelbild wird zum Feind und „der einzige Mensch, der dir im Weg steht, bist du.“ Genauso ergeht es Nina, als sie die Rolle des Schwans in der New Yorker Neuaufführung von Tschaikowskis „Schwanensee“ tanzen darf. Die Schwanenkönigin muss den schwarzen und weißen Schwan tanzen. Unschuld und Jungfräulichkeit - dafür steht der weiße Schwan. Der schwarze hingegen verkörpert sexuelle Leidenschaft und Lust. Der strenge Direktor des Ensembles, Thomas (Vincent Cassel), sieht in Nina nur den weißen Schwan: „schön, verängstigt, zerbrechlich.“ Doch für die Rolle des schwarzen Schwans braucht man Sexappeal. Für Tänzerin Lily (Mila Kunis) kein Problem. Thomas ist begeistert: „Sieh mal, wie sie sich bewegt - sinnlich - nichts ist vorgetäuscht.“ Wenn Leidenschaft zur Obsession wird… Der Druck und Konkurrenzkampf treiben Nina in den Wahnsinn. Sie kratzt sich die Schulter blutig und zieht halluzinierend eine schwarze Feder aus ihr heraus. Zu Hause sieht sie Bilder reden. Ihre Augen verfärben sich rot, ihre Beine verwandeln sich in die eines Schwans. Die unschuldige Schönheit entdeckt ihre dunkle Seite: In ihrer Vorstellung schläft sie mit Lily - leidenschaftlich und wild - wie der schwarze Schwan. Was ist Realität, was Vorstellung?

Die Premiere: Der Vorhang geht auf und Nina betritt die Bühne. Sie sieht und hört Dinge, die nicht existieren: In der Pause ersticht sie Lily mit einer Scherbe. Während sie tanzt wachsen ihr schwarze Flügel. Sie ist der Schwan. Alles läuft nach Plan: Das Stück endet mit dem Tod des Schwans. Das Publikum tobt und die Tanzkollegen wollen Nina zu ihrem grandiosen Auftritt gratulieren. Zu spät bemerken sie die blutende Wunde in ihrem Bauch. Nina geht ein Licht auf: Sie hatte nicht Lily umgebracht, sondern sich selbst. Ihre letzen Worte: „Ich war perfekt, ich habe es gefühlt.“ Drehbuch und Requisite begeistern mit Einfachheit Ohne große Lyrik fesselt das Drehbuch den Zuschauer. Die Figuren aus dem Ballettstück werden von den realistischen Charakteren repräsentiert. Zudem wird die Handlung aus der Sicht der Protagonistin präsentiert. Ob es sich bei ihren krankhaften Halluzinationen um Realität handelt, weiß der Zuschauer erst, als es Nina selbst begreift. Die Spannung steigt bis zum Ende, wenn sich die Handlung des Filmes sogar mit der des Theaterstücks vermischt. Nina fällt ihrer Obsession zum Opfer und stirbt - genauso wie das Theaterstück mit dem Tod des weißen Schwans endet. Ninas Traum am Anfang des Films hat sich bewahrheitet: Das Mädchen hat sich in den Schwan verwandelt und sich das Leben genommen. Eine dunkle Atmosphäre zieht sich durch den gesamten Film. Schwarz und weiß dominieren - auch in der Kostümierung. Die Macher des Filmes begeistern mit einfacher Requisite. Erschreckend ist der Moment, als sich die Darstellerin bewegend im Spiegel betrachtet und sich ihr Spiegelbild nicht synchron mit ihr bewegt. Noch nie war eine Nagelschere so ekelerregend. Gänsehaut ist garantiert, wenn sich Nina manisch ihre Nägel blutig schneidet. Grandioser Film wird preisgekrönt Doch was wäre all das ohne gute Rollenbesetzung? Für ihre grandiose schauspielerische Leistung gewann Natalie Portman vier Preise - darunter den Oscar. Zu Recht, denn der Zuschauer spürte ihren Schmerz, lebte ihr Schicksal. Der Wechsel zwischen

Unschuld und sexueller Leidenschaft, Schönheit und Grauen, Bewusstsein und Identitätsverlust - Portman war Nina. Schwanensee - es ist das wohl bekannteste Ballettstück der Welt. Ästhetisch und grazil. Doch nicht bei Aronofsky. Sein Schwanensee ist düster und beängstigend. Allein schon diesen Wandel zu schaffen, verdient großes Lob. Gelobt sei auch die Lehre des Films: Wenn Leidenschaft zu Obsession wird, zerstört man sich selbst. Für solch gute Arbeit hat sich der Film auch den „Independent Spirit Award“ mehr als verdient. LINA ZAR AKET

Fotos: Charlotte Druwe / Pixelio

Ferris‘ Glosse

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Angelesen: Faserland

Angehört: Kastelruther Spatzen

Reise oder Flucht? Ein Protagonist auf der Suche nach sich selbst

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eher von sich wegstößt. Trotz der teils seltsamen Erlebnisse kann sich der Leser mit dem Ich-Erzähler identifizieren und hat Mitleid mit ihm. Gerade gegen Ende wird deutlich, wie verzweifelt er ist. Die Flucht oder auch die Suche nach Anerkennung verwandelt ihn in ein Wrack, das kurz davor ist, Selbstmord zu begehen. Kracht spricht mit der Alltagskultur das breite Publikum an, das sich durch die Umgangssprache, die Marken und bekannte Orte gut in das Buch hinein versetzen kann. Zu Recht ist „Faserland“ eines der bekanntesten Werke der Popliteratur. NATHALIE KIRSCH

Fotos: pixelio

ermessliche. Ein arroganter Dandy, der im Grunde nur auf der Suche nach ein wenig Anerkennung ist, flieht vor sich selbst, anstatt sich den bevorstehenden Konflikten zu stellen. Selbstüberschätzung, Beziehungsunfähigkeit und das Verwenden von Vulgärsprache sind Folgen seiner Unsicherheit. Christian Kracht schafft es, dem Leser durch seine anschaulichen Darstellungen ein genaues Bild des Protagonisten zu vermitteln, obwohl er wenig Fakten, wie zum Beispiel seinen Namen, von ihm preisgibt. Der IchErzähler hat nur wenige Freunde, da er durch seine Kommunikations- und Beziehungsunfähigkeit, sowie seine arrogante Art, die meisten Menschen

Fotos- Daniel Hohmeyer

Der 1995 erschienene Debütroman von Christian Kracht, „Faserland“, zählt heute zu den bekanntesten Vertretern der Popliteratur. Popliteratur? Für die meisten ist dieser Begriff Neuland. Sie öffnet sich der Massen- und Alltagskultur und hat üblicherweise einen Außenseiter als Protagonisten. So gehört auch der namenlose Ich-Erzähler aus dem Roman zu einer gesellschaftlichen Randgruppe. Das häufige Verwenden von Markennamen, die Darstellung banaler Alltagserlebnisse sowie Vulgärund Umgangssprache sind wichtige Merkmale der Popliteratur. Christian Kracht ist einer ihrer bekanntesten Vertreter. Mit seinem Buch „Faserland“ schaffte er es nicht nur als Abiturthema in die Klassenräume, sondern auch auf zahlreiche Bestsellerlisten. Auch wenn Kracht selbst abstreitet, Popliterat zu sein, sind alle Merkmale der Postmoderne in seinem Buch zu finden. So begibt sich der anspruchsvolle und von Vorurteilen gespickte Ich-Erzähler auf eine Reise und auf die Suche nach Veränderung. Durch seine finanziellen Mittel sind ihm hierbei keine Grenzen gesetzt. Deutlich wird die Überforderung, die durch einige Konflikte während seiner Fahrt vom Norden in den Süden Deutschlands und über die Landesgrenze hinaus in die Schweiz entsteht. Der Protagonist versucht individuell und gleichzeitig ein akzeptierter Teil der Gesellschaft zu sein. Monologe statt Dialoge nehmen jedoch einen Großteil seiner Zeit in Anspruch. Er achtet auf Details und legt Wert auf sein Äußeres. Zudem bittet er nie jemanden um Hilfe, ignoriert Probleme und läuft vor ihnen davon. So entwickelt sich seine Reise auch im Laufe der Zeit vielmehr zu einer Flucht vor der Realität. Er ist gezwungen, auf seiner Reise einige wichtige Entscheidungen zu treffen, die sein künftiges Leben beeinflussen werden. Nicht nur der übermäßige Alkohol- und Drogenkonsum, gepaart mit häufigen Sexparties, macht aus ihm einen unsicheren, oberflächlichen Mann. Der Druck, allen gerecht zu werden und seinen Status nach außen hin zeigen zu müssen, steigt gegen Ende des Buches ins Un-

Die schrecklich heile Bergwelt

Diesmal stellen wir ein ganz besonderes Musikschmankerl in der Rubrik „Angehört“ vor: Die Kastelruther Spatzen, eine volkstümliche Schlagerband aus Südtirol. 2010 veröffentlichten die Kastelruther Spatzen ihr Album „Immer noch… wie am ersten Tag“ und landeten damit einen weiteren Erfolg in ihrer über 25-jährigen Musikkarriere. Das Erfolgsprinzip der Spatzen liegt klar darin, dass sie alle Klischees erfüllen: Sie tragen Trachten, wandern in den Bergen und die Musik klingt immer gleich: Trompete, Schlagzeug und Keyboard werden mit glockenartigen Synthesizer-Sounds zu einem eintönigen Brei vermengt, der durch extrem langweilige und biedere Texte ergänzt wird. Die Themen, die in diesem Al-

bum von Norbert Rier, dem Frontmann, besungen werden, unterscheiden sich höchstens in der Wortwahl voneinander. Titel wie „Ich umarme dich“, „Ich bin stolz auf dich“ oder „Du hast an mich geglaubt“ handeln von Liebe und Familienglück, Dankbarkeit und vor allem von der Heimat. Sie bilden so die gesamte Palette der heilen Alpenwelt ab. Leicht zu verstehen, eingängig und sehr unaufgeregt. Wer etwas zum Ne-

benbeihören sucht oder Schlager mag, ist mit dieser CD sicherlich zufrieden. Abwechslung oder auch Realitätsnähe sucht man bei den Spatzen jedoch vergebens. Und so ist der Titel des Albums auch gleichzeitig das Motto der Band: „Immer noch…wie am ersten Tag“. MYRIAM APKE

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Geistesblitz

....das war‘s schon wieder!

20 Die nächste Ausgabe erscheint im Dezember 2011. Wenn ihr Lust habt, mitzumachen oder Ideen für Artikel habt, meldet Euch gerne jederzeit bei uns: chefredaktion@bitslicht.de. Anzeige

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