BiTSLicht 13

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Juni 2008

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Die Generation SpaĂ&#x; ...

JĂźrgen von der Lippe im Interview. Seite 36

Alkohol und Gott - Eine neue Kombination? Seite 32

Schockierende Werbung auf dem Vormarsch. Seite 38



Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Wie sagt ein gewisser BiTS-Dozent immer so schön: „Studium heißt Verzicht.“ Das nehmen zwar nicht alle so genau, aber dennoch lässt sich in unserer Generation wieder ein Trend zum Bodenständigen feststellen. Nicht zuletzt nach den Werbespots eines großen deutschen Baufinanzierers scheinen Spießer wieder „in“ zu sein – zumindest werden sie respektiert. Die Spaß-Generation, die ihr Studium eher als Anlass zum exzessiven Feiern sieht und stolz darauf ist, wenn man mal wieder mit verklatschter Visage im Hörsaal sitzt, stirbt mehr und mehr aus. Nicht selten rollen gerade ältere Menschen mit den Augen, wenn sie das Wort „Student“ nur hören – und die viel zitierte „Jugend von heute“ hat bei ihnen sowieso einen schweren Stand. Viele werden sagen: „Zu Recht!“ Aber dennoch muss

Impressum

Foto: Kristin Borlinghaus

was waren das noch für Zeiten, als der längst in Vergessenheit geratene NDW-Barde Markus mit beneidenswerter Heiterkeit „Ich geb Gas, ich will Spaß“ trällerte. Die meisten aktuellen Studenten waren da noch nicht einmal geboren – und kennen auch den guten Markus nicht. Doch mehr als zwanzig Jahre nach dem Song scheint die Stimmungslage in „unserer“ Generation nicht viel anders zu sein. Man genießt das Leben, schwebt verträumt im Hier und Jetzt und nur noch die, die sich in ein paar Jahren einmal „High Potentials“ schimpfen dürfen, sehen schon mit Anfang zwanzig eine echte Perspektive für ihr weiteres Leben. Doch ist das wirklich so?

Simon Engels & Janni Deitenbach

man dieser Generation die Chance geben, sich von einer anderen Seite zeigen zu dürfen. Junge Menschen, die sich ins Koma saufen, sind die Spitze des Eisbergs. Dessen Basis schmilzt jedoch langsam, aber sicher und fließt in den breiten Gulli, der sie in die weite Welt der Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten hinausspült. Man muss nur schauen, dass man zu denen gehört, die früh genug auftauen. Wenig investigative RTL 2-Reportagen über denkwürdige Sauf-Fahrten nach Lloret de Mar oder Bulgarien will keiner mehr sehen – da schämt man sich eher fremd. Chefredaktion: Simon Engels und Janni Deitenbach

BiTSLicht Ausgabe 13, Juni 2008 Herausgeber: BiTSLicht e.V. Reiterweg 26, 58636 Iserlohn Telefon & Fax: 02371 / 776 - 301 E-Mail: info@bitslicht.de Internet: www.bitslicht.de Auflage: 1.700 Stück

Vorstand: Janni Deitenbach, Ronny Sachse und Gerrit Meißler Anzeigen & Marketing: Laura Köchling Layout: Andrea Scheffler, Philine Lietzmann und Julian Jaursch

Trotzdem, liebe „Generation Spaß“, muss euch etwas Wichtiges mit auf den Weg gegeben werden: „Ein bisschen Spaß muss sein, dann ist die Welt voll Sonnenschein“. Die Betonung liegt auf „ein bisschen“ – aber Roberto Blanco hat es eben immer schon gewusst! Viel Spaß mit der 13. BiTSLicht-Ausgabe wünschen Ihnen Janni Deitenbach, Simon Engels und die gesamte Redaktion des

BiTSLicht. Redaktion: Desirée Backhaus, Sonja Baier, Anna-Lena Daniels, Merete Elias, Eugen Friesen, Sarah Gottschalk, Jonas Grürmann, Florian Hintze, Julian Jaursch, Jennifer Jung, Philine Lietzmann, Jessica Nitschke, André Regulin, Wolfgang André Schmitz, Tim Schneider, Tom Steller, Sarah Thomsmeyer, Marie Ting, Stephanie Titzck, Alexandra Vesper und Lena Wouters

Bildredaktion: Kristin Borlinghaus

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Inhaltsverzeichnis

Titelthema 17

Generation Spaß

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“Heute mach ich den Hamlet ...”

25 Deutschland sucht den Super-Teenie 28 Was machen die denn da? 30 Bissig, aber nicht giftig! 32 Partys, Alkohol und Gott

Heimatkunde 6

Neues aus den BiTS Ressorts

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Unser neuer Partner

10 “Fünf Freunde müsst ihr sein... “ 11 Studium mit dem “Bio-Siegel” 12 Neuer Stern am BiTS-Himmel 14 Heimatgewächs und Importpflanze

Über Leben

34 Fastfood und Schokoriegel 36 „Für die Künstler ist kein Platz mehr.“ 38 Mit Blut werben 41 Vergifteter Hummer

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Inhaltsverzeichnis

Aufstieg

46 “Mr. Mercedes” im Ruhestand 49 Entdeckt als “zwölfjähriger Pups” 52 Armani statt Ausbildung

Ansichtssache

54 Überwachung? Na und? 54 Hilfe! Familienfest! 55 The Wittler for President! 56 “Journalismus ist, klug zu Fragen.” 58 Prof. Dr. Volker Busch im Interview

Versuchsgebiet

44 Angeschaut: Erin Brockovich 44 Angelesen: Generation Doof 45 Angehört: The Devil, You + Me

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Heimatkunde

Neues aus den BiTS Ressorts Pokern mit BiTS-2-Society In diesem Jahr gibt es bei BiTS-2-Society wieder einiges zu tun: Jedes Semester sollen nun ein Blutspendetag und zum Weltaidstag ein Aidsschleifenverkauf stattfinden. Natürlich kümmert sich das Team auch immer noch einige Male im Monat um kranke Kinder, die eine lange Zeit im Krankenhaus verbringen müssen. Trotz der vielen Arbeit haben sie zum Sommersemester 2008 zwei neue Projekte in ihr Programm aufgenommen: Premiere feierte in diesem Jahr der Bücherflohmarkt, der Anfang des Semesters zum ersten

Mal stattgefunden hat. Jeder Student konnte seine gebrauchten Bücher über BiTS-2-Society verkaufen und somit den jüngeren Studenten die Chance geben, günstige Fachbücher zu ergattern. Für alle Beteiligten ein super Geschäft! Ebenfalls an den Start ging das BiTS2-Society Pokerturnier. Alle BiTSler konnten mit fünf Euro Teilnahmegebühr Pokern was das Zeug hält und verschiedenste Sachpreise gewinnen. Das gesammelte Geld ging selbstverständlich auch wieder an hilfsbedürftige Einrichtungen.

BiTS-TV startet Newscast Das TV-Ressort BiTS-TV hat einen regelmäßigen Newscast gestartet. Ständig wird über aktuelle Ereignisse auf und rund um den Campus Seilersee in einem kurzen Magazin berichtet. In jeder Folge werden drei bis vier aktuelle Themen aufgegriffen und vorgestellt. Der Newscast wird im Internet gestreamt und bietet so allen

Interessierten die Möglichkeit, sich weltweit über die letzten Neuigkeiten an der BiTS zu informieren. Zurzeit sind die Sendungen nur auf der Internetvideoplattform „YouTube“ verfügbar. Es ist aber in Planung, sie sobald wie möglich auf der Seite von BiTSTV und im Portal der Hochschule zu veröffentlichen.

Unsere BiTS soll schöner werden! Viele Studenten denken, dass die Wände der BiTS definitiv zu kahl sind. Das Marketing & PR-Ressort hat die Lösung: Unsere Hochschule soll schöner werden! Dieses Jahr beschäftigt sich das Team aber hauptsächlich wieder mit dem Image der BITS. Die Studenten fahren auf Messen, wo sie die Hochschule repräsentieren und vorstellen. Außerdem sind sie an den Infotagen präsent und besuchen ihre alten Schulen, um zukünftige Abiturienten über ihre Hochschule zu in-

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formieren. Doch nicht nur das: Das Ressort hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, die BiTS freundlicher zu gestalten. Mit berühmten Zitaten, Sprüchen, sowie Party- und Auslandssemesterfotos sollen die Wände geschmückt und endlich einmal „aufgepeppt“ werden. Dadurch erhofft sich das Team eine einladendere und interessantere Atmosphäre für die Studierenden schaffen zu können.


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Heimatkunde

Unser neuer Partner Amerikanischer Investor Laureate Education übernimmt Mehrheit an der BiTS.

Die Nachricht über die Partnerschaft mit Laureate Education kam für die Studenten der BiTS Iserlohn plötzlich und überraschend. Vorher gab es nur wilde unbestätigte Gerüchte. Seit der Übernahme kursieren Fragen in den Köpfen der Studenten, welche Neuerungen auf sie zukommen - und warum die Hochschule überhaupt verkauft wurde. Die Geschäftsführung der BiTS hatte bereits im Vorfeld nach diversen Partnern Ausschau gehalten, um die Nachfolge für Herrn Walthers „Lebenswerk“ zu sichern. Laureate Education schien dabei der geeignetste Teilhaber zu sein. Seit dem 31. Dezember 2007 hält die Gesellschaft 76% der Anteile der Hochschule. Die restlichen 24% behielt der Präsident und Gründer der BiTS Dietrich Walther. Auf Wunsch könne er auch sein Leben lang Präsident der Hochschule bleiben. Außerdem

wurde ihm ein VetoRecht eingeräumt, das er bei zentralen

300.000 Studenten im weltweiten Uni-Netzwerk Entscheidungen, die die Hochschule betreffen, nutzen kann. Laureate Education Inc. ist ein privater Bildungskonzern mit Sitz in Baltimore/Maryland (USA), der Privatuniversitäten und Hochschulen betreibt und miteinander vernetzt.

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Das Unternehmen war an der New Yorker Börse im NASDAQ gelistet, bevor es im August 2007 von einer Investorengruppe komplett übernommen wurde. Das Unternehmen verfügt nach eigenen Angaben über Niederlassungen in insgesamt 18 Ländern, mit insgesamt über 300.000 immatrikulierten Studenten und mehr als 23.000 Mitarbeitern weltweit. Mit der BiTS Iserlohn startet Laureate den Eintritt in den deutschen Bildungsmarkt, einem der größten im internationalen Vergleich. Der Konzern erhofft sich durch diese Partnerschaft, sein Netzwerk von Universitäten und Hochschulen in Nord- und Osteuropa aufzubauen. Somit öffnete sich der amerikanische Konzern mit der Beteiligung an der BiTS Iserlohn das „Tor“ zu einem bislang noch nicht erschlossenen Markt. Aber nicht allein der Standort Deutschla nd

war Grund für eine Zusammenarbeit mit der BiTS. Auch ihre gute Positionierung auf dem deutschen Hochschulmarkt, die sie seit der Gründung im Jahr 2000 erlangen konnte, ist laut David Graves, Präsident der Schweizer Laureate Hospitality Education, Ausschlag gebend gewesen. Ein weiteres Ziel soll die Verwirklichung der BiTS-Filialen in Goslar und Wittenberg sein, die schon seit geraumer Zeit geplant sind. Die Geschäftsführung will mit dem Bildungskonzern die Netzwerke zu den anderen Laureate-Hochschulen nutzen, um auch ausländische Studenten für die Iserlohner Hochschule zu gewinnen. Die größte Veränderung für die Studenten des Campus Iserlohn wird laut Dietrich Walther die Aus-

weitung von derzeit 700 auf bis zu 1300 Studierende sein. Denn schon im Jahr 2009 soll der Bachelor-Studiengang „Hospitality Management“ eingeführt werden.

Neuer Studiengang: Hospitality Management Vor allem sollen die vorhandenen räumlichen Kapazitäten während der Semesterferien effizienter genutzt werden. Aber nicht nur aus diesem Grund biete sich dieser Studiengang an, so Ulrich Freitag Geschäftsführer der BiTS. Durch die Schweizer Universität „Glion

Institute of Higher Education“ sei Laureate bereits mit dem Touristikwesen und Hotelmanagement vertraut und könne das Studienprogramm jetzt auch in Iserlohn anbieten. „Hospitality Management“ gehe über den Bereich „Hotelmanagement“ hinaus und werde nicht wie im sonst bekannten Semesterrhythmus erfolgen, denn durch besondere Praxiselemente sei der Studiengang nicht in den normalen Ablauf einzugliedern, so Freitag weiter. Weitere Änderungen wird es auf jeden Fall noch geben – in welchem Ausmaß, weiß aber wohl derzeit nur Laureate. Anna-Lena Daniels & Sarah Gottschalk


Heimatkunde

Josef, Sport & Event Management, 3. Semester „Von der Hochschule selbst hat man ja zu diesem Thema nichts erfahren. Man brauchte schon die Presse um sich eine Meinung bilden zu können. Die Gefahr dieser Partnerschaft sehe ich darin, dass Laureate eine Aktiengesellschaft ist und dass vielleicht deshalb die Gemeinnützigkeit der gGmbH BiTS verschwinden könnte. Eine Chance ist aber sicherlich die Internationalisierung der Studiengänge. Man kann bestimmt auf Kontakte und Kompetenzen anderer Laureate-Hochschulen zurückgreifen. Aber großartige Veränderungen sind ja bis jetzt noch nicht bemerkbar.“

Esther, Business Journalism, 2. Semester „Eigentlich kann ich gar nicht viel dazu sagen. Man hat von der Hochschule selbst nicht so viele Infos bekommen – es wurden ja weder Vor- noch Nachteile vermittelt. Das einzige, was ich bisher gemerkt habe, war das Werbeverbot für die „Born Porn-Party“. Ich hätte nicht gedacht, dass Laureate schon auf so niedriger Ebene eingreift.“

Jonas, Communication & Media Management, 5. Semester „Bis jetzt habe ich nur das erfahren, was im Portal stand und was Herr Walther auf der Studentenvollversammlung gesagt hat. Ich persönlich erhoffe mir, dass ich Kontakte ins Ausland knüpfen kann und dort zum Beispiel Praktika zu bekommen. Auch für die nachfolgenden Studentengenerationen werden die Kontakte zu anderen Laureate-Hochschulen von Vorteil sein, besonders natürlich für Auslandsaufenthalte. Sonst habe ich eigentlich noch keine Veränderungen bemerkt, außer die Umbenennung der „Born Porn-Party”. Ich habe aber gehört, dass Laureate ein Marketingteam schickt, welches zum Beispiel die Logos der BiTS verändern soll.“

Fotos: Daniels; Gottschalk

Steffen, Communication & Media Management, 3. Semester „Das ist eine zwiespältige Angelegenheit: Zum einen ist die BiTS mit einem finanzkräftigen, global agierenden Partner langfristig gesichert, was auch späteren Studentengenerationen zu Gute kommt. Auf der anderen Seite muss die BiTS ihre Identität, ihre Werte und ihren Kontakt zu den Studenten in dieser Form aufrecht erhalten, wenn nicht sogar verbessern. Vor allem die interne Kommunikation stößt nicht nur mir sauer auf!“

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Heimatkunde

„Fünf Freunde müsst ihr sein...“ Die BiTS-Fußballmannschaft beim Cup der Privaten in Berlin.

„Uuund – Anpfiff”, brüllt Andre Kaiser in sein Mikrofon und eröffnet das erste Spiel des diesjährigen „Cup der Privaten“. Der frühere Moderator der legendären Fußballsendung „ran“ lieh dem größten Hallenfußballturnier privater Hochschulen in diesem Jahr seine Stimme. Vom 24. bis zum 27. April wetteiferten 48 Mannschaften aus insgesamt acht europäischen Nationen um den Titel des besten Indoor-Soccer-Teams.

Durch Nebelschwaden treten die Spieler wie Gladiatoren auf‘s Feld, zuerst die BiTSler und dann ihre Gegner, das Team „EigenArt“ von der TU Berlin. Die erste Halbzeit endet torlos, obwohl allen Beteiligten der Ehrgeiz anzumerken ist. Auch in den zweiten sieben Minuten gelingt

Foto: Medienprojektteam CMM2

Sportfreunde aus St. Gallen, Maastricht, Wien oder St. Petersburg reisten extra nach Berlin, um beim fünften Jubiläum des Cups anzutreten. Unter dem Motto „business meets soccer“ ließen es insgesamt 1000 Spieler und Begleiter gehörig krachen. In den zehn Minuten, die ein Spiel dauert, herrscht bei den Sportlern höchste Konzentration. Keine Zeit für Interviews oder einen Blick zur Seite. Alle Augen ruhen beständig auf dem runden Leder oder den sich darum windenden Beinen. Der Favorit St. Gallen bezaubert durch sagenhaften Fußball, doch weiter als bis ins Viertelfinale geht es für die Schweizer nicht. Weit nach vorn spielte sich allerdings die Mannschaft der BiTS: In der Vor-

runde müssen David Kaessler, Andreas Steinberg, Philipp Dörk, Rresart Krasnitschi, Bastian Görrissen, Robert Arnold, Malte Witt, Fabian Gundlach und Ruben von Rhein nur ein Spiel verloren geben. Auch in der Runde der letzten 16 läuft es rund für die Iserlohner Jungs: Nach anfänglichen Ermüdungserscheinungen können sie auch das Achtelfinale für sich entscheiden. Im Viertelfinale macht es die BiTSMannschaft spannend und zieht erst nach dem Neun-Meter-Schießen ins Halbfinale ein, wo sie dann die Mannschaft „Inferno München“ von der LMU aus dem Turnier werfen. „Mit einem Einzug ins Finale hätte niemand gerechnet.“, sagt Fabian, einer der Stürmer. „Das letzte Spiel der Vorrunde war eine Katastrophe und nun stehen wir im Finale – unglaublich. Wer weiß, vielleicht führt uns unser Weg ja noch ein Stück weiter…“, fügt er hoffnungsvoll hinzu.

Bis ins Finale. Das Neun-Meter-Schießen entschied zwischen Sieg und Niederlage.

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es keiner Mannschaft, das Spiel durch ein Tor zu entscheiden. Neun-MeterSchießen im Finale – spannender hätte es nicht werden können. Mit eiserner Konzentration verwandeln beide Teams einen „Neuner“ nach dem Anderen, bevor der Torwart der TU Berlin einen Schuss pariert. Abwenden konnte BiTS-Torwart Basti Görrissen die drohende Niederlage auch nicht mehr und der Vorjahressieger „EigenArt“ feiert

Neun-Meter-Schießen im Finale in ekstatischem Geschrei den Sieg. Grenzenlose Enttäuschung steht den Iserlohner Kickern ins Gesicht geschrieben. Ein Wehmutstropfen: Basti Görrissen, der zum Spieler des Turniers gekürt wurde. Nach der Siegerehrung am zweiten Spieltag sollen die feierfreudigen Sportler noch einmal auf ihre Kosten kommen: Im äußerst dekadenten Club „Spindler & Klatt“ direkt an der Spree können abends Niederlagen weggetrunken und Siege gefeiert werden. Die Erschöpfungen des finalen Spieltages sind hier kaum jemandem anzumerken. Schon am Freitag, bevor die Endrunde begonnen hatte, wurden Spieler und Fans in die „Puro Skylounge“, einem Club im 21. Stockwerk in der Mitte Berlins, geladen und spätestens beim Hit „Football’s Coming Home“ bebte die Tanzfläche. Eine durchweg positive Bilanz zieht „Dima“, der Hauptorganisator des Cups der Privaten 2008. Alles habe bestens geklappt. Aber damit nicht genug: Die Neuauflage im nächsten Jahr wartet mit einem noch größeren Pokal und einem verbesserten Rahmenprogramm, sowie neuen Locations auf – vielleicht auch mit einem neuen Favoriten: Dem Team der BiTS Iserlohn. Medienprojektteam CMM2


Heimatkunde

Studium mit dem „Bio-Siegel“ Mit „Eco Management“ startet ein neuer Studiengang an der BiTS in Iserlohn.

Das Prädikat „Öko“ ist schon lange nicht mehr nur ein Trend. Automobilhersteller kündigen etliche Fahrzeuge mit Hybridantrieb an, Bio-Lebensmittel sind beim Discounter bereits ein fester Bestandteil des Sortiments. Ökologisches, nachhaltiges Handeln ist aus dem modernen Management nicht mehr wegzudenken. Deswegen reagiert die BiTS und startet mit „Eco Management“ zum Wintersemester 2008/09 am Campus Seilersee den inzwischen sechsten Bachelor-Studiengang.

Laureate, genutzt und das Studieren in Brasilien, Indien oder Mexiko möglich gemacht werden - sind die Probleme durch sich verknappenden Ressourcen und zunehmende Umweltbelastungen doch weltweit zu spüren. Im fünften und sechsten Semester können die Studierenden aus mehreren Optionen ihre Vertiefungsgebiete wählen. Von Gebieten wie „Eco Marketing“ oder „Sustainable Entrepreneurship“ sollen auch die anderen Studiengänge profitieren. Als Beimischung stehen den „Eco Managern“ Vertiefungsgebiete aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich offen.

Gerade als der Benzinpreis die magische Marke von 1,50 Euro überschritten hatte, wurden die Studenten der BiTS von der Meldung überrascht, dass demnächst Kommilitonen neben ihnen in einem neuen Feld studieren. Der neue Studiengang weist in den ersten drei Semestern wenig Unterschiede zu den anderen Studiengängen der BiTS auf.

Die BiTS hat als Studiengangsleiter einen neuen Professor an den Campus Seilersee geholt: Prof. Dr. Thomas Meuser, der seit mehreren Jahren an Hochschulen zum Thema Umweltmanagement doziert. Er hat nicht nur gelehrt, sondern auch bei mehreren Projekten praxisnah gewirkt und kennt sich mit der Materie des Zusammenhangs zwischen Ökonomie und Ökologie aus. 1992 schrieb er seine Dissertation über eben jenes Thema und forscht seitdem auf diesem Gebiet.

An der Akkreditierung des Studiengangs wird mit Hochdruck gearbeitet. So sollen voraussichtlich in drei Jahren die ersten „Eco Manager“ in Iserlohn nach sechs Semestern mit dem Titel „Bachelor of Science“ abschließen. Damit können sie entweder einen fortführenden Masterstudiengang belegen oder direkt in den Beruf einsteigen. Mit dem Studium haben sie die Basis, als Führungskräfte in verschiedenen

Ökonomie und Ökologie verbinden Branchen zu arbeiten, gelegt. Denn ob Automobilhersteller, Pharmazie-, Energiekonzern oder Tourismusunternehmen - alle müssen in ihrem Handeln stets die Umwelt im Auge behalten. Sie brauchen interdisziplinär ausgebildete qualifizierte Kräfte, die neben ökonomischen auch ökologisches Wissen besitzen – denn Öko ist kein Trend. Florian Hintze

“Nachhaltigkeit” studieren

Der Unterschied liegt im Detail: Für den Studiengang werden neue Fächer, wie beispielsweise „Zukunftsforschung und Marktentwicklung“ im ersten Semester, „Verfahrens- und Entsorgetechnik“ im zweiten Semester oder im dritten Semester „Umweltethik“ geschaffen. Im vierten Semester gehen die Studenten, wie bei anderen Studiengängen üblich, in das Ausland. Hier soll das Netzwerk des neuen Eigentümers der BiTS,

Fotos: Florian Hintze

Bei den ökonomischen Basisfächern, wie beispielsweise Statistik, Buchhaltung oder Volkswirtschaft, wird auf vorhandene Studieninhalte aufgebaut und die vorhandene Kompetenz der Hochschule genutzt.

Ressourcen verschwenden? Die BiTS verknüpft Management und Nachhaltigkeit.

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Heimatkunde

Neuer Stern am BiTS-Himmel Senioren und Studenten treffen sich im PC-Pool: Das Horizonte-Programm.

Dreimal die Woche kommen sie. In Scharen. Es ist Zeit für Horizonte, dem Senioren-Projekt der BiTS. Senioren-Projekt? Die Idee ist ebenso simpel wie genial: Junge Studenten vermitteln älteren Herrschaften ihr Wissen. Und beide profitieren. Das zumindest erhofft sich Projektleiterin Marie Ting, die diese Idee von ihrem Auslandssemester in Argentinien mitgebracht hat. Zusammen mit Steffen Schmidt hat sie im Wintersemester 07/08 zwei Vorlesungsreihen gestartet: Zum einen den Internetkurs für Senioren, zum anderen den Medienkurs. In beiden werden sie von weiteren Kommilitonen unterstützt, die wie sie selbst in die Dozentenrolle schlüpfen. Im Sommersemester 2008 ist Horizonte

antwortet Marie mit leuchtenden Augen. Sie steht mit Leib und Seele hinter dem Thema, es ist ihr „Baby“. Aber nicht nur der Unterhaltungsfaktor ist ein wichtiger Punkt, schließlich kann man auch als Student von den Senioren einiges lernen. Zum Beispiel, bei Präsentationen langsam, deutlich und nicht zuletzt auch laut genug zu sprechen. Aber auch komplexe Sachverhalte auf das Relevante zu reduzieren und eingängig das eigene Wissen zu vermitteln. Alltägliches muss neu überdacht werden - und so stellt sich beispielsweise zum ersten Mal die Frage, wie man „Google“ eigentlich einem gänzlich Unwissenden erklären könnte... Neugierig, fröhlich und begierig nehmen die Senioren alle Informationen auf, bringen sich ein, entschlüsseln ge-

Stimmung. Ein gelebtes Erleben einer modernen „Lach- und Sachgeschichte“, welches alle Beteiligten integriert. Ähnlich wie ihre jungen Kollegen sind auch die älteren „Studenten“ sehr lebhaft. Es fordert den engagierten BiTSlern schon ein wenig Energie ab, die „Herde“ in Schach zu halten und angemessen auf die unterschiedlichsten Charaktere einzugehen. Begeistert sind sie trotzdem. Schließlich ist es doch ein Hochgefühl, den Campus mit dem Wissen zu verlassen, den Teilnehmern aufs Neue eine bislang verschlossene Tür geöffnet zu haben. Es klingt pathetisch - und doch ist es die Wahrheit: Es fühlt sich einfach gut an, jede Woche zwei Stunden mit etwas wahrhaft Sinnvollem verbracht zu haben.

meinsam die vertrackten Rätsel, die Maus & Browser ihnen aufgeben. Gemeinsam, das heißt mit Hilfe der Studenten, aber auch mit tatkräftiger Unterstützung des Banknachbarn.

Diese Begeisterung wollen Marie und Steffen jetzt auch auf andere Hochschulen übertragen. Eifrig sind sie dabei, das Projekt in die Medien zu bringen und Studenten an anderen Unis davon zu überzeugen, Horizonte bei ihnen zu initiieren – Horizonte bundesweit, quasi. Ein

sogar gewachsen: Jetzt wird auch ein Internetkurs für Fortgeschrittene angeboten. Ganz schön viel Engagement neben dem Studiumsstress. Doch warum sollte man als Student bei Horizonte mitmachen? „Weil es Spaß macht!“,

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Foto: Steffen Schmidt

Steffen Schmidt und Marie Ting, die beiden Organisatoren des HorizonteProjekts.

In der Tat herrscht bei den Kursen eine unkomplizierte, entspannte


Konzept, welches immer auf dem Grundgedanken basiert, einen Internetkurs und einen weiteren Kurs anzubieten, der – so wie der hiesige Medienkurs – Basiswissen des ersten Semesters vermittelt: ein Psychologie-Grundkurs, eine Wirtschaftsrecht-Veranstaltung oder vielleicht auch ein künstlerisches Fach. „Es bleibt den einzelnen Studenten überlassen, welche Horizonte sie an die jeweiligen Hochschulen bringen möchten.“ Diese entscheiden, ob es an ihrer Fakultät das Interesse gibt, einen solchen Kurs zu veranstalten. Mit einer eindeutigen Fifty-FiftyRegel: Fünfzig Prozent des Kurses besteht aus Theorie, die verbleibenden fünfzig Prozent sind ganz praktische Anwendungen – zum Beispiel eigene Radioaufnahmen oder Philosophische Diskussionen. Und die Senioren? Sie finden es „sehr löblich, dass junge Menschen wie Sie sich die Zeit nehmen, uns noch etwas beizubringen!“, wie eine Teilnehmerin es ausdrückt. Die

Fotos: Steffen Schmidt

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Horizonte erweitern am PC.

Resonanz ist überwältigend, für die aktuellen Kurse mussten sogar Wartelisten eingeführt werden. Doch geht es bei Horizonte nicht nur um die pure Wissensvermittlung: „Die Senioren sollen sich auch untereinander kennen lernen, auf neue Leute treffen, Nummern austauschen“, sagt Steffen. Marie fügt hinzu: „In Argentinien haben sich sogar schon Paare gefunden!“ Soweit ist es in Iserlohn zwar noch nicht, aber nach ein paar Vorlesungen werden tatsächlich schon E-Mail-Adressen ausgetauscht. „Die argentinischen Senioren haben immer gesagt, dass sie gerne Kontakt zu deutschen Senioren hätten. Warum also nicht virtuell mit unseren Teilnehmern hier?“, sagt Marie und deutet damit ihre Vision an: Eine große, weltweite HorizonteCommunity, in der sich Senioren und ihre jungen Dozenten vernetzen könnten. Der Grundstein dafür ist gelegt. Janni Deitenbach

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Heimatkunde

Heimatgewächs und Importpflanze Zwei Basketballer, zwei Perspektiven.

Sie spielen in einem Team, teilen eine sportliche Leidenschaft, tragen den gleichen Schriftzug auf ihren Trikots und gingen beide in der Saison 2007/2008 für die NOMA Iserlohn Kangaroos in der 2. Bundesliga ProB auf Korbjagd. Und doch könnten die Werdegänge von Theodoros Ioannidis und Terry Horton unterschiedlicher kaum sein. „Ich muss wirklich sagen: Das, was mir an Deutschland mit am besten gefällt, sind die Clubs. Die machen morgens erst zu, wenn echt keiner mehr da ist…“ Anhand dieser Aussage von Terry Horton könnte man meinen, er sei nur zum Feiern in Deutschland gewesen. Weit gefehlt. Er war beruflich hier. Sein Arbeitgeber waren im letzten Jahr die NOMA Iserlohn Kangaroos, für die der 26-Jährige in der 2. Liga auflief. Über seinen Agenten war er an die Stelle gekommen. Sein sportlicher Lebenslauf bis dahin: vier Jahre bei den Bulldogs der Alabama A&M University, ein Jahr bei einem „touring team“, das umherreist und gegen verschiedene Collegemannschaften spielt, ein paar Spiele auf deutschem Boden (für die Wolfenbüttel Dukes) sowie eine Saison in der IBL (International Basketball League mit Teams

“Basketball ist Business.” aus den USA, Kanada und China). Außerdem hat Terry einen Abschluss in Informatik. Bevor er jedoch irgendwann als Computerspezialist arbeitet, wird sein Büro weiterhin der Basketball-Court und sein Konferenzsaal der Kraftraum bleiben. „Ich liebe Basketball. Ich will so lange spielen, wie es geht, und weiter an mir arbeiten, damit ich in immer höheren Ligen spielen kann.“, sagt Terry. Deshalb begann wenige Tage nach dem Saisonende in Iserlohn für ihn

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bereits wieder die Saison in der IBL bei den Central Oregon Hotshots. Was danach kommt, steht noch nicht fest. Ein Angebot aus Iserlohn gibt es jedenfalls. „Ich werde definitiv darüber nachdenken. Wenn ich einen Monat Pause mache, werde ich mir das gründlich durch den Kopf gehen lassen.“, meint Terry. Nach Europa wolle er aber auf jeden Fall wieder zurückkehren. Es wird ihn wohl immer wieder dahin verschlagen, wo er gebraucht wird und wo er finanziell für sich sorgen kann.

dann Theo nach t u r

ja machen.“ Für bedeutet dies dem Fachabientweder ein Studium oder eine Ausbildung.

„Basketball ist ein Geschäft. Du musst immer darauf achten, dass du irgendwie finanziell stabil bleibst. Sonst kannst du dir irgendwann nicht mehr die Dinge leisten, die du haben möchtest.“ Natürlich spielt für Terry die finanzielle Seite des Sports eine große Rolle, doch er ist vor allem froh über die Möglichkeit, seine große Leidenschaft als Beruf ausüben zu dürfen. Die Leidenschaft für Basketball fehlt auch Theo Ioannidis nicht. Seit er zehn Jahre alt ist, spielt der mittlerweile 20-Jährige im TuS Iserlohn Basketball. Über mehrere Jugendmannschaften hat er es bis in die Zweite Liga geschafft. Und er will dem Verein weiterhin treu bleiben – „auch wenn wir abgestiegen sind.“

Viele seiner Te a m k o l legen sehen es ähnlich und spielen „nur“ nebenber uf lich Basketball. Ein basketballerisches Vagabundenleben (und Terry Horton ist dafür sicherlich Wie Terry möchte nicht das krasseste auch Theo so lange Beispiel) kommt Basketball spielen, für Theo nicht in wie es möglich ist. Frage. Theo Ioannidis Aber er ist sich auch Vielleicht ist das bewusst, dass das eben nicht ewig geht der größte Unterschied zwischen – zumindest nicht, wenn man davon den beiden Basketballern, der stellleben will. „Dann spielst du bis du 30 vertretend für ihren Werdegang bist und dann? Irgendwas muss man und die jeweiligen Herkunftsländer


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mit Basketball Geld zu verdienen. Und nicht alle haben einen Abschluss und damit eine berufliche Alternative wie Terry Horton. Natürlich hängt dies auch damit zusammen, dass amerikanische Spieler im weltweiten Vergleich durchschnittlich am begehrtesten sind und in Europa schnell zu Leistungsträger werden können, während deutsche Spieler in Amerika sich gegen harte Konkurrenz durchsetzen müssen. Dennoch scheint es so zu sein, dass für viele amerikanische Basketballer der Profisport eher als Beruf in Frage kommt als für den deutsche. VereinigFür Terry ten StaHorton jeaten einen doch war viel höheren relativ früh Stellenwert hat klar, dass als in der Bundesihm die republik. „Wenn du hier Türen der Kinder mit Fußbällen auf NBA (Nader Straße spielen siehst… tional Basbei uns wären das Basketketball Asbälle. Wir haben überall sociat ion, gespielt, im Dreck, auf der die höchste Straße.“, berichtet Terry. und beste BasketEs kommt nur sehr selten ballliga vor, dass deutsche Basketder USA) baller ohne abgeschlosverschlossene Berufsausbildung sen bleiben nach Amerika gehen, würden. um dort professionell Aus diesem zu spielen. Und wenn, Grund studidann tun sie es meistens erte er auch in dem Wissen, damit Informatik: in für einige Jahre finander Hoffnung, ziell ausgesorgt zu haben dass er auf die(siehe Nowitzki, Dirk). Dies sem Gebiet auch zeigt sich zum Beispiel auch in Zukunft noch darin, dass in der IBL, also Arbeit finden der selbst ernannten „interkann. nationalen“ Basketball-Liga Zunächst entschlaut Aussagen des Commisied Terry sich aber, sioners momentan exakt sein basketbalnull Deutsche spielen, lerisches Glück im während in der 1. BasAusland zu verketballbundesliga pro suchen. Seine FamTeam durchschnitilie und Freunde tlich acht Amerikanhätten sich für ihn er im Kader stehen. gefreut, erzählt er. Terry Horton Jedes Jahr tausende Seine Großeltern havon US-Collegeabgängern und an- ben eine Zeitlang in Deutschland deren Spielern nach Europa, um dort gelebt und konnten ihm daher einige Foto: Julian Jaursch

steht. Natürlich träumt die Mehrheit der ambitionierten Jungsportler in beiden Ländern von einer Karriere als Profisportler. Doch in den USA ist durch die sehr wettbewerbsbetonte Struktur des High School- und Collegesports eine ganz andere, viel weiter gefächerte Rekrutierung von Nachwuchssportlern möglich als in Deutschland, wo sportliche Aktivitäten größtenteils in Vereinen organisiert sind. Dadurch ist der Traum vom Profisport für viele amerikanische Amateure vielleicht größer und erscheint realer. Hinzu kommt, dass Basketball in

Tipps geben. „Aber so groß finde ich die Unterschiede gar nicht.“, erklärt Terry. Die drei Sachen, die er am meisten vermisste, wären seine Familie, ein Waffle House und Fruity Pebbles - die Umstellung an die europäische Lebensweise schien ihm also trotz einiger kulinarischer Missstände gelungen zu sein. „Das größte Problem war die Sprache.“ Zumindest im Alltag. Auf dem Spielfeld und im Vereinsumfeld hätten sich alle gut verstanden, bestätigen sowohl Terry als auch Theo, weil ohnehin „jeder Englisch kann. Wenigstens ein bisschen.“, so Theo. Zur Integration der internationalen (meist amerikanischen) Spieler sagt Theo: „Wie die sich ins Team ein-

Basketball vor Informatik passen, ist ganz unterschiedlich. Das kommt ganz auf den jeweiligen Typ und Charakter an. Manchmal kommt halt ein Ami her und man versteht sich gut mit ihm, manchmal nicht. Das ist aber mit deutschen Spielern ganz genauso.“ In dieser Hinsicht scheint es also keinen großen Unterschied zu machen, ob man seine erste (und vielleicht gleichzeitig letzte) oder seine zehnte Saison im Verein spielt. Sowohl was den sportlichen Hintergrund als auch die Frage nach dem Stellenwert des Basketballs angeht, unterscheiden sich Terry und Theo, USA und Deutschland – was sie vereint, ist jedoch wichtiger, und das ist eben der Basketball. Wenn dann noch die Strukturen im Verein stimmen, fühlen sich sowohl in der Heimat geförderte und gepflegte Talente als auch ausländische Top-Spieler wohl. Terry: „Ich glaube schon, dass es einfacher für mich war, mich in Deutschland einzuleben, weil ich Basketball gespielt habe.“ Einfacher als wäre er zum Beispiel, sagen wir, als Informatiker herkommen. Und wer weiß? Vielleicht stehen Theo und Terry in der nächsten Saison wieder gemeinsam auf dem Feld. Vielleicht schaffen die Kängurus den Aufstieg. Vielleicht gibt es dann am Saisonende wirklich einen Grund zu feiern – und bis in die Morgenstunden in den deutschen Clubs zu bleiben. Julian Jaursch

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Titelthema

Generation Spaß

Foto: Kristin Borlinghaus

Irgendwie faul, konsumgierig und vergnügungssüchtig. Oder so ähnlich.

Den Tag möglichst so gestalten, dass man ohne Anstrengung das hohe Spaßniveau halten kann.

„Generation Spaß“! Bei Ihnen stellen sich bei diesem Begriff sofort alle Abwehr-Nackenhaare auf, rollen sich die Fußnägel hoch? Hallöchen liebe Eltern, liebe Dozenten, liebe Nachbarn und Spießer, liebe Großeltern, Soziologen, Politologen und Journalisten! Hier sind wir! Eure Töchter und Söhne, Enkel und Nachkommen: Euer Schrecken! Wir sind das Feindbild jener arbeitsamen Generationen vor uns, die mit Entsagungen und Entbehrungen groß geworden sind. Ja, wir wissen, damals hatte man noch klare Ziele im Kopf, man war glücklich, wenn ein Fernseher im Wohnzimmer stand und euphorisch, wenn er noch dazu bunt war. Man sorgte sich um die Dinge, die wichtig waren, man kämpfte für unterschiedlichste Freiheiten und engagierte sich politisch, wo immer es Not tat. Man schätze Familie und arbeitete hart. Selbstverwirklichung war ein Luxus, den sich nur wirre Künstler und arme Irre leisten konnten. „Spaß“ war ein nettes Gimmick im Leben, verdorrte aber in der Realität oftmals irgendwo zwischen den klar definierten und polarisierenden Polen „Sicherheit“ und „Rebellion“. Bei uns ist das alles ganz anders. Natürlich sind wir die Generation Spaß! Wir leben sorglos in den Tag hinein,

saufen uns ins Koma, zocken um die Wette und legen keinerlei Wert auf Anstand und Etiketten. Wir schlafen ohne schlechtes Gewissen bis spätmittags und überlegen dann, wie wir den Tag möglichst so gestalten, dass wir ohne Anstrengungen das hohe Spaßniveau halten können. Mama und Papa, Ihr zahlt uns das doch, oder? Wir finden schon, dass das

Ob Patchwork oder Single, Homo oder Hetero, mit oder ohne Kinder - egal! angemessen wäre… Schließlich können wir auch nichts dafür, dass die Praktika unbezahlt und das Studium teuer ist. Und insgesamt, finden wir, haben wir es einfach verdient, uns die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen und uns ungehemmt durch diverse Betten zu rollen. Denn Spaß muss sein,- ernst seid ihr ja schon! Tja, so könnte man das sehen. Nämlich dann, wenn man sich die Blöße geben möchte, mit einer unscharfen, quadratischen PauschalisierungsBrille durchs Leben zu gehen und Sachverhalte ungeprüft in vorgefertigte Schubladen zu pressen. Der Ordnung halber. Bei kritischerem Hinsehen fällt

einiges auf: Die heutigen Möglichkeiten, Spaß zu haben, sind so tatsächlich, so vielfältig und billig wahrzunehmen wie niemals zuvor. Ob ein Wochenende in Stockholm oder Barcelona, für 100€ sind wir dabei! Egal in welchem Lebensbereich, wir schöpfen aus einem endlosen Füllhorn an Möglichkeiten. Wir klicken uns durchs Internet und hören per Webradio die Musik der ganzen Welt, wir schließen Freundschaften unabhängig von Zeit und Ort, sogar Freundschaften, ohne uns jemals gesehen zu haben. Sprachbarrieren gibt es nicht, jeder kann jede Sprache der Welt erlernen, wenn er denn nur will. Auch unsere Liebesbeziehungen können wir entweder in der Bar nebenan beginnen oder aber virtuell, auf der Plattform unserer Wahl. Wir sichten auf dem schillernden Marktplatz der Online-Communities das Angebot und pflegen letztlich nur die Kontakte, die uns sinnvoll erscheinen. Beziehungen beenden wir dann locker per Handy, per Mail, per Festnetz, per Webcam, per Brief, per Messenger, per Blogeintrag oder per PDA. Nie war es leichter, eigene Gedanken zu publizieren, nie war es einfacher, ständig erreichbar zu sein. Die Digitalisierung und fortschreitende Globalisierung entgrenzen Stück für Stück die Lebenswelten

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Damals hatte man noch klare Ziele im Kopf! Wir haben eine größere Speisekarte auf dem Tisch liegen.

der vorhergehenden Generationen. Unsere Konsumoptionen haben sich von einem Kolonialwarenladen zu einem Megastore entwickelt. Möglichkeiten, welche noch nicht durch die weltweite Vernetzung entstehen, werden spätestens durch das neue Wachstum von Nischenmärkten eröffnet. „Geht nicht, gibt’s nicht“ ist der bezeichnende Slogan unserer Zeit. Wir können zwischen so vielen unterschiedlichen Lebenskonzepten wählen, wie unsere Eltern es sich mit Sicherheit gewünscht hätten. Ob Patchwork oder Single, Homo oder Hetero, mit oder ohne Kinder - egal! Darf es ein Sprößling afrikanischer Herkunft sein oder vielleicht doch lieber ein blonder, blauäugiger aus einer anonymen Samenbank entnommen, wie hätten wir´s denn gerne? Wir müssen für nichts mehr kämpfen, weil wir alles zur Wahl haben. Alles ist erlaubt, alles steht zur stän-

Ihr hattet vielleicht die Wahl zwischen Familienbetrieb und Familienverweigerung. digen Verfügung. Es gibt keine Tabus, die wir brechen können und keine Anreize, uns gegen etwas aufzulehnen. Wir leben in einer Welt voller Möglichkeiten. Wir leben in einer globalen, vernetzen Welt. Wir verfügen über Konsumfreiheit, über Kommunikationsfreiheit und über die beständige Freiheit, uns entscheiden zu können. Eine Freiheit, die uns prägt und fesselt. Wir sind die „Generation Entscheidung“, denn in gleichem Maße, wie diese Freiheit uns Flügel verleiht, nimmt sie uns den Orientierungssinn.

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Wenn man alles kann, alles darf, wenn es ebenso akzeptiert ist, als Entwicklungshelfer in Mali wie als Marketingpraktikant bei Marlboro zu arbeiten, wenn es keine befeuernden Visionen gibt, an denen man festhalten kann und keine Tradition, die es zu wahren gilt, woher soll man dann wissen, was richtig ist? Ihr hattet vielleicht nur die Wahl zwischen Familienbetrieb und Familienverweigerung. Wir haben eine größere Speisekarte auf dem Tisch liegen: Allein zur Sichtung der exotischen Studiengänge und bizarren Auslandsaufenthalte würden wir gerne einen Sekretär einstellen. Ihr habt eine Entscheidung gefällt (und habt dann mit den Konsequenzen gelebt). Wir brauchen ewig um zu entscheiden, und wenn wir entscheiden, dann fragen wir uns beständig, ob es richtig war. Wir suchen uns unseren eigenen Lifestyle aus. Wir sind individueller und autonomer, als die Generationen vor uns es jemals waren. Jedem von uns steht es frei, sich selbst zu verwirklichen und den eigenen Träumen nachzujagen. Und so machen wir uns auf die blinde Jagd, tagtäglich. Wir sind karrierebewusst, absolvieren Auslandspraktika, lernen Chinesisch und punkten mit indischer Fußakrobatik als extravagantem Hobby (Merke: „Anker im Kopf “ für den Personaler) um uns mit der richtigen Würzmischung für einen Global Player schmackhaft zu machen. Wir sind kreative Künstler, die sich gerne bei klassischer Musik über den Geschmack des süß-herben Rotweins und die Memoiren der Beauvoir unterhalten. Wir sind Weltenbummler, die sich in Toleranz und Völkerkunde schulen und als globale Vermittler sehen. Wir möchten raus aus Deutschland und hinein

in fremde Kulturen, Hauptsache eintauchen, das Bewusstsein erweitern. Wir engagieren uns sozial und sammeln Spenden für arme Waisen, weil uns das sinnvoll erscheint. Wir kaufen gerne im Bio-Laden und fühlen uns gut, wenn wir Müll trennen

Wir pappen uns Buttons ans Revers und freuen uns per ChéGesicht Stellung zu beziehen. und ausnahmsweise einmal mit dem Fahrrad fahren. Manchmal aber sind wir auch rebellisch und hauen auf den Tisch. So geht das nicht mit den Studiengebühren! Wir möchten keinen Überwachungsstaat! Wir sind Individualisten! Wir sind gegen den Mainstream und für den Nonkonformismus! Wir pappen uns Buttons ans Revers und freuen uns, wenn wir durch das markante Ché-Gesicht Stellung beziehen können. H & M finden wir Ok, aber nur solange wir das T-Shirt mit einer grelltürkisen und einzigartigen Großperlenkette vom Flohmarkt aufwerten können. Was auch immer wir tun, -was auch immer wir für eine Position beziehen-, alles ist irgendwie OK. Überhaupt „irgendwie“. Irgendwie scheint irgendwie das Schlagwort unserer Generation zu sein. Irgendwie sind wir schon politisch interessiert. Irgendwie finden wir das nicht so gut, was da grade im Irak vonstatten geht. Und überhaupt, die ganzen globalen Probleme, die wir so mitbekommen. Irgendwie wissen wir natürlich, dass auch in Deutschland nicht alles in Butter ist, aber andererseits wissen wir auch nicht, wo wir anpacken können, da etwas zu tun. Wir positionieren uns im Unge-


Fotoreihe: Kristin Borlinghaus

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fähren, in den konturlosen Randzonen der unterschiedlichsten Orientierungspunkte. Bloß keine finale Entscheidung treffen! Nicht gedanklich festlegen. Besser gar keine Flagge hissen, als die Falsche. Was im Großen bei ganzen Lebensentwürfen und Werthaltungen beginnt, endet im Kleinen bei der Freizeitplanung und Beziehungsgestaltung: Wo früher ein Fußball und Radio zur Auswahl standen, stapeln sich heute ungeheure Bouquets an reizvollen Freizeitaktivitäten, konfrontiert mit immer längeren Arbeitszeiten und einer immer wertvolleren Freizeit. Nintendo WII ist witzig, es ist interessant, sich online über den neuesten Tratsch zu informieren… aber Hebräisch kochen lernen steht doch auch schon seit langem auf der

Liste!? Wir sehen unsere eigenen Freiheiten und erkennen sie als Fluch und Segen zugleich an. Wir sind beständig gezwungen, Entscheidungen zu treffen. „Der Mensch ist dazu verdammt, frei zu sein“, sagte Sartre vor 70 Jahren. Die Verdammung zur Freiheit, zum Entschluß-Zwang, -und sei es die elementarste Entscheidung für das eigene Leben und gegen den Tod (oder anders herum)-, ist das unüberwindbare Merkmal des Menschen. Nur wir können uns erschaffen („L`existence précède l´essence“), können unseren Körper kleiden, unsere Gedanken lenken, unseren Geist nähren, unser Wesen bestimmen. Doch niemals erschien es schwieriger als heute, diese Freiheit zu nut-

zen. Die heutige Freiheit der Selbsterschaffung und der Befriedigung des eigenen Seins ist umfassend und unübersichtlich. In Anbetracht aller möglichen Optionen sind wir im gleichen Atemzug mehr denn je gefordert, unsere Meinungsbildung und unseren Lebenswandel zu definieren. („Warum hast Du denn jetzt…? Du hättest doch auch…!?“) Wir haben die Verantwortung, wir rechtfertigen uns in erster Linie vor uns selbst, aber auch vor der Gesellschaft, der Familie, dem Freundeskreis. Wenn es tausend Abzweigungen gibt, woher sollen wir dann wissen, welche die Richtige ist? Nun ist es nicht so, dass es keine Ratgeber gäbe. 1000 und ein schlaues Buch, und jedes empfiehlt eine andere Abzweigung. Auch ist uns klar, dass es Entschei-

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Foto: Kristin Borlinghaus

Wir sind Weltenbummler, raus aus Deutschland und hinein in fremde Kulturen.


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dungsprobleme schon in früheren Generationen gab. Doch scheint es, als hätten sie sich, einhergehend mit den aktuellen, technologischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen (…) Entwicklungen, um ein hundertfaches potenziert. Kein Wunder, dass wir uns „irgendwie“ überfordert fühlen! Was uns auszeichnet, ist die neue, notwendige Fähigkeit, sich in einem Wust an Informationen schnell zurecht zu finden. Wir trainieren, blitzschnell die Details zu extrahieren, was wir für eine persönliche Entscheidungsfindung brauchen. Zeiteffizient! Prioritäten setzen! Opportunitätskosten berechnen! Wir lernen, zu scannen und filtern, was uns an alternativen Möglichkeiten bleibt…und letztlich zu evaluieren, was wir denn nun tatsächlich tun. Was wir wollen/Was wir müssen/ Was wir können/Was wir sollten: Letztlich verschmelzen diese Faktoren zu einem undurchdringbaren Konglomerat, das sich in unserem eigenen Kopf als fusseliger Rohrverstopfer festsetzt und einen faden Beigeschmack absondert. Denn schlussendlich bedeutet eine genommene Abfahrt immer auch mehrere

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verpasste. Woher soll man wissen, was man verpasst hat? Warum jetzt nochmal hat man sich für die Karriere als Berater entschieden? Weil man wollte? Oder doch weil man sollte? Ob man sich nicht falsch entschieden hat? Ob man ein wichtiges Puzzleteil übersehen hat? Entscheidungen zu treffen ist anstrengend. Bequem hingegen ist es, sich „irgendwie“ nicht festzulegen, sich von unterschiedlichen Standpunkten

Bequem ist sich nicht festzulegen: Morgens Walmart, abends Dritte-Welt-Laden. diverse Statements herauszupicken, als hybrider Konsument je nach Gutdünken einzukaufen,- und sei es am Morgen in Walmart und am Abend im Dritte-Welt-Laden. Bequem ist es für uns, „individuell“ zu sein. Dass jegliche Versuche, die eigene Einzigartigkeit auszudrücken, konterkariert werden durch den Massen-Stempel „Individualität“, den unsere Generation sich selbst aufdrückt, macht uns nachdenklich und stutzig. Manchmal. Irgendwie. Oder so.

Wir suchen uns noch. Wir definieren uns noch. Kein Wunder, dass es eine Rückbesinnung auf Religion, Tradition und Familie gibt. Es ist eine logische Konsequenz, dass diverse Jugendstudien ein neues Interesse an Werten und Moral beobachten. Frei sein ist schön. Aber frei sein in alle Richtungen und ohne Orientierung ist anstrengend. Wir wissen, dass es in Ordnung ist, nicht allen Ansprüchen, die an uns gestellt werden, zu entsprechen. „Mach, was DU willst!“, das ist der Aufruf, mit dem wir groß geworden sind. „Folge DEINEN Interessen!“, „Tu das, was sich für dich richtig anfühlt!“, rät man uns. Mit anderen Worten: Wir sollen uns freimachen, frei von allen aufoktroyierten, übriggebliebenen Zwängen und Erwartungen. Wir sollen die Gegebenheiten nutzen, die die Generationen vor uns erkämpft haben. Wir sollen in uns hineinhorchen und dann entscheiden, was uns ganz persönlich gut tut. Kurz: Wir sollen Spaß haben, bitte schön. Na gut, wir versuchen das mal. Irgendwie. Marie Ting


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„Heute mache ich den Hamlet, morgen Werbung für Weißbier.“

Foto: Simon Engels

Interview mit Michael Kessler („Switch reloaded“)

Michael Kessler ist ein Mann mit tausend Gesichtern: Ob als prolliger Opel-Fahrer Klausi im Kult-Streifen „Manta, Manta“, geistreicher Ratefuchs bei „Genial daneben“ oder in seinen Paraderollen als Peter Kloeppel und Florian Silbereisen bei „Switch reloaded“ – der 40–Jährige ist nicht zuletzt wegen seiner Wandlungsfähigkeit gefragter Comedian und Schauspieler. BiTSLicht traf den gebürtigen Wiesbadener zum Gespräch. Herr Kessler, Switch reloaded geht im Sommer bereits in die dritte Staffel. Hätten Sie gedacht, dass die Fortsetzung der Serie so erfolgreich werden wird? Nein, aber das war auch ein heikler Punkt. Ich habe immer an die Truppe geglaubt, die in der alten Zusammenstellung wieder zusammenkam. Das war auch der entscheidende Auslöser für mich, wieder mitzumachen. Wir verstehen uns sehr gut und wissen, was wir machen. Das funktioniert prima. Relaunches von Sendungen gehen oft ins Auge, aber bei uns hat es halt funktioniert – sicherlich auch, weil das Format super ist. Medienparodie hat einfach ihren Platz im Fernsehen. Und wie heißt es doch so schön: Never change a winning team! Aber auch unsere alten Fans tragen sicherlich einen großen Teil zum Erfolg bei.

Sie schlüpfen in bekannte Figuren wie Günther Jauch, Florian Silbereisen, Edmund Stoiber und – viele sagen, es sei Ihre Paraderolle – Nachrichtenmann Peter Kloeppel. Hierfür bekommen Sie viel Lob – aber auch explizites Feedback von den Betroffenen? Ja, das ist unterschiedlich. Peter Kloeppel habe ich getroffen. Der findet das, glaube ich, ganz lustig. Ich habe auch mit Florian Silbereisen gesprochen. Er muss in der Sendung zwar einiges schlucken, nimmt das aber mit Humor. Wenn wir jemanden auswählen, ist das ja auch eine Art Ritterschlag. Auch wenn viele durch den Kakao gezogen werden, finden die das doch insgesamt ganz toll. Wir teilen zwar aus, aber nie wirklich unter der Gürtellinie. Wir versuchen, das so intelligent und lustig wie möglich umzusetzen. Wie wählen Sie aus, wer und was parodiert wird? Da haben wir sozusagen alle unsere eigenen Gelüste. Wir gucken zusammen Fernsehen und beraten gemeinsam, was wir umsetzen können. Da muss man oft gar nicht lange überlegen. Das ist dann meistens so, dass man sagt: „Ja, genau, eigentlich müsste man mal was mit Volksmusik machen.“ Da bietet sich dann eben

der Silbereisen an. Es gibt aber auch Figuren, wo das nicht besonders einfach ist, zum Beispiel bei Günther Jauch. Er ist eine riesige Sympathiefigur in Deutschland mit wahnsinnigen Quoten. Den lieben alle, der

Florian Silbereisen muss einiges Schlucken. ist Schwiegermamas Liebling. Was findet man da, was man parodieren kann? Das ist natürlich schwierig, da ist es bei einem Florian Silbereisen einfacher. Das Fernsehen bietet aber ein reiches Feld, um sich zu bedienen. Warum sind die Formate momentan so erfolgreich, in denen berühmte Menschen und Serien verulkt werden? Ich glaube schon, dass ein Großteil des Publikums einen Genuss verspürt, wenn ein Medium veralbert wird. Im Grunde auch, weil das Niveau des Mediums Fernsehen im Allgemeinen so weit abgesunken ist. Ich glaube, dass man da gerne mal zu Hause auf dem Sofa sitzt und sich freut, dass irgendjemand sein Fett weg kriegt. Das war schon immer so. So etwas Ähnliches macht ja auch Stefan Raab, wenn er die Ausschnitte aus TV-Sendungen zeigt. Das ist ja

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ein Vergnügen für den Zuschauer. Man verspürt einfach Schadenfreude. Man sieht, dass mal hier eine Panne passiert, dass sich dort mal wieder einer verspricht oder einfach nur schlechtes Fernsehen gemacht wird... Sind Silbereisens VolksmusikShows für Sie schlechtes Fernsehen? (zögert) Ich persönlich gucke so etwas nicht. Es gucken aber acht Millionen Menschen in Deutschland. Es hat also seine Daseinsberechtigung und seinen Platz im deutschen Fernsehen, wie vieles andere auch. Aber

Die Wochenshow war ein sinkendes Schiff

Foto: Simon Engels

es ist halt immer die Frage, wie man etwas macht. Ich habe mit anderen Formaten sicherlich mehr Probleme – sei es mit einigen Castingformaten oder absolutem Trash, wo zum Beispiel irgendwelche Jugendlichen auf den rechten Weg gebracht werden sollen. Da hat das Fernsehen eine Verantwortung, die es gar nicht mehr wahrnimmt. Da wird Fernsehen zum Business, wo man für den Voyeurismus viel tut und auch gerne Werbeminuten verkauft.

Ist das Fernsehen also nach und nach sehr viel schlechter geworden? Ja, absolut! Das ist eindeutig... Und das sagen Sie, obwohl Sie beim Fernsehen sind? Ja, natürlich. Ich kann mich von diesem Medium ja auch distanzieren. Ich will auch nicht sagen, dass alles, was ich im Fernsehen bisher gemacht habe, immer hochqualifiziert war. Ich habe auch Mist gemacht. Mittlerweile suche ich mir die Sachen, die ich mache, aus. Das kann nicht jeder Kollege, weil das auch etwas mit der wirtschaftlichen Situation jedes Einzelnen zu tun hat. Aber ich finde schon, dass das Niveau gesunken ist. Würden Sie denn so einen Film wie Manta, Manta noch einmal machen? Ja, jederzeit. Zu diesem Film sage ich immer, dass es ein sehr, sehr gut gemachter B-Movie ist. Ich weiß nicht, ob ich damals in den Film gegangen wäre – wahrscheinlich nicht. Aber der Film hat ein riesiges Publikum gefunden. Man sieht das auch an den ganzen TV-Wiederholungen. Die Fans lieben den Film über alles. Manta, Manta strahlt auch eine gewisse Ehrlichkeit aus, ob in den Charakteren oder in der Geschichte. Er ist natürlich sehr simpel gestrickt, aber der Film hat etwas Charmantes und Ehrliches. Im Prinzip war es das, was auch den Erfolg ausgemacht hat – mal ganz abgesehen von den Autos. Die Fortsetzung der Sat.1 Wochenshow lief da bei Weitem nicht so gut... Das war eine lange Überlegung, ob ich das überhaupt mache. In dem Moment, wo es mir angeboten wurde, wusste ich genau, dass dies ein sinkendes Schiff ist. So war es dann letztendlich auch, womit wir wieder beim schwierigen Thema Relaunch wären. Anke Engelke, Bastian Pastewka und Markus Maria Pro-

Michael Kessler über das Vakuum im Theater und das knallharte TV-Business.

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fitlich hatten die Sendung verlassen und wir kamen als eine Art Ersatz. Da war klar, dass das in dieser Form nicht mehr funktionieren wird. Die Sendung hatte ihren Zenit sowieso schon lange überschritten. Für meine Karriere war es damals aber trotzdem die richtige Entscheidung, das gemacht zu haben. Die Schillerstraße war dann wieder ein großer Erfolg. Ist Improvisations-Comedy, als Schauspieler sehr viel schwerer umzusetzen als zum Beispiel ein Format wie Switch reloaded, wo man feste Texte von Autoren bekommt? Auf der Schauspielschule haben wir auch improvisiert, das ist Teil der Ausbildung. Natürlich war es nie in der Form, wie wir es bei der Schillerstraße gemacht haben. Vor der ersten Sendung habe ich mir fast in die Hosen gemacht. Ich war wirklich extremst nervös. Wir wussten alle nicht, wie das mit uns zusammen funktioniert, obwohl wir uns fast alle kannten. Aber man weiß ja nie, was passiert. Das einzige Briefing, was wir vorher bekamen, war zum Oberthema der Sendung. Dann bekam man eben immer nur einzelne Ansagen über den Knopf im Ohr und man stand unter großem Druck, weil das ja dann auch komisch sein sollte. Man muss unheimlich wach und neugierig auf der Bühne sein.

Die Quote ist das Geheiligte vom Geheiligten! Es war ein sehr intelligentes Format, und der Erfolg kam letztendlich auch dadurch, dass das alles nicht gefaked war und der Zuschauer das auch gemerkt hat. Ich glaube im Fernsehen nämlich nichts mehr, überhaupt gar nichts mehr! Neben Ihren zahlreichen FernsehAuftritten spielen Sie auch gelegentlich Theater. Was liegt Ihnen nach so langer Bühnen- und TV-Erfahrung mehr? Die Mischung macht es. Vom Theater mehr und mehr wegzugehen, war auch ein sehr bewusster Schritt. Das hat mich dort alles etwas angenervt. Solange ich jedoch immer noch beides machen kann, bin ich glücklich. Aber ich würde nicht mehr fest


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Was genau hat Sie angenervt? Die Humorlosigkeit, das elitäre Getue. Die glauben da immer, sie erschaffen die Welt jeden Tag neu. Auch das Vakuum im Theater, also das Abgeschnittensein vom normalen Leben, stört mich. Man zieht sich da sechs Wochen auf eine Probebühne zurück und alle machen sich gegenseitig nur Probleme. Ich fand das unglaublich anstrengend. Diese Form der sogenannten „Kunst“ ist nicht immer meine. Ich sehe mich eher als Handwerker und arbeite so stark wie möglich für ein Publikum. Mein Beruf basiert nur darauf, dass es ein Publikum gibt. Das wird am Theater manchmal vergessen, dass da Zuschauer sitzen, denen es gefallen soll. Ich gehe auch kaum noch ins Theater, weil es mich nicht interessiert und oft einfach einen mu-

Das Theater hat mich angenervt! sealen Charakter hat. Man ist auch total abhängig vom Regisseur, ist ihm komplett ausgeliefert. Das habe ich ja selber erlebt. Ich fühle mich im Fernsehen und im Film einfach freier. Heute mache ich den Hamlet und morgen schon Werbung für Weißbier. Wenn man das alles im Ausgleich macht, funktioniert das auch. Zurück zum Fernsehen. Klären Sie uns als Medienstudenten doch mal auf: Ist das TV-Business so hart, wie immer erzählt wird? Das TV-Business ist knallhart! Alles was einem da bei Deutschland sucht den Superstar erzählt wird, dass wir alle in fünf Minuten ein Star sind und eine Karriere bis zum Lebensende führen können, sind Märchen. Es gibt einen knallharten TV-Markt, vor allem bei den Privatsendern, wo es einfach darum geht, Geld zu verdienen. Diesem Druck unterstehen wir da ja auch. Die Quote ist ja mittlerweile das Geheiligte vom Geheiligten. Jeden Morgen wird geguckt,

wie die Quote war. Wer weiß, ob diese Daten wirklich das widerspiegeln, was da draußen los ist! Ich habe das Gefühl, dass wir m it t le r w e i le auch nur noch Spielbälle sind, mit denen man Geld verdienen will. A l le s m u s s e i n f ac h wahnsinnig viel Geld abwerfen. Es wird nicht mehr viel aus reiner Leidenschaft gemacht im Fernsehen. Sie moderieren auch mit großem Erfolg die Berliner Nacht-Taxe beim Sender RBB, wo Sie Taxigäste in tiefgründige Gesprächssituationen führen. Wie viel gestalterische Freiheit hat man bei solch einem Format? Komplette Freiheit, deswegen mache und liebe ich es. Ich setze mich in das Taxi, fahre einfach los und gucke, was in der Nacht passiert. Wir versuchen, ehrliches Fernsehen zu machen, wir casten da niemanden. Ich fahre Freitag- und Samstagnacht jeweils zehn Stunden, von abends sieben bis morgens um fünf. Wir schneiden dann aus den 20 Stunden eine 30-minütige Sendung. Man weiß halt nicht, was in der Nacht so passiert – und es passiert alles! Es ist kein Comedy-Format, es ist eher eine Art Talk. Es geht um Kommunikation, es geht darum, sich einander zuzuhören, neugierig zu sein und Fragen zu stellen. Ich fahre ganz normale Leute, und die haben alle was zu erzählen – das ist das Spannende. Das Ganze gibt es auch zu lesen, in meinem neuen Buch Die Berliner Nacht-Taxe. RTL zeigt momentan Hallo Taxi mit Hape Kerkeling. Das Konzept der Sendung kommt der Nacht-Taxe ziemlich nahe. Wären Sie da nicht lieber von RTL gefragt worden?

Foto: Simon Engels

in einem Zwei-Jahres-Vertrag an irgendein Stadttheater gehen, das kann ich mir im Moment nicht vorstellen.

Nein, das ist ein komplett anderes Format. Der Hape Kerkeling arbeitet dort mit versteckter Kamera. Das tun wir nicht. Hallo Taxi ist ein ComedyFormat, in dem es darum geht, die Leute zu veräppeln. Das wollten wir von Anfang an nicht. Bei der NachtTaxe gibt es nichts zu gewinnen und keiner wird vorgeführt. Von daher sind das zwei Paar Schuhe. Glauben Sie eigentlich, Sie wären ein besserer Peter Kloeppel? (lacht) Oh Gott! Wenn ich da stehen würde und Nachrichten sprechen müsste... Nein, ich glaube, ich wäre kein guter Nachrichtensprecher. Lieber wäre ich Günther Jauch – dann wäre mein Konto voll! Aber ich bin schon ganz froh, dass ich der bin, der ich bin. Es macht trotzdem immer wieder Spaß, in die Figuren hineinzuschlüpfen. Simon Engels & André Regulin

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Deutschland sucht den Super-Teenie

Foto: Janni Deitenbach

28. März 2008, Hagen: Die „DSDS“-Autogrammstunde. Ein Frontbericht aus der letzten Reihe.

Linda und Sahra von “Deutschland sucht den Superstar” zeigen sich der Menge.

Mein allererstes Autogramm bekam ich von Ralf Bauer. Ein sehr beliebter Schauspieler, als ich noch sehr jung war. Eine Bekannte meiner Eltern hatte ihn an einem Drehort getroffen und an mich gedacht. Da mir dieser Mensch nichts bedeutete, konnte ich auch mit dem Stück Papier in meiner Hand nicht viel anfangen. Mir war es auch eher unangenehm, dass ein Mensch, der hart arbeitet, von anderen Leuten durch Autogrammwünsche belästigt wird. Bis heute verstehe ich ihren Sinn nicht. Poster über dem Bett (Spice Girls), Konzertbesuche (Echt) – aber so etwas hat mich nie interessiert. Als es hieß, dass die Kandidaten der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar” im Rahmen ihrer Promo-Tour nach Hagen kommen sollten, war ich zunächst belustigt: Berlin, Hamburg, Hagen? Wer auch immer die armen Kandidaten zu ihrem Abstecher in die Provinz gezwungen hatte – es war die Chance: Endlich, kurz vor Studiumsabschluss eine investigative Recherche zum Phänomen „Autogrammstunde“. Vielleicht würde sich nun klären, was einen Haufen Jugendlicher dazu bringt, stundenlang aufgedonnert auf einen „Star“ zu warten und sich gegenseitig zu bekreischen, nur für eine lächerliche Unterschrift.

Eine gewisse Affinität für einen der Teilnehmer und die Tatsache, vorlesungsfrei zu haben, trugen zum Entschluss bei: Hinfahren, Heiratsantrag machen, nach Hause fahren. Ich hatte also einfach gar keine Ahnung, was mich wirklich erwarten sollte. Um nicht gänzlich unvorbereitet zu sein, engagierte ich mir kompetente Begleitung: Steffi, absolute DSDSExpertin – allein schon aus Fremdschamgründen konsumiert sie diese Sendung seit der 1. Staffel – und Pia, Ex-Kelly-Family Fan und stolze Besitzerin eines benutzten Handtuchs von Schlagerstar Costa Cordalis. Um

Teenie-König und seine Untertanen Irritationen um drei junge Frauen bei einem solchen Teenie-Event zu vermeiden, hatten wir zur Tarnung noch Nele, 9 Jahre, und Jule, 11, dabei. Beide mit einer klaren Haltung dazu, was von der Aktion zu halten ist – nämlich wenig. Für alle, die sich der Omnipräsenz dieser Sendung auf RTL entziehen können, um diese Leute geht’s: Stella, Linda, Monika, Jermaine, Fady, Rania, Collins, Sahra, Thomas und der Teenie-König Benni sind die Kandidaten, sie alle haben sich bei den Castings beworben und sind nach verschiedenen Stufen in der so

genannten Top 10 der nunmehr 5. Staffel gelandet, die sich jeden Samstag in einer Live-Show dem Urteil der Zuschauer stellen, die einen von ihnen aus der Sendung wählen. So lange, bis man den „Superstar“ gefunden hat. Darüber hinaus haben sie die fragwürdige Ehre, mit dem Musikproduzenten Dieter Bohlen ein Album aufzunehmen, das in dieser Promo-Tour beworben werden soll. Zu diesem Zeitpunkt waren Jermaine und Sahra schon herausgewählt worden, durften aber trotzdem mitfahren. Zwei Stunden vor Beginn der Autogrammstunde treffen wir ein und werden von 700 meist weibliche Jugendliche im Alter zwischen 8 und 16 erwartet, die brav geordnet in einer Reihe aus einem Einkaufszentrum herausragen. Innerhalb des Gebäudes ist die Schlange von beiden Seiten durch Absperrungsgitter begrenzt, die den Zugang zu den Geschäften ermöglichen soll. Kurz vor dem Autogrammtisch wird dieser Gang breiter und von zwei so genannten Wellenbrechern in zwei „Räume“ geteilt. Darin eingepfercht wie die Rinder im Stall: Viele junge Menschen, aufgebrezelt wie zur Kinderdisko, parfümiert in Britney- und Christina-Düften, bewaffnet mit Rosen in Plastikfolie. Und wie die Kühe schreien sie: „Benniiiiiiii!“ Es ist ohrenbetäubend. Sollte die Menge mal eine Atempause brauchen, läuft

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im Hintergrund dezent die „Superstars“-CD. „Seit 11 Uhr! Seit 11 Uhr stehen die hier! Es ist eine Frechheit!“ Die Verkäuferin eines Geschäfts für schicke orthopädische Schuhmode regt sich auf. „So betrunken müsste ich sein, dass ich bei so etwas mitmache! Schreiben Sie das ruhig auf!“ Da es mittlerweile 16 Uhr ist, lässt sie sich auch nicht dadurch trösten, dass um 19 Uhr Feierabend ist. Der Eisverkäufer dagegen hat seinen Spaß. Fröhlich trällert er italienische Weisen und lässt sich nicht davon beeindrucken, dass die Autogrammjäger mitten durch seine Gastronomie geführt werden.

Foto: Janni Deitenbach

Zurück zu Jule und Nele, die brav in der Reihe gewartet haben, die sich inzwischen verdoppelt hat. Sie langweilen sich schrecklich. Und finden die ganzen Mädels, die nach StaffelSchwarm Benni kreischen, „ziemlich peinlich“. Er ist ein Phänomen. So sympathisch wie ein Pickel am Kinn, mit eher wenig Sangestalent gesegnet, aber ähnlich wie Jimi Blue Ochsenknecht, „Entertainer“ und Sohn von Uwe Ochsenknecht, von kleinen Mädchen heiß umschwärmt. Sie haben das eben gewisse Etwas, was Mädels von 10 bis 15 schwach werden lässt. Es ist 16:25 Uhr, als sich etwas bewegt: Der Kandidatenbus fährt durch einen Kreisverkehr ins Parkhaus des

“Viele junge Menschen, aufgebrezelt wie zur Kinderdisko.”

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Einkaufszentrums. Der folgende Kreischalarm ist überwältigend. Dann passiert lange nichts. Von unserem Standpunkt vorm Gebäude aus haben wir die Sicht auf die Fensterfront des Mitarbeiteraufenthalts-

“So betrunken müsste man sein!” raums einer großen Elektronikkette. Dort zeigen sich um 16:38 Uhr ein Kameramann und eine Reporterin mit einem RTL-Mikro. Eifrig filmen sie das Geschehen zu ihren Füßen, wo mehrere hundert Teenies, Mütter und Rettungssanitäter darauf warten, dass es endlich losgeht. Um 16:39 Uhr zeigen sich Monika und Sahra am Fenster. Die Meute flippt aus. 16:42:12 Ex-Kandidat Jermaine tanzt mit etwas zu Essen in der Hand ins Bild. 16:43:07 Die Mitarbeiter des Elektronikmarktes reagieren auf die gezückten Fotoapparate der Fans und fotografieren zurück. 16:43:48 Der Kameramann von RTL hat sich jetzt nach unten begeben und möchte schöne Aufnahmen der Schlangestehenden machen. Das löst umgehend Duck-Attacken aus, niemand möchte sein Gesicht am Abend bei Explosiv sehen. 16:44:12 War die Lautstärke bisher noch moderat gewesen – jetzt geht nichts mehr: Das Objekt der Begierde, Kandidat Benni, zeigt sich am Fenster. Wirklich alles und jeder flippt aus und reißt die Hände in die Höhe. Er grinst und zieht sich dann die Jacke aus. Die Mädchen hinter uns fallen fast in Ohnmacht. Dabei trägt er noch ein T-Shirt. 16:45:32 Benni zieht die Jacke wieder an. Doch es wird nicht leiser - denn nun kommt Linda. 16:46:10 Als erste versucht die blonde Kandidatin am geöffneten Fenster Kontakt aufzunehmen. Leider gehen ihre Worte in allgemeinem Gebrüll unter. Schade, vielleicht hatte sie ja etwas Wichtiges zu sagen. 16:48:32 Nun bequemen sich auch Collins und Stella heran, um huldvoll zu winken. 16:49:12 Endlich erscheint mein Fa-

vorit Fady. Der Kameramann, mittlerweile wieder bei den Kandidaten, positioniert ihn geschickt vor der Kulisse, wo er der Reporterin durchaus irritiert ein Interview gibt. 16:53:08 Zum ersten Mal kreischen jetzt auch die Wartenden im Gebäude. Ein Moderator hat sich bemüßigt gefühlt, für ein wenig Stimmung zu sorgen. 17:00:00 Eigentlicher Beginn der Autogrammstunde. Der Moderator sagt: „Bald ist hier was los!“ Wo war der Mann denn die letzten 20 Minuten? 17:07:37 Ein Countdown wird gestartet. Warum, weiß niemand. Aber es stärkt das Gemeinschaftsgefühl in jedem Falle. 17:13:15 Zum ersten Mal ist ein Mensch mit Sicherheitsverantwortung zu sehen. Der Mann mit Knopf im Ohr blickt über die Menge, um dann das Gitter wieder zurückzuschieben, da seit geraumer Zeit niemand mehr aus den Sicherheitsgängen heraus kann. Kaum ist er weg, drängen es die Teenies wieder zur Seite. 17:22:48 Der Moderator weist darauf hin, dass es die Möglichkeit gibt, sich vorgeschriebene Autogrammkarten abzuholen. Eine Mutti neben mir erbost sich: „Die kann ich mir auch im Ebay kaufen, Vollidiot!“ 17:28:00 Es hilft alles nichts. Mit brav anstehen kommt man nicht weiter, denn von allen Seiten drän-

Niemand möchte sich bei Explosiv sehen. geln sich später Hinzugekommene in die Schlange. Doch Jule und Steffi finden ein Schlupfloch. Von der Security unbemerkt, die scheinbar nur aus fünf Leuten besteht, schleusen wir uns von der Seite in die Absperrungsgitter. 17:33:17 Eine Werbedurchsage des Moderators: Ab Montag soll es für unschlagbare fünf Euro eine FotoCD beim Elektronikmarkt zu kaufen geben. Fantastisch. 17:36:57 Das Gitter hinter uns wird geschlossen. Ab sofort gibt es kein Zurück mehr. Endlich werden auch die Gespräche interessanter: „Musst du?“, fragt ein Mädchen ihre Freundin. Die antwortet: „Ja, schon, aber nicht jetzt.“ Dann ist ja alles gut. So ähnlich geht es weiter. Es ist sehr


“Es hilft alles nichts. Mit brav anstehen kommt man nicht weiter. Wir schleusen uns von der Seite hinter die Absperrungsgitter.”

warm und es wird massiv gedrängelt, was hysterische Mamas dazu veranlasst, die zahnbespangten Teenies hinter sich fies zu beschimpfen. Vorwärts geht es kaum und gelegentlich

“Musst du?” - “Ja, aber nicht jetzt.” kommt einer der Sicherheitsverantwortlichen vorbei, um das Gitter wieder richtig zu stellen. Undankbare Sisyphosarbeit: Ist er weg, wird es wieder zurückgeschoben. In der Luft liegt der unvergleichliche Geruch aus billigen DuftDeos, Schweiß, fettigen Haaren und ramschigen Klamotten. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass alle Mädchen hier übertrieben stark geschminkt sind. In Kombination mit den „neusten Mode-Trends“ aus der Bravo ergibt sich ein Gruselkabinett, was mein Mitleid für die Kandidaten nur verstärkt. Wie hält man es aus, zu hunderten schlecht angezogenen und schlecht riechenden Menschen nett zu sein? Ein erstes Fazit in jedem Fall: Ein Besuch bei einer Autogrammstunde kann das eigene Selbstwertgefühl massiv steigern. Steffi, Pia und ich fühlen uns zumindest sehr „sexy“. Zweites Fazit vom Mädel neben mir: „Boa, noch nicht mal bei Jimi Blue waren so viele!“ Könnte daran liegen, dass Jimi allein ist, die Kandidaten aber zu zehnt sind. So dauert es lange, bis wir es in den ersten Wellenbrecher geschafft haben und dort ist dann auch klar, warum es nicht vorwärts geht: Da die Gitter unbewacht sind, klettern ständig Nachzügler über den Zaun. Weil die Menschen weiter hinten natürlich nicht bereit

sind, ihre erkämpften Plätze aufzugeben, wird es immer enger. Hektisch verteilen die Sanitäter Wasser, die Ersten brechen zusammen, kreischen tut hier keiner mehr. Um 18:49 Uhr blicke ich zur Seite auf einen Nebenausgang. Die Tür geht auf, die ersten Kandidaten verschwinden in einen Gang. Und dann steht er da plötzlich, Fady, er sieht mich, wir lächeln, …lassen wir das. Genau wie die Anderen wird er von 15 Bodyguards durch die Tür geschoben und verschwindet. Das blieb natürlich nicht unbemerkt. Innerhalb des Wellenbrechers gibt es einen Linksruck, der Oskar Lafontaine die Tränen in die Augen treiben würde. Doch die Tür ist zu. Und erst um 18:51 Uhr klärt uns der Moderator auf: Ein paar gemeine Spaßverderber haben Eier auf die Kandidaten geschmissen. Daraufhin beschlossen die Verantwortlichen, die Autogrammstunde abzubrechen. Die Menschentraube löst sich so schnell auf, wie die Begeisterung für die zehn „Stars“ entstanden ist. Übrig bleiben ein paar abgebrochene Rosen, zertrampelte Autogrammkarten und ein einsamer Teddy in einer Ecke. Nicht umsonst heißt es: Das Beste kommt zum Schluss. Leicht geknickt, weil die recht einfache Aufgabe „Autogramm bei Autogrammstunde holen“ nicht erfolgreich bewältigt wurde, dennoch fasziniert über das Erlebte gingen wir zum Auto. Dabei kamen wir an dem Parkhaus vorbei, in dem die Kandidatenbusse standen. Und vor dem geschlossenen Tor hatten sich innerhalb von zwei Minuten 200 Teenies versammelt, die ihren Frust über nicht erfüllte Autogrammwünsche ausließen. Durch das Gekreische angespornt kamen immer mehr Leute und blockierten

Foto: Janni Deitenbach

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den Kreisverkehr. Als i-Tüpfelchen standen noch mal 50 Mädels in dem Parkhaus, die durch das ganze Gebäude „Benni“ brüllten, so dass es in der ganzen Hagener Innenstadt zu hören war. Es war sprichwörtlich die Hölle los und es sah auch nicht so aus, als ob der Mob die „Superstars“ einfach so gehen lassen würde. Also mussten die fünf Securitymenschen versuchen, die Meute mit Hilfe von Absperrgittern weg zu schieben. Die 15 Kollegen der V.I.P.-Betreuung waren anderweitig beschäftigt. Währenddessen brach der Busverkehr für die Hagener Innenstadt zusammen, denn die Busse konnten nicht zu ihrer Wendestelle vor dem Parkhaus fahren. Ein Busfahrer ließ sich dazu hinreißen, durch seinen Außenlautsprecher ein „Superstars sind scheiße“ zu verkünden, was die Menge zum Johlen brachte.

Fünf Securities für 1.500 Teens Gegen 19:20 Uhr ließ sich der anwesende Polizist erweichen und die Kandidatenbusse durften illegalerweise durch die Durchfahrt-verboten-Straße fahren. Bis dahin war die Räumung des Kreisverkehrs durch die Securitys nicht gelungen. Mit dem Blick auf die Rücklichter des nun schwindenden Busses musste ich mir eingestehen, dass ich dem Mythos des Autogramme-Jagens nicht näher gekommen war. Doch eins weiß ich: Fünf Sicherheitsbeauftragte sind definitiv zehn zu wenig für 1.500 Leute. JANNI DEITENBACH

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Was machen die denn da? Die Rückkehr des „Flashmobs“.

Wundervoller Sonnenschein. Wetter zum Eisessen. Plötzlich flüchten überall in der Bonner Fußgängerzone Jugendliche in Geschäfte und unter Schirme. Sie ziehen ihre Jacken über den Kopf und drücken sich an die Hauswände. Sie zetern und beschweren sich über das miese Wetter hier in Deutschland. Die Passanten wissen nicht, wie ihnen geschieht. Es regnet doch gar nicht. „Mama, was machen die denn da?“ „Die machen irgendeinen Unsinn mit ihren Regenschirmen!“ Genau: unsinnig, verrückt sein, unterhalten und verwundern. Die Jugendlichen machen einen Flashmob. Diese unsinnigen Verrücktheiten kommen ursprünglich aus den USA, von wo aus sie nach Europa schwappten und auch die Städte der „Alten Welt“ eroberten.

Der Flashmob - eine reine Spaßveranstaltung Bevor irgendjemand auf die Idee kommen konnte, die Horde entfernen zu lassen, ging diese schon zum nächsten Ort, den sie per SMS angezeigt bekam: Das zweite Ziel war eine Hotellobby, in der die Flashmobber 15 Sekunden lang applaudierten, bevor sie kommentarlos wieder gingen. Letzter Ort des Auflaufs war ein Schuhgeschäft, in dem sie sich als Touristen ausgaben. Der Organisator dieses ersten Flashmobs, Bill Wasik, erklärte später, das Ganze sei nur ein satirisches soziales Experiment gewesen: Er habe hippe Leute vorführen wollen, um zu zeigen, dass diese keineswegs so individuell seien, wie sie betonten, sondern nur ein Teil der „nächsten großen Sache“ werden wollten, egal, wie sinnlos diese sei. Dieser satirische Ansatz störte jedoch keinen der Flashmobber: Stattdessen fanden ähnliche Aktionen bald nicht mehr nur in Amerika, sondern vor allem auch in Europa

Foto: Angelika Lietzmann

Der erste Flashmob fand im Sommer 2003 statt, als ein New Yorker Journalist über das Internet mehrere Hundert junge Leute zusammenrief, um sie sinnlose Aktionen durchführen zu lassen. Sie liefen, ihre Anweisungen über SMS erhaltend, zunächst in ein Teppichgeschäft. Dort versammelten sie sich um einen ausgestellten Teppich und erklärten den verwunderten Verkäufern, sie seien

ein Kollektiv, das einen „Liebes-Teppich“ für ihr Lagerhaus am Stadtrand suche und solche Dinge immer gemeinsam entscheide.

Der Schirm als Schutz vor den Kameras.

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statt. Ende Juli 2003 gab es die ersten europäischen Flashmobs in Zürich, Wien und Rom, und im Laufe des Sommers waren immer wieder Versammlungen zu beobachten, bei denen sich junge Leute über Handys oder das Internet verabredeten, um sich Kissenschlachten zu liefern, auf der Stelle zu erstarren oder auf den Boden zu legen. Im Herbst desselben Jahres flaute die Begeisterung für so genannte „Blitzaufläufe“ wieder ab, die Flashmobbing-Bewegung schien tot zu sein. „Der kurze Sommer der Anarchie“ titelte denn auch die „Zeit“ im September 2003, die wie alle anderen nicht davon ausging, dass der Flashmob wieder auferstehen würde. Genau das passierte jedoch: Im Herbst 2007 gab es vereinzelte Aktionen, die allerdings eher der Kategorie des „Smart Mob“ zuzuordnen sind, also einer Versammlung mit politischem Hintergrund im Gegensatz zum Flashmob, der sich als reine Spaßveranstaltung versteht. Seit diesem Frühjahr jedoch findet man immer

Großes Gedränge - die perfekte Voraussetzung öfter Berichte über Menschenansammlungen, die auffällig unauffällig an einem zentralen Platz in einer deutschen Stadt herumstehen und auf ein Signal hin irgendeinen Quatsch machen – sehr zur Verwunderung der umstehenden Passanten. Nicht über SMS, sondern über das Internet hat sich die Bonner Horde verabredet. Als Treffpunkt vor der Aktion wurde die Wiese vor der Bonner Universität ausgemacht. Nach und nach trudeln die ersten Jugendlichen ein. Verstohlen sehen sie sich um, suchen nach Anderen. Ihre Schirme halten sie noch in Taschen versteckt. Man kennt sich nicht, weiß nicht, wie die anderen aussehen. Es herrscht Unsicherheit. Nur ein Mädchen in weißem Hängerkleid steht


Foto: Angelika Lietzmann

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Vor allem junge Leute machen mit beim Flashmob.

offen mit einem überdimensionalen Schirm vor den Stufen eines alten Gebäudes. „Einen kleineren hast du wohl nicht gefunden?“, fragt ein Junge hinter ihr. „Nein“ , ist die kurze Antwort. Und plötzlich scharen sich immer mehr Jugendliche um die beiden, bis die Gruppe auf etwa fünfzig Teilnehmer angewachsen ist. Es wird eifrig diskutiert: Wo ist die beste Stelle, um möglichst viele Menschen zu erreichen? Was soll genau gemacht werden? Und das Wichtigste: Wann geht es los? Auffällig ist ein Mann mit einer pinken Plastiktüte, der ganz in der Nähe auf einem niedrigen Zaun sitzt und immer häufiger zu der Gruppe hinüber starrt. Ein Flüstern geht um: „Guckt mal da, wir werden gefilmt!“ Und tatsächlich, aus einem Loch in der Tüte schimmert die Linse einer Kamera. Als Mitte April eine Horde von bis zu 1000 Flashmobbern eine der Hauptverkehrsstraßen in Köln blockierte, ist das Medieninteresse riesig. Vollkommen unerwartet versammelte sich damals eine Menschenmasse zu einer großen Straßenparty, die bis nach Mitternacht andauerte und die Medien, die Polizei und die Passanten vor ein Rätsel stellten. Als die Deutsche Presseagentur einige Tage später eine Mitteilung herausgab, die auf eine neue Aktion auch in Köln verwies, belagerten an besagtem Tag mehrere Kamerateams und andere

Journalisten die Freitreppe vor dem Dom. Ein „Freeze“ sollte es werden, die Königsdisziplin des Flashmob. Mitten in der Bewegung erstarren, als würde die Zeit angehalten. In der Gemeinschaft der Flashmobber berühmt ist vor allem der „Freeze“ in der Grand Central Station in New York. Von einer Minute auf die an-

Kameramann auf der Bonner Wiese ganz offen zu der Gruppe herüber schlendert und sich ungezwungen an ihrem Rand niederlässt. Anscheinend wurde er eingeladen. Nach einigen verwirrten Blicken untereinander lässt sich niemand mehr von seiner Anwesenheit stören. Der Zeitpunkt ist festgelegt und auch der Ort ist klar.

Das Medieninteresse ist riesig - doch die Presse unerwünscht

Um kurz nach sechs in der Fußgängerzone am Blumenmarkt. Dort ist es eng, es sind viele Menschen dort, es herrscht Gedrängel. Die perfekten Vorraussetzungen um möglichst viele zu verblüffen. Die Gruppe zerstreut sich. Alleine oder zu zweit streben die Jugendlichen auf die Innenstadt zu. Nur kein Aufsehen erregen, bevor es los geht. Die letzte Minute läuft, der Kameramann hat hinter einem Sonnenschirm in der Mitte der Straße Stellung bezogen und dann gehen die ersten Schirme auf. „Was für ein Mistwetter!“ und „Der Sommer hier in Deutschland ist wirklich furchtbar“, meckern die Jugendlichen. Die Straße ist verstopft mit Regenschirmen. Wer keinen hat und dem imaginären Schauer schutzlos ausgeliefert ist, rettet sich unter Vordächer oder zieht sich seine Jacke über den Kopf. Die Passanten sind verblüfft: „Was machen die denn da?

dere erstarrten fast alle Menschen in der überfüllten Haupthalle, zum grenzenlosen Erstaunen der restlichen Passanten und des Personals. Der in Köln angekündigte Flashmob fand nicht statt, der Pfiff, der den Start der Aktion ankündigen sollte, ging im allgemeinen Durcheinander unter. Und so warteten die Pressevertreter vergeblich. Sie sind ohnehin unerwünscht bei den Aktionen. Denn der einzige Sinn hinter Kissenschlachten und plötzlichen Regenschauern ist für viele das Verwirren der Passanten. Die erstaunten Blicke und unwissenden Kommentare sind der Lohn des Flashmobbers. Eine Berichterstattung ist daher zu vermeiden. Die Menschen sollen ahnungslos bleiben. Sonst staunt bald niemand mehr über die Verrückten in der Fußgängerzone. Um so verwunderlicher, dass der

Merete Elias & Philine Lietzmann

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„Bissig, aber nicht giftig!“ BiTSLicht machte den Phantasialand-Test.

Dass die schwarze Mamba ein überaus gefährliches Tier ist, weiß sicherlich jeder aus einschlägigen Erzählungen. „Black Mamba“ heißt auch eine der Hauptattraktionen im Phantasialand in Brühl. Aber Angst vor diesem vermeintlich aggressiven Reptil hatte keiner der mutigen BiTSLicht-Testpersonen. Vier Redakteure machten nämlich für die 13. Ausgabe den ultimativen Freizeitpark-Check.

Die „Black Mamba“: Querbeschleunigung wie in der Formel 1 Wenn man sich erst einmal in die perfekt angespassten Sessel gezwängt hat, gibt es kein Zurück mehr. Nachdem die Besucher schon vorher mit gefühlten 100 Sicherheitsbestimmungen vertraut gemacht wurden (Herzkranke und Schwangere dürfen genau so wenig mitfahren wie Hunde oder Katzen – macht Sinn!), kann es dann endlich losgehen. Der Höllenritt mit der vermeintlichen „Über-Achterbahn“ dauert zwar nur eine knappe Minute, die hat es aber in sich! Zig Loopings und rasante Abfahrten erzeugen eine derartige Querbeschleunigung, die für unsereins sicherlich ihres Gleichen sucht – es sei denn, man ist erfahrener Formel 1-Pilot. Eher unwahrscheinlich!

Gut durchgeschüttelt, aber nicht sonderlich gerührt, stoppt man mit der schwarzen Mamba wieder da, von wo aus sie vor einem Moment losgeschlängelt war. Entweder fragt man sich: „War es das schon?“, oder man ist froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Bei den Testern stellte sich eher ersteres Gefühl ein. Eines hält sicherlich im ersten Moment von der „Black Mamba“ ab: Die wartende Meute vor dem Fahrgeschäft. Die nennt sich witzigerweise auch „Schlange“ und ist meistens ziemlich lang. Wenn man sich aber einmal durchgekämpft hat, bekommt man eine gut dosierte Portion Spaß geboten, die jedoch schneller zu Ende ist ,als einem lieb ist. Viel Geduld und viel Stress für den viel zu kurzen Nervenkitzel! Das „Mystery Castle“ – die Ausmaße verheißen nichts Gutes Schon von Weitem ist das 65 MeterGebäude zu erkennen: Ein mittelalterlich anmutender Turm, dessen Ausmaße nichts Gutes verheißen lassen.

Foto: Jonas Grürmann

Im Laufe der letzten Jahre hat BiTSLicht vieles getestet: Wein, Spielekonsolen oder Gesellschaftsspiele. Nun begaben sich vier BiTSLicht-Redakteure auf ganz neues Terrain: Für einen ganzen Tag wurde das Phantasialand in Brühl bei Köln unter die Lupe genommen. Besonders im Fokus: Die beiden Top-Attraktionen „Mystery Castle“ und die „Black Mamba“. Beide Fahrgeschäfte überzeugen schon vor der ersten Fahrt durch ein durchdachtes Gesamtkonzept und können mit ihren eigenen Themenwelten (Afrika bei der „Black Mamba“ und Mittelalter beim „Mystery Castle“) bei den Besuchern

punkten. So kommt während des Wartens, das an sonnigen Tagen übrigens auch mal bis zu anderthalb Stunden dauern kann, bereits ein ganz spezielles Flair auf. Jetzt aber ganz fix angeschnallt und los geht die wilde Fahrt...

Wie beim Überraschungsei: Spiel, Spannung und Spaß für die ganze Familie im Phantasialand.

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Foto: Florian Hintze

Foto: Florian Hintze

Foto: Jonas Grürmann

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Schlange stehen an der Black Mamba und dann kopfüber durch Afrika? Oder schmunzeln über die “Produktpiraten” aus China?

Doch alles beginnt recht unspektakulär: Ein „Schwarzer Abt“ (irgendwie scheinen die Macher es mit der Farbe Schwarz zu haben) öffnet das Tor des Burgturms und wirkt mit seiner billigen Plastikmaske eher ungewollt komisch als gewollt furchteinflößend. Mit zögerlichen Schritten tippelt die circa 30 Mann starke Gruppe unter seiner Führung in das mysteriöse Schloss und wird erst einmal durch eine Respekt einflößende mittelalterliche Themenwelt geführt, die die Vorfreude auf den Free-FallTurm langsam steigert. Respekt scheint hier auch angebracht zu sein, denn immerhin schießen die Sessel mit ziemlich hoher Geschwindigkeit in die Höhe, um dann mit irrem Tempo wieder nach unten zu stürzen. Das Spektakel selbst dauert nur wenige Sekunden – aber die sind es absolut wert. Das Adrenalin sprudelt nur so durch den ganzen Körper, die Knie werden weich, Schreie ertönen. So muss das sein!

nesischen Elementen aufgemachten Geisterbahn, vielleicht noch gruseln. Beim etwas älteren Publikum führen die dargestellten Szenen eher zu belustigten Kommentaren oder der Feststellung, dass zwei Geisterrikshas weiter ein Pärchen die Dunkelheit zum Knutschen nutzt. Trostpflaster ist die sehr geringe Wartezeit. Doch nicht nur Fahrgeschäfte machen das Phantasialand aus. In den Themenregionen gibt es passende kleinere Shows und im sogenannten „Wintergarten“ eine wirklich beeindruckende Vorstellung: „Arachnomé“. Neben exzellent von einem Magier umgesetzten Illusionen bietet sie atemberaubende Artistik von internationalen Künstlern, verpackt in eine große Tanzshow mit schnellen Choreographien.

„Talocan“ als neueste Attraktion Schlussendlich ist der laut ADAC „Beste Freizeitpark Deutschlands“ immer einen Besuch wert, das ist sicher. Denn neben den besagten Hauptattraktionen können auch viele andere Stationen des Phantasialandes mit ihren Konzepten überzeugen. Auch das neue „Talocan“, ein sich um die eigene Achse drehender „Suspended Top Spin“, hat schon nach einem Jahr viele Fans gefunden. Diese „Menschenschleuder“ war dann aber ein Quäntchen zu hart für die vier Tester und man blieb lieber auf festem Untergrund stehen – denn immerhin hat man seine Nahrung recht unerwartet in der Schwarzen Mamba und im Höllenturm erfolgreich in sich behalten können. Simon Engels

Das „Hochschießen“ ist sicherlich das Schlimmste – aber was sage ich: Man muss es einfach selber ausprobieren. Es lohnt sich in jedem Fall und die Wartezeit ist absolut erträglich. Im Gegensatz zur „Black Mamba“ vergehen hier nur knapp 30 Minuten bis zum Entern des Burgturms. Einfach Nervenkitzel „par excellance“!

Ältere Fahrattraktionen im Phantasialand scheinen dagegen ihren Unterhaltungs-Zenit schon überschritten zu haben – oder aufgeklärte Studenten sind nicht mehr so einfach zu begeistern. Kinder würden sich in einer Geisterriksha, einer mit chi-

Foto: Florian Hintze

Kinder würden sich noch gruseln

Orientierungslos? - Im Phantasialand findet man sich per Karte super zurecht!

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Foto: Christival

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Partys, Alkohol und Gott Ist es wieder „cool“, an Gott zu glauben? Einiges deutet darauf hin ...

Spielt Religion im Leben junger Menschen wieder eine Rolle? Erst kürzlich feierten über 16.000 junge Menschen beim Christival in Bremen sich und ihren Glauben. Die Bilder erinnerten an den Weltjugendtag in Köln, bei dem 2005 mehr als eine Million Christen den Papst wie einen Popstar bejubelten. Und auch die ein Jahr später veröffentlichte Studie zur Reichweite kirchlicher Jugendarbeit in Deutschland belegt den Trend zur Religiosität unter Jugendlichen. Sie stellte fest, dass fast jeder fünfte Jugendliche Angebote der Kirche nutzt. Damit erreichen beiden Kirchen zusammen mehr Jugendliche als die kommunalen Organisationen. Ein Erfolg im Vergleich zu früheren Jahren, aber immer noch wesentlich geringer als der Mobilisierungsgrad in anderen europäischen Ländern wie Polen oder Irland. Ein Erfolgsfaktor könnte die Veränderung der kirchlichen Jugendarbeit in den letzten Jahren sein, wie der Geschäftsführer der evangelischen Jugend von Westfalen, Bernd Hillebrand, glaubt: „Unsere Jugendarbeit ist heute offensiver und besser auf die Jugendlichen zugeschnitten als früher. Wir kooperieren eng mit

“Noch vor zwei Jahren habe ich Gläubige belächelt.” Schulen, wo unsere Mitarbeiter zum Beispiel Hausaufgabenbetreuung anbieten. Außerdem gibt es wesentlich mehr Jugendgottesdienste und -gruppen sowie Offene-Tür-Angebote.“ Die größten Magneten, die die Jugendlichen an die Kirche binden sollen, sind jedoch die zahlreichen Events. Kirchen- und Weltjugendtage gibt es zwar schon seit mehreren Jahrzehnten. Doch in den letzten Jahren sind auch einige andere christliche Festivals entstanden, die sich immer größerer Beliebtheit er-

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freuen. Rockmusik, durchzechte Nächte und Alkohol gibt es dort genauso wie bei „normalen“ Festivals. Das sei einfach Ausdruck der Jugendkultur, findet Hillebrand. Er wehrt sich gegen den Vorwurf, durch solche Angebote verrate die Kirche sich und ihre Botschaft: „Wir sind offen für neue Konzepte, denn wir wollen schließlich mit anderen Veranstaltungen mithalten können. Wichtig ist, dass wir die Jugend mit unseren Themen erreichen. Aber alles macht die Kirche natürlich auch nicht mit. Sie vertritt schließlich gewisse Prinzipien.“ So steht die Kirche zu ihrer - bei vielen jungen Menschen eher unpopulären - Einstellung gegenüber Abtreibung und Homosexualität. Alexandra Koch gehört zu den Jugendlichen, die aktiv in der Kirche mitarbeiten. Die 20-Jährige verbringt zurzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr beim CVJM Hagen. Auch sie besuchte das Christival - und war begeistert von der Atmosphäre, die dort herrschte: „Es war ein super Gefühl, mit so vielen Menschen, die ich vorher gar nicht kannte, über Glauben zu sprechen und Gott zu erleben. Wir waren eine große Gemeinschaft.“ Dabei waren Gott und Kirche längst nicht immer ein Teil von Alexandras Leben – im Gegenteil: „Noch vor knapp zwei Jahren war ich auch einer von den Menschen, die Gläubige belächeln und nicht ernst nehmen.“ Erst als die Hobby-Sängerin 2006 einer neu gegründeten Chor- und Theatergruppe der örtlichen Kirchengemeinde beitritt, beginnt sie, sich mit Glaubensfragen auseinanderzusetzen. Die damals 18-Jährige ist eine der Ältesten in der Gruppe und wird deshalb schnell zur Betreuerin befördert. Sie nimmt an Teamleiterseminaren teil und lernt dort einige gläubige Christen kennen, die zu ihren Freunden werden. „Diese Leute haben mir gezeigt, dass meine Vorurteile, Christen wären verklemmt und könnten keinen Spaß haben, absolut

falsch waren“, sagt Alexandra. Sie ist fasziniert von der Art, wie ihre neuen Freunde von ihren Erfahrungen mit Gott sprechen und den Glauben auch im Alltag aktiv leben. „Christen sind viel bedächtiger im Umgang mit anderen Menschen. Sie denken mehr an ihre Umwelt.“ Auch Alexandra beginnt, sich Gedanken über ihr Leben und Gott zu machen. Doch das bedarf einer Menge Mut, den sie, wie sie feststellt, vorher nicht hatte.

“Ich bin zwar Christ, aber ansonsten ganz normal.” Dass sich viele aus Angst vor unangenehmen Selbsterkenntnissen nicht trauen, ihren bisherigen Lebensstil zu hinterfragen und sich mit Glaubensfragen auseinanderzusetzen, bestätigt auch der evangelische Landesjugendpfarrer von Westfalen, Udo Bussmann: „Viele Menschen, nicht nur Jugendliche, sind einfach zu bequem, sich aktiv mit solchen Fragen zu beschäftigen. Nach dem Motto: Bisher lief mein Leben doch ganz gut, warum sollte ich etwas daran ändern?“ Die meisten werden erst durch gläubige Freunde dazu angeregt, selber in der Kirche aktiv zu werden - so wie es bei Alexandra der Fall war. Dies fand die Studie „Realität und Reichweite von Jugendverbandsarbeit“ im Jahr 2006 heraus. Auch die Einstellung der Eltern gegenüber Religion spielt eine Rolle. Wachsen Jugendliche in religiösen Familien auf, so glauben sie eher an Gott als Kinder aus einer atheistischen Umgebung. Um auch diese Jugendlichen zu erreichen, bietet die Kirche zum Beispiel verschiedene Jugendgruppen an. Eine solche Gruppe besucht auch Alexandra regelmäßig. Im CVJM Hagen trifft sie sich jeden Donnerstagabend mit 10 bis 15 anderen jungen Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren. Sie singen, beten, spielen und diskutieren miteinander – über Gott und Jesus, aber auch über Wer-


Die Kirche erweitert ihr Konzept und die Jugend reagiert. Foto: Christival

teinstellungen und persönliche Probleme. „Ich bin jetzt schon seit sechs Jahren in dieser Gruppe“, erzählt der 21-jährige Christian. „Hier sind die Leute, die ich mag. Hier kann ich abschalten vom Alltagsstress.“ Mit dem gegenseitigen Austausch über ihre Erfahrungen mit Gott entwickeln die Jugendlichen ihren Glauben weiter und klären offene Fragen. Alexandra, die sich mittlerweile als gläubig bezeichnet, hat immer noch viele offene Fragen und gelegentlich auch Zweifel. „Wenn ich in der Bibel lese, stoße ich oft auf Dinge, die ich nicht verstehe. Da hilft es, mit den anderen zu sprechen.“ Obwohl fast alle in der Gruppe von sich sagen, an Gott zu glauben, geht niemand von ihnen sonntags regelmäßig in die Kirche. „Man kann auch ein guter Christ sein, ohne in die Kirche zu gehen“, findet Stefan, selber Mitarbeiter beim CVJM. „Was sollen wir denn da? In der Kirche sind doch nur alte Leute, man kann nicht miteinander reden und unsere Musik wird dort auch nicht gespielt.“ Nach einer durchgemachten Diskonacht hätte man dazu sowieso keine Lust, ergänzt ein anderer lachend.

Foto: Christival

Titelthema

“Viele sind zu bequem, sich Glaubensfragen zu stellen.”

Glaubensbekundung mal etwas anders. Foto: Christival

Was Glaube für sie bedeute? Er sei ein Orientierungspunkt, der helfe, sein Leben richtig und sinnvoll auszurichten. „Seitdem ich weiß, dass Gott in meinem Leben ist, fühle ich mich ausgeglichener und glücklicher“, sagt Alexandra. „Es gibt mir einfach Sicherheit.“ Auch Landesjugendpfarrer Bussmann hebt die Bedeutung der Religion als Fixpunkt in einer sich immer schneller wandelnden Gesellschaft hervor. „Auch deshalb scheinen sich langsam wieder mehr junge Leute für Gott zu interessieren.“ Auf die Frage, ob Christen anders seien als nichtgläubige Menschen, zeigt Alexandra lächelnd auf ihr TShirt: „Ich bin zwar Christ, aber ansonsten ganz normal.“ Ganz normale Jugendliche mit Spaß an Partys, Musik und Alkohol: So wollen die Jugendlichen gesehen werden - und nicht als merkwürdige, langweilige Freaks. Generation Spaß ja. Aber mit ernsten Gedanken. Desirée Backhaus

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G A T S N DIE

Fastfood und Schokoriegel

H C O W T T I M

Was man / Student essen darf, sollte und muss.

Regelmäßige Alkohol-Exzesse, viel Koffein und noch mehr Nikotin, dafür wenig Bewegung und kein Obst und Gemüse – es steht schlecht um die Ernährungsgewohnheiten der Studenten. Aber kann man seine Leistungsfähigkeit durch eine gesündere Ernährung tatsächlich verbessern? Die Ergebnisse des Marburger Medizinpsychologen Heinz-Dieter Basler, der die Lebens- und Ernährungsgewohnheiten von Studentinnen und Studenten untersuchte, sprechen eine klare Sprache. In einer repräsentativen Umfrage, in der rund 1300 Marburger Erstsemester befragt wurden, kommt zutage, was wir alle bereits vermuteten: Studenten leben ziemlich ungesund.

Warum war Gemüse nochmal gesund? Nur zwei von fünf Studenten gaben an, mindestens dreimal in der Woche 20 Minuten Sport zu treiben und nur einer von 20 hielt sich an die Gesundheitsregel, mehrmals am Tag Obst und Gemüse zu sich zu nehmen. Dagegen steht ein knappes

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Drittel, das sich als Raucher outete und 62%, die regelmäßig mal Einen über den Durst trinken. Studenten müssen in puncto gesunder und ausgewogener Ernährung also noch einiges lernen. Doch fällt es ziemlich schwer, zwischen den ganzen Ratgebern und Empfehlungen den Überblick zu behalten. Und warum war Gemüse nochmal gesund? Selbst auf diese scheinbar simple Frage geben kaum zwei Ernährungsexperten die gleiche Antwort. Obwohl es bei den meisten „Erkenntnissen“ an empirischen Belegen fehlt, überhäufen uns die Medien immer wieder mit neuen Tipps. Erst wird die Frustbremse aus der Fritteuse zum Feindbild gemacht und wenig später sind es die Kohlenhydrate, die unserem Körper zu schaffen machen sollen. Doch nichtsdestotrotz gibt es ein paar Dinge, die man beachten kann ohne gleich auf alles zu verzichten zu müssen, was man mag. Um ein wenig Klarheit in der Frage zu bekommen was man als Student tun kann, um die maximale Leistungsfähigkeit zu erreichen, sprach BiTSLicht mit der Ernährungsberaterin Dipl. oec. troph. Michaela Wendel aus Iserlohn. Das größte Problem sieht sie darin, dass viele Studenten sich überwie-

gend von Fastfood und Süßigkeiten ernähren und diese mit gesüßten Erfrischungsgetränken herunter spülen. Auf den Punkt gebracht: „Es sind die

Feindbild: Kohlenhydrate?

gleichen Ernährungsfehler wie bei der übrigen Bevölkerung: unregelmäßige Mahlzeiten, zu fettreich, zu viele Fertigprodukte und zu wenig Frisches.“ Gegen den Frischemangel im Studentenhaushalt bietet jedoch schon der Supermarkt um die Ecke eine geeignete Lösung: „Fruchtsmoothies, fertige (Obst-) Salate und auch Tiefkühlgemüse, aus dem sich schnell und einfach eine gesunde, kostengünstige und vitaminreiche Mahlzeit zubereiten lässt.“ Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) gibt zahlreiche Anhaltspunkte wie man seine Leistungsfähigkeit verbessern kann: „Regelmäßige Mahlzeiten; besonders wichtig ein sinnvoll zusammengestelltes Frühstück! Fünfmal täglich frisches Obst und Gemüse, d.h. zwei Portionen Obst besonders als Zwischenmahlzeit, drei Portionen Gemüse in Form von Salat, rohem und gedünsteten Gemüse. Fettarme


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eiweißreiche Lebensmittel wie Geflügel, Fleisch, Fisch, Milch- oder Sojaprodukte sind für die Leistungsfähigkeit essentiell. Kohlenhydrate in Form von Nudeln, Reis, Kartoffelgerichten sollten täglich am Besten in der vollwertigen Version genossen werden.“ Bei Getränken ist vor allem die Menge entscheidend: „Täglich zwei bis drei Liter, am Besten kalorienfreie oder -arme Getränke wie Wasser, Fruchtsaftschorlen, Frucht- und Kräutertees. Gesüßte Erfrischungsgetränke sollten selten genossen werden. Besonders Cola sollte aufgrund des Phosphatgehalts, welches dem Körper Kalzium entzieht, wenig getrunken werden. Einen Energiekick geben frisch gepresste Säfte aufgrund des hohen Fruchtzuckergehalts.“ Zu guter Letzt noch eine gute Nachricht

Kleines Nährstoff-Lexikon Eiweiß Die tägliche Nahrung sollte aus einer Mischung von tierischem und pflanzlichem Protein zusammengesetzt sein. Die wichtigsten Eiweißlieferanten unserer Ernährung sind: Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Milchprodukte (Joghurt, Quark, Frischkäse, etc.), Sojaprodukte (Tofu, Sojamilch, etc.), Hülsenfrüchte, Getreide, Getreideprodukte und Kartoffeln. Fette Mit der Nahrung aufgenommene Fette dienen der Energieversorgung und als Speicherfett. Einige mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind für den menschlichen Organismus essentiell und müssen

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für die Koffein-Junkies unter uns: „Drei bis vier Tassen pro Tag sind unbedenklich“. Gerade vor einer Prüfung sollte man sich ruhig noch-

Gute Nachricht für Koffein-Junkies mal einen Becher Kaffee gönnen, da er stimmungsaufhellend wirkt und uns leistungsfähiger macht. Wir müssen also keinesfalls auf all unsere Laster verzichten. Zwar ist es schwierig, sich bei einem ungeregelten Tagesablauf regelmäßig und ausgewogen zu ernähren, doch schon ein Gang in die Mensa an Stelle von Schokoriegeln oder Fastfood kann einiges bewirken. Zum einen schont

& G TA G S SAM NNTA SO es den ohnehin schon strapazierten Geldbeutel, und zum anderen bekommt man eine ausgewogene Mahlzeit, ohne selbst kochen und abwaschen zu müssen. Doch auch dort gilt: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg, denn gegen die ungesunden Vorlieben der Studenten ist scheinbar kein Kraut gewachsen. Wenn man das Salatbüffet gekonnt ignoriert und sich immer als Erstes auf die Fastfood-Angebote stürzt, hilft auch die Mensa nicht weiter. Dann sollte man sich vielleicht vor Augen halten, dass Pommes & Co. die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit verringern und sich überlegen, die beliebten Fastfood-Gelage lieber auf die Semesterferien zu verschieben. Jennifer Jung

über die Nahrung zugeführt werden. Diese dienen unter anderem dem Aufbau der Zellmembranen und als Ausgangssubstanz für die Prostaglandinsynthese.

benötigt. Wichtige Nahrungsquellen für die verschiedenen Vitamine sind: frisches Obst, frisches Gemüse und Vollkornprodukte.

Kohlenhydrate ... spielen in der menschlichen Ernährung von allen Nährstoffen die wichtigste Rolle. Sie sind für den Organismus leicht verwertbar und der bevorzugte Energielieferant. Die wichtigsten Nahrungsquellen für Kohlenhydrate sind: Kartoffeln, Reis, Nudeln, Obst, Gemüse, Milch und Süßigkeiten.

Mineralstoffe ... sind insbesondere für Wachstum und Stoffwechsel wichtig. Sie werden in Mengen- (z.B. Natrium, Kalium, Kalzium und Magnesium), sowie Spurenelemente (z.B. Fluor, Eisen, Jod) unterteilt.

Vitamine Die Vitamine werden im Organismus für die Ausübung und die Aufrechterhaltung lebensnotwendiger Funktionen

Ballaststoffe ... sorgen vor allem im Dickdarm für eine ausreichende Füllung. Sie kommen nur in pflanzlichen Lebensmitteln vor, hauptsächlich in Getreide und VollkornGetreideprodukten, Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten.

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Foto: Prima Künstlermanagement

„Für die Künstler ist kein Platz mehr.“ Vom Nachwuchsjournalisten zum verhinderten Lehramtsanwärter, vom Studiennichtbeender zum umjubelten ComedyStar: Jürgen von der Lippe.

Man könnte den Titel auch noch ergänzen: Das Beste aus 30 Jahren für heute. Das heißt, ich habe jetzt nicht einfach Dinge, die vor 25 Jahren mal super funktioniert haben, genommen. Das heißt, dass viele Ihrer Klassiker heute nicht mehr ankämen? Jürgen von der Lippe stellte sich den Fragen von BiTSLicht .

Herr von der Lippe, wir studieren in Iserlohn im Sauerland. Haben Sie zu dieser Region irgendeine Verbindung? Iserlohn ist regelmäßig Tourstadt - ich habe da auch schon mit dem Knast Bekanntschaft gemacht. Einmal habe ich dort einen Auftritt gehabt. Da fragte jemand: „Wie sieht denn so Ihr Tag aus?“ Das Problem ist, man vergisst eben in so einem Augenblick, dass man vor Menschen sitzt, die in einer besonderen Lebenssituation sind. Ich habe dann geantwortet: „Wenn ich auf Tour bin, stehe ich um 10 auf, ess’ einen Apfel, dann spiele ich anderthalb Stunden Tennis, dann frühstücke ich mit meinem Tourleiter...“ Und dann schrie einer: „Ja, so einen Tagesanfang möchte ich auch mal haben.“ Diese hübschen Erlebnisse verbinde ich dann immer mit Iserlohn. Warum darf man als ihr Fan das Bühnenprogramm „Das Beste aus 30 Jahren“ auf keinen Fall verpassen? Das ist mir jetzt ein bisschen zu kategorisch. Ich sage mal so: Selbst wenn man alle Platten besitzt und alle Programme gesehen hat, dann wird man trotzdem Spaß daran haben.

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Ich habe alles modernisiert, gestrafft und aktualisiert. Ich habe darauf geachtet, dass die Gagdichte so ist, wie sie heute zu sein hat oder wie sie in meinen neueren Programmen immer war. Das ist bei alten Texten vielfach nicht der Fall. Manche schreien immer nach Udo Lohmeier (Anmk. d. Red.: sein erfundener Erzfeind aus früheren Tagen). Aber das Ding kommt einfach nicht mehr an. Nur ein nostalgisches Gefühl auszulösen ist mir zu wenig. Ich habe jetzt ein Programm, das mit Stand-Up-Bestandteilen absolut modern wirkt. Sie haben Germanistik, Philosophie und Linguistik studiert. Wollten Sie jemals etwas anderes werden als Showmaster? Als ich anfing zu studieren, wollte ich eigentlich Journalist werden. Man riet einem, der Journalist werden wollte, ein Fachstudium zu machen. Ich habe dann Geisteswissenschaften studiert. Meine Eltern hofften natürlich, dass ich Lehrer werde. Ich habe eine Zwischenprüfung in Aachen gemacht und bin dann nach Berlin gegangen, weil ich mich in die Stadt verliebt hatte. Als ich das erste Mal da war, war ich dann auch gleich in so einem Folklore Club und wollte dort natürlich auftreten. Ich habe mich nicht um die Studienordnung

gekümmert. Als ich alle Scheine hatte, wollte ich mein Examen machen. Und dann stellte ich fest, dass es in dieser Kombination gar nicht lehramtsfähig ist. Und Magister? Konnte man sich vors Knie nageln. Damit war Ihr Weg als Showmaster vorgezeichnet? Ich sagte mir: Ja, okay. Das ist ja jetzt also alles nix, aber du kannst ja eigentlich schon ganz gut von der Singerei leben. Du hast es dir zwar so nie vorgenommen, aber jetzt machst du es halt. Also bin ich jetzt nicht im strengen Sinn ein Studienabbrecher, sondern ein Studiennichtbeender. Das ist ein Unterschied. (lacht) Zumal ich acht Jahre „Deutsch für Ausländer“ als Tutor unterrichtet habe. Das hätte ich viel geiler gefunden als Job. Das hat mir wirklich Spaß gemacht. Aber da waren alle anderen Bewerber promoviert, hatten jahrelange Berufserfahrung und zig Veröffentlichungen in Fachzeitschriften – also für mich völlig aussichtslos. Sie imitieren auch bekannte Künstler wie Udo Lindenberg oder Helge Schneider. Wurden Sie von denen schon einmal darauf angesprochen? Ja, von Udo Lindenberg. Den habe ich schon im Jahre 1980 in seinem Beisein imitiert. Der fand das klasse und hat mir auch einige Bilder geschenkt. Er ist ja ein richtig geiler Maler. Man sieht sofort: Das ist ein Lindenberg! Wirklich alle waren begeistert…? Na ja, Maffay war mal ein bisschen verstimmt. Aber Helge natürlich nicht. Ich benutze die Parodie ja nicht, um dem Parodierten eins


Über Leben

auszuwischen. Wenn ich jemanden parodiere, dann muss ich ihn zuerst einmal mögen. Ich bin ja MaffayFan. Er hat eine geile Stimme. Nun habe ich das Glück, ähnlich singen zu können. Was denken Sie über das heutige Fernsehen? Bekommt das Publikum die Sendungen, die es verdient? Die Frage stellt sich so nicht, aber wenn man das Buch von dem Schawinski (Anmk. d. Red.: Roger Schawinski, von 2003 bis 2006 Geschäftsführer Sat.1 und Autor von „Die TV-Falle“) gelesen hat, sieht man die Hintergründe, wie Fernsehen gemacht wird. Da kann man nur das kalte Grausen kriegen. Beim Fernsehen ist heute nur noch der Shareholder Value interessant. Das sind alles Aktiengesellschaften und die wollen eine Rendite sehen. Die Programmentscheidungen haben nur noch mit Audience Flow, Minutenschritten und taktischem Geplänkel zu tun. Rudi Carrell sagte einmal, es sei die größte Gnade, dass man auf dem Samstagabend das machen durfte, was man wollte. Das durfte ich ja auch noch. Nun ist für die Künstler überhaupt kein Platz mehr. Es ist ein Geschäft. Und das macht mich ein bisschen traurig. Mittlerweile sind Sie für den Spartensender Comedy Central aktiv.

Ist das Fernsehen schnelllebiger geworden? Ich sage mal so: Genial daneben, was auf einer ähnlichen Schiene liegt, würde heute gar nicht mehr genommen. Genial daneben hatte einen schwachen Start und eine lange Anlaufphase, bloß damals hat man sich die Zeit noch genommen. Das ist völlig vorbei. Marc Conrad (Anmk. d. Red.: ehemaliger RTL-Programmdirektor und Geschäftsführer) hat gegen jede Marktforschung Samstag Nacht durchgepaukt und Anke Schäferkordt, die jetzige RTL-Chefin, hat einst bei VOX Ally McBeal durchgeboxt. Das kann man ihr nicht hoch genug anrechnen. Was denken Sie über die werberelevante Zielgruppe 14 bis 49? Es ist Humbug. Jeder weiß, dass es Humbug ist – auch aus demografischer Sicht. Die Älteren haben das Geld, die Älteren sind auch beweglich genug. Jetzt ist die letzte Ausrede der werbetreibenden Industrie: Ja, wir wissen es, aber die Älteren nehmen unsere Werbebotschaften nicht an. Ja, wer muss sich denn da ändern? Die Älteren oder vielleicht die Werber? Ich ahne Ihre Antwort. In ein paar Jahren ist dieser Spuk vorbei, aber bis dahin wird es so wei-

Foto: Prima Künstlermanagement

Ich bin dort hingegangen, weil ich gehofft habe, dass man dort vielleicht noch einen alten Kämpfer machen lässt. Und genau das ist auch erfolgt. Was wir da machen, ist richtig knall-

harter Bildungshumor. Da brauche ich zu Sat.1 oder Pro 7 gar nicht hinzugehen.

Jürgen v. d. Lippe über den Wandel im Comedy-Sektor und persönliche Konsequenzen.

terlaufen. Aber das ist doch Unfug! Ich kann doch nicht Programm machen mit der einzigen Maßgabe, dass die 14- bis 49-Jährigen verstärkt einschalten, und wenn sie das nicht tun, ist das Programm scheiße. Nein, es muss anders herum sein. Es müssen Leute, die was vom Metier verstehen, ein Angebot machen - und dann muss der Zuschauer die Chance haben, sich daran zu gewöhnen. Man muss bei einer Show auch den Protagonisten die Möglichkeit geben, sich mal einzufummeln. Jeder ist doch nervös, wenn er eine Premiere hat. Und hinterher, wenn ich merke, ich habe es jetzt durchgestanden, dann kann ich daran denken, brillant zu werden. Wenn man all das nicht mehr zulässt, wie soll denn da gutes Programm entstehen? In welchen konkreten Situationen haben Sie sich als Künstler eingeschränkt gefühlt? Es hat sich eine merkwürdige Art von Demokratie eingeschlichen, die dazu führt, dass irgendwelche Idioten mitreden. Ich verstehe ja, dass der Produzent mitreden will, es ist schließlich sein Geld. Dass der Regisseur als Künstler was zu sagen hat - klar. Doch dann kommen irgendwelche Redakteure, die von nichts eine Ahnung haben und mir dann erklären wollen, wie Comedy funktioniert. Das kann ich nicht mehr. Dafür bin ich zu alt und dafür bin ich auch zu gut. Ich mache ohnehin jetzt nur noch solche Geschichten, die mir richtig Spaß machen in Richtung, na ja, gehobene Unterhaltung. Schämen Sie sich im Nachhinein für manche Programme? Das ist Quatsch! Es ist nur eine andere Zeit. Ich tauge ja jetzt auch nicht mehr zum Massenidol, dafür bin ich 30 Jährchen zu alt. Aber: Ich kann natürlich sehr gut eine Sendung über Sprachfehler, wie jetzt beim MDR, machen. Eine Buchsendung steht mir sehr gut zu Gesicht. Wir wissen, dass die Masse der Leute, wenn es hoch kommt, nur zwei Bücher im Jahr liest. So etwas kann immer nur eine Minderheitensendung sein. Aber für das Lesen zu werben ist wirklich eine schöne Geschichte. Das macht nicht nur Spaß, sondern hat auch, wie ich finde, eine Berechtigung und einen Sinn. Jonas GRürmann

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Mit Blut werben

Foto: Radical Advertising

Das NRW-Forum Düsseldorf zeigt bis zum 17.8.2008 die Ausstellung „Radical Advertisement“.

Schockierende Guerillawerbung auf der Straße – für Amnesty International.

Werbung ist mehr als ein Kaufanreiz – das Ziel ist vor allem Aufmerksamkeit. Um diese auf sich zu ziehen, scheint manchen Werbern jedes Mittel recht. Mit radikalen Ideen möchten sie sich von ihren Mitbewerbern abheben. Eine Frau starrt auf den Boden. Vor ihr ist ein Gullydeckel eingelassen, zwei Hände scheinen aus ihm herauszugreifen. WRONG ist auf einem Finger der linken Hand geschrieben, FAITH ist auf dem rechten Zeigefinger zu lesen. Auf Unterdrückung von Meinungen wollte Amnesty International mit dieser Guerilla-Marketing Aktion in deutschen Städten aufmerksam machen.

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Nun findet sich einer dieser Gullydeckel in einem Düsseldorfer Museum neben einer Puppe. Kopfüber hängt sie an einem Balken, verpackt in einem alten modrigen Jutesack. „Das ist nur eine Kopie. Das Original hängt in einer Zelle“, liest ein junger Mann der Frau vor. Ob dies wirklich noch Werbung im eigentlichen Sinne sei, fragt er gefasst.

Lösegeldforderung für die Werbung Dagegen scheinen die Werbemotive von Benetton, welche überfüllte Flüchtlingsschiffe, elektrische Stühle oder die von Blut getränkte Kleidung

eines bosnischen Soldaten zeigen, nicht so viel Interesse auf sich zu ziehen. Als sie jedoch erstmals veröffentlicht worden waren, gab es einen Aufschrei in der Öffentlichkeit, der so weit ging, dass die Marke einige Motive wieder zurückziehen musste. Die Motive sorgten für eine fragwürdige Werbewirkung ebenso wie für eine Diskussion in der Gesellschaft über Themen wie AIDS - und ob Werbung so schockieren darf. Doch Werbung muss nicht unbedingt schockieren, um den Weg in die Ausstellung zu finden. Prominent in der Mitte eines Raumes steht ein Mini Cooper – ein zumindest von außen normaler Kleinwagen, der sich höchstens in seiner Beschriftung


Foto: Cary Wolinsky

Foto: Radical Advertising

Über Leben

Foto: Radical Advertising

Plakatmotiv der Ausstellung „Radical Advertising“ aus einer Kampagne von Helmut Lang.

Guerillawerbung, die auf die Probleme Obdachloser aufmerksam macht.

Foto: Woulter Deruytter

Foto: Diesel

So wirbt Virgin Airlines in den Toiletten von Szenelokalen für seine extra lange Beinfreiheit.

Foto: Radical Advertising

Selbstironische Werbung von Diesel aus dem Jahr 1995.

Der Fotograf Woulter Deruytter dokumentiert die agressiv-sexuellen Billboard-Anzeigen von Calvin Klein.

Culture Jamming Aktion: (vermeintlich) soll der Wiener Karlsplatz in den „Nike Platz“ um benannt werden und mit einem Monument des Markenlogos bebaut werden.

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von seinen Ebenbildern auf der Straße unterscheidet. Innen ist das Fahrzeug mit allem ausgestattet, was aus einem Hotelzimmer bekannt ist. Zur Fußball-WM 2006 war dieses „Hotel international“ präsent. In der Ausstellung repräsentierte es eine Form des „Ambush-Marketings“. So wird die Form des Marketings genannt, bei dem sich ein Unternehmen als Trittbrettfahrer im Rahmen eines großen Events mit anhängen möchte – denn die WM wurde offiziell von einem koreanischen Automobilhersteller gesponsert.

Werbung = Kunst ?

Auch wenn sich ein „Visual Kidnapper“ an einem Werbeträger zu schaffen gemacht hat, bleibt meist der Werbende erkennbar. Denn viele Marken und ihre Symbole erkennt jeder sofort. Wie sehr aber Marken „unter die Haut gehen“ können, zeigt eine Bilderserie des Schweizer Künstlers Daniele Buetti. Sie zeigt Tätowierungen von Markennamen auf menschlicher Haut. Zwar sind es nur Fotomontagen, aber als solche nur schwer zu erkennen. Durch ihre täuschende Echtheit führen sie bei den Besuchern umgehend zu Diskussionen. So fällt es schwer, bei diesen Formen der Kunst zu sortieren, ob vor einem eine echte Werbung zu sehen ist – und es stellt sich die Frage zu Recht, ob Werbung nicht immer mit

Kunst gleichzusetzen ist. Zumal sie doch kaum Grenzen kennt und uns in ihren vielen Facetten alltäglich

Schockieren um aufzufallen begegnen kann. Ob in der einfachen Form eines Plakates, aufwändig als Pop-up Store, oder sehr geschickt in einer viralen Marketing-Kampagne. Eines zeigt die Ausstellung im NRWForum auf alle Fälle: Werbetreibende müssen sich anstrengen, um sich in Zukunft von der großen Masse abzuheben. Vielleicht wird schon bald ein sonderbarer Gully oder eine kopfüber hängende „Kopie“ keine Aufmerksamkeit mehr finden – und die Werbung wird noch radikaler, noch blutiger. Die Ausstellung läuft im NRW-Forum in Düsseldorf noch bis zum 17. August 2008. Wem der Weg zu weit ist, kann die Online-Ausstellung auf http://www.radicaladvertising.de/ besuchen. Florian Hintze Foto: D. Buetti

Als Trittbrettfahrer könnten auch die Künstler gesehen werden, die Culture Jamming betreiben. Sie interpretieren bekannte Marken und ihre Symbole bewusst um und kreieren daraus etwas Neues. Das fängt bei der Veränderung von Markenzeichen an, die jeder schon einmal als lustiges TShirt gesehen haben wird, und führt bis hin zur Abwandlung kompletter

Plakate. Andere gehen wieder etwas weiter: „Visual Kidnapper“ werden Personen genannt, die beispielsweise ein Markenzeichen aus einem Plakat entführen. Für den einen ist es Kunst, für den anderen ist es eine „Entführung“ oder zumindest eine Zerstörung von Plakaten.

Daniele Buetti, aus der Serie „Good Fellows“, 2003.

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Vergifteter Hummer Die Forderungen der „Linken“ unter die Lupe genommen.

Zweistellige Umfragewerte, Landtagsmandate im Westen, mediale Aufmerksamkeit: „Die Linke“ hat es geschafft. Vornehmlich in politischen Talkshows kommuniziert sie Forderungen, die den Bürgern ein Schlaraffenland versprechen. Aus Expertensicht gäbe es mit der Linkspartei tatsächlich mehr für alle - mehr Staat, mehr Arbeitslosigkeit, mehr Leistungsdemotivation. Donnerstagabend, 22:15 Uhr: Neben Horst Seehofer und Roman Herzog hat es sich heute Sahra Wagenknecht im Stuhlkreis von Maybrit Illner bequem gemacht. Nur unwesentlich hat sich Frau Wagenknecht in den letzten Jahren verändert: Auch an diesem Abend hat sich die Linkspartei-Politikerin vollständig in Schwarz gehüllt; mit strengem Blick spult sie Bekanntes ab. „Vermögensmillionäre werden im Grunde überhaupt nicht zur Kasse gebeten, und da ist es doch klar, dass die Leute diese Gesellschaft nicht mehr als sozial gerecht empfinden“, wirft Wagenknecht mit dunkler, dumpfer Stimme in die Runde. „Wir haben eine extrem ungleich verteilte Steuerlast, das ist das Problem! Da-

“Die Leute nicht einmauern.” durch gehen die sozialen Kontraste immer mehr auseinander!“ Doch irgendetwas ist an diesem Abend anders. Das Publikum klatscht nach den Wortbeiträgen Wagenknechts begeistert und voller Zustimmung, während Altbundespräsident und Reformbefürworter Roman Herzog vergeblich um Applaus kämpft. „Die Linke“ hat es geschafft: Innerhalb von vier Jahren hat sich die PDS mit Unterstützung von Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine und seiner WASG auch im Westen der Republik etabliert. Bereits bei den Bundestagswahlen 2005 hatte die Linkspartei in den alten Bundesländern beinahe

fünf Prozent der Stimmen erhalten, bevor sie auch in die Landesparlamente von Bremen, Hamburg, Hessen und Niedersachsen einzog. In Ostdeutschland hat „die Linke“ die CDU in den Sonntagsfragen zur Bundestagswahl als stärkste Partei abgelöst. Diebisch freut sich Oskar Lafontaine, wenn er eine seiner Forderungen in den Gesetzesnovellen der großen Koalition wiederfindet. Die Linkspartei nutzt die Stimmung in der Bevölkerung für sich. Und sie versteht es, sie zu verstärken: Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung empfanden 2006 rund 62 Prozent der Deutschen die Marktwirtschaft als „nicht wirklich sozial“. Vor allem Arbeitslose und Geringverdiener fühlen sich mit ihren Sorgen von den Politikern der „Linken“ ernst genommen. „Ich bin für eine Gesellschaft, in der alle Menschen Hummer essen können“, fordert Sahra Wagenknecht im Gespräch mit sueddeutsche.de. Die bekannteste Europapolitikerin der „Linken“ isst nämlich selbst gern Hummer - lässt sich dabei aber nur ungern fotografieren. Nach einem Abendessen mit einer Kollegin löschte sie das Foto, das vermutlich nicht auf die Begeisterung der Parteibasis gestoßen wäre. Neben maritimen Delikatessen hat Sahra Wagenknecht aber auch andere Vorlieben. „Sozialismus muss so attraktiv sein, dass man die Leute nicht einmauern muss“, gesteht die frühere stellvertretende Parteivorsitzende der PDS, „mit der Mauer wurde auch die DDR weggefegt. Der Osten bekam den Anschluss an den Kapitalismus, der sich in Ost wie West von seinen alten sozialstaatlichen Zugeständnissen löste. Das war nicht die Perspektive, die ich wollte.“ Ebenso wie die von Parteifreund Oskar Lafontaine stammen auch Sahra Wagenknechts politische Vorbilder aus Südamerika: „Länder wie Venezuela zeigen, dass die von den Neoliberalen gepredigte Alternativlosigkeit

eine Lüge ist.“ Hugo Chávez, der in Venezuela den „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ etablieren will, hat es auch Lafontaine angetan: Die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien kann er sich auch für Deutschland vorstellen. Er wünscht sich die Zeit zurück, in der „Postboten noch eine Institution“ und Bahnfahrkarten-Verkäufer noch Beamte waren. Doch nicht nur das. Auch außenpolitisch haben Oskar Lafontaine und seine Partei bereits konkrete Vorstellungen: Der europäischen Zentralbank will er

Auf Hugos Spuren fixe statt flexibler Wechselkurse vorschreiben, der weltweite Kapitalverkehr soll kontrolliert und eine „Weltfinanzarchitektur“ etabliert werden. Steueroasen sollen „ausgetrocknet“ und die Waffenindustrie weltweit verstaatlicht werden. „Bei der ‚Linken‘ ist oftmals der Wunsch Vater des Gedankens“, kommentiert Volkswirt Prof. Dr. Peter Frielinghausen die Forderungen. Seit dem Vereinigungsparteitag von Linkspartei.PDS und WASG, die tatsächlich nur ein Siebtel der Mitglieder der angeblich so neuen Partei beisteuerte, verfügt die Partei noch nicht über ein festgeschriebenes Programm. Das inhaltliche Profil ergibt sich daher aus Forderungen, die vornehmlich in Polit-Talkshows kommuniziert werden. Neben den altbekannten Rufen nach einer Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I sowie einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes II stellt „die Linke“ im Bundestag Anträge auf drastische ausgeweitete BAFöGZahlungen auch für Oberstufenschüler und die Abschaffung von Praxisgebühr und Zuzahlungen. In einer eigenen Arbeitsgruppe widmet sich „die Linke“ einem Grund-

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einkommen, das unabhängig von Qualifikation und Erwerbstätigkeit in Höhe von 950 Euro an alle über 16-Jährigen gezahlt werden soll. Die Finanzierung dieses Milliardengeschenks soll durch eine Sozialabgabe von 35 Prozent ab dem ersten Euro, Börsenumsatz-, Sachkapital-, Primärenergie-, Vermögens-, Devisengeschäfte- und Luxusgüterumsatzsteuer sowie einem Bundeszuschuss aus den Einnahmen erhöhter Spitzensteuersätze gesichert werden.

Foto: Barbara Mürdter (CC)

„Die Forderungen der ‚Linken‘ zielen einzig und allein auf Umverteilung ab. Doch durch Umverteilung allein entstehen keine Werte und kein Wohlstand“, fasst Peter Frielinghausen zusammen. „Die Partei geht davon aus, dass unser Wirtschaftssystem falsch ist.“ Der ÖkonomieProfessor sieht Anreize, Werte zu schaffen, als Voraussetzung gesamtgesellschaftlichen Wohlstands. „Diese Leistungsanreize wollen die ‚Linken‘ Schritt für Schritt abschaffen.“ Insbesondere das Grundeinkommen

Linke“ von einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden aus - ein lang gehegter Traum der Partei. Die Konsequenz daraus wäre eine geringere Produktivität der Unternehmen und damit eine Verminderung des gesamtwirtschaftlichen Einkommens, die durch eine steigende Arbeitslosigkeit noch verstärkt würde. „Das entsprechend reduzierte Angebot auf dem Konsumgüter- und Dienstleistungsmarkt würde dazu führen, dass der soeben erst gestiegene Stundenlohn durch steigende Preise oder Nichtverfügbarkeit neutralisiert wird“, erläutert Frielinghausen. Auch das Konzept des branchenübergreifenden Mindestlohns ist bei genauerer Betrachtung mehr als fragwürdig. „Der Marktmechanismus ist Demokratie in ihrer reinsten Form. In einer funktionierenden Marktwirtschaft resultieren die Preise schließlich aus dem Zusammenspiel der freien Entscheidungen von Millionen Menschen.“ Die Einführung des Mindestlohnes brächte in letzter Konsequenz eine weitere Beschneidung dieses demo-

Die Linke macht den Dreck weg?

würde die genannten Anreize mindern. Die Umsetzung dieses Konzeptes werde direkt dazu führen, dass die Leistungsmotivation des Einzelnen rapide absinke und in der Konsequenz die Wertschöpfung vermindert werde, so Frielinghausen weiter. „Der Einzelne sieht keinen Sinn mehr darin, arbeiten zu gehen, wenn ihm ein Einkommen garantiert wird, mit dem es sich bequem leben lässt.“ So müssten dann auch persönliche Entscheidungen, beispielsweise die Schule abzubrechen, durch die Solidargemeinschaft noch mehr subventioniert werden als ohnehin schon. In vielen ihrer Berechungen geht „die

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kratischen Prozesses mit sich, die wiederum die Arbeitslosigkeit erhöhen würde. Auch Oskar Lafontaine macht sich Gedanken über die aktuelle Entwicklung unserer Staatsform: „Wir machen die Erfahrung, dass das repräsentative Regierungssystem allmählich in die Krise gerät oder sich voll in der Krise befindet. Ist Repräsentation überhaupt möglich?“ Gleichzeitig verteidigt Lafontaine die Pressezensur in Venezuela, die es einer regierungskritischen Fernsehanstalt verbietet zu senden. Für Deutschland fordert er mehr direkte Demokratie in Form von Volksabstimmungen, deren Gefahr allerdings gemeinhin darin gesehen wird,

unter großer Beeinflussung durch die Medien zu stehen. Mit der zentralen Forderung einer weit reichenden Umverteilung will die Linkspartei die Nachfrage stimulieren. Der Konsum unterer Einkommensgruppen soll so aus Sicht von Lafontaine und Genossen steigen, die Konjunktur angekurbelt und damit schließlich die Arbeitslosigkeit abgebaut werden. Aus Sicht des Experten ein Trugschluss. „Mit Blick auf die Nachfragestimulation bedienen sich die ‚Linken‘ nur scheinbar der Argu-

Anreize beachten mente des Keynesianismus“, erläutert Peter Frielinghausen. „John Maynard Keynes hat seine Theorie der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik in Zeiten einer tiefen Depression entwickelt. Damals bestand das massive Problem ungenutzter Ressourcen und Produktionskapazitäten. Keynes‘ Theorie ist auf die Gegenwart nicht sinnvoll anwendbar, denn hiervon kann heute keine Rede sein.“ Als zentrale Ursache der hohen strukturellen Sockelarbeitslosigkeit betrachtet Frielinghausen die mangelnde Qualifikation der Arbeitssuchenden: Während Stellen für gut ausgebildete Arbeitnehmer insbesondere im technischen Bereich oft unbesetzt bleiben, besteht an gering qualifizierten Arbeitskräften ein Überangebot. Schon jetzt macht sich in Deutschland mit dem so genannten „Brain Drain“ ein zuvor meist nur aus Entwicklungs- und Schwellenländern bekanntes Phänomen bemerkbar. „Bei steigenden Abgabenlasten, wie sie die Politik der ‚Linken‘ noch deutlich verstärken würde, wollen immer mehr junge hoch Qualifizierte die Entscheidungsgewalt über ihr Einkommen selbst haben - und wandern ins Ausland ab. Verloren gehen die Leistungsträger unserer Gesellschaft, die einen beträchtlichen Teil des Wohlstands erwirtschaften.“ Nach Einschätzung Peter Frielinghausens „müsste man zur Durchsetzung der von der ‚Linken‘ propagierten Politik konsequenterweise eine Mauer bauen...“ Wolfgang André Schmitz & Tom Steller


Über Leben

Foto: Kristin Borlinghaus

Gysi, Lafontaine und das Marktmonster

Interview mit Prof. Dr. Stefan Stein, Wirtschaftsdekan der BiTS Iserlohn und Geschäftsführer des Instituts für Kreditforschung e.V. (ikf ). BiTSLicht: Einmal angenommen, „Die Linke“ ginge aus der nächsten Bundestagswahl als Sieger hervor. Welche Auswirkungen ergäben sich kurz- und langfristig für die Kapitalbeschaffung von Unternehmen? Prof. Stein: Bislang gibt es ja nicht einmal ein gültiges Programm dieser Partei, an dem man eine Prognose festmachen könnte. Lediglich Eckpunkte sind vage formuliert. Das sind Rezepte aus der sozialistischen Klamottenkiste, die noch niemandem Heilung verschafft haben − im Gegenteil. Die Folgen wären also vermutlich keine guten. BiTSLicht: „Die Linke“ tritt für das Primat demokratischer Politik über die Wirtschaft ein. Was heißt das eigentlich? Prof. Stein: Für Gysi, Lafontaine und Co. sind wettbewerblich organisierte Märkte Monster. Grässliche Ungeheuer, die in Gestalt von „transnationalen Kapitalgesellschaften,

Spekulanten, Großbanken und Großkonzernen“ uns allen das Fürchten lehren, Armut schaffen, Ungerechtigkeit und Elend für viele Menschen produzieren. Diesen „neoliberalen“ Ungeheuern soll der Garaus gemacht werden durch umfassende staatliche Kontrolle, einen radikalen Systemwechsel. BiTSLicht: Es ist nicht lange her, dass wir das in Deutschland hatten. Prof. Stein: So ist es. BiTSLicht: Gilt nicht eigentlich der Neoliberalismus als Grundlage einer sozialen und gerade nicht einer ungeregelten Marktwirtschaft? Prof. Stein: Neoliberal wird heute als polemische Verunglimpfung eingesetzt. Das hat mit den Ursprüngen nichts zu tun. Die Idee des Neoliberalismus ist ja die, dass Wettbewerb für alle Wirtschaftsakteure zu gesellschaftlich wünschenswerten Ergebnissen führt. Dabei muss die Politik für Regeln sorgen, die das Funktionieren gewährleisten, Missbräuche verhindern. Über Art und Umfang der Eingriffe des Staates kann man

streiten. Der Staat ist eigentlich nur gefragt, wenn Märkte versagen. Und da ist mein Eindruck, Märkte funktionierten besser, wenn Politiker weniger oft eingriffen. BiTSLicht: Können Sie für „Die Linke“ ein Beispiel geben? Prof. Stein: Politiker handeln bekanntermaßen nicht immer im Interesse des Gemeinwohls, sondern im eigenen Interesse, wenn sie für eine Wahl Forderungen bestimmter Wählergruppen nachgeben. Die Linke will Wähler gewinnen und verspricht ein soziales Schlaraffenland: Mindestlöhne, Mindestrenten, soziale Grundsicherung, Abschaffung von Hartz IV und so weiter. Auf kurze Sicht klingt das für viele erst einmal gut, sozial halt. Nur: Mittel- bis längerfristig ergeben sich aus den gesetzten Anreizen, der Neuverschuldung des Staates oder den erforderlichen radikalen Steuererhöhungen negative Beschäftigungs- und Wachstumswirkungen, die sogar diejenigen, die durch die Maßnahmen begünstigt werden sollten - also die sozial Schwachen - am Ende schlechter stellen. Das ist Politik-, kein Marktversagen.

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Versuchsgebiet

Angeschaut: „Erin Brockovich“

Erin Brockovich ist eine ehemalige Schönheitskönigin ohne richtige Ausbildung, die sich und ihre drei Kinder nur mit schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs durchbringen kann. Eines Tages hat sie einen schweren

Autounfall. Den nachfolgenden Prozess verliert sie unverdient. In der Anwaltskanzlei von Ed Masry, der sie schon im Prozess vertreten hatte, erzwingt sie sich daraufhin einen Aushilfsjob. Beim Sortieren von Akten wird sie auf verschiedene Klienten der Gemeinde Hinckley aufmerksam, die von auffällig schweren Schicksalen heimgesucht wurden. In leidenschaftlichen und ergreifenden Ermittlungen nimmt sie sich dieser Schicksale an und bringt damit schon bald die unglaublichen Machenschaften eines großen Chemiekonzerns ans Licht: Dieser hat über Jahre seine giftigen Chemikalien ins Grundwasser sickern lassen und vergiftete somit das Wasser der gesamten Gemeinde. Mit ihrer vorlauten und doch einfühlsamen Art deckt Erin Brockovich den wohl größten Umweltskandal in der Geschichte Amerikas auf. Und das nach einer wahren Begebenheit. Julia Roberts spielt nach ihren großen

Erfolgen wie Notting Hill, Die Hochzeit meines besten Freundes und Pretty Woman die ernstere Rolle der Erin Brockovick großartig. Mit Charme, Ehrgeiz und viel zu kurzen Röcken macht es großen Spaß, diese Powerfrau, die mit ihrer vorlauten Art und ihrem Erscheinungsbild ganz und gar nicht in eine Anwaltskanzlei passt, bei ihren Ermittlungen zu begleiten. Sie spielt eine Frau mit Ecken und Kanten, doch gerade das macht sie zu einer Persönlichkeit, die man einfach sympathisch finden muss. Insgesamt ist Erin Brockovich ein sehr ergreifender Film, der sich vor allem durch starke Emotionen und den Bezug zur Realität auszeichnet. Man nimmt dem Film ab, dass sich die Ereignisse damals genau so zugetragen haben. Lena Wouters

Angelesen: „Generation Doof“ „Wie blöd sind wir eig e nt l ic h? “, fragt uns das Buchcover ohne Umschweife. Über dieser scheinbar alles entscheidenden Frage ist ein dicker Goldfisch abgebildet, der mit weit geöffnetem Fischmaul entsprechend dumm aus der Wäsche schaut. Ist unser IQ also mit dem eines Fisches zu vergleichen? Schwimmt eine ganze Generation auch bloß gedankenverloren im Kreis und hat jegliches Wissen nach drei Sekunden verloren? Den Autoren Stefan Bonner und Anne Weiss zufolge schon. Mit der „Generation Doof “ meinen sie die

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heute Fünfzehn- bis Fünfundvierzigjährigen, die sich von früheren Generationen vor allem in Sachen Bildung eindeutig unterscheiden. Anhand von vielen kleinen besonders doofen Alltagsgeschichten, Zitaten und der ein oder anderen Studie, versuchen die beiden auf lockere Art zu skizzieren, wie die Blödheit tagtäglich ihren Siegeszug vollzieht. Das Schlimme daran ist, dass einem diese auf den ersten Blick lustig erscheinenden Anekdoten bei aller Übertreibung der Autoren so bekannt vorkommen. Ohne Wikipedia wären wir manchmal aufgeschmissen - und dass Kopfrechnen noch nie zu unseren Stärken zählte, ist kaum erwähnenswert. Doch bedeutet das gleich, dass wir verblöden?! „Generation Spaß“ wäre übrigens ein weiterer treffender Titel gewesen, so wenig wie die meisten nach Bonner und Weiss an Karriere, Politik oder

Pisa interessiert sein sollen. „Dumm geboren, konsequent geblieben und stolz darauf “, beschreiben sie ihre Altersgenossen - und zählen sich selbstbewusst dazu. Die Autoren bringen einige Missstände in amüsanter Form auf den Punkt, die den Namen ihres Werkes rechtfertigen. Ehrlicherweise berichten sie am Rande jedoch auch über eine Art Gegenentwicklung. Irgendwo da draußen soll es Menschen geben, die sich gar überqualifizieren. Unsere Generation ist also lange nicht verloren. Natürlich darf man diese anschauliche Mini-Sozialanalyse nicht zu ernst nehmen. Doch könnte sie vielleicht Anlass sein, auch selbst einmal aktiver, interessierter oder engagierter zu werden.

Sarah Thomsmeyer


Versuchsgebiet

Angehört: „The Devil, You + Me “ Sechs Jahre. Das ist unser Bachelorstudium multipliziert mit dem Faktor zwei. Genauso lange haben sich The Notwist Zeit gelassen, um ihr neues Album zu veröffentlichen. In dieser Zeit sind sie aus einigen Gehörgängen, jedoch nicht aus den Herzen vieler Indie-Fans verschwunden. Zu tief haben sich zeitlose Stücke wie Pilot, Pick up the phone oder Consequence darin eingebettet, diese klangästhetischen und traumhaften Manifeste gegen den Konsenspop. Währenddessen haben die Gebrüder Acher und Martin „Console“ Gretschmann ihrem musikalischen Impetus im bayerischen Weilheimer-Independent-Mikrokosmos in zahlreichen Nebenprojekten Ausdruck verliehen. Als Hörer stellte man sich derweil die Frage, wohin die Reise gehen sollte bei dieser sich stets neu erfindenden Band, deren Spektrum vom schroffen Hardcore-Punk („The Notwist“, 1990) bis hin zum feinfühligen und jazzigen Electro-Gitarrenrock („Neon Golden“, 2002) reicht. Der erste Geschmackstest durch die Single und den Opener Good Lies, der als digitaler Vorbote kostenlos zur Verfügung stand, sorgt für Erleichterung. Jene feine, entrückte und warme Stimme, eine führende Akustikgitarre, dann der pulsierende Beat – das sorgt für Wiedererkennungswert. Im darauffolgenden Stück Where In This World hört man zum ersten Mal das zwanzigköpfige Orchester (!), das in den ganzen 42 Minuten (angenehm) bedacht eingesetzt wird. Überhaupt sind die Melodien bis auf in Good Lies oder dem brillanten Boneless unaufdringlicher, sind vergraben unter etlichen Soundschichten - quasi als Essenz der Opulenz irgendwo zwischen Loops, Gitarren und Störgeräuschen, die knacken und knistern wie ein Lagerfeuer. Dafür sind sie aber genauso Wärme spendend und authentisch. Die Zeilen „I won‘t sing your algebra / I won‘t sing your alphabet” aus Gravity kann man schließlich auch auf die Mentalität von The Notwist selbst beziehen, einer Band, die immer auf sich selbst und den eigenen Instinkt vertraut, unbeeindruckt und scheinbar unbeeinflusst von Trends und Strömungen dieser schnelllebigen Branche. Wenn am Ende dann so ein Album dabei herauskommt, möchte man sich nur dankbar verneigen und ihnen alle Zeit der Welt lassen. Eugen Friesen

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Aufstieg

„Mr. Mercedes“ im Ruhestand Interview mit Prof. Jürgen Hubbert.

Prof. Jürgen Hubbert (68) war von 1998 bis 2005 Vorstandsmitglied der heutigen Daimler AG. Dort war der Diplom-Ingenieur für die Mercedes Car Group verantwortlich. Unter der Regie des „Mr. Mercedes“ wurden viele bekannte Modelle, wie die M- und die A-Klasse, konzipiert und erfolgreich auf dem Markt etabliert. BiTSLicht sprach mit dem gebürtigen Hagener über aktuelle Entwicklungen im Automobilsektor. Herr Prof. Hubbert, in den letzten zwei Jahren hat sich besonders vor dem Hintergrund der Umweltdebatte einiges im Automobilbereich getan. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Foto: Simon Engels

Diese Diskussionen sind nicht neu – nur die Intensität, die Emotionalität und der Grad des öffentlichen

Prof. Jürgen Hubbert auf dem Campus Symposium 2007.

Interesses haben zugenommen. Unser Unternehmen beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit, allein schon

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vor dem Hintergrund der Endlichkeit der natürlichen Ressourcen. Nur deshalb konnte Mercedes viele technologische Innovationen entwickeln und in Serie bringen. Als Automobilhersteller brauchen wir diese Weitsicht, aber auch die Planungssicherheit – vor allem aufgrund der Entwick-

„Ich habe mit meinem Karrierende gerechnet.“ lungszeit eines neuen Fahrzeugs, die rund sechs bis sieben Jahre beträgt. Nur so konnten wir 2007 unsere neue C-Klasse mit einem um bis zu 17 Prozent geringeren Verbrauch im Vergleich zum Vorgängermodell und einer über den gesamten Lebenszyklus reduzierten CO2-Emissionsbilanz von 15 Prozent auf den Markt bringen. Trotz dieser Erfolge nehmen wir – und hier kann ich für alle Automobilhersteller sprechen – unsere Verantwortung sehr ernst und werden auch zukünftig alles daran setzen, die Fahrzeuge noch umweltverträglicher zu machen, um Mobilität nachhaltig sicherzustellen. Die aktuelle Klimadiskussion setzt die Hersteller dahingehend unter Zugzwang, die erforderlichen Innovationen und Technologien noch schneller voranzutreiben und auf den Markt zu bringen. Seit 2005 sind Sie im Ruhestand. Neben zahlreichen Erfolgen in Ihrer Karriere gab es auch ein sehr negatives Ereignis: der berüchtigte Elch-Test der A-Klasse 1997. Wie beurteilen Sie zehn Jahre später die damaligen Ereignisse? Damals bin ich davon ausgegangen, dass dieses Ereignis das Ende meiner Karriere bedeutet. Aber anstatt mich aus der Verantwortung zu entlassen, hat mein damaliger Chef, der Vorstandsvorsitzende Jürgen Schrempp, mich in die Pflicht genommen. Das Ergebnis war die serienmäßige Einführung von ESP in allen unseren Mercedes-Benz Fahrzeugen. Auch wenn es für mich persönlich

sicher die härteste Erfahrung in meiner beruflichen Laufbahn war, so hat sie das Thema aktive Sicherheit ein großes Stück vorangebracht. Die Studenten der BiTS genießen mit vielen Praktikumsangeboten, einem Auslandssemester und einem straffen Studium eine sehr gute Ausbildung. Wie sehen Sie die Chancen für solche Absolventen im Automobilsektor? Projekte wie das Campus Symposium bieten Studenten hervorragende Chancen neben der Theorie auch praktische Erfahrungen zu sammeln. Ich selbst habe bei meinen Tätigkeiten an verschiedenen Universitäten erleben können, wie hilfreich das für den weiteren Berufsweg ist. Vor allem Ingenieure und Naturwissenschaftler gestalten die Zukunft, daher sollte man seine eigenen Fähigkeiten zusätzlich zum Fachwissen sehr breit ausbauen. Die

„Autos werden hören, sehen und sprechen.“ Zukunft braucht den Generalisten, der mehrere Sprachen sprechen und Menschen führen kann – der Bedarf an jungen und kompetenten Nachwuchskräften ist in der globalen Welt so groß wie nie zuvor. Der bei uns so beliebte Dieselmotor konnte sich auf dem US-Markt noch nicht durchsetzen. Mercedes läutet nun die saubere Bluetec-Ära bei den Dieseln ein. Wie sehen Sie in Amerika die Chancen für dieses Konzept? In den Achtziger Jahren taten sich die Amerikaner schwer mit der damaligen Diesel-Technologie, da die Kraftstoffqualität und die Technik in den USA nicht der unseren entsprach. Daher waren die Fahrzeuge nach amerikanischer Ansicht „zu laut, hatten zu wenig Leistung und


Aufstieg

Foto: Daimler AG

Jürgen Hubbert und Daimler-Vorstand Dr. Thomas Weber betanken 2003 das erste Forschungsfahrzeug mit CO2 -neutralem Kraftstoff.

stanken“. Und so verpasste die Industrie schlicht und einfach die fortschreitende Dieselentwicklung. In der Zwischenzeit wird der Dieselmotor jedoch auch dort zunehmend attraktiver, was man am Absatzanteil von 30 Prozent der E-Klasse mit BLUETEC – unserer sauberen Dieseltechnologie – sehen kann. Mitte 2008 wird Mercedes Benz mit der M-, R- und GL-Klasse die weltweit ersten Diesel-SUVs mit BLUETEC auf dem amerikanischen Markt an-

bieten. Sie erfüllen nicht nur die strenge amerikanische BIN5-Norm für 50 US-Staaten, sondern haben auch das Potenzial eine zukünftige EU6-Abgasnorm zu erfüllen. Bei den Amerikanern scheint also ein Bewusstseinswandel stattgefunden zu haben. Neue Technologien halten Einzug in die Fahrzeuge: vom Hybridantrieb über Nachtsichtgeräte bis hin zu

LED-Scheinwerfern. Welche Technologien würden sie als Autofahrer in den nächsten zehn Jahren am liebsten in Ihrem Fahrzeug sehen? Autos werden in Zukunft sehen, hören und sprechen können. Vor allem das im Forschungsfahrzeug F 700 vorgestellte PRE-SCANFahrwerk wird einen großen Entwicklungssprung darstellen. Es tastet den Straßenbelag vor dem Fahrzeug ab, wodurch die Fahrt komfortabler und sicherer wird. Mit Hilfe dieser Technik erkennt das Fahrzeug Gefahren und kann den Fahrer gezielt unterstützen. In Kombination mit der Navigation informiert es über eine voraus liegende Gefahrenstelle, wie eine scharfe Kurve, und reagiert bei Bedarf selbständig, indem es zum Beispiel die Geschwindigkeit reduziert. Wie bei vielen anderen Technologien wird Mercedes-Benz auch hier wieder eine Vorreiterrolle einnehmen und die Technologien für mehr Sicherheit entscheidend voranbringen. Simon Engels

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Entdeckt als “zwölfjähriger Pups” Maximilian Vollmar studiert an der BiTS und schlägt Wellen im Filmgeschäft.

Maximilian Vollmar studiert seit dem vergangenen Semester Sportund Eventmanagement an der BiTS. Der 22-Jährige Bonner ist Schauspieler und hat im diesjährigen deutschen Erfolgsfilm „Die Welle“ die Rolle des Schülers „Bomber“ gespielt. Mit BiTSLicht sprach er über den Film, seine Erfahrungen als Schauspieler und darüber, wie er Studium und Schauspielkarriere unter einen Hut bringt. Seine Wochenenden verbringt er oft auf Filmfestivals oder Castings in Berlin und anderen Großstädten der Republik, gedreht wird sowieso in der Hauptstadt und für eine Premiere fliegt er auch schon mal in die USA. Ja, Maximilian Vollmar hebt gerne mal ab, wenn er von Termin zu Termin jettet. Trotzdem sitzt der 22-Jährige jetzt im beschaulichen Iserlohn im noch beschaulicheren Studentenaufethaltsraum der BiTS. Das zeigt zum einen die gewisse Bodenständigkeit, die Maximilian auszeichnet. Zum anderen zeigt es auch die großen Gegensätze, aus denen sein Leben besteht: Unicampus in Iserlohn und Filmset in

Filmfest? „Das ist eine Abwägung: Ist das Filmfest sehr wichtig für mich? Sind da viele Leute? Aber bis jetzt habe ich alles auf die Wochenenden oder in die Semesterferien gelegt.“ Die Ausbildung ist Maximilian sehr wichtig. Vor allem, weil er um die Risiken des Schauspielberufs weiß. „Ich glaube, keine Branche ist so wackelig wie die Filmbranche – und da speziell der Beruf des Schauspielers. Wenn die Leute dein Gesicht irgendwann nicht mehr sehen wollen, zum Beispiel. Oder wenn ich einen Motorradunfall habe und mir fetzt es das halbe Gesicht weg – dann spiele ich vielleicht alle drei Jahre mal den Mörder im Tatort. Aber das war’s dann auch. Es ist eben sehr abhängig von Äußerlichkeiten und anderen Leuten.“ Wie kommt man denn dann überhaupt auf die Idee

seur fuhr mit ihm zu einem Agenturcasting nach Köln – und dort wurde er direkt genommen. „Ich habe mit zwölf in Bonn am Theater angefangen und habe dann durchgehend bis

Der Mörder im Tatort

15 Theater gespielt. Dann kam eine erste Kinorolle in einer ganz kleinen Produktion.“ Auf einer Schauspielschule war Maximilian nie, Schauspielunterricht hatte er auch nie. „Ich bin da Autodidakt. Learning by doing ist angesagt.“ Es war also nie allein der Wunsch, groß rauszukommen und ein berühmter Star zu sein, der den Boden für Maximilians Schauspielkarriere nährte. Auch wenn ihm die Vorzüge des Schauspielerdaseins früh bewusst waren: „Klar, mit 14, 15 denkt man Maximilian Vollmar schon: Geiler im Studentenraum Beruf, viel Geld der BiTS. verdienen, viel von der Welt sehen.“ Natürlich sind das auch heute noch die Vorteile, die die Filmbranche durchaus mit sich bringt.

Berlin. VorFoto: Julian Jaursch mittagsvorlesung und Nachtdreh. Seminare und Regieanweisungen. Studentenleben und Schauspielkarriere. Schauspieler zu werden? Bei MaxiDiese Gegensätze werden an der milian war es der Zufall, der eine BiTS zusammengeführt. „Ich bin große Rolle spielte. Lutz Heineking, froh, hier an der BiTS studieren zu ein Freund seiner Schwester, der damkönnen und dass die Dozenten ein als an einer Filmhochschule in Lonoffenes Ohr für mich haben.“ Bei ter- don die Ausbildung zum Regisseur minlichen Überschneidungen, zum machte, entdeckte Maximilian als Beispiel. Wie liegen da die Prioritäten „zwölfjährigen Pups“, wie Maximil– lieber Unimensa oder Buffet beim ian heute sagt. Der angehende Regis-

Dennoch ist die Schauspielerei für Maximilian auch harte Arbeit. Für den Film „Die Welle“, in dem Schüler bei einer Projektwoche unfreiwillig eine faschistische Bewegung gründen, waren 36 Drehtage angesetzt, an 24 dieser Tage musste Maximilian als Schüler „Bomber“ ran. Vier Drehtage am Stück, 14 Arbeitsstunden pro

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Tag, Nachtdrehs – das würde schon „auf die Kondition gehen“, sagt Maximilian. Die Bewertung der Schauspielerei im Vergleich zu anderen studentischen Nebenjobs ist schwierig. Es ist definitiv eine abwechslungsreiche und spannende Arbeit, die ihm sehr viel Spaß bereitet. Beim Schauspielern gäbe es eine hohe psychische Belastung: „Wenn man eine Rolle annimmt und vielleicht am Tag 14 Stunden in der Rolle hängt, dann ist das was ganz anderes, danach abends abzuschalten.

Trinkgeld für Schauspieler

BiTSLicht: Kritisiert wurde am Film die wenig ausdifferenzierte Darstellung der Schüler und des Schulalltags. Wie fandest du die Darstellung? Maximilian Vollmar: Ich denke, es ist insgesamt schwierig in 105 Minuten zu versuchen einzelne Charaktere heraus zu kristallisieren. Klar ist die Gruppe dann relativ homogen, was aber auch bewusst gemacht wurde. Denn hätten wir die Klasse jetzt nach Berlin gesetzt und einen extrem hohen Ausländeranteil gemacht, hätte es gleich wieder geheißen: „Ja, das passiert nur an Berliner Schulen.“ BiTSLicht: Hattest du Einfluss auf das Drehbuch? Ja, auf jeden Fall. Man kommt morgens um acht ans Set, liest die Szenen zusammen mit dem Regisseur durch und redet darüber, wie sich der Charakter unterhalten würde, wie das mit dem ganzen dramaturgischen Bogen aussieht. Und da hat man schon Einfluss. Ich denke, man sollte als Schauspieler auch seinem Charakter eine eigene Nuance und eigene Sprache geben. BiTSLicht: Wie kann man sich vor der im Film gezeigten übertriebenen Gruppendynamik schützen? Keiner von uns ist hundertprozentig davor geschützt, das ist ja gerade das Schlimme. Ich glaube, es ist in jeder gesellschaftlichen Schicht, in jeder Situation echt möglich, sowas durchzuziehen. Wenn man den gewissen Nährboden hat und eine charismatische Person, die das Ganze durchzieht, wäre das meiner Meinung nach auch hier an der BiTS möglich. Kein Umfeld ist davor geschützt. BiTSLicht: Was passiert nach deinem Filmtod – wie ginge es in „Die zweite Welle“ weiter? Hey, ich bin nicht tot! Nur verletzt! BiTSLicht: Gut, dann nach deiner Filmverletzung… Naja, die ganze Gemeinde wird erstmal wachgerüttelt. Ich glaube, eine schnelle Schutzreaktion wäre ein schnelles Vergessen. Herr Wenger wird auf jeden Fall vom Lehramt suspendiert. Ich glaube auch, es gibt dann wieder eine Schutzreaktion der Masse, dass man einfach schweigt, dass man einfach tut, als sei nichts gewesen.

sten sechs Wochen gesehen. Zudem gewann der Streifen den Deutschen Filmpreis in Bronze in der Kategorie „Bester Spielfilm“. Aber der Erfolg des Films beschränkt sich nicht nur auf das Kino: Die Thematik wurde in vielen Medien diskutiert, die Frage nach dem Warum und nach der eiFoto: Constantin Film

Beim Schauspielern setzt man den ganzen Körper ein, man muss mit jedem Muskel dabei sein. Und die Abrufbarkeit: Klar, wenn man einen Drehtag von 14 Stunden hat, arbeitet man effektiv vielleicht nur fünf Stunden und der Rest ist Warterei. Aber dann auf Knopfdruck – zack – wieder in der Rolle zu sein, kann auch schlauchen.“ Trotzdem: Bei der Frage, ob man lieber 24 stressige Tage im Jahr für einen Film arbeitet oder jede Woche mehrmals an der Supermarktkasse sitzt, Leute bedient oder sonstige Arbeiten verrichtet, würden sich wahrscheinlich viele für die 24 Tage Stress bei den Dreharbeiten entscheiden. Immerhin gibt es Geld, Ruhm und Ehre dazu. Parallelen zwischen Schauspielarbeit und anderen Jobs gibt es dennoch: Was für andere Leute hohes Trinkgeld ist, sind für Maximilian

“Die Welle könnte auch an der BiTS passieren”

Vollmar als „Bomber“ (ganz rechts) in „Die Welle“.

hohe Kinobesucherzahlen – und damit kann „Die Welle“ aufwarten. Knapp zwei Millionen Menschen hatten den Film bereits in den er-

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genen Haltung gegenüber einer solchen Massenbewegung kam auf und ganze Schulklassen pilgerten in die Kinosäle, um den Geschichtsunter-

richt ein wenig aufzulockern. Dass ein Film, der einen intellektuellen Anspruch und durchaus auch einen lehrhaften Charakter hat, so erfolgreich ist, freut Maximilian. Im Idealfall wähle er seine Rollen so aus, dass er sich sowohl schauspielerisch weiterentwickeln, als auch mit dem Film eine „gute Message“ vermitteln könne. Aber kommt man sich dann

Brad Pitt als Lehrer Wenger nicht wie in einem Lehrvideo vor? „Nein, ich finde, das ist genau das, was in Deutschland viel mehr kommen müsste: Bildung über das Medium Film.“ Aus dem Schulunterricht kennt Maximilian noch den Umgang mit dem Buch „Die Welle“: „Fünf Streber lesen es ganz, zehn Leute lesen sich eine Zusammenfassung im Internet durch und fünf lesen’s gar nicht und reden einfach so mit.“ Das hält er nicht für besonders sinnvoll. „Durch einen Film kann auch mal die ganze Klasse angesprochen


Foto: Constantin Film

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Premiere in Berlin: Vollmar (hinten, 2. von rechts) und Kollegen auf dem roten Teppich.

werden. Der Lehrer hat dann vielleicht mal eine dreiviertel Stunde, in der wirklich alle Schüler mitarbeiten, wenn sie sich mit den Leuten im Film identifizieren können und wenn er ein bisschen peppiger gemacht ist.“ Einige Lehrer wollen sogar nur noch den Film im Unterricht anschauen und besprechen, und somit ganz

auf das Buch verzichten. Das spricht natürlich Bände über die Qualität und den pädagogischen Nutzen des Films. Vielleicht hat es aber auch mit dem umfangreich ausgearbeitetem Material zu tun, das Lehrern online zur Verfügung steht. Der Streifen zählt bereits jetzt zu den erfolgreichsten deutschen Filmen

des Jahres – und auch international reiten einige Stars auf den Erfolgen der Welle. So ist zum Beispiel Brad Pitt im Gespräch für die Rolle des Lehrers im Remake des Films für den amerikanischen Markt. Wer dann Maximilians Rolle des Bombers übernimmt, steht noch nicht fest – und ob es wieder ein BiTS-Student wird, ist äußerst fraglich. Für Maximilian ist das aber auch nicht wichtig, denn er konzentriert sich schon wieder auf seine nächsten Projekte. Im Sommer spielt er in einem Abschlussfilm eines Studenten der Filmakademie in Baden-Württemberg, weitere Projekte möchte er auf jeden Fall wahrnehmen. Wohin es ihn dabei verschlägt, weiß er selbst noch nicht. Doch zu Beginn des nächsten Semesters wird er wieder im beschaulichen Iserlohn zu den Vorlesungen gehen, fernab vom roten Teppich und den Fernsehinterviews. Dann löst das Studentenleben das Berufsleben wieder ab. Und was ist besser? „Ist beides ganz nett.“ Julian Jaursch

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Armani statt Ausbildung Wenn das große Geld lockt: Strukturvertriebe und ihre Risiken.

Gerade in heutigen Zeiten klingen sie fast irreal - doch noch immer erliegen Studenten, Arbeitslose und Geringverdiener den Lockrufen des schnellen Reichtums. Alle Alarmglocken überhörend begeben sie sich in die Fänge von Strukturvertrieben - eine Branche, in der die schwarzen Schafe zumindest die sichtbarsten sind… Lang und beschwerlich gestaltet sich - zumindest ohne Navigationssystem - die erste Etappe auf dem Weg zum schnellen Geld. Die verheißungsvollen Worte eines früheren

Ein junger und ein viel zu junger Verkaufsberater in schwarzen Anzügen heißen willkommen - willkommen im Strukturvertrieb. Vom Hochglanz gewöhnlicher Bankund Versicherungsfilialen ist hier nur wenig zu spüren. Sauber, aber mit dem Charme eines behördlichen Dienstzimmers präsentieren sich die Büroräume. Auf einem Aktenschrank irritieren nur sorgsam aufgestellte Flaschen, in denen sich einst hochwertige Spirituosen befanden. Trotz Teppichbodens erzeugen selbst zaghafte Schritte ein leichtes

chen Chiptuning geht der richtig ab.“ Doch auch nachdem die eigentlich wesentlich cooleren Neuvorstellungen von BMW, Porsche und Co. thematisch abgehandelt und die jeweiligen Vorlieben in der städtischen Kneipenwirtschaft verglichen sind, ist Pelka um Komplimente weiterhin nicht verlegen. „Bist du immer so gut gekleidet? Dennis musste sich erst mal ‚nen Anzug kaufen, als er hier eingestiegen ist.“ Dennis lächelt verlegen: „Auf mein erstes Armani-Outfit spar‘ ich noch.“ Gelächter. Scheinbar locker und konsumfreudig geht es zu in der Welt der Strukturvertriebe… Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzen einige Unternehmen auf die Vertriebsform des Strukturvertriebs - und bieten von runden Diätpillen für den allzu runden Feinschmecker über Parfüms für

Foto: Wolfgang André Schmitz

Der schnelle Weg zum Anzugträger

Sparen auf den Armani-Anzug: Der Traum vom schnellen Reichtum.

Weggefährten klingen noch in den Ohren. „Ich hab mich selbstständig gemacht und suche noch gute Leute für meine Firma! Wenn du ein bisschen Zeit mitbringst und einen gut bezahlten Nebenjob willst…“ Zur repräsentativen, auf 100 Meter sichtbaren Firmenzentrale hat es allerdings noch nicht gereicht: Nur ein kleiner Aufkleber mit dem Namen eines Finanzdienstleisters weist auf die gesuchten Mieter der Räumlichkeiten hin. Tür auf, Bühne frei:

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Echo. Eine merkwürdige Beliebigkeit herrscht zwischen nahezu leeren Schreibtischen und weißen Wänden vor. Dennis Stohl* und Filialleiter Michael Pelka* wollen jene Anonymität nur allzu rasch beenden. Im Plauderton und mit offenem Krawattenknoten laden sie ein, auf einem mausgrauen Bürostuhl Platz zu nehmen. „Coolen Wagen hast du“, sucht Michael Pelka den Gesprächseinstieg, „den hatte ich auch mal. Mit ein biss-

Damen mit geschäftlich schlechtem Riecher bis hin zu Versicherungen für den verunsicherten Rentner alles an. Eine weit verbreitete Form des Strukturvertriebs ist das „Network Marketing“: Ein meist streng hierarchisch organisiertes, nach unten hin weit verästeltes Netzwerk aus selbstverantwortlichen Verkäufern und Vermittlern versucht, Güter oder Dienstleistungen aus der meist sehr überschaubaren Produktpalette des Dachunternehmens an den Mann zu bringen. Frei in Einzelhandel oder Internet verkäuflich sind die Produkte in der Regel nicht. Dass viele von ihnen dem dortigen Wettbewerb mit vergleichbaren Angeboten kaum standhalten würden, merken die Kunden allzu oft erst nach dem Kauf… Noch immer haben Dennis Stohl und Michael Pelka nicht genau er-


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läutert, welche Finanzdienstleistung sie verkaufen. Sie widmen sich lieber angenehmeren Themen. „Zu welchem Stundenlohn würdest du für uns arbeiten?“ 25 Euro aufwärts sollten es schon sein. „Ich seh‘ schon, du bist selbstbewusst! Das gefällt mir - solche Leute brauche ich.“ Mittlerweile hat sich die leere Schreibtischplatte um einen Laptop, ein weißes Blatt Papier und einen metallenen Kugelschreiber gefüllt. Mit einem Gewirr aus Zahlen und Pfeilen versucht Michael Pelka, in der Gehaltsfrage Transparenz zu schaffen. Es bleibt beim Versuch. Eindeutiger sind die verbalen Ankündigungen. „Wenn du zehn Stunden die Woche für mich arbeitest, kannst du von Anfang an 1.200 Euro bei uns verdienen. Zuerst guckst du bei den Verkaufsgesprächen nur zu. Du kriegst dafür aber schon 80 Prozent Provision“, erklärt Pelka. Stohl ergänzt: „Mit so viel Geld in der Woche…“ Sein Chef unterbricht: „Im Monat. 1.200 Euro im Monat. Von Anfang an.“ Die von Anfang an eigenwillige Gesprächsführung setzt sich fort. Nachdem Dennis Stohl an Anekdoten aus gemeinsamen Kindheitstagen erinnert hat, erzählt Michael Pelka ungefragt von den anfänglichen Bedenken eines seiner heutigen Mitarbeiter: „‘Ist doch alles scheiße, was ihr da macht. Scheiße, was ihr verkauft. Scheiße, scheiße, scheiße.‘ Jetzt ist er hier und findet es ziemlich geil bei uns.“ Welche beru-

„Bist du auch so geldgeil wie wir?“ fliche Qualifikation zum Verkauf der Produkte berechtigt, bleibt im Ungefähren. Auch wenn die Vertriebsform des „Network Marketings“ nicht per se als unseriös zu bezeichnen ist, fallen die Akteure häufig durch zweifelhafte Verkaufsmethoden auf. Von Vitaminpräparaten bis hin zu Finanzdienstleistungen wird nahezu alles von unausgebildeten Strukturvertrieblern beworben - auf der Jagd nach dem schnellen Verkaufserfolg, dem unaufwändigen Weg ins Erwerbsleben. Von scheidenden Zivildienstleistenden, die sich über ihre berufliche Zukunft im Unklaren sind, über

Langzeitarbeitslose, die sich an den letzten Strohhalm zurück ins Arbeitsleben klammern, bis hin zu gut qualifizierten Arbeitnehmern werden im Rahmen des „Network Marketings“ als Verkäufer angeworben. Voraussetzung: Sie gehören im weitesten Sinne zum Bekanntenkreis eines bereits aktiven Strukturvertrieblers - auch „Strukki“ genannt. Rhetorisches Verkaufstalent, gute Zeugnisse und Fachkompetenz in der Branche sind auf dem Weg in den Strukturvertrieb nicht hinderlich, aber eine Seltenheit. „Ausgebildet“ wird meist auf kurzen Schulungen des Dachunternehmens, die spezielle Verkaufsgespräche für das jeweilige Produkt trainieren - und das Anwerben neuer Mitarbeiter. Nur wer möglichst viele Mitstreiter anwirbt, an dessen Provisionen er mitverdient, steigt in der Hierarchie- und Gehaltsleiter nach oben. „Cooles Auto, schicke Klamotten bist du auch so geldgeil wie wir?“ Michael Pelka versucht, das in Strukturvertrieben proklamierte Wir-Gefühl heraufzubeschwören. Einen irritierten Blick pariert Dennis Stohl mit einem „Muss man doch heutzutage sein.“ Pelka und Stohl lachen gequält - und beenden die Versuche, vom eigentlichen Thema abzulenken: Die Finanzdienstleistung, die die beiden gemeinsam mit einigen anderen Mitarbeitern ihrer Filiale an den Mann bringen. Mit bemüht plastischen Fußball-Vergleichen präsentiert er seine Produktpalette - und behauptet: „In den Ratings sind wir damit ganz vorne.“ Interessant. Besagte Ratings kann er doch bestimmt einmal vorlegen. „Hole ich dir. Moment.“ Eine Tasse Kaffee später kommt er zurück. „Ich versteh nicht, wo ich die hingelegt habe.“ Auf erneutes Nachfragen begibt er sich auf Google-Suche. Der Illusion beraubt, eine Tabelle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als Rating verkaufen zu können, sucht er weiter. Ergebnisse à la „geprellte-strukkis.de“ tauchen auf - und werden schnell vom Bildschirm gescrollt. „Interessierst du dich für Fußball?“ Die Mitarbeiteranwerbung neigt sich ihrem Ende zu. Vor allem zu Beginn einer Karriere im Strukturvertrieb sind ein großer Freundes- und Bekanntenkreis weit wichtiger als Verkaufstalent und Kompetenz. Hier muss sich der „Network-Marketing-Einsteiger“ seinen

eigenen Kundenkreis aufbauen. Geblendet von ersten Verkaufserfolgen bei Verwandten und Nachbarn erscheint das große Geld schnell in Reichweite. Nach einigen Monaten leert sich bei den meisten Neuein-

Talent als Randerscheinung steigern der Terminkalender: Der „Markt“ ist gesättigt, alle Bekannten mit Faltenkrem und Co. versorgt. Das Einkommen bricht ein - ebenso wie das private Netzwerk: Verärgert über das im Nachhinein so durchsichtige Ausnutzen einer sozialen Beziehung werden Freundschaften von den „Kunden“ ebenso gekündigt wie der Verkaufsvertrag. Kein Wunder, denn seriöse Bedarfsanalysen werden von Strukturvertrieblern nur selten durchgeführt. Zum eigenen finanziellen Erfolg sollen stattdessen einfache psychologische Tricks wie die berüchtigte „Ja-Treppe“ führen - ein mit zahllosen Suggestivfragen gespicktes, programmiertes Verkaufsgespräch. Zum Wohlergehen des Strukturvertriebs hat allerdings auch mit wenigen Vertragsabschlüssen schon beigetragen, wer bereits nach kurzer Zeit gescheitert ist. „Wenn man sein Gewissen ablegt und skrupellos ist, kann man es jahrelang durchziehen“, berichten in einschlägigen Internetforen zwar auch die eher spärlich gesäten langjährigen Mitarbeiter, die sich oftmals erst einige Hierarchiestufen höher bei der Unterhaltung der ersten eigenen Filiale verschuldet haben. Derweil schreibt eine besorgte Ehefrau über ihren Gatten: „Nach der Anfangsphase ging es nur noch den Bach herunter. Es wurden keine neuen Abschlüsse mehr erzielt, weil alles schon abgegrast war und er irgendwie nicht dieser ‚Verkäufertyp‘ ist. Jetzt sind die Schulden da - wie hoch, weiß er nicht genau. Ich denke, im fünfstelligen Bereich.“ Spätestens beim Blick auf die Kontoauszüge endet der Traum von leicht verdienten Armani-Anzügen oft mit einem bösen Erwachen. * Namen geändert Wolfgang André Schmitz

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Foto: Kristin Borlinghaus

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Florian meint:

Wie groß war der Aufschrei, als herauskam: Ein Lebensmitteldiscounter hat seine Mitarbeiter überwachen lassen. Plötzlich schien es, dass der Angestellte in Deutschland an jeder Stelle bei seiner Arbeit ausgespäht und jeder Handschlag von mindestens zwei anderen Mitarbeitern überwacht wurde. Kaum ein Unternehmen schien es plötzlich mehr zu geben, das nicht seine eigene Überwachungsorganisation nebenbei betrieb. Was viel verwunderlicher war: Plötzlich hatte jeder Angst um seine Privatsphäre. Zwei Mal musste man schlucken, wenn an der Kasse die PIN der Kreditkarte ein-, oder die Adresse bei einem ominösen Gewinnspiel angab. Schließlich konnte jeder das Opfer dieser Überwachung werden. Wer weiß schon, was alles damit passieren könnte? Von Werbebriefen völlig abgesehen.

“Überwachung? Na und!”

Foto: Kristin Borlinghaus

Doch wo war der Aufschrei, als ein paar Monate vorher die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umgesetzt wurde? Alle Telefonnummern und IP-Adressen sollen danach gespeichert werden - Massendemonstrationen, wutentbrannte

Janni schreit: “Hilfe! Familienfest!”

Neulich also wieder Familienfest. Wobei erwähnt werden muss, dass wir hier nicht von der klassischen Kernfamilie -Mama, Papa, zwei Kinder - reden. Nein, bei uns wird geklotzt. Fast 100 enge Mitglieder und jedes Mal aufs Neue das Raten nach den richtigen Vornamen. Richtig peinlich wird es bei gemischten Festen, wo man hinterher nicht mehr weiß, wer zur Verwandtschaft und wer zu den Freunden der Gastgeber gehört. Mein Trick: Lächeln und einfach alle umarmen. Oder sich geschickt neben Mama platzieren, die kennt sie alle. Ist also die erste Hürde umschifft, geht es munter mit dem üblichen Small Talk weiter: „Und, wann bist du jetzt mit deinem Studium fertig? Was hast du jetzt genau studiert? Und was macht man damit? Hast du schon einen Job?“

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öffentliche Diskussionen oder andere Proteste blieben aus. Denn hier, besänftigten uns die gewählten Volksvertreter, ginge es um die Bekämpfung von allgegenwärtigen Terrorismus. Schließlich kann die nette Oma von nebenan eine Terroristin sein. Und wenn sie mit ihrem vierjährigen Enkel telefoniert, muss das der Staat zur effektiven Bekämpfung des Terrors wissen. Ist sie im Management eines gewissen Telekommunikationskonzerns, dann interessiert es auch den Arbeitgeber. „Schöne neue Welt“ – Was zählen schon Grundrechte? Glücklicherweise sah das Verfassungsgericht das anders, und die Politik setzte einiges daran, nicht mehr darüber zu reden. Der Lebensmitteldiscounter musste bei der Überwachung seiner Mitarbeiter auch zurückrudern. Er ruderte, aber länger. Schließlich wird im Supermarkt nicht der internationale Top-Terrorismus bekämpft. Im Übrigen: Die Kunden, die einem Boykott folgten, oder günstigere Angebote woanders fanden, konnten bei einem Konkurrenten ein Kamera-Überwachungsset erstehen.

Beantwortet man das seit drei Jahren auf jeder Festivität mindestens 20-mal am Abend, hat man sich irgendwann eine Standardantwort bereitgelegt, die man egal in welchem geistigen Zustand bequem abspulen kann: „Bin im Sommer fertig, Abschluss in Sport- und Eventmanagement, kann damit eigentlich alles machen, muss noch schauen, wo es hingeht.“ Dabei nett und adrett lächeln und hoffen, dass es nicht so weitergeht: „Hast du eigentlich einen Freund?“ Es ist die kritische Frage, denn sie entscheidet über den kompletten Verlauf der restlichen Unterhaltung. Hier reicht es nicht, eine vorbereitete Aussage möglichst freundlich vor sich her zu plappern - hier ist Feingefühl gefragt. Denn diese Frage impliziert: „So, lieber ältester Urenkel, wann planst du denn endlich, unsere Familie zu erweitern? Wann werden wir zur Hochzeit eingeladen? Und


Ansichtssache

haben wir die Chance, den Samenspender vorher noch einmal tüchtig in die Mangel zu nehmen und auf seine Tauglichkeit hin zu prüfen?“

Foto: Kristin Borlinghaus

Die ehrliche Antwort ist: „Ja, Kinder gern, irgendwann, aber bestimmt nicht jetzt. Und selbst wenn ich einen Freund hätte, euch würde ich ihn bestimmt nicht zum Fraß vorwerfen. Ach, und sollte ich überhaupt heiraten: Garantiert ohne euch.“ Das ist nun sehr undiplomatisch, meine Variante lautet daher: „Ich habe ja überhaupt gar keine Zeit,

Wolfgang fordert: „Tine Wittler for President!“

Immer neue Hiobsbotschaften erreichen unsere Demokratie: Laut einer Erhebung des Leipziger Institus für Marktforschung vertrauen nur noch 60 Prozent der Bundesbürger in unser demokratisches System - 64 Prozent im Westen, 44 Prozent im Osten. Die Menschen sind verunsichert. Sie misstrauen den etablierten Parteien. Sie wählen „Die Linke“. Jene laut Eigenwerbung neue Partei, die auf eine 62-jährige Geschichte zurückblickt. Weniger schädlich als das allzu weit nach rechts oder links verrutschte Kreuzchen in der Wahlkabine ist da bereits der sonst so viel gescholtene TV-Konsum. Seit Jahrzehnten erreicht er immer neue Rekordhöhen - ebenso wie die Einschaltquoten der so genannten Doku-Soaps. Während Anne Christiansens Quoten ohne Transrapidredner Stoiber und Elefantenrundenporzellanzerbrecher Schröder nicht die Blüte ihrer Vorschusslorbeeren erreichen, scheinen sich die Tine Wittlers und Peter Zwegats dieser Nation geradezu exponentiell zu vermehren. Die Familien von Super-Nanny Katja Saalfrank machen es vor. Seit den revolutionären Agenda-2010Reformen suchen die Menschen den guten alten, umsorgenden Sozialstaat vor der Mattscheibe - scheint die böse Lehre von Angebot und Nachfrage hier doch zuallerletzt zu gelten: Zyklische Nachfrageschwankungen kennen die Produzenten von DokuSoaps nicht - immer neue Versionen sprießen aus dem Boden, den der einstige „Mein Freund hat mich be-

mich um so was zu kümmern und der Richtige war einfach noch nicht dabei.“ Das entsprechend zum Alter des Fragers modifizieren und ignorieren, dass meine jüngeren Cousinen schon den sechsten neuen Freund in Folge anschleppen. Sich elegant hinter einem Glas Bier verstecken und hoffen, dass der DJ bald das Sauerland-Lied auflegt und sich meine Gesprächspartner mehr für‘s „elegant im Disco-Fox über die Tanzfläche schieben“ interessieren. Ich liebe meine Familie. Wirklich!

trogen!“-Talkshow-Hype brachliegen ließ. Neue Ikea-Möbel, ein aufgehübschter Kleingarten, aber auch gut erzogene Sprösslinge und schuldenfreie Bankkonten: Das Privatfernsehen kümmert sich um alles. Die erst allmählich auf den Doku-Zug aufspringenden Öffentlich-Rechtlichen zumindest um fast alles. In Zeiten steigender Politikverdrossenheit fehlt nur noch die letzte Konsequenz. Ein Bundeskabinett aus umjubelten TV-Stars drängt sich auf: Die „Helferin mit Herz“ Vera Int-Veen könnte den allzu unterkühlt wirkenden Sozialminister Olaf Scholz ablösen - und brächte eine ganze Schar ihr brav zujubelnder Helfer bzw. Staatssekretäre mit. Tine Wittler würde im kunterbunt gestrichenen Ministerium den farblosen Bauminister Wolfgang Tiefensee beerben. Schuldnerberater Peter Zwegat verspricht, die Rolle des Sparkommissars und Finanzministers Peer Steinbrück keineswegs schlechter zu verkörpern. Und die vierfache Mutter Katja Saalfrank könnte sich um immerhin drei Kinder mehr kümmern als die siebenfache Mutter und Familienministerien Ursula von der Leyen. Mehr Kompetenz als Politiker der Linkspartei bringen Wittler, Saalfrank & Co allemal mit - eine Herrschaft der Doku-Seifenopernsänger wäre das kleinere Übel. Und auch Wolfgang Schäuble würde ein versöhnliches Ende seiner Karriere erleben: Kameras. Überall. Zu jeder Zeit. Und jeder schaut mit Freude zu.

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Foto: Management

Ansichtssache

„Klug zu fragen, ist die vornehmste Aufgabe des Journalismus.“ Frank Plasberg über die Härte des Berufs, Selbstbewusstsein und Stefan Raab.

auf keinen Fall studieren, sondern wirklich arbeiten, Journalist werden. Meine Arbeit nach dem Volontariat war so stressig und anstrengend, dass ich gedacht habe: „Naja, jetzt bist du 21 und hast Plasberg empfindet seine Arbeit als eine Mischung aus Selbstvererste Magenprowiklichung und Eitelkeit. bleme. Fang doch einfach an zu studieren!“ Und dann Herr Plasberg, wussten Sie schon habe ich mir Fächer ausgesucht, von immer, dass Sie Journalist werden denen ich glaubte, dass die leicht newollen? benher zu machen seien: Theater-, Film und Fernsehwissenschaft, PoliIch hatte wirklich das Glück, schon tik und Pädagogik. Gemeinhin auch mit 15 zu wissen:„Ja, das will ich ma- als Laberfächer bekannt. chen!“ Das hat es einfacher gemacht, auch unbequeme Sachen in Kauf zu nehmen, um mein Ziel zu erreichen. Und warum haben Sie das Studium nicht beendet? Alternativen gab es nicht? Nein. Erst in der Mitte des Beruflebens, also mit 35, hab ich mir ernsthaft überlegt, Pilot zu werden. Ich habe gesagt, mein Beruf frisst mich zu sehr auf. Gut - Pilot ist auch ein anstrengender Job, aber der ist genau geregelt. Fängt irgendwann an und hört auf. Während wir immer viele Geister mit uns rumschleppen. Nach Sendungen. Vor Sendungen. Viele Ängste, viel Druck. Sie haben nach dem Abitur erst ein Volontariat gemacht und dann 17 Semester studiert. Wieso haben Sie diesen Weg gewählt? Erstmal wollte ich nach dem Abitur

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Ich hätte eigentlich Fächer machen müssen, die viel produktorientierter sind, weil ich es gewohnt war viel zu arbeiten, klare Anforderungen zu bekommen, klare Antworten.Aber jetzt kommt das etwas altväterliche Aber: Ich empfinde es durchaus als Manko, etwas in meiner Biografie nicht abgeschlossen zu haben. In einem Interview bei Johannes B. Kerner haben Sie gesagt, Sie seien kein politischer Journalist. Wie definieren Sie sich dann in Ihrem Beruf? Ich bin ein neugieriger Journalist. Viele Dinge weiß ich selbst nicht und dann frage ich nach. Klug zu fragen ist die vornehmste Aufgabe

des Journalismus. Ich verstehe unter politischen Journalisten die, die mit Politikern zusammen sitzen müssen, um ihren Job zu machen. Ich finde, Politiker machen einen tollen Job für uns alle, die zu faul sind Politik zu machen. Aber ich möchte nicht ständig in ihrer Nähe sein. In Ihrer Sendung „Hart aber fair“ sind Sie sehr offensiv, direkt und hartnäckig. Woher nehmen Sie dieses Selbstbewusstsein? Da müsste man einen Psychoanalytiker fragen, ob das eine Kompensation ist für den Mangel an anderer Stelle. Das Selbstbewusstsein für die Sendung speist sich aus einer Mischung aus Wissen ums eigene Handwerk und einem gewissen Fleiß in der Vorbereitung. Das gibt mir das innere Gefühl, die Sendung durchstehen zu können. Hart aber fair“ ist sehr gut gestartet im Ersten, mit 13 % Marktanteil… 12,9! …Welche Leute sehen Ihre Sendung? Das weiß ich relativ gut durch die Zuschauerforschung. Ich kann aber auch den Praxistest machen. Wer spricht mich auf der Straße an? Das sind Menschen, die ein Interesse an ihrer gesellschaftlichen Umwelt haben, die nicht dumm vor sich hin leben. Die sind oft freundlich und themenorientiert. Es gibt so einen bestimmten Typus, wenn der auf mich zukommt, weiß ich: Ja! Das ist


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ein „Hart aber Fair“-Zuschauer. Geben Sie sich Mühe Ihre Sendung besonders für ein jüngeres Publikum attraktiv zu gestalten? Das ist mein Ziel der Sendung. Wir erwarten nicht, dass 20-Jährige uns gucken, aber wenn, dann sollen sie nicht das Gefühl haben im Altersheim gelandet zu sein. Wir wollen nicht behaupten, dass wir VIVAkompatibel sind, aber wir bemühen uns mit Design, Sound und auch mit der Optik der Filme, einem jungen Publikum gerecht zu werden. Aber das Gros der Zuschauer ist sicher über 40. Sie haben vor dem Sendestart im Ersten viel Werbung gemacht, waren in vielen Sendungen zu Gast… Das hat doch nicht nur mit Werbung machen zu tun. Ich war offenbar interessant für die Leute. …Sie waren auch offenbar interessant für Stefan Raab und zu Gast bei TV Total. Hatten Sie es auf das junge Publikum abgesehen? Ich bin zu Raab gegangen und musste mich dafür vor meiner eigenen Tochter rechtfertigen, die Raab fragte: „Warum laden sie meinen Vater ein, den kennt doch hier kein Schwein!“ Wer Raab gesehen hat, ist unter 30. Natürlich bin ich deswegen dahin gegangen und ich werde wieder hingehen. Außerdem ist Raab auch ein guter Typ. Welches persönliche Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Sendung? (lacht) Reich zu werden! Ehrlich? Mein Ziel ist, dass mein Team und ich jetzt mal zur Ruhe kommen, um die Arbeit und den Erfolg zu genießen.

Eitelkeit. Warum machen Sie (zeigt auf uns) denn den Job und sitzen nicht irgendwo im Hinterzimmer? Wir haben schon den Ehrgeiz, ein bisschen dazu beitragen zu können, die Gesellschaft noch in der Diskussion zu halten. Und nicht nur über politische Reflexe Politik entstehen zu lassen. Sie sind jetzt Moderator einer Quizshow im NDR. Suchen Sie nach Abwechselung? Ist ihnen Ihre Arbeit zu einseitig, zu langweilig geworden? Nein, ich suche damit eine planmäßige Erschütterung. Man muss auch manchmal ein Image, das man sich aufgebaut hat und zu fest wird, vorsichtig diversifizieren. So läuft man nicht Gefahr, ein Denkmal seiner Selbst zu werden. Sie haben sowohl für die Zeitung, als auch für Radio und TV gearbeitet. Wie wichtig ist es für einen Journalisten, sich in verschiedenen Medien zuhause zu fühlen? Es ist wichtig Zeitung gemacht zu haben. Wer nicht schreiben kann, wer nicht gelernt hat unter Druck Geschichten zu produzieren, der wird immer wieder Schwierigkeiten haben. Journalismus ist kompetentes Weglassen und einen komplizierten Sachverhalt richtig darstellen. Wer das Schreiben nicht beherrscht, wird immer wieder stolpern. „Hart aber fair“ hat auch einen Internetauftritt. Glauben Sie, das steigert den Erfolg der Sendung? Wenn Relevanz ein Gradmesser für Erfolg ist, also dass Leute über einen reden, dann müssen Sie auch Leuten Gelegenheit geben die Sendung zu sehen, die nicht live dabei sein konnten. Das Internet ist ein ideales Begleitmedium für uns. Gerade weil wir eine interaktive Sendung mit enger Zuschauerverzahnung machen. Schauen sie selber viel fern?

Dient „Hart aber fair“ der Selbstverwirklichung oder haben Sie sich einem Bildungsauftrag unterstellt?

Ja. Gerne Fiction und Tatort, Fernsehspiele. Politische Talkshows zu sehen ist für mich Konkurrenzbeobachtung, also Arbeit.

Einen Bildungsauftrag habe ich nie gehabt. Meine Arbeit ist eine Mischung aus Selbstverwirklichung und

Schauen sie auch Privatfernsehen?

Ja, ist ja nicht verboten. Ich habe kürzlich durch Zufall in eine der Gerichtshows reingesehen. Es gibt eine Art des Trashfernsehens das Trashfernsehen zu erkennen und zu konsumieren, die mir verwehrt ist. Ich schaue das Fernsehen als Fernsehen. „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ war Anfang des Jahres wieder ein Quotenhit. Darf man das gucken? Darf man gucken. Mich hat es aber diesmal gelangweilt. Der Reiz ist für mich weg. Im Gegensatz zu „DSDS“. Da gucke ich die Castings und gehe auch gelegentlich zur Show. Hier stellt sich der Abnutzungseffekt nicht so schnell ein wie beim Dschungelcamp. Würden Sie zum Privatfernsehen wechseln? Wenn RTL einen Sendeplatz einräumen würde, der vergleichbar ist mit dem der ARD und wir keine Werbeunterbrechungen hätten, könnte ich mir die Sendung auch bei RTL vorstellen. Ich bin da nicht so dogmatisch. Nur wir hätten da keinen Erfolg, weil der Sender ganz anders ausgerichtet ist. Ich fühle mich beim Öffentlich-Rechtlichen sehr wohl. Ich würde auch zu arte gehen. Man kann sich da wunderbar mit feinen Projekten selbst verwirklichen, aber ich bin an einem großen Publikum interessiert. Sie waren Referent bei der RTL Journalistenschule. Liegt Ihnen die Förderung des Nachwuchs am Herzen? Ja. Was können Sie angehenden Journalisten raten? Wenn Sie den Königsweg wissen wollen, dann kann ich nur raten ein spezielles Ding zu studieren, kann auch Sinologie sein, und darauf eine journalistische Ausbildung zu setzen. Das ist Erfolg versprechender als Journalismus an sich. Aber wer mit der richtigen Mischung aus Nerven, Kompetenz und Charme daran geht, der wird in dem Job schon was. Sonja Baier & Alexandra Vesper

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Prof. Dr. Volker Busch im Interview Volker Busch studierte von 1989 bis 1994 Betriebswirtschaftslehre an der Universität Dortmund. Im Anschluss arbeitete er 7 Jahre lang als Unternehmensberater und ab 1998 parallel als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an seiner alten Uni, bevor es ihn Mitte 2003 ins schöne Sauerland an die BiTS verschlug. Hier ist er nun als Dozent für Rechungswesen und Controlling und als Akademischer Geschäftsführer tätig. Tim Schneider interviewte Volker Busch für BiTSLicht.

Was gefällt Ihnen an sich besonders? Ich höre Menschen zu und gebe ihnen meine volle Aufmerksamkeit. Wem würden Sie aus welchen Gründen einen Orden verleihen? Meinem Dad, weil er die Familie durch schwierige Zeiten geführt hat. Auf welche eigene Leistung sind Sie besonders stolz? Auf das Erreichte in den letzten drei Jahren an der BiTS und auf meine Promotion. Was wollten Sie als Kind werden? Ich wollte immer im Umweltschutz arbeiten oder Wissen vermitteln. Wie können Sie am besten entspannen? Beim spielen mit meinem Sohn, egal was. Jede Zeit mit meinem Sohn ist die pure Entspannung, auch wenn ich nachher immer ziemlich K.O. bin. Was ist für Sie eine Versuchung? Noch einmal 2 bis 3 Jahre ins Ausland zu gehen.

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Was war Ihr schönster Lustkauf? 14 Tage in London mit allem drum und dran. Wo hätten Sie gerne Ihren Zweitwohnsitz? Am Gardasee. Was können Sie besonders gut kochen? Pasta in allen Variationen. Was wäre Ihre Henkersmahlzeit? Penne á la Curry. Mit wem würden Sie gerne einen Monat lang tauschen? Mit einem BiTS Studenten im 4. Semester, mit Ausnahme BP, der gerade in Schottland, Australien, USA oder Kanada ist und seine Prüfungen ordnungsgemäß ablegt. Welche berufliche Aufgabe könnte Sie reizen? Ich bin eigentlich an meinem Ziel bereits angekommen. Wenn ich es zeitlich begrenzen könnte, würde ich gerne mal ein Entwicklungshilfeprojekt auf die Beine stellen. Aber aus so einer Nummer kommt man anschließend kaum wieder heraus. Ich

glaube, das hält viele davon ab, sich diesem Sektor stärker zu widmen. Wenn Ihnen eine gute Fee alles Geld der Welt geben würde, was würden Sie damit tun? Erst einmal würde ich es mir ein paar Monate lang sehr, sehr gut gehen lassen und den Rest für Umweltbelange verteilen. Wo bleiben Sie beim Zappen hängen? Bei allen Wissenssendungen. Ihr Lieblingsschauspieler/-in? Jack Nicholson und Meg Ryan. Was sagt man Ihnen nach? Blöde Frage, da kommen nur stereotype Antworten, wie bei meinem Vorgänger Peter Wolf: „Ungeduldig“. Das ist eine antrainierte Antwort wie in einer Bewerbersituation. Ich habe das Gefühl, es wird mir vieles nachgesagt, aber es stimmt nur sehr selten etwas davon. Wem sollten wir diese Fragen als nächstes stellen? Prof. Dr. Thomas Rieger. Tim Schneider


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