Ausgabe 20

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Ausgabe 20 | Juli 2016

Bremens freies Unimagazin

Kriminalität an der Universität Wahlk(r)ampf

Wer ist Detlef?


KURZMELDUNGEN

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HOCHSCHULPOLITIK Der Studierendenrat Wahlk(r)ampf

CAMPUSLEBEN

Die Klodyssee Erasmus in Holland Kriminalität auf dem Campus Warum im Sommersemester alles besser ist Kriminalität auf dem Campus Neue Online-Reihe zu StugA-Räumen Mit Sherlock durch den Uni-Alltag Eine Reformuniversität, wie sie im Buche steht Shakespeare’s Not Dead

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BREMEN

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Moderne Atmosphäre und leckere Burger 3 Dinge in Bremen Wer ist dieser Detlef?! Waterfront Die Strapazenbahn Culture Shock Bremen Ausstellung in der Weserburg Bremen Vom Landei zum Stadtkind

FEUILLETON

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Wir twittern über Bücher „New Folk, von ruhig bis Vollgas.“ Faszination Tomb Raider Lesen, was Spaß macht! Der Zauber des PoetrySlams Me and metal against the world

IMPRESSUM


EDITORIAL

Liebe Kommilitoninnen, liebe Kommilitonen! Ein weiteres Semester ist geschafft und die letzten Prüfungen stehen an oder sind schon abgehakt. Und da der ScheinWerfer nun zum 20. Mal erscheint, haben wir uns dieses Sommersemester etwas ganz Besonderes ausgedacht und in Eigenregie ein Journalismusseminar auf die Beine gestellt: Von Studierenden für Studierende. Ein Raum voll mit kreativen Köpfen hat eine breite Themenvielfalt für euch zusammengestellt und darf stolz diese Jubiläumsausgabe präsentieren!

Grafitti ist in Bremen an vielen Stellen zu finden. In der Stadt und in den so unterschiedlichen Gebäuden der Uni taucht an den Wänden ein Name immer wieder auf: Detlef. Unser Autor hat sich auf die Suche nach diesem Detlef gemacht und nimmt euch mit auf seine Reise nach Antworten. Für Kulturinteressierte haben wir wie immer einen bunten Feuilletoninhalt kreiert und möchten euch neben Bandinterview, Buchtipp und Filmrezension auch die Faszination um die Spielreihe „Tomb Raider“ näher bringen. Auch vor den Fremdsprachen haben wir in dieser Ausgabe keinen Halt gemacht. In einem englischen Kommentar schreibt die Autorin über ihre Anfangszeit in Bremen und den Kulturschock unserer Hansestadt. Apropos Englisch: Wusstet ihr schon, dass die Universität eine englische Theatergruppe hat?

Politik ist in aller Munde – nicht nur wegen des Brexits. Auch auf dem Campus ist die Wahl des Studierendenrats ein großes Thema. Doch eine erneut geringe Wahlbeteiligung wirft die Frage auf: Was soll dieser ganze Wahlk(r)ampf? Das Thema Probleme an und in der Universität beschäftigt uns Studierende generell. Vom Zustand der Damentoiletten bis hin zu Kriminalität auf dem Campus, wozu wir euch alle wichtigen Infos auf einen Blick vorstellen möchten.

Annika Papenbrock

Pia Zarsteck

Bei Fragen, Anregungen oder Kritik erreicht Ihr uns unter: - scheinwerfer@uni-bremen.de - www.facebook.com/scheinwerfer.bremens

Weitere Artikel und aktuelle Themen findet Ihr auch hier: www.scheinwerfer.uni-bremen.de

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Kurzmeldungen Glücksspiel kann süchtig machen Der Suchtforscher Professor Gerhard Meyer von der Universität Bremen hat aktuell eine Studie veröffentlicht, in der er sich mit den Gefahren von Online-Glücksspielen auseinandersetzt. Er beschreibt das Phänomen auch als „social gambling“. Das Ergebnis seiner Studie: Über kostenlose Angebote in sozialen Medien versuchen viele Anbieter insbesondere junge Menschen zum tatsächlichen Glücksspiel zu verleiten. Dabei locken die Spiele unter anderem damit, dass sie kostenlos sind und die Gewinnchancen deutlich höher ausfallen als beim klassischen Glücksspiel. Gerade weil dies als Einstieg in die Sucht dienen könne, seien diese Internet-Spiele eine Gefahr für anfällige Menschen, so Meyer. Im Zuge seiner wissenschaftlichen Arbeit fordert der Leiter der Fachstelle Glücksspielsucht die politischen Akteurinnen und Akteure deshalb nun zu entsprechenden Gesetzesänderungen auf.

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Social Media Experten und Künstler aufgepasst! Als studentische Organisation sind auch wir nicht vor den Abschlussarbeiten gefeit. Deswegen haben wir, ganz frisch, zwei Stellen in unserer Stammredaktion zu vergeben. Facebook und Twitter sind dein Ding? Wir suchen einen cleveren Kopf, der mit lustigen Sprüchen und guten Verlinkungen unsere Likes und Follower in die Höhe treibt. Grafisch sind wir auch auf der Suche nach einem neuen Gesicht. Dabei sind vor allem Fotos, Illustrationen und die Gestaltung von Flyern beim ScheinWerfer wichtig. Wir haben dein Interesse geweckt? Dann schau bei Twitter oder Facebook nach, wann das nächste offene Redaktionstreffen stattfindet! Oder schreib uns eine Mail unter scheinwerfer@uni-bremen.de und sprich uns einfach an.


HOCHSCHULPOLITIK

Der Studierendenrat Wer ist das eigentlich und was macht er? Einmal im Jahr werden 25 Mitglieder des Studierendenrats (SR) gewählt. Dieser Rat ist für den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) und dessen Vorgaben und Richtlinien verantwortlich und unterliegt dem Präsidium. Er unterstützt die Studierenden in ihren Interessen und setzt diese gegebenenfalls um. Jeder immatrikulierte Studierende der Universität Bremen ist berechtigt, an den Wahlen teilzunehmen. Im Durchschnitt ließen sich seit 2005 12 Listen aufstellen. Im Jahr 2013 waren es mit sieben Listen überdurchschnittlich wenige, während es im Jahr 2008 mit 17 überdurchschnittlich viele waren. Insgesamt standen in diesem Jahr wieder 12 Listen zur Wahl. Die Abstimmung fand vom 13. bis zum 17. Juni an verschiedenen Standorten der Universität statt. Das Büro der Wahlkommission ist im Studierendenhaus auf dem Boulevard gegenüber der BiB im Raum A2040B auf der AStA-Etage zu finden. Das Präsidium, welches aus der Mitte der Studierendenratsmitglieder gewählt wird, besteht im Jahr 2015/16 aus: Präsident: Marvin-Lee Ellermeyer (StuZu Jura) 1. stellv. Präsident: Herms (Herms, Herms!) 2. stellv. Präsident: Torben Fangmann (AfA) Öffnungszeiten: Montags: 10:15 – 11:45 Uhr Mittwochs: 12:45 – 13:45 Uhr Freitags: 10:15 – 11:45 Uhr Gremienwahlen Neben den Studierendenratswahlen fanden zur selben Zeit auch noch andere Gremienwahlen statt. Einige Vertreter des Akademischen Senates (AS), bestehend aus vier Studierenden und zwei Vertreter für die Fachbereichsräte aller zwölf Fachbereiche konnten gewählt werden. Die PARTEI erhielt bei der Wahl die meisten Stimmen und belegt nun zwei Sitze im AS.

veganem Essen in der Mensa oder ob es eine Anwesenheitspflicht geben sollte. Ein weiteres oft diskutiertes Thema ist das Prüfungsamt und dessen immer wieder auftretende Probleme. Sieger des Jahres 2016: Die PARTEI Mit 365 Stimmen hat Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI) die Wahl in diesem Jahr für sich entschieden. In ihrer Kampagne setzte sie sich mit den anderen Listen auseinander, indem sie diese mit ihren Inhalten kritisierte. Ihre Stellung zu vielen anderen Listen, wie zum Beispiel zu dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), ist allgemein sehr urteilend und provokativ. Deutlich wurde dies durch einen Flyer, auf dem ein Gewinnspiel, das sich gegen den RCDS richtete, befand. Außerdem haben ihre konkreten Forderungen einen oft satirischen Charakter. Als eines ihrer Vorhaben hat die Liste ein selbstverwaltetes Gebäude vorgesehen. Außerdem gehören zu ihren Anliegen die Verlegung des Hauptbahnhofes an die Uni oder die Abschaffung der Zivilklausel der Universität Bremen von 1986. Du möchtest dich auch politisch engagieren? Bei Interesse besteht für jeden Studenten die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Jedes Jahr werden Wahlhelfer gesucht. Mitwirken und sich als Kandidat aufstellen zu lassen, ist auch möglich. Das Formular dazu und weitere Informationen sind auf der Homepage des Studierendenrates (www. sr.uni-bremen.de/wiki/Hauptseite) zu finden. Text: Marilena Dobberpuhl

Wahlergebnisse nsgesamt nahmen im letzten Jahr 1864 von 18.837 Studierende an der Abstimmung der Studierendenratswahlen teil. Mit allen gültigen Stimmen macht das10,12 Prozent. Im Vergleich dazu beträgt in diesem Jahr die Zahl der gültigen Stimmen 1732 und somit 9,35 Prozent. Die gültigen Stimmen zur Gremienwahl betragen 1684 und damit 9,4 Prozent. Im Gesamten war die Wahlbeteiligung von Beginn an sehr gering. Sie liegt im Durchschnitt seit 2001 bei 9,17 Prozent Damit gehört die Wahlbeteiligung an der Uni Bremen zu den niedrigsten bundesweit. Letztjährige Siegerin nach Stimmen war die Liste AStA für alle (AfA). In diesem Jahr machte die PARTEI das Rennen. Themen der Listen Zu den Themen, mit denen sich die Listen zurzeit auseinandersetzen, gehören zum Beispiel die Einführung von 5


HOCHSCHULPOLITIK

Wahlk(r)ampf Ein Kommentar von Laura Acksteiner

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ochschulpolitik war in den vergangenen Wochen das zentrale Thema unter Studentinnen und Studenten an der Uni Bremen – oder doch nicht? Vom 13. bis 17. Juni fand die alljährliche Wahl des Studierendenrates statt. Zwölf Listen hatten sich aufstellen lassen und griffen im Kampf um Wählerstimmen zu plakativen Mitteln. Die Cafeteria, die Mensa, der Boulevard und alles drum herum verwandelte sich in ein buntes Kunstwerk der uni-politischen Landschaft, das jeglichem Unwissen der Studierendenschaft über die SR-Wahl und ihre Kandidaten entgegenwirken sollte. Täglich neue Flugblätter und Sticker versüßten einem das Mittagessen. Doch wer hat da eigentlich genauer hingeschaut? Einige Tage vor der Wahl kam in der „Cafete“ des GW2 wenig Stimmung beim Thema Hochschulpolitik und SR-Wahl auf. Trotz des eifrigen Wahlkampfes wussten so manche potenzielle Wähler nur wenig über die Forderungen der einzelnen Listen oder hatten nicht einmal auf dem Schirm, dass in wenigen Tagen eine Wahl stattfinden würde. Die aktuellen Wahlergebnisse zeigen, dass Hochschulpolitik nicht Thema Nummer eins an der Uni Bremen ist. Was hält 90 Prozent der Studierenden vom Wählen ab? Nicht auf den Geschmack gekommen Es fehlte an guten Argumenten. Einige Listen provozierten, andere amüsierten, manche gingen langsam auf die Nerven und die restlichen wurden in den Schatten gestellt. Was die Forderungen der Listen betrifft, sahen mehrere ein zentrales Problem beim Essensangebot der Uni. Und man muss zustimmen, dass besonders die vegane Auswahl noch ausbaufähig ist. Aber das heißt noch lange nicht, dass man allen Kuhmilchprodukten abschwören und sich auf lange Sicht den Fleischverzehr abgewöhnen sollte. Vegane Propaganda bereitete nicht Jedem Lust auf die Wahlen. Darüber hinaus schienen manche Plakate gekonnt politisch nichtssagend oder setzten eher auf undurchsichtige Sprüche als auf konkrete Botschaften. Die Wählerschaft konnte nicht unbedingt viel anfangen mit Aussagen wie „Lisa träumt“ oder „Studentische Initiativen stärken“. Daneben sahen Plakate mit simplen aber klaren Statements wesentlich besser aus, unabhängig davon, ob man diesen zustimmte oder nicht. Außerdem zeigten sich einige Listen kritisch dem Prüfungsamt und dessen Versäumniseinträgen gegenüber. Hierbei geht es im Ernstfall um studentische Existenzen. Zu wenig wird in vielen Studiengängen darüber aufgeklärt, wann man sich wie für Prüfungen anzumelden hat und was die Anmeldung nach sich zieht. Letztlich gilt: Hat man sich einmal für eine Prüfung angemeldet und sie vergeigt, dann hat man daraufhin drei Semester Zeit, um sie zu wiederholen und zu bestehen. Nun wollen oder müssen aber einige Studierende aus verschiedensten Gründen ihr Studium individuell planen. Da muss man sich mit den

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Pabo-schen Gesetzen gut auskennen, um nicht plötzlich die Exmatrikulation ins Haus zu bekommen. Hier herrscht zu wenig Aufklärung und Kommunikation zwischen Prüfungsamt und Studentenschaft. Das Thema geht alle etwas an und wäre doch wohl ein Grund gewesen, um wählen zu gehen. Nichtsdestotrotz wählten, wie auch in den vergangenen Jahren, nur circa zehn Prozent der Studierenden. Schließlich bleiben doch oft nur die Listen im Kopf, die mit überspitzten Forderungen oder unterhaltsamen Sprüchen Aufmerksamkeit erregen. Die einen will man nicht unterstützen und die anderen kann man nicht ernst nehmen. Nicht auf die Idee gekommen Dazu kommt, dass man außerhalb der Uni nichts von alldem mitbekommt. Die „Social Media“ – Affinen suchen bei den meisten Listen vergeblich nach Infos im Web. Da sollte doch noch mehr gehen als analoge Wahlkampfstrategien. Doch wie kann man die studentische Wählerschaft erfolgreich abholen, ja sie sogar einbinden? Theoretisch kann sich schließlich Jeder hochschulpolitisch engagieren. Auf die Frage nach persönlichem Engagement reagierten die meisten aber doch eher verhalten. Man sei zu schlecht informiert oder es fehle an Zeit und Muße, um das politische Unileben aktiv mitzugestalten. Scheinbar zogen es viele vor, dann auch gar nicht erst wählen zu gehen. Die Wählerinnen und Wähler finden Ausreden und die Listen liefern nicht genug Gründe. Immerhin „Die Partei“ hat noch die meisten Studierenden für sich gewinnen können. Die Frage ist nur, inwiefern das wirklich etwas mit politischer Überzeugung zu tun hatte. Die SR-Wahl 2016 zeigt: Hochschulpolitik ist ein Thema an der Uni Bremen – nur scheinbar eines, das wenige ernsthaft interessiert. Vor der SR-Wahl in der „Cafete“... „Ich überlege, ob und wen ich wähle, aber oft steh ich auch nicht so dahinter.“ (Dina, FB10) „Ich krieg das mit auf jeden Fall. Es gibt ja immer viele Flyer, Plakate...“ (Robert, FB8) „Es ist schön, dass es das gibt, aber es ist eher so n Mitläufer.“ (BWL, FB7) „Ich hab keine Zeit und nicht das riesige Interesse an Hochschulpolitik.“ (Sören, FB3) „Ich wüsste auch nicht worüber ich dazu was erfahren sollte...Von den Satirischen kriegt man ja noch was mit, weil es witzig ist.“ (Rosa, FB9)


CAMPUSLEBEN

Die Klodyssee Die Monster des GW2

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as passiert den Besten: Mate macht müde Studierende munter, möchte aber fix wieder weggetragen werden. Die große Frage ist: WOHIN? Wer wie ich in der Zwangslage ist, sämtliche Geschäfte sitzend verrichten zu müssen, steht vor einer der größten Herausforderungen des Studiums. Vergesst Klausuren und Hausarbeiten! Hier geht es um die Suche nach dem exzellenten Uniklo. Ein Glück, dass die schrillen Örtchen das Aushängeschild der Uni schlechthin sind. Apropos schlecht: Während die meisten Klos das Prädikat ganz okay verdienen, muss ich auch die Glanzstücke erwähnen. Eindrucksvoll sticht das sagenumwobene Cognium mit Handcreme und Lufterfrischern aus der schnöden Masse hervor, indem es dem Adel Einlass gewährt. Nur übertroffen wird es von der Glashalle mit ihrer kompakten Konstruktion aus tragenden Stickern, die renommierte Architekt*innen auf der ganzen Welt begeistert. Die Monster des GW2 Doch zurück zu meiner Klodyssee. Auf meiner mythischen Reise bin ich im GW2 angelangt, wo mir so manches Fabelwesen begegnet, dessen Existenz ich bislang nur für ein Gerücht hielt. Mal klafft über mir endlose Schwärze auf, in der Fledermausschwärme leise rascheln. Mal versuche ich, dem Smileyblick der Gorgone Max zu entgehen, die meine schüchterne Blase versteinert. Dann ist da noch der betrunkene Oktopus, der die Herausforderung im Kampf sucht. Und einmal habe ich drei Jugendliche erwischt, die die Kammer des Schreckens öffnen wollten! Da habe ich aber ganz schön gemault. Manchmal suche ich jedoch eher zwischenmenschliche Herausforderungen. Da sich noch nicht herumgesprochen hat, dass Menschen aller Geschlechter mal müssen, ist das einzige Genderklo der Uni für Menschen mit zerbrechlichen Weltbildern der Endgegner schlechthin. Degradiert zur Pinselauswaschtoilette des Kunstbereichs, wird eben auch so mancher Pinsel verschämt versteckt, wenn ich rockschwingend einen Ort aufsuche, an dem Natur und Kultur so harmonisch und politisch anregend verschmelzen. Endlich Philosophievorlesungen auf Augenhöhe! Der allmonatliche Schrecken

tet werden, wie: „Hat das Klo eine Tür? Wirklich? Und die funktioniert? Gibt es Klopapier? Und Seife? Auch am Wochenende?“ – aber jetzt kommen die kniffligen Sonderfragen: „Gibt es einen Eimer? Tütchen? Handdesinfektion?“ Fragen über Fragen, die in der Regelstudienzeit nicht beantwortet werden können; Ich ermittle weiter. Immerhin habe ich eine Kabine mit integriertem Waschbecken im vierten Stock der Bib entdeckt, die ich monatlich mit meinem Leben verteidige, im Notfall auch gegen betrunkene Oktopoden. Ach ja, wo ist denn nun das exzellente Klo, das goldene Vlies der Keramik, ja der Zufluchtsort für die Elite von morgen, gegen das Helenas Boudoir aussieht wie Hagrids Hütte? Ich habe es auch nach acht Semestern immer noch nicht gefunden. Aber ich werde weitersuchen, solange mir der Mate nicht ausgeht. Text und Foto: Maike Duddek

Aber zurück zur Natur: Wer wie ich monatlich die Uterösser aufzäumen muss, steht vor einer weiteren Prüfung. Normalerweise müssen ja nur einfache Fragen beantwor7


CAMPUSLEBEN

Erasmus in Holland – the time of your life! Studium im Ausland ist ein lebenslanger Vorteil und Erasmus wird immer beliebter. Die Niederlande ist ein wunderschönes Land, das vieles anbietet. Die Landschaft, Holzpantoffeln und das schmackhafte Essen - wie könnte man es nicht lieben? Eine Rezension über eine holländische Erasmus-Erfahrung.

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ch bin Amée Marks, 21 Jahre alt und studiere Deutsch und Niederländisch in England. Ich war verpflichtet ein Auslandsjahr zu absolvieren und habe das abgelaufene Jahr im Ausland gewohnt. Im Moment studiere ich an der Universität Bremen, aber ich war letztes Semester in Groningen, in den Niederlanden. Die Universität Groningen - auch bekannt als Rijksuniversiteit Groningen - ist eine alte und schöne Universität, die in einer im gleichen Maße schönen Stadt liegt. Diese ist sehr stimmungsvoll und im Jahr 2007 ermittelte die europäische Kommission die Einwohner Groningens als die zufriedensten in Europa. Es ist deshalb keine Überraschung, wenn ich sage, dass man die Stadt besuchen, oder, falls möglich, einen Erasmus-Austausch dahin machen sollte. Wohnen im Groningen Das Erasmus-Team in Groningen war unglaublich hilfreich. Sie haben mir mit der Auswahl von Veranstaltungen geholfen und waren immer erfreut Fragen zu beantworten. Das war sehr wichtig, weil die Universität viele Veranstaltungen anbietet. Sie haben mich auch über die Unterkunft informiert, wodurch mir viel Stress erspart blieb! Das Erasmus-Team hat mich über internationale Studentenwohnheime informiert, die in der ganzen Stadt und den Stadträndern zu finden sind. Ich habe in einem Haus mit 13 anderen Studierenden gewohnt, und die Universität und die Innenstadt waren zu Fuß innerhalb von nur zehn Minuten zu erreichen. Es war toll mit internationalen Studierenden zusammen zu wohnen und es gab einer Mischung von Kulturen und Sprachen, inklusive Finnisch, Taiwanesisch, Koreanisch, Ungarisch, Spanisch und einigen mehr. In meinem Studentenwohnheim gab es sieben Zimmer und je zwei Studenten haben sich ein Zimmer geteilt. Anfangs war es seltsam meine Zimmergenossin zu treffen, aber schon nach zwei Wochen war es super! Es war

©UniGroningen

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eine ganz einmalige Erfahrung für mich, aber ich habe es toll gefunden. Ich konnte schnell einen guten Freund/eine gute Freundin finden und da ich das erste Mal im Ausland wohnte, war es beruhigend zu wissen, dass ich neue Menschen treffen konnte. Es gab immer etwas zu tun in der Wohngemeinschaft, von Feiern bis zu organisierten Radfahrten. Du musst kein Partylöwe sein um Spaß zu haben, weil es eine Menge Menschen gibt, die verschiedene Interessen haben! Die Auswahl von Kursen Wie ich zuvor erwähnte, hat die Universität eine Menge Veranstaltungen, aus denen man auswählen kann. Meine Veranstaltungen enthielten Phonologie, Poesie, Gesundheitskommunikation und einige mehr. Du kannst beinahe alles lernen, je nachdem ob du dich für Sprachen oder für die Wissenschaften interessierst, und die Universität bietet viele Veranstaltungen auch in Englisch an, deshalb bist du nicht alleine, wenn du kein Niederländisch sprechen kannst. Das Beste ist, dass die Universität über die ganze Stadt verteilt liegt, deshalb kannst du Vorlesungen oder Seminare zum Beispiel in einem Kino oder in dem alten Gerichtssaal haben. Das war eine besondere Erfahrung und trug zu einer guten Stimmung bei. Die Stadt Die Stadt ist schön und alt, und die atemberaubenden Kanäle werden niemals langweilig. Wenn du niederländisch sprechen kannst, ist es ein super Ort um deine Sprachkenntnisse auf die Probe zu stellen, weil es noch Menschen gibt, die kein Englisch sprechen. Gerade die älteren Leute und die Menschen, die bei der Apotheke oder bei der Post arbeiten, sprechen nur niederländisch. Es gibt viel zu sehen und zu unternehmen in der Stadt – internationale Läden, Museen, Parks und zahlreiche Kneipen und Restaurants. Besonders empfehlenswert ist ,,de Drie gezusters’’. Es ist die größte Kneipe in Europa und verteilt sich auf drei Gebäude. Sie ist sicherlich einen Besuch wert! Insgesamt war meine Zeit im Groningen erfolgreich, lehrreich und spaßig. Es ist super, dass im Studium die Möglichkeit besteht, neue Orte zu entdecken und zu erleben. Ich glaube, dass Groningen eine gute Auswahl für den Erasmus-Austausch ist und ich möchte diese Gelegenheit nicht missen. Letztendlich kann ich nur jedem raten: Make the most of it! Text: Amée Marks


CAMPUSLEBEN

Kriminalität auf dem Campus An der Uni treffen täglich viele verschiedene Menschen aufeinander. Dass es dabei zu Fällen von Kriminalität kommt, ist kaum vermeidbar. Der ScheinWerfer gibt euch einen kleinen Überblick über Kriminalität und die Hilfsmöglichkeiten für Opfer auf dem Campus, sowie Tipps um sich zu schützen.

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bwohl es an der Uni zunächst friedlich wirkt, gibt es auch hier Fälle von Kriminalität. Zum einen gibt es die offensichtlichen Dinge, zum Beispiel Sachbeschädigung: Graffitis und beschriebene Tische und Wände sind so allgegenwärtig, dass sie uns kaum noch auffallen. Auch in der Bibliothek ist Sachbeschädigung ein Thema. Häufig wird in den Büchern markiert, kommentiert und zum Teil werden ganze Textstellen unkenntlich gemacht oder Seiten ausgerissen. Manche Bücher, die verliehen werden, tauchen nie wieder in der Bibliothek auf oder die Bücher werden erst gar nicht ausgeliehen, sondern die Sicherung entfernt und die Bücher geklaut. Diese Art von Kriminalität ist für die meisten Studierenden kein großes Thema, da es sie in der Regel nicht direkt betrifft. Tipps gegen Taschendiebe Jedoch können auch Studierende an der Uni Bremen Opfer von Straftaten werden, denn auch außerhalb der Bibliothek wird gestohlen. Taschendiebstähle kommen auf dem Campus zwar nicht so häufig wie an anderen öffentlich zugänglichen Orten in Bremen vor, aber es gibt sie auch hier. Um zu verhindern, dass man selbst Opfer eines Diebstahls wird, sollte man darauf achten, seine Sachen nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Gerade im Gedränge in der Straßenbahn oder den Bussen sowie beim Verlassen eines vollen Seminarraumes kann es schnell passieren, dass jemand unbemerkt in eine Tasche greift. Wertgegenstände wie z.B. Handy oder Portemonnaie trägt man bestenfalls am Körper. Größere Gegenstände wie Tablets oder Laptops bewahrt ihr/man möglichst in geschlossenen Taschen oder Rücksäcken auf. Es bietet sich auch an, diese so einzupacken, dass sie schwer zugänglich sind, beispielsweise durch das Nutzen von Innentaschen. Wird man trotzdem Opfer eines Diebstahls, kann man sich an den Uni-internen Notruf 9-1111 wenden. Des Weiteren gibt es den Opfernotruf der Bremer Polizei unter der Nummer 0800 2800 110 und das Opfertelefon der Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer „Weißer Ring“ unter 116 006. Hilfe für Opfer psychischer Gewalt

©Maike Duddek

ternacht in Köln und anderen Großstädten stärker in die Öffentlichkeit gerückt. Auf dem Campus gibt es für Opfer dieser „unsichtbaren Straftaten“ seit 1993 die Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt - Expertise und Konfliktberatung, kurz ADE. Diese befindet sich auf der vierten Ebene des GW2 in den Räumen A 4161 und A 4162. Der Weg ist ab den Fahrstühlen ausgeschildert. Telefonisch ist die ADE unter der Nummer 0421 / 218 60 170 erreichbar, per Mail unter ade@uni-bremen.de. Daneben können sich Opfer von Straftaten an die Psychologisch-Therapeutische Beratungsstelle (ptb) der Universität beim Mensasee wenden. Diese ist erreichbar unter (0421) 22 01 - 1 13 10 und unter ptb@stw-bremen.de. Text: Miriam Frerks

Abgesehen von diesen Straftaten, die alle einen sichtbaren Schaden verursachen, gibt es auch noch solche, die meist unsichtbare Schäden hinterlassen. Dazu zählen Mobbing und andere Formen der Diskriminierung sowie sexualisierte Gewalt. Letztere sind seit den Ereignissen der Silves9


CAMPUSLEBEN

Warum im Sommersemester alles besser ist

©Pia Zarsteck

Oh du schönes Sommersemester! Bitte verlass uns nicht. Die Zeit war so schön mir dir, meine Sommerromanze. Jetzt heißt es Abschied nehmen. Dein Nachfolger steht schon wieder vor der Tür: Das graue und ungeliebte Wintersemester. Bevor es soweit ist, möchten wir uns nochmal gebührend von dir verabschieden und all deine Vorzüge aufzählen.

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orlesungen um 8 Uhr sind im Sommersemester durchaus machbar - zumindest für einige. Helligkeit durchströmt den Raum und möglicherweise ist es sogar schon warm. Es ist realisierbar, sich dann schon früh morgens aus dem Bett zu schwingen und sich auf den Weg zu machen. Im Wintersemester sieht das ganz anders aus. Wenn der Wecker klingelt ist es stockdunkel und kalt. Es bedarf viel Disziplin im Winter tatsächlich eine Vorlesung um 8 Uhr zu besuchen. Wer aber keine andere Möglichkeit hat, muss sich wohl oder übel aus dem kuscheligen Bett quälen. Nachdem man sich ausgiebig von seiner Koje verabschiedet hat und sich aus seiner Kuscheldecke schälen konnte, wird man spätestens auf dem Weg zur Uni diese Entscheidung bereuen. Der Regen klatscht ins Gesicht, es ist bitterkalt, es schneit und hagelt und der Boden ist gefroren, Busse und Züge fallen aus. Am besten alles gleichzeitig. Warum bin ich eigentlich aufgestanden? Im Sommer wehen die Haare kokett im lauen Wind und die nigelnagelneue Sonnenbrille sitzt perfekt auf der Nase. Endlich hat man wieder die Möglichkeit die tiefen Augenringe von der wilden Partynacht zu kaschieren. Man muss sich nicht einpacken, bis man aussieht wie das Michelin-Männchen, um gegen die arktischen Temperaturen geschützt zu sein. Dafür schwitzt man im Sommer mit circa zwei Millionen anderen Menschen in der Bahn bis alles klebt. Wer hat hier kein Deo benutzt und was machen die ganzen Schulklassen hier? „Fremde“ auf dem Campus Was auch sehr auffällig ist, dass im Wintersemester plötzlich Fremde auftauchen, die sich ins Unileben integrieren möchten. Man erkennt sie an unerschütterlicher Motivation oder unbändiger Angst. Sie sind wieder da: Die Erstis. Sie füllen die letzte Lücke auf dem Boulevard. Aufgeregt laufen sie hin und her, verzweifelt auf der Suche nach dem richtigen Gebäude. Wenn sie dann im GW2 angekommen sind, merken sie noch früh genug, dass auch ein gesunder Orientierungssinn dort nichts wert ist. Wir werden euch aber alle willkommen heißen, ihr lieben Erstis! Die Bibliothek platzt dann wieder aus allen Nähten. Der Kaffee fließt in Strömen. Auf Kaffee ist schließlich immer Verlass. Ganz Hartgesottene sitzen tatsächlich auf dem Boulevard. Aber das sind nur die Raucher, die missmutig am Glimmstängel ziehen und versuchen nicht einzufrieren. Im Sommer sitzen dann plötzlich alle im Schneidersitz draußen auf den Wiesen. Mit Sonnenbrille, Kleid, Flatterhose, Barfuß, Gitarre und ganz viel Entspanntheit. Von 10

irgendwo hört man Musik und irgendwie ist alles so schön. Allerdings gibt es dabei eine ganz neuen Problematik: Gehe ich bei strahlendem Sonnenschein und herrlichen Temperaturen wirklich in die Vorlesung? Natürlich nicht. Bremer Studierende werden vom Unisee und der Schlachte magnetisch angezogen. Das sind ganz natürliche Kräfte, auf die man keinen Einfluss hat. Und wer doch hingeht, macht noch schnell einen Abstecher in die Mensa und kauft sich ein königliches Eis. Anschließend sitzt man in einem leeren Seminarraum und klebt dank Hotpants am Stuhl fest. Der nachfolgende Gebäudewechsel wird im Sommer gerne in Kauf genommen. Schön die Sonne auf der Haut spüren, bevor es entspannt ins nächste Seminar geht. Im Winter ist das leider sehr viel mühseliger. Schließlich muss man die 10 Kilo schwere Winterausrüstung wieder anziehen und sich anschließend durch Eis und Schnee kämpfen, wie ein Forscher am Polarkreis. So oder so ähnlich zumindest. Im Winter friert man. Immer. Besonders im SFG. Man sollte spezielle Winterkleidung nur für das SFG entwickeln oder vielleicht einfach mal die Heizung vernünftig nutzen. Wenn man sich dann aus Strickjacke, Winterjacke, Schal, Mütze und Handschuhe befreit hat, sitzt man vor einem großen Berg Stoff, der anschließend verzweifelt in die Tasche gestopft wird. Natürlich passt es nicht. Und da es ja eh so kalt im Gebäude ist, zieht man die Hälfte einfach wieder an. Problem gelöst. Eine Gemeinsamkeit: Prüfungen Eins haben allerdings beide Semester gemeinsam: Am Ende wird abgerechnet in Form von Klausuren, Hausarbeiten und mündlichen Prüfungen. Da gibt es leider keinen Unterschied zwischen Sommer und Winter. Die Zeit ist plötzlich knapp und die Motivation so gering wie nie. Die Bibliothek ist voll, alle sind genervt und gefühlt kurz davor alles hinzuschmeißen. Es gibt keine Literatur für die bevorstehende Hausarbeit und wenn ja, ist diese natürlich schon verliehen. Jedes Mal dieselbe Frage: Warum habe ich nicht früher angefangen? Im nächsten Semester wird alles anders. Wirklich! Erstmal folgen aber Semesterferien! Ab nach Hause, sich von Mama und Papa pflegen lassen und den ganzen Prüfungsstress vergessen. Es ist Sommer, schnappt euch einen coolen Sommerjob, bereist die Welt, geht Eis essen, habt Spaß im Schwimmbad, lest ein Buch, tanzt die Nächte durch. Wozu studieren wir sonst? Text: Leona Klepka


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Neue Online-Reihe zu StugA-Räumen auf dem Campus

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ie meisten Studierenden lernen ihren StugA wohl während der O-Woche zu Beginn des Studiums kennen oder nehmen zum ersten Mal Kontakt auf, wenn es irgendwo im Studium hakt und Probleme mit Dozierenden, ZPA oder BAFöG auftauchen. Dabei sind Studierende bei ihren Vertretungen auch herzlich willkommen, wenn es nicht gerade eine Krise zu lösen gibt. Um den Kontakt zwischen euch als Studierenden und euren Vertretungen zu verbessern, möchten wir die Räume, die den Stugen von der Uni für ihre wertvolle Arbeit zur Verfügung gestellt werden, mitsamt ihrer Bewohner*innen vorstellen. Über das nächste Jahr werden wir den Campus bereisen und von unseren Besuchen bei den Stugen in Text und Bild berichten. Der ScheinWerfer will für euch herausfinden, wann die Räume geöffnet sind, ob es dort gemütlich ist, ihr euch zwischen euren Veranstaltungen entspannen oder ein Nickerchen halten könnt oder ob es sich eher um ruhige Plätzchen zum Arbeiten als Alternative zur überfüllten Bib handelt. Zum Auftakt unserer Reihe stellen wir euch auf unserem Blog den Raum des StugA Physik im NW1 vor. Text und Bild: Alex Kind

Mit Sherlock durch den Uni-Alltag

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lles beginnt mit einem einfachen Satz: „Moriarty was real“. „Klar“, denke ich, als mich mein Weg auf eine der GW2-Damen-WCs führt, „natürlich war Moriarty real. Unbegreiflich, wie jemals jemand daran zweifeln konnte. Ich habe immer an Sherlock geglaubt!“ Dass es einigen Kommilitonen ähnlich geht, stimmt mich froh. Nur wenige Wochen später stehe ich erneut vor der Wand mit den aufmunternden Kritzeleien. „#I Believe in Sherlock Holmes“ verkündet dort nun eine Hashtag affine Kommilitonin. Dem steht ein selbstbewusstes „I fight John Watson’s war“ zur Seite, bevor sich mit „#Moriarty lives“ auch Sherlocks Erzfeind in die Diskussion einmischt. In Verbindung mit der abseits geführten Debatte über die schauspielerischen Qualitäten eines Robert Downey Jr. muss ich mich doch sehr wundern, wie viel Zeit manch eine auf dieser Toilette verbringen muss. Doch auch die Mitarbeiter der Uni Bibliothek scheinen ein Herz für den Meisterdetektiv zu haben. Eine digitale Anzeige wirbt für die DVDs zur BBC-Serie. „Toll, dass Kultur

auch einen Platz an der Uni hat“, schießt es mir durch den Kopf. Nachmittags muss ich noch eine Sprechstunde besuchen. Und auch hier hat der „Consulting Detective“ seine Spuren hinterlassen. Ein Straßenschild hängt an der quietsch-gelben Tür mit der Aufschrift „Baker Street W1, Westminster London“. Erinnerungen an den letzten London-Urlaub werden wach. Bevor es nach dem letzten Seminar des Tages endlich nach Hause geht, mache ich noch einen kurzen Abstecher zur Gender-Toilette. Hier gibt es ja immer etwas zu bestaunen und auch diesmal werde ich nicht enttäuscht. Ein Schwarzweiß-Ausdruck zeigt Mr. Cumberbatch höchstpersönlich in seiner Funktion als U2-Photobomber vor der Oscar-Verleihung 2014. „Das war auch mein liebster Moment der Veranstaltung“, denke ich. Mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht mache ich mich auf den Heimweg und muss einmal mehr feststellen: Es sind die kleinen Dinge, die den universitären Alltag erfreulich machen. Text: Annette Bögelsack 11


CAMPUSLEBEN

Eine Reformuniversität, wie sie im Buche steht: Ein Gebäudevergleich Der Albtraum eines jeden Erstis: Einen bestimmten Raum nicht finden und sich im noch unbekannten Bauwerk verlaufen. Auch Studenten eines höheren Semesters passiert das noch, vor allem im GW2, dem Labyrinth der Uni Bremen. Neben dem GW2 habe ich mir zwei weitere Gebäude, dir mir besonders ins Auge gefallen sind, näher angeguckt. Das SFG - Ein etwas anderes Gebäude

Hat der FB3 das beste Gebäude?

ber vier Stockwerke erstreckt sich das architektonisch gut geordnete Sonder-Forschungs-Gebäude. Im Inneren ist es sehr übersichtlich, da es in Hauptteile gegliedert ist. Nördlich liegen die Seminarräume, südlich die Verwaltung. Das Treppenhaus trennt die beiden Bestandteile der Gebäudes voneinander und auch die Stockwerknummern. Dies führt anfangs und auch später noch zu Verwirrung, da die Beschilderung in dem sehr bunten Treppenhaus untergeht und man sich oft im Stockwerk versieht. In dem ungewöhnlichen Treppenhaus sorgt die bunte Verfliesung für akzentuierte Abwechslung des sonst sehr schlicht gehaltenen Gebäudes. Ein genaues Muster ist bei den vielen einfarbigen Fliesen nicht zu erkennen und auch die unzähligen weißen Fliesen mit schwarzen Klecksen und Pinselstrichen zeigen kein bestimmtes Schema. Beschmierungen, die es hier zu finden gibt, verschwinden in den vielen abstrakten Mustern fast ganz und sind kaum zu identifizieren.

Von außen sieht das riesige MZH, was übrigens für MehrZweckHochhaus steht, sehr beachtlich aus. Es ist ästhetisch gesehen sehr ansprechend. Auch die Eingangshalle ist besonders, denn es hat durch die Glasfront eine schöne Aussicht und außerdem eine gemeinschaftliche Lernatmosphäre. Auch die weiteren Stockwerke bieten gute Lernnischen zum ungestörten Arbeiten. Der erste Treppenaufgang ist modern und wie das ganze Gebäude nicht mit Plakaten zugekleistert. Die einzelnen Ebenen sind sehr gut gekennzeichnet und am Ausgang der zentral gelegenen Fahrstühle gibt es einen Lageplan des Stockwerkes. Eine Liste aller wichtigen Büros in den jeweiligen Stockwerken hängt hier ebenfalls gut sichtbar aus. Das Gebäude ist im allgemeinen sehr sauber. Große Veranstaltungsräume inmitten der Stockwerke sind fensterlos, außen gelegene Räume haben den Vorteil der weiten Aussicht. Die meisten Räume sind aufgrund der technischen Ausrüstung elektronisch gesichert. Geprägt von den ständigen Verwirrungen im GW2 war ich mehrfach überrascht wie strukturiert dieses Gebäude doch ist. Das Treppenhaus neben den Fahrstühlen wirkt durch die sehr künstliche Beleuchtung etwas gruselig.

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Generell ist es überall sauber und aktuelle Plakate haben ihren Platz meist auf schwarzen Brettern gefunden. Den Eingang bildet eine Drehtür, wie es sie auch an der Bibliothek gibt. Neben der Drehtür gibt es einen barrierefreien Eingang. In der großen Eingangshalle befinden sich ein Raumplan und die Postfächer diverser Dozenten. Links ist das Unique, ein Restaurant und Café. Rechts liegt das bunte Treppenhaus welches um den Fahrstuhl verläuft und zu den Seminarräumen führt. Die doppelten Stockwerknummern finden sich auch im Fahrstuhl wieder, sind hier jedoch verständlich angeordnet. Montag bis Freitag ist das SFG von 8 bis 22 Uhr und am Samstag von 8 bis 16 Uhr geöffnet. Da das SFG weit von der Hauptstraße entfernt liegt, ist es sehr ruhig und bietet eine sehr gute Lernatmosphäre. Die vielen Tische auf jedem Stockwerk sind groß und Steckdosen sind reichlich vorhanden. Auch die Seminarräume bieten durch ihren außergewöhnlichen Aufbau eine gute Atmosphäre. Keiner der Räume ist quadratisch, sondern schräg im Aufbau. Die Verbindung zum universitären WLAN eduroam ist ebenfalls sehr gut. Zum Abschluss lässt sich sagen, dass größere Schilder der Stockwerkzahlen im Treppenhaus das SFG zu einer perfekten Einrichtung machen würden.

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CAMPUSLEBEN

Einen gemütlichen Touch bieten kleine Naturlandschaften inmitten der Stockwerke. Das MZH hat eine der längsten Öffnungszeiten aller Gebäude auf dem Uni Campus. Von 8 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts ist es von Montag bis Donnerstag geöffnet. Freitag wird sogar bis 2 Uhr nachts Eintritt gewährt. Am Wochenende und feiertags ist es nur bis 24 Uhr geöffnet. Das ganze Gebäude bietet eine hervorragende Internetverbindung, was angesichts der dort liegenden Studiengänge des FB3 auch notwendig ist. Nicht nur durch die Aussicht, welche vor allem aus den höheren Stockwerken atemberaubend ist, punktet das MZH vor allem durch Übersichtlichkeit und einem ausgeklügelten Aufbau. Das Labyrinth der Uni Bei einer kritischen Analyse der Gebäude der Uni darf natürlich das GW2 nicht fehlen. Das zweite Gebäude der GeistesWissenschaften ist unübersichtlich und architektonisch grauenhaft. Dieses Veranstaltungsgebäude zeigt wie es nicht geht. Der erste Eindruck ist einfach zusammengefasst: Schmutzig, verwirrend und teilweise tapeziert mit abgelaufenen Plakaten. Der Haupteingang ist zwar klar als Haupteingang gekennzeichnet, hebt sich ansonsten jedoch nicht von den anderen Eingängen ab – auch weil der Weg dorthin erst durch die Glashalle führt. Durch den Nebeneingang am Boulevard gelangt man schneller zu Haupttreppe und durch sein schöneres Erscheinungsbild erweckt es den Eindruck eines Haupteinganges.

Die Suche nach bestimmten Räumen kann hier sehr lange dauern. Es gibt zwar Lagepläne der Stockwerke und Schilder, diese sogar im Überschuss an fast jedem Pfeiler, allerdings helfen sie kaum bei dem chaotischen Aufbau dieses Gebäudes. Nicht nur, dass sich die Schilder teilweise widersprechen, sie leiten Suchende auch in die falsche Richtung. Bei meiner Recherche musste ich nicht einmal das Stockwerk wechseln und habe erst nach 10 Minuten des Herumirrens ein Schild gefunden, das entgegen des tatsächlichen Standortes des beschriebenen Raumes zeigt. Warum die Haupttreppe in der dritten Ebene endet und man für das Betreten des vierten Stocks eine der anderen Treppen suchen muss, bleibt unklar. Die Fahrstühle finden sich erst auf den zweiten Blick und selbst diese sind unverständlich beschildert, da es zwei Ausgänge für den zweiten Stock gibt. Neben dem untersten Eingang der Fahrstühle findet man das Paradebeispiel einer mit Plakaten tapezierten Wand. Viele Schriftzüge zieren die Wände des ganzen Gebäudes, vor allem die Toiletten und verursachen somit eine weniger saubere Atmosphäre. Auch die Seminarräume bleiben von den Beschmierungen nicht verschont. Das universitäre WLAN eduroam ist wie so vieles hier eine Lotterie. Je nach Gerät und Raum variiert der Grad der Verbindung. Nach meiner Recherche gibt es keine offiziellen Öffnungszeiten des Gebäudes, sondern nur für einige Räume. Damit gewinnt das GW2 den Titel des am längsten geöffneten Gebäudes auf dem Campus, da es niemals schließt. Das GW2 hat auch seine guten Seiten. Es bietet eine gute Lernatmosphäre mit vielen Möglichkeiten um in Gruppen zu arbeiten. Wenn man alleine produktiv sein möchte, sollte einen etwas Lärm allerdings nicht stören, da es durch die Nähe der Haupttreppe sehr laut werden kann. Auch die sehr lange geöffnete Cafeteria ist ein Punkt, der für das GW2 spricht. Wenigstens durch richtige Schilder und das ausschließliche Aushängen von aktuellen Plakaten könnte etwas Orientierung geschaffen werden. Letztendlich lässt sich sagen, dass der Status einer Reformuniversität vollkommen erfüllt wird. Der optische Ausdruck für die Vernetzung der verschiedenen Fachbereiche spiegelt sich in dem Aufbau und der Anordnung der Gebäude. Text Regina Ringshausen

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CAMPUSLEBEN

Shakespeare’s Not Dead: Das Parlement of Foules macht jedes Semester Theater Bereits zum 400. Mal jährte sich im April der Todestag des englischen Dramatikers William Shakespeare. Doch der Barde und sein Werk sind nicht totzukriegen. An unserer Uni ist die englischsprachige Theatergruppe The Parlement of Foules für die Reanimation zuständig.

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er schon einmal versucht hat eine Sprache zu lernen, weiß: Viel besser als am Schreibtisch lassen sich Sprachkenntnisse im Umgang mit anderen Menschen vertiefen, wenn man einfach drauflosreden und zusammen an einem Projekt arbeiten kann. Deshalb hat Michael Claridge, Dozent in der Sprachpraxis des Bachelorstudiengangs English-Speaking Cultures, die englischsprachige Theatergruppe The Parlement of Foules ins Leben gerufen. Seit 1998 gastiert die kleine Schar von Studierenden des Fachbereichs 10 zweimal jährlich im Schnürschuh-Theater in der Bremer Neustadt und gibt neben modernen Klassikern vornehmlich Shakespeares Werk in der Originalsprache zum Besten. Offiziell ist die Theatergruppe Teil des Kursangebots der englischen Sprachpraxis. Daher sind Sprachkenntnisse auf B2-Level auch Voraussetzung für alle, die nicht English-Speaking Cultures studieren und trotzdem teilnehmen und je nach Größe der Rolle drei bis sechs Credit Points für ihre General Studies sammeln wollen. Auch für diejenigen, die nicht schauspielen wollen, gibt es Spannendes zu entdecken: Bei den Foules können Studierende nicht nur Bühnen- und Regieerfahrung sammeln, sondern auch backstage in den Bereichen Kostüm und Maske, sowie Licht und Ton tätig werden oder sich um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kümmern. Vor zwei Jahren feierten die Foules Shakespeares 450. Geburtstag mit ihrer Inszenierung der Tragödie Hamlet, doch auch 2016 ist ein Shakespeare-Jahr. Das Jubiläum des Todestags begangen die Foules mit ihrer Inszenierung von Shakespeares letztem Stück The Tempest (Der Sturm) im Januar. Ende Juni gab es die Komödie Twelfth Night (Was ihr wollt) im Schnürschuh-Theater zu sehen. Die Foules haben die Handlung in die frühen 1920er Jahre versetzt, denn der Kontrast zwischen dem Schock des Ersten Weltkriegs und der lebensbejahenden Aufbruchsstimmung der Goldenen Zwanziger liefert den passenden Hintergrund für Shakespeares Verflechtung von Witz und Melancholie: Unerwiderte Liebe, Trauer um geliebte Menschen und zerstörte Hoffnungen treffen auf Situationskomik mit intelligentem Witz und – zumindest für die meisten Charaktere - ein Happy End. Die vier Aufführungen in dem kleinen Theater in der Neustadt zogen insgesamt 235 Zuschauende an. Viel Lob gab es für die Musik, die von Franziska Ptok, Musikstudentin und erfahrenes Foules-Mitglied, zu den Texten der überlieferten Lieder von Shakespeare im Stil der 1920er Jahre geschrieben wurde. 14

© Jessica Hartung

„And thus the whirligig of time brings in his revenges“: Der Narr Feste (Maic Wrehde, r.) und seine Freunde rächen sich mit einem Streich an dem zugeknöpften Haushofmeister Malvolio (Helena Gaubiz, l.). Nach der letzten Vorstellung kam im Publikum die Frage nach der nächsten Inszenierung auf. Regisseur Michael Claridge konnte darauf noch keine Antwort geben. Fest steht aber, dass die Studierenden allesamt ihre Leidenschaft für Shakespeare entdeckt haben. Und vielleicht gibt es mit der nächsten Inszenierung ja das dritte Stück des Barden infolge? Text: Alex Kind

Offizieller Internetauftritt des Parlement of Foules: www.fb10.uni-bremen.de/anglistik/kultur/foules/ Folgt den Foules außerdem auf: www.facebook.com/foules/ The_Foules TheFoules Das nächstes Vorsprechen für das SoSe 2017 findet Ende 2016 statt (weitere Infos über Michael Claridge: claridge@uni-bremen.de).


BREMEN

Bunte Farben, moderne Atmosphäre und leckere Burger Was macht einen richtig guten Burger aus? Ganz klar: Frisches, saftiges Fleisch, knackiges Gemüse und ein weiches, aber gleichzeitig knuspriges Brötchen. Das ist auch die Meinung der Mitarbeiter des neuen Burgerrestaurants BiggieB in Bremen.

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eit Ende März mischt Jasmin Reuss, Inhaberin des Burgerrestaurants BiggieB, mit ihrem jungen Team die Burgerwelt Bremens auf. Nach der Eröffnung in Oldenburg im Juni 2015 ist nun auch eine Filiale in Bremen dazu kommen. Sehr zentral in der Knochenhauerstraße in der Innenstadt, direkt um die Ecke der Haltestelle Herdentor. Bei BiggieB gibt es den wohl leckersten und frischesten Burger Bremens. Der Name „BiggieB“ ist eine Hommage an den HipHop-Musiker Notorius B.I.G. Auf diese Idee gekommen ist Jasmin Reuss im Kreise ihrer Freundinnen schon vor etwa 10 Jahren unter dem Motto: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Von der Idee bis zur Umsetzung hat Jasmin Reuss sich Zeit gelassen. Das lag mitunter daran, da sie einen festen Job hatte und die Hemmschwelle zunächst überwunden werden musste. „Aber irgendwas hat mir immer gefehlt“, betont sie. Nach der Geburt ihrer Tochter vor drei Jahren hat sie sich endgültig getraut. Der alte Job wurde an den Nagel gehängt und die Planungen für den ersten Store in Oldenburg begannen. „Man muss eben auch mal einfach was wagen, was Neues beginnen und sich trauen.“ „Ich möchte, dass die Leute das Gefühl haben in New York zu sitzen. Nur in etwas kleiner.“ Das Konzept von BiggieB ist auf junge Leute abgestimmt. Das erkennt man nicht zuletzt an der modernen Atmosphäre. Bunte Grafittis, helle Farben und eine angesagte Einrichtung. Auch durch die HipHop Musik, die während des Interviews deutlich zu hören ist und mein Bein zum Wippen bringt, werden hauptsächlich junge Leute angelockt. Die Musikfans des Old- und New-School-HipHops unter euch sollten allein schon wegen der sorgfältig ausgewählten Musik mal vorbeischauen. Nach den Zutaten gefragt betont Jasmin Reuss: „Frischer kann man seinen Burger nicht bekommen.“ Bei BiggieB kommen nur extrem hochwertige Produkte auf den Teller. Tiefkühlprodukte sind hier absolut keine Option. Das Fleisch liefert morgens ein regionaler Züchter, der Welsh Black Rinder züchtet. „Wer bei uns um 12 Uhr einen Burger isst, kann sich also sicher sein, dass das Fleisch vor einer Stunde verarbeitet wurde.“ Die Brötchen, ähnlich wie ein Milchbrötchen, weich, fluffig und ohne Sesam, sind nach eigener Rezeptur und einem halben Jahr Probeessen entstanden. Das Gemüse kommt direkt von einem Bremer Gemüsebauern. Auch die Soßen sind nach eigener Rezep-

tur entstanden und werden jeden morgen frisch angerührt. Wichtig hierbei ist der Preis. Jasmin Reuss und ihrem Team ist es wichtig, dass frisches Essen bezahlbar bleibt. Für ein Burgermenü, inklusive Getränk und Beilage, bezahlt man hier um die 10€. „Das hört sich jetzt nach einer kuriosen Mischung an, kommt bei unseren Gästen aber bestens an. Vor allem bei den Männern.“ Der absolute Verkaufshit ist eine echte Kalorienbombe: Chili-Cheese-Fries. Das sind Pommes mit frischem gebratenen Hackfleisch, Paprika, Jalapenos, hausgemachter Chili-Käsesoße und obendrauf geröstete Zwiebeln. Wer den mit einem saftigen Burger isst, sollte eigentlich satt sein. Aber nicht nur Fleischliebhaber sind bei BiggieB bestens aufgehoben. Auch die Vegetarier kommen hier voll auf ihre Kosten und können zwischen zwei Varianten wählen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem BiggieCheeseAttack? Knusprig frittierter Weichkäse aus bester Kuhmilch, belegt mit knackigem Salat, Tomate, roten Zwiebeln und Biggie-Honig-Senf Sauce in leckerem Brötchen. Dazu ein paar Pommes und eine leckere Fritz-Kola. BiggieB ist mittlerweile zu meinem Lieblings Burgerrestaurant geworden. Humane Preise, absolut frische Burger und eine angesagte Atmosphäre. Bei BiggieB schmeckt es nicht nur fantastisch, es sieht auch noch unfassbar gut aus und das Auge isst ja bekanntlich mit. Wenn man hinten in der Kuschelecke sitzt, hat man tatsächlich das Gefühl in einem kleinen, etwas ruhigeren New York zu sitzen. Meine persönliche Empfehlung: Süßkartoffelpommes mit normalen Pommes mischen. Beim ersten Biss eine komische, undefinierbare Mischung, aber beim Zweiten eine absolut leckere Geschmackserfahrung. Text: Madita Thomas

©BiggieB Jasmin Reuss

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BREMEN

3 Dinge in Bremen

©buergerpark

© Pressestelle Pannkoekenship

All Aboard! Schip ahoi, ihr Landratten! Zeit, um was zwischen die Beißer zu bekommen. Klar, Bremen, Wasser, Hafen, was läge da näher als Fisch? Aber sind wir mal ehrlich, wer länger hier oben im Norden ist, kann bald keinen Fisch mehr sehen. Deshalb empfehle ich einen Abstecher an Deck unseres Admirals Nelson: Das einzigartige Pannekoekenschip auf der Weser. Mit so viel Auswahl, dass euch schwindelig wird. Hier gibt’s Pfannkuchen in süß und salzig. Mit Käse, Schinken, Früchten, Pilzen, Schokolade, Marmelade, Zucker, Eis und Kirschen. Indisch, Griechisch, Italienisch, Ungarisch, Mexikanisch und und und. Hier bekommt ihr Pfannkuchen in allen Ausführungen. Auf dem originalgetreuen Nachbau einer Fregatte, wie sie auch der berühmte englische Admiral Nelson 1805 zur Schlacht von Trafalgar befehligte, lässt sich wunderbar sitzen, staunen und genießen. Das Schiff bietet 120 Sitzplätze auf dem Mitteldeck, 30 Plätze in einem separaten Raum auf dem Oberdeck und im Sommer zusätzliche 80 Sitzplätze auf Deck, wo man seinen Pfannkuchen an der frischen Seeluft mit Blick auf die Weser verspeisen kann. Es finden regelmäßig Veranstaltungen statt und Hunde, die sich zu benehmen wissen, dürfen auch gerne mitgebracht werden.

Pannekoekenschip Admiral Nelson Schlachte Anleger 1 28195 Bremen www.admiral-nelson.de 16

Der kleine Zoo im Bürgerpark Endlich ist Sommer und wir können unseren Bürgerpark, der in diesem Jahr schon sein 150-Jähriges Bestehen feiert, wieder so richtig ausnutzen. Ich bin damals mehr durch Zufall auf die Tiergehege im Bürgerpark gestoßen und eh ich mich versah, hatte ich ein paar Stunden dort verbracht und mich an den vielen Tierbabys erfreut. Die Tiergehege befinden sich aus der Stadt kommend linkerhand auf Höhe der Emmastraße, ein Stück oberhalb des Emmasees und können ohne Eintritt oder dergleichen betrachtet werden.

©Marianne Menke


BREMEN

© GoggleMaps

Hier könnt ihr den Zoo finden Grade Kinder haben hier ihren ganz besonderen Spaß. Kühe, Alpakas, Schafe, Ziegen, Schweine, Meerschweinchen, Enten und einen Pfau gibt es zu bestaunen. Füttern sollte man die Tiere aber nicht. Wer den Tieren etwas Gutes tun will, der kann eine Futter-Spende entrichten, von welcher dann neues Futter für die Tiere erworben wird. Natürlich kommt jede Spende des Bürgerparks auch den Tieren zu Gute. Futter, Pflege und medizinische Versorgung werden so gewährleistet. Derzeit gibt es wieder kleine Zicklein und Lämmchen zu sehen. Wer also das nächste Mal im Bürgerpark unterwegs ist, dem empfehle ich einen kleinen Abstecher zu den Tiergehegen. Besonders für Mütter und Väter ein echter Geheimtipp!

Mensch, Puppe! Wenn ich an Puppentheater denke, kommt mir als erstes das Kasperle mit seinem Nudelholz in den Sinn. Dass Puppentheater aber sehr viel mehr zu bieten hat, als kindgerechte Unterhaltung, habe ich gelernt, als ich mich das erste Mal im Zuschauerraum des Figurentheaters „Mensch, Puppe!“ wiederfand. Die Marionetten- und Schauspieler sind wahre Meister ihres Fachs und verstehen sich darauf, ihre Figuren so lebendig und einzigartig zu gestalten, mit so viel Witz und Charme, dass man sich gar nicht vorstellen kann, ihre Puppen hätten einmal kein Eigenleben besessen. Im vergangenen Jahr räumte die Inszenierung Anton Tschechows Einakter den Monica-Bleibtreu-Publikumspreis ab. Dieses Jahr stehen unter anderem Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ und „Ausencia/Abwesenheit“, ein Stück,

©Marianne Menke

welches sich mit dem Verlust nahestehender Menschen in Zeiten des Terrors befasst, auf dem Spielplan. Natürlich soll auch die Familienunterhaltung nicht zu kurz kommen. So erwachen am frühen Nachmittag Frederick, der Mäuserich, die kleine Raupe Nimmersatt, Fiete Anders oder Aschenputtel zum Leben, um auch den kleinsten Besuchern ihre Geschichten zu erzählen. „Mensch, Puppe!“ bietet seit 2011 ein breites Spektrum an Unterhaltung der ganz besonderen Art. Die Atmosphäre in dem kleinen Theater hat etwas an sich, dass man nicht so schnell vergisst. Im Vorraum stehen Tee, Kaffee und kleine Snacks zur Selbstbedienung bereit, die ganze Umgebung verspricht Liebe zum Detail, Gemütlichkeit, Wohlfühlatmosphäre und ein dichtes Miteinander mit den Schauspielern und ihren kleinen Kollegen, den Marionetten, Puppen und Figuren. Das Figurentheater „Mensch, Puppe!“ ist definitiv einen Besuch wert! Was rede ich da, nicht nur einen, sondern mehrere Texte: Ron Jagdfeld

Mensch, Puppe! Das Figurentheater Schildstraße 21 28203 Bremen www.menschpuppe.de ©BiggieB Jasmin Reuss

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BREMEN

Wer ist dieser Detlef?! Detlef ist in aller Munde. Nicht selten hört man Passanten, Studenten und herkömmliche Toilettengänger diesen einen Namen nennen. Verdutzt starren sie dann auf diese ominöse Schrift. Der ScheinWerfer hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Phänomen des Semesters – dem Phantom Detlef – auf die Schliche zu kommen.

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ie meisten von euch kennen ihn aus den Bar-, Imbiss- und Uni-Klos, vom Campusgelände, der Innenstadt und um den Hauptbahnhof herum. Ohne Vorwarnung ist er auf einen Schlag in ganz Bremen. Mal heißt er „Detlef“, mal „Detlev“ und mal wiederum „Detlew“. Er steht inzwischen an unmöglichen Stellen, da wo man ihn oftmals am wenigsten vermutet. Mittlerweile ist es schon ein Versteckspiel wie mit dem bekannten Internet-Meme „Dickbutt“. Wer einen Detlef findet, darf sich glücklich schätzen und sich einen Schulterklopfer geben. Aber wer oder was genau ist dieser Detlef? Detlef ist ein Tag. Für die, die nicht wissen was Tags sind: Tags sind Pseudonyme, welche Sprüher nutzen um ihre Kunstwerke zu unterzeichnen. Straßenbanden nutzen Tags auch um ihr Revier zu markieren. Für einen solchen Tag braucht man nicht unbedingt Sprühdosen, wasserfeste Stifte reichen aus. Es muss einfach nur einen unverkennbaren Stil haben und möglichst kurz und knackig sein. Ich habe inzwischen so viele Detlef ’s gefunden, dass es zwischen Bewunderung und einem „gespieltem Aufgebracht sein“ hin und her geht (hier: „Ich hab heut schon 6 Detlefs gefunden, was ist los hier? Was soll das?“) . Der Augenblick, in dem ich mich hinsetze, sei es in der Uni oder in der Stadt, wird begleitet von einer aufmerksamen Beobachtung der Umgebung nach möglichen Verstecken eines Detlefs. Wenig später kommt aus mir dann meist ein „Detlef dieser Mistkerl hat’s wieder geschafft, dass ich ihn bemerke!“ oder ein „Wie ist er da rangekommen?“ oder auch ein „Nee ey, komm, nicht schon wieder“. Das was ich aber am häufigsten von Entdeckern zu hören bekomme sobald ich an einem Detlef vorbeilaufe, ist das klassische „Wer ist dieser Detlef?!“.

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Wie Detlef mich zu Detlef machte Detlef hat es zumindest bei mir geschafft, sich dauerhaft einzubrennen. Vor eineinhalb Monaten war ich bei Starbucks. Auf die Frage wie ich heiße, antwortete ich ohne nachzudenken mit „Detlef“. Ich wusste damals nicht genau warum dieser Name. Nach nur wenigen Tagen sollte sich herausstellen, dass der Schlingel sich in mein Unterbewusstsein eingeschlichen hat. Nicht allzu lange später hab ich angefangen, wie besessen auf Graffitis zu achten in der Hoffnung, noch einen Detlef zu finden. Und dann noch einen. Und dann noch einen. Und dann noch einen. Ich fand ihn an Brücken auf dem Weg zur Uni „Detlef der nette Sprayer von nebenan“ stand dran. Ich fand ihn an Seifenspendern in der Uni. An Türrahmen. Eingeritzt in die Tische im großen Hörsaal. In blau gesprüht gegenüber der Glashalle. An Türen. An Pissoirs. Unübersehbar. Ich musste mehr wissen. Wann fing das Ganze an? Wo? Und was war sein erstes Werk? Ich durchstöberte das Internet. Und jetzt gerade wo ich an diesem Text schreibe, bin ich mit dem zweiten Tab in meinem Browser immer noch auf der Suche. streetpins.com ist die erste Seite, auf der ich fündig geworden bin. Ich fand den User „DETLEF“, der aber nicht der richtige Detlef zu sein schien. Sein Account wurde 2013 erstellt und hochgeladen hat er nichts. Er wurde nur auf einem Bild markiert, was das Werk eines anderen zu sein scheint. Auf dem verlinkten Bild kann man nichts vernünftig erkennen, da der Stil zu abstrakt wirkt. Außerdem standen alle Kommentare des Verlinkenden auf Russisch und der Ort an dem der 2013’er Detlef aktiv ist war nicht angegeben. Schade.


BREMEN

Mein zweiter Fund war ein Eintrag der SuUB auf Facebook vom 11. März, den ich über den Screenshot eines Jodels fand. Gejodelt wurde: „Der Tag an dem die Bibliothek Detlef einen Facebook-Fotopost widmet und ihn darin falsch schreibt. Da schreibt der schon überall seinen Namen hin und dann das! #checktFBderBib“ Nach einer kurzen Suche (Ihr könnt den Eintrag übrigens finden, wenn ihr einfach auf Google nach „Detlef der nette Sprayer von nebenan“ sucht) findet man auch schon den besagten Eintrag: „Das wir immer wieder bekritzelte Bücher wegwerfen müssen, weil sie kaum mehr lesbar sind, ist ja leider nichts Neues. Auch die zahlreichen Sticker die überall aufgeklebt und dann für viel Geld von einer Reinigungsfirma wieder entfernt werden, gehören fast schon zum Alltag. Dass aber nun auch noch unsere Wände beschmiert werden macht uns echt sauer. Der Schriftzug lässt sich nicht entfernen, ohne dass es einen schmutzigen grauen Flecken gibt. Wir finden #Detlev ist ein…“ Ja, aber wer ist denn nun Detlef? Um es auf den Punkt zu bringen: Ich weiß es leider immer noch nicht. Mein Vorhaben mich in der Graffiti-Szene in Bremen schlau zu machen, hab ich schnell verworfen. Eine Idee war mich bei Graffiti-Künstlern beliebten Hot Spots nach Detlef zu erkundigen, eine gute, aber sehr aufwendige und zeitintensive Idee. Es ist klar anzunehmen, dass Detlef nicht ein „lone wolf“ ist, der seinen Tag in der Stadt hinterlässt. Die Stile unterscheiden sich sehr oft und auch die Schreibweisen mit den Endungen „f“, „v“ und „w“ zeigen, dass möglicherweise Trittbrettfahrer auf den Hypetrain um Detlef mitaufgestiegen sind. Detlef als Phänomen abzustempeln wäre zu überspitzt. Und eine Bewegung à la „die Welle“ ist er auch nicht. Detlef ist wahrscheinlich auch kein professioneller Street Artist, sondern ein Normalsterblicher. Vielleicht hat er auch schon längst aufgehört und andere haben das Ruder übernommen. Nur eines ist eindeutig, jeder der neben euch sitzt, steht oder atmet könnte Detlef sein. Ich persönlich verdächtige Lara. Twittert uns @schein_werfer unter dem Hashtag #DetlefWatch2016 eure entdeckten Detlefs! Text und Fotos: Emre Altug

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Waterfront – ein überraschend abwechslungsreicher Arbeitsplatz Anna ist 21 Jahre alt und arbeitet seit etwa einem Jahr im „TShirt Store“ in der Waterfront Bremen. Was nach einem normalen Nebenjob klingt kann allerdings auch sehr aufregend sein. Besuche von Prominenten oder ein kleiner Job als Werbemodel gehören für Anna zur Tagesordnung, wie sie dem ScheinWerfer in einem Interview berichtet.

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as kleine Geschäft in der Waterfront bietet T-Shirts, Pullover und Rucksäcke in ausgefallenen Designs und hochwertiger Fair-Trade Qualität. Viele der Waren erscheinen nur in limitierter Auflage und sind daher etwas ganz besonderes. Immer wieder loben Kunden auf der Facebook-Seite des Stores die freundlichen Mitarbeiter und die gute Beratung und auch Anna ist sehr zufrieden mit sich und ihren Kollegen. Im Interview sagt sie: „Wir verstehen uns ohne Worte und arbeiten sehr gut zusammen“. Anna hatte im vergangenen Sommer die Stellenausschreibung im Schaufenster gesehen und nach einem sehr netten Gespräch mit dem Geschäftsführer des Ladens bekam sie den begehrten Job. Inzwischen unterstützt sie ihren Chef, zusätzlich zu ihren Tätigkeiten als Verkaufsmitarbeiterin, bei dem Internetauftritt des Unternehmens und ist auf Werbeplakaten des Stores im Food Court der Waterfront zu sehen. Sich selbst als Model zu sehen fühle sich für sie noch etwas seltsam an, so Anna im Interview, allerdings sei sie mit den Fotos sehr zufrieden und freue sich über viele positive Rückmeldungen. Ihr kleiner Modeljob war aber längst nicht das spannendste Erlebnis in Annas Arbeitsalltag. Unfreiwilliges Meet and Greet Vor einigen Monaten machte sie Bekanntschaft mit dem amerikanischen Rapper Kid Ink. „Leider hatte ich keine Ahnung wen ich da vor mir hatte“, erzählt sie lachend. Der bekannte Gangster Rapper spielte an diesem Tag ein Konzert im Pier 2 und unternahm zuvor noch eine kleine Shoppingtour mit etwa zwölf Bodyguards. Während Anna noch an einen Raubüberfall dachte begannen die bedrohlich wirkenden Männer T-Shirts anzuprobieren.

Schließlich baten sie die immer noch ratlose Studentin darum die Musik laut aufzudrehen und den Laden abzuschließen, sodass keine anderen Kunden mehr hereinkommen konnten. Erst als Annas Chef sie am nächsten Morgen aufklärte was es mit dem besonderen Besuch auf sich hatte, erkannte Anna um wen es sich bei ihrem speziellen Kunden handelte. Während des Konzerts trug Kid Ink dann sogar ein T-Shirt aus dem Sortiment des Stores und veröffentlichte ein Video seines Shoppingausflugs auf seiner Homepage. Abgesehen von dem bekannten Rapper durfte Anna auch andere prominente Persönlichkeiten treffen. Da fragt dann schon mal eine sehr berühmte deutsche Sängerin welches Shirt ihr am besten steht und Spieler von Werder Bremen und den Weser Stars sowie ein beliebter Fernsehmoderator bieten sich als Sponsoren an. Im Pyjama verhaftet Allerdings machte Anna in der, von ihr so geliebten Waterfront, nicht nur positive Erfahrungen. Im vergangenen Jahr hatte die BWL Studentin eine unangenehme Begegnung mit einigen Sicherheitsmitarbeitern des Shoppingcenters. Kurz vor den Abiturprüfungen fand in Annas Schule eine „Mottowoche“ statt. An diesem Tag war das Motto „Pyjamaparty“ und Anna entschied sich danach noch einen kleinen Ausflug in die Waterfront zu machen, natürlich immer noch im Schlafanzug, den sie einen Tag zuvor dort gekauft hatte. Beim Verlassen eines Geschäftes wurde sie plötzlich gepackt und in ein Verhörzimmer gebracht, wo sie 45 Minuten lang komplett durchleuchtet wurde. Man unterstellte ihr den Schlafanzug geklaut zu haben und glaubte ihr die Geschichte von der Mottowoche nicht. „Sie hielten mich für völlig durchgeknallt“, erzählt Anna. „ Zum Glück hat dann eine nette Dame für mich ausgesagt und durch die Kassenbelege konnte ich meine Unschuld beweisen.“, berichtet sie erleichtert. Also, wenn ihr das nächste Mal in der Waterfront unterwegs seid, dann lauft nicht einfach an dem kleinen Laden vorbei. Mit etwas Glück ergattert ihr ein einzigartiges Shirt und trefft vielleicht sogar ganz besondere Persönlichkeiten. Und nicht vergessen: Niemals im Schlafanzug einkaufen gehen! Text: Isabelle Drewes

© TShirt Store, Bremen

© TShirt Store, Bremen

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BREMEN

Die Strapazenbahn – Betreten auf eigene Gefahr

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ch will euch mal etwas erzählen. Vielleicht hat der eine oder andere Straßenbahnfahrer schon Erfahrung mit dieser Situation gemacht. Kennst du diesen Moment, wenn du zur Uni fährst, vorher noch ganz amüsant auf die Straßenbahn am Bremer Hauptbahnhof wartest, aber nicht hineinpasst, weil sie zu voll ist? Und andersherum: Kennst du das, wenn du erschöpft nach der Uni auf deine Straßenbahn wartest, weil du zum Hauptbahnhof gelangen möchtest? Wenn du Glück hast, kriegst du einen Platz. Wenn du Pech hast, wartest du in der Kälte, im Regen oder in der Hitze bis sie kommt und du dich schließlich zwischen deinen Kommilitonen reinquetschen musst. Aussteigen? Vergiss es. Wer nicht kämpft, hat schon verloren Es ist ein schöner sonniger Tag, ich stehe am Hauptbahnhof in Bremen und warte auf meine Straßenbahn. Ich blicke hoch und sehe, dass die Anzeige auf zwei Minuten schaltet und freue mich innerlich auf meine Seminare, die ich gleich haben werde. Nach einer Minute muss ich wieder lächeln, weil weit und breit noch kein einziger Studierender zu sehen ist. Heute ist es irgendwie wärmer als sonst. Ungewöhnlich für Bremen … Als ich zu Boden schaue, erblicke ich meine offenen Schnürsenkel, die sich wahrscheinlich beim Gehen gelöst haben. Ich bücke mich kurz, um sie zuzubinden. Als ich mich aufrichte, blicke ich in ein Meer von Studierenden. Wo kommen die denn plötzlich her? Bevor ich mir Gedanken darü- © Maike Duddek ber machen kann, fährt die Straßenbahn ein und ich versuche krampfhaft durch das Gewusel zu kommen. Doch keine Chance! Jegliche Versuche sind zwecklos. Alle stehen vor mir und visieren die einfahrende Straßenbahn an. Langsam öffnen sich die Türen und die zwei Passanten, die aus der Straßenbahn rauswollen, gucken panisch in die Augen der Studierenden, die in den nächsten zwei Sekunden in die Straßenbahn stürmen werden. Was mache ich jetzt? Einen Schritt zurückgehen und den Passanten den Ausstieg gewähren? Oder einfach stehen bleiben, so wie alle anderen auch?

Eine qualvolle Hitze, Halluzinationen und immer noch kein Ende in Sicht „Tu dir einen Gefallen und steig‘ verdammt nochmal ein!“, sagt der Teufel auf meiner Schulter. „Bist du blöd? Die armen Passanten, geh ein Stück zurück und lass sie raus!“, sagt der kleine Engel verstört, der auf meiner anderen Schulter hockt. Für einen Moment gucke ich ganz verwirrt nach rechts und links. Ernsthaft? Jetzt höre ich auch noch Stimmen. Das muss wohl an der Hitze liegen. Ich halte meinen Ordner ganz fest und hole tief Luft und steige schließlich nach großem Gedrängel in die Höhle des Löwen. Es ist so voll, dass ich gerade noch stehen kann. Die Luft ist grenzwertig. Es befinden sich womöglich 0,1 % Sauerstoff in dieser Bahn und alle müssen diesen geringen Anteil ein- und ausatmen. Es ist stickig und alles klebt. Die Straßenbahn fährt los und da kommt auch schon das erste Hindernis: Die Kurve des Grauens. Die Studierenden werden für einen kurzen Augenblick an die Seite gepresst. Der eine oder andere stöhnt womöglich auf, weil er oder sie nichts zum Greifen hat. Nachdem ich mich kurz umsehe, merke ich, dass die Straßenbahn aus 89,99 % Studierenden besteht, die alle zur Uni wollen und NICHT vorher noch an den anderen Straßenbahnhaltestellen stehen bleiben wollen. Nach unbeschreiblich langer Zeit ertönt die Station „Berufsbildungswerk“. Die Straßenbahn leert sich ein wenig und ich kann endlich meine Arme frei bewegen. Da kommt auch schon die nächste Kurve. Als „Universität/ NW1 “ zu hören ist, steigt wieder ein Großteil der Studierenden aus. Endlich erblicke ich einen leeren Platz und setze mich schnell hin, da bleibt die Straßenbahn wieder stehen und ich muss leider aussteigen. Text: Münevver Bolat

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BREMEN

Culture Shock Bremen Moving to a foreign country is normal nowadays. But a change of environment can lead to a type of helplessness, a ‘culture shock’, brought on by small deviations from what one considers the norm. So when I moved back to Bremen from the US, the cultural differences caused me to find myself in the midst of a very intimidating but, ultimately, eye-opening situation.

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Before I begin this cynical journal, I would like to tell the readers that living in Bremen is great. I love walking along the Weser on a beautiful spring day, I love the craziness of the central station after midnight and I love my University. It is important to say that there are curious, annoying and strange things about any place on this wonderful planet. Germany and, specifically, Bremen, is not an oddity and should not be treated as such. That being said, let us delve into the ‘Kultur der Bremer’.

in. Blinded by the beauty of stocked shelves full of cosmetics and other non-edibles I did not realize that there was just about one lonely bag of balsamico chips in the food aisle. Even the protein bars were gone. Who gets desperate enough to eat protein bars? There was just about nothing left to be eaten. Through my peripherals I spotted a man who had his eyes set on the bag of chips. And in a survival-panic I ran over, grabbed the bag and selfishly made my way out of the store after paying the ridiculous price of 3€ for a small bag of chips.

Panic at the Grocery Store

My Best Friend Google Maps and the Aspirin Mafia

The first time I experienced the ultimate realization that I was, in fact, no longer protected by Old Glory, I was at the grocery store after arriving in Bremen. Standing in line at Penny, after staring at my phone for a second, which is not considered rude in the US but will get a German literally pushing you towards the front of the line, there was this moment of complete confusion. Not only wasn’t there anyone standing next to me, smiling, asking me if I wanted plastic of paper but the lady in line behind me was shrugging at the cashier as I waited for someone to bag my groceries. After what felt like an eternity of agonizing cluelessness, I finally realized that there was no such thing as a grocery-bagger. So I laughed. That, however, was as much a bad idea as it was not bagging my groceries at the speed of light. I was met with extreme impatience in the form of a cringed forehead and rolling eyes. “Sie müssen sich jetzt aber mal ein bisschen beeilen.” The cashier had enough of me. Having finally come back to my senses after being electrified by the fact that I was, indeed, in another country, with different structures and habits, I ran out of the store in a panic. The grocery store ordeal actually turned out to be a real life and death problem when I realized that Germans use pretty much any excuse in the world to get out of work. We have holidays in the US too but we don’t just shut down all the businesses and go on a drunken ‘Bollerwagen’ tour. Come on. Needless to say, I was without food for a while until I realized that there was hope. ‘Rossmann’ at the central station. I ran over to this beautiful oasis of life and stood in awe of the beautiful shining lights exuding from the top of the stairs. Having reassured myself of not having to live on soy sauce and curry-ketchup for another day, I walked

Next problem: Finding my way home. Whenever I was close to the central station I knew that I was somewhere within the vicinity of the apartment I had one day dropped my suitcases off at. I did not have GPS or any fancy service like that for my phone at the time, so I was left fending for myself. I must say this one thing: Navigating in Bremen is pretty much impossible! This is not uncommon for the US but the place I lived was nicely arranged like a compass. 805 South 250 East. That was an actual address. Compasses are pretty much useless in Bremen, though. So I asked a nice lady for help. She said, “Sure, all you have to do is go down the street, take a right, then a left by the red garbage can, then head up the road until you see a dog peeing on a post. After that you have to turn the post. A portal will come up and once you enter it…” Well, something like that. So I guess I should use this for a shout-out to my best friend Google Maps, which has led me to so many places, most of the time making sure I would not have to take a train back home from Poland at night. The first few months after arriving in Bremen I experienced several other small culture shocks here and there. For example, the impossible task of getting medicine. In the US, you buy your Aspirin in huge bottles of approximately 800 pills inside of the grocery store. The appropriateness of that aside, I was looking for exactly that. When I got to the grocery store and asked them for the medicine aisle, the lady stocking shelves looked at me as if she had just seen a ghost. “Wir verkaufen keine Medizin!” What? - I mean I knew that Germans were stricter on use of pharmaceuticals but…? I had totally forgotten that Germans have these intricate places called ‘Apotheken’, where they stack all the medicine, including the stuff you can buy in stores in the US.


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So I took a walk over to the next pharmacy to pick up my much needed Aspirin, but the lady working there would not just hand me the stuff. “Nur zweimal am Tag! Nicht länger benutzen!” She ended up listing all of the negative side effects which were waiting for me if I even considered taking this insanely dangerous drug for longer than a week. I was pretty sure that I was going to be yelled at and thrown in jail if I ever came back to this place. I felt like I had just bought ketamine from a really desperate veterinarian who just needed the cash. The Air Conditioning Craze and Channelling Kafka And can I just put this question in the room: Why don’t Germans believe in the disbursement of cool air? Exotic devices like fans and other air conditioning systems are extremely hard to come by. I first noticed this on my birthday in August, when I decided to go to the ‘Viertel’ to spend some money on myself. It was one of those hardly-bearable humid days where all smell lingers and accumulates to become a monster sphere of stink that locks its phage-like claws into every fiber of your being. The ride from ‘Domsheide’, which entails no more than 3 minutes, chosen as an alternative to walking primarily based on the belief that there would be air-conditioning on the tram, seemed like an eternity. The sweat was dripping from my face as if I had just ran a 5-day marathon. People were incredibly uncomfortable, all of us with a sudden, heightened awareness that we were, in fact, no more than biological creatures. Our dreams and ambitions faded away. Humanity in full bloom. Exposed. Connected, however, by the ultimate wish for freedom from the tram of hell.

Another drastic contrast to America is the bureaucratic nightmare and labyrinth like public offices of Bremen. Can we all admit that Kafka was absolutely right about everything? But the even more important thing I learnt, visiting public offices was this: People here in Bremen are not easily impressed. I honestly thought I could get by with my cool accent and oozing American culture. But no! ‘Die Bremer sind nicht beeindruckt!’ Bremen being as multicultural as it is, you have to walk around on stilts, juggling snow globes if you want a Bremer to be impressed by you. Nobody cares. So you might as well just stop trying. Needless to say and coming back to my little introductory apology in the beginning, Bremen is, in fact, quite shocking at first glance. However, people here are incredibly genuine, which is the biggest and most impressive culture shock. People will tell you the truth, regardless of how much it hurts. And more than anything, they will be kind and helpful, even if they reject your way of being. In this way Bremen has taught me to trust people, to open myself up and to embrace the crankiness, but to never, ever apologize for who I am. So thank you, Bremen!

© Lina Schwarz

Text: Aneka Brunßen

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BREMEN Verstörend und provokant Die neue Ausstellung in der Weserburg Bremen: „Mir ist das Leben lieber“ Knallig, bunt, grell, leuchtend – so wirken die Kunstwerke von Jonas Burgert. Doch hinter den freundlichen Farben verbergen sich Zerstörung und Tod. Wer zwei seiner Werke und die vieler anderer KünstlerInnen mal von der Nähe betrachten möchte, kann dies seit dem 21. Mai in der Bremer Weserburg tun. „Mir ist das Leben lieber“ heißt die Ausstellung, mit einer Sammlung von Reydan Weiss.

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as die Ausstellung bietet, ist vielfältig: Skulpturen, Bilder und Videoarbeiten thematisieren das Leben auf unterschiedliche Weise. Es geht um Identität, um gesellschaftliche Rollenzuschreibungen, um Existenz, Alter und Tod. Traditionen und kulturelle Unterschiede können in den Werken wiedergefunden werden. Manches wirkt einfach und eindeutig, bei anderen Werken muss man genauer hinsehen. Befremdliche Gestalten, der übertriebene Ausdruck von „Schönheit“ und nackte, alte Menschen lassen die Betrachtenden vor dem Werk verharren. Einige Werke sind in der Art, wie sie entstanden sind, sogar verstörend. Stets spielt die Frage nach Normen, Werten und Identität eine Rolle. Dabei wird man immer wieder dazu animiert, das Dargestellte zu hinterfragen und ein Bewusstsein für mehr Toleranz zu entwickeln. Kunst verstehen Wenn man nicht gerade Kunst studiert oder sich anderweitig damit auseinandersetzt und großes Interesse mitbringt, eröffnet sich einem der Zugang nicht unbedingt sofort. Fragen wie „Das soll Kunst sein?“ und „Vielleicht habe ich einfach keine Ahnung von Kunst?“ führen immer wieder auf das Problem zurück, Kunst verstehen zu wollen. Das aber ist gar nicht die Intention vieler KünstlerInnen. Sie schaffen etwas, um etwas zu bewirken – allerdings eher auf einer rezeptionsästhetischen Ebene als auf jener der Logik. Die Ausstellung „Mir ist das Leben lieber“ tut genau das: sie spricht die Betrachtenden sinnlich an. Neben Werken von Gerhard Richter („Lack hinter Glas“), Paul Fägerskiöld Norbert, Schwontowski, Libanesin Etel Adnan und Warlimpirrnga Tjapaltjarri gehören das Gemälde und die Skulptur von Jonas Burgert zu denen, die besonders beeindrucken.

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Zwischen Illusion und Realität „Ich will die Menschen abholen und trotzdem irritieren“, sagt Burgert in einem Gespräch mit Heinrich Dietz (Schutt und Futter, 2013, S. 26). Tatsächlich ist das der Eindruck, der beim Betrachten seiner Werke entsteht. Da ist inmitten eines Raumes eine Skulptur, die kniend die Hände vom Podest hängen lässt. Diese sind übernatürlich groß und bunt bemalt, so als würden sie nicht zum Rest des Körpers passen wollen. Auch wenn sich die Farben an anderen Körperstellen wie dem Kopf wiederfinden, bleiben die Hände „fremd“. Abgrenzung wird gerade durch diese Körperbemalung deutlich. Diese dient ebenso wie Masken und Schmuck dazu, sich von anderen abzuheben beziehungsweise abzugrenzen. Was an Burgerts Werken auffällt – ausgestellt ist sein Bild „Staub stickt“ (2013, Öl auf Leinwand) –, ist der Kontrast zwischen Individualität und Gleichheit. Auf der einen Seite erscheinen die Figuren, die er malt, unterschiedlich in ihrer Körpergröße, ihrem Auftreten und ihrer Kleidung. Auf der anderen Seite sind sie sich sehr ähnlich, dadurch, dass sie keine Haare und allesamt schwarze, leere Augen haben. Keine der Figuren hält Blickkontakt. Sie schauen aneinander vorbei, dem Betrachtenden entgegen oder haben die Augen geschlossen. Ist das, was wir in seinem Gemälde „Staub stickt“ sehen, eine Illusion? Der Raum innerhalb des Werkes wird zur vierten Dimension, denn die darin vorkommenden Lebewesen scheinen keinem einheitlichen Maßstab zu entsprechen. Unnatürlich klein ist der Körper eines Kindes, übernatürlich groß der Kopf eines anderen. Der Stab inmitten des Bildes scheint die räumliche Wahrnehmung nochmal zu trennen, indem er die Schnittstelle zwischen Körper und


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Die Ausstellung „Mir ist das Leben lieber“, aus der Sammlung Reydan Weiss‘, wurde anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Weserburg vorbereitet. Sie kann noch bis zum 26. Februar 2017 besucht werden. Weitere Informationen finden sich auf der offiziellen Website der Weserburg Bremen: www.weserburg.de/?id=903 Kopf der Figur bildet. Man verirrt sich zwischen den Symbolen und Bildelementen – hier geht etwas weiter, da wird etwas anderes weitergeführt und an anderer Stelle unterbrochen. Was sich durch das gesamte Werk zieht, ist das grüne Band. Es kann etwas verknoten, schützen oder verbinden. Die Interpretation dessen ist den Betrachtenden überlassen. „Das Bild soll nicht gedacht, sondern empfunden werden.“ Burgert spielt in seinen Werken mit Farbkontrasten: kalt und warm, angenehm und unangenehm. Während im Vordergrund die hellen Farben dominieren, befinden sich im Hintergrund die dunklen. Es scheint, als würden die grellen Farben die Realität verdecken oder den Alltag mit Reizen überfluten wollen. Farben und Motive stehen dabei symbolisch für Anpassung (Chamäleon), Identifizierung (Maske, Kopfbedeckung, Körperbemalung), für Jenseits, Tod und Unterbewusstes (Rabe). Vieles lässt sich in dieses Werk hineinlesen und interpretieren, unabhängig vom Statement und der Intention des Künstlers. Bei der Betrachtung ist die Wirkung des Werkes wichtiger als die Logik. „Denn es geht nicht darum, eine historische Geschichte zu erzählen, sondern ein Bild herzustellen, im Sinne des Bildhaften, des Symbols. Das Bild soll nicht gedacht, sondern empfunden werden. Vielleicht kann man das mit dem Unterschied zwischen Prosa und Lyrik beschreiben. Ich versuche Lyrik zu erzeugen.“ (Jonas Burgert, Schutt und Futter, 2013, S. 25) Text: Alexandra Schilref

© Jonas Burgert

Zum Weiterforschen: • Interview mit Jonas Burgert: www.freundevonfreunden.com/de/workplaces/jonas-burgert (letzter Aufruf: 30.06.16) • „Der Berliner Künstler Jonas Burgert - Shooting Star mit Tiefgang“: www.youtube.com/watch?v=PyhO-6MfVwM (letzter Aufruf: 30.06.16) • Damann, Uwe (2016): Provokante Kunstschau zum Jubiläum, In: Bremer Weser Kurier, Vom: Freitag, 20. Mai 2016. www.weser-kurier.de/bremen/bremen-kultur-freizeit_artikel,-Provokante-Kunstschau-zum-Jubilaeum-_arid,1380092.html • Burgert, Jonas; Dietz, Heinrich; Dr. Brill, Dorotheé; Dr. Görner, Veit (2013): Jonas Burgert, Schutt und Futter. • Hall, Stuart (2004): Das Spektakel des >Anderen<, In: Ideologie, Identität, Repräsentation, Ausgewählte Schriften 4, S 108 - 166; Herausgeber: Koivisto, Juha & Merkens, Andreas; Argument Verlag, 2004.

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Vom Landei zum Stadtkind „Drei Kilometer bis zu dem Club? Und es gibt keinen Bus? Kein Problem, dann lauf ich halt!“

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ür Leute vom Land ist das keine Entfernung. Aber was soll man denn auch sonst machen, wenn es kaum öffentliche Verkehrsmittel gibt? Da haben es die Städter schon einfacher. Doch lässt es sich besser auf dem Land oder doch in der Stadt leben? Als Landei kenne ich das Problem mit den Verkehrsmitteln. Doch es gibt eine Entfernung, die für mich kein Hindernis darstellt: jedes Jahr, wenn ich mit einigen Freunden auf dem „Stemweder Open Air Festival“ bin, laufen wir Samstagsmittags zu meiner Oma, um dort Pommes zu essen. Das sind immerhin knapp vier Kilometer. Kein Problem für uns. Ausreichend Wasser - das Bier nicht vergessen - in den Rucksack packen und los geht’s. Verkehr Allerdings gestaltet sich das Ganze beispielsweise auf dem Weg in die Stadt doch etwas schwierig. Vor allem zum Feiern. Zunächst ist ein 15-minütiger Spaziergang zur nächsten Bushaltestelle nötig. Dort fährt montags bis samstags stündlich ein Bus, sonntags alle zwei Stunden. Wäre ja in Ordnung, wenn der letzte Bus in die Stadt am Freitag nicht schon gegen 21 Uhr fahren würde und der letzte zurück um eins. In der Nacht von Samstag auf Sonntag kommt immerhin gegen drei Uhr noch einer. Wenn man den verpasst, muss die Straße als Übernachtungsmöglichkeit herhalten. Das kann die Laune aufs Feiern schon verderben, bevor es überhaupt losgeht. Seitdem ich in der Stadt lebe, muss ich mir darüber zum Glück keine Sorgen mehr machen. Hin- und Rückweg stellen nie ein Problem dar. Nur nachts alleine nachhause zu fahren, ist manchmal beängstigend. All die fremden Menschen in den Straßenbahnen können schon verunsichern. Auf dem Land, wo einem jeder Winkel bekannt ist, scheint es sicherer zu sein. Aber das ist wahrscheinlich von Person zu Person unterschiedlich und von Erfahrungen abhängig. Anonymität Die Anonymität in der Stadt kann Vor-, aber auch Nachteil sein. Jemandem ein zweites Mal zu begegnen, mit dem man eine unangenehme Situation verbindet, ist eher unwahrscheinlich. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit jemand Bekanntes zu treffen, gering. Auf Dorffeten kennt jeder jeden, man trifft Leute und unterhält sich und trinkt mit denen, obwohl sonst kaum Kontakt zueinander besteht. Diese Partys sind dort meist das Highlight des Jahres, da ja sonst nicht viel los ist. Wenn mal Zuhause eine Party stattfindet, beschweren sich die Nachbarn nicht über zu viel Lärm. Jedenfalls habe ich das in meinem Dorf noch nicht erlebt.

Eher laden sich die Nachbarn selbst mit ein. In der Stadt ist das was anderes. Die Menschen wohnen Tür an Tür und hören womöglich auch jeden Schritt in der Wohnung unter sich. Deshalb ist es verständlich, wenn die Nachbarn klopfen und um etwas Ruhe bitten, wenn zum Beispiel ihre Kinder schlafen müssen. Einkaufen Die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten sind ein weiterer großer Vorteil in der Stadt. Auf dem Dorf gibt es die wichtigsten Geschäfte, aber, Spezielles ist nur in der nächsten Stadt erhältlich. Gleich nach meinem Umzug habe ich diesen Vorteil zu meinen Gunsten ausnutzen können. Allerdings verleitet dies auch zu unnötige Anschaffungen. Fußball Als großer Fußballfan fiel mir die Entscheidung nach Bremen zu ziehen auch noch leichter, da ich im Handumdrehen am Stadion bin. Somit muss ich mich nicht mit zahlreichen anderen Fans in den Zug zwängen, sondern kann genauso gut eben auf mein Fahrrad steigen. Für alle anderen, die sich nicht für diese Sportart interessieren, ist es zu Spielzeiten verständlicherweise doch etwas anstrengend von A nach B zu kommen, wenn die Stadt voll von Fans ist. Doch jetzt zur Europameisterschaft holen auch die normalerweise Desinteressierten ihre Deutschland-Fanartikel aus dem Schrank um ihr Land zu unterstützen. Zahlreiche Plätze, verteilt in der ganzen Stadt, bieten den Leuten Gelegenheit sich die Spiele zusammen beim „Public Viewing“ anzuschauen. Das Gemeinschaftsgefühl wird gestärkt, doch kann es dabei auch zu Auseinandersetzungen kommen. Auf dem Land gibt es auch eine Menge solcher Veranstaltungen, erfahrungsgemäß verlaufen diese aber meistens ruhig. Was ist denn nun besser? Das Stadt- oder das Landleben? Es gibt unzählige Argumente, die für beide Seiten sprechen, da fällt eine Entscheidung gar nicht so leicht. Letztendlich kommt es doch auf so viele Dinge an. Aber meist überzeugen einen die eigenen Erfahrungen. Viele junge Leute vom Land möchten wissen, wie es ist in der Stadt zu leben. Doch am Ende kehren sie häufig aufs Land zurück. Städter bevorzugen es aber oft in der Stadt zu bleiben. Ich selbst kann mir vorstellen einige Jahre zu bleiben. Doch wie die meisten Landeier kann ich mir das nicht auf Dauer vorstellen. Mal sehen was die Zukunft bringt. Text: Marilena Dobberphul

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Willkommen im Club: Wir twittern über Bücher Maike verliert keine großen Worte. Ihre Gedanken sind höchstens 140 Zeichen lang. Sie liest aber auch gerne lange Bücher – und redet darüber. Wie das zusammenpasst? Das probiert sie in einem Experiment aus: mit ihrem eigenen queerfeministischen Buchclub auf Twitter.

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ch gestehe: Ich liebe Twitter. Alles ist kompakt, jeder Gedanke geschliffen. Fast schon Poesie. Über alles kann man sich unmittelbar und live austauschen. Herrlich! – Unmittelbar? Live? Dass ich nicht lache! Leseliebende Menschen haben es nicht leicht in sozialen Medien. Je weiter ich runterscrolle, desto mehr ist alles zeitversetzt. Spoiler lauern hinter jeder Ecke. Schöne Gedanken überlese ich zwischen alltäglichen Nachrichten. Und verliebe ich mich in ein Buch, über das ein Account – Blog oder Privatperson – seit Wochen schwärmt, muss ich es mir besorgen. Bald tweete ich mein Leseerlebnis live. Ergebnis: Ein anderer Mensch verliebt sich in das Buch und die Prozedur geht von vorne los. Nur weiß bei dieser Art stiller Post bald niemand mehr, was die erste Person zum Buch zu sagen hatte. Ein Buchclub – so altmodisch, dass es fast schon wieder cool ist Aber was ist eigentlich das Problem, dass online kaum Diskussionen zu Büchern entstehen? Buchblogs gibt es unzählige. Aber nur, weil das Internet die Möglichkeiten bietet, sich zu allen Themen zu vernetzen, heißt das nicht, dass es in der Praxis klappt. Ohne Organisation von Gedanken verhallen Tweets im luftleeren Raum, wenn es keinen Hashtag dazu gibt. Gespräche in Kommentarsektionen von Blogs, wenn sie überhaupt entstehen, schlafen schnell ein. Das passiert durch mangelnde Blogpflege oder weil man nicht so recht weiß, was man eigentlich unter einen Artikel schreiben soll. Muss das so umständlich und frustrierend sein? Wäre es nicht besser, wenn alle Interessierten gleichzeitig das gleiche Buch lesen und darüber reden? Eine Lösung muss her – und ich finde sie: Ich gründe einen Buchclub. Bitte kein Mainstream! Ein neuer Account ist schnell angelegt: „Zwitscherbooks“ ist zunächst zwar online, muss aber noch mit Inhalten gefüllt werden. Follower*innen müssen her. Regeln auch. Das eine wird das andere mit sich bringen. Ich bestimme, dass mein Buchclub feministisch sein muss. Und queer. Überhaupt auf Diversity achten soll. Wenn das Ganze dann

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noch nerdig ist, bin ich zufrieden. Und tatsächlich bleibe ich nicht lange allein. Es stellt sich heraus, dass der allererste deutschsprachige twitterbasierte Buchclub ein Bedürfnis befriedigt. Nicht nur mit dem gewählten Medium, sondern auch mit den Themen der Bücher besetze ich eine Nische. Kommunikation ist alles! Bald sind die ersten Bücher gemeinschaftlich ausgewählt, gelesen und in handlichen Tweets auseinandergenommen. Im ersten Jahr sind so bereits elf Titel zusammengekommen. Die Diskussionen entwickeln eine intelligente Eigendynamik, um die sie so manche Literaturseminare bewundern würden. Wer tauscht sich nicht gerne über Bücher aus, wenn man dabei im Schlafanzug auf der Couch oder am anderen Ende Deutschlands im Lieblingscafé sitzen kann? Attraktiv ist die niedrige Hemmschwelle. Wer nur 140 Zeichen schreiben und keinen Notendruck fürchten muss, gibt eher einen Kommentar ab. Das zieht eine breit gefächerte Schar Teilnehmer*innen an: Studierte Expert*innen kommen mit Neulingen ins Gespräch. Jedes Mal nehmen rund 40 Menschen an den Diskussionen teil; die Anzahl der still mitlesenden dürfte größer sein. Dabei kommen immer erstaunliche Ergebnisse zustande. Victor Frankenstein etwa hat einen Gottkomplex. Ritterinnen sind cool. Lesbische Vampirinnen tragisch. Nerdkulturen haben ein Sexismusproblem. Kleider machen Geschlecht – Sprachen sowieso. Nicht umsonst war Ann Leckies Science Fiction Roman „Die Maschinen“ bisher der beliebteste Titel, während sich an Mary Shelleys „Frankenstein“ die Geister scheiden... aber letztendlich ist der Lesestoff der spannendste, zu dem sich viele Stimmen versammeln. Text: Maike Duddek 27


FEUILLETON „New Folk, von ruhig bis Vollgas.“ Die Oldenburger Band Letterbox Salvation im ScheinWerfer Interview „Der Titeltrack zu unserem Album White Horse Wave ist wohl das Stärkste musikalische Ding, bei dem ich je beteiligt war.“, erzählt Letterbox Salvation Schlagzeuger Alex uns im ScheinWerfer Interview. Was sie von Vergleichen mit Chuck Ragan oder Rocky Votolato halten und wo ihr die Band in diesem Jahr noch live erleben könnt? Wir fanden es heraus.

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etterbox Salvation. Die Oldenburger Band, bestehend aus Daniel Bremer (Gesang, Gitarre) und Alex Schlüter (Schlagzeug), kreiert mit sattem Schlagzeug, zarten Gittarrenriffs und facettenreicher Stimme einen melodischen Singer-Songwriter-New Folk, der Aufmerksamkeit erregt und unter die Haut geht. Internationale und regionale Auftritte lassen das Interesse um das Oldenburger Duo wachsen. Erfahrt mehr über Letterbox Salvation in unserem ScheinWerfer Interview. Wie kam es zur Bandgründung und euren Bandnamen Letterbox Salvation? Was bedeutet er? Daniel: Begonnen hat alles 2007 unter dem Namen „Letterbox Project“, als Gitarren-Duo zusammen mit Nils Hartmann. Als dann die erste CD aufgenommen wurde, musste das „Project“ im Bandnamen weg. Nach langer Suche brauchten wir eine Lösung, was denn nun für ein Name auf der CD stehen sollte. Damit war es quasi dann auch schon geschehen. Von 2009 bis 2011 war es dann überwiegend erstmal ein Solo-Projekt bis dann 2012 Schlagzeug dazu kam in Form von Alex Schlüter. Die Geschichte hinter dem Namen ist romantisch und relativ lang. Es begann mit einem Abschiedsbrief, gefolgt von Songwriting als Ventil, bis hin zur „Rettung/ Erlösung“. Alex: Er klingt halt auch einfach schön. Steckt hinter Eurem Banner eine Bedeutung, „oder ist das Kunst“? Daniel: Das Logo bzw. erste Platten-Cover ist tatsächlich aus Zufall entstanden, auf der Suche nach einem passenden Logo zu dem Song und unserem Album „If the heart could think“. Die Idee dahinter war, eine Diskussion, einen Streit oder Kampf zwischen zwei Fronten, Gegnern oder Spielern, zu zeigen. Bedeuten soll es irgendwas zwischen „nachgeben

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oder einsehen ist manchmal die bessere, stärkere Lösung“ und „mehr Liebe für Alle“. Anscheinend keine schlechte Idee, da es dadurch irgendwie zu unserem Band-Logo wurde, obwohl es für uns eigentlich nur ein Platten-Cover war. Wie würdet Ihr Eure Musik beschreiben? Alex: Akustikrock, geprägt von Folk und Singer-/ Songwriter. Daniel: Ja, so oder so ähnlich. Gitarre, Gesang, Schlagzeug mit vielen neuen Ideen und Effekten. New Folk von ruhig bis Vollgas. Von welchen Bands wurdet ihr inspiriert? Wo liegen Eure musikalischen Einflüsse und mit wem vergleicht ihr eure Musik selbst gern? Alex: Ich finde es schwierig unsere Musik direkt zu vergleichen, einige Schuhe passen nicht, die anderen, sind ggf. zu klein. Ich persönlich bin vom Punkrock und Hardcore inspiriert und in der Szene musikalisch gereift. Auf der anderen Seite stehe ich total auf Heartlandrock aller Bruce Springsteen oder der mächtigen The Gaslight Anthem. Das könnte man unter Umständen bei uns hören. Wir werden zwar lauter, aber ich denke Punkrock sind wir nicht. Vergleiche mit Chuck Ragan oder Rocky Votolato sind natürlich schmeichelnd, aber eher vermessen, bis unpassend. Wir versuchen unseren eigenen Style zu machen. Daniel: Tatsächlich ist es immer relativ schwer einen Vergleich zu nennen. Ich selbst vergleiche mich ungern bis gar nicht mit irgendwem und probiere eher Musik zu schreiben und zu machen, die es vorher noch nicht genau so gab. Inspiriert und beeinflusst wurde ich am Anfang viel von Songwritern wie Rocky Votolato, Glen Hansard, Chris Carraba oder Ben Howard und Bands wie The Frames. Was ist das der lustigste Kommentar, was den ihr über Euch in den Medien während eurer Bandgeschichte je gelesen oder gehört habt? Alex: Jedes Mal wenn ich wieder “Daniel Bremer´s Soloprojekt” lese lache ich darüber, dass die Zeitungen scheinbar nie mit unseren neuen Pressetexten arbeiten. Ansonsten sind wir, glaube ich, noch ganz gut weggekommen. Über die Schreibe einiger “Zeitungen” kann man allerdings häufig nur lachen. Daniel: Bisher gab‘s überwiegend meist Ppositives zu lesen. Was immer wieder amüsant ist, sind die Bandvergleiche wie wir angeblich klingen. z.B. Kings of Leon, Nickelback oder Mumford & Sons.


FEUILLETON +++ Konzert-Termine +++ 15.7. Oldenburg, Secret Show | 29.7. Tba 30.7. Sögel, Umsonst & Draussen Open Air | 13.8. Hamburg, Sommerfest | 10.9. Tba

+++ Diskographie +++ White Horse Wave (2014) If The Heart Could Think / Cardiac Defect (2010) Too Far Away EP (2009) Letterbox Salvation EP (2008)

Was war die erste Platte die ihr euch gekauft habt? Alex: Vinyl? KISS oder Misfits, CD: Die Ärzte Live Daniel: Pearl Jam – No Code Euer aktuelles Album White Horse Wave erschien 2014. Was verbindet ihr mit dem Titel und welche Songs sind besonders aussagekräftig für das Album? Alex: Der Titeltrack ist wohl das sStärkste musikalische Ding bei dem ich je beteiligt war. Einfach eine extrem emotionale Nummer, irgendwie kommt da einfach alles zusammen, es stimmt alles. Der Titel selbst beschreibt die Schaumkrone einer Welle, den Moment, bevor alles auf dich niederbricht, alles zerbricht, ein starkes Bild, welches im Gegensatz zum ruhigen Cover steht. Daniel: Den Album- Titel hat tatsächlich der Song „White Horse Wave“ ganz einfach allein geschrieben. Als wir diesen Song fertig hatten und er dann irgendwann so klang, wie jetzt auf dem Album, war klar, wie das Album heißen muss. Wenn nach so langer Arbeit und Zeit endlich ein Album fertig ist, ist irgendwie jeder Song ein kleines Baby von einem aber man kann natürlich nicht abstreiten, dass es sehr viel Spaß macht einige Songs immer wieder zu spielen, wie z.B. Liberty, True Colours oder Hold On Hope. Was war das bisher schönste Konzert, welches ihr in eurer Laufbahn gespielt habt? Kleine Location oder Großveranstaltung, was gefällt euch besser? Alex: Clubs im Winter, Openair im Sommer, klassisches Cherrypicking. Das schönste Konzert war sicherlich zum Einen die Release Party zu WHW, zum anderen war aber auch das Stemwede Open Air ein ziemliches Brett. Eigentlich bin ich aber tatsächlich mehr der Clubmensch, das ist intimer. Das Knust in Hamburg im März war natürlich auch ein absolutes Highlight. Daniel: Dem kann ich nur zustimmen. Wo kann man euch in diesem Jahr noch live sehen? Alex: Lüneburg, Oldenburg, Sögel Packhalle Open Air, Hamburg. Daniel: Jepp, ein paar Festivals kommen noch dazu und Clubshows sind wieder in der Liste. Am besten einfach ab und zu auf unserer Homepage oder bei Facebook rein schauen. Dort werden alle Termine immer regelmäßig aktualisiert.

+++ Kontakt +++ info@letterboxsalvation.de www.letterboxsalvation.de www.facebook.com/letterboxsalvation www.soundcloud.com/letterbox-salvation www.instagram.com/letterboxsalvation

An welchem Ort würdet ihr gern mal ein Konzert oder Festival spielen und was war der bisher kurioseste, was der schönste Ort an dem ihr Eure Songs performt habt? Alex: Kurios mit Sicherheit “de boven kaamer” in Groningen, ein alter Wasserturm, ziemlich kurios. Schön sind eigentlich alle Konzerte für sich, ob industrieller Club Charme oder die weite Grüne Wiese. Noch hatten wir kein hässliches Konzert. Daniel: Das war auf jeden Fall eine sehr schöne Erfahrung und Location. In großen alten Theatern zu spielen war schon immer ein Traum von mir und das durften wir auch schon einmal erleben. Es war super schön und das möchte ich gerne wieder machen. Ein wenig heftiger ging es letztes Jahr ein wenig beim „Garden of Voices Festival“ zu, wo wir mitten in einen Sturm geraten sind. Der Regen knallte nur so auf die Bühne, wir waren klatschn Nass und haben zwischendurch auch ein wenig Angst bekommen. Aber im Nach-hinein waren wir irgendwie ziemlich Sstolz, dass wir nicht abgebrochen haben. Nehmen wir an, ihr habt einen Wunsch frei! Mit welcher Band würdet ihr gern mal auf Tour gehen? Alex: Ich plädiere für The Gaslight Anthem! Daniel -lachend-: Schwer zu sagen, gerne mal kennenlernen würde ich Glen Hansard & Band, Ben Howard oder Bears Den. Brian Fallon, Gaslight Anthem wäre ich natürlich auch für zu haben. Habt ihr schon mal ein peinliches, witziges oder besonders schönes Fan- Geschenk erhalten? Daniel: Ein paar sehr süße Geschenke gibt es ab und zu mal, ja. Als Dankeschön für die Mühe oder als Glückwunsch für die gelungene Arbeit o.ä. . Immer wieder ein sehr schönes Gefühl auf jeden Fall. Was erwartet uns in 2016 und näherer Zukunft von Letterbox Salvation? Daniel: Als nächstes steht unsere neue Homepage in den Startlöchern, die wir mit Hilfe von tollen Freunden und Supportern im Moment fertig bauen. Ansonsten sind mehrere neue Songs in Arbeit und uns kribbelt es schon ein wenig in den Fingern etwas neues in Richtung Studio, neues Album, neues Video zu planen! Interview: Katja Becker 29


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Faszination Tomb Raider: 20 Jahre Lara Croft Als der britische Computerspielentwickler und Charakter-Designer Toby Gard 1994 für Core Design die Figur Lara Croft entwickelte, erahnte er ihre spätere Popularität wohl kaum. Anlässlich des zwanzigsten Jubiläums schaut der ScheinWerfer genauer auf die Faszination um die Spielreihe Tomb Raider. Lara Croft. Ob Zocker oder dem Spielen eher abgeneigt, an diesem Namen kommt man bis heute kaum vorbei. Immerhin führt sie den „Guinness World Record“-Titel des „most recognized female video game character“. Unter dem Titel „Tomb Raider“ – zu Deutsch „GrabräuberIn“ – sind inzwischen zahllose Spiele, aber auch Bücher, Comics und Filme erschienen. 1996 wurde der erste Teil: „Tomb Raider featuring Lara Croft“ veröffentlicht, im letzten Jahr der bis dato aktuellste Teil: „Rise of the Tomb Raider“. Die Verkaufszahlen liegen im mittleren zweistelligen Millionenbereich, aber was genau fasziniert Fans und Spieler daran? Der weibliche Indiana Jones: eine ambivalente Figur Konzipiert wurde Lara von Toby Gard als eine Art weiblicher Indiana Jones. Mutig, stark, klug: eine sexy Alleskönnerin. Sexy? Wer die ersten Spiele aus der zweiten Hälfte der 90er Jahre kennt, weiß um die auffallend großen Brüste der fiktionalen Archäologin. Auch wenn es tatsächlich geplant war, die Videospielikone etwas üppiger auszustatten, war es ursprünglich ein Rechenfehler. Die überdimensionierte Oberweite kam beim restlichen Team von Core Design jedoch gut an, so dass Gard überredet wurde, das Missgeschick beizubehalten. Schaut man sich die einzelnen Spiele im Laufe der Zeit an, lässt sich gut verfolgen, wie Laras Brustumfang schrumpft und zudem nach und nach mehr Kleidung als ihre anfänglichen engen, kurzen Pants, sowie das knappe Shirt erhält. Lara ist von Beginn an eine sehr ambivalente Figur: Einerseits eine starke, unabhängige und kluge Frauenfigur, andererseits eindeutig ein Sexsymbol für die bis dahin zumeist männlichen Videospieler. Mit der Veränderung des Aussehens sollte sie wohl auch für Spielerinnen interessanter

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werden. Endgültig weg von der problematisch inszenierten Heldin kommt sie jedoch erst seit den Neuauflagen: „Tomb Raider“ (2013) und „Rise of the Tomb Raider“ (2015). Im Wandel der Zeit Die coole, starke und schwer zu beeindruckende Lara ist heute einer verletzlicheren und deutlich unerfahreneren Version gewichen. Der Reboot der Tomb Raider-Serie zeigt seine Heldin in ihrer Anfangszeit. Die noch unschuldige, junge britische Archäologin erleidet vor einer Insel mit der Endurance Schiffbruch. Es zeigt sich, dass die Insel das verschollen geglaubte Königreich Yamatai ist. Wie auch in den vorherigen Spielen zeigt sich die Vorgeschichte in den neuen Teilen durchsetzt von übernatürlichen, mystischen Elementen. Neben der Haupthandlung durchforschen Spieler als Lara Croft Gräber, lösen Rätsel und sammeln Artefakte. Dieser Anteil verringert sich im ersten Reboot-Teil etwas und wurde auf vielerlei Wunsch im zweiten Reboot-Teil wieder ausgebaut. Die Spielreihe hat jedoch nicht nur in der Zeit einen Wandel durchgemacht, sondern ganz besonders grafisch! Nicht nur ein grafischer Revoluzzer Schon 1996 war der erste Tomb Raider-Teil ein grafischer, aber auch spieltechnischer Paukenschlag für die Branche der Videospiele. Neben der noch recht neuen vollständigen 3D-Umgebung schlug das Gameplay besonders ein. Ein Action-Adventure in einer Third-Person-Perspektive war damals eine offenbar willkommene Abwechslung zu den erfolgreichen Ego-Shootern. Springen, Klettern, Rätseln, Kämpfen – gegen Fledermäuse, Bären und Wölfe, aber durchaus auch mal Dinosaurier – sowie eine maximale Bewegungsfreiheit, all das war neu und legte zudem den Grundstein für folgende Action-Adventures. Der erste Teil verkaufte sich bis heute knapp sieben Millionen Mal. Zum Vergleich: „The Sims“ ist mit über 11 Millionen verkauften Spielen (Stand 2015) das erfolgreichste Spiel. Auch die nachfolgenden Spiele warteten mit immer besser werdenden Grafiken auf und überzeugten weiterhin mit ihren Geschichten und den Gameplays. Während die Spiele bis zum 2013er Reboot zwar stetig besser wurden, hat doch erst die Neuauflage wieder so richtig eingeschlagen. Grafisch ein echtes Schmankerl – sofern die Grafikkarte mitmacht,


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denn die Anforderungen an diese wachsen stetig. Ganz besonders hervorzuheben ist hier die TressFX-Technik vom US-amerikanischen Chip-Hersteller AMD, welche Haare auf spektakuläre Weise simuliert. Vorbei sind die Zeiten unrealistischer Haare, die auch während Lara kopfüber hängt am Rücken bleiben oder der Einfachheit halber zum Zopf geflochten sein müssen. Aufbau, Absturz, Comeback Nach dem furiosen Start der Tomb Raider-Saga versuchte Core Design den neuen Anforderungen und Ansprüchen gerecht zu werden – und scheiterte 2003 gnadenlos. „Tomb Raider: Angel of Darkness“ wartete zwar mit neuer Grafik-Technik, aber auch mit zahlreichen Grafikfehlern und Abstürzen auf. Zusammen mit dem Spielspaß verringerten sich auch die Verkaufszahlen. Bis heute ist dieser Teil der erfolgloseste, es gingen nur knapp eineinhalb Millionen Exemplare über den Ladentisch. Core Designs Sargnagel wurde Crystal Dynamics große Chance, als der Publisher Eidos Interactive beschloss, dass ein neuer Entwickler an der Reihe war. Drei Jahre später kam mit „Tomb Raider: Legend“ ein neuer Teil heraus, der Altes und Neues gekonnt verband: Neue Grafik, alter Spielspaß. Crystal Dynamics gutes Händchen hält weiter an, denn auch die nachfolgenden Abenteuer von Lara Croft finden großen Anklang. Besonders beliebt zeigt sich „Tomb Raider: Underworld“. Der 2013er Teil „Tomb Raider“ ist bis heute mit über acht Millionen verkauften Exemplaren unangefochten auf Platz 1 der Spielreihe. Auf einen dritten Teil der Neuauflage hoffen die Fans, konkrete Pläne sind bisher aber nicht bekannt gegeben worden. Lara auf Exkursen Schon lange ist Lara Croft nicht mehr nur eine Figur in einer Videospielreihe. Ausflüge gibt es viele: Handyspiele, Bücher, Comics und zwei filmische Adaptionen (2001 und 2003) mit Angelina Jolie in der Hauptrolle, sowie ein charmanter Auftritt im Die Ärzte-Video von „Männer sind Schweine“. Die Filme kamen nur mäßig bei Fans an. Dennoch – oder gerade deswegen? – ist eine neue Verfilmung geplant. Der norwegische Regisseur Roar Uthaug („The Wave“) wurde im letzten Jahr bestätigt. Die Hauptrolle soll die schwedische Schauspielerin Alicia Vikander („Ex Machina“) übernehmen. Weiterhin ist bekannt, dass es, wie auch in den neuen Videospie-

len, um die Ursprungsgeschichte der amazonenhaften Archäologin gehen soll. Mit einem Kinostart des neuen Tom Raider-Films dürfen Fans für 2017 rechnen. Revolutionäre Ikone der Gamer-Welt Lara Croft ist eine Ikone der Videospielwelt geworden – durch revolutionäre Gameplays und Grafiken, aber auch, weil sie eine ganz neue Figur darstellte. Nämlich eine starke, mutige, unabhängige, absolut selbstständige Frauenfigur – der stark erotisierten Darstellung zum Trotz. Ohne nach so vielen Jahren auf der Stelle zu treten, kam die Neuauflage genau richtig und zeigt erstmals eine Lara, mit der auch weibliche Spieler sich besser identifizieren können. Eine Frau, die sich von einer neugierigen Studentin zu einer besonderen Persönlichkeit entwickelt. Die actiongeladene Story, die optionalen – also für die Geschichte nicht zwingend erforderlichen – rätselhaften Gräber, sowie eine atemberaubende Spiellandschaften sorgen dafür, dass Liebhaber und Neulinge gleichermaßen auch nach 20 Jahren Spaß an „Tomb Raider“ haben. Jahr

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Tomb Raider Tomb Raider II – Starring Lara Croft Tomb Raider III – Adventure of Lara Croft Tomb Raider IV – The Last Revelation Tomb Raider: Die Chronik Tomb Raider: The Angel of Darkness Tomb Raider: Legend Tomb Raider: Anniversary (moderne Neugestaltung des ersten Teils) 2008 Tomb Raider: Underworld 2013 Tomb Raider 2015 Rise of the Tomb Raider 1996 1997 1998 1999 2000 2003 2006 2007

Erweiterungen und Spin-Offs der Serie sind in dieser Liste nicht berücksichtigt.

Text: Pia Zarsteck Eine Rezension des neuesten Comics „Lara Croft und die Artefakte des Bösen“ (Dani Books) von Pia Zarsteck findet ihr beim Bücherstadt Kurier: www.buecherstadtkurier.com 31


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Lesen, was Spaß macht!

©Goldmann Verlag

Buchrezension zu „Lauf, Jane, Lauf“

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auf, Jane, Lauf“ lautet der Titel des Romans, verfasst von Joy Fielding und erschienen im Jahre 1991 beim Goldmann Verlag. In diesem geht es um die junge Frau Jane Whittaker, die erfolgreich in ihrem Beruf ist und einen Ehemann an ihrer Seite hat, der sie liebt. Eines Nachmittags jedoch findet sich Jane vollkommen desorientiert auf den Straßen Bostons wieder. Sie weiß nicht, wer sie ist, wie sie heißt, ob sie verheiratet ist oder ob sie alleine lebt. Ihr Gedächtnis ist wie ausgelöscht. Ihr Kleid ist blutbefleckt, ihre Tasche mitsamt des Inhalts wurde ihr entnommen und stattdessen findet sie mehrere tausend Dollar in ihren Manteltaschen. Sie beschließt, zur Polizei zu gehen, weil sie sich nach zwei Tagen immer noch nicht an ihr Leben, ihre Vergangenheit und ihren Namen erinnern kann. Die Polizei bringt sie in ein Krankenhaus, weil Jane verwirrt und unsicher auftritt. Dort wird eine hysterische Amnesie an ihr festgestellt. Die Ärzte finden ihren Namen heraus: Jane Whittaker. Die Erinnerungen an diesen Namen bleiben aber verloren und sie fühlt sich gefangen, weil sie niemandem glauben kann. Sie wird ihrem Mann Michael Whittaker vorgestellt, der ein bekannter Kinderchirurg sein soll, doch auch an ihn kann sich die verzweifelte Frau nicht erinnern. Auf der Suche nach der Wahrheit Ihr Arzt verschreibt ihr ein leichtes Beruhigungsmittel, damit sie wieder zu Kräften kommt. Schon nach wenigen Tagen bemerkt sie, dass die Medikamente ihren Zustand nicht verbessern, sondern eher verschlechtern. Sie fühlt sich schwach, träge und hilflos. Ihr Mann kann ihre Gefühlslage nicht verstehen und er ist der Meinung, die Tabletten würden ihr helfen. Jane versucht dem Ganzen zu entkommen. Sie schafft es in eine Apotheke und zeigt dem Verkäufer ihre Tabletten. Sie erfährt, dass es nicht die Tabletten sind, die ihr Arzt ihr verschrieben hatte. Michael findet sie nach einer Weile und stellt sie zuhause mit Spritzen ruhig. Sie vertraut ihm nicht mehr und sie fürchtet sich vor diesem fremden Mann. Er rechtfertigt seine Lüge damit, dass er ihr lediglich helfen wolle. Jane möchte alles über ihr Leben erfahren. Michael erklärt Joy Fielding: Lauf, Jane, Lauf Jahr: 1991 Verlag: Goldmann Verlag“

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ihr, dass ihre Mutter und ihre Tochter vor einem Jahr bei einem Autounfall verunglückt seien und es ihr seither so schlecht ginge. Seither litt sie unter Angstzuständen. Jane selbst solle das Auto gefahren haben und dieses Ereignis könne womöglich der Auslöser ihrer hysterischen Amnesie sein. Jane jedoch trifft auf eine für sie fremde Frau und sie erfährt, dass es sich um die Mutter einer Schulfreundin ihrer Tochter handelt. Sie berichtet ihr von dem Schulausflug vor sechs Monaten, auf dem Jane ihre Tochter begleiten haben solle. Was hat das zu bedeuten? Vor einem Jahr soll ihre Tochter angeblich gestorben sein. Belügt Michael sie? Was hat er zu verbergen? Nachdem sie dies erfahren hat, gelingt es Jane, ihre Medikamente zu beseitigen, ohne dass es ihr Mann mitbekommt. Es geht ihr besser und sie kann wieder klare Gedanken fassen. Sie glaubt fest daran, dass ihre Tochter noch lebt und will sich auf die Suche nach ihr machen. Es wird ein Kampf für die Frau, ein Kampf um ihre Tochter und ein Kampf um die Wahrheit. Mein Fazit Der Roman ist sehr zu empfehlen, da es Joy Fielding gelungen ist, den Leser zu fesseln und mitzureißen. Bis zum Ende bleibt die Frage offen, warum Jane so etwas angetan wird. Joy Fielding ist es gelungen, die Leser an den Roman zu fesseln zu mitzureißen. Erst nach und nach werden einzelne Puzzleteile aufgedeckt, was diesem Buch unglaubliche Spannung verleiht. Das Lesepublikum kann sich in die Protagonistin hineinversetzen und fühlt mit ihr. Er steigt dort ein, wo auch Jane einsteigt. In die Ahnungslosigkeit und Verwirrtheit. Die Sprache ist sehr einfach gehalten und daher verständlich geschrieben. Die Geschichte wird von einem personalen Erzähler berichtet. Dadurch ist es den Lesern möglich, das Innenleben von Jane zu fassen, die Gedanken der anderen Figuren bleiben jedoch verschlossen. Ich habe das Buch sehr schnell durchgelesen, weil ich es nicht aus der Hand nehmen konnte. Die Neugierde auf das, was als nächstes passieren könnte, war zu groß. Text: Lara Terrasi


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Sind Gedichte wieder modern? Der Zauber des PoetrySlams Wer das Wort „Dichtung“ hört, denkt meist an Reimschemen, Gedichtanalysen aus der neunten Klasse, Rainer Maria Rilke und dunkle Winterabende am Kamin. Aber ist diese literarische Form tatsächlich so altbacken, wie man sie in Erinnerung hat? Ich sehe das anders. Ein Plädoyer für den PoetrySlam.

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oetrySlam – 1986 in Chicago entstanden und mittlerweile weltweit verbreitet, bezeichnet ein Veranstaltungsformat, in dem literarische Texte vorgetragen und anschließend vom Publikum bewertet werden. Hierbei treten die Teilnehmer, entweder einzeln oder in Gruppen, gegeneinander an. Sie tragen selbstgeschriebene Texte vor, die das vorgegebene Zeitlimit nicht überschreiten sollten, das in Deutschland meist 5 Minuten beträgt. Hierbei sind alle Genres vertreten: Rap, Poesie, Märchen, klassische und moderne Lyrik oder Comedy – den Literaten sind keine Grenzen gesetzt. Auch thematisch ist alles komplett offen: Von politischen Texten, in denen Katzenbabys die Hauptrolle spielen, über triviale Liebesgedichte, bis zu detaillierten Plänen in denen das Vorgehen während einer Zombieapokalypse erläutert wird. Von leichtverdaulicher Satire zu gesellschaftskritischen Texten, die einem zum Nachdenken anregen und auch nach Monaten noch im Kopf bleiben. Beim Slammen wird besonders viel Wert auf die Performance des Vortragenden gelegt. Je dynamischer und mitreißender der Text vorgetragen wird, desto positiver fällt die Bewertung aus. Diese findet durch das Publikum statt, das sich oft querbeet aus allen Altersstufen und entgegen der Klischees - nicht nur aus verträumten Germanistikstudierenden zusammensetzt. Besonders gut kommen sowohl satirische als auch humorvolle Beiträge an, vor allem wenn sie vor schwarzem Humor nur so triefen. Das Publikum nur mit Worten zu packen und zu fesseln - das ist die Leidenschaft die hinter der Kunst des Slammens liegt! Für die Slammer liegt der Reiz darin, durch das Publikum eine direkte und vor allem ehrliche RückmelKommende Slams in Bremen SlammerFilet (nächster Termin: 12.08.2016, im Tower) Slam Bremen (jeden 2. Donnerstag im Monat, im Lagerhaus) ScienceSlam (nächster Termin: 07.10.2016, in der Shakespeare Company) U20 Vorrunde (nächster Termin: 09.10.2016; Finale am 17.10, im Lagerhaus) Die Beatpoeten (nächster Termin: 16.10.2016, im Lagerhaus)

©Maike Duddek

dung für ihre Texte zu erhalten, daran zu wachsen und sich zu verbessern. Im Vordergrund steht dabei der geteilte Spaß an der Literatur, der Gedanke an den Sieg ist nebensächlich. Die Dynamik der Zeit ist hier so gut greifbar wie in keinem anderen Genre, in Slams wird ein Teil der Geschichte unserer Generation weitergegeben. Mittlerweile haben sich zahlreiche Slam-Variationen etabliert: Der Deaf-Slam wird komplett in Gebärdensprache vorgetragen, bei RapSlams stehen Texte im Rapformat im Mittelpunkt, beim ScienceSlam versuchen Forschende dem Publikum ihre Forschungsthemen lebendig zu vermitteln und im U20-Slam kann sich der Nachwuchs ausprobieren. Es lohnt sich also, ab und zu einen PoetrySlam zu besuchen oder sich sogar selbst daran zu versuchen, Texte zu verfassen und auf einer Bühne vorzutragen. Hier wird einem die Möglichkeit gegeben, in kurzer Zeit verschiedensten literarischen Stilen zu lauschen, Ideen für eigene Texte zu sammeln oder einfach nur entspannt mit seinen Freunden den Tag ausklingen lassen und sich im gemütlichen Rahmen der Leidenschaft der Worte hinzugeben. Text: Elina Fläschner

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Me and metal against the world Eine Rezension Endlose Weiten, schneebedeckte Berge, scheinbar unberührte Natur. Einzig eine schlichte Kirche im Hintergrund deutet auf einen Hauch von Zivilisation hin. Doch plötzlich sieht man ein Mädchen, ganz allein, pechschwarz gekleidet, eine E-Gitarre in den Händen haltend. Das Bild einer ruhigen Idylle verpufft, als ein harter und rauer Gitarrenriff erklingt.

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ontraste wie dieser bietet der 2013 erschienene isländische Film „Metalhead“ (Originaltitel „Málmhaus“) von Regisseur Ragnar Bragason. Ein Film über die Metalszene? Aus Island? Kann das funktionieren? Zweifel und Skepsis sind erlaubt, doch eine Auseinandersetzung mit diesem Film lohnt sich. Rahmenhandlung Island im Jahr 1983. Die Familie der 12-jährigen Hera Karlsdottir führt ein beschauliches Leben auf dem Land bis plötzlich Heras Bruder, der 16-jährige Baldur, bei einem Traktorunfall tödlich verunglückt. Um den Verlust zu verarbeiten, schlägt Hera einen speziellen Weg ein: Sie nimmt die Identität ihres Bruders an, der passionierter Anhänger der Metalszene ist, ein Genre, das in Island noch in den Kinderschuhen steckt. Poster von Bands wie Led Zeppelin und Judas Priest schmücken Baldurs Zimmer, seine E-Gitarre samt Verstärker und sein Kassettenrekorder wecken Heras Interesse. Im Laufe der Jahre wird aus dem gewöhnlichen, ruhigen Mädchen ein leidenschaftlicher Metalfan, ein „Metalhead“. Sie beginnt ihre eigenen Songs aufzunehmen, doch gleichzeitig isoliert sie sich von ihrer Umwelt und der Gesellschaft. Ihre Gefühlswelt wird von Aggressionen bestimmt, ihr Leben, so scheint es, ist allein der Musik gewidmet. Durch gezielte Provokationen ihrer Mitmenschen und Gefühlsausbrüchen mehr und mehr zu einer Belastung für ihre Familie und für die ganze Dorfgemeinschaft. Ihre Eltern haben längst die Kontrolle über Hera verloren und das tägliche Leben wird zu einer Zerreißprobe. Metalhead - ein Film über Metal? Wer den Filmtitel allzu wörtlich nimmt und hofft einen tiefen Einblick in die Metalszene zu erhalten, wird schnell enttäuscht sein. Bei Metalhead handelt es sich nicht um einen reinen Musikfilm. Zweifellos werden Fans des Heavy-Metals der 1970er und 1980er insbesondere durch die Musikauswahl auf ihre Kosten kommen: „Victim of Change“ von Judas Priest und „Me Against the World“ (es könnte keinen passenderen Titel geben) von Lizzy Borden sind dabei wohl die bekanntesten Stücke. Eigens für den Film wurde der Song „Svarthamar“ produziert, eine beeindruckende Black-Metal-Hymne, die zum Ende des Filmes von Hauptfigur Hera performt wird. Der Film verdeutlicht auch den Ursprung der wachsenden Popularität der Metalszene im Island der 1980er. Das

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Gefühl, vom eigenen Umfeld nicht verstanden zu werden, Metalmusik als Ventil für die eigenen Emotionen und als Rebellion gegen die bestehenden Verhältnisse. Dazu kommt der Eindruck, dass die (harte) Realität des Lebens einzig durch die Metalmusik vermittelt wird und damit einen Kontrast darstellt zur Popmusik, in der die Realität romantisch verklärt wird. Der Konflikt der Metalszene mit der Kirche und der Religion, aus deren Kreis Metal als „Teufelsmusik“ tituliert wurde, kommt bei der Darstellung Heras gut zur Geltung und ihr Tiefpunkt in diesem Film, so viel sei verraten, hängt unmittelbar mit diesem Konflikt zusammen. Obgleich „Metalhead“ sicher verschiedene Klischees über die Metalszene bedient und einige Darstellungen leicht überspitzt sind, so wird doch deutlich, dass Bragason etwas von der Thematik versteht und es ihm daher gut gelingt, ein glaubwürdiges Bild eines Metal-Anhängers zu schaffen.


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Trauerbewältigung im Vordergrund Trotz allem ist Metalhead in erster Linie ein Drama über die Verarbeitung von Trauer. Regisseur Ragnar Bragason lässt keine Gelegenheit ungenutzt, die Leere und Verzweiflung Heras in den Vordergrund zu stellen. Hera zeigt verschiedene Mechanismen, Trauer und Verzweiflung zu verarbeiten: Die Abspaltung von der Gesellschaft, Alkoholkonsum, die Rebellion, also das Brechen von Regeln und die Suche nach Konflikten (was ihr unter anderem den Job bei einer Fleischerei kostet). Dazu kommt eine scheiternde Affäre mit ihrem Sandkastenfreund Knútur. Immer wieder wird die Plan- und Ziellosigkeit ihres Alltags deutlich. Sie ist auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt und sehnt sich danach verstanden zu werden. Einzig der Metal scheint ihr Kraft zu verleihen, den Alltag durchzustehen. Im weiteren Sinne, und das wird im Laufe des Filmes immer klarer sichtbar, handelt es sich auch um ein Familiendrama. Der Todesfall von Baldur wird verdrängt. Es wird nicht darüber gesprochen, unterstützte sich nicht gegenseitig; Man lebte einfach weiter. Es zeigt sich, ohne zu viel vorwegzunehmen zu wollen, dass es für die ganze Familie notwendig sein wird, sich der Vergangenheit zu stellen und auch auf emotionaler Ebene endgültig Abschied zu nehmen. Bei der Darstellung von Trauer und Isolation kommt das Setting stark zur Geltung. Die endlosen, einsamen und tristen Landschaften in der Einöde Islands tragen zu einer außergewöhnlichen Atmosphäre bei. Handlung, Schauspieler & Soundtrack Die Handlung von „Metalhead“ überzeugt mit interessanten Ideen und teilweise mutigen Einfällen, die Charaktere haben Schattierungen und sind gut ausgearbeitet. Besonders nett: Der Priester als verkappter Metalfan. Bragason Metalhead (Original: Málmhaus) Produktionsland: Island Erscheinungsjahr: 2013 Länge: 97 Minuten Regie: Ragnar Bragason Drehbuch: Ragnar Bragason Schauspieler: Þorbjörg Helga Dyrfjörð, Ingvar Eggert Sigurðsson, Halldóra Geirharðsdóttir, Sveinn Ólafur Gunnarsson Genre: Drama Verleih: Meteor Film/AL!VE

nimmt sich viel Zeit für die Darstellung, daher fehlt es der Handlung zum Teil an Tempo und Dynamik. Für ein Drama, das seinen Fokus auf das Innenleben der Protagnisten legt, ist die Erzählart jedoch passend. Eine Prise trockenen Humors hat „Metalhead“ auch zu bieten und gerade Heras einziger Freund Knútur sorgt mit seiner etwas tollpatschigen und naiven Art für den einen oder anderen Lacher. Gegen Ende verliert sich der Film ein wenig in Hektik und es kommt zu kleineren Handlungssprüngen, die nicht immer genau erklärt werden. Zu kritisieren ist auch die Schlussszene, die ein wenig kitschig wirkt. Die charismatische Þorbjörg Helga Dyrfjörð glänzt als Darstellerin von Hera und verleiht ihr, trotz der durchaus tragischen Rolle, einen gewissen Charme. Der erfahrene Ingvar Eggert Sigurdsson (auch außerhalb Islands bekannt durch seine Rolle als russischer Bergführer Anatoli im Bergsteiger-Drama „Everest“) spielt seine Rolle als Familienvater sehr routiniert. Der heimliche Star ist Halldóra Geirharðsdóttir, die Heras Mutter verkörpert, besonders aufgrund ihres Mienenspiels: Ihre permanent traumatisierten Blicke erwecken stets den Eindruck, als habe sie kurz zuvor einer Hinrichtung beigewohnt. Hervorzuheben ist der Soundtrack. Neben den zuvor erwähnten Metaltracks wird der Film begleitet von subtilen, zum Teil minimalistisch, aber immer etwas düster und bedrohlich wirkenden Klängen, die mit der visuellen Erscheinung des Filmes sehr gut harmonieren. Tiefgründiges Drama Alles in allem ist Metalhead ein berührendes und emotionales Drama, das geschickt den Aufstieg einer musikalischen Subkultur mit der Thematik der Trauerverarbeitung kombiniert. Wer einen Film erwartet, in dem die Protagonisten grölend durch das Land touren und mitreißende Konzerte abhalten, dürfte den Titel missverstanden haben und enttäuscht werden. Wer sich allerdings mit Dramen anfreunden kann, in denen Persönlichkeitsentwicklung und das Innenleben der Figuren im Mittelpunkt stehen, könnte an dem Film Gefallen finden. Metalhead hat das Drama nicht neu erfunden. Kleinere Schwächen gibt es in der Handlung, einige Darstellungen sind übertrieben und klischeebehaftet. Dennoch ist dieser Film eine gute Werbung für die kleine, aber feine isländische Filmindustrie, die man auch künftig im Auge behalten sollte. Text: Florian Fabozzi 35


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