11. Ausgabe

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11.Ausgabe, Dezember 2013

Bremens freies Unimagazin

n a n e g n u r a p +++Eins Utopie und Dystopie Von Stephen King bis Thees Uhlmann

+ + + t s e t o r P r der Uni - de

Das Viertel

Ein polarisierender Stadtteil

Wohnungsnot?

Die studentische Suche nach der geeigneten Wohnung


Inhalt

Kurzmeldungen

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Hochschulpolitik

10 Die KĂźrzungen an der Uni Bremen

Protestwoche

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Studierendennrat

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Akademischer Senat

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Der neue AStA

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KĂźrzungen

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Semesterbeitrag

12

Campusleben Arbeiterkind

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Wohnungsnot

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Kunst, Vandalismus und politische Haltung

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Sehr geehrte Frau Student

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Bremen

14 Die Wohnungsnot als eine stets aktuelle Problematik

Viertelkind

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Raddiebstahl in Bremen

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Vegane Angebote

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Late Line

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Feuilleton Themenseite: Utopie & Dystopie

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Frankfurter Buchmesse

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Ein Tag in Kino 10

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Impressum

20 An vielen Stellen eher schick statt dreckig - das neue 1/4

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Editorial

Liebe KommilitonInnen, liebe LeserInnen! Bildung ist wichtig! Diese gesellschaftskonforme Aussage schreibt sich so gut wie jede Partei auf ihre Fahnen. Stichwort: Bildungsrepublik. Dass dies eindeutig nicht reicht, um ein wirklich gutes Studium zu gewährleisten, merken wir als Studenten der Universität Bremen mittlerweile an allen Ecken. Während die Forschung nicht angerührt wird, soll massiv bei der Lehre gekürzt werden - und das kurz nachdem die Uni sich das Prädikat Exzellenz umgehängt hat. Wie kann man jetzt diesen Titel rechtfertigen, wenn eben genau dort, wo sich die forschende Elite entwickeln soll, in solchem Ausmaß eingespart wird. Dass dies zu Protesten führen würde, war den meisten Verantwortlichen vielleicht bewusst; nicht hingegen, in welchem Umfang diese nun geschehen würde. Exkrement statt Exzellent, so lautet der Kampfslogan der wütenden Studierenden. Doch weshalb sieht sich die Politik trotz vollmundiger Versprechen nicht in der Lage, der Universität bzw. der Hochschule finanziell zur Seite zu stehen? Welche Gründe werden aufgeführt und wieso sollten diese genauer und kritischer betrachtet werden? Der Scheinwerfer gibt euch einen Überblick über die Thematik und beleuchtet verschiedene Aspekte eingehender. Notdürftige Abdeckung der Lehre an der Universität ist eines der studentischen aktuellen Problemfelder, aber alljährlich gesellt sich ein altes Neues hinzu: das der Wohnungsfindung. So würde sich der eine oder andere Student momentan zwar gerne gegen die universitären Missstände auflehnen, ist jedoch zu sehr damit beschäftigt, sich erst einmal eine geeignete Behausung zu suchen. Und genau dies scheint

sich in Bremen besonders schwierig zu gestalten. Angesagte Stadtteile können kaum den Ansturm bewältigen, während die unbeliebteren Gebiete scheinbar ausreichend Platz bieten. Ist diese Wohnungsnot also schlichtweg den auf bestimmte Stadtteile fixierten Studierenden geschuldet? Oder gibt es in Bremen – mit relativer Nähe zur Universität – einfach nicht den notwendigen günstigen Mietraum? Zu den deutlich beliebteren Stadtteilen zählt zweifelsohne das Bremer Viertel 1/4. Neben den unzähligen Restaurants, Bars, Kneipen und kleineren Clubs stimmen eben auch die zentrale Lage und die steigende Wohnqualität. Aber gerade Letzteres macht es für Studenten und alteingesessene Bremer auch so schwer, eine geeignete Wohnung zu finden, denn die sogenannte Gentrifizierung lässt die Mietpreise in die Höhe steigen. Und das dürfte so manchen Studierenden verärgern. Der Scheinwerfer geht näher auf einen bisher eher stillen Protest ein und wirft einen kritischen Blick auf den wohl am stärksten polarisierenden Stadtteil in Bremen. Da das Semester ja bisher eher brisant und rasant war, wünschen wir euch umso mehr ein geruhsames und besinnliches Weihnachtsfest und eine ausschweifende Silvesternacht in eurer vielleicht bis dahin ja sogar eigenen neuen Wohnung.

Jarmila Rakowski

Yannik Roscher

Ihr erreicht uns bei Fragen, Anregungen oder Kritik entweder persönlich auf dem Campus oder unter scheinwerfer@uni-bremen.de. 3


Kurzmeldungen

Kurzmeldungen Neues von der SuUB-Baustelle In der Staats - und Universitätsbibliothek (SuUB) entsteht zur Zeit eine neue Cafeteria im Eingangsbereich. Zwar kommt das Geld für diesen Umbau aus einem seperaten Geldtopf, inwieweit diese strukturelle Maßnahme jedoch tatsächlich erforderlich ist, erscheint zumindest fragwürdig. Ob vielen der Weg in die Mensa, die Glashalle, das GW 2 oder das SFG einfach zu weit ist?

Bruch der Zivilklausel? Wie aus Berichten des NDR bekannt wurde beauftragte das amerikanische Pentagon seit 2000 rund 18 Universitäten in Deutschland mit Aufträgen, darunter auch die Universität Bremen. Die Aufträge sollen insgesamt einen Umfang von zehn Millionen haben. Ob und wie weit dies ein Verstoß gegen die Zivilklausel darstellt, ist aber noch nicht endgültig geklärt.

Studentische Vollversammlung Bei der Vollversammlung (VV) am 28.11.2013 wurden einer Reihe von Beschlüssen bezüglich der Proteste gegen die Stellenkürzungen gefällt. Mehr als 1000 Studierende waren in der Glashalle anwesend, als das höchste Beschlussorgan der Studierendenschaft informierte, diskutierte und schlussendlich entschied. Folgendes wurde von der VV bezüglich der Proteste beschlossen:

Beschluss 1 Die Studierendenschaft lehnt die Kürzungen im wissenschaftlichen Mittelbau und im Verwaltugsbereich in jeglicher Form ab. Stattdessen fordern wir eine ausreichende Grundfinanzierung, um den prekären Arbeitsverhältnissen im Mittelbau und der weiteren Schließung von Studiengängen entgegenzuwirken. Die gleichzeitige Streichung von Mitteln aus sozialen Bereichen, wie der Stadtteilförderung lehnen wir ab. Beschluss 2 Wir fordern das Rektorat der Universität Bremen auf, seiner artikulierten Ablehnung der Kürzungen auch klare Handlungen folgen zu lassen, die Verhandlungen mit dem Senat transparent zu machen und die Kürzungen nicht umzusetzen. Beschluss 3 Wir verurteilen die allgemeine Unterfinanzierung des gesamten Bildungsbereichs und fordern einen freien Zugang zu allen Bil-

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dungsebenen für alle Menschen unserer Gesellschaft. In diesem Sinne lehnen wir sowohl ein selektierendes Schulsystem ab, als auch Hochschulzulassungsbeschränkungen, Studiengebühren und eine wirtschaftsorientierte Hochschulpolitik

Beschluss 4 Wir rufen alle Studierende und Mitarbeiter_innen der Universität Bremen zur Teilnahme an der Großdemonstration am 04. Dezember 2013 gegen die angekündigten Kürzungsmaßnahmen im Bremer Bildungsbereich auf.


Hochschulpolitik

bis zum bitteren Ende An der Uni Bremen sollen über 130 Stellen gestrichen werden. Das könnte das Ende für die Lehrveranstaltungen, wie wir sie kennen, bedeuten.

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it Kissen in allen Formen und Farben habe sich rund 40 Studierende vor dem MZH versammelt. Eine Kissenschlacht soll auf mehr oder weniger friedlichem Weg verdeutlichen: „Wir geben nicht kampflos auf.“ Zur gleichen Zeit klappern die Spendendosen auf dem Bremer Marktplatz. Symbolisch werden Gelder für die Uni gesammelt. Am nächsten Tag stolpern Bürgerschaftsabgeordnete auf ihrem Weg zur Arbeit über Bildungsleichen, während sich die wissenschaftlichen Mitarbeiter zur Personalversammlung treffen. An der Uni regiert der Protest und dass soll auch nach außen getragen werden. Studierende sowie Mitarbeiter wollen sich nicht mehr damit zufrieden geben, dass gute Mitarbeiter die Uni verlassen müssen und Seminare überfüllt sind, weil das Land Bremen nicht genug Geld für seine Hochschulen locker machen will. Mehr als 80 Vollzeitstellen im akademischen Mittelbau und 50 Verwaltungsstellen stehen im Dezember auf dem Spiel, wenn die Bürgerschaftsabgeordneten über den Haushalt für die Jahre 2014 und 2015 abstimmen. Zwar werden der Universität Bremen keine Mittel gestrichen, es kommt aber auch nicht mehr Geld dazu. Hier liegt das Problem, so erklärt es Micha, der gerade den Blog für eine Protestaktion im Internet online stellt. Auf dieser Seite können Protestierende mit wenigen Mausklicks Infomails an die Entscheidungsträger im Land Bremen schicken. Die Abgeordneten werden zum Beispiel dazu aufgefordert, gegen den Haushaltsplan und für eine höhere Grundfinanzierung der Universität zu stimmen. Die Grundfinanzierung, also das Geld, das die Uni jedes Jahr erhält, ist seit 2005 auf ähnlich niedrigem Niveau geblieben. Im Vergleich zu 2005 hat die Universität im Jahr 2011 sieben Millionen Euro mehr vom Land Bremen bekommen. Allerdings sind sowohl die Personalkosten, als auch Kosten für die Instandhaltung der Uni von Jahr zu Jahr gestiegen. Mittlerweile liegen die Kosten für das Personal rund 40 Millionen höher als vor neun Jahren. Die Instandhaltungskosten sind im selben Zeitraum (2005 bis 2011) von zehn auf 17 Millionen angestiegen (Quelle: Rechenschaftsbericht des Rektors 2011). Anfang November attestierte der Wissenschaftsrat der Universität Bremen eine jährliche Unterfinanzierung und schlug vor, der Universität dringend mehr Geld zur Verfügung zu stellen oder aber weniger Studierende aufzunehmen. Laut des Rates sind „deutliche Mängel in der Personal- und Infrastrukturausstattung [...] bereits heute sichtbar.“ Während in den letzten Jahren nur vereinzelt Studiengänge um ihre Zukunft bangen mussten (man erinnere sich an die Proteste des Stugas Kunst), sind dieses Mal fast alle Fächer betroffen. Nach Berechnungen des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) würden durch die Stellenkürzungen 320 Semesterwochenstunden wegfallen. Das sind in etwa 180 Seminare weniger. Durchschnittlich wird also jeder Fachbereich 30 Veranstaltungen weniger anbieten können. Was das bedeutet, ist bereits in

einigen Studiengängen sichtbar: Seminar mit weit über 50 Teilnehmern, überfüllte Seminarräume und lange Korrekturzeiten. Bereits heute arbeiten viele wissenschaftliche Mitarbeiter auf halben oder sogar viertel Stellen. Das Arbeitspensum kann von der bezahlten Zeit nicht gedeckt werden. Unbezahlte Überstunden stehen auf dem Programm, wollen die Dozierenden Forschung und gute Lehre unter einen Hut bringen. Schon heute stemmen die wissenschaftlichen Mitarbeiter den Großteile der Lehre. Aus diesem Grund spricht mancher Angehöriger des wissenschaftlichen Mittelbaus von weit mehr als 180 fehlenden Seminaren. Die tatsächliche Zahl an gestrichenen Veranstaltungen könnte noch viel höher liegen. Hinzu kommt, dass je nach Vertrag unterschiedlich viel Lehre von einem Dozenten geleistet werden soll. So gibt es Lehrende, die bis zu sechs Semesterwochenstunden Seminare geben sollen. Diese Unterschiede wurden in den Berechnungen des AStAs nicht in jedem Detail berücksichtigt. Kündigungen soll es nicht geben, heißt es. Allerdings werden auslaufende Verträge nicht mehr verlängert und ein Einstellungsstopp wird verhängt, wenn die Grundfinanzierung nicht aufgestockt wird. In vielen Studiengängen laufen zum kommenden Sommersemester Verträge aus. Diese Stellen können dann nicht wieder besetzt werden. Weiter wird versprochen, dass sogenannte Qualifizierungsstellen nicht in Gefahr sind. Das sind Stellen, die zum Beispiel Promovierende inne haben. Allerdings gibt es auch hier einen Haken an der Sache: Die betroffenen angehenden Wissenschaftler müssen nachweisen, dass sie vorgegebene Etappen ihrer Forschung schon erreicht haben, andernfalls verlieren sie ihren Anspruch auf ihre Stelle. Ähnlich wie im Bachelor-Master-System ist aber auch hier die Zeit knapp bemessen. Neben den Lehrverpflichtungen der betreffenden Personen bleibt kaum Zeit, die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Bisher zeigen sich viele Politiker unbeeindruckt vom Protest. Bildungssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) bedauert im Gespräch mit diversen Regionalsendern zwar die Einsparungen, spricht aber auch davon, dass diese Teil einer schon vor längerer Zeit abgestimmten Strategie seine. Eine höhere Grundfinanzierung sei daher nicht vorgesehen. Außerdem habe Bernd Scholz-Reiter dieser Strategie seiner Zeit zugestimmt. Damit zeigt sich: Die Versprechungen des Rektors, für eine bessere Finanzierung der Uni zu sorgen, scheinen längst vergessen. Nun bleibt zu hoffen, dass genug Abgeordnete gegen den geplanten Haushalt stimmen und sich das Blatt auf diese Weise noch einmal wendet. Auf DIE LINKE können die Studierenden vermutlich zählen. Seitens der Partei wurde erklärt, dass DIE LINKE den Proteste unterstützen würde. Bis zur Haushaltsabstimmung Mitte Dezember bleibt Studierenden und Mitarbeitern jedoch nur Hoffen und Bangen - und protestieren Text: Marie Bornickel Foto: Aktionsbündnis Uni Bremen, bearbeitet von Katrin Pleus

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Hochschulpolitik

Studierendenrat (SR) In seiner Verpflichtung, den Studenten das hochschulpolitische Geschehen der Universität Bremen näher zu bringen, stellt der Scheinwerfer euch hier den Studierendenrat vor - die parlamentarische Vertretung von uns Studenten.

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er Studierendenrat (SR) wird alljährlich gewählt und ist das höchste ständige beschlussfähige Organ der Studierendenschaft. Wahlberechtigt sind alle Studierenden der Universität Bremen. Im Fokus des SR stehen die Wahl und Kontrolle des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), und der Beschluss von Richtlinien und Vorgaben für den AStA. Im SR sind derzeit sieben Listen vertreten. Diese sind: - Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI) - Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband (SDS) - Ring Cristlich-Demokratischer Studenten (RCDS) - Liste der StudiengangsAktiven (LiSA) - Campus Grün (CG) - AStA für Alle (AfA) - Hochschulpiraten Die 25 zu besetzenden SR-Plätze sind wie folgt verteilt: - RCDS 4 - Die PARTEI 3 - LiSA 4 - AfA 7 - Hochschulpiraten 1 - SDS 1 - CG 5

Aktuelle Beschlüsse: SR-Beschluss 2013-10-16/02 16.10.2013 Wirtschaftsprüfung des Haushaltes (01.04.2013 26.02.2013) durch externe Wirtschaftsprüfer 20 Ja • 0 Nein • 0 Enthaltung SR-Beschluss 2013-10-16/03 16.10.2013 Übertragung der SR-Sitzungen per Livestream Modul 1: 9 Ja • 8 Nein • 1 Enthaltung Änderungsantrag Modul 2: 10 Ja • 7 Nein • 1 Enthaltung SR-Beschluss 2013-11-06/04 16.10.2013 Erklärung des Studierendenrats zu den anstehenden Stellenkürzungen 16 Ja • 1 Nein • 1 Enthaltung SR-Beschluss 2013-11-06/05 16.10.2013 Veröffentlichung einer Präsentation zum Bericht des Wissenschaftsrates 16 Ja • 0 Nein • 2 Enthaltung 6

STUDIERENDie öffentlichen Sitzungen finden in der Regel am ersten Mittwoch des Monats um 18 Uhr statt. Da die Räume sich ändern können, ist es sinnvoll sich für aktuelle Informationen in den Mailverteiler aufnehmen zu lassen. Unter: https://mailman.zfn.unibremen.de/cgi-bin/mailman/ listinfo/sr-info ist dies möglich.

Mehr Informationen unter: http://sr.uni-bremen.de/wiki/ Hauptseite

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Hochschulpolitik

Akademischer Senat (AS) In seiner Verpflichtung, den Studenten das hochschulpolitische Geschehen der Universität Bremen näher zu bringen, stellt der Scheinwerfer euch hier den Akademischen Senat vor - das zentrale Beschlussorgan der Uni.

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m AS werden zentrale Entscheidungen getroffen, die die gesamte Universität betreffen. Hierzu zählen vor allem die Entscheidungen bezüglich der Mittelzuweisungen und -beschaffung, des Hochschulentwicklungsplans und die Wahl des Rektors beziehungsweise der Rektorin. Aktuell ist dies Professor Doktor-Ingenieur Bernd Scholz-Reiter, der während der Sitzungen auch den Vorsitz inne hat. Des Weiteren wird hierin beispielsweise auch darüber entschieden, ob bestimmte Studiengänge aufgelöst oder finanziell beschnitten werden. Nicht zuletzt beschließt der AS auch über die Grundordnung und nimmt den jährlichen Rechenschaftsbericht des Rektorats entgegen. Somit sind viele der getroffenen AS-Entscheidungen für uns Studenten unmittelbar bemerkbar. Darum sind in diesem Gremium auch Vertreter der Studentenschaft repräsentiert, jedoch lediglich mit vier von 22 Plätzen. Insgesamt setzt sich der AS nun wie folgt zusammen: - - - - -

7 Professoren 5 Dekane 4 Akademische Mitarbeiter 4 Studenten 2 Sonstige Mitarbeiter

Aktuelle Beschlüsse:

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Themenfeld: Hochschulpolitik Titel: Tag des Gedenkens für die Opfer des Nationalsozialismus 2014 (XXV/21)

DENSCHAFT

Mehr Informationen unter: http://www.uni-bremen.de/as

Die öffentlichen Sitzungen finden jeweils von 8:3013:00 Uhr im Raum B 3009 im GW 2 statt. Kommende Termine sind: 22. Januar 2014 19. Februar 2014 23. April 2014 21. Mai 2014 18. Juni 2014 16. Juli 2014 22. Oktober 2014 19. November 2014

Themenfeld: Rechenschaftsbericht des Rektorates Titel: Rechenschaftsbericht des Rektorates 2012 (XXV/22) Themenfeld: Universität und Gesellschaft / Hochschulpolitik der Universität Titel: Tätigkeitsbericht der Zentralen Kommission für Frauenfragen (ZKFF)(XXV/23) Themenfeld: Organisation des AS Titel: Sitzungstermine für das Jahr 2014 Text: Zusammengestellt von Yannik Roscher Grafik: Katrin Pleus, Quelle AStA Uni Bremen

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Hochschulpolitik

Der neue AStA Nachdem die Studierendenratswahl vom 27. bis 31. Mai von statten ging, wurde knapp vier Wochen später in einer konsolidierenden Sitzung des Studierendenrates (SR) die neue „Regierung“ von uns Studenten gewählt, der Allgemeine Studierenden Ausschuss (AStA). Dies geschah nach turbulenter und wenig konstruktiver Verhandlungsphase. Höchst problematisch ist nun, dass der neue AStA lediglich mit einfacher Mehrheit gewählt wurde und sich nur auf eine Minderheit im SR stützt. Wie kam es hierzu? 26. Juni Mittwoch Abend. 18:00 Uhr in der Uni. Während die meisten Studenten mittlerweile den Campus verlassen haben beginnt offiziell die konstituierende Sitzung des Studierendenrates (SR). Ziel des Tages ist die Wahl eines SR-Präsidiums und eines möglichst breit aufgestellten AStA, um die Interessen der Studierendenschaft bestmöglich vertreten zu können. Nicht zuletzt verwaltet der AStA die Studentengelder und ist Arbeitgeber. Kein Wunder also, dass sich trotz des später werdenden Tages sich eine Reihe von – meist listenangehörigen – Interessenten versammelt hatte. Viele Gerüchte hatten zuvor die Runde gemacht, wer mit wem koalieren würde. Jedoch wurde gleich zu Beginn deutlich, dass es, trotz anscheinend vieler Verhandlungen zwischen den Listen, keiner Koalition gelingen würde eine absolute Mehrheit stellen zu können. So kam es gleich bei Beginn zu einer einstündigen Pause, zum Zwecke weiterer Verhandlungen. Doch der Plan noch kurz vor den ersten personellen Wahlen einen, die absolute Mehrheit gewährleisteten, AStA auf die Beine zu stellen, scheiterte. Zwar hatte sich eine Koalition aus Asta für Alle (AfA), Die PARTEI und Hochschulpiraten gefunden, diese konnte jedoch lediglich elf von den für die absolute Mehrheit notwendigen 13 Stimmen aufbringen. Der größte Streitpunkt, weswegen sich die bisher vorhandene Koalition aus AfA und campus grün (CG) nicht fortsetzte, schien hierbei die von CG geforderte Eingliederung des Scheinwerfers in das Pressekonzept (der Scheinwerfer berichtete). Hierbei forderte CG einmal eine Eingliederung innerhalb von sechs Monaten, später innerhalb von zwei Monaten. Es ist hierbei durchaus fragwürdig, dass die Koalition, welche einen breiten linken AStA zustande gebracht hätte, in erster Linie an diesem einen Punkt scheiterte. Letztendlich versuchte es die Koalition aus AfA, PARTEI und Hochschulpiraten sowohl die Wahl des SR-Präsidiums und des AStAs alleine zu stemmen. Hierbei nutzen sie die Möglichkeit, dass es ab dem dritten Wahlgang lediglich einer einfache Mehrheit bedurft. Nichtsdestotrotz benötigte die Koalition die schweigende Zustimmung anderer – also der Enthaltung anderer SR-Mitglieder -, um zumindest die minimal erforderliche Wahl des SR-Präsidiums, der AStA-Vorsitzenden und mindestens zweier Referate gewährleisten zu können. Während es bei der Wahl des SR-Präsidium (Chris Fahsing von AfA, Kevin Kyburz von der PARTEI und Marvin Pollock von den Hochschulpiraten) noch einigermaßen schnell von statten ging, bedurfte es bei der Wahl von Jean-Jaques Dengler zum AStA-Vorsitzenden ganze sechs Wahlgänge – so viele wie nie zuvor. Allein hierdurch 8

wurde und wird deutlich, auf was für wackeligen Beinen der neue Studierenden-Ausschuss steht. Daher betonten die dem neuen AStA angehörigen Listen nach der Sitzung auch in den nächsten Monaten für Gespräche offen zu sein, um doch noch einen breitere Basis im SR gewährleisten zu können. Anfang Oktober Die erste große Aufregung ist bereits vergangen und der AStA hat sich soweit möglich konsolidiert. Der noch von der konsolidierenden SR-Sitzung eingeschlagene Weg hat sich bei den Listen verfestigt. Nach wie vor gibt es einen AStA aus AfA, Piraten und PARTEI. Und nach wie vor ist dieser nicht in der Lage eine eigene absolute Mehrheit im SR auf die Beine zu stellen. Und dazu wird es wohl in dieser Legislaturperiode wohl auch nicht mehr kommen. Denn wie nun aus den Listen zu hören ist, haben die Koalitionsverhandlungen zwischen CG und AfA, sowie zwischen Piraten, PARTEI, CG, LiSA und SDS vor allem deren unterschiedlichen Auffassungen bezüglich Transparenz und Pressekonzept zu Tage gefördert. Gerade für die Piraten sei es „zu unterschiedlichen Ansichten mit LiSA bezüglich der Transparenz gekommen. So sollten die AStA-Protokolle nicht mehr zur Gänze öffentlich gemacht werden, sondern nur hochschulöffentlich. Dies ist mit uns als Piraten jedoch nicht machbar gewesen“. Auch der Scheinwerfer war ein Streitthema. Während die Piraten vor der Eingliederung des Scheinwerfers in das Pressekonzept eine Umfrage unter den Studenten bezüglich hierzu erwünschten, wollten CG und LiSA eine schnellstmögliche Eingliederung erreichen. Diese diene laut CG dem Ziel eine „Pressepluralität unter Gleichberechtigung aller Veröffentlichungen" zu erreichen, und somit dem "Abbau elitärer Strukturen". Des Weiteren wollte CG eine Abschaffung dauerhafter, bezahlter Beauftragungen erreichen, denn diese "sollen nicht die Funktion neuer Referate übernehmen, die das ganze Jahr über bezahlt werden. Beauftragungen auf diese Weise als Ämterverschaffung zu nutzen,“ würden den AStA zu sehr aufblähen. Dies war dann auch die Knackpunkte, weswegen es zu keiner Fortsetzung einer Koalition aus AfA und CG kam. Von Seiten AfAs „sei es schade, dass Campus grün nicht dabei ist. Gerade bei der politischen Arbeit hätte man gerne auch CG im Boot gehabt.“ Das diese Uneinigkeit erst Stunden vor der konsolidierenden SR-Sitzung entscheidend zum Zusammenbruch einer möglichen Koalition aus SDS, CG, PARTEI, Piraten und LiSA führte ist dann natürlich kritisch zu betrachten. Vor allem da es zwischen


Hochschulpolitik

Von links nach rechts: Jean-Jacques Dengler (AStA Vorsitzender), Ben Noethlichs (Referent für Soziales), Swantje Müller (AStA Vorsitzende), Marvin Pollock (Referent für Hochschulpolitik), Bardha Bahtiri (Referentin für Kultur und Sport), Kevin Kyburz (Beauftragter für Hochschulgruppen), Jan Romann (Finanzreferent/Vorstandsmitglied) Abwesend: Rob Wessel (Transparenz und Öffentlichkeit), Jan Cloppenburg (Hochschulpolitische Vernetzung) Alexander Berberich (Anti-Diskriminierung), Tim Ruland (Studium und Lehre) amtlichen Endergebnis der SR-Wahl und der konsolidierenden SR-Sitzung Wochen für Koalitionsverhandlungen gab. Das sich Piraten, PARTEI und AfA nun doch noch füreinander entschieden, sei vor allem auf gemeinsame Ziele im Sozialen und der Transparenz zurückzuführen. Auch habe man einen „guten persönlichen Draht zueinander“, wie die Piraten betonten . Aber was bedeutet dieser AStA und die Tatsache einer Minderheitskoalition im SR nun für uns Studenten? Dazu haben die Listen, zwangsläufig, divergierende Meinungen. Programmatisch will sich der neue AStA um die Fortführung bestimmter Bereiche bemühen, aber auch neue Themen anstoßen. Als Kernaspekt sieht AfA hierbei das Referat für Soziales, welches sich beispielsweise um die Kita-Plätze an der Uni kümmern möchte. Für die Piraten sei es von enormer Bedeutung „die Leute mehr einzubinden und den SR und AStA bekannter unter den Studierenden zu machen.“ Ganz konkret soll die Wahlbeteiligung nach oben gebracht werden. Wie gut das gelingt, wird man spätestens anhand der kommenden SR-Wahl 2014 sehen. Die PARTEI will im Bereich der Mobilität der Studenten für Verbesserung sorgen. So soll es die Möglichkeit geben, nebst normalen Fahrrädern demnächst auch Lastfahrräder auszuleihen. Des Weiteren sollen kulturelle Veranstaltungen fortgeführt, oder auch ausgebaut werden. Bemerkenswerter Weise sieht sich die PARTEI momentan dazu genötigt, eine gewissermaßen grüne Linie zu vertreten, „die wir momentan bei CG vermissen.“ Bei all diesen Themen stellt sich natürlich die Frage der Umsetzbarkeit. Denn auch hierzu muss der SR den Haushalt billigen. Wie dies gelingen soll ist zumindest fraglich. Der neue Asta-Vorsitzende Jean-Jaques sagt hierzu: „Das durchbringen des Haushaltes wird spannend. Wir hoffen, dass den anderen Listen bewusst ist, dass am Haushalt ja nicht nur listenprogrammatische Aspekte dranhängen, sondern auch 30 Arbeitsplätze.“ Auch Piraten und PARTEI sehen dem Durchbringen des Haushaltes zwar spannend entgegen, geben sich aber optimistisch. Nicht zuletzt, auch wenn das die Listen von sich aus nicht zugeben würden, weil der RCDS wohl keine komplette Blockade an den Tag legen wird. „Sollte mit uns gesprochen werden, lassen wir den Haushalt nicht scheitern. Trotzdem ist es äußerst peinlich, dass es nicht geschafft wurde einen breiten AStA auf die Beine zu stellen, der den Haushalt alleine durchbringen kann“,

so der Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) auf Anfrage des Scheinwerfers. Mit dieser kritischen Haltung steht der RCDS jedoch nicht alleine. Zwar sei auch CG nicht aus Prinzip gegen jegliche Ideen des AStAs, jedoch werde man den Haushaltsentwurf kritisch unter die Lupe nehmen müssen. Auch die Problematik des Minderheits-AStAs bewertet campus grün ambivalent. "Dafür, dass die Arbeit im momentanen AStA auf wenige Schultern verteilt ist, schlägt er sich teilweise ganz gut, allerdings bleibt offenbar keine Zeit für Fingerspitzengefühl in der Personalarbeit. Dies zeigt sich unter anderem deutlich an der kollektiven Kündigung aller Mitarbeiter*innen des KFZ-Verleihs zu Ende September." Wie sieht die Zukunft aus und wohin deuten die bisherigen Entscheidungen im SR? In erster Linie vielleicht überraschend, gelang es dem AStA sich bisher bei Entscheidungen im SR durchzusetzen. Dies liegt nicht gerade an der breiten Zustimmung anderer Listen zu AStA-Themen, sondern vielmehr an der Nicht-Teilnahme von oppositionellen Listen an SR-Sitzungen. Gerade Vertreter von LiSA und SDS glänzten mit Abwesenheit, wodurch der AStA auf einmal doch eine absolute Mehrheit zutage bringen kann. So konnte unter anderem in der SR-Sitzung vom 16.10.13 eine zuvor kontrovers behandelte Entscheidung bezüglich einer LiveStream-Übertragung von SR-Sitzungen durchgebracht werden. Dies geschah mit einer Ja-Stimme mehr. Hätten alle Vertreter der Opposition ihr Mandat hierbei wahrgenommen, wäre dieser Antrag wohl gescheitert. Wohl auch in Zukunft ist, zumindest dass das einleuchtende Kalkül der AStA-Listen, mit verwaisten oppositionellen Listenplätzen im SR zu rechnen. Sollte dies nun doch anders kommen, wird sich zeigen müssen, inwieweit sich gemeinsame Kompromisse finden lassen. Eins jedoch scheint offensichtlich: Dieser AStA muss bei Entscheidung auf deren Durchsetzungen bangen. Das dies weder im demokratischen Anspruch des SR noch im Sinn der Studenten liegt, ist wohl offensichtlich. Text: Yannik Roscher Foto: Greta Gregor, Logo AStA Universität Bremen

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Hochschulpolitik

Kürzungen an der Uni Bremen Die Universität Bremen in einer wegweisenden Phase. Massive Kürzungen und Stellenabbau, Proteste und politische Debatten. Schon lange spüren manche Studiengänge die Folgen der Unterfinanzierung.

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wei Jahre, fünf Millionen Euro, offiziell 130 Stellen. Derzeit werden an der Uni viele Zahlenspiele getätigt, doch diese sind ernster als manch einer am Rande der Proteste denkt. Die strukturelle Unterfinanzierung aufgrund der seit Jahren ausbleibenden Anpassung der Grundmittel seitens des Bremer Senats und daraus resultierende Kürzungen sind schon lange bekannt. Ebenso das sich mit dem Exzellenzstatus und privaten Zuwendungen von Wirtschaftsunternehmen stetig verschiebende Verhältnis zu Drittmitteln und deren Verteilung nach wirtschaftlicher Nutzbarkeit. Hinzu kommen steigende Energiekosten und Tarifvereinbarungen. Sachzwänge und daher notwendige Sparmaßnahmen - oder doch eine schleichende Umstrukturierung des Bildungssystems? Die Maßnahmen sind die gleichen: Drastische Kürzungen im wissenschaftlichen Mittelbau sowie der Technik und Verwaltung. Daraus ergeben sich tiefgreifende Konsequenzen in Form der stetigen Reduktion von Studienangeboten und -plätzen, der ausbleibenden Neubesetzung von Professuren oder der steigenden Überbelastung wissenschaftlicher Mitarbeiter. Ganze akademische Traditionen stehen vor dem Aus. Die Anzahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse steigt, zusätzlich verstärkt durch den wachsenden Drittmittelanteil. Eine Stellungnahme seitens des Rektorats blieb bis zum jetzigen Zeitpunkt aus. Von Solidarisierung mit den von der Unsicherheit ihrer Beschäftigung geplagten wissenschaftlichen Mitarbeitern und Universitätsangehörigen kaum eine Spur. Noch ist nicht sicher, wo genau die Stellenstreichungen getätigt werden und welche Entwicklungsstrategien die Universität genau verfolgt. Der Haushalt wird im Dezember beschlossen; umso wichtiger ist daher die Beteiligung an der politischen und universitären Diskussion. Denn zu spüren sind die Auswirkungen der Sparpolitik schon längst. So zum Beispiel beim Studiengang der Integrierten Europastudien (IES). Hier wurden Studierende im WiSe 2011/12 mit der prekären Lage konfrontiert. Bereits am Semesterbeginn wurde verkündet, die IES habe sich auf Kürzungen einzustellen. Es stand fest, dass die Stellen einiger Dozenten nicht verlängert würden. Gerüchte gingen um, dass das gesamte Jean-Monet-

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Center (bzw. das CEuS), quasi das Herzstück der IES, abgeschafft werden soll. Die Frage, ob es zukünftig überhaupt noch weitere Jahrgänge geben werde, stand im Raum. Auch der Studiengang Kunst musste weitreichende Kürzungen auf sich nehmen. Daraus resultierten im Winter letzten Jahres Protestaktionen wie etwa der Trauermarsch zum Wissenschaftsrat, eine symbolische Beerdigung des Studiengangs. Erste Vernetzungen mit anderen Studiengängen fanden statt und im zeitweise besetzten Raum 3009 im GW2 wurden Protestaktionen geplant.

Aufmarsch beim Rektorat Das ist nur einzelne Beispiele für die seit langer Zeit steigende Unsicherheit unter Lehrenden und Studierenden. Die sich in Kombination der sich verschlechternden Zustände und der anstehenden Kürzungen akkumulierenden negativen Stimmungen weiten sich aus. Auch der Studiengang Sport ist schon längere Zeit stark betroffen. Ebenso wie die Behindertenpädagogik ist auch diese Disziplin bald ganz aus dem universitären Studienangebot gestrichen. „Einige Seminare werden wohl zusammengelegt. Dies betrifft hauptsächlich Modul 1, da es zum letzten Mal angeboten werden soll. Aber handelt es sich dabei noch um eine gute Lehre?“, hinterfragt der StugA-Sport. Ein chronischer Mangel an Dozenten, der Wegfall von Semesterwochenstunden, verspätet stattfindende Seminare oder solche, die letztlich in ein Blockseminar gelegt werden, sind schon jetzt exemplarisch für das, was noch viele andere Studiengänge in den folgenden zwei Jahren erwartet. An vielen Stellen der Universität werden derzeit Protestaktionen geplant und durchgeführt, das statusgruppenübergreifende Aktionsbündnis Universität Bremen bringt eine sich verdichtende Vernetzung aller Beteiligten hervor und das Bewusstsein für das schwerwiegende Problem nimmt stetig zu. Dazu beigetragen


haben beispielsweise der Aufmarsch beim Rektorat, der eine klare Stellungsnahme der Unileitung herbeiführen sollte oder der „Death Mob“ auf den Domtreppen, welcher den Protest in die außeruniversitäre Öffentlichkeit trug. Fragwürdig erscheinen in dieser Phase beispielsweise Äußerungen wie die des Dekans der Wirtschaftswissenschaften. Dieser betont in seinen Vorlesungen die überdurchschnittlich gute Lage des Fachbereichs, der keinesfalls von Kürzungen betroffen sein werde. Angesichts der sich anbahnenden Umstrukturierung des gesamten universitären Bildungssystems führen solche Äußerungen in die Irre, denn letztlich betreffen die Entwicklungen jeden Universitätsangehörigen. Wohin wird sich die Universität Bremen bewegen? Das kann zurzeit noch keiner beantworten, doch Befürchtungen einer Zukunft von gestrichenen Disziplinen, überlasteten wissenschaftlichen Mitarbeitern und hoffnungslos überfüllten Seminaren steigen. Der Weg des Bildungsabbaus, des steigenden Leistungsdrucks, der Befristung von Arbeitsverhältnissen und der widerstandslosen Umstrukturierung der Universität nach wirtschaftlichen Zwängen kann nicht der richtige sein. Wo bleibt die freie Bildung und Forschung? Wo die von seiten der Universität immer wieder proklamierte wissenschaftliche Vielfalt? Wo gerechte Beschäftigungsverhältnisse? Geäußerte Aussichten der Senatorin für Bildung und Wissen-

schaft Eva Quante-Brandt in einem Interview des Nordwest-Radios wie etwa die mögliche Zusammenlegung von Studiengängen der Hochschule und Universität oder auch die Notwendigkeit, die Finanzierungsnotlage schlicht als Faktum sehen zu müssen, versprechen wenig Hoffnung. Forderungen werden lauter, dass das Land Bremen sich nicht aus der Verantwortung der Finanzierung von Lehre und Forschung ziehen dürfe und die Universität sich stärker für eine gerechte Finanzierung und die Vielfalt in ebendieser einsetzen müsse. Die Entwicklungen in den folgenden Wochen sollten aufmerksam verfolgt und aktiv begleitet werden. Dass Protestaktionen und das Engagement vieler Studenten sich auszahlen können, ist vielleicht die hoffnungsgebende Wegweisung der letzten Wochen. So sollen fünf Millionen Euro zukünftig den Bremer Hochschulen dazugegeben werden – für die Lehre. Die taz berichtet von 40 geretteten Stellen. Die Universität mit all ihren Angehörigen befindet sich in einer wegweisenden Phase, die jeder aktiv beeinflussen kann. Es ist die Zeit der Umstrukturierung, des Protests und auch neuer Ideen.

Aktionsbündnis Universität Bremen In diesem Bündnis haben sich Angehörige des akademischen Mittelbaus und der Studierendenschaft zusammen geschlossen, um auf die Kürzungen und die allgemeine Unterfinanzierung an der Uni aufmerksam zu machen. Der durchaus heterogene Zusammenschluss organisiert die Proteste und dient als Kommunikationsplattform. Wöchentliches studentisches Aktiventreffen: Donnerstags, 14h im GW2 auf den Haupttreppen Mehr aktuelle Infos: http://blogs.uni-bremen.de/aktive2013/ Kontakt: aktiveunibremen@gmx.de

Death Mob auf den Domtreppen in der Innenstadt

Text: : Merlin Pratsch und Yannik Roscher Fotos: Ulrike Bausch (Death Mob), Aktionsbündnis Universität Bremen

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Hochschulpolitik

Wofür wir zahlen Über Studiengebühren wird viel gesprochen. Dabei zahlen wir bereits alle schon in jedem Semester einen Beitrag.

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ie oft ist zu hören, dass Studierende über ausreichend Geld verfügen würden? Familie und Bekannte ermahnen viele von uns, doch endlich einmal Steuern zu zahlen. Dies wird gesagt und dabei häufig ignoriert, dass unsere Ausbildung nicht kostenlos ist. Jedes Semester kostet uns Geld - und viele wissen gar nicht so ganz genau, wofür es verwendet wird. Ein Blick in das Portemonnaie von Claudia soll manche Frage klären. Claudia studiert Physik im vierten Semester. Wir stehen gemeinsam in der Glashalle, es ist Ende September und die 23jährige Studentin hat einige Hundert Euro in ihrer Geldbörse. Das ist ziemlich viel Geld und immerhin ist der Monat beinahe vorbei. Als wir uns unterhalten, tritt nach einiger Zeit ein freundlicher Mitarbeiter des Studentenwerks an unsere Seite, der uns lächelnd seine leere Hand hinhält. Claudia greift ins Portemonnaie, nimmt 65 Euro heraus und reicht sie dem Mann. Er nickt und geht weiter. „Das Studentenwerk“, erklärt sie mir, „finanziert auch mein Wohnheim.“ Außerdem sei sie einmal bei der Psychologisch-Therapeutischen Beratungsstelle gewesen. Das war zwar schon vor zwei Semestern, doch die Leute wollen schließlich bezahlt werden. Während wir ein paar Schritte Richtung Boulevard schlendern, läuft eine Dame mittleren Alters an uns vorbei. Ganz in grau mit strengem Zopf läuft sie auf gleicher Höhe und führt konzentriert Berechnungen auf ihrem Tablet durch. „Das macht dann einmal 50 Euro bitte.“, erklärt sie uns unaufgefordert. „So wie immer.“ Claudia greift wieder zu ihrem Geld und zahlt die Dame aus. „Fast 20000 Studierende sind hier gemeldet. Das ist ein enormer Verwaltungsaufwand.“ Ich betrachte leicht verwundert, wie routiniert sie beim Bezahlen ist, aber völlig Unrecht hat sie nicht.

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Kurz vor dem Boulevard tritt eine Gruppe Studierender an uns heran. Die drei sind direkt von der AStA-Etage gekommen, die sich oben in der Glashalle befindet. Die sehr alternativ wirkende Studentin mit Dreadlocks, Piercings und einem Mate-TeeGetränk in der Hand sieht witzig aus, wie sie neben dem etwas überreif wirkenden Anzugträger steht, von dem ich nicht genau weiß, ob er Student oder Anwalt ist. Der Dritte im Bunde wirkt wenig speziell, lächelt aber und hält die Hand hin, wie wir es schon kannten. „Einmal 12,50 Euro bitte. Es ist diesmal etwas teurer geworden, tut uns leid.“ Claudia bezahlt, grinst mich an und erklärt mir, dass dies die studentischen Vertreter seien. „Der AStA bekommt auch etwas Geld. Ich weiß nicht immer genau, wofür er es gebraucht. Im Idealfall nutzt er es irgendwie für uns alle.“ Als wir oben angekommen sind, fällt uns auf, wie die Zeit vergangen ist. Leider ist es jetzt zu spät, noch einmal in die Bibliothek zu gehen, und unten kommt die Straßenbahn. Wir drehen uns um und laufen die Treppen herunter. Doch noch bevor wir über die Straße huschen können, fährt eine andere Bahn ein und versperrt uns den Weg. Die Türen öffnen sich und aus einer der Türen steigt ein einzelner Mitarbeiter der BSAG. „Das sind dann diesmal 134,10 Euro.“, erklärt er nüchtern, während unsere Bahn uns entwischt. Claudia bezahlt und lächelt schief. Studieren kostet Geld, dieses Semester genau 261,10 Euro. Ob das angemessen ist, mag jeder selbst beurteilen. Text: Björn Knutzen Illustration: Samira Kleinschmidt


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Das klassische Arbeiterkind gibt es nicht mehr – Erstakademikern wird trotzdem geholfen

Wenn man anfängt zu studieren, stellen sich tausend Fragen. „Was studiere ich am besten?“, „Kann ich das überhaupt?“ und nicht zuletzt „Wie finanziere ich das Ganze?“ sind dabei Stationen, die Zeit und Nerven kosten.

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ine Fülle von Beratungsstellen, unter anderem die Studentenwerke, versuchen jungen Leuten weiterzuhelfen, sie wollen Perspektiven aufzeigen und Denkanstöße geben. In den meisten Fällen spielt trotzdem das persönliche Umfeld die wichtigste Rolle, man tauscht sich mit Freunden aus und ist besonders auf den Rat der Familie bedacht. Dort, wo in der eigenen Familie jedoch die Erfahrung mit akademischen Ausbildungen fehlt, versucht die bundesweite Initiative Arbeiterkind.de Abhilfe zu schaffen. Arbeiterkind.de hat sich auf die Fahne geschrieben, Schüler und Studierende, die als Erste in ihrer Familie ein Studium antreten, zu unterstützen. Dass die Förderung von Kindern aus nicht-akademischen Haushalten bitter nötig ist, zeigt unter anderem die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks aus dem Jahr 2012. Laut dieser Studie beginnen nur 23 % der Kinder von NichtAkademikern ein Studium, wohingegen 77 % der Kinder aus Akademikerhaushalten anfangen zu studieren. Es wird einmal mehr deutlich, dass in Deutschland immer noch die soziale Herkunft über den Bildungsweg entscheidet – von Chancengleichheit kann nicht die Rede sein. Genau darin erkennt David Rosengart, Student an der Uni Bremen und Pressesprecher der Arbeiterkind.de Gruppe Bremen, das Problem und meint: „Jeder sollte dieselben Chancen haben – wenn er sich anstrengt und alles gibt.“Die Initiative will der Situation mit verschiedenen Angeboten entgegenwirken und so langfristig mehr junge Menschen, die nicht aus akademischen Haushalten stammen, an die Universitäten und Fachhochschulen bringen. Arbeiterkind.de will diesem Ziel mit unterschiedlichen Aktionen näher kommen, so werden beispielsweise Info-Abende an Schulen sowie offene Sprechstunden angeboten. Neben der reinen Information hält Rosengart besonders die sehr persönliche Art der Beratungfür wichtig. „Das direkte Gespräch ist immer wieder eine enorm hilfreiche Institution. Wichtig ist, dass für jeden, der Unterstützung sucht, ein adäquates Angebot vorliegt. Oft ist das Gespräch mit einem Studenten, der aus seinen eigenen Erfahrungen berichten kann, Gold wert.“ Eben jenes direkte Gespräch will Arbeiterkind.de aber nicht nur zwischen Studierenden und Schülern herstellen, es soll ein breiter Austausch zwischen Menschen ganz unterschiedlicher Couleur angeregt werden. „Studenten, berufstätige Banker, der pensionierte Beamte – mittlerweile sind wir eine große Gruppe mit unterschiedlichsten Mitgliedern, die über große Expertise verfügt.Das Erlebte weiterzugeben macht vielen Mentorinnen und Mentoren große Freude. Sowohl Mentor als auch Mentee profitieren von unserer Arbeit, da der gegen-

seitige Austausch neue Sichtweisen öffnet. Wirklich jeder ist bei uns herzlich willkommen!“, erzählt David Rosengart. Der Politikund Rechtswissenschaften-Student erklärt aber auch, dass Mentoren keineswegs immer und überall Profis sind. „Jeder Mentor kann aus seinen eigenen Erfahrungen – sei es ein Studium im Ausland oder das Jobben neben dem Studium– unterschiedliche Themengebiete abdecken. Wir als Arbeiterkind.desind nur eine wichtige Komponente im Gefüge der Beratungsstellen, auch das Studentenwerk oder die Studienberatung leisten einen bedeutenden Beitrag.“ Bisher hat sich an der Uni Bremen noch keine offizielle Beratungsstelle von Arbeiterkind.de etablieren können, im Gegensatz zu beispielsweise Hannover oder Braunschweig. Rosengart gibt als Grund dafür an, dass öffentliche Stellen immer wieder für das Thema sensibilisiert werden müssen und Handlungsbedarf zunächst aufgezeigt werden muss. „In jüngster Zeit haben wir Gespräche mit der Universität geführt und wir konnten einige Denkanstöße bewirken. Wir glauben, dass sich bald einiges verändern wird“, gibt der 22-Jährigeals zuversichtliche Zukunftsprognose ab. Nach Veröffentlichung einer Art Leitfaden für den Umgang mit Nicht-Akademiker-Kindern für Dozenten der Freien Universität Berlin kam es im Juni dieses Jahres zu einem kleinen Skandal. Jener Leitfaden strotzte vor Klischees und Vorurteilen, Dozenten sollten beispielsweise keine schwierigen Fachwörter in Gegenwart „solcher Studierender“ benutzen. Dass Arbeiterkind.de trotz seiner angebotenen Unterstützung solche Gedankengänge vielleicht verstärken könnte, hält David Rosengart nicht für denkbar: „Es stimmt, der Begriff „Arbeiterkind“ ist etwas überspitzt. Die klassischen Arbeiterkinder gibt es nicht mehr, der Name ist aber einprägsam und plakativ.Solche Vorurteile, wie in der Denkschrift der FU genannt, sind bloßer Unsinn.Studierende sollten nach ihren Leistungen und ihrem Engagement gemessen werden – nicht nach dem Berufsstand ihrer Eltern oder ihrer sozialen Herkunft.“ www.arbeiterkind.de bremen@arbeiterkind.de

Text: Alina Klöpper Logo: ArbeiterKind

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Der Wohnluxus und sein Preis Zuziehende haben es bei der Wohnungssuche in Bremen oft nicht leicht. Die Angebote scheinen begrenzt, beliebte Wohngegenden werden bei Wohnungsbesichtigungen förmlich überrannt, viele reden von einer Wohnungsnot. Eine aussichtslose Lage?

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m Viertel lässt es sich gut leben. Das können die meisten bezeugen, die sich zu den Bewohnern Bremens alternativsten Stadtteils zählen dürfen. Die Preise, die dort häufig für eine Wohnung abverlangt und bezahlt werden, bestätigen die Sympathie für das Viertel. Diese ist besonders unter jungen Leuten verbreitet. Fair enough! Das Ostertorviertel überzeugt mit seinem gemütlichen Ambiente und seiner kulturellen Szene. Hier fühlt man den Puls der Stadt, das Nachtleben ist lebendiger als an den meisten Orten Bremens. Auch die Nähe zum Weserufer und zur Innenstadt macht die Gegend zum begehrten Anlaufpunkt vieler junger zuziehender Menschen. Gefragt sind auchdas familienfreundliche und etwas verträumteFindorff mit seiner Nähe zum Bürgerpark oder das gutsituierte Schwachhausen - von hier aus ist es nur ein Katzensprung zur Uni. Beide Stadtteile stehen für Neuankömmlinge auf Wohnungssuchenicht selten ganz oben auf der Wunschliste. Auch Neustadt zählt besonders für Studenten der Fachhochschule Bremen zu den attraktivenStadtteilen zum Wohnen. Bezirke wie Gröpelingen, Osterholz oder Huchting kommen dagegen vielmehr als Außenseiter daher. Gerade mit Beginn des Wintersemesters spitzt sich die Lage auf dem Bremer Wohnungsmarkt jedes Jahr zu. Die Wartelisten universitätsnaher Studentenwohnheime sind dann zumeist frustrierend lang. Auf der Bewerberliste des Studentenwerks Bremen standen zu Beginn des diesjährigen Wintersemesters mehr als 500 Studierende. Davon suchten zum nächstmöglichen Zeitpunkt über 400 Studenten eine Unterkunft. Kurzum: Viele Studierende stehen mit dem Antreten ihres Studienplatzes ohne eine Wohnung oder geeignete Unterkunft dar. Wenn die Strecke zum ohnehin sehr mühseligen Pendeln zu lang ist, kommen diese notdürftig in Hostels unter oder wohnen übergangsweise bei Freunden oder Bekannten. Sogar Campingplätze wurden in Bremen schon als letztes Mittel vorübergehend bewohnt.Städte wie Hamburg, Berlin oder München verfrachten neu zugezogene Studenten ohne Wohnung bereits turnusgemäß in improvisierte Turnhallen und umgebaute Container. Auch in Bremen hat das Thema in den letzten Jahren erheblich an Brisanz gewonnen. Im Hinblick auf den im vergangenen Sommer erhaltenen „Exzellenz-Status“ der Universität wird sich die Stadt Gedanken um ausreichend bezahlbaren Wohnraum machen müssen. Der Bedarf an geeignetem Wohnraum wird weiter steigen. Die unbequeme Wohnungssuche hinterlässt unlängst ihre Spuren. Für Studierende bedeutet die missliche Wohnungssituation nicht selten ein Studienbeginn, der von regelmäßigen 14

Wohnungsbesichtigungen begleitet wird. Die sind vor allem zeitraubend und leider oft auch erfolglos.Für einige hat die Situation das Maß des Erträglichen dabei bereits überschritten. Die Antwort deprimierter Wohnungssuchender mündete in Bremen, wie zuletzt Ende August, in einem Protestzug durch die Bremer Innenstadt. Neben Studenten beteiligten sich auch Obdachlose, Migranten und Rentner bei der Aktion. Ihren Frust zum Ausdruck bringend, zeigten viele Teilnehmer Fotos von leerstehenden Gebäuden, die trotz großem Bedarf an Wohnraum nicht bewohnt werden. Die von dem Aktionsbündnis „Menschenrecht auf Wohnen“ organisierte Veranstaltung machte mit ihrer Aktion öffentlich auf die prekäre Lage aufmerksam und forderte das Land Bremen auf, aktiv zu werden. Doch gibt es in Bremen keinen Wohnraum mehr zu halbwegs erschwinglichen Preisen? Sprechen wir von einer Wohnungsnot? Der Mietspiegel für die Stadt Bremen deutet zweifelslos auf eine sich radikalisierende Situation auf dem Wohnungsmarkt hin. Die Preise für Mieten steigen jährlich merklich an. Für eine 30m² - Wohnung liegt der durchschnittliche Mietpreis aktuell bei 9,03 EUR/m². 2011 lag der Preis dafür noch bei 6,69 EUR/ m². Für eine 100m² - Wohnung bezahlt man in Bremen derzeit durchschnittlich 8,02 EUR/m², vor zwei Jahren waren es knapp 6,80 EUR/m². Wer im Stadtteil Bahnhofsvorstadt, Handelshäfen oder Lehe wohnt, muss heute am tiefsten in die Tasche greifen. Die Mietpreise variieren hier zwischen 10 und 12 Euro pro Quadratmeter. Auch die bei Studenten begehrten Stadteile Ostertor, Schwachhausen und Findorff spielen mit durchschnittlichen Mietpreisen zwischen 8,00 und 9,00 EUR/m² in der oberen Preisliga mit. Die Preise steigen, weil die Nachfrage es erlaubt. Insgesamt geben die steigenden Mietpreise herzlich wenig Grund zur Freude. Nichtsdestotrotz verbleiben die durchschnittlichen Preise für Wohnungen in Bremen unter den deutschlandweiten Durchschnittspreisen. Auch in Bremen zeigt sich die Lage entspannter, wenn man einen Blick über die begehrten Favoriten hinweg in die peripheren Stadtteile wirft. Dort hat die Stadt durchaus preiswerte Wohnungen anzubieten. So liegen die durchschnittlichen Mietpreise in Gröpelingen, Walle oder Vegesack zwischen 5,20 und 5,70 EUR/m². Das sind durchaus zumutbare Kosten für einen Studenten. Die Einschnitte, die man in Punkto Zentralität und städtischem Flair machen muss, führen auch zu weniger Andrang Zuziehender. Die Wohnungssuche gestaltet sich dort also weitaus entspannter. Eine massive Wohnungsnot kann vor diesem Hintergrund für Bremen nicht


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festgestellt werden. Die Tatsache, dass es durchaus bezahlbare Wohnungen in Bremen gibt, darf natürlich nicht über das wichtige Thema um genügend Wohnraum hinwegtäuschen. Das Thema wird in Zukunft nicht an Präsenz verlieren. Eine massive Wohnungsnot zeichnet sich in Bremen bisher jedoch nicht ab. Diese wird schnell heraufbeschworen, nimmt man nur die privilegiertesten Stadtteile in den Blick. Während vor allem die Viertel rund um die Innenstadt prächtig gedeihen, bleiben andere Stadtteile dem Fokus Zuziehender oft verschlossen, die durchaus preiswerte Wohnmöglichkeiten offerieren. Wohnungen im Ostertorviertel, in Bahnhofsvorstadt oder Schwachhausen bleiben Objekte der Begierde, zum Schnäppchenpreis werden die Wohnungen dort auch nie gehandelt werden. Das Angebot wird dem Bedarf dort auch in Zukunft nicht gerecht werden. Das muss es auch nicht, der Wohnluxus hat seinen Preis. Aufgabe der Politik ist es, in erster Linie dafür Sorge zu tragen, dass auch andere Stadtteile attraktiver werden und das Interesse Wohnungssuchender erregen. Auch der Ausbau universitätsnaher und preiswerter Wohnheime, der nicht ausschließlich im Interesse privater Inhaber vorangetrieben wird, sollte sich hier auf die Fahnen geschrieben werden. Bei ca. 31.000 Studierenden in

Bremen und 1.786 Wohnheimplätzen in Bremen sowie 136 Plätzen in Bremerhaven,liegt die Unterbringungsquote aktuell bei knapp sechs Prozent. Ein Armutszeugnis, klagen viele. Konkret plant das Studentenwerk dagegen derzeit eine neue Wohnanlage zwischen Walle und dem Hafengebiet. Hier soll Studierenden in Zukunft preiswerter Wohnraum angeboten werden können. Für die Stadt Bremen gilt darüber hinaus, nicht zuletzt über den aktuellen BAföG-Satz, der für nicht bei den Eltern wohnende Studierende derzeit nur 224 Euro im Monat für die Miete vorsieht, zu diskutieren.

Text: Lukas Henseler Illustration: Hülya Yalcin

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Kunst, Vandalismus und politische Handlung Die Uni wird oft als grau und unästhetisch kritisiert. Neben offensichtlichen Schönheitsfehlern wie farblosem Beton tragen auch einige Studierende zum Äußeren der Uni bei. Was dabei Kunst ist und was Vandalismus, ist mit unter schwer zu beantworten.

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er Blick auf die universitäre Landschaft des Campus dürfte nicht nur manche Erstsemester verwundern. Während an der einen Stelle ein neuer Boulevard entsteht, sitzen Studierende in den großen Hörsälen an vollgeschriebenen Tischen. Wo vor einiger Zeit einerseits ein neues Café im GW2 aus dem Boden gestampft wurde, zieren andererseits bunte Farbverläufe den angrenzenden grau-weißen Betonturm, der wie ein Mahnmal in die Höhe ragt. Ganz zu schweigen davon, dass auch das neue Café und der sich im Bau befindliche Boulevard längst zum Ziel studentischer Aktionen wie Graffiti und Beklebungen geworden sind. Schmierereien und Werke, die als studentische Kunst deklariert werden, scheint es schon immer gegeben zu haben. So zeitlos und allgegenwärtig das Thema auch ist, verliert es eben nie an Aktualität. Erst im Juni dieses Jahres machten Sachbeschädigungen innerhalb der Unibibliothek die dortigen Mitarbeiter erneut auf dieses Thema aufmerksam. So hieß es dort über die frei zugängliche Literatur im Bereich der Politikwissenschaften: „Seit etwa einer Woche finden wir zerstörte Bücher. Wir gehen davon aus, dass eine einzelne Person gezielt Literatur zerstört.“ Auf Nachfrage des Scheinwerfers erklärt Claudia Bodem, Leiterin der Benutzungsabteilung, jedoch: „Wir konnten keine inhaltlichen Gemeinsamkeiten feststellen.“ Eine politische Aktion ist zumindest in diesem Fall also zweifelhaft. Obwohl die Tat augenscheinlich nicht aufgeklärt werden konnte, sind die entsprechenden Stellen nicht machtlos. Vor einiger Zeit sei es beispielsweise auch einmal zu einem Hausverbot gekommen, nachdem ein Nutzer im Juridicum und im Zeitschriftenlesesaal wiederholt Bücher und Zeitschriften beschmiert hatte. Generell liege die Problematik jedoch woanders: „Das größte Problem bei uns ist das Unterstreichen, Markieren und Kom-

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mentieren von Buchtexten, die in der Regel dazu führen, dass wir die Bücher neu kaufen müssen“, erklärt Bodem dazu. Zwar gebe es aus Gründen entsprechenden Mehraufwands keine offiziellen Statistiken. Die meisten Studierenden werden solcherart bearbeitete Werke jedoch kennen. Tatsächlich stellt sich vielfach die Frage nach den Motiven der jeweiligen Täter und danach, ob etwas als Sachbeschädigung, Kunst oder gar als politische Aussage gedacht ist. Während ein hingeschmiertes Anarchiezeichen aller popkulturellen Verwendung zum Trotz darauf schließen lässt, dass irgendwie gegen irgendetwas protestiert werden soll, sind andere Zeichen schon deutlich weniger einfach einzuordnen. Das gilt beispielsweise für die regenbogenfarbige Fassade des Turms auf dem Weg zum GW2. Diese Erscheinung brachte es dabei sogar bis in den Weser Kurier und verschaffte dem Werk wie auch den Tätern die vielleicht gewünschte öffentliche Aufmerksamkeit. Im Juni des vergangenen Jahres wurde an jener Stelle auf ähnliche Aktionen an der Bildungsbehörde und sogar einem Wohnhaus am Ostertorsteinweg hingewiesen. Universitätssprecher Eberhard Scholz erklärte damals ziemlich gelassen: „Die Fassade soll irgendwann überstrichen werden.“ Fast humorvoll lässt sich die darauf folgende Erklärung deuten: „Manche sind sogar der Meinung, dass das Gebäude nun besser aussieht als vorher.“ Ähnliches sei von Mitarbeitern der Bildungsbehörde zu vernehmen. Politisch im spezifischen Sinne scheint die Aktion jedoch nicht zu sein. Bekennerschreiben fehlen. Und zu den Werken selbst erklärte Polizei-Sprecher Dirk Siemering damals: „Eine bestimmte politische Richtung lässt sich aus den Zeichen nicht erkennen.“ Anders ist dies häufig bei so genannten Studierendenprotesten. Fast jeder Protest der vergangenen Jahre ging mit Sachbeschädi-


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Der richtige Ort für das politische Statement? gungen oder Veränderungen am Innenleben oder dem Äußeren der Universität einher. Oftmals handelt es sich dabei um antikapitalistische Parolen, Aufkleber oder die tatsächliche Zerstörung von Materialien. Im Zuge des Protests von 2009 wurden beispielsweise die weißen Projektionsflächen in etwas besser ausgestatten Räumen mit Farbe beschmiert, was eine Nutzung nahezu verunmöglichte. Ein Jahr zuvor kam es im Zuge eines anderen Protestes gegen finanzielle Kürzungen zu Malereien und Beklebungen jenes Saales, in dem der Akademische Senat, das höchste beschlussfassende Universitätsgremium, tagte. Studierende der Mathematik, Informatik und der Digitalen Medien kritisierten diese Aktionen damals und verwiesen auf Beschwerden von Studierenden, die in diesen Räumen Veranstaltungen hätten. In Bezug auf die Umsetzung der Kürzungen und den entsprechenden Protest hieß es: „Wir vertreten die Ansicht, das Vandalismus

nicht der richtige Weg ist, um dagegen zu protestieren.“ Diese Debatte wird indes immer wieder geführt und sorgt auch unter den an den Protesten beteiligten Studierenden wiederholt für Auseinandersetzungen. Es zeigt sich, dass meist eine Minderheit zu derartigen Mitteln greift, um auf Probleme aufmerksam zu machen. Auch eine der jüngsten Auseinandersetzungen um die so genannte Zivilklausel, die sich gegen militärische Forschung an der Uni richtet, ging unter anderem mit Wandmalereien einher. Immer wieder steht am Ende die Frage der Einordnung. Aktivisten aus dem hochschulpolitischen Bereich würden viele Parolen und Graffiti als Ausdruck politischer Positionen betrachten. Die Universität bewertet diese Taten überwiegend als kostenverursachenden Vandalismus. Es erscheint indes sehr wahrscheinlich, dass Studierende auch in zwanzig oder dreißig Jahren über auf Tische gekritzelte Sätze und Graffiti aus unserem Jahrzehnt stolpern werden. Kunst, Vandalismus und politische Statements als kommunikative Verbindung von Generationen. Auch eine Sicht der Dinge. Denn immerhin ist das alles ein Produkt studentischer Kultur.

Text: Björn Knutzen Fotos: Ulrike Bausch und Katrin Pleus (Hörsaal)

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Sehr geehrte Frau Student… Genderwahn, Spielwiese von Akademikern oder unnötige Sprachverkomplizierung. Die Vorwürfe an Vertreter geschlechtergerechter Sprache sind zahlreich. Viel wird diskutiert, noch mehr aber polemisiert. Ein Beitrag zur Reflexion und Debatte.

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ie Sprache gehört wohl zu jenen Bereichen, denen man ihre Dynamik besonders anmerkt. Begriffe, die einst völlig gebräuchlich waren, sorgen häufig für Heiterkeit. Kaum ein Mensch unterhalb der Sechzig würde heranwachsende Mädchen heute noch als Backfisch bezeichnen. Auch einige mitunter rassistisch unterlegte Begriffe finden heute keine Verwendung mehr: Zum Glück! Am deutlichsten aber ist die Kritik aus der so genannten feministischen Ecke, die sich auch als emanzipatorisch oder progressiv beschreibt. Von dort aus betrachtet stehen neben den Bürgern immer auch die Bürgerinnen, wer Studenten schreibt, meint alle Männer, während Studentinnen erst extra angesprochen werden müssen. Andere verwenden das „Binnen-I“ und fügen beide Geschlechter in einem Wort zusammen. Auch unter StudentInnen* ist diese Praxis verbreitet. Zuletzt setzen viele Schreiber_Innen eine Lücke, andere Autor*Innen setzen ein Sternchen zwischen die Mehrheitsgeschlechter Mann und Frau. Dies soll dann sämtliche Geschlechter einschließen, Transgender, Intersexuelle und allgemein alle, die sich keinem eindeutigen Geschlecht zuordnen lassen oder lassen wollen. Der Schrägstrich und die Klammer sind bei den meisten Texter/ innen und besonders unter sich selbst als progressiv beschreibenden Student(innen) längst verpönt. Der Vorwurf lautet, dass zwar beides auch Frauen benennt, jedoch textlich an den Rand stellt. Spätestens an dieser Stelle wird offensichtlich, dass es um mehr geht als pure Biologie. Vertreter** geschlechtergerechter Sprache betrachten diese als maßgeblich für unser aller Bewusstsein. Wer von Ingenieuren spricht, denke nicht an weibliche Menschen mit dieser Profession. Gleiches gelte für viele andere Bereiche und auch umgekehrt. So werden Diebe und Mörder nach dieser Ansicht im Bewusstsein der Menschen zumeist männlich sein. In letzter Konsequenz führe dies dann dazu, dass Frauen sich nicht in vermeintliche Männerberufe trauen und Männer sich von angenommenen oder tatsächlich weiblich dominierten Berufsfeldern fernhalten. Darüber hinaus würden real existierende Menschen ausgeschlossen, weil sie nicht ins Raster passen. Kaum irgendwo ist die Produktion von Texten so verbreitet wie im akademischen Umfeld. Und tatsächlich ist schwer zu leugnen, dass die Diskussion um geschlechtergerechte Formulierungen vornehmlich im universitären Bereich oder in Verwaltungsbehörden stattfindet. Das bezeugen auch die aktuellsten Vorstöße der Unis Leipzig und Potsdam in Richtung generisches Femininum. Anders als in einer damaligen Onlineausgabe des SPIEGEL und

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auch im vorliegenden Artikel suggeriert, geht es nicht darum, den Professor künftig eine Frau zu nennen. Wie auch der tagesspiegel und die Süddeutsche Zeitung im Juni und Juli dieses Jahres berichteten, geht es erst mal um bloß formallinguistische Veränderungen von Satzung und Geschäftsordnung. Ironischerweise resultiert der Antrieb dazu oft nicht aus wirklicher Überzeugung. In Potsdam sei es nach der Berichterstattung der Süddeutschen darum gegangen, Texte wieder lesbar zu machen. Diese seien durch all die Schrägstriche und Doppelnennungen „verhunzt“ worden. Selbst Feministinnen wie Charlott Schönwetter, Autorin im Blog mädchenmannschaft.net, halten diese Praxis offenbar für problematisch. So schreibt sie: „Auch das Umschreiben in eine allein weibliche Form produziert wieder Ausschlüsse, genauso wie das Verdeutlichen von mitgemeinter Zweigenderung in der Fußnote.“ Das Ziel sei jedoch ein anderes: „Das Umschreiben einer gesamten Hochschul-Grundordnung in die feminine Form kann für Irritation und somit Auseinandersetzung mit sexistischen Realitäten sorgen.“ Allen aktuellen Auseinandersetzungen haftet aber der Geruch des Praxisfernen an. Nur in seltenen Fällen wird ein Diskurs innerhalb jener Bereiche geführt, die von sich verändernden Sprachregeln betroffen sind. Wo ist die inneruniversitäre Debatte um geschlechtergerechte Formulierungen in Haus- oder Abschlussarbeiten, für die ansonsten doch so vieles standardisiert wird? Wo sind studentische Kongresse fernab politisch-elitärer Kleinstzirkel? Wo treten die Akademiker des vergangenen, akademisch männlich-dominierten, Jahrtausends in den Diskurs mit den Studierenden der 2000er Jahre? Vielleicht haben auch andere schon die Erfahrung gemacht, dass Mitstudierende ein stückweit von diesen neuen Ansprüchen überfordert sind. Während sich viele Studierende schon immer Sorgen darüber machten, ob ein erwähltes Thema den Prüfern gefällt, müssen sie sich heute vermehrt der Frage stellen, wie geschlechtergerecht es denn sein dürfe. Dass Studierende zu eigener Meinung und selbstständigem Denken angehalten sind, steht außer Frage. Der Lebenswirklichkeit der um Akzeptanz ringenden angehenden Akademiker entspricht eine solche Sichtweise vielfach jedoch nicht. Und es beschränkt sich dabei nicht auf den Bereich der Ausbildung. Zur Wahrheit der neuen Zeit gehört es auch, dass Studierende, die sich politisch einbringen möchten, bei Studierendenprotesten schief angeschaut oder sogar zurechtgebrüllt werden, wenn sie ich zur Gruppe der Studenten und nicht Studierenden zählen.

Ein Diskurs innerhalb des Lehrbetriebs böte jedenfalls manche Erkenntnis. So spielt die Frage geschlechtergerechter Formulierungen in der Praxis beispielsweise der Geowissenschaften kaum eine Rolle. Der dortige Professor Doktor von Dobeneck erklärt dazu: „Das Binnen-I ist bei uns eher unüblich und würde vermutlich als etwas affektiert angesehen, aber toleriert.“ Es würden häufig sowieso neutrale Begriffe verwendet. In Bezug auf studentische Leistungen stellt von Dobeneck fest: „In geowissenschaflichen Studienarbeiten würde eine geschlechtergerechte Formulierung kaum auffallen, da nicht namentlich bekannte Personen dort kaum vorkommen - schließlich geht es um natürliche Prozesse und allenfalls geschlechtsneutrale Gattungsbegriffe.“ Ähnlich dürfte es sich mit dem gesamten Bereich der Naturwissenschaften verhalten. Es gilt zu bedenken, dass Sprache der Verständigung dient. Wenn die offene Debatte auch und gerade im Praxisbereich jedoch unterbleibt, droht Unverständnis auf allen Seiten. Aktuell zeigt sich die Diskussion häufig als Konflikt zwischen progressiven linken Zirkeln und konservativen Sprachhütern. Dazwischen stehen Frauen- und Antidiskriminierungsbeauftragte mit Diskussionsveranstaltungen und Workshops. Und trotzdem bleibt das Thema oftmals erschreckend theoretisch. Es könnte ein Anfang sein, die Formulierungsfrage in den Lehrbetrieb zu tragen und sie bloßer Theorie und ideologischen Grabenkämpfen im sachlichen Diskurs zu entziehen.

*Zur Verdeutlichung der nicht allen bekannten Schreibweisen wurden in diesem Text Beispiele eingefügt. **Der Autor betrachtet sich als Vertreter geschlechtergerechter Sprache, verwendet hier jedoch unter anderem aufgrund von Einheitlichkeit und bisher üblichen Lesegewohnheiten das generische Maskulinum.

Text: Björn Knutzen Illustration: Katrin Pleus

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Bremen

Viertel-Kind Als Viertelbewohner steht man im ständigen Konflikt mit dem wohl polarisierensten Stadtteil in Bremen.

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s ist Samstagmorgen. Die ersten Marktverkäufer bauen ihre Stände auf, während sich die letzten Nachteulen auf den Heimweg machen. Überall liegen Scherben, Müll und Essensreste. Noch ist es ruhig auf den Straßen. Vor knapp dreißig Jahren war das Viertel der soziale Brennpunkt in Bremen. Die Sielwallkreuzung, unter den Bremern auch bekannt als „die Ecke“, war ein beliebter Treffpunkt der Drogenszene. Das Steintor und das Ostertor wurden besetzt von Punks, sozial Ausgegrenzten und Freigeistern, die hier aufgenommen und toleriert wurden. Heute erinnern nur noch die Schwarzlichter an manchen Häusern an die düstere Drogenvergangenheit und die negativen Schlagzeilen werden auch weniger. Das Viertel hat sich zu einem Kultur- und Szeneviertel entwickelt. Immer mehr Menschen zieht es in den polarisierenden Stadtteil, der sich vor allem durch das bunte Nebeneinander von Döner-Buden, Edelboutiquen, Restaurants, Bioläden und Fairtrade-Geschäften auszeichnet. Selbst der offene Drogenhandel und der Rotlichtbezirk um die Helenstraße werden akzeptiert. Die zentrale Lage zwischen Weserstadion, Innenstadt, dem Osterdeich und die Tendenz zur sozialen Aufwertung macht das Viertel für viele Leute attraktiv. Die steigende Wohnqualität treibt die Immobilienkosten in die Höhe. Wo früher vor allem Studenten und Alternative zu Hause waren, ziehen jetzt pensionierte Lehrer, Rechtsanwälte und Doktoren ein. Jeder, der was auf sich hält kommt ins Viertel. Sehen und gesehen werden – so lautet die neue Devise. So ist es nicht verwunderlich, dass in den letzten Jahren das Wort Gentrifizierung immer öfter zu lesen ist. Es umschreibt eben genau diese Aufwertung eines Stadtteils, den Umbau und die Sanierung alter Häuser sowie die damit einhergehende Veränderung der Bevölkerung. Was man in der Vergangenheit primär in Berlin PrenzlauerBerg oder im Schanzenviertel in Hamburg beobachten konnte, ist nun auch im Bremer Viertel allgegenwertig. Es erstaunt also nicht, dass im Zuge dessen die alt eingesessenen Viertelbewohner oder diejenigen die den ursprünglichen Charme dieses Stadtteils zu schätzen wissen, gegen die Veränderung vorgehen. Als Paradebeispiel hierfür, steht wohl das neu sanierte ReweGebäude am Ziegenmarkt im Herzen des Steintors. Der riesige weiße Neubau zieht zwar alle Blicke auf sich, allerdings nicht weil es besonders hübsch ist, sondern weil es architektonisch leider gar nicht in das ursprüngliche Steintor passt. Immer häufiger liest man Sätze wie „Das Steintor bleibt dreckig“ an den Häuserwänden. „Auf die Straße gegen die Gentrifizierung“ so lautet das Motto der Gegner.

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Es gibt aber auch eine andere Seite des Viertels. Für viele Neuzugezogene ist es ein Schock, wenn sie feststellen müssen, dass das Leben im Viertel, im Vergleich zu anderen Stadtteilen und trotz der enormen Aufwertung, manchmal nicht ganz so einfach ist. Denn fast jeden zweiten Samstag spielt Werder. Betrunkene und pöbelnde Fußballfans urinieren in die Vorgärten und Hauseingänge, werfen mit Flaschen und blockieren die Gehwege und Straßenbahnen. Es sind aber nicht nur die Fans die sich derart benehmen, auch das feierwütige Publikum, welches am Wochenende in Scharen ins Viertel pilgert, hinterlässt seine Spuren. So kommt es hin und wieder vor, dass man an seinem eigenen Haus ein neues Kunstwerk bewundern darf. Denn das Viertel ist eine große Leinwand für Jedermann, der sich als Künstler neu entdecken möchte. Deshalb kann man seit einigen Jahren beobachten wie sich immer mehr Hauseigentümer ein professionelles Graffiti an die Fassade sprühen lassen. Die nonchalante Art der Bewohner und das besondere Flair der alten Straßen und Häuser verleitet viele dazu sich ebenso ungeniert zu benehmen. Vielleicht ist genau das einer der Gründe dafür, weshalb das Viertelfest so verkleinert wurde, welches einmal im Jahr veranstaltet wird. Es war der bisherige Höhepunkt für die meisten Viertelbewohner. Auf mehreren Bühnen konnte man ein ganzes Wochenende lang Musiker aus aller Welt bewundern und an vielen Ständen präsentierten Künstler ihr Können. Dank Essensbuden und Bierständen entstand eine sehr nette Atmosphäre. In den vergangenen Jahre wurde das Viertelfest allerdings verkleinert. Durch größer werdenden Bekanntheitsgrad zog es immer mehr Umländer an. Die hundertprozentige Sicherheit konnte so nicht mehr garantiert werden. „Die Veranstaltung ist so groß geworden, so populär, dass sie in diesen Dimensionen kaum noch verantwortungsvoll zu organisieren ist", so der Ortsamtleiter Robert Büchking im vergangenen Jahr. Als Viertelbewohner steht man also im ständigen Konflikt mit seinem Stadtteil. Neben den unterschiedlichen Kulturen und seinem besonderen Charme, hat man ständig damit zu kämpfen, dass das Viertel eine Amüsiermeile ist, was die meisten Besucher ohne nachzudenken ausnutzen. Kein Stadtteil hat eine so rasante Entwicklung durch gemacht und über kein anderes Stadtteil kann man wohl eine so ausführliche Diskussion führen. Fakt ist, dass ein jeder selbst entscheiden muss, was er aus Stein – und Ostertor macht und ob er dem Trend des Gentrifizieren folgen will oder nicht. Das Viertel unterliegt einem ständigen Wandel und in dreißig Jahren sieht es sicherlich wieder ganz anders aus als heute. Text: Jarmila Rakowski Foto: Katrin Pleus


Bremen

Es ist dann mal weg Bremen ist Spitzenreiter – leider in einer ganz und gar unerfreulichen Statistik. In keinem anderen Bundesland ist die Zahl der pro 100.000 Einwohner gestohlenen Fahrräder so hoch. Doch nicht nur „ganze“ Fahrräder sind bei den Dieben begehrt…

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s ist den meisten von uns wohl leider schon einmal passiert. Gerade hat man mit seinem schönen Fahrrad noch eine kleine Tour in die Stadt unternommen, hat unbeschwert seine Besorgungen erledigt, und wenn man dann zurück will – nichts. Das Fahrrad ist weg. Einfach so. Geklaut. Laut Allgemeinem Deutschen Fahrrad Club (ADFC) wurden im Jahr 2009 pro 100.000 Einwohner in Bremen 1.274 Fahrräder geklaut. Damit sind wir bundesweiter Spitzenreiter. Und das sind nur die gemeldeten Fälle. Die Dunkelziffer liegt vermutlich noch sehr viel höher. Der Anteil der aufgeklärten Fälle ist mit durchschnittlich 10,3 Prozent im Jahr 2009 verschwindend gering. In Bremen liegt er mit etwas mehr als vier Prozent sogar noch deutlich unterhalb des Bundesdurchschnitts. Doch wie kommt es überhaupt dazu? Was macht Fahrräder für Diebe so attraktiv und was führt zu dieser miserablen Aufklärungsquote? Laut ADFC sind die Gründe für einen Fahrraddiebstahl vielfältig. Sie reichen vom Gelegenheitsdiebstahl bis zum organisierten Verbrechen. Der Schaden, der pro Jahr aus allen gestohlenen Fahrrädern resultiert, belief sich im Jahr 2009 auf über 100 Millionen Euro. Es ist sogar noch davon auszugehen, dass der wahre Wert, sehr viel höher liegt. Ihr findet, das klingt jetzt ein wenig übertrieben? Dann geht einmal durch die Bremer Innenstadt und haltet eure Augen offen. Wenn man darauf achtet, so ist man doch erstaunt, an wie vielen Ecken man auf ausgeschlachtete Fahrräder stößt. Mal fehlt das Vorderrad, mal das Hinterrad, manchmal gar beide, und in einigen Fällen haben die Diebe dem Radfahrer sogar nur noch dieses überlassen – ein einzelnes, angekettetes Rad. Doch neben dem leichten Geld und der schnell verfügbaren Transportmöglichkeit, haben viele Fahrräder für Diebe auch den Vorteil, dass sie quasi anonym sind. Dabei ist eine Registrierung des eigenen Fahrrads denkbar einfach. Auf der Internetseite der Polizei Bremen kann man die Registrierung sogar ganz bequem und jederzeit von zu Hause vornehmen. Über den unten abgedruckten Link gelangt ihr zu einer Internetseite, über die ihr das Formular zur „Fahrradregistrierung online“ ausfüllen könnt. Und falls doch noch Fragen bestehen, so ist natürlich weiterhin auch die persönliche Fahrradregistrierung möglich. Grundsätzlich geht es bei der Registrierung darum, euch und euer Fahrrad samt Merkmale und Nummer in eine Datenbank aufzunehmen. Zusätzlich bekommt ihr eine Identifikationsnummer für euer Fahrrad, die per Aufkleber an diesem befestigt wird. Neben dem ausgefüllten Formular braucht ihr nur noch euren Ausweis und natürlich einen Nachweis dafür, dass ihr auch wirklich euer Fahrrad registrieren lassen wollt.

Laut Polizei Bremen sind solche registrierten Fahrräder „für Diebe eher uninteressant, weil ein Diebstahl leicht nachgewiesen werden kann“. Doch es gibt sogar noch mehr Tipps und Tricks, wie ihr euer Fahrrad optimal schützen könnt. Ganz besonders wichtig ist natürlich das richtige Schloss – gegebenenfalls auch mehrere. Wichtig ist dabei, dass es ein so genanntes VdS-Gütesiegel trägt. Nur damit könnt ihr euch wirklich sicher sein, dass es nicht so leicht zu knacken ist. Doch auch ein sogenannter Fahrradpass kann sinnvoll sein. Bei eurem Fahrrandhändler, der Polizei oder – ganz neu – auch als App könnt ihr diesen erhalten. In ihm werden alle wichtigen Daten eures Fahrrades dokumentiert, sodass eine eindeutige Zuordnung nach einem Diebstahl möglich ist. Zum Abschluss noch ein Tipp aus meiner eigenen Erfahrung. Wenn ihr Schnellspannverschlüsse an euren Rädern oder eurem Sattel habt – seid vorsichtig. Ganz besonders in den Sommerferien. Wenn so viele von uns wegfahren und darauf vertrauen müssen, dass im Oktober, wenn das neue Semester wieder beginnt und wir zurück nach Bremen kommen, alles noch gerade so ist, wie wir es zurückgelassen haben. Sichert euer Fahrrad zu dieser Zeit ganz besonders. Besorgt euch ein weiteres Schloss. Kettet es an einem Ständer fest und nehmt den Sattel aus der Halterung. Es heißt, einige Fahrraddiebe würden sogar die Räder samt Fahrradständer mitnehmen. Doch wenn dem wirklich so ist, dann sollten wir wenigstens versuchen, diesen Leuten das Leben so schwer wie möglich zu machen.

Text: Sarah Sandmann Illustration: Wienke Menges

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Bremen

Vegan – und nun? Seit einigen Monaten findet ein neuer „Trend“ seinen Weg in alle möglichen Zeitschriften, Zeitungen und Fernsehprogramme: Der Veganismus ist auf dem Weg, von der Allgemeinheit akzeptiert zu werden. Was dahinter steckt und ob man als Bremer leicht auf tierische Produkte verzichten kann, hat der Scheinwerfer versucht herauszufinden.

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Uhr, die Bühne ist der Marktplatz. Testperson? Ich. Seit einigen Monaten gehöre ich zu den 800.000 Deutschen, die sich als Veganer bezeichnen. Wobei ich persönlich sehr vorsichtig mit diesem Wort umgehe. Es gibt einen Unterschied zwischen solchen, die sich vegan ernähren und denen, die vegan sind. Leute, welche die vegane Ernährung bevorzugen, verzichten komplett auf tierische Lebensmittel: kein Fleisch, keine Milch, keine Eier, kein Honig – häufig auch krankheitsbedingt. Daher der Unterschied: Veganer verzichten komplett auf alle (!) tierischen Produkte, tragen somit auch kein Leder und keine Wolle. Wieso ich mich mit dem Veganismus beschäftigt habe? Ganz einfach: mit der verstärkten Betrachtung auf das, was die Menschen irgendwie ausmacht: das Essen.

Hier muss nicht geschaut werden, ob der Einkauf vegan ist. Was esse ich da überhaupt? Warum esse ich das? Und wo kommt mein Essen eigentlich her? Bei diesen Fragen gelangt man schnell nicht nur zum Vegetarismus, sondern auch zum Veganismus. Verstärkt wird das ganze sicherlich durch das gesteigerte mediale Interesse – es gibt wohl kaum noch eine Talkshow, ein Magazin oder einen Nachrichtensender, der in den vergangen Monaten zu keiner der beiden Formen Stellung bezogen hat. Von dem Aufstreben auf Blogs oder bei Facebook ganz zu schweigen. Dieses Phänomen erscheint dabei zunächst verwunderlich: Veganer haben mit zahlreichen Vorurteile zu kämpfen. Wird im Freundeskreis erwähnt, dass man sich mit dem Veganismus beschäftigt, schallen ständig die gleichen Sätze ans Ohr: „Sind doch alles langweilige Ökos.“, „Körnerfresser“ und „Das kann doch nicht gesund sein!“. In gewisser Weise stimmt zumindest der letzte Satz: verzichtet der Mensch auf tierische Produkte, sollte verstärkt darauf geachtet 22

werden, dass auch alle essenziellen Nährstoffe zu sich genommen werden. Aber auch Fleischesser dürfen nicht einfach davon ausgehen, dass durch die Bratwurst genügend Eisen zu sich genommen wird – und schließlich braucht der Körper nicht nur Eisen. Langweilige Ökos trifft ebenfalls nicht zu – es gibt mittlerweile nahezu alles auf rein pflanzlicher Basis. Schicke Klamotten und bunte Kosmetika sind da nicht die Ausnahme und die heutigen Veganer tragen nicht mehr nur Latschen und (Baum!-)Wollpullis (und wer langweilig mit Nicht-Alkoholikern assoziiert: Bier ist übrigens vegan). Der Aussage „Körnerfresser“ kann wohl am leichtesten zahlreiche Gegenargumente entgegengebracht werden. Als Veganer werden häufig viele Lebensmittel kennengelernt, die man vorher noch nie gesehen oder gehört hat: zum Beispiel Quinoa, Amaranth oder Tahin. Eine Ablehnung gegenüber der Ernährungsform wäre eher verständlich, wenn sich einige der Veganer den Fleischessern gegenüber moralisch überlegen fühlen. Was natürlich absoluter Quatsch ist – es heißt schließlich nicht ohne Grund, dass jeder so leben soll, wie die jeweilige Person es für richtig hält. Nach einigen Monaten persönlicher Erfahrung lässt sich also die Bilanz ziehen: Längst wurde bewiesen, dass die vegane Ernährungsform – sorgfältig durchgeführt – wohl eine der gesündesten ist. Man wird fitter, fühlt sich besser und wird in gewissem Maße auch leistungsfähiger. Wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, dass das generell daran liegen könnte, dass sich viele Veganer einfach bewusster ernähren und häufig auf raffinierten Zucker und Weißmehl verzichten. Das Weglassen beider Produkte könnte somit als Grund für das bessere Körpergefühl genannt werden. Zudem ist sie schonend für die Umwelt, denn die Industrie der Nutztiere hat einen großen Anteil am globalen TreibhausgasAusstoß. Aber zurück zum eigentlichen Thema. Wurde nun also beschlossen, fortan Veganer zu sein, stellt sich die Frage: Lässt sich das überhaupt so einfach durchführen? Kann von nun an überall und für immer auf tierische Produkte verzichtet werden? Um diese Frage zu klären, also wieder zum Marktplatz: Hunger und relativer Neuling, was die gewählte Ernährung betrifft. Was also tun? Die Bratwurst von Stockinger fällt ja nun offenbar weg. Wie wäre es mit Pommes? Ein Kartoffelprodukt? Das muss doch gut sein. Also ran an den nächsten Imbiss und schnell die Pommes mit Ketchup bestellt – Mayonnaise fällt ersichtlich raus – und rein in den Mund. Während des Kauens kommt mir dann allerdings der Gedanke, ob das jetzt überhaupt so richtig war. Werden in der Fritteuse tatsächlich nur Pommes gebacken? Und gibt es nicht auch Schweinefett? Ist der Ketchup auch wirklich vegan? Bevor ich ins Grübeln komme, also schnell nochmal rein in den Imbiss und nachgefragt. Hier habe ich also Glück gehabt, die Pommes wurden in pflanzlichen Fett frittiert


Bremen

und auch der Ketchup enthält keine tierischen Produkte. Der kleine Snack zwischendurch hat erstmal gut getan. Aber was esse ich beim nächsten Mal? Ich kann doch von nun an nicht nur Pommes essen. Schmeckt zwar gut, aber gesund ist es nicht. Klar, zu Hause vegan kochen und essen braucht zwar etwas Übung und bedarf zunächst langer Einkaufstrips, um wirklich alle Zutatenlisten ausführlich zu studieren, aber fällt nach einiger Zeit nicht mehr sonderlich schwer. Bloß unterwegs das richtige Essen zu finden, ist weiterhin noch etwas schwierig. Logisch, trockenes Brot und Brötchen gehen zwar, sind aber nicht sonderlich geschmackvoll und kein wirklicher Ersatz für ein belegtes Brötchen. Ein Obstsalat geht meistens nur im Sommer. Äpfel oder Trockenobst sind zwar auch häufig vorhanden, bieten aber auch keine tolle Alternative zu einem Döner. In der Innenstadt ist dementsprechend nicht so viel Auswahl. Es gibt zwar noch die Möglichkeit in jedes Lokal zu gehen und nachzufragen, ob es nicht eine leckere Gemüseplatte oder einen großen Salat gibt, aber gerade heutzutage wäre eine größere Auswahl wünschenswert. Lediglich das Vapiano bietet noch einige vegane Alternativen, von Nudeln bis Pizza ohne Käse, an. Auch dean&david hat vegane Gerichte im Angebot, ist aber auch nicht für jeden Geldbeutel etwas. Auf Dauer ist alles ohnehin nicht so abwechslungsreich. Was also tun? Die Antwort liegt bekanntlich recht nahe. Wo wohl sonst gibt es eine große Auswahl an Allerlei aus der ganzen Welt? Die nächste Anlaufstelle ist das Viertel. Zum einen gibt es dort das Vengo. Ganz neu werden dort viele Gerichte aus aller Herren Länder angeboten – nicht nur vegan, aber immerhin ein großer Anfang! Wenn es nun mal so richtig FastFood sein soll, gibt es im Viertel wohl nur die eine Anlaufstelle: Tom und Karo, leckere Veggie-Burger, Falafel und alles, was das vegane Herz begehrt. Die vegane Mayo schmeckt dort so vorzüglich, dass gezweifelt werden darf, ob diese nun wirklich kein Ei enthält (enthält sie nicht!). Wer zum Nachtisch auf ein leckeres Eis schwört, sollte beschwingt zum Eislabor tigern. Dort sind alle veganen Eissorten mit einem „V“ gekennzeichnet, also auch gut für den Laien zu erkennen. Denn so beginnt es schließlich: es muss ja nicht gleich alles vegan sein, aber zumindest eine gewisse Beachtung könnte auf solchen Gerichten liegen, damit einem leckeren Schmaus nicht eine unglaublich lange Fragerunde bevorsteht. Nach einer durchtanzten Nacht in der Lila Eule gibt es sogar auch noch was, quasi direkt in der Nachbarschaft: Das Burgerhaus am Sielwall bietet verschiedene Veggie-Burger an, von denen einige auch vegan zubereitet werden können. Sehr zum Empfehlen ist hier der Shwarmaburger („Gyros“). Feiert man gleich bis in die Morgenstunden, kann auch noch getrost darauf gewartet werden, dass das Café Marianne aufmacht, welches wohl eines der wenigen veganen Frühstücksangebote in Bremen bietet. Auf dem Zettel

die gewünschten Beilagen angekreuzt und dem veganen Frühstück steht nichts mehr im Wege. Auf dem Rückweg würde ich dann noch einen kurzen Stop im Veganissimi vorschlagen: ein kleiner Laden am Dobben, in dem nicht auf irgendwelche Zutatenlisten geschaut werden muss. Dort ist einfach alles vegan: von dem „Vleisch“, bis zum belegten Brötchen und „Käse“. Als Fazit lässt sich also sagen, dass eine vegane Ernährung auch in Bremen möglich ist. Verständlicherweise gibt es hier noch nicht das Angebot, welches es zum Beispiel in einer Großstadt wie Hamburg oder Berlin gibt, aber es kommt langsam. In vielen Cafés wird bereits Sojamilch angeboten, leider manchmal mit einem preislichen Aufschlag, aber immerhin gibt es die Möglichkeit! Mit offenen Augen und regelmäßigen Updates via Internet, ist es definitiv möglich, einen Nachmittag ohne vorbereitetes Essen in der Innenstadt zu überleben. Vielleicht muss dann ein kleiner Weg auf sich genommen werden, aber es muss kein Bremer tierische Produkte zu sich nehmen, wenn dies nicht gewünscht ist. Die Ausrede „Vegan essen ist ja so schwierig“, zählt ab heute also nicht mehr.

Übersicht einiger Veganer/Vegetarischer Restaurants Burgerhaus, Vor dem Steintor 23, 28203 Bremen Cafe Marianne, Berliner Str. 22, 28203 Bremen El Mundo, Konsul-Smidt-Str. 10a, 28217 Bremen Fink, Am Dobben 35, 28303 Bremen Komagene Bremen, Gröpelinger Heerstraße 35, 28237 Bremen Scharfrichter Lounge, Martinistraße 70, 28195 Bremen Suppkultur, Vor dem Steintor 48, 28203 Bremen Tom & Caro: Vor dem Steintor 152, 28203 Bremen Veggie House, Graf-Moltke-Str.26 , 28211 Bremen (auch ein Lieferservice!) Vegefarm Restaurant, Hamburger Str.45/47, 28205 Bremen VegWorld, Neustadtswall 12d, 28199 Bremen (auch ein Lieferservice!) Vengo - Die Gemüseküche, Ostertorsteinweg 91, 28203 Bremen Viva Makro, Körnerwall 1, 28230 Bremen

Text: Neele Meyer Fotos: Katrin Pleus

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Bremen

Zwei Stunden „gebührenfinanzierte Fernsehanarchie“ mit Jan Böhmermann Multimedial, improvisiert, unkonventionell – welche Veranstaltung darf diese Adjektive schon für sich beanspruchen. Wahrscheinlich nur die Fernseh-LateLine, moderiert von Jan Böhmermann und präsentiert im Weserhaus von Radio Bremen.

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ielleicht kennt ihr sie ja: Die LateLine – eine Call-inSendung im Radio. Sieben Sender, ein Talk: Montag bis Donnerstag, 23:00 bis 1:00 Uhr – Vier Moderatoren wechseln sich am Mikro ab, reichen den Telefonhörer weiter und sprechen mit jedem der anruft über alles Denkbare. Fernsehsendungen, die die Welt nicht braucht. …Wovon habt ihr zu viel? ... Kompromisse … Mut … Taxigeschichten … Generation Praktikum … oder sie schweifen in einer freien Themennacht zusammen mit Zuhörern und Anrufern ab. Skurrile Geschichten sind da vorprogrammiert. Aber hier soll es nicht um eine einfache Radiosendung gehen. In diesem Jahr erweiterte der donnerstags-Moderator Jan Böhmermann das Konzept. Von Mai bis Juli wurde alle zwei Wochen live aus dem Weserhaus von Radio Bremen gesendet: Publikum vor Ort im Sendehaus, prominente Gäste, ausgestrahlt im Fernsehen auf dem ARD-Jugendsender „EinsPlus“, im Radio zu verfolgen, zu sehen und hören im Internet, dazuzugeschaltete live-Telefonate und Kommunikation mit den Hörern über das Internet (Facebook, Twitter, der LateLine-Blog). Multimedial. In diesem Jahr flimmerte bisher sieben Mal die „drittlängste Live-Familienunterhaltungsshow im deutschen Fernsehen nach ‚Wetten, dass…?‘ und ‚Schlag den Raab‘“ über den Fernsehbildschirm, wie Böhmermann scherzhaft sagt. Aber wer ist eigentlich dieser Jan Böhmermann, mag sich der ein oder andere fragen. Böhmermann ist Hörfunk- und Fernsehmoderator, Satiriker, Filmproduzent, Autor und natürlich waschechter Bremer. Ein 32-jähriger intelligenter und äußerst spitzzüngiger Anzugträger, der es liebt sich auf sarkastisch- ironische Weise über so ziemlich alles lustig zu machen – inklusive der eigenen Show.Man darf den Radio- und Fernsehmoderator nie ganz ernst nehmen, aber ein bisschen Wahrheit ist dabei, wenn er sagt: „Die LateLine sind zwei Stunden totale, gebührenfinanzierte Fernsehanarchie. Es kann scheiße werden. Oder supergeil. Oder irgendwas dazwischen.“ Der Musicalfan Böhmermann versteht es auf charismatische und zugleich schwarzhumorige Art eine komplett konzeptlose, zweistündige Show abzuliefern. Keinesfalls ist es jedoch eine Ein-Mann-Show. Besonders wich-

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tig: Die Anrufer und das Publikum. Vor Ort mitlachen können nur die, die einen Platz auf der Gästeliste gewonnen haben. Und wer sitzt da dann? Junge, dynamische Menschen und ein Publikum, das bei jeder Sendung schöner und klüger wird, würde Böhmermann jetzt vielleicht sagen. Bestenfalls aber jemand, der seinen Humor teilt. Denn auch wenn Böhmermann, die „verdammte Rampensau“ (Kommentar eines Zuschauers) für viele unglaublich sympathisch und charismatisch ist, mag ein anderer so gar nicht lachen, wenn der Moderator Spitzen gegen Minderheiten wie Delmenhorster („Delmenhorster Fußgängerzone kommt einer Wüste ziemlich nah“)oder auch gegen das Publikum von der letzten Show loslässt („Damals ein unglaublich, unglaublich hässliches Publikum. Bäuerliche, widerwärtige, stinkende, verpickelte Arschgranaten“). Wenn man Jan Böhmermanns Humor versteht und teilt und vor allem seine Sprüche nicht zu ernst nimmt, gibt es zwei Stunden lang viel zu lachen. Mein Favorit: Ein Anrufer erzählt in der ersten Folge, ihm sei ein Nazi vor sein Taxi gelaufen. Jan Böhmermann greift das auf und improvisiert: "Im Fahrschulbogen hab ich gelernt, wenn dir ein Nazi vors Auto läuft, nachts auf der Landstraße, erst mal abblenden. Weil sonst bleibt es im Lichtkegel stehen und ist so erschrocken, dass es erst recht nicht wegläuft...das Nazi. [...] Wenn da ein Nazi auf der Landstraße ist, musst du aufpassen! Wenn der vorbei ist kommen meist noch so fünf kleine Nazis hinterher.“ Wenn Menschen anrufen und ihre Ansichten und Geschichten über Themen wie „Meine Heimat ist die schönste, Endstation Skalpell, Hilferuf aus der Bio-Hölle, Männer – Wann ist ein Mann ein Mann, Ladys-Night oder Todesfalle Internet“ auf Böhmermann loslassen, wird es fast immer interessant. Manch einer vermag dem smarten Plappermaul kaum Konter zu geben. Aber wenn doch, wird der Schlagabtausch umso interessanter. Böhmermann fühlt sich schnell herausgefordert und lässt selten etwas unkommentiert – nicht biestig, aber auf jeden Fall sarkastisch. „Biestig“ wird er jedoch dann, wenn er in einem Gespräch mit betrunkenen oder besonders peinlichen Anrufern keinen Sinn mehr sieht und er diese aus der Leitung kickt. Zu der gesamten Show gehören aber nicht nur ein schlagferti-


Bremen Bremen

Multimedial in jeder Hinsicht: Die Late-Line von und mit Jan Böhmermann ger Moderator, ein begeistertes Publikum und geschichtenreiche Anrufer, sondern auch (einigermaßen) prominente Gäste. Während der ersten Staffel der Fernseh-LateLine waren zum Beispiel Gäste geladen, wie die Mode-Bloggerin Jessica Weiß, die Drag Queen Nina Queer, Caroline Korneli, die Moderatorin der mittwöchigen Radio-LateLine, Fußballliebhaber, Stadionsprecher, Moderator und Journalist Arnd Zeigler, sowie der Singer-Songwriter Olli Schulz. Und eines ist sicher: Böhmermanns Variante des multimedialen Fernsehens ist einzigartig in Deutschland. Da seine unkonventionelle Art und Sicht auf die Welt so gut ankommt, gibt es ab Ende Oktober im ZDF das Neo Magazin – ein neues satirisches Politmagazin mit Jan Böhmermann. Und auch die geplante zweite Staffel der Fernseh-LateLine mit dem provokanten Bremer startet noch diesen Herbst. Bis zum Start am 21.11. dürften die komplett bei YouTube eingestellten Mitschnitte der Sendungen die Zeit des Wartens überbrücken. Kleiner Wehrmutstropfen für die Bremer: Die fünf Termine der zweiten Staffel finden an fünf verschiedenen Orten statt. Bremen, Baden Baden, Frankfurt, Leipzig und Hambrug. Mein Tipp: gewinnt Tickets dafür und hört bis dahin die LateLine im Radio. Denn eines ist sicher: Dabei zu sein, lohnt sich!

Die LateLine auf Tour – Staffel 2 12.12.2013 Leipzig 19.12.2013 Hamburg Live auf einsplus zu sehen Mehr Infos unter: http://www. radiobremen.de/bremenvier/ Verpaste Sendungen sind als Podcast herunterzuladen unter: http://blogs. hr-online.de/lateline/podcast/

Text: Pia Zarsteck Grafik: Hülya Yalcin

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Feuilleton

Themenseiten

Spätestens seit der Verfilmung „Watchmen – Die Wächter“ aus dem Jahr 2009 sind die ‚Helden‘ um Rorschach, Nite Owl und Dr. Manhatten den Meisten wohl ein Begriff. Doch auch der Comic aus dem Jahr 1989 war und ist sehr erfolgreich, ist er doch die meistverkaufte Graphic Novel überhaupt und wurde nicht nur in der Comic-Branche vielfach ausgezeichnet. Die Geschichte spielt in einer alternativfiktiven Welt, in der sich ganz normale Menschen als Superhelden verkleiden, teils ohne irgendwelche speziellen Superkräfte zu besitzen. Diese Bewegung gibt es in der Welt der Watchmen seit den 1930er Jahren und ist von den ersten Superman-Comics inspiriert. Ungefähr 40 Jahre später geraten die Helden aufgrund von Selbstjustiz in die Kritik und mit dem sogenannten Keene-Act wird ihnen verboten, eigenmächtig zu handeln. Einige von ihnen gehen daraufhin in den Ruhestand, andere arbeiten im Auftrag der Regierung und wieder andere ermitteln im Untergrund weiter. Der DC-Comic nimmt an dieser Stelle die Handlung auf, da sich eine Verschwörung gegen die (ehemaligen) Watchmen zusammenbraut, die aufgeklärt werden will. Zurück in der Realität lässt sich feststellen, dass die Charaktere der Watchmen als eine logische Folge der Comic-Entwicklungen erscheinen. Superman, als Paradebeispiel für erste Superheld-Entwürfe, ist tatsächlich noch als Held konzipiert, er ist im Privat- wie im Rächerleben das personifizierte Gute. Unter den Eindrücken der beiden Weltkriege entstehen dann Helden wie Spiderman, der von Schicksalsschlägen heimgesucht wird und manchmal Schwierigkeiten hat, die ‚richtige‘, die ‚gute‘ Entscheidung zu treffen. Dass manche Watchmen, so zum Beispiel der Comedian, sogar Frauen vergewaltigen und scheinbar eher auf der falschen Seite stehen, ist daher nur konsequent. Wirklich neu und bahnbrechend ist an diesem Comic die beinahe komplette Verquickung mit der Wirklichkeit, so wird zum Beispiel der Vietnamkrieg verarbeitet. In einer Linie mit der charakterlichen Ambivalenz der Watchmen steht das Ende der Geschichte: Die entdeckte Verschwörung wird erkannt, kann aber dennoch nicht verhindert werden und halb New York City wird zerstört. Alles in allem also ein eher düsterer, aber trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, sehr interessanter Alternativentwurf der Welt. Text: Katharina Redanz Bild: Panini Comics

Cloud Atlas

Der 2012 erschienene Tom Tykwer-Streifen „Cloud Atlas“ basiert auf dem Roman „Wolkenatlas“ des britischen Autors David Mitchell. Tykwer, der gemeinsam mit den Amerikanern Lana und Andy Wachowski – die schon für die MatrixTrilogie verantwortlich waren – sowohl das Drehbuch schrieb als

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auch Regie führte, ist hier meiner Meinung nach einmal mehr ein Meisterwerk gelungen. Die Story des Films ist dabei zunächst sehr verwirrend. Sie spielt auf fünf verschiedenen Ebenen, die insgesamt einen Zeitraum von mehreren Hundert Jahren abdecken. In den verschiedenen Zeiten tauchen völlig unterschiedliche Charaktere auf, die nichts zu verbinden scheint. Nach und nach werden jedoch gewisse Zusammenhänge offenbart, die zwischen den einzelnen Figuren existieren. Die letzten beiden Erzählstränge sind dabei besonders interessant. Im Jahr 2144 kämpft der weibliche Klon Sonmi451(eine Anspielung auf Ray Bradburys „Fahrenheit 451“) um ihre Freiheit und ihr Überleben. Künstlich geschaffen, um in einem koreanischen Fast Food-Restaurant als Kellnerin zu arbeiten, findet sie schließlich heraus, dass die Klone nicht wie versprochen nach zwölf Jahren Arbeit ins paradiesische Elysium gelangen, sondern stattdessen zu Nahrung für neue Klone verarbeitet werden. Die Ähnlichkeit mit dem Science-Fiction-Film „Soylent Green“ ist sicherlich kein Zufall. Der zeitlich gesehen letzte Erzählstrang zeigt eine post-apokalyptische Welt, in der Sonmi als Göttin verehrt wird. Die wenigen überlebenden Menschen sind dank der vorherrschenden Strahlung ebenfalls dem Untergang geweiht. Der Film endet schließlich auf einem Planeten, auf den sich einige Menschen retten konnten. Die Erde ist am Himmel zu sehen. Das Interessante an dieser Erzähltechnik ist nicht nur, dass sich die verschiedenen Ebenen im Fortlauf des Films immer wieder abwechseln, sodass jede Geschichte immer nur Stück für Stück weitererzählt wird. Auch die diversen Charaktere werden immer wieder von denselben Schauspielern dargestellt. Obwohl die einzelnen Erzählstränge so unterschiedlich sind, wirken sie sehr durchdacht und mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Die ausgefeilten Dialoge dringen teilweise sehr tief in die philosophische Grundhaltung der Erzählung ein. Überhaupt ist „Cloud Atlas“ alles andere als ein 08/15-Unterhaltungsfilm. Vom Zuschauer wird durchaus das Mitdenken erwartet. Wer sich auf die verwirrende, aber intelligent gemachte Erzählstruktur einlassen kann, der wird an „Cloud Atlas“ seine wahre Freude haben. Ein Film, bei dem es sicherlich nicht beim einmaligen Anschauen bleibt. Text: Annette Bögelsack Bild: X Verleih AG

An jedem 1. Mai ist es soweit, genau 100 Jungen zwischen 14 und 17 Jahren nehmen am „Langen Marsch“ teil, das Ereignis des Landes und dessen „liebster Zeitvertreib“. Die ZuTODESMARSCH schauer starren gierig und blutrünstig auf dieses Ereignis, denn nur einer wird am Ende überleben und den großen Preis entgegen nehmen können. Wer immer weiter geht, lebt. Wer langsamer als 4 mph geht, stirbt. So einfach sind die Regeln, denen sie sich freiwillig unterworfen haben. Der allgegenwärtige Tod in Form von einem Panzerwagen mit bewaffneten Soldaten begleitet die Geher, eine endlose Straße


Feuilleton

entlang, darauf wartend, dass jemand stirbt, damit die Verbliebenen dem Ziel wieder ein Stück näher kommen und der „Lange Marsch“ endet. Doch selbst in dieser Atmosphäre, in der eigentlich das Konkurrenzdenken die Teilnehmer beherrschen sollte, entwickeln sich Freundschaften. Moralvorstellungen werden während des "Langen Marsches" genauso ausgetauscht, wie Höflichkeiten und Kritik am System, welche durch die Immunität, die den "Todgeweihten" zugestanden wird, ausnahmsweise vom System nicht bestraft wird. Die Chance auf Veränderung ist so dem Tode geweiht. Doch es ist sowieso egal, die Zuschauer interessieren gegenteilige Meinungen nicht, oder sie sind zu antriebslos. Sie sind in dieser Geschichte nur dazu da, am Straßenrand zu stehen und den Todgeweihten beim Sterben zuzusehen. Die Moral von außen scheint aufgehoben, die 100 Geher gehen den gaffenden Zuschauer nichts mehr an. Wenn sie sterben, ist es im Sinne der Sache. Die Moral innerhalb der Geher wird dennoch eingefordert, selbst in dieser Atmosphäre, in der es darum geht, die anderen zu überleben. Die Frage keimt auf: Wer ist moralischer? Die Teilnehmer oder die, die tatenlos zusehen? Eine dystopische Welt erschließt sich dem Leser. Nicht in einer allumfassenden Erklärung, sondern durch die Gespräche der Geher untereinander. Der Leser begleitet sie auf ihrem Weg und erhält so Einblicke in ihre gegenwärtige Welt. Die Machtstruktur ist unumstößlich und wird vom alles beherrschenden Militär gestützt. An dessen Spitze steht der Major, Henker und Gott in einer Person. Zu Beginn des „Langen Marsches“ noch von vielen Gehern als Gott verehrt, wird er, je länger der Marsch andauert, auf den Boden der Tatsachen hinab gezerrt, bis er unter den Fußsohlen der Teilnehmer verschwindet und zur Bedeutungslosigkeit wird. Die Erkenntnis, dass sie einem Henker ihr Leben gegeben haben, nützt ihnen nichts mehr, sie sterben dennoch. Ein nachträgliches Aussteigen ist nicht mehr möglich. Man tröstet sich mit militärischen Phrasen wie „der tapfere Soldat“ oder „Sterben auf Heimatboden“. Wenn schon sterben, dann bitteschön heroisch und in sich gekehrt, nicht flehend und weinerlich. Aber auch nicht zu sehr an das Sterben denken, lieber ein bisschen Unterhaltung über Sex, Geld, Religion und Bildung. Alles ist da, aber nichts hilft gegen die gegenwärtige Macht. Reden über die Legenden und Mythen des „Langen Marsches“ – das Surreale in der brutalen Realität. Die Jungen unterhalten sich weiter, ablenken, nicht über das Sterben nachdenken. Wer hat letztes Mal gewonnen? Es gibt keine Gewinner, selbst die Gewinner sterben irgendwann. Es ist nur ein Aufschub, eine Frage der Zeit. Ein weiterer Schuss fällt, war das Nummer 56 oder 57? Wer hat die „rote Karte“ kassiert? Ist es jemand aus dem Bekanntenkreis? Wenn denen, die beim Namen genannt werden können, nichts geschieht, dann geht es auch weiter. Nein, noch ist die Illusion nicht durchbrochen, dass der „Lange Marsch“ doch noch zu schaffen ist. Es darf noch ein bisschen weiter gelebt werden.

„Imagine all the people, living life in peace“. Weltfrieden ist nur eines der utopischen Motive, das John Lennon in seinem wohl bekanntesten Song als Solo-Künstler zeichnet. Keine Länder, keine Religionen, keine Besitztümer: Merkmale der idealen Welt des Ex-Beatles, die im Veröffentlichungsjahr 1971 Anklang in der Friedensbewegung fanden, konservative Hörer verstörten und auch heute, mehr als vierzig Jahre später, kaum an Aktualität eingebüßt haben. Utopien, also Wunschträume von einer idealen Gesellschaft und ihr negativer Konterpart, die Dystopie, sind seit jeher gern verwendete Quellen der Inspiration in der Musikwelt. So schufen The Clash mit „London Calling“ nicht etwa den offiziellen Werbesong für die britische Hauptstadt, vielmehr handelt das Lied von den Auswirkungen einer nuklearen Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes, die London in den Fluten der Themse untergehen lässt. Aber auch die jüngere Musikgeschichte hat so einige Stücke zu utopischen und dystopischen Themen zu bieten. Ob die romantische Verklärung Englands, in der Mädchen über grüne Wiesen tanzen und Dinge tun, die man nicht auszusprechen vermag, wie es Babyshambles-Frontmann Pete Doherty in „Arcady“ besingt oder die Fantasiewelt „Ochrasy“, die sich die Schweden von Mando Diao im gleichnamigen Stück erträumen und in der Soldaten mit ihren Waffen keinen Zutritt haben: Für den begrenzten Zeitraum eines Drei- bis Fünf-Minuten-Songs ist plötzlich alles vorstellbar. Auf der anderen Seite des Spektrums überlegt Thees Uhlmann auf seinem aktuellen Album, was passieren würde, wenn in Niedersachsen plötzlich wieder Krieg herrschte („Im Sommer nach dem Krieg“) und die kanadische Band Arcade Fire philosophiert in „The Suburbs“ über den fortschreitenden Niedergang der Vorstädte, die ihre Schönheit schon längst eingebüßt haben. Nach der Liebe (die ja auch oftmals mit utopischen Erwartungen Hand in Hand geht) scheinen Utopien und Dystopien die nächstbeliebtesten Themen vieler Songwriter zu sein. Ob als willkommene Flucht vor der tristen Realität in eine bessere Welt oder als erhobener Zeigefinger gegen gesellschaftliche Missstände, Musik war schon immer Zufluchtsort und Ventil zugleich: „You may say I'm a dreamer, but I'm not the only one“, wenn John Lennon also weiterhin Recht behält, wird sich an den alternativen Realitäten in musikalischer Form wohl auch in Zukunft so schnell erst einmal nichts ändern.

Text: Kristina Rau Bild: Heyne Verlag

Text: Kira Kettner

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Feuilleton

Digitale Entwicklungen in der Buchbranche Auf der Frankfurter Buchmesse war auch in diesem Jahr zu beobachten, dass digitale Entwicklungen eine große Rolle in der Buchbranche spielen. Immer mehr Verlage setzen auf E-Books, neue Plattformen im Internet nehmen Einfluss auf den Buchmarkt und auch für kleine Kinder gibt es mittlerweile einige digitale Angebote.

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n Halle 3.0 dreht sich am „Hot Spot Kids & eReading“ alles darum, wie interessant digitale Angebote für Kinder sind und welche neuen Entwicklungen es auf diesem Gebiet gibt. Dort finden sich die Stände verschiedener Verlage und Firmen aus unterschiedlichen Ländern, so auch das koreanische Unternehmen PublStudio, das sich auf „E-Books“ für die Allerkleinsten spezialisiert hat. Auf iPads können die Kinder sich bebilderte Geschichten vorlesen lassen und Lernspiele spielen, die Zielgruppe beginnt ab einem Jahr. „Wir verbinden Unterhaltung und Lernen“, erklärt Creative Director Jailee Chung. „Allerdings ist es in Europa noch nicht so verbreitet, dass Kleinkinder diese Medien nutzen, wie in Asien. Dort ist das ganz normal.“ Ein deutsches Pendant ist die Firma Tigercreate, deren Stand sich gleich um die Ecke findet. Sie bietet Autoren sehr einfach die Möglichkeit, interaktive E-Books für Kinder zu gestalten die dann auf der Seite tigerbooks.de angeboten werden. „Wir möchten Leseerlebnisse verändern und eine sichere Plattform mit einfacher Menüführung für Kinder bieten“, sagt Charlotte von Wussow vom Oetinger-Verlag, der an dem Projekt beteiligt ist. „Kinder möchten gerne ihre Eltern imitieren, die sie auch an iPads lesen und arbeiten sehen. Diese Entwicklungen bieten neue Möglichkeiten, Kinder an Literatur heranzuführen.“ Nachdem E-Books lange Zeit nicht interessant für den Kinderliteratur-Markt waren, da sie ein schlichtes, für Kinder langweiliges Design hatten, erwarten sich die Firmen von den bunten Produkten an der Schnittstelle von Computerspiel und Bilderbuch besonderen Erfolg. Ob es jedoch erstrebenswert ist, dass bald Einjährige am iPad sitzen, ist fraglich. Doch nicht nur im Bereich der Kinderliteratur ist die Digitalisierung ein wichtiges Thema auf der Buchmesse. Mittlerweile liegt der Marktanteil von E-Books bei circa 10 % und hat sich damit seit 2010 fast verdoppelt (so eine Marktstudie des Börsenvereins des deutschen Buchhandels). Damit können sie es zwar immer noch nicht mit den gedruckten Exemplaren aufnehmen, das schnelle Wachstum veranlasst aber immer mehr Verlage dazu, ihre Bücher auch als E-Books herauszubringen, um auf den Markt zu reagieren. Eine wichtige Entwicklung stellen dabei sogenannte Enhanced E-Books dar: Zusätzlich zum bloßen Text sind darin multimediale Inhalte eingebaut, zum Beispiel Musik, Audioaufnahmen von einer Lesung des Autors oder bei wissenschaftlichen Büchern interaktive Grafiken zur spielerischen Wissensvermittlung. „Diese E-Books sind aber teuer in der Produktion und 28

rechtlich kompliziert, weil alles lizensiert werden muss, was darin enthalten ist“, sagt Martin Altmann, Project Manager bei juni.com, einer Firma, die diverse Leistungen für Verlage im Multimedia-Bereich anbietet. „Für Rollenspielbücher im Stil von „Das Schwarze Auge“ ist dieses Modell optimal, weil große Interaktivität möglich ist.“ Firmen wie inkle bieten eine Mischung aus Buch und Computerspiel an. Das ist ein echter Vorteil gegenüber gedruckten Büchern, wo hin und her geblättert werden muss, wenn der Leser selbst entscheiden kann, wie es weitergehen soll.

Die Kombination von Unterhaltung und Bildung werden mithilfe von iPads ermöglicht Für die E-Book-Produktion gibt es verschiedene Formate: EPUB ermöglicht es dem Leser, auf seinem E-Reader selbst die Schriftgröße und Schriftart einzustellen und so das Buch individuell zu gestalten. Bei wissenschaftlicher Literatur wäre das aber problematisch: Hier müssen die Seiten wegen der Zitierfähigkeit klar markiert sein und dürfen sich nicht verschieben, als Format bietet sich also nur PDF an. Es gibt jedoch weit mehr Möglichkeiten, mit E-Books umzugehen, als sie zu kaufen und ganz „klassisch“ auf dem E-Book-Reader zu lesen. Bei digitalen Büchereien wie Skoobe kann man ab 9,99 Euro pro Monat unbegrenzt viele E-Books ausleihen. Die spanische Seite 24symbols.com ist eine Art Spotify für Bücher: Sie bietet den Nutzern die Möglichkeit, aus einem Angebot von über 15.000 Titeln von Roman bis Sachbuch online umsonst – aber mit Werbung – zu lesen oder gegen Bezahlung werbefrei.


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Die Verlage und Autoren werden über eine Formel bezahlt, die Gekoppelt an den Erfolg von E-Books ist ein wachsendes Interdie Anzahl der gelesenen Seiten berücksichtigt. Die gelesenen esse an Self-Publishing-Angeboten im digitalen Bereich. ZahlreiSeiten sind che Firmen auch bei der preisen auf Plattform der Buchmesvalobox.com se an ihren entscheidend: Ständen ihre Hier zahlt der Leistungen Kunde beim an, die dem „pay as you Autor read“-Modell eine unkomnur die wirkpliziertere lich geleseVeröffentlinen Seiten. chung und Für Verlage einen höhebedeutet das ren Gewinn große Gewinals in konneinbußen, ventionellen denn während Verlagen ein Buch beim versprechen. Kauf bisher Bestseller gleichviel einwie „Shades brachte, egal of Grey“ werob es später den als Argugar nicht oder mente komplett geleangeführt, Auf dem Vormarsch: Ersetzen E-Book Reader bald herkömmliche, gedruckte Bücher? sen wurde, ist dass man dahier entscheimit durchaus dend, wie lange es den Leser fesseln kann. Erfolg haben kann. „Tatsächlich hat man aber ohne Verlag kaum Alle diese Modelle verändern die Lektüre, machen Bücher leichChancen, bekannt zu werden. Diese Angebote sind vor allem ter und schneller zugänglich und demokratisieren das Lesen. Geldmache der Firmen“, sagt Martin Altmann. „Vermutlich Noch einen Schritt weiter geht unglue.it: Dabei sammeln Fans werden einige Anbieter untergehen und es wird in Zukunft stärüber Crowdfunding genug Geld, um einem Verlag die Rechte ker nach Qualität selektiert werden, damit der Markt nicht völlig an einem bestimmten Buch abkaufen zu können und es dann überschwemmt wird.“ Self-Publishing könne aber durchaus eine allgemein kostenlos zugänglich zu machen. gute Vorauswahl darstellen: Die erfolgreichen Titel werden dann Die Seite hyperink.com versucht, besonders schnell auf Marktinals konventionelles Buch herausgegeben, wie es auch bei „Shades teressen zu reagieren. Während bei einem gedruckten Sachbuch of Grey“ der Fall war. zu einem gerade aktuellen Thema oft ein Jahr vergeht, bis es Die Nutzung von E-Books nimmt weiter zu und mit ihr ergeben geschrieben, lektoriert, gesetzt und gedruckt ist, werden hier sich neue interessante Leseformen. Trotzdem sind frühere Provon Experten kurze E-Books zu Trend-Themen (ermittelt über gnosen, dass sie gedruckte Bücher schnell verdrängen würden, Google-Suchanfragen) verfasst, die innerhalb von wenigen Moimmer noch nicht eingetreten und das wird sich auch so schnell naten erscheinen. nicht ändern. Betrachtet man die Stände großer BelletristikverDas digitale Lesen wird auch zunehmend sozial. Früher konnte lage, so findet sich ab und an auch ein E-Reader, an dem man man sich im Freundeskreis über gelesene Bücher unterhalten, in die angebotenen E-Books hineinlesen kann. Insgesamt setzen inzwischen kann man sich zum Beispiel bei goodreads.com mit aber die meisten Stände auf eine gemütliche Atmosphäre mit 20 Millionen Menschen darüber austauschen, virtuelle BücherSitzgelegenheiten – und vielen gedruckten Büchern. regale anlegen und neue Titel entdecken. Auf readmill.com kann man außerdem Bücher lesen, die mit Kommentaren anderer Leser versehen sind, sodass ein Dialog über einzelne Textstellen Text: Dunja Rühl entstehen kann. Fotos: Frankfurter Buchmesse/Alexander Heimann 29


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Ein Tag in Kino 10 Schon länger hat mich die Frage beschäftigt, wie viele Filme am Stück man wohl an einem Tag im Kino sehen könnte. Die Goldcard des Cinemaxx hat mit ihren knapp 400 Euro zwar einen stolzen Preis, schließt dafür jedoch jegliche finanzielle Schwierigkeiten für volle zwölf Monate aus. Jetzt ging es also nur noch um die Logistik. Am 5. Mai sollte es dann soweit sein und ich wollte meinen Selbstversuch „Ein ganzer Tag im Kino“ starten.

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ie Frage war jetzt also, welche Filme ich mir ansehen würde. Die Mischung war wichtig, immerhin sollte schon ein wenig Abwechslung geboten werden. Dann mussten natürlich die Zeitfenster der jeweiligen Filme beachtet werden. Rechnete man Werbung und Laufzeit zusammen, ergab sich der frühstmögliche Starttermin eines nachfolgenden Streifens. Tatsächlich kostete mich die Planung längere Zeit, bis ich endlich einen akzeptablen Spielplan zusammengestellt hatte. Dabei musste auch die Versorgung mit Getränken und Essen bedacht werden. Sind wir mal ehrlich: Neben den Kosten für Popcorn und Softdrink verblassen die eigentlichen Eintrittspreise doch ziemlich. Die Pausen zwischen den Filmen mussten also lang genug sein, um zumindest kurz zum nächsten Bäcker laufen und eine Kleinigkeit zu Essen organisieren zu können. Zu guter Letzt blieb noch die Frage nach möglichen Mitstreitern, denn es gibt – nach meiner Erfahrung – kaum etwas Langweiligeres, als alleine ins Kino zu gehen. Es brauchte zwar einiges an Überredungskunst (immerhin musste eine eventuelle Begleitung ja den vollen Eintritt zahlen), aber ich fand für jeden der fünf ausgesuchten Filme jemanden, der mich begleiten würde. Der erste Film sollte „Kiss the Coach“ sein, mit einem Vater, der die Fußballmannschaft seines Sohnes trainiert, um die Beziehung zu diesem zu verbessern und dabei bemerkt, dass er noch immer Gefühle für seine Ex-Frau hat. Normalerweise hätte der Film mich nicht unbedingt interessiert, die Vorbesprechungen waren jedoch gut und mit Gerard Butler, Jessica Biel, Catherine Zeta-Jones, Uma Thurman und Dennis Quaid war er auch alles andere als schlecht besetzt. Im Rahmen des Kinotages wollte ich ihm also eine Chance geben. Bevor es jedoch losging, mussten wir erst einmal in der Eingangshalle des Kinos warten, bis die Säle freigegeben wurden. Das ist schon ein eigenartiges Gefühl, so früh war ich vorher noch nie im Kino gewesen, und erst recht hatte ich noch nie in der Halle warten müssen. Das Publikum schien fast ausschließlich aus Kindern zwischen acht und zwölf Jahren zu bestehen. Pünktlich um 12:30 Uhr saßen wir auf unseren Plätzen und genossen den ersten Film des Tages. Das Kino war recht leer, und so war es eine sehr entspannte Atmosphäre. Der Film selbst war höchstens durchschnittlich, eine Familienkomödie, deren Charaktere platt gestaltet in einem streckenweise unlogischen Plot agieren mussten. Ich würde den Film mit 4/10 Punkten bewerten. Nach diesem stimmungsmäßig doch eher lockeren Film folgte um 15:10 Uhr die tragische Romanze „Safe Haven“. Auch dies

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ein Film, der unter normalen Umständen nicht unbedingt mein Fall gewesen wäre. Im Vorfeld hatte ich recht durchwachsene Meinungen vernommen, sodass meine Erwartungen nicht allzu hoch waren. Dies war wohl auch gut so, denn ebenso wie sein Vorgänger vermochte auch dieser Streifen nicht zu überzeugen. Obgleich die Charaktere diesmal besser gezeichnet waren und der Handlungsverlauf sogar ein wenig Spannung aufbauen konnte, war es hier die sehr schwache und gleichzeitig unnötig kitschige Auflösung des Plots, die den Genuss trübte. Auch die schauspielerischen Leistungen ließen zu wünschen übrig. Für die gelungene erste Hälfte des Films würde ich in meiner Wertung dennoch 5/10 Punkten vergeben. Kleiner Fun Fact am Rande: Sowohl der Sohn in „Kiss the Coach“, als auch der Junge in „Safe Haven“ werden von Noah Lomax gespielt. Ich finde es immer wieder spannend zu sehen, wo man Schauspielern wiederbegegnet, und freue mich, wenn ich ein Gesicht oder einen Namen zuordnen kann. Nach dem Ende des zweiten Film blieb Zeit für eine kurze Pause und eine Kleinigkeit zu essen. Meine Mutter, Begleitung für die ersten beiden Filme, fuhr nach Hause und meine Schwester plus Kumpel kamen, um mir Gesellschaft zu leisten. Im Kino waren jetzt vor allem Familien mit Kindern unterwegs und überhaupt waren schon deutlich mehr Besucher zu sehen. Nach den beiden relativ dürftigen Filmerlebnissen ging es nun über zum zweiten Teil des Kinomarathons. Für diesen hatte ich drei Filme ausgesucht, deren Qualität ich mir sicher sein konnte, da ich sie bereits kannte. So saß ich pünktlich um 17:45 Uhr wieder auf meinem angestammten Platz – Kino 10, Reihe B, Sitz 10 – und freute mich auf das schön gemachte „Mama“, einen spanisch-kanadischen Horrorfilm, der in Zusammenarbeit mit dem großartigen Guillermo del Toro entstand. Auch beim dritten Mal war dieser Film ein Erlebnis mit überzeugenden Schauspielern, klasse Effekten und einer gut erzählten Story. Darüber hinaus hat „Mama“ den ein oder anderen Schreckmoment zu bieten, zu denen das melancholisch-ergreifende Ende einen schönen Kontrast setzt. Insgesamt kann ich hier eine absolute Empfehlung aussprechen und bewerte den Film mit 9/10 Punkten. Allerdings kann man – zumindest gilt dies für mich – aus diesem Film nicht rauskommen, ohne ein wenig wehmütig zu werden. Schweren Herzens ließ ich dann auch meine Schwester plus Anhang wieder ziehen, um mich mit einer Freundin zu treffen, die ebenfalls im Besitz einer Goldcard ist und mich bei den letzten beiden Filmen begleiten würde.


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Das Schöne an einer so bunten Mischung von Filmen ist ja, dass sie völlig unterschiedliche Gefühle hervorrufen können. Um die Stimmung wieder zu heben, sollte nun ein actiongeladener Superhelden-Film folgen. Hierzu mussten wir nicht nur das Kino wechseln, jetzt kamen auch unsere mitgebrachten 3D-Brillen zum Einsatz. Die kurze Pause musste jedoch erst einmal genutzt werden, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Langsam machte sich das viele Sitzen doch bemerkbar. Es folgte der einzige nicht-synchronisierte Film des Abends, wir sahen „Iron Man 3“ in der Originalfassung. Schon nach der Premiere des Films wenige Tage zuvor war ich schwer begeistert gewesen und daran sollte sich auch beim zweiten Mal Schauen nichts ändern. Es ist der tolle dritte Teil der Filmreihe um den schwer reichen Tony Stark und sein AlterEgo „Iron Man“, die auf der gleichnamigen ComicFigur aus dem Hause Marvel basiert. Robert Downey Jr. spielt überzeugend wie immer und auch die restlichen Rollen sind außerordentlich gut besetzt. Das Actionspektakel bietet eine solide Story, viel Humor und selbst die Romantik kommt nicht zu kurz. Zusammenfassend also ein klasse Film, den ich mit nichts anderem als 10/10 Punkten bewerten kann. Nach diesem Film war jegliches Gefühl von Schwermut wie weggeblasen. Für die erneute kurze Pause war ich mittlerweile überaus dankbar und nutze sie denn auch zu einem weiteren kurzen Spaziergang. Die Spätvorstellung schien nur noch für wenige, meist jugendliche, Besucher interessant zu sein, denn das Publikum war mittlerweile doch sehr ausgedünnt. Nun ging es aber zum letzten Film des heutigen Tages. Für das große Finale hatte ich mir das amerikanisch-deutsche Fantasyereignis „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ ausgesucht. Mit Jeremy Renner, Gemma Arterton und Famke Janssen ausgezeichnet besetzt, bietet der Film eine schöne Story, erstklassige 3D-Effekte und der ein

oder andere nette Storytwist ist auch noch eingebaut. Trotz der deutlich vorhandenen Horror- und Actionelemente, kommt der Humor bei diesem Streifen ganz sicher nicht zu kurz. Der hohe Coolnessfaktor der Hauptfiguren rundet das Paket ab. Alles in allem gibt’s auch hier eine absolute Empfehlung und eine abschließende Bewertung von 9/10 Punkten. Trotz des grandiosen Abschlusses hatte meine Aufmerksamkeit jedoch deutlich nachgelassen und es fiel mir schwer, mich noch auf das Geschehen auf der Leinwand zu konzentrieren. So war ich denn auch froh, als ich gegen viertel nach eins das Kino verlassen und mich auf den Nachhauseweg machen konnte. Obwohl ich den Tag mehr oder weniger sitzend verbracht hatte, war ich erschöpft und müde und freute mich sehr auf mein gemütliches Bett. Das Fazit des Tages: Eine interessante und gelungene Auswahl an sehr unterschiedlichen Filmen macht es zu einem tollen Erlebnis, einen „ganzen Tag“ im Kino zu verbringen. Anstrengend ist es aber alle Mal, und auch die Vorbereitung erfordert einiges an Planung und Organisation. Beim Hinausgehen wurden wir dann noch von einem Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass es einen Stammkunden gibt, der regelmäßig solche Kino-Tage veranstaltet, manchmal sogar mit sechs Filmen am Stück. Trotz der Anstrengung bleibt zu sagen: Mission completed!

Text: Annette Bögelsack Illustraion: Katrin Pleus

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Foto: Katrin Pleus

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Öffentlichkeitsarbeit Lukas Henseler (Ressortleitung), Ulrike Bausch, Jennifer Gätjen

Lektorat: Gerd Klingeberg Druck: Druckerei Brüggemann Auflage: 3000 Für den Inhalt der einzelnen Artikel sind die Autoren verantwortlich. Die in Artikeln oder Kommentaren zum Ausdruck kommende Meinung spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider. Alle Angaben ohne Gewähr. Zur besseren Lesbarkeit werden in dieser Publikation häufig geschlechterspezifische Formulierungen auf die maskuline Form beschränkt. Die weibliche ist selbstverständlich mit implizert. Herausgeber dieser Zeitung ist die Studierendenschaft der Universität Bremen. Der Scheinwerfer finanziert sich durch die allgemeinen Studierendenbeiträge.


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