reiff life WS14/15 - flickwerk

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Vorwort Spinnen die jetzt völlig, die bei der reiff life? Da ist so eine merkwürdige Horrorfilmgestalt vorne auf dem Cover, und der Titel ist auch irgendwie befremdlich... Nun ja, wenn wir ehrlich sind, haben wir es schlicht nicht geschafft, unsere Interessen dieses Semester unter einen Hut zu bringen. Die Damen Kerner und Nitsch setzen sich auseinander mit dem Aquis Plaza, welcher mit großen Schritten der Fertigstellung entgegeneilt und sicherlich die Stadtlandschaft Aachens nachhaltig bereichern wird. Es wird ja auch langsam ein bisschen langweilig, das Super C zu mobben, und die Schmachtenburg ist vielleicht nicht schlecht genug. An Größen der Szene besprechen wir in dieser Ausgabe Frei Otto, anlässlich von Tod und Pritzker-Preis; Gustav Peichl, anlässlich selbsterklärter Pensionierung; und Arno Brandlhuber, weil er gerade um die Ecke vorbeischaute. Sonst gibt es noch ganz viel Mikroperspektive: Was tut sich am Reiff? Das Reiff stellt nämlich fleißig Weichen. Besonders gerne haben wir in dem Rahmen natürlich unsere Steckbriefe – vier neue Professorinnen zeigen sich auch als Menschen. Ich habe mich irgendwann gefragt, ob hinter Frankensteins Monster nicht irgendwie mehr steckt. Aus vielen verschiedenen Teilen eher schlecht als recht zusammengeflickt, durch schwarze Magie am Leben erhalten, und nicht so ganz natürlich. Kann ich mich als baldiger Architekt auch ganz gut mit identifizieren. Vielleicht haben wir hiermit ein neues Maskottchen? Mies ist doch voll abgelutscht. In eigener Sache: Stefanie Kerner geht eine Runde nach Schottland. Wir sind traurig und neidisch, wünschen dir aber viel Spass! Wenn sich mehr oder weniger würdige Nachfolger finden liessen, wären wir natürlich nicht abgeneigt. -fr-


reiff life flickwerk


Inhalt

Fachschaft

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Kalender Seite 8 Bild der Woche Seite 9

Titelthema

laut nachgedacht Stadt der Teilhabe? Seite 10

Seite 28

Traueranzeige Seite 29

Kurze Meldung Seite 12

Aquis Plaza Seite 30

mitgemacht

Grand Tour Seite 32

Pixel.Studio Seite 14

Tangram Seite 34

Wunderkammern Seite 16

ausgekramt Peter Behrens Seite 36 Drei H端tchen f端r die Bundesrepublik Seite 37

zuletzt Eine Seite f端r... Seite 40 Ein Nachruf Seite 48

Impressum

Inhalt

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Fachschaft Termine Öffnungszeiten im SoSe 15 Mittwoch Donnerstag

10:30-14:00 Uhr (?)

14:00-16:30 Uhr (?)

Fachschaftssitzung Jeden Dienstags um 18 Uhr im Fachschaftskeller. Vollversammlung 05.05.15 im R5

Kontakt Reiffmuseum, Schinkelstraße 1 52062 Aachen +49-241-80-95003 info@fs2.rwth-aachen.de www.fs2.rwth-aachen.de

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Felix Schmitz

Stefanie Kerner

5. Semester Bachelor Raumkommission

„Das Reiff als zweites Zuhause? Für viele von uns ist es genau das. Als Bachelor-Studenten kommt ihr sogar in den Genuss eines festen Arbeitsplatzes aber auch alle anderen nutzen die Räume des Reiffs und der anderen Gebäude ausgiebig. Genau darum kümmert sich die Raumkommission. Hier werden alle Themen rund um Arbeitsplätze, Erweiterungen und Platzbedarf besprochen und erarbeitet. Aktuell ist vor allem der schon lange gewünschte Erweiterungsbau am Reiff, den es jetzt aktiv in die heiße Phase voranzutreiben gilt. Die Fachschaftsvertreter in der Kommission sind dabei euer Sprachrohr und setzen sich vor allem für die studentischen Belange ein. Auch du hast Lust aktiv an der Raumsituation der Fakultät mit zu arbeiten und das Reiff-Zuhause noch besser zu machen? Wir freuen uns auf dich!“

3. Semester Master Reiff+

Danny Liu

3.Semester Bachelor Erstsemesterarbeit

„Fast jeder kennt diese Situation: Neue Stadt, neue Leute, neues Leben. Für die Studienanfänger des Bachelors unserer Fakultät findet daher zu Beginn des Wintersemesters eine Woche statt, in der sie vom wahren Studentenleben einmal kosten dürfen, bevor der Wahnsinn anfängt! Das Ganze wird von uns organisiert, damit alle Erstis auch gebührend in Aachen empfangen werden und eine unvergessliche Erstiwoche haben. Wir ziehen im Hintergrund die Fäden von Appel und Ei bis Zirkelverkauf und haben den Blick darauf, dass die Ersti-Tutoren ihren Job erledigen. ;) Ihr findet, dass ihr einen unglaublichen Start erlebt habt und dass die Generationen nach euch einen ebenso tollen Start haben sollten? Dann schaut bei unseren Fachschaftssitzungen vorbei oder schreibt eine Mail an erstsemesterwoche@fs2. rwth-aachen.de!“

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„Vielleicht habt ihr an einigen Gerätschaften, Möbeln oder Werkzeugen schon den Reiff+ Aufkleber entdeckt und euch gefragt was es damit auf sich hat. Die Reiff+ Mittel, die jeder Fakultät der RWTH anteilig zustanden, stammen ursprünglich aus der Zeit der Studiengebühren. Nach dem Wegfall derselben hat das Land der Uni ersatzweise Geld zugesprochen, welches in der Qualitätsverbesserungskommission (kurz: QVK) verteilt wird. Hier sitzen Studenten mit Profs und Hochschulmitarbeitern zusammen um zu entscheiden, welche Projekte ganz konkret mit dem Geld gefördert werden. Wie der Name der Kommission vermuten lässt, ist das ausschlaggebendste Argument dafür die Verbesserung der Lehre. So konnten durch unsere Zustimmung bisher mit dem Geld beispielsweise Gastkritiker, Tutoren, Grundplatten, die Reiff labs und der Lehrpreis finanziert werden. Hast du Lust mitzuentscheiden? Komm vorbei!“


Kalender

RWTH

Ludwig Forum

Wissenschaftstag der Fakultät Am 25.06.2015 Fakultät für Architektur Was passiert wenn Architekten forschen?

Lufonauten Ab 10.05.2015 Eine Ausstellung von Kindern für Kinder.

Suermondt-LudwigMuseum

Paulina Olowska – Needle / Nadel Ab 31.05.2015 Die Aachener Kunstpreisträgerin des letzten Jahres.

Caspar Wolf Noch bis 14.06.2015 Studienarbeiten in Bleistift und Aquarell.

Neuer Aachner Kunstverein

Sammlerglück Noch bis 21.06.2015 Ausgesuchte Werke aus der Sammlung Marks-Thomée.

Alwin Lay 17.05.-12.07.2015 Fotografie, Skulptur, so. Ganz junger Typ.

Theater Aachen

und

Feierei

Illegal 25. April bis 03. Juli 2015 Theaterautor Björn Bicker bringt Aspekte zur Flüchtlingsthematik auf die Bühne. Der nackte Wahnsinn 25. April bis 05. Juli 2015 Komödie von Michael Frayn „Von hinten war es komischer als von vorne“. (Michael Frayn)

AZ-Fest 08.05.2015 Jährliches Fest des AZ Aachen mit ganz viel verschiedenem in jeder Hinsicht. Lothringair 13.06.2015 Lothringer Straße, Aachen Straßenfest mit reichhaltigem Kulturprogramm.

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Bild der Woche


Stadt der Teilhabe? Bericht von einem Vortrag Arno Brandlhubers am 12. Januar 2015

Die Düsseldorfer Kunstakademie ist ein kolossaler historistischer Riegel, quer zum Rhein gegenüber der Tonhalle gelegen. An einem dunklen Januarabend erkennt man bereits aus der Distanz die enorme Höhe der Zeichensäle, die sich auch in den Fluren fortsetzt. Fast niemand ist hier bisher auf die Idee gekommen, Zwischengeschosse einzuziehen. Gleichzeitig konterkariert der aktuelle Zustand das würdevolle Wesen der Räumlichkeiten. Scheinbar ist gerade Frühjahrsputz, und haufenweise Gemälde und Skulpturen lagern an den Rändern der Flure. Hier und da ist eine Kabeltrasse in der aufgebrochenen Wand sichtbar; zwischen Boden und Decke sind drei unterschiedliche Anstriche klar zu erkennen. Die Aula, der Ort des Vortrags, fällt raus. Gerastertes Parkett und Kassettendecke drücken die sakrale Höhe des Raumes, die Holzstühle sind zugleich zweckmäßig und elegant. Mit großformatigen Eingriffen haben sich einige Künstler im Raum verewigt. In diesem Ensemble das passende Publikum: elegant bis extravagant gekleidete Herren und Damen mit dem gewissen Schuss Architekt, ein paar versprengte Studenten. Ausgerechnet hier also Arno Brandlhuber. Bekannt dafür, nur mit Plus in Erscheinung zu treten, das Neanderthalmuseum, die Akademie c/o, Projekte zwischen Politik und Kunst. Als Mensch vor der Nase stellt er sich wie folgt dar: Atze-Schröder-Nickelbrille, blaues Blouson, frühzeitig gealterte Haut und schmierige Haare, viel hessisch, viele Gesten, umgänglich. Optisch höchstens ein Goldkettchen vom Gebrauchtwagenhändler entfernt. Wir haben also das Setting, und wir haben den Typen. Aber was erzählt der eigent-

laut nachgedacht

lich, noch dazu bei einem Titel wie Stadt der Teilhabe? Kurz: irgendwie alles. Es hat was vom klassischen Werkschau-Vortrag, nur übertrieben lässig kommentiert, ins anekdotenhafte abgleitend. Seine architektonischen Projekte entstehen oft aus einem sehr originellen Umgang mit Dingen, die Andere als störende Randparameter sähen, also z.B. Baurecht oder das Format von Restfenstern, die man gerade günstig bekam. Diese Herangehensweise erzeugt dann überraschende Kubaturen und unprogrammierte Zusatzflächen, helle, einfache, flexible Architektur. Danach wird allerdings auf eine Art nicht weitergedacht. Innenausbau und die städtische Umgebung sind höchstens Randthemen, die Materialität ist grundsätzlich zu kalt und steril für irgendeine Form von Behaglichkeit. Das Gegenargument dazu wäre wahrscheinlich: dafür ist es doch super offen und flexibel, der Nutzer kann noch alles draus machen. Geld wird er wohl übrighaben, die Quasi-Rohbauten kosten schliesslich nichts. Ja. Funktioniert vielleicht auch. Letzlich beschreibt der obige Absatz aber nicht das Interessante an dem Mann. Da steht ein Typ vor einem eher elitären Publikum, in einer Akademie, an der man Baukunst studiert und nicht Architektur. Und sagt, dass sein Architekturbüro als solches seit fast einer Dekade Miese macht, dass er sich eigentlich ganz anders trägt. Zum Beispiel über selbstentwickelte Immobilienprojekte, gerne auf Basis von Investitionsruinen anderer. Dafür bieten Berlin und Umgebung wohl (noch) die richtige Umgebung. Oder als Professor an der AdbK Nürnberg, wo er etwas namens Akademie c/o orga-

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nisiert. Ein vielgestaltiges Format, das sich mit der Raumproduktion der Berliner Republik befasst; dabei Tagungen, Seminare, Vorträge und Publikationen produziert – Diskurs also. Gleichzeitig gibt es dort unter diesem Namen einen nomadischen Architekturmaster, der jetzt wohl eingestellt werden soll. Warum? Weil man in diesem Format keine vollwertige Lehre für Architekten anbieten kann – es fehlen Tragwerklehre, Bauphysik, Gebäudetechnologie, et cetera. Oder mit so tollen Projekten wie der Initiative Weltkulturerbe Doppeltes Berlin. Hier geht es um staatstragende, ideologiegeprägte Architektur, welche es in Berlin auf engstem Raum eben doppelt gibt. Noch eine Anekdote: ein frühes Projekt, das Kölner Brett, wurde von den Kunstposttronikern to rococo rot vertont. Brandlhuber hierzu: „Die Platte haben wir 18.000 mal verkauft […] die ARCH+ hat vielleicht 6.000 Abonnenten.“ Abschließend greift er dann doch mal den Titel des Vortrags auf. Die Kernthese ist ungefähr, dass Stadt sich unbedingt ihre Kernqualitäten, Heterogenität und Durchmischung, erhalten müsse. Sonst wurde zu diesem Thema nichts gesagt oder es ging bei all den anderen angeschnittenen Themen unter. Keine Ahnung also, was er damit meint. -fr-

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Kurze Meldung Was so hinter den Kulissen der Fakultät passiert

INTERNATIONAL OFFICE

IMMOBILIENÖKONOMIE

Nach dem Ausscheiden von Frau Liehner soll das International Office ab Mai hoffentlich in ähnlicher personeller Aufstellung weitergeführt werden. Die Fakultät dankt Frau Liehner für die langjährige engagierte Zusammenarbeit.

Eine weitere Umwidmung steht ins Haus: die ehemalige Professur Freiraum- und Grünplanung wird zu Immobilienprojektentwicklung. Es bietet sich an, hier einmal grob ein Berufungsverfahren zu skizzieren, auch um diesen weiten inhaltlichen Sprung nachvollziehen zu können. Sobald ein Lehrstuhl frei wird, wird zunächst innerhalb der Fakultät eine Ausrichtungsdiskussion geführt. Es wird sich also gefragt, inwiefern das Fach in der bisherigen Ausrichtung für eine zeitgemäße Architekturfakultät relevant ist, was eventuell im Profil der Fakultät fehlt, wie man zukünftigen Anforderungen besser entsprechen könnte, und so weiter und so fort. Nach Entscheidungsfindung auf Fakultätsebene wird ein entsprechender Antrag an den Rektor gestellt. Gibt dieser grünes Licht, wird die Stelle ausgeschrieben. Nach Sichtung der Bewerbungen durch die Berufungskommission wird eine engere Auswahl zu Berufungsvorträgen eingeladen. Über die Favoriten aus dieser Runde werden (meist externe, vergleichende) Fachgutachten eingeholt, um die wissenschaftliche Qualifikation der Bewerber beurteilen zu können. Auf Basis dieser Eindrücke erstellt die Berufungskommission eine Reihung, die dann vom Fakultätsrat verabschiedet werden muss. Nun wird ein Ruf an den Favoriten erteilt, und es wird sich in Berufungsverhandlungen begeben, bei welchen die genauen Umstände der neuen Stelle geklärt werden sollen. Das Berufungsverfahren für die Professur Immobilienprojektentwicklung befindet sich momentan kurz vor der Verabschiedung der letzten Reihung durch die Berufungs-

NEUER ERGÄNZUNGSBAU Neben dem Baumhaus, auf dem Streifen, wo sich unter anderem Holzwerkstatt, das alte Café Reiff, und mehrere Werkstattcontainer befinden, soll in den nächsten Jahren ein zusätzlicher Erweiterungsbau für die Architekturfakultät entstehen. Die Mittel hierfür kommen aus dem Hochschulpakt II und stehen nur noch bis 2018 zur Verfügung, dementsprechend ist eine gewisse Eile bei der Entscheidungsfindung geboten. Das konkrete Raumprogramm befindet sich noch in der Diskussion, hauptsächlich sollen aber die Raumnot der Werkstätten und der Studierenden gelindert werden. Eine zusammengelegte Fakultätsbibliothek, wie vor einiger Zeit angedacht, steht wohl aktuell nicht zur Debatte. Aus Kostengründen und wegen der Praktikabilität im laufenden Fakultätsbetrieb wird der Bau wohl in einzelnen Etappen realisiert werden. INDIVIDUALISIERTE BAUPRODUKTION Nach der Umwidmung der Professur ‚Konstruktives Entwerfen‘ zu ‚Individualisierte Bauproduktion‘ (s. letztes Heft) wurde zum März Frau Sigrid Brell-Cogcan auf den Lehrstuhl berufen. Wir gratulieren & sind gespannt!

laut nachgedacht

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kommission. Laut der Stellenausschreibung sollen wesentlicher Interessengegenstand der Professur die immobilienwirtschaftlichen Bedingungen der Entwicklung von Bau- und Stadtplanungsprojekten mit besonderem Fokus auf Redevelopment sein. Von den Bewerbern wird vor allem der Nachweis wissenschaftlicher und didaktischer Kompetenzen erwartet. IN DEN NÄCHSTEN JAHREN In (für die meisten) etwas fernerer Zukunft stehen uns weitere Änderungen ins Haus. Als Professor ist man für gewöhnlich auf Lebenszeit verbeamtet, das Pensionsalter liegt in der Regel bei 65 Jahren. Auf jährlich erneut zu stellenden Antrag kann man diese Grenze bis zu drei Jahre nach hinten verschieben. Professor Selle befindet sich momentan im ersten Jahr dieser Verlängerung, Professor Wachten und Professor Schulze erreichen die Grenze 2017/18. In absehbarer Zeit sind also erneut gewichtige personelle Veränderungen zu erwarten.

schungsaktivitäten verstärkt vorantreiben sollen. Rezykliergerechtes Bauen, mit seinem selbsterklärenden Namen, wird von Linda Hildebrand, Ph.D., vertreten. Werkzeugkulturen befasst sich mit den architektureigenen Prozessen und Methoden sowie der Verwissenschaftlichung derselben. Inhaberin ist Carolin Stapenhorst, Ph.D. . Die Juniorprofessur Sicherung Kulturellen Erbes, zusammen mit dem beim ISL angesiedelten Unesco Chair for World Heritage Cultural and Urban Landscape, befasst sich mit dem Umgang mit dem Erbe unserer gebauten Umwelt. Auf diese Juniorprofessur wurde letztes Jahr Frau Dr.-Ing. Carola Neugebauer berufen. (Für eine Selbstdarstellung der erwähnten Damen verweisen wir auf die Steckbriefe in diesem Heft.)

ZIEL- UND LEISTUNGSVEREINBARUNG/ VERBUNDFORSCHUNGSFELDER Zwischen Fakultäten und Rektorat werden regelmäßig sogenannte Ziel- und Leistungsvereinbarungen getroffen, so auch an unserer. Inhaltlich geht es dabei hauptsächlich um angestrebte Entwicklungen in Forschung und Lehre. Heutzutage werden Forschungserfolge natürlich in Drittmitteleinwerbungen bemessen, so dass die Architekturfakultät erwartungsgemäß gegenüber den Ingenieuren und Naturwissenschaftlern ziemlich schlecht da steht. Um dem entgegenzuwirken, wurden bei uns mit der letzten Ziel- und Leistungsvereinbarung von 2013 fünf Verbundforschungsfelder geschaffen, die die Forschungsaktivitäten inhaltlich konzentrieren und fassen sollen: Reuse and Redevelopment; Cultural Heritage; Infrastructure, Production and Process; Material, Structure and Function; Context and Form. Im Rahmen dessen wurden drei Juniorprofessuren eingerichtet, die die For-

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-fr-


Anna Ngoc Nguyen und Danny Liu Seminar - Pixel Studio Lehrstuhl CAAD

mitgemacht

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mitgemacht

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Wunderkammern Räume für Geschichten

Auf die Suche nach Indizien für die Geschichte eines wundersamen Sammlers, reisten im vergangenen Wintersemester 12 Studenten des Kurses ‚Wunderkammer – Wohnen mit einer Sammlung‘ nach London. Aufgabe des M1 Projektes war es den Charakter und das Wohnhaus eines obsessiven Sammler zu entwerfen, eine Wunderkammer im ursprünglichen Sinne. Als Vorläufer der Museen entstanden Wunderkammern ab dem 14. Jahrhundert und stellten allerhand kuriose Objekte und Raritäten zur Schau, die den Betrachter in Staunen versetzen sollte. Durch eine gezielte Komposition wurden die Objekte der Begierde in ein räumliches Erzählwerk zusammengefügt. Diese narrative Herangehensweise war auch maßgebend für die Entwicklung unserer Projekte und sollte als Methode für den Entwurf verstanden werden. Der Ort des Geschehens war dabei für alle Gleich, die südliche Häuserreihe am Bedford Square, eine gutbürgerliche Gegend inmitten Londons. Von den 14 typischen englischen Stadthäusern sollte eines ausgewählt werden, um als Zuhause des sammelbesessenen Protagonisten zu dienen. Der Teufel steckte dabei im Detail, das weiß jeder, der schon einmal vor englischen Reihenhäusern stand oder gar ein Haus in einer englischen Reihenhaussiedlung wiederzufinden versuchte. Glücklicherweise ließen sich auf den zweiten Blick neben der Hausnummer weitere eindeutige Unterscheidungsmerkmale erkennen. So hatte nicht jedes Haus Blumen auf den Fensterbänken stehen, oder die Eingangstüre einiger Häuser war dunkelblau und nicht schwarz lackiert. Selbst die Farben und Oberflächen der Backsteinfassaden waren keinesfalls identisch – also genügend Material um daraus eine Geschichte zu formen.

Dem ‚üblichen‘ Entwurfsprozess ging dieses mal die Entwicklung des Hausbewohners voraus. Statt Raumprogramm und Proportion waren nun die Vorlieben und Eigenheiten des Sammlers zu planen: Profession, Herkunft, Kindheitserinnerungen, Schicksalsschläge, bis hin zur Lieblingsfarbe und Hobby, mit jedem Detail wuchs der Charakter und seine Lebensgeschichte. Die Persönlichkeit des Sammlers bildete so etwas wie einen subjektiven Genius Loci, den keiner besser verstehen konnte als der Autor selbst. Stets begleitet vom Thema des Narrativen in der Architektur war es besonders wichtig, die Atmosphären der Geschichte auch in eine adäquate Darstellung zu transportieren. So entwickelte jeder Teilnehmer seine eigene Formensprache um die spezifischen Merkmale der Wunderkammer hervorzuheben. Auf den folgenden Seiten sind die Kurzgeschichten von zwei Studentinnen zu finden, die sich dem Narrativ nicht nur als Werkzeug für ihre Architektur sondern auch als Ausdrucksform ihrer Präsentation bedient haben. Die Geschichten erzählen den Raum und erwecken auf diese Weise nicht nur den Protagonisten zum Leben.

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-oß-


M 1:50

Die Hutmaschine

GSEducationalVersion

Ich hatte von einer Freundin von diesem magischen Ort gehört, aus dem man angeblich glücklicher und schöner wieder rauskam. Sie gab mir eine Visitenkarte mit lediglich einer Telefonnummer, ohne Namen, ohne Adresse. Geschrieben in einer Schrift die mich an ein altes Buch meiner Großmutter erinnerte. Niemand würde heute mehr so schreiben. Die Visitenkarte an sich sah ebenfalls so aus als wäre sie aus einer lang vergessenen Zeit. Doch machte sie mich irgendwie neugierig. Ich rief diese Nummer an. Es meldete sich eine ältere Frau, ihren Namen erfuhr ich jedoch nie.

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Nachdem ich ihr erzählt hatte was ich brauchte, bekam ich einen Katalog zugesandt mit verschiedenen Hüten aller Art. Alle hatten jedoch ihre Außergewöhnlichkeit gemeinsam. Ich suchte mir einen aus und rief erneut an. Ich solle zu einem Haus am Bedford Square kommen sagte man mir, jedoch würde ich die Hintertür benutzen müssen. Alles ein wenig merkwürdig. Irgendwie konnte ich es jedoch nicht lassen Von außen sah das Haus genau aus wie alle anderen, nur die blaue Tür ließ vermuten, dass es insgeheim aus der Reihe tanzte. Ich klopfte an und eine ältere freundliche Frau öffnete. Bei Eintreten hörte ich leise entspannende Musik die das Rattern von Maschinen übertönte. Ohne, dass ich es merkte war mir mein Mantel von den Schultern genommen worden und verschwand auf einem Bügel auf meiner rechten Seite, der langsam davonglitt. Zu meiner linken sah ich Wolle, die so weich schien wie Watte. Sie erinnerte mich an dicke weiße Wolken und sie wurde in

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einem durch aufgewirbelt und in eine Maschine gesogen. Dann kam sie aus einer anderen Seite als glatter weißer Filz heraus. Ich wurde von der alten Frau weitergeführt und sie verriet mir dass aus diesem Filz mein Hut werden würde. Ich schaute mich um und hätte schwören können eine Katze in den Maschinen umherstreunern zu sehen. Es gab auch Blumen und Bücher die dort irgendwo lagen. Kurz darauf wurde ein Stück Filz abgetrennt, welches in einen großen Behälter mit einer knalligen Farbe getaucht wurde. Nach einer Art Föhn wurde es weitertransportiert Durch eine Reihe von Zylinderförmigen Maschinen. Ich konnte nicht sehen was geschah. Als es wieder herauskam, konnte man schon den Stumpen für den Hut erkennen. Ein Stück weiter oben kam er in eine Presse, die die Form für meinen Hut fertig brachte. Er wurde heruntergelassen, sodass ich ihn mir aufsetzen konnte und das Material anfassen konnte. Wir nahmen ihn mit in ein Blumenbeet. Ich fühlte mich wie auf einem anderen Stern. Ich mitgemacht

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konnte mir Blumen frisch für meinen Hut aussuchen. Zu meiner Frage, ob diese denn nicht schlecht würden bekam ich nur ein Nein als Antwort. Ich schaute mich noch einmal um, aber es waren tatsächlich echte Blumen, eingepflanzt in Erde. Ich suchte mir welche aus. Wir traten aus dem Beet heraus, und es bewegte sich langsam nach oben. Ich schaute hinterher. Mein Hut wurde auf eine Art Tablett gelegt und fuhr ebenfalls zu einer Maschine nach oben und ich sah ihn nicht mehr. Kurze Zeit darauf wurde er von einer Art Zange wieder heraus geholt und mir geradewegs auf meinen Kopf gesetzt. Als ich mich umdrehte, stand ich vor einem Spiegel. Ich fühlte mich wie ein neuer Mensch. Die alte Lady war veschwunden - ich konnte mir nicht erklären wohin. Als ich aus der Tür trat konnte ich nur strahlen, erst als sie hinter mir zufiel und die Musik verebbte war ich zurück auf der Erde. Janina Ernst M1 - Die Wunderkammer Lehrstuhl Wohnbau Seite 21


Das 6. Haus von Links -Julia Parker-

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Haus No.48 -Julia Parker-

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Erinnerungen an -Julia Parker-

Der Park -Julia Parker-


- Julia Parker Das sechste Haus von links reiht sich für die meißten eher unscheinbar in die Häuserreihe von Bedford Square, ein historischer Wohnort im Herzen Londons. Doch als Julia Parker mit Ende 20 das erste Mal mit ihrem Mann diesen Platz besuchte, fiel ihr genau dieses Haus ins Auge. Es war die Nr. 48 und es waren die kleinen Details, die es für sie besonders machten. Die leicht mit Moos begrünten Treppenstufen führten hinauf zur schwarz lackierten Eingangstür mit goldenen Schildern und Elementen, in denen sich der gegenüberliegende Park spiegelte, flankiert von zwei Blumenkübeln mit rund zugeschnittenen Sträuchern. Auf den Fensterbänken der acht Fenster sprossen Rankengewächse gen Boden und umhüllten jeweils drei kleine Buchsbäumchen und zwei orangene Blumen. Die grüne Plakette auf dem braunen Mauerwerk verlieh dem ganzen schließlich diese Andersartigkeit, die Julia mochte. War nicht Grün schon immer ihre Lieblingsfarbe gewesen? Und war nicht Grün ein Zeichen für Hoffnung und Zuversicht? Genau das, was sie und ihr Mann für ihre gemeinsame Zukunft suchten. Im Frühjahr dann, als der Park wieder anfing zu erwachen, zogen Julia Parker und ihr Mann ein ins Haus, das sie so mochte. Glückliche Jahre folgten, doch dann erkrankte sie und an einem kühlen Wintermorgen starb sie in den Armen ihres Mannes, für den nichts blieb als die Erinnerung, die Erinnerung an Julia Parker.

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Der Umbau -William Parker-

Der Eingang -William Parker-

Erinnerungsst端cke -William Parker-

Das Wohnzimmer -William Parker-

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- William Parker William Parker schloss die Tür hinter sich, legte Hut und Mantel ab - es war wieder einer der regnerischen Tage Londons - und blickte sich gedankenverloren um. Vor fast 10 Jahren, nach dem schmerzhaften Verlust seiner Frau, hatte er begonnen, das gemeinsame Haus am Bedford Square umzubauen, auf eine Weise, da war er sich sicher, wie es noch nie jemand getan hatte. William Parker war Doktor der Psychiatrie und kannte sich mit der Theorie über Verlust und Trauer aus, doch der Schmerz der sein Herz umschloss, war der Theorie so fern. So hatte er sich all die Jahre an Erinnerungen geklammert, er konnte einfach noch nicht loslassen und fing in seiner Trauer an, Gegenstände zu sammeln, die allesamt Grün waren. Grün war ihre Lieblingsfarbe gewesen und er hatte das Gefühl, so näher bei ihr zu sein. So verwandelte sich das Haus Nr. 48 allmählich in ein Sammelsurium von grünen Dingen, eine Erinnerungsarchitektur, eine Andersartigkeit, die seiner Frau gefallen hätte. In seiner Werkstatt hatte er all die Arbeiten vorgenommen, hatte Stifte, Knöpfe und Skier zu Bodenbelägen verarbeitet, Dinge zurecht geschnitten und sich Pläne zur Umgestaltung des Hauses gemacht und seine Umsetzungen in einem Materialienkatalog akribisch festgehalten. Außenmauern, die er nicht abreißen konnte, wurden mit grünen Elementen umhüllt, Innenwände aus grünen Gegenständen neu gebaut, sodass sich eine neue überwältigende Architektur um ihn herum bildete und er sich seine ganz eigene Welt schaffte. Das Wohnzimmer war eines seiner gelungensten Arbeiten gewesen. Ein hoher, lichtdurchfluteter Raum mit Wänden aus Pflanzen, die die Fenster rahmten und den Blick in den Garten und auf seine neue Praxis formten. Er genoss es, seine Erinnerungsarchitektur zu inszenieren, Besucher in dem Glauben zu lassen, es sei eine normale, doch sehr grünreiche Architektur. Der Regen prasselte nun gegen das Fenster und seine Gedanken verloren sich erneut. Er spürte, wie das Haus ihm half und wie der Schmerz und die Sehnsucht nach und nach kleiner wurden, wie die Erinnerung an seine Frau sich in seiner Umgebung, der Architektur des Hauses wiederspiegelte und ihm das Gefühl gab, ganz nah bei ihr zu sein.

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Das Hinterhaus -Sophie McQueen-

Der Rorschach-Test -Sophie McQueen-

Detailaufnahme Praxis -Sophie McQueen-

mitgemacht

Seite 26 Die Praxis -Sophie McQueen-


- Sophie McQueen An der Bedford Avenue angelangt, suchte Sophie McQueen nach der Hausnummer 25. Es war ihr erster Besuch beim Psychiater, sie hatte nach einem Unfall Schwierigkeiten damit zu schlafen und Bekannte hatten ihr diesen Doktor empfohlen, zwar sei er etwas eigenartig, doch auf liebevolle Weise. Gespannt stand sie nun vor der schwarz lackierten Eingangstür, die sich in eine ziemlich imposante und etwas einschüchternde Fassade einfügte. Doch sie war dankbar, dass sich der Eingang auf der eher ruhigen Rückstraße befand. Das kleine grüne Schild über der Klingel bestätigte ihr, dass sie richtig war und sie klingelte sachte. Nach kurzer Zeit surrte der Türöffner, sie packte den Türknauf und trat ein. Sophie McQueen fand sich in einem längeren hohen Raum wieder, der am Ende durch einen großen Spalt in den nächsten Raum zu führen schien. Sie bemerkte die Garderobe zu ihrer Rechten, legte ihren Mantel ab und ging weiter in den nächsten Raum. Noch in Gedanken vertieft fiel ihr erst jetzt diese Andersartigkeit auf, die sie umgab. Alles um sie herum schien Grün zu sein, verschiedene Töne und Muster fügten sich an Böden und Wände. Sie setzte sich neben einen bereits wartenden Mann und blickte umher. Unter ihr schwammen eigenartigerweise kleine grüne Fische. Irritiert nahm sie sich eine Zeitschrift aus dem grünen Holzgestell gegenüber und erspähte einen dort hinter liegenden kleinen Garten. Als ihr Name nach einiger Zeit aufgerufen wurde, ging sie in den angrenzenden Raum. Es war der Garten den sie eben noch erblickt hatte. Schön war es hier. Weiter ging es durch rankende Efeustränge, die wie eine Art Vorhang den darauffolgenden Behandlungsraum abschirmten. Die Wände fielen ihr wieder ins Auge, es sah aus wie grünes Mauerwerk. Doch gab es so etwas? Bevor Sophie McQueen weiter darüber nachdenken konnte, begrüßte sie ein älterer, gut aussehender Mann und sie schüttelte verwirrt, doch mit gutem Gefühl Dr. Parkers Hand. Ende.

Annika Reddemann | M1 - Die Wunderkammer | Lehrstuhl Wohnbau Seite 27


flickwerk

Titelhema

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requiescat in pace

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Aquis Plaza Neuer Glanz für Aachen Wie eine Jahrmarkt-Attraktion wird das Aquis Plaza, Aachens neuer Konsumtempel, vom Stadtmarketing und den Medien angepriesen. Auch Oberbürgermeister Marcel Philipp ist überzeugt: „Mit dem neuen Aquis Plaza erhält unsere Innenstadt ein weiteres Stück Qualität.“ Aber von welcher Qualität kann man hier sprechen? Als geradezu heroische Tat wird der Abriss von Unmengen Wohnfläche im Viertel propagiert; die „Macher“ geben der Stadt neuen Glanz, garniert mit einer Portion protziger Extravaganz und formvollendet serviert auf dem Silbertablett vollendeter Tatsachen. Der Kaiserplatz Aachen, zurzeit Drogenumschlagplatz und eine der übelsten Gegenden der ganzen Stadt („Schandfleck“), soll durch die ursprünglich als Kaiserplatz-Galerie titulierte „Einkaufslandschaft“ massiv aufgewertet werden. Die Verfechter des Projekts, allen voran die Investoren und Vertreter aus dem Stadtrat, erhoffen sich einen von diesem Großprojekt ausgehenden Synergie-Effekt, der auch den Rest der Einkaufsstraße beleben soll.

heute: „Kaiserplatzgalerie Aachen danke!“.

Doch konnten oder wollten die Befürworter des Projekts nicht auf die Bedenken der Gegner eingehen. Diese befürchten eine Entkernung der Innenstadt und das ruinöse Ende einer florierenden Einzelhandelswirtschaft mit einem 10-14%igen Kaufkraftabzug. Zudem bleibe das bekannte Problem der Wohnungsknappheit völlig unberücksichtigt. Auch auf denkmalpflegerische Bedenken wurde kaum Rücksicht genommen: unter anderem der 1952 von Michael Pielen geplante Gloria-Palast musste bereits 2007 weichen. Nicht zuletzt die Privatisierung des historisch gewachsenen öffentlichen Straßenraums am unteren Adalbertsberg zugunsten einer noch größeren Verkaufsfläche mache den Größenwahn der Verantwortlichen deutlich.

Dass dieses Projekt, was alle bisherigen Dimensionen der Aachener Baukultur um ein Vielfaches sprengt, auch Gegner auf die Straße ruft, scheint indes nicht zu verwundern. Die Bedenken die diese zu Beginn äußerten, lehnten das Konzept für Einkaufen am Adalbertsberg nicht gänzlich ab – damals noch optimistisch Bürgerinitiative „Kaiserplatzgalerie - aber anders“, nennen sie sich

Titelhema

Nein

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Neben all diesen Aspekten, die mehrfach und auch im Zuge von Protestaktionen und offenen Briefen an die Bürger und die Verantwortlichen im Stadtrat herangetragen wurden, ist es die Art und Weise, wie es in Aachen überhaupt zu dieser „größten Innenstadtbrache Deutschlands“ kommen konnte, die Horst Schnitzler und seine Mitstreiter in der Bürgerinitiative aufstoßen lässt. Sie sprechen von „Dilettantismus auf Seiten der Stadt Aachen“ und vom „Fremdschämen für die Machenschaften der eigenen Politiker“; dass hinter den Kulissen wohl noch einiges an Absprachen und


Vereinbarungen getroffen wurden, von denen der gemeine Bürger erst gar nichts weiß, ist zu vermuten. Die Leidtragenden, die dieser neuen Attraktion zum Opfer fallen, sind die Bürger, Einzelhändler und das Stadtbild selbst, obwohl sie von dieser profitieren sollten. Das Projekt erzeugt so viel Kontroversen, dass sich die Verantwortlichen in ständige Verteidigungsposition begeben müssen, um Wähler und Kritiker davon zu überzeugen, dass sie in Aachens Interesse handeln. Doch wer ist in diesem Fall „Aachen“? Eine maßgeschneiderte Öffentlichkeitsarbeit - vom Promovideo, das sich offensichtlich denselben Produzenten wie ProSiebens „Galileo“ teilt, mal ganz abgesehen - suggeriert unserer Giga-Konsum-Gesellschaft, sie brauche ein neues „Shoppingcenter der Superlative“ , einen „Foodcourt“ und das absolute „Shoppingerlebnis“. Doch außen vor bleiben vor allem die Studenten, wobei doch explizit mit Aachen als Studentenstadt geworben wird. Denn was die Studenten von diesem 290-Millionen-Projekt haben, bleibt zu hinterfragen. Warum forciert eine solche Stadt Modernisierung und „neuen Glanz“, handelt aber wenig weitsichtig und ohne Perspektiven zu schaffen, besonders für die Studenten? Das allseits bekannte Problem der Wohnungsknappheit hebt den Mietpreisspiegel, verschärft den ohnehin schon harten Wettbewerb auf dem Wohnungsmarkt und spielt den frohlockenden Vermietern in die Taschen. Statt diesem Problem mit kleinteiliger Parzellierung und sinnvoller Nutzungsverteilung entgegen zu wirken, entschieden sich die Verantwortlichen für einen monströsen Platzhalter, der den Drei-Länder-Tourismus weiter ankurbeln und das Image der Stadt weiter aufpolieren soll.

- Super C vs. Aquis Plaza Jeder 6. Aachener Bürger ist eingeschriebener Student und nimmt damit einen bedeutenden Teil der Aachener Bevölkerung ein. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn Studenten sich zukünftig mehr mit dem Super C identifizieren können als mit dem Shoppingtempel am anderen Ende der Stadt und dadurch das Super C aus dem Fokus der lokalen Architekturdiskriminierung rückt. Mit dem offiziellen Argument der Stadt ein neues Shoppingparadies zu erschaffen, setzen die „Projektleader“ dem Götzen der RWTH (Super C) ein monumentales Prestige-Objekt gegenüber. Ist es nicht diese eindeutige Niederlage vor dem durch Gigantismus angetriebenen Kapitalismus, unterstützt von ranghohen Politikern, der uns nachdenklich stimmen sollen oder ist eher die Ohnmacht unserer Bevölkerung und unsere scheinbare Gleichgültigkeit? -ke-ni-

Unsere Informationen sind frei zusammengestellt und zitiert nach folgenden Webseiten: http://www.aachener-nachrichten.de/lokales/aachen/derschriftzug-leuchtet-zum-letzten-mal-1.242668 http://www.aquisplaza.de/de/ http://www.kaiserplatzgalerie-nein-danke.de/ http://www.deal-magazin.com/news/3/41622/Caverion-sichert-sich-Millionenauftrag-im-Einkaufszentrum-Aquis-Plaza http://www.textilwirtschaft.de/suche/show.php?ids%5B%5D=946542&a=0 http://www1.wdr.de/studio/aachen/themadestages/baustelle_aquisplaza_adalbertstrasse104.html http://www.campus52.tv/kaiserplatzgalerie-aquis-plaza/ http://www.aachener-nachrichten.de/roemische-keramikscherben-am-aquis-plaza-1.689058 http://uwg-aachen.de/interview-von-horst-schnitzler-zur-buergerinitiative-kaiserplatzgalerie-nein-danke/ http://www.aachener-nachrichten.de/in-den-klassischen-einkaufslagen-wachsen-allmaehlich-die-sorgen-1.683656

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Grand Tour Die Grand Tour und ihre Bedeutung im Zeitalter des world wide web. Mag die Grand Tour als die Bildungsreise, die den Adel des 18. Jhd. durch Mitteleuropa, Spanien und Italien bis gar ins Heilige Land führte, heute nur noch durch literarische Zeugnisse von Dichtern und Denkern jener Zeit bekannt sein, so stellt sich die Frage in wie weit eine solche Reise auch heute noch für (Architektur-) Bildung taugt. Damals gehörte das Studium antiker Monumente, Kirchen und Museen in Rom quasi genauso zum Pflichtprogramm der jungen Reisenden wie die Vertiefung ihrer Sprachkenntnisse und das Sammeln von erotischen Erfahrungen. Zitate aus jener Zeit belegen die Bedeutung, die diese Erlebnisse im Reifeprozess der adeligen Reisenden hatten.

nungen zur „Italienischen Reise“ deutlich. Er verehrte vor allem die Kunst des Raffaele und die Architektur des Andrea Palladio, die er ausführlich in seinen Berichten dokumentiert.

»Das Reisen bildet sehr; es entwöhnt von allen Vorurteilen des Volkes, des Glaubens, der Familie, der Erziehung. Es gibt den humanen duldsamen Sinn, den allgemeinen Charakter. Wer dagegen nichts sah, was ihn in der Sphäre, worin er lebt, umgibt, hält leicht alles für notwendig und einzig in der Welt, weil es in seiner Heimat dafür gilt. « Immanuel Kant (1724-1804)

Mit der Einflussnahme dieser Studien und den Traktaten jener bewunderten Künstler und Architekten veränderte sich auch die Architektur im Norden und Westen Europas, Stilrichtungen wie der sogenannte Palladianismus hielten Einzug in die internationale Architekturszene. Nun stellt sich die Frage in wie weit diese Bewegung vom Studieren und Lernen am gebauten Objekt auch heute noch zeitgemäß oder durch die globale Vernetzung des world wide web überflüssig geworden ist. Die Anmeldezahlen für die erste Bauhausexkursion Weimar/Dessau, die den Rahmen des Möglichen um ein Vielfaches sprengten, sprechen eine eindeutige Sprache. Sie weisen unmissverständlich darauf hin, dass sie - wohin auch immer sie uns führen mag, nennen wir sie trotzdem Grand Tour - auch für die Generation Y noch eine wichtige Etappe in ihrem Reifeprozess darstellt.

»Die Reise gleicht einem Spiel; es ist immer Gewinn und Verlust dabei, und meist von der unerwarteten Seite; man empfängt mehr oder weniger, als man hofft. Für Naturen wie die meine ist eine Reise unschätzbar: sie belebt, berichtigt, belehrt und bildet.« Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) Dass das Studium der Architektur dabei eine inspirierende Rolle nicht nur für englische sondern auch für deutsche Reisende wie Johann Wolfgang von Goethe spielte, wird in seinen Tagebuchaufzeich-

Titelhema

»(...) Wenn man nun diese Werke gegenwärtig sieht, so erkennt man erst den großen Wert derselben; denn sie sollen ja durch ihre wirkliche Größe und Körperlichkeit das Auge füllen und durch die schöne Harmonie ihrer Dimensionen nicht nur in abstrakten Aufrissen, sondern mit dem ganzen perspektivischen Vordringen und Zurückweichen den Geist befriedigen; und so sag‘ ich vom Palladio: er ist ein recht innerlich und von innen heraus großer Mensch gewesen.«

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Tangram 七巧板

»Original-Tangram Das klassische Legespiel für 1 und mehr Personen ab 8 Jahren Tangram ist kein Spiel im eigentlichen Sinne — eher eine Philosophie, eine Lebenseinstellung. Mit nur sieben Steinen — einem Quadrat, einem Parallelogramm und fünf Dreiecken — werden hier durch simples Aneinanderlegen unterschiedlichste Formen und Figuren in tausendfachen Kombinationen gebildet. Die in diesem Heft gesammelten Beispiele geben nur einen kleinen Ausschnitt der Formenvielfalt wieder. Es liegt an Ihnen, mit Tangram eine kleine Welt des Mosaiks zu erschaffen. Ihre Fantasie und Einfallsgabe weisen den Weg.«

Auszug aus der Original-Tangram Spieleanleitung von Schmidt Spiele.

Titelhema

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Peter Behrens... ... und die Vielfalt der Gestaltung.

Peter Behrens - eigentlich Maler, erlangte hauptsächlich als Architekt und Designer Bekanntheit. Seine Arbeit für die AEG war ein früher Vorläufer des heutigen Corporate Design, sein typographisches Können ist bis heute am Reichstagsgebäude zu sehen, sein Büro war Kaderschmiede für die Helden der Moderne (Mies, Corbu, Gropius, …). Die Sprache seiner Bauten war über die Dauer seines Lebens einem konstanten Wandel unterworfen und erzählt stets laut von seinen Einflüssen. So steht der Erstling, das Haus Behrens, dem Jugendstil noch sehr nahe. Später transplantiert er eine Art Florentiner Protorenaissance nach Hagen, verfolgt einen von Schinkel inspirierten modernen Klassizismus mit oft monumentaler Proportionierung, oder versucht sich in Backsteinexpressionismus.

det auf hohem Niveau statt. Schade ist, dass Behrens‘ Zeit in Düsseldorf (zunächst an der Kunstgewerbeschule, dann an der Kunstakademie) nicht noch näher beleuchtet wird. Hieran hätte man zum Beispiel noch ein Nachdenken über die Stadtentwicklung im frühen 20. Jahrhundert oder über die akademische Fachkultur aufhängen können. Die Ausstellung wurde mit Studierenden im Rahmen ihres regulären Curriculums realisiert. Hier haben sich also Menschen intensiv mit anspruchsvollen Modellbauaufgaben, praktischen Fragen der Ausstellungsgestaltung und auch sehr monothematisch mit einer Figur der Architekturgeschichte auseinandergesetzt. Am Ende steht etwas, das den Umfang und das Spektrum normaler Studienarbeiten weit übersteigt. Könnte dies nicht auch ein Modell für die Lehre bei uns sein?

Die Architekturabteilung der Düsseldorfer Fachhochschule nennt sich Peter Behrens School of Architecture. Unter der Leitung von Prof. Dr. Thorsten Scheer (Professur Wissenschaftliche Grundlagen, Kunst- und Kulturgeschichte) nahm man dort das 75. Todesjahr Behrens‘ zum Anlass, eine Ausstellung über den Namenspatron zu realisieren. Im NRW Forum im Ehrenhof, also an äußerst prominenter Stelle, wurde das Schaffen Peter Behrens‘ anhand ausgewählter Bauwerke und sonstiger wichtiger Stationen präsentiert. Die Präsentation ist mehr als gelungen, die inhaltliche Auseinandersetzung in den leider kurzen Texten fin-

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Drei Hütchen für die Bundesrepublik

Chistos alter Hut, 1995

Gustav Peichl, Wiener, Architekt, aber vor allem Karikaturist. Unter dem Pseudonym Ironimus kommentiert er seit 70 Jahren auf humorvoll bissige aber nie bösartige Weise das Politik-, Kulturund Architekturgeschehen in Deutschland und Österreich. Den Architekten Peichl kennt man in Österreich vor allem durch seine als Peichltorten bekannt gewordenen Landesstudios des ORF. 1992 war er einer der entscheidenden Köpfe, die Helmut Kohl1 von dem Entwurf Axel Schultes‘ und Charlotte Franks für das Band des Bundes2 überzeugen konnten. Zu diesem Zeitpunkt war gerade ein Projekt fertiggestellt worden, welches sich glücklicherweise keine allzu lange Zugfahrt von Aachen entfernt in unserer ehemaligen Hauptstadt Bonn befindet: die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland. Die Anreise mit dem Zug und der U-Bahn sei hier übrigens explizit empfohlen. So lässt sich nämlich nicht nur der

Expressiver Naturalismus, 1996

scheußlichen Parkhausarchitektur und einem fehlplatziertem Umspannwerk optisch entgehen, sondern man tritt auch von der vorgesehenen Seite, der Friedrich-Ebert-Allee, an das Gebäude heran. Die stark befahrene Hauptverkehrsader zwischen Bonn und Bad Godesberg sollte im Sinne einer Strukturierung des provisorischen Charakters Bonns als Hauptstadt beruhigt und zur Regierungsallee ausgebaut werden. Eine Wiedervereinigung inklusive Umzug nach Berlin später bleibt davon die sogenannte Museumsmeile übrig. Als Abschluss dieser Museumsmeile bildet die Bundeskunsthalle ein sowohl harmonisches als auch kontrastreiches Ensemble mit dem benachbarten Kunstmuseum der Stadt Bonn. Zwei Baukörper quadratischer Grundfläche und gleicher Bauhöhe, die zusammen mit einem Zwischenraum einen Quader parallel zu Allee bilden. Dabei ist die Straßenfassade der Bundeskunsthalle leicht zurückgesetzt zu Gunsten von 16 stählernen Säulen, die eine Flucht mit der

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Der Rastertechnokrat, 1991

Fassade des städtischen Kunstmuseums bilden und symbolisch für die wiedervereinigten Bundesländer stehen. Die von Betontafeln gedeckte Fassade gibt ein schlichtes und homogenes Bild mit wenigen Fenstern. Der Besucher wird nachdem er an den Säulen vorbei in den Zwischenraum gelangt ist über wellenförmige Wege im geschotterten Boden zu einer völlig prätentiösen, schmalen Öffnung in der Fassade gelenkt. Dahinter befindet sich ein kleiner Innenhof und die eigentliche Eingangsfassade, transparent und ebenfalls gewellt hätte sie an den Außenseiten keinen Platz gefunden. Hinter ihr gelangt man in einen großen Eingangsbereich, der zusammen mit dem Innenhof einen von vier sehr unterschiedlichen Bereichen bildet, in die das Gebäudeinnere kreuzförmig geteilt ist. Die weiteren sind eine große Ausstellungshalle, ein zweistöckiger Galeriebereich und ein Vortragssaal über einem Café. Gefasst werden die vier Bereiche durch ein Band, in dem sich die Büros und Werkstätten befinden. Die Innenräume sind alle sehr hoch, schlicht und weiß. Die Architektur ist an dieser Stelle sehr still und lässt der Kunst den Vortritt. In der großen Halle werden sogar für die Hauptaus-

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Der große Holzbauer, 1995

stellungen regelmäßig neue Stellwände aufgezogen und mit Informationen für die Exponate bedruckt. An der Decke befinden sich in einem Raster mit den tragenden Stützen Kassetten, an denen sich flexibel Spotlights befestigen lassen. Mit so viel Funktionalität hat Peichl die Ausstellungsmacher sicher sehr glücklich gemacht. Ein wenig austoben durfte er sich dann aber doch. Und zwar mit seinem Dachgarten den er selbst „die 5. Fassade“ nennt und welche Le Corbusier sicher mit Stolz erfüllt hätte. Hinauf gelangt man über eine Treppe oder eher Rampe, die dem Gebäude auf dem Zwischenraum der Museen vorgelagert ist. Und hat man einmal das sommerliche Glück3 wirklich nach oben zu dürfen, dann sind es natürlich die drei spitzen Kegel die den Blick auf sich ziehen. Sie sind das markante Wahrzeichen des Gebäudes. Außen mit türkisblauen Majolikascheiben verkleidet, die wohl eine Hommage an Antoni Gaudí darstellen und vielleicht auch einen passenden Kontrast zu den rostbraunen Säulen bilden, sind sie wohl das am meisten polarisierende Element des Gebäudes. Funktional dienen sie als wirkungsvolle Lichtschächte für die Ausstellungsräu-

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Die Star-Architekteuse, 2004

me. Architektonisch sind sie mit ihrer unregelmäßigen Anordnung und Größe ein logischer Abschluss und kontrastierendes Element zur simplen Kubatur des Baukörpers. Assoziativ wirken sie als Erinnerungen an mittelalterliche Stadtsilhouetten im sehr demokratischen Kontext des Regierungsviertels in Bonn. Übrigens hat Peichl vor wenigen Wochen entschieden, dass nun mit 87 Jahren ein gutes Alter erreicht sei, um in Rente zu gehen. -ba-

„Er ist ein großer Staatsmann und hochgebildeter Historiker, aber er hat keinen Geschmack – nicht nur bei seinen Krawatten, auch bei Architektur.“ Bauensemble aus Bundeskanzleramt, Paul-Löbe-Haus und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus; 2

kostenlos und frei zugänglich “mit Wettereinschränkungen bei Sturm, Starkregen, Glatteis oder Schnee“ (im Endeffekt aber über den ganzen Winter geschlossen): 3

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Seelenanalyse, Holocaust-Denkmal, 2004


Eine Seite für... Name: Carolin Christin Stapenhorst Aufgewachsen in: Kattenvenne, plattdeutsch für „Katzenmoor“. Der Name ist Programm: 2000-Seelendorf an der Bahnlinie Münster-Osnabrück. Zum Aufwachsen nicht schlecht – Feld-Wald-Wiese und wenig mehr, dafür ein gutes Fahrradwegenetz und Zugverbindung in die Welt. Studium an: Architekturstudium an der RWTH Aachen, mit einem Auslandsjahr am IUAV Venedig, Promotionsstudium am Politecnico di Torino mit einem Auslandsjahr an der EPFL. Lehrstuhl an der RWTH: Werkzeugkulturen Lieblingsrestaurant: Kimchi, weil nah, lecker, gesund und günstig. Lieblingskneipe: Das Café Kittel. War schon zu Studienzeiten eine Lieblingskneipe und gefällt immer noch, weil unverändert. Einzige mir bekannte Kneipe, in der es auch im Jahr 2015 noch „Toast Hawaii“ gibt. Lieblingsmusik: eklektisch: Serge Gainsbourg, Hellmut Hattler, Paolo Conte, Kraftwerk, Glenn Gould, Alt-J, Eels, Vinicio Capossela, Thievery Corporation, Fabrizio de Andre, Róisín Murphy, Ennio Morricone, Lali Puna, Paolo Fresu etc. etc. Lieblingsbuch: Viele Lieblingsbücher! Als Notfallausrüstung für Unvorhergesehenes (Zugausfälle etc.) habe ich immer einen Roman von Georges Simenon in der Tasche (sehr gerne in den Adelphi-Ausgaben, weil besonders klein und handlich). Lieblingsspruch/Zitat: 5. Irrational thoughts should be followed absolutely and logically. 33.It is difficult to bungle a good idea. (Sol LeWitt: Sentences on Conceptual Art, 1969) Architektur Trip/Tipp: Man sollte zu sehen lernen, was einem im Alltag begegnet. Mit erhöhter Aufmerksamkeit findet man unerwartet und nah – oft fragmentarische und anonyme – Architekturen, die absolut sehenswert sind.

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Das möchte ich den Studenten gerne mitgeben: Ich möchte die Studenten im positiven Sinne verunsichern bzw. scheinbare Gewissheiten reflektieren lassen. Die Frage, die sie sich immer wieder neu stellen sollten, ist: „Wie arbeiten und entwerfen wir wirklich?“ Das nehme ich von den Studenten mit: Siehe oben – auch ich möchte von den Studenten verunsichert werden. Da ich mich mit Entwurfswerkzeugen/Entwurfsmethoden beschäftige, kann ich von der persönlichen Arbeitsweise eines jeden lernen. Von diesem/n Architekt/en habe ich besonders viel gelernt: Mir gefällt die Meister-Schüler-Idee nicht. Ich glaube vielmehr, dass man sich während der Ausbildung Filter aneignet, die es ermöglichen, in unterschiedlichen Situationen von sehr unterschiedlichen Personen zu lernen: von Kollegen, Kommilitonen, Lehrern, Bauherren, Nutzern, Handwerkern, Fachleuten etc. Wenn ich noch einmal studieren könnte, würde ich mich für folgendes Fach entscheiden: Ich würde wieder Architektur studieren. Allerdings leiste ich bei meinen noch jungen Kindern gerade Überzeugungsarbeit, damit sie nicht Architektur studieren. Wie wird man Juniorprofessor? Die richtungsweisende Entscheidung in meinem Werdegang war, nach mehreren Jahren funktionierender Berufspraxis wieder an die Universität zu gehen, um dort mein persönliches Interesse für bestimmte Themen wissenschaftlich zu vertiefen. Die Juniorprofessur war insofern eine Konsequenz der Promotionsarbeit bzw. die wunderbare Möglichkeit, sich auf eine Stelle zu bewerben, die genau den eigenen Forschungsinteressen entspricht. Was wurde letztes Semester in Ihren Projekten entwickelt? Was haben Sie noch vor? Im letzten Semester wurden zwei Themenkomplexe begonnen, die in den nächsten Semestern weiter entwickeln werden sollen: die Formen von Wissenstransfer aus anderen Disziplinen in den Architekturentwurf und die Abbildbarkeit/Dokumentierbarkeit entwerferischer Entscheidungsketten. Zukünftig möchte ich an Werkzeugen arbeiten, die den Wissenstransfer zwischen verschiedenen Kompetenzen schon in den initialen/konzeptionellen Entwurfsphasen ermöglichen und die Heterogenität der Einzelprobleme eines Projektes als entwerferisches Potential nutzen.

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Eine Seite für... Name: Linda Hildebrand Aufgewachsen in: Bielefeld/ Berlin Studium an: Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur Lehrstuhl an der RWTH: Rezykliergerechtes Bauen Lieblingsrestaurant: Selbstgekocht mit vielen Menschen am großen Tisch. Lieblingskneipe: Ringo, Berlin. Weil die Inneneinrichtung war wie sein Publikum, gelassen und schön.// Mama, Berlin. Die erste Bar ohne Tapeten, mit angenehm komischer Musik, leckerem Bier, die immer auf hat. Lieblingsmusik: Elektronisch, gern mit weiblicher Stimme. Lieblingsbuch: Kutscher Krimis. Sie sind entspannend. Genau wie Nessers Bücher. Kutscher erzählt dabei vom Berlin der 20/30er Jahre. Das ist interessant und unterhaltsam. Lieblingsspruch/Zitat? Die Glücklichen sind neugierig. (Nietzsche) Architektur Trip/Tipp: Metropolen und Low-Tech Lösungen faszinieren mich gleichermaßen. Es gibt viel zu sehen - zwei Highlights: der Ausblick aus der transparenten Box des 103. Stocks im Willis Tower (Chicago)/ eine Nacht in einer Jurte (Ablesbarkeit von Lebensgewohnheiten und –umständen.) Das möchte ich den Studenten gerne mitgeben: Sucht die Themen, die euch wirklich interessieren und erarbeitet sie euch. Das nehme ich von den Studenten mit: Neue Zugänge und andere Perspektiven. Begeisterung.

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Von diesem/n Architekt/en habe ich besonders viel gelernt: Renzo Piano, weil er jede Bauaufgabe in der Tiefe seiner Individualität betrachtet hat. Buckminster Fuller, weil er den globalen Zusammenhang sah. Frei Otto, weil ihm die Überführung von Forschung und Form so anschaulich gelang. Rem Koolhaas, weil er Themen abstrakt behandelt und sie durch das Gebaute ins Konkrete überführt. Transsolar, weil sie den Entwurfsprozess sichtbar um den Parameter Climate Design erweitert haben. Wenn ich noch einmal studieren könnte, würde ich mich für folgendes Fach entscheiden: Tatsächlich Architektur. Wie wird man Juniorprofessor, und warum? Was wurde letztes Semester in Ihren Projekten entwickelt? Was haben Sie noch vor? Der Unibetrieb eröffnet die Möglichkeit sich mit vielen Themen auseinander zu setzten. Mich interessiert der Kreislauf eines Gebäudes. Wie können wir Gebäude konstruieren, die nahezu keine primären Ressourcen binden? Nicht genutzte Rohstoffe zu finden und zu benutzen, war Thema des letzten Wahlfachs. Die Wieder- und Weiterverwendung von Material sind Gegenstand des aktuellen Seminars.

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Eine Seite für... Name: Carola Silvia Neugebauer Aufgewachsen in: Dresden Studium an: TU Dresden und der ENSP in Versailles Lehrstuhl an der RWTH: Juniorprofessur Sicherung kulturellen Erbes Lieblingsrestaurant: Nun ja, nicht gerade eine Restaurant, aber für die Mittagspause: das Kimchi - vor allem wegen der Suppen. Lieblingskneipe in Aachen: In Aachen noch keine - bin beim Sondieren. Lieblingsmusik: Klassische Musik – Bach und Prokofjew; Tori Amos und viele andere. Lieblingsbuch: Viele Bücher, in denen die Autoren ihre Gegenwart kritisch und vielschichtig reflektieren, zum Beispiel „Ole Bienenkopp“ (E. Strittmatter), „Ditte Menschenkind“ (M.A. Nexö), „Weißkerns Nachlass“ (Ch. Hein). Science Fiction hingegen geht gar nicht. Lieblingsspruch/Zitat: „Je mehr man plant, desto herber trifft einen der Zufall.“ Das ist zwar nicht mein Lieblingsspruch, aber ich muss zu oft daran denken. Architektur Trip/Tipp: So vieles in Ost und West, Nord und Süd sollte man gesehen haben und das aus den unterschiedlichsten, nicht nur fachlichen Gründen: Die Palastanlage in Marrakesch zum Beispiel, um dem Kalifen Storch zu begegnen. Das möchte ich den Studenten gerne mitgeben: Architektur und Städtebau sind Spiegel und Medium gesellschaftlicher Kräfte. Und Architekturstudierende sind nicht nur Ästheten, sondern Handelnde in diesen sozioökonomischen und politischen Kraftfeldern. Sie sollten deshalb auch ein kritisches Interesse dafür entwickeln. Das nehme ich von den Studenten mit: Impulse für neue Lehrangebote.

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Von diesem/n Architekt/en habe ich besonders viel gelernt: Das ist wie bei der Musik, Literatur und Kunst: es gibt viele Architekten, die spannend sind. Wenn ich noch einmal studieren könnte, würde ich mich für folgendes Fach entscheiden: Eigentlich doch wieder das gleiche. Oder doch lieber Medizin, weil man da unmittelbar die Lebensqualität des Menschen verbessert und das Berufsfeld im Schnitt weniger prekäre Arbeitsverhältnisse hervorbringt? Wie wird man Juniorprofessor, und warum? Was der Standard-Weg zur JP ist, weiß ich nicht. Jede Geschichte, die ich bisher hörte war anders. Und warum? Um was Neues auszuprobieren und praxisrelevante Themen frei in Forschung und Lehre weiterverfolgen zu können/ dürfen. Was haben Sie noch vor? Zu vieles auf einmal, also mal sehen, was sich davon tatsächlich realisieren lässt.

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Eine Seite für... Name: Sigrid Brell-Cokcan Aufgewachsen in: den österreichischen Alpen Studium an: der Akademie der bildenden Künste in Wien und weit davon entfernt an der University of Sydney in Australien Lehrstuhl an der RWTH: Individualisierte Bauproduktion Lieblingsrestaurant: das Palmenhaus in Wien (http://www.palmenhaus.at/) direkt hinter dem Heldenplatz- hier kann man bei gutem Essen und Wein die kalte Jahreszeit in den Tropen und an der Bar verbringen. Lieblingskneipe: Kann ich mich nicht erinnern. Beim Gang in die „Kneipe“ denke ich an meine Studienzeit. Das hat bei uns nach einem langen Arbeitstag „Wir müssen zum Dienst“ geheißen. Lieblingsmusik: Als Österreicherin natürlich klassische Musik. Lieblingsbuch: Ich freue mich auf Zeit, in Ruhe ein Buch in die Hand nehmen zu können! Mein Kontrastprogramm zurzeit ist untertags Fachliteratur und abends die Kinderbuchserie „Die Olchis von Schmuddelfing“, das eine lese ich leise und schnell, das andere langsam und laut. Lieblingsspruch/Zitat: Laut Pierre Bézier sind die zwei Grundlagen für Innovationen 1.) die dringende Notwendigkeit ein Problem zu lösen und 2.) neu aufkommende Hilfsmittel, die helfen können wichtige Probleme zu lösen. Architektur Trip/Tipp: Ich empfehle das Kontrastprogramm von China, wie aus dem Nichts hoch technoide Metropolen wie Shanghai aus dem Boden gestampft werden zu den Kulturschätzen in der Bauproduktion von Holzpagoden. Das möchte ich den Studenten gerne mitgeben: Dass Architektur kein sozialer Beruf ist, sondern wir als Architekten Entwickler und Innovatoren sind- Geldverdienen ist also erlaubt! Das nehme ich von den Studenten mit: Die Neugierde und erfrischende Naivität an Problemstellungen heranzugehen.

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Von diesem/n Architekt/en habe ich besonders viel gelernt: Oskar Niemeyer, der sich schon in jungen Jahren getraut hat, Raum, Materialien und Produktionsprozesse bis an ihre Grenzen umzusetzen. Und er hat es geschafft, sich noch ins hohe Alter als 100jähriger seine Innovationskraft zu erhalten. Wenn ich noch einmal studieren könnte, würde ich mich für folgendes Fach entscheiden: Auf alle Fälle etwas Kreatives. Kreativen Köpfen ist es einfach Technik beizubringen, Technikern aber unmöglich Kreativität. Daher ist das Architekturstudium ein sehr wichtiger Bestandteil an Technischen Universitäten! Warum Roboter? Das war reiner Zufall und eine Notwendigkeit! Eigentlich wollten wir für ein Forschungsprojekt eine 5-Achs Portalfräse zum Fräsen kaufen, nur ist diese bei der ersten Demonstration kaputt gegangen. Alle weiteren 5-Achsfräsen waren einfach zu teuer und wir hatten nicht ausreichend Geld dafür aufgrund des Billigstbieterprinzips. So ist nur der Roboter als leistbare Technologie übriggeblieben, die wir zum Fräsen bringen konnten- mit dem Vorteil, dass Roboter außer Fräsen noch einiges mehr können ;). Was meint individualisierte Bauproduktion? Die „Bauproduktion“ bezieht sich auf das Herstellen von mehr als einem einzigen Bauteil und umfasst zumeist nicht nur die maschinelle Herstellung von einer Vielzahl an Teilen, sondern auch Transport und Montage derselben im gesamten Bauprozess. Von einer „individualisierten“ Bauproduktion innerhalb eines Architekturprozesses spricht man sobald die Notwendigkeit der Herstellung von einzelnen, nicht wiederholbaren, also „individualisierten“ Bauprodukten in der kleinsten möglichen Losgröße, der Losgröße 1, besteht.

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Ein Nachruf Am Montag den 9. März 2015 verstarb der Architekt Frei Otto im Alter von 89 Jahren. Am Dienstag gab das Komitee des Pritzker-Preises bekannt, dass in diesem Jahr zum ersten Mal jemand posthum ausgezeichnet werde, zum zweiten Mal ein Deutscher. Die Begründung der Jury lautet, der Preisträger sei nicht nur Architekt, sondern auch Forscher, Erfinder, Form-Finder, Ingenieur, Baumeister, Lehrer, Mitarbeiter, Umwelt-Aktivist, Humanist und Schöpfer unvergesslicher Gebäude und Orte gewesen. Klingt so, als müsse man besonders vielseitig sein, um diesen Preis zu erhalten. Oder aber man verhilft dem ingenieursmäßigen Bauen auf eine neue Stufe der Eleganz und Leichtigkeit. Eben das tat Frei Otto. Shigeru Ban drückt es so aus:

»Louis Kahn asked the brick: „What do you

want to become, brick?“ The brick answered: „I want to become an arch.“ I think that Frei Otto was an architect who kept asking the air what it wanted to become. He kept thinking about how to envelop air or space with the minimum of material and power. He was still touching materials and drawing sketches until his last breath. His achievements, rather than just being his ‚works‘, have become the ‚grammar‘ of structural design, unnoticed, and we architects are only now realizing that we unconsciously base our designs on his grammar. I am truly indebted to Frei Otto, for sharing his deep understanding and inventions in the field of architecture.« Genügt, oder? -ba-

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Impressum Die Redaktion übernimmt keine Verantwortung für die jeweiligen Artikel. Die Verfasser zeigen sich mit dem Einsenden ihres Artikels selbstverantwortlich. Alle Inhalte und Fotos ohne Quellenangaben wurden mit Einverständnis des Urhebers gedruckt. Herausgeber Fachschaft Architektur reiff life Schinkelstraße 1 52062 Aachen Redaktion und Layout Simon Bauer -baJan Fries -frStefanie Kerner -keGeraldine Nitsch -niStefanie Oßenkamp -oßVielen Dank an Sigrid Brell-Cogcan Janina Ernst Linda Hildebrand Carola Neugebauer Anna Ozolina Laura Pinckvos Annika Reddemann Margret Spalding Juliane Seehawer Carolin Stapenhorst die Fachschaft AC Unicopy Das Cover zeigt Boris Karloff als Frankensteins Monster in Frankensteins Braut (1935). reiff life WS14-15 im April 2015 Ausgabe 06

http://issuu.com/reifflife reifflife@gmail.com




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