HSR Magazin 1-2017

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AUSGABE 1 / 2017

DIGITALISIERUNG Im DigitalLab@HSR unterstützt die HSR die Digitalisierung von Schweizer Firmen mit gebündeltem Industrie-4.0-Know-how. EIN LEGO-ROBOTER ALS DOZENT Ein Lego-Roboter bringt angehenden Maschinentechnikern und Wirtschaftsingenieurinnen digitales Denken bei. WECHSEL IN DER SCHULLEITUNG Margit Mönnecke löst den langjährigen HSR Rektor Hermann Mettler ab und will die Stärken der HSR weiter fördern.

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Rösli

Bella

DIGITALISIERUNG

Susi

Berta

Heidi

Illustration: Tobias Leuenberger

Liebe Magazinleserinnen, Liebe Magazinleser Haben Sie noch einen Festnetzanschluss zu Hause? Und wann haben Sie das letzte Mal einen persönlichen Brief erhalten? Ich meine damit weder die Abstimmungsunterlagen Ihrer Gemeinde noch die Post vom Strassen­ verkehrsamt. Ich meine einen netten, langen Brief von Freunden. Oder wenigstens eine Ansichtskarte aus fernen Ländern. Ich habe neulich eine Postkarte von meiner Freundin erhalten und war berührt. Dass sie an mich dachte und keine Mühen scheute, im Hotel eine Karte auszuwählen und auch noch eine Briefmarke zu besorgen. Beim Herausneh­ men der Sendung aus dem Briefkasten guckte ich mich allerdings um: Sieht jemand, dass ich eine altmodische Karte bekomme? Bin ich jetzt ein Fossi oder ein Uhu? Andererseits ist Schreiben in. Laut Daten des Bundesamts für Kommunikation ­(Bakom) nimmt die Anzahl Telefonverbindungen aufs Mobilfunknetz ab, die Anzahl der Kurznach­ richten hingegen zu. Die schriftliche Kom­ munikation mit dem Mobiltelefon ist be­

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sonders bei den jüngeren ­Altersgruppen ausgeprägt. Das heisst, wenn wir Mitteilun­ gen wie «mal luege», «yes» oder «hengets» zu dieser Kategorie zählen. Schriftlich ist es ja. Häufig auch illustriert. Das Bakom stellt fest, dass die Anzahl der Festnetzanschlüsse in Haushalten abnimmt. Hingegen besassen per Ende 2015 rund 97 Prozent aller Einwohnerinnen und Einwoh­ ner in der Schweiz ein Mobiltelefon, Firmen­ handys nicht mitgezählt. Bei den Menschen über 65 Jahre bedienen sich ganze 93 Pro­ zent eines Handys. Ältere Menschen telefo­ nieren zwar noch mit dem Gerät, sie nutzen aber auch seine Multifunktionalität wie EMails oder das Internet. Doch zu Hause grei­ fen sie wieder gerne aufs Festnetz zurück. Die mobile Vernetzung ist uns teuer, die mo­ bile Erreichbarkeit gehört zur Arbeitswelt. Manche Firmen schaffen Festnetztelefone in den Büros ganz ab, zumal viele der Mitarbei­ tenden sowieso ein Firmenhandy haben. Die monetären Einsparungen lassen sich sehen, doch steigt auch die Effizienz, wenn ich rund um die Uhr erreichbar bin? Die per­

sönliche digitale Transformation ist voll im Gange, aber wie sieht es mit dem digitalen ­Wandel in den Unternehmen aus? Wie kann die HSR die Transformation begleiten und ­beschleunigen? Bitte tauchen Sie in inspirie­ rende Beispiele in unserem Magazin ein.

Eva Tschudi Chefredaktorin


Fokus 10 Starthilfe für die digitale Zukunft der Schweiz 12 So funktioniert das DigitalLab@HSR 14 Die Digitalisierung umsetzen 16 Die Blockchain – ein digitales Konzept verändert die Zukunft 17 Das «Internet of Things» muss schrittweise kommen INHALT

18 Digitale Evolution mit Revolutionscharakter 20 Interview mit Hans Hess: «Programmiersprache als zweite Landessprache» 22 Interview mit Marcel Dobler: «Unsere Wirtschaft passt sich erfolgreich an» 24 Interview mit Alex Simeon: «Wir wollen die Digitalisierung leben» 25 Chipdesign: Grundlage der Digitalisierung

Themen 27 «Unsichtbare» Baustellen mit intelligenten Baggern 28 Digitales Lernen: Ein Lego-Roboter als Dozent 30 Digitales Lesen, Lernen und Schreiben 32 Kuhglocke 4.0: Herdentieren digital auf der Spur 34 Interview mit Margit Mönnecke: «Markenkern der HSR ausbauen» 36 Interview mit Stefan Kölliker: «Neue Entwicklungen und Trends aufgreifen» 38 Würdigung für Rektor Prof. Dr. Hermann Mettler 42 Überraschende Anwendung einer alten mathematischen Theorie

Aktuelles 45 Zweites Studentenwohnheim, Textilaltro, Innovation Award, Agenda 47 Pensionierungen 49 Fawwworiten, Impressum 50 Sprungbrett-Interview mit Barbara Gloor

22 Aufruf zu mehr Optimismus FDP-Nationalrat Marcel Dobler erklärt im Interview, warum er der Schweiz gute Chancen für die digitalisierte Zukunft einräumt. 32 Kuhglocke 4.0 Die Digitalisierung passiert nicht nur in der Industrie, sondern auch auf der Weide. Die digitale Kuhglocke bietet Vorteile für Tiere und Besitzer. 30 Lesen, lernen, schreiben – digital Sprachexpertin Annette Verhein analysiert die Wirkung des digitalen Wandels auf Grundfähigkeiten wie das Lesen, Lernen und Schreiben.

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Der Glaube an das Gute im Menschen Prof. Dr. Hermann Mettler, Rektor HSR

Der Blick zurück fällt mir nicht leicht, da ich grundsätzlich Beitrag für unsere Region vorwärts orientiert bin und immer in Richtung Zukunft Das im vergangenen Jahr eröffnete Forschungszentrum denke. Der Abschluss der offiziellen Berufslaufbahn ist ein Highlight meiner Amtszeit. Es freute mich beson­ bzw. der Abschluss der zweiten Lebensphase bedeutet ders, dass der Kanton St. Gallen die Finanzierung si­ jedoch auch, innezuhalten, um sich Gedanken über Er­ cherte, nachdem die St. Galler Stimmbürger dem Vor­ reichtes und vielleicht auch Nichterreichtes zu machen. haben am 23. September 2012 mit grosser Mehrheit Ein bewusster Abschluss kann hilfreich sein, um Platz für zugestimmt hatten. Für mich war das eine grosse An­ einen Neuanfang und für den dritten Lebensabschnitt zu erkennung der Arbeit unserer Professorenschaft und schaffen. ­unserer Mitarbeitenden. Nach der Wahl zum Rektor im Dezember 2002 hatte ich Weil die Kernaufgabe der HSR in der Ausbildung unserer die Gelegenheit, meine damalige Tätigkeit als Professor im Studierenden liegt, muss die aF&E Tätigkeit nicht als Studiengang Maschinentechnik sowie als Leiter des Insti­ Selbstzweck zum Geldverdienen gesehen werden, son­ tuts IPEK abzuschliessen und mich auf die neue A ­ ufgabe dern als Grundlage zur Ausbildung, welche aktuell und bis zum Semesterstart im Herbst 2003 vorzubereiten. praxisorientiert sein soll. Die Einführung der Bologna-­ Dafür konnte ich eine kurze, aber intensive Weiterbildung Reform an der HSR führte die Studierenden ebenfalls in an der Columbia University durchlaufen. Anschliessend Richtung von selbstverantwortlichem Lernen. Dieses Ziel konnten wir aus meiner Sicht noch nutzte ich während eines Sabbati­ nicht genügend gut erreichen. Es cals die Zeit, um mich auf die neue «DAS FORSCHUNGSwerden noch weitere Anstrengun­ Aufgabe vorzubereiten. ZENTRUM IST EIN HIGHLIGHT gen dafür nötig sein. Die Schulleitung war immer be­ Die Zukunft mitgestalten MEINER AMTSZEIT» strebt, den Markt zu beobachten Wie schon damals bin ich heute und aus den vielfältigen Kontakten noch vom «Guten» im Menschen überzeugt. Seit meinen Anfängen an der HSR ist es mir bis zur Wirtschaft zu eruieren, was die Praxis braucht. Zu­ zum heutigen Tag immer wieder gelungen, mit dieser sammen mit den Fachausschüssen haben wir ständig die Werthaltung die meisten Menschen auf den gemeinsa­ geltenden Curricula hinterfragt und dazu angeregt, dass men Weg in die Zukunft mitzunehmen. Wurden Zweifel die Studiengänge den Zeichen der Zeit folgen und die und Sorgen geäussert, war mein Zuspruch «Es kommt Lehrinhalte anpassen. Nach einer umfassenden Über­ schon gut» Ausdruck meiner Zuversicht. Diese Zuver­ arbeitung der Inhalte des Studiengangs Maschinensicht, gepaart mit konkretem «Anpacken», führte meis­ technik|Innovation wurde klar, dass wir einen neuen Stu­ tens zum Erfolg. Es war mein Ziel, die Mitarbeitenden der diengang «Erneuerbare Energien und Umwelttechnik» HSR so zu unterstützen, dass sie intrinsisch motiviert je­ gründen wollten. Der Aufbau erfolgte in Rekordzeit. den Tag ihr Bestes geben, um die Zukunft mitzugestalten. Solange wir die einzige Hochschule mit diesem Angebot Schon während der Vorbereitungszeit auf meine Funktion am Markt waren, war das ein sehr grosser Erfolg. Inzwi­ als Rektor wurde mir klar, dass sich die Hochschule am bes­ schen kann man diesen Studiengang neben der HSR an ten entwickeln kann, wenn die Professorenschaft, ihre drei weiteren Hochschulen studieren. Ein weiterer Mei­ Mitarbeitenden und auch jene der Verwaltung mit vielen lenstein war die Einführung des Studiengangs Wirt­ Freiheiten an ihren Themen arbeiten können. Deshalb schaftsingenieurwesen im Jahr 2014. Weil «Lehren und wurde ein Führungssystem aufgebaut, in dem Aufgaben, Lernen» für die Studierenden der HSR wichtig ist, haben Kompetenzen und Verantwortung de­legiert werden. Ich wir den «Best Teaching Award» eingeführt, welcher von durfte damals zusammen mit der Schulleitung das existie­ der Credit Suisse gesponsert wird. Als Pendant dazu gibt rende Erfolgsbeteiligungssystem weiterentwickeln. Die es schon seit vielen Jahren den Preis der Stiftung FUTUR Kombination aus Delegation von Kompetenzen und Ver­ für die beste Forschungsarbeit der HSR. antwortung und eben diesem E­ rfolgsbeteiligungsmodell Weil wir in einer globalisierten Welt leben, ist es beson­ war die Grundlage für die enorme Entwicklung der aF&E ders wichtig, dass sich die HSR international öffnet und einen Beitrag für unsere Region zum «brain gain» leistet. Tätigkeiten.

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Dafür ist schon das erste Studentenwohnheim sehr wich­ tig. Das zweite, seit Dezember 2016 im Bau, wird das noch unterstreichen. Dazu möchte ich der Stiftung zur Förderung der HSR einen besonderen Dank ausspre­ chen. Die Stiftung hatte schon vor einigen Jahren zusam­ men mit der Bank Linth ein System für Studienkredite entwickelt, um Studierende zu unterstützen. Die Stif­ tung bürgt gegenüber der Bank für die laufenden Kre­ dite. Eine der letzten Amtshandlungen von Rektor Hermann Mettler: Als Baggerführer beim Spatenstich für das zweite Studentenwohnheim der HSR.

Tolle Mannschaft an der HSR Und was wünsche ich mir für die Professorenschaft und die Mitarbeitenden der HSR für die Zukunft? Ich bin überzeugt, dass an der HSR eine tolle Mannschaft an der Ausbildung junger Menschen arbeitet. Dieser Mann­ schaft wünsche ich die Zuversicht und die Kraft, unter

neuen Rahmenbedingungen und unter neuer Leitung auch weiterhin sehr erfolgreich tätig sein zu können. Ich bin überzeugt, dass dafür eine sehr gute Basis besteht.  hermann.mettler@hsr.ch

Prof. Dr. Hermann Mettler wird 1995 als Professor im Studiengang Maschinentechnik|Innovation an die HSR berufen. 2003 wird er zum Rektor gewählt. Ende Februar 2017 tritt Hermann Mettler in den ordentlichen Ruhestand.

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Die Schweiz hat ideale Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start in die digitalisierte Zukunft – gesellschaftlich und wirtschaftlich. Mit gebündeltem Know-how im DigitalLab@HSR wollen die HSR, die Cognizant Technology Solutions AG und die Universität St. Gallen die Schweizer Unternehmen als Innovationsführer ins Spiel bringen.

Starthilfe für die digitale Zukunft der Schweiz Prof. Dr. Roman Hänggi, Leiter DigitalLab@HSR Simon Erdmann, Co-Leiter DigitalLab@HSR, Leiter Digital Schweiz, Cognizant

Die Digitalisierung ist mehr als eine weitere technische Weiterentwicklung. Sie wird die Art und Weise, wie wir leben, fundamental verändern. Drei industrielle Revo­ lutionen haben unsere Welt geprägt: von der Dampf­ maschine über das Internet bis zur automatisierten ­Fertigung. Der Übergang in die vierte Revolution, die ­Digitalisierung, passiert im Vergleich dazu schleichend. Die Auswirkungen werden jedoch ungleich tiefgreifen­ der sein: Die Digitalisierung will die Grenzen zwischen der physischen, digitalen und biologischen Sphäre auf­ lösen. Das Ziel: kontinuierlich exponentielles Wachstum. Widersprüchliche Voraussetzungen im innovativsten Land der Welt Nutzbares Potenzial für eine erfolgreiche Digitalisierung ist in der Schweiz im Überfluss vorhanden. Als kleines, neutrales Alpenland hatte die Schweiz keine andere Wahl, als sich immer wieder neu zu erfinden. Trotz der knappen natürlichen Ressourcen wurden hier ständig neue Angebote und Wettbewerbsvorteile entwickelt. Das führt dazu, dass die Schweiz trotz ihrer geringen Grösse seit geraumer Zeit internationale InnovationsRankings anführt. Gemäss dem Global Innovation Index liegt die Schweiz seit sechs Jahren auf Platz eins bei der Innovationsfähigkeit. Sie konkurriert mit Schwergewich­ ten wie den USA, Japan und Deutschland um die vor­ dersten Plätze und kann sich dabei durchsetzen. Im krassen Gegensatz zur Innovationskraft ist die Schweiz nicht unter den ersten, wenn es darum geht, Neues einzuführen. Grund dafür sind unter anderem ge­ sellschaftliche Bedenken gegenüber der Digitalisierung. Die befürchteten Arbeitsplatzverluste passieren derzeit aber nicht wegen der Digitalisierung, sondern wegen

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der gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit, unter anderem durch den starken Franken. Ein Mittel für eine höhere Wettbewerbsfähigkeit wären Industrie-4.0-Lösungen mit Konzepten wie der «Smart Factory», die bisher in der Schweizer Industrie zu wenig umgesetzt ist. Drei starke Partner für die Digitalisierung Der Innovationsgeist, um von der Digitalisierung zu pro­ fitieren, ist in der Schweiz vorhanden. Die aktuelle Her­ ausforderung besteht darin, diesen Geist zu entfalten und die Umsetzung der Digitalisierung in der Schweizer Industrie voranzutreiben. Um die Kluft zwischen Digita­ lisierung und gesellschaftlicher Zurückhaltung zu schlies­ sen, müssen Brücken gebaut werden. Hier kommt das DigitalLab@HSR ins Spiel. Stellen Sie sich einen Ort vor, an dem sich Wissenschaft, Wirtschaft,­­ IT- und Digital-Industrie zusammentun, um digitale ­Innovationen zielgerichtet, schnell und in grossem Um­ fang umzusetzen; ein Umfeld, in dem Unternehmen die notwendigen Kompetenzen zur Seite stehen, um Inno­ vationshürden zu überwinden und so effizienter, wett­ bewerbsfähiger, profitabler und agiler zu werden. Das DigitalLab@HSR ist der erste physische Raum dieser Art in der Schweiz. Ein Ökosystem für angewandte Digi­ talisierung und Innovation, das sich auf dem Campus der HSR in Rapperswil befindet und schnelle Innovation ver­ spricht. Dank der Kombination von eingehender Bran­ chen- und Technologie-Kompetenz sowie der Kraft der angewandten Wissenschaft erhalten Schweizer Unter­ nehmen im DigitalLab@HSR sämtliche Kompetenzen für eine erfolgreiche Digitalisierung an einem Ort.  roman.haenggi@hsr.ch simon.erdmann@cognizant.com


Gebündeltes Know-how im DigitalLab@HSR

Prof. Dr. Roman Hänggi Professor für Produktionsmanage­ ment, Leiter DigitalLab@HSR, Institutspartner IPEK, www.ipek.hsr.ch Fachgebiete: Produktionsmanage­ ment, Servicemanagement, Industrie 4.0 im produzierenden Unternehmen, Lean Management roman.haenggi@hsr.ch, 055 222 46 03

Prof. Carsten Wemhöner Professor für Gebäudetechnik Institutspartner IET, www.iet.hsr.ch Fachgebiete: Gebäudetechnik, Gebäude- und Anlagensimulation, Gebäude- und Anlagenregelung, Gebäudeautomation carsten.wemhoener@hsr.ch, 055 222 43 25

Prof. Dr. Henrik Nordborg Professor für Physik Institutspartner IET, www.iet.hsr.ch Fachgebiet: Physik henrik.nordborg@hsr.ch, 055 222 43 70

Prof. Dr. Christian Bermes Professor für Automation und Mechatronik, Institutspartner ILT, www.ilt.hsr.ch Fachgebiete: Cyber-Physical Systems, Identification & Tracking, Low-Power Networks christian.bermes@hsr.ch, 055 222 47 12

Prof. Dr. Daniel F. Keller Studiengangleiter Wirtschafts­ ingenieurwesen, Institutspartner IPEK, www.ipek.hsr.ch Fachgebiete: Produktmanagement, Innovationsprozesse, Geschäfts­ modelle, Knowledge-Management, Kreativität daniel.f.keller@hsr.ch , 055 222 46 02

Prof. Dr. Daniel P. Politze Professor für Innovationsund Technologiemanagement Institutspartner IPEK, www.ipek.hsr.ch Fachgebiete: Dateninnovationen, Data Analytics, Machine Learning, Predictive Models daniel.politze@hsr.ch, 055 222 46 05

Prof. Dr. Dirk Engelke Professor für Raumentwicklung Institutspartner IRAP, www.irap.hsr.ch, www.geoinformation.hsr.ch Fachgebiete: Smart Cities, Geoinformation, Dynamische Raumbilder dirk.engelke@hsr.ch, 055 222 49 47

Prof. Dr. Farhad Mehta Professor für Informatik Institutspartner Institut für Software IFS, www.ifs.hsr.ch Fachgebiete: Software, Algorithmen, Verteilte Systeme, Sicherheits­ relevante Systeme farhad.mehta@hsr.ch, 055 222 46 16

Prof. Dr.-Ing. Katharina Luban Professorin für Supply Chain Management, Institutspartnerin IPEK, www.ipek.hsr.ch Fachgebiete: Strategischer und operativer Einkauf, strategische und operative Logistik katharina.luban@hsr.ch, 055 222 41 11

Prof. Dr. Paul Zbinden Professor für Mikroelektronik Institutsleiter IMES, www.imes.hsr.ch Fachgebiete: Mikroelektronik, FPGA, SoC, Sensorik, Elektronikdesign. paul.zbinden@hsr.ch, 055 222 45 84

Prof. Dr. Frank Ehrig Professor für Maschinentechnik| Innovation, Institutsleiter IWK, www.iwk.hsr.ch Fachgebiete: Kunststofftechnik und Additive Manufacturing frank.ehrig@hsr.ch, 055 222 49 05

Prof. Beat Stettler Professor für Computernetze Institutspartner INS, www.ins.hsr.ch Fachgebiete: Cloud-Infrastrukturen, Drahtlose Netzwerke beat.stettler@hsr.ch, 055 222 18 33

Prof. Stefan Keller Professor für Informationssysteme, Institutspartner IFS, www.ifs.hsr.ch Fachgebiete: Data Engineering, Data Analytics, Location Based Services, Geoinformationstechnologien, SmartCity, stefan.keller@hsr.ch, 055 222 47 46

Prof. Dr. Felix Nyffenegger Professor für Maschinentechnik| Innovation, Institutspartner IPEK, www.ipek.hsr.ch Fachgebiete: Product Lifecycle Management felix.nyffenegger@hsr.ch, 055 222 46 07

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Das DigitalLab@HSR will die schnelle Umsetzung der ­Digitalisierung für Schweizer Unternehmen möglich machen. Die Menschen jedes Unternehmens stehen dabei im Mittelpunkt. Trotz modernster Methodik und Technologie ist das Lab von der starken Überzeugung getrieben, dass digitale Transformation nur durch und mit den zentralen Köpfen in einem Unternehmen erfolgreich werden kann.

So funktioniert das DigitalLab@HSR

Schnelle digitale Umsetzung

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Transform

Prototyp e

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Ideate Unternehmen können grosse Innovationssprünge gemein­ sam erarbeiten. Generelle und spezifische Trends werden er­ kundet und interdiszipinäres Denken genutzt, um ein prio­ risiertes Ideen-Portfolio und neue Chancen zu entwickeln. Tools&Methoden: Digital ­Thinking, Ideenauswertung, Gelegenheitsevaluation, Inno­ vationsreife-Check, Technolo­ giebewertung, Marktanalyse, Priorisierung

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Prototype Ideen und Modelle werden in Prototypen umgewandelt. Prototyping hilft Unterneh­ men, klein anzufangen, das Endprodukt schnell zu visuali­ sieren, daraus zu lernen und es zu verbessern. Prototypen werden mit Endnutzern und Geschäftspartnern validiert, es folgen klare Go-/No-Go-Emp­ fehlungen. Tools&Methoden: Prototyp, Verifizierung, (Mach­ barkeit, Geschäftsmodell, ­Iterationen), Kundenfeedback

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Scale

Transform Produzieren, Verfeinern und Optimieren von Prototypen bis zu einem reifen Produkt, Service oder Geschäftsmodell, das erfolgreich im Markt eingeführt werden kann. Tools&Methoden: Definition des Minimal Viable Product MVP (Feature-Analyse, ­Produkt/Service/Geschäfts­ modell), Prozess-Re-Engi­ neering-Plan, Produkt-/­ Serviceentwicklung, Transformationsplan

Scale Schnelle Realisierung von skalierbaren Produkten/ Services/Geschäftsmodellen. Markt-Rollout durch ziel­ orientierte Steuerung des digitalen Change-Prozesses. Tools&Methoden: Produkt-/ Service-Realisierung, LernenMessen-Optimieren im gesamten Unternehmen, Go-to-Market-Planung, Business-Re-Engineering


Digitalisierungswillige Firmen können im DigitalLab@HSR auf flexible On-Demand-Kompetenzen aus den Bereichen Technologie, Prozesse und Change-Management zurückgreifen, verkörpert durch die Fachleute von HSR, HSG und Cognizant. So wird sichergestellt, dass gute Ideen nicht nur erzeugt, sondern auch auf den Weg gebracht werden, um einen konkreten, nachhaltigen Mehrwert zu liefern. Dafür setzt das DigitalLab@HSR auf eine selbst entwickelte Methode, die die Prinzipien von «digitalem Denken» mit Mechanismen zur industriellen Skalierung und multidis­ ziplinärem Know-how kombiniert. Seit der Eröffnung im Juni 2016 konnte das DigitalLab@HSR mehrere KMU und börsenkotierte Unternehmen bei der Digitalisie­ rung in unterschiedlichen Phasen begleiten.

6. Herausforderung: Wie kann man den Betrieb digitalisieren, neu erfinden und gleichzeitig die Betriebskosten senken? Lösung: Mit Robotik, künstlicher Intelligenz und weiteren Technologien inspiriert das Lab zu neuen Blick­ winkeln auf die Arbeitsprozesse in Schweizer Unternehmen. Die Basis dafür sind stabile Prozesse.

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Herausforderung: Wie gestaltet man die Entwicklung digitaler Produkte effektiv entgegen den für die Schweiz eher typischen, langen ­Forschungsund Entwicklungs­zyklen? Lösung: Schnelle digitale Innovation, unterstützt durch schnelle PrototypErstellung

Herausforderung: Wie rüstet man bestehende Produkte nach und macht sie digital? Lösung: Mit «digitaler Akupunktur» nimmt das Lab gewöhnliche Produkte oder Prozesse auf und wendet darauf digitale Erweiterungen und Verbesserungen an.

5. Herausforderung: Wie verwaltet man Daten als vergängliches Gut, um digital erfolgreich zu werden? Lösung: Das DigitalLab gewinnt aus Unternehmens- und Kundendaten Erkenntnisse und destilliert diese zu klaren Empfehlungen für strategische Entscheidungen und taktische Handlungen.

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Herausforderung: Wie reduziert man Produkt­ kosten mit digitalem Struktur­ wandel und erfüllt gleichzeitig Schweizer Qualitätsansprüche? Lösung: Das DigitalLab@HSR durchleuchtet sämtliche Prozesse auf Optimierungspotenzial und wendet nichttraditionelle Lösungen darauf an.

DIE KERNPRINZIPIEN DES DIGITALLAB@HSR: 1. Digitalisierung erleben und verstehen. Bewerten von Technologien, die zu machbaren und skalierbaren Lösungen für die Industrie führen 2. Digitale Projekte vorantreiben – Geschäftsmodelle entwickeln und umsetzen. Mit Verständnis für Technologie (Kombination von Hardware, Software und Daten) und passendem Change-Management 3. «Co-Creation» ermöglichen zwischen Unternehmen, Fachexperten, Hochschulen und Partnern

Herausforderung: Wie identifiziert, testet und adaptiert man neue Geschäfts­ modelle und entwickelt Strategien, die von einem echten Kundenverständnis geleitet werden? Lösung: Anthropologische Fähigkeiten und Methoden stellen den Menschen und Kunden in den Mittelpunkt der Digitalisierung.

4. Technologiekompetenzen bündeln, um Kunden­ probleme zu lösen und neue Erlebnisse zu schaffen 5. Partnerschaften ermöglichen, um Kompetenzen zu vertiefen und Synergien zu ermöglichen 6. Erfahren und reflektieren – «was funktioniert?» versus «was funktioniert nicht?» 7. Schnelle Ergebnisse sicherstellen durch nahtlose Zusammenarbeit mit Kunden 8. Sicherstellen effizienter Ideengenerierung, Priorisierung und schnelle Prototyp-Erstellung dank Implementierung neuer, innovativer Methoden und Prozesse

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Als Industrie- und Technologie-Rückgrat des DigitalLab@HSR spielt Cognizant eine Schlüsselrolle bei Digitalisierung, Industrie 4.0 und IoT-Fähigkeiten im industriellen Umfeld. Der Fokus: Schweizer Unternehmen bei der Entwicklung, Transformation und Modernisierung auf lokaler, regionaler und globaler Ebene unterstützen.

Die Digitalisierung umsetzen Simon Erdmann, Vlatko Davidovski und Igor Davidovski, Cognizant

Die Cognizant Technology Solutions AG bringt die Kom­ bination von Kompetenzen aus Strategieberatung, Lö­ sungs-Design sowie Industrie- und Technologiekenntnis­ sen ins DigitalLab@HSR ein. Das Unternehmen ist trotz globaler Ausrichtung auch lokal verwurzelt und seit über 13 Jahren in der Schweiz tätig. Mit über 1000 Mitarbeitern in der Schweiz und einer schweizweit verfügbaren Prä­ senz aus den Büros in Z­ ürich, St. Gallen, Baar und Genf ist das Unternehmen interdisziplinär breit aufgestellt. Welt­ weit betrachtet kann sich Cognizant auf rund 265 000 qualifizierte Spezialisten, 75 Delivery Centers und ein Kun­ denportfolio abstützen, das zahlreiche Branchen umfasst. Erfahrung aus erfolgreichen Projekten Das DigitalLab@HSR ist nicht das einzige Engagement von Cognizant in der Schweiz. Das Unternehmen ist darüber hinaus weitere Partnerschaften mit Schweizer Universitä­ ten und weiteren Bildungseinrichtungen zur Umsetzung verschiedener Initiativen eingegangen. Das Ziel ist, mit Lehrstellen und einem Absolventenprogramm Arbeits­ plätze zu schaffen, die im Zuge der Digitalisierung in den nächsten Jahren dringend benötigt werden. Die Geschichte endet hier jedoch nicht. Viele weitere tech­ nologische Fortschritte werden erwartet, die die Wirt­ schaft von morgen verändern werden. Das DigitalLab@ HSR engagiert sich dafür, die neuesten Technologien für die Schweizer Industrie zu nutzen. Cognizant übernimmt dabei die Aufgabe, das in vielen Projekten gereifte, erfah­ rungsbasierte Branchen-Know-how zur Umsetzung ein­ zubringen. Wie die Digitalisierung von Unternehmen ­konkret aussehen kann, zeigen im Folgenden zwei Bei­ spielprojekte, die Cognizant in den letzten Jahren zusam­ men mit innovativen Partnern umgesetzt hat.

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Intelligenter, vernetzter Verkaufsautomat Hektik, Stress, später Feierabend, Bahnhof. Endlich kom­ men Sie an einem Getränkeautomat vorbei – nur um fest­ zustellen, dass Ihr Lieblingsgetränk nicht mehr vorrätig ist. Was für eine Enttäuschung. So etwas wird in der digi­ talen Zukunft nicht mehr vorkommen. Das Beispiel ist plakativ, aber das Geschäftsmodell dahin­ ter real. Zusammen mit einer führenden globalen Nah­ rungsmittel- und Getränkefirma sah Cognizant eine Ge­ legenheit, solche Situationen durch IoT-Lösungen zu verhindern und gleichzeitig die Profitabilität der Geträn­ keautomaten, der Sodawasserbrunnen und verschiede­ ner Kühlgeräte zu verbessern. Cognizant wurde beauftragt, die Maschinen zu vernet­ zen, um Probleme wie Vorratslücken und Diebstahl zu untersuchen und um Aufschlüsse zu Verbraucherverhal­ ten und Kosten für die Wiederauffüllung zu erhalten. Da­ für wurden die Verkaufsautomaten «smart» gemacht. Sie können heute selbst ihr Inventar und ihre Sicherheit steuern. Durch die Ausrüstung mit künstlicher Intelligenz kann der Getränkehersteller den profitabelsten Produkt­ mix zudem an jedem beliebigen Ort bereitstellen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Ware jederzeit vorrätig ist. Darüber hinaus sorgt der intelligente Verkaufsauto­ mat für niedrigere Betriebskosten und ermöglicht prä­ ventive Wartung sowie verringerte Ausfallzeiten durch Warnmechanismen gegen Funktionsstörungen und möglichen Diebstahl. Dank der umgerüsteten Verkaufsautomaten steigerte der Kunde die Wettbewerbsfähigkeit und erzielte einen ­Umsatzzuwachs von 5 Prozent in einem Geschäftsbe­ reich, 15 Prozent geringere Kosten der Lieferkette in der gleichen Sparte und eine Senkung der Verluste durch


Das DigitalLab-Team von Cognizant:

Simon Erdmann simon.erdmann @cognizant.com

Dr. Vlatko Davidovski vlatko.davidovski @cognizant.com

Igor Davidovski igor.davidovski @cognizant.com

Diebstahl um 5 Prozent aufgrund des verbesserten Dieb­ stahlschutzes. Um das zu erreichen, leitete Cognizant in Zusammenarbeit mit mehreren Anbietern die Erstellung eines «Smart Equipment Network» an, das die Vorteile von vernetzten Dienstleistungen bietet. Zudem beauf­ sichtigte Cognizant die Prototypen-Erstellung und die Auswahl der angewandten Technologien. Die IoT-Tech­ nologie umfasste eine grosse Datenanalytik-Applikation und Software, um Sensordaten zu interpretieren und Warnmeldungen auszusenden. Wenn Produktvorräte sinken, bestellt die Software automatisch neue Ware nach und die Fahrer vermeiden es, Automaten anzufah­ ren, bei denen kein Bedarf an Nachschub besteht. Signale informieren das Unternehmen, wenn die Sensoren Geräteprobleme vorhersagen, und informieren das Sicher­ heitspersonal ständig über den aktuellen Standort des Automaten, falls ­dieser bewegt wird. Mit IoT präventiv Patienten schützen Das zweite Beispielprojekt greift ein zentrales Span­ nungsfeld in der Gesundheitsversorgung auf. Verspätun­ gen bei dringenden Operationen und Defekten bei medi­ zinischen Geräten vorzubeugen, ist extrem kostspielig und zeitintensiv. Für die medizinische Versorgung der Be­ völkerung ist Zuverlässigkeit jedoch erforderlich. Ein grosser Hersteller von Endochirurgie-Geräten wollte diese Zuverlässigkeit gewährleisten, aber gleichzeitig die damit verbundenen Kosten senken. Bisher wurde routi­ nemässig geschultes Personal zu Krankenhäusern ent­ sandt, die jedem Gerät viel Zeit widmeten, um Statusund Gerätedaten zu sammeln und die Geräte zu warten. Dieser Prozess war bezogen auf Zeit und Aufwand recht teuer. Ganz zu schweigen vom verlorenen Umsatz, da dieselben Mitarbeiter auch für den Verkauf der Geräte verantwortlich waren. Ausserdem bedeutete die manu­ elle Wartung eine langsame Reaktionszeit bei tatsächli­ chen Ausfällen. Obwohl die Geräte bereits wichtige Daten wie Opera­ tions-Typ, Gerätenutzungssequenzen, die Zeit für Inzi­

SCHLAGWORTE DER DIGITALISIERUNG

sion, Ablation und Kauterisation und die gesamte ­Nutzung über die Lebensdauer speicherten, war die Ver­ wendung der Daten immer noch stark manuell geprägt und daher begrenzt. Automatische Datenerfassung Cognizant erkannte deshalb im Gespräch mit dem Her­ steller die Gelegenheit, dem Unternehmen durch die Schaffung eines automatisierten und ferngesteuerten Prozesses für die Erfassung dieser Daten zu helfen. Da­ durch entfiel die Notwendigkeit für das Vertriebsperso­ nal, die Maschinen physisch für die einfache Datenerfas­ sung aufzusuchen. Cognizant entwickelte ausserdem ein IoT-fähiges Zusatzgerät, das an die vorhandenen Instru­ mente des Herstellers angeschlossen werden konnte, um so grössere Verzögerungen bei der Einführung zu verhin­ dern und die Notwendigkeit einer Neuzertifizierung der Instrumente zu vermeiden. Die gewünschten Einsparungen von jährlich sechs Millio­ nen Dollar wurden durch die Umsetzung der IoT-Lösung erreicht, die Investitionskosten in weniger als einem Jahr wieder eingefahren. Darüber hinaus hat Cognizant auch auf Bedenken von Patienten reagiert und erhöhte so de­ ren Vertrauen in die verwendete Ausrüstung. Dank der Verwendung von IoT ist die Erfassung jeder Kauterisation heute reine Routine. Das ermöglicht eine bessere GeräteHaltbarkeit durch automatische Übertragung der Ge­ räte-Daten, durch optimierte Wartungsplanung sowie durch ferngesteuerte und schnellere Updates. Probleme werden jetzt sofort erkannt und Ausfallzeiten dadurch reduziert. Durch die Bereitstellung von Updates, Verbesserungen und ein tiefes Verständnis der Geräteperformance wird der Hersteller von medizinischen Geräten künftig noch effektivere Werkzeuge bereitstellen und die Kundenund Patientenerfahrung kontinuierlich verbessern kön­ nen.

«Smart Factory» oder der dezentralen Autonomen Organisation (DAO) entfernt.

INTERNET OF THINGS (IOT) Das Internet der Dinge ist die treibende Kraft der digitalen Umwälzung und steht im Mittelpunkt der Transformation. Die Umsetzung von IoT durch die Verknüpfung von Geräten, das Sammeln, die Nutzung und die Integration von Daten in bestehende und neue Geschäftsmodelle und Software-Lösungen können Kosten sparen, die Effizienz verbessern und Wettbewerbsvorteile für Unternehmen und Endnutzer schaffen. Ob Energiemanagement, Predictive Maintenance, Facility Management oder Automatisierung, jedes Unternehmen kann vom IoT profitieren. Im digitalen Zeitalter müssen Unternehmen IoT als fundamentalen Bestandteil ihrer digitalen Reise betrachten. Obwohl es nach Science Fiction klingt, sind wir nicht weit von der

HYPER-PERSONALIZATION Das Zusammenspiel von auf den Menschen ausgerichtetem Design, fortschrittlichen Schnittstellen und der Rückverfolgbarkeit von Informationen ermöglicht die Personalisierung von Kunden-Erfahrungen an allen digitalen touch points zwischen Unternehmen und Kunden. Es ermöglicht ein massgeschneidertes, kontextbezogenes Kunden-Erlebnis über alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens hinweg. Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein Geschäft und Ihr Einkaufswagen wird automatisch gefüllt, basierend auf Ihren Bedürfnissen und Präferenzen, ohne dass Sie durch Hunderte von Regalmetern stöbern müssen. Das wäre eine von vielen Anwendungen.

simon.erdmann@cognizant.com

AUGMENTED REALITY (AR) & VIRTUAL REALITY (VR) Das Erste, was uns in den Sinn kommt, wenn wir an AR und VR denken, sind Pokemons, Autorennen, Avatare oder in einem Wort: Gaming. Das Potenzial ist jedoch weitaus grösser. Obwohl sich die Technologie noch in einem frühen Stadium befindet, werden VR und AR bereits als einer der grössten disruptiven Faktoren der Digitalisierung seit dem Smartphone betrachtet. Sie können die Art und Weise, wie wir die Welt, in der wir leben, sehen und erleben, verändern: Von der Art, wie wir ausgebildet und unterhalten werden bis zur Fähigkeit, unser eigener Auto-Mechaniker zu sein. Eine weitere Anwendung: Einfach testen, wie neue Möbel in unsere Wohnung passen, ohne in den Laden zu gehen («try before you buy»-Augmented Reality). Die Möglichkeiten sind grenzenlos.

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Die Blockchain – ein digitales Konzept verändert die Zukunft Peter Rurick, Cognizant Eine neue Technologie, die Blockchain, wird momentan in der Öffentlichkeit immer häu­ figer diskutiert. Die Blockchain ermöglicht es, Informationen in dezentralisierten Da­ tenbanken abzulegen und öffentlich allen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Mittler fallen damit weg – etwa Banken, wenn Fi­ nanztransaktionen per Blockchain abgewi­ ckelt werden. Ein aktuelles Beispiel ist die di­ gitale Währung Bitcoin. Die Möglichkeit, Daten zu manipulieren, ist in der Blockchain auf ein Minimum reduziert. Richtig einge­ setzt, hat die Blockchain das Potenzial, un­ seren Alltag grundlegend zu verändern: Wie wir Verträge abschliessen oder Produkte und Dienstleistungen buchen, wie wir be­ zahlen und wie wir urheberrechtlich ge­ schützte Daten nutzen. Was ist die Blockchain? Die Blockchain ist eine dezentralisierte, ver­ teilte Datenbank, die eine kontinuierlich wachsende Kette von geordneten Daten­ sätzen (die «Blocks») aufnimmt und anein­ ander reiht (die «Chain»). Datensätze liegen nicht nur auf einem Server oder bei einem Unternehmen, sondern sind über viele Computer verteilt. Jeder Block enthält einen Zeitstempel und eine Verknüpfung zum vor­ herigen Block. Einmal aufgezeichnet, kön­ nen Daten in einem Block nicht mehr rück­ wirkend verändert werden. In der Fachwelt geht man ab einer «Tiefe» von sechs Blocks von einer sicheren Blockchain aus. Block­ chains sind ein Beispiel für dezentrale Com­ putersysteme. Durch Konsens der Teilneh­ mer kann bestimmt werden, welche neuen

DIE BLOCKCHAIN IM EINSATZ: MANSCHETTENKNÖPFE AUS DEM 3D DRUCKER In Zusammenarbeit von Innogy GmbH und Cognizant wurden erstmals Manschettenknöpfe aus Titan mit einer 3D-Drucklösung entworfen und produziert, die eine digitale Produkt-Signatur enthalten. Dabei spielt die Blockchain eine Schlüsselrolle: Sie sorgt dafür, dass die 3D-Druckdaten zwar global zum Drucken verfügbar sind, trotzdem aber verschlüsselt bleiben und von keinem missbraucht oder verändert werden können. Das Ergebnis zeigt, dass durch die Kombination von progressivem Denken und neuen Technologien kostengünstigere und sichere Herstellungsmethoden möglich sind.

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Datensätze zur Kette hinzugefügt werden. Dies macht Blockchains für die Erfassung von Ereignissen, Verträgen, Transaktions­ verarbeitung und anderen Aufzeichnungen interessant. Durch ihren dezentralen Cha­ rakter bieten Blockchains ein grosses Poten­ tial der Disintermediation für viele Industrie­ bereiche wie den Finanzsektor, den Handel oder Produktionsbetriebe. Die Blockchain anhand eines einfachen Beispiels erklärt Stefan aus der Schweiz möchte Ware von Luis in Spanien kaufen. Sie verständigen sich darauf, dass Stefan 50 Prozent des Wertes bei Vertragsabschluss bezahlt und den Rest bei Lieferung. Damit beide an einem auf Blockchain basierenden System teilnehmen können, brauchen sie eine Zugangssoft­ ware. Diese basiert auf je einem Schlüssel­ paar für Stefan und Luis, bestehend aus ei­ nem privaten und einem öffentlichen Schlüssel. Der öffentliche Schlüssel ist für je­ den sichtbar. Der private Schlüssel ist ge­ heim und vergleichbar mit einem Passwort. Jede Transaktion oder Bewegung innerhalb der Blockchain wird mit Hilfe des privaten Schlüssels signiert. Kauft Stefan Ware von Luis, gibt er alle ver­ tragsrelevanten Informationen (Ware, Preis, Menge, Lieferort) in der Zugangssoftware ein. Die Daten werden zusammen mit der 50-Prozent-Zahlungsanweisung in der Block­ chain in einem Daten-Block abgelegt. Der Block wird durch das «Mining» verifiziert und versiegelt. Dies geschieht durch Miners, die mit Rechenleistung Blöcke verifizieren.

Und so funktioniert es: Designer registrieren ihre Entwürfe auf der Blockchain-Plattform. Dadurch sind sie unveränderlich aufgezeichnet und urheberrechtlich geschützt. Die Designer können so automatisch Lizenzgebühren für bestellte Produkte erhalten. Die digitale Produkt-Signatur bietet Informationen über das Produkt, wie das verwendete Material, Designelemente und Designer. Dadurch wird auf einfache Weise Transparenz hergestellt. Zur Herstellung kann jeder 3D-Druck-Dienst am Bestimmungsort beauftragt werden. Zusätzliche Kosten wie Logistik oder Finanzierung fallen weg. Die Auftraggeber-IP ist gesichert und gezielte Mengen können produziert werden.

Durch das Mining wird Stefans öffentlicher Schlüssel mit dem Block fest verknüpft und der «Vertrag» ist auf der Blockchain einge­ tragen. Ein neuer Daten-Block wurde der Blockchain hinzugefügt. Der verifizierte Block ist nun unveränderlich und für Luis (oder jedes weitere Mitglied der Blockchain) sichtbar. Luis kann nun die Lieferung in der Zugangssoftware eingeben, was wiederum durch das Mining verfiziert und versiegelt wird. Nun ist Luis öffentlicher Schüssel mit dem Block fest verknüpft. Durch das Mining und die Verschlüsselung der Datensätze entsteht somit Transparenz und Sicherheit, was wiederum die in der Blockchain ent­ haltenen Informationen vertrauenswürdig macht. Blockchain in sieben Schritten 1. Blockchain ist eine verteilte, dezentrali­ sierte Datenbank, die Zugang für alle angeschossenen Benutzer bietet. 2. «Blocks» sind auf viele Compter verteilt und allen Teilnehmern zugänglich. 3. Die Blockchain enthält eine wachsende Reihe zusammenhängender Blöcke. 4. Neue Informationen werden in «Blocks» zuerst validiert und bestätigt, bevor sie zur «Chain» hinzugefügt werden. 5. Alle Blöcke sind durch Algorithmen ver­ bunden und beziehen sich aufeinander. 6. Datensätze sind gegen Manipulation und Veränderung geschützt. 7. Die Blockchain ermöglicht eine direkte und sichere Übertragung von digitalen Informationen ohne Mittler. peter.rurick@cognizant.com

Jeder produzierte Manschettenknopf ist mit einem QR-Code versehen, der mit der digitalen Produkt-Signatur verbunden ist. So können die Herkunft und die Echtheit des Produkts durch den Kunden jederzeit überprüft werden.


Das Internet of Things (IoT) verfügt über enorme Kapazitäten, Wachstum, Effizienz und Innovationen voranzutreiben. Am 23. Mai 2017 können sich Unternehmern an den IoT-Days direkt an der HSR über das Thema informieren. Microsoft und weitere Partnerunternehmen zeigen, wie eine Implementierung von IoT-Lösungen in laufende Unternehmensprozesse aussehen kann.

Das «Internet of Things» muss schrittweise kommen Aurelien Goutorbe, IoT Product Marketing Manager, Microsoft

Damit das Internet of Things (IoT) seine Wirkung für Un­ ternehmen entfalten kann, müssen entsprechende Lö­ sungen schrittweise eingeführt werden. Beginnend mit erreichbaren Zielen und erschwinglichen Investitionen, die auf bestehenden Technologien im Unternehmen auf­ bauen. IoT-Lösungen können einen Geschäftsbedarf identifizieren und ansprechen. Über das Lernen aus den damit verbundenen Erfahrungen kann der Prozess Ana­ lyse-Geschäftsmodell-Umsetzung beliebig oft wieder­ holt werden. So können Dienstleistungen und Unterneh­ mensprozesse organisch und nachhaltig wachsen. Damit Unternehmen passende Lösungen entwickeln können, hat die HSR das DigitalLab@HSR aufgebaut und arbeitet dabei mit Microsoft als Technologiepartner zusammen.

4. Entdecken Sie, was Sie bereits wissen. Die Auditierung Ihrer vorhandenen Daten und deren Wert kann dazu beitragen, nicht erschlossene Potenziale zu erkennen oder ungenutzte Erkenntnisse zu identifizieren. 5. Nutzen Sie die Stärken Ihres Unternehmens. Identifi­ zieren Sie einen oder zwei Bereiche der Innovation, die dem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil ge­ ben könnten. Verwenden Sie das als Ausgangspunkt, um einen Weg zum Geschäftswachstum zu ebnen. 6. Der sechste Schritt vor der Umsetzung von IoT ist zentral: Bestimmen Sie, welche Daten Sie brauchen. Die Daten, die IoT generiert, können Ihr Bewusstsein über die Prozesse, die Sie überwachen, erhöhen. Sie können diese Daten in neue Erkenntnisse umsetzen.

Schritt für Schritt Bei der Entwicklung von IoT-Lösungen für Unternehmen empfehlen Microsoft und das DigitalLab ein Step-byStep-Prinzip: 1. Beginnen Sie mit dem, was Sie bereits haben. Ihr be­ stehendes Equipment ist die beste Grundlage für eine IoT-Lösung. Anstatt von Grund neu zu bauen, identi­ fizieren Sie, welche Geräte bereits Daten generieren. Auf diesen Daten bauen die ersten Lösungen auf. 2. Legen Sie Ihre Mission und Ihren Markt fest. Gewin­ nen Sie ein klares Verständnis für die Position Ihres Unternehmens und ­Ihrer Ziele. 3. Der dritte Schritt ist wichtig, um die Investitionen in IoT zielgerichtet steuern zu können: Priorisieren Sie Ihre geschäftlichen Herausforderungen. Identifizieren Sie ein oder zwei Bereiche innerhalb Ihres Unterneh­ mens, die durch eine Vernetzung den höchsten Mehr­ wert generieren könnten.

Vorkonfigurierte Lösungen für schnelle IoT-Lösungen Unternehmen können mit Hilfe des DigitalLab@HSR und Experten in der Anwendung der Microsoft Azure IoT Suite ihre Digitalisierungsprojekte planen und umsetzen. Die Microsoft Azure IoT Suite ist eine Enterprise-Lösung, die es Unternehmen ermöglicht, schnell durch eine Reihe von erweiterbaren, vorkonfigurierten Lösungen zu s­tarten. Diese Lösungen adressieren gemeinsame IoT-Szenarien wie Fernüberwachung oder vorausschauende Wartung.  aurelien.goutorbe@microsoft.com Weitere Informationen dazu, wie IoT-Technologien die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können, erhalten Unternehmer am 23. Mai an den IoT-Days an der HSR. Anmeldung und weitere Informationen: aurelien.goutorbe@microsoft.com

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In der Praxis verläuft die Digitalisierung evolutionär. Die Konsequenzen sind für viele Unternehmen aber revolutionär. Im DigitalLab@HSR will die Universität St. Gallen (HSG) einen Beitrag für die Industrie und die Forschung leisten und gleichzeitig ihre eigenen digitalen Kompetenzen weiterentwickeln.

Digitale Evolution mit Revolutionscharakter Prof. Dr. Thomas Friedli, Direktor Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen Christoph Benninghaus, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technologiemanagement

Neben dem produzierenden Umfeld beschäftigen sich Geschäftsmodelle und industrielle digitale Dienst­ auch viele Forschungseinrichtungen mit der Digita­­­ li­ leistungen erforscht, um den Herausforderungen von sierung. Der Bereich Produktionsmanagement des Unternehmen beim Einstieg in das Dienstleistungs­ geschäft oder bei der Erwei­ ­Instituts für Technologiemanage­ terung des Geschäftsportfolios ment an der Universität St.  Gal­ zu begegnen. Auch werden so­ len (ITEM-HSG) bildet ­dabei kei­IN DER INDUSTRIE STEIGT DER genannte Smart Services unter­ ne Ausnahme. Forschungsseitig BEDARF NACH KOMPLEXITÄTSsucht und der Mehrwert für werden dabei insbesondere neue REDUKTION UND OPTIMIERUNG Anbieter und Anwender wird ­ Erkenntnisse und Lösungsan­ VON GESCHÄFTSPROZESSEN. analysiert. Dazu wurden in den sätze im Bereich Produktionsvergangenen Jahren in diverund Komplexitätsmanagement sen Forschungs-, Transfer- und sowie Smart ­Services untersucht. Doch so vielfältig wie die Anwendungsmöglichkeiten Benchmarking-Projekten die Kompetenzen im Bereich der Digitalisierung gestalten sich auch die Forschungs­ Smart Service erheblich ausgebaut. gebiete. Daher entschied sich das ITEM-HSG für eine Zu­ sammenarbeit und die Mitgründung des DigitalLab@ Digitale Komplexität gezielt steuern HSR in Rapperswil, um Unternehmen so einen ganz­ Weiterhin beschäftigt sich das ITEM-HSG mit dem heitlichen Ansatz zu bieten. Denn viele Unternehmen ­Themenfeld Komplexitätsmanagement. Die starke Ver­ stehen erst am Anfang und wünschen sich umfassende netzung verschiedener unternehmensinterner und -ex­ Unterstützung bei der Umsetzung der Industrie 4.0 terner Systeme, hervorgerufen durch die Digitalisierung der Produktionsumgebung, führt dazu, dass lokale Ver­ (siehe Grafik). änderungen verstärkt Reaktionen des Gesamt­systems erzeugen und Subsysteme in signifikanter Form be­ Kompetenzen ausbauen Während das ITEM-HSG den Schwerpunkt auf die einflussen. ­Managementperspektive legt, werden durch die Hoch­ Da in der industriellen Praxis ein stark zunehmender Be­ schule Rapperswil sowie Cognizant weitere wichtige darf nach Lösungen zur Komplexitätsreduktion und der Bereiche der Digitalisierung abgedeckt. Insbesondere Optimierung von Geschäftsprozessen existiert, bietet ­ die Kompetenzen in Bezug auf IT Lösungen, welche das Institut für Technologiemanagement verschiedenste durch Cognizant abgebildet werden, und der praxisnahe Dienstleistungen in diesem Zusammenhang an. Darüber Umgang mit Technik und Robotik – das Kern­gebiet der hinaus unterstützt das ITEM-HSG industrielle Organi­ Hochschule Rapperswil – ermöglichen es, sämtliche sationen verschiedener Branchen in ihrer strategischen ­Bereiche der Industrie 4.0 bzw. Digitalisierung anzuspre­ Planung, der Prozessoptimierung und bei der Umset­ chen. Seitens ITEM-HSG werden beispielsweise neue zung von Verbesserungsinitiativen. Von der Prozessauf­

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nahme über die Ausarbeitung der Produktionsstrategie bis zu Handlungsempfehlungen für den Einsatz von In­ dustrie-4.0-Lösungen, bietet das ITEM-HSG eine Viel­ zahl von Forschungs- und Transferprojekten an. Zudem besteht über die Zusammenarbeit mit dem ITEM-HSG ein institutionalisierter Zugang zu weiteren Kompeten­ zen sowie Expertinnen und Experten der Universität St. Gallen im Bereich der Digitalisierung.

Das Ergebnis einer aktuellen HSG-Studie mit Unternehmen zeigt: Industrie-4.0-Lösungen spielen eine zunehmend wichtigere Rolle, an der Umsetzung hapert es aber noch.

Verständnis gemeinsam vertiefen Als erste gemeinsame Tätigkeit im neu geschaffenen DigitalLab in Rapperswil werden Seminare und so­ ­ genannte Fokusgruppen zum Thema Industrie 4.0 und Smart Service angeboten, welche das Verständnis auf Anbieter- und Anwenderseite vertiefen sollen. Durch den intensiven Austausch und die Vermittlung von Er­ fahrungen sollen die individuellen Herausforderungen der Industriepartner bewältigt werden. Auch werden im Rahmen verschiedener Schwerpunktseminare einzelne technische Anwendungen wie beispielsweise kollabora­ tive Roboter oder 3D-Druck direkt vor Ort vorgeführt. Die Präsentation von Successful Practice Use Cases, der Einbezug von Experten aus der Industrie sowie die Ref­ lexion der Top-Learnings aus den wissenschaftlichen ­Erkenntnissen und Projekten runden die Seminare ab. Das ITEM-HSG verspricht sich von der Zusammenarbeit mit der Hochschule Rapperswil und Cognizant, einen unterstützenden Beitrag für die Industrie- und For­

schungslandschaft zu leisten und die eigenen Kompe­ tenzen im Sinne der Digitalisierung weiterentwickeln zu können. Denn die starke Partnerschaft, bestehend aus zwei Hochschulen und einem Industriedienstleister, macht es möglich, der Industrie umfassende und ganzheitliche ­Lösungen aus einer Hand anzubieten. Nur so kann das vielfältige Thema sinnvoll angegangen und ein wertvol­ ler Beitrag in Richtung der Produktion der Zukunft geleis­ tet werden.

thomas.friedli@unisg.ch christoph.benninghaus@unisg.ch

Zustimmung in der Industrie zu folgenden Aussagen: Zustimmung

0%

100%

Wir beschaffen uns Informationen

Wir forschen und entwickeln zu Industrie 4.0

Wir setzen Industrie 4.0 Lösungen um

Wir verkaufen Produkte, die mit Hilfe von Industrie 4.0 Lösungen hergestellt wurden

Unsere Nutzung von Industrie 4.0 sinkt

Wir bauen Industrie-4.0-Aktivitäten ab

Anwender

Anbieter

Anwender und Anbieter

Erfolgreiche Anwendung

Quelle: HSG

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Hans Hess steht dem grössten Schweizer Industrieverband ­Swissmem vor und ist Vizepräsident des Schweizer Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. Er sieht in der Digitalisierung der ­Industrie grosses Potenzial zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft. Im Bildungsbereich fordert Hess einen ­Fokus auf die Anforderungen des zukünftigen Arbeitsmarkts.

«Programmiersprache als zweite Landessprache» Das Interview mit Hans Hess führte Willi Meissner, Redaktion

KMU verfügen nicht über die gleichen Mittel wie Herr Hess, die Digitalisierung ist in aller Grossunternehmen. Was können sie tun? Munde – wie wichtig ist sie für die Schweizer Es ist wichtig, dass sich unsere KMU noch besser vernet­ Industrie? Hans Hess: Sehr wichtig. Die Industrie leidet nach wie vor zen. Mit Kunden, Lieferanten und Beratern, ebenso wie unter dem starken Schweizer Franken. Es ist sehr schwie­ mit Forschungsinstitutionen wie Fachhochschulen. Diese rig, sich auf der heutigen Hochpreisinsel Schweiz gegen Netzwerke können das notwendige Wissen und die ­fehlenden Ressourcen für digitale billigere ausländische Konkurren­ Entwicklung kurzfristig beisteu­ ten zu behaupten. Die nötigen Ge­ «VIELLEICHT SOLLTE DIE ern. Bei grösseren Projekten kann genmassnahmen sind Innovation auch die Kommission für Techno­ und Effizienz. Die Digitalisierung ZWEITE LANDESSPRACHE logie und Innovation KTI oder Ho­ bietet in beiden Bereichen enormes EINE PROGRAMMIERSPRACHE rizon 2020 der EU rasch zusätzliche Potenzial, das die Unternehmen WERDEN» Finanzmittel für kooperative For­ nutzen müssen. schungs- und Entwicklungspro­ jekte bereitstellen. Wichtig ist, Erfasst die Schweizer dass ein Unternehmen schrittweise und gezielt dort Industrie diese Bedeutung? Die Metall-, Elektrotechnik- und Maschinenbau-Indust­ Kompetenzen und Kapazitäten aufbaut, wo es ihn rie hat eine günstige Ausgangslage, um in der digitalen konkret hilft, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu ver­ Entwicklung eine wichtige Rolle zu spielen. Ein Teil der bessern. Firmen ist dabei bereits gut unterwegs, ein grösserer Teil aber erst am Start und e­ inige haben sich mit diesem Thema noch zu wenig ­befasst. Gibt es Unterschiede zwischen KMU und grossen Betrieben? Grundsätzlich nicht. Die Chancen, sich im internationa­ len Markt- und Konkurrenzumfeld durch digitale Ent­ wicklungen besser zu positionieren, haben alle Unter­ nehmen. Die grossen Firmen haben bereits digitale Kompetenz. Es ist aber unbestritten, dass ein Teil der KMU heute noch nicht über die notwendigen Kom­ petenzen und Kapazitäten verfügt, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen.

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Hans Hess ist seit 2010 Präsident von Swissmem, dem grössten Schweizer Industrieverband, sowie Vize-Präsident des Schweizer Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse. Der Dipl. Werkstoff-Ing. der ETH Zürich und Master of Business Administration (MBA) der University of Southern California in Los Angeles führt ein eigenes Unternehmen, die Hanesco AG in Pfäffikon, für die er im Bereich Strategie- und Innovationsberatung tätig ist, verschiedene VR-Mandate wahrnimmt und direkt in industrielle Firmen in der Schweiz investiert. Er begann seine berufliche Laufbahn 1981 als Forschungs- und Entwicklungsingenieur bei Sulzer AG in Winterthur und übte danach verschiedene Leitungspositionen bei der Huber & Suhner AG, Leica AG, Leica Geosystems AG aus, bei letzterer 10 Jahre als CEO.

Sie erwähnen Hochschulen als Partner für KMU. In welcher Rolle? Ich sehe mindestens drei Rollen, beginnend mit der Aus­ bildung. Die Absolventinnen und Absolventen von heute müssen fit sein für die künftigen Herausforderungen. Zudem können Hochschulen insbesondere KMU und Mittelständler mit den notwendigen Kompetenzen für die Digitalisierung unterstützen. Die dritte Rolle ist die Kommunikation an die Gesellschaft. Viele Leute haben Angst vor der Digitalisierung. Die müssten sie nicht ­haben, aber sie müssten besser darüber informiert wer­ den, was sie tun sollen, um für eine digitale Zukunft fit zu bleiben. Ausbildung als Schutz vor den personellen Rationalisierungen durch die Digitalisierung? Die Digitalisierung eröffnet in allen industriellen, gesell­ schaftlichen und sozialen Bereichen neue Möglich­keiten, wie Leistungen erbracht werden können. Einige Aspekte davon, wie die Automatisierung, sind nötig, um Unter­ nehmen wettbewerbsfähig zu halten. Automatisierung kann aber auch Arbeitsplätze in traditionellen Bereichen kosten. In anderen werden durch digitale Geschäfts­ modelle und Prozesse hingegen neue Arbeitsplätze ent­ stehen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Leute sich die dafür ­nötigen Kompetenzen aneignen. Eine ganz entschei­ dende Rolle wird also die Grund- und Weiterbildung für digitale Kompetenzen spielen. Das beginnt bereits in der Volksschule. Kinder müssen ihr Wissen in den Bereichen Mathematik und Informatik vertiefen können. Der neue Lehrplan 21 stellt das sicher, aber die Jungen müssen auch in den Gymnasien und in der Berufslehre vermehrt

digitale Fähigkeiten erlangen. Das geht weit über die ­Benutzung von Computern, Tablets und Smartphones hinaus. Vielleicht sollte die zweite Landessprache eine Programmiersprache sein. Wie steht es um Erwachsene, die nicht mehr zur Schule gehen? Lebenslanges Lernen wird noch wichtiger als bisher. Ins­ besondere Personen, die heute 30, 40, 50 Jahre alt sind, müssen ihre digitalen Kompetenzen erweitern, um ar­ beitsmarktfähig zu bleiben. Darauf sollten die Anbieter in der Erwachsenenbildung, in der höheren Berufs­ bildung und auch die Fachhochschulen mit ihren Weiter­ bildungsangeboten reagieren. Die gesetzlichen Leitplanken dafür müssten aus der Politik kommen. Wie nehmen Sie den Umgang der Politik mit der Digitalisierung wahr? Hier ist durchaus ein gewisses Verständnis vorhanden, aber es braucht noch mehr Momentum. Andere Länder sind deutlich weiter. Grundsätzlich ist die Politik gut ­beraten, die Entwicklungen in anderen Ländern zu be­ obachten und zu sehen, was diese Länder machen, um ihre Gesellschaften und ihre Infrastruktur für das digitale Zeitalter vorzubereiten. Es gibt aber auch in der Schweiz bereits konkrete Ideen, die im Parlament in letzter Zeit von Leuten wie die Nationalräte Ruedi Noser, Fahti ­Derder oder Marcel Dobler initiiert wurden.

hans.hess@hanesco.ch

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Nach dem Aufbau von Digitec engagiert sich der FDP-Nationalrat Marcel Dobler aktuell in der Politik für Sicherheit, Unternehmertum und digitale Themen. Im Bezug auf die aktuelle Digitalisierung der Industrie ruft er zu mehr Optimismus auf. Er glaubt daran, dass die Schweiz auch an dieser Herausforderung wachsen kann.

«Unsere Wirtschaft passt sich erfolgreich an» Das Interview mit Marcel Dobler führte Willi Meissner, Redaktion

Wie steht es um die digitale Fitness im Nationalrat? Marcel Dobler: Es gibt in jeder Partei ein, zwei Leute, die im Bereich D ­ igitalisierung wirklich Bescheid wissen. Das reicht im politischen System der Schweiz auch aus. Wenn Sie als Nationalrat selbst kein Know-how in einem Thema haben, informieren Sie sich bei Ratskollegen, die a) das ­gesuchte Know-how haben und b) ähnliche Wertvor­ stellungen haben wie Sie selbst. Wie ist die Schweizer Politik zur Digitalisierung positioniert? Dieser Prozess läuft und er wird kontinuierlich weiter­ laufen müssen. Insbesondere amerikanische digitale ­Geschäftsmodelle sind sehr viel schneller als die Gesetz­ gebung in der Schweiz. Ein Beispiel: Uber hat Auswir­ kungen auf die Taxi-Branche. Wir können dem mit Ge­ setzen einen Riegel schieben oder durch Deregulierung gleiche Rahmenbedingungen für Uber-Fahrer und TaxiUnternehmen schaffen, wie es mein Parteikollege ­Philippe Nantermod erreichen wollte. Dieser Ansatz ist der bessere, weil er ermöglicht, dass sich digitale Ge­ schäftsmodelle entwickeln können. Wenn solche Ge­ schäftsmodelle in die falsche Richtung laufen, kann man immer noch politisch eingreifen. Also wartet die Politik derzeit ab? Nein. In der letzten Legislaturperiode war die Digitalisie­ rung zwar zu wenig präsent, aber momentan werden alle in Bern zehn Jahre jünger, wenn sie darüber reden. Jetzt rennt man offene Türen ein und ich bin zuversichtlich, dass sich aus den Gesprächen sinnvolle politische Lösungen entwickeln. Alle wissen, dass die Schweiz aktiv werden muss.

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Wie sieht es auf Unternehmensseite aus? Für grosse Firmen stellen IT-Themen und die Digitalisie­ rung etwas völlig Normales dar, ich denke dabei an Grös­ sen wie Novartis oder Nestlé. Die haben Zukunftsthe­ men wie die Digitalisierung schon lange auf der Agenda und entsprechend in Forschung und Entwicklung inves­ tiert. Mehr Sorgen mache ich mir um die KMU in der Schweiz. In einer kleinen Firma steht und fällt der Ge­ schäftserfolg mit dem Geschäftsführer. Die müssten of­ fener für digitale Lösungen werden. Gleichzeitig muss man je nach Branche und Firmengrösse klar unterschei­ den. Ein einzelner ­Coiffeur-Salon hat ganz andere Anfor­ derungen an die ­Digitalisierung als ein exportorientierter Automobil-­Zulieferer mit mehreren Standorten. An der HSR versuchen wir mit dem DigitalLab@ HSR, KMU als ausgelagerte Forschungsund Entwicklungsabteilung zu unterstützen. Was halten Sie davon? Der Ansatz ist richtig. Damit das funktioniert, müssen die KMU-Geschäftsleitungen aber offen für digitale Lösungen sein. Hier liegt die eigentliche Herausforderung. Für viele Geschäftsführer ohne IT-Hintergrund ist Digitalisierung nur ein weiteres Trendwort mit zu vielen Namen. Industrie 4.0, Internet of Things, Smart Factory und so weiter. Was ist die Digitalisierung für Sie? Digitalisierung ist kein Produkt, sondern sich verändernde Rahmenbedingungen aufgrund der technologischen ­Entwicklung. Deshalb sehe ich der Entwicklung optimis­ tisch entgegen. Unsere Wirtschaft passt sich seit Jahr­ zehnten erfolgreich an Veränderungen an. Industrialisie­ rung, Europäische Union, Finanzkrise, starker Franken. Bis


heute hat die Schweiz immer einen Weg gefunden, von Veränderungen zu profitieren. Ein Aufruf zu mehr Optimismus? Ja. Die Pessimisten glauben, dass jetzt einfach alle Arbeits­ plätze wegdigitalisiert werden. Aber wir haben ein starkes Bildungssystem und im Vergleich mit vielen Nachbar­ ländern auch ein höheres Bildungsniveau und eine hohe wirtschaftliche und politische Stabilität. Das ist Kapital, das wir nutzen können, um schneller als andere von den digitalen Veränderungen zu profitieren. Zudem glaube ich, die ganze Digitalisierung wird niemals so schnell ge­ hen, wie befürchtet wird, und die Konsequenzen werden viel ­positiver ausfallen, als wir heute glauben. Was bräuchte es für dieses positive Szenario? Wenn wir von der Digitalisierung profitieren wollen, müs­ sen wir eine Kultur entwickeln, die auf kontinuierlicher Weiterbildung basiert. Damit das funktioniert, müssen wir uns sehr genau überlegen, wie wir die Leute 40+ mit­ nehmen wollen. Aktuell gibt es zu wenige Angebote. Also fehlt schlicht mehr Weiterbildung? Nicht nur. Auch die Überzeugung, wie wichtig die Weiter­ bildung ist. Versetzen Sie sich in jemanden hinein, der denkt: «Wieso soll ich mich ändern? Es funktioniert doch und wir haben es schon immer so gemacht.» So jemand bewegt sich nur, wenn es unternehmerischen Druck gibt. Weil digitale oder digital ergänzende Geschäftsmodelle so schnell sind, kann es dann aber schon zu spät sein. Ich habe einen Handwerker-Kollegen, der glaubt, dass er die Folgen der 3D-Visualisierung, -Planung und -Einrichtung von Wohnräumen nicht mehr vor dem Pensionsalter er­ leben wird. Wenn es doch schneller gehen sollte, hat er keinen Plan B.

Hatten Sie bei Digitec einen Plan B? Nein, aber das ist genau der Punkt. Bei Digitec haben wir viel versucht, ausprobiert, aus Fehlern gelernt – und das auch so beibehalten, als der Laden bereits lief. Innovatio­ nen und Erfolg können nur anhalten, wenn man weiter nach vorne geht. In der Schweizer KMU-Landschaft ist die dafür nötige Fehlerkultur aber zu wenig etabliert. Bei ­Neuerungen heisst es schneller «Spinnst du eigentlich?» als «Ok, lass es uns versuchen.» Risikovermeidung ist das A und O. Hier muss ein Umdenken zu mehr Trial and Error stattfinden – verbunden mit guten Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Was sind gute Rahmenbedingungen? Die Folgen der Digitalisierung werden uns betreffen, ob wir mitziehen oder nicht. Deshalb müssen wir einen guten Nährboden für Innovationen schaffen. Man sieht beispiels­ weise in Frankreich, dass zu viele Regulierungen ein Land wirtschaftlich kaputt und unattraktiv für Innovationen ma­ chen können. Bei uns läuft es trotz schwierigem Umfeld gut, weil es viele Freiheiten für wirtschaftliche Entwicklung gibt. Diese Freiheiten müssen wir immer wieder nachjustie­ ren. Ein Beispiel: Aktuell verhindert ein Gesetzestext aus dem Jahr 1976 Konzepte wie E-Voting. Und das nur, weil das Wort «drucken» im Gesetzestext vorkommt. Aber die Verwaltung weiss es, die Politik weiss es und ich bin ­optimistischer als die Digitalisierungs-Skeptiker, dass die Schweiz sich gut für die digitale Zukunft aufstellen kann. Wie lange setzen Sie sich noch für diese Zukunft ein? Nach 15 Jahren als Unternehmer habe ich beschlossen, mich in der Politik zu engagieren. Einen festen Zeitraum plane ich nicht, aber so viel ist sicher: Ich bin 36 Jahre alt und ich werde sicher nicht als Nationalrat pensioniert.

Marcel Dobler ist seit 2015 FDP-Nationalrat und Mitgründer von Digitec, heute Digitec Galaxus AG. Unterdessen ist er aus dem Unternehmen ausgestiegen und konzentriert sich auf seine politische Tätigkeit. Dobler ist auch Sportler, gewann 2009 den Schweizermeistertitel im Zehnkampf und wurde 2012 den Schweizermeister im Mannschaftsmehrkampf. Aktuell bereitet er sich neben seiner Tätigkeit als Nationalrat als Bobanschieber auf die Olympischen Winterspiele 2018 in Südkorea vor. Er belegte an den letzten beiden Europameisterschaften mit seinem Team jeweils den 16. Rang. Im letzten Jahr wurde Dobler Schweizermeister im 4er-Bob und Vizeschweizermeister im 2er-Bob.

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«Wir wollen die Digitalisierung leben» Das Interview mit Prof. Alex Simeon führte Willi Meissner, Redaktion

Die Digitalisierung führt in der angewandten ­Forschung und Entwicklung der HSR zu spürbaren Veränderungen. Im Interview stellt Alex Simeon, Prorektor Forschung, die Vision der zukünftigen HSR Forschung vor.

brauchen wir die fachlichen Voraussetzungen in der ­nötigen Tiefe vor Ort. Die HSR ist stark in Maschinenbau, Mechatronik, Elektrotechnik, Softwareentwicklung, Computertechnik, Werkstofftechnik und im Kunststoff­ bereich. Diese Kräfte werden im DigitalLab mit den Kenntnissen im Wirtschaftsingenieurwesen gebündelt und mit den Kompetenzen von HSG und Cognizant ­vereint. Welchen Nutzen hat die HSR Forschung vom ­DigitalLab? Wir können nicht nur die Kompetenzen bündeln, son­ dern auch die Akquisition und die Umsetzung von Pro­ jekten, die ein einzelnes unserer Forschungsinstitute nicht hätte realisieren können. Im Lab können mehr HSR Professorinnen und Professoren gemeinsam an Projek­ ten arbeiten, die interdisziplinären Austausch erfordern. Davon profitiert auch die fachübergreifende Ausbildung unserer Studierenden, die nach ihrem Abschluss digitali­ sierte Unternehmen in verschiedenen Positionen voran­ bringen sollen.

Das DigitalLab@HSR ist das neueste Kompetenzzentrum in der HSR Forschung. Mit welchem Ziel wurde es gegründet? Alex Simeon: Das DigitalLab ist der Grundstein für die di­ gitale Weiterentwicklung der HSR. Die Digitalisierung ist eine technologische Evolution, die bereits heute reale, tiefgreifende Auswirkungen auf die Industrie hat. Jeder redet davon, wir setzen die Digitalisierung in unserem Lab um. Damit wollen wir den Produktionsstandort Schweiz stärken. Das Lab wird zusammen mit den beiden Partnern Cognizant und der Universität St. Gallen betrieben. Warum? Wenn wir den Schweizer Unternehmen glaubwürdig Unterstützung bei der Digitalisierung anbieten wollen,

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Wie stark ist die HSR digitalisiert? Wir bauen derzeit ein LoRaWAN-Netzwerk auf, um ­Industrie-4.0-Prototypen an der HSR über eine Art loka­ les Internet of Things betreiben, testen und weiterent­ wickeln zu können. Die Vision ist zudem, dass wir alle ­unsere Maschinen auf dem Campus und im ForschungsCampus Eichwies miteinander vernetzen und unter­ einander kommunizieren lassen können. Wir wollen die Digitalisierung leben und das daraus resultierende Wis­ sen einsetzen, um die Schweizer Industrieunternehmen zu stärken. Weiss das die Schweizer Industrie? Mit dem DigitalLab als Kompetenzzentrum ordnet sich die HSR Forschung neu an, um die Digitalisierung fach­ lich und organisatorisch aufzufangen. Wir stehen über aktuell rund 400 Forschungsprojekte im direkten Kon­ takt mit Unternehmen aus verschiedensten Branchen. Unsere Partner wissen, was wir können, und wir können sie unterstützen.  alex.simeon@hsr.ch


Mikroprozessoren sehen von aussen seit Jahren gleich aus, sind aber durch viele Innovationen die treibende Kraft hinter der Digitalisierung: immer kleiner, schneller und effizienter. Erst diese rasante Entwicklung im Chipdesign macht es möglich, dass Unternehmen sich mit der Digitalisierung der Industrie befassen können.

Chipdesign: Grundlage der Digitalisierung Willi Meissner, Redaktion Prof. Dr. Paul Zbinden, Institutsleiter IMES

Bis vor Kurzem konnte man noch einen Blick in die Miniwelt der Mikroprozessoren werfen. (kleine Bilder) Aktuelle Prozessoren sind so aufgebaut, dass der Blick auf die Details verwehrt bleibt. Ähnlich wie bei modernen Automobil-Motoren.

In der Vergangenheit haben Ingenieure ganze Keller mit Schaltschränken voller Elektronik gefüllt, die heute kaum mehr die Leistung eines handelsüblichen Smart­ phones erreichen würden. Der Haupttreiber für die ra­ sante Entwicklung der digitalen Technologie sind die ­exponentiellen Fortschritte in der Mikroelektronik. Verschiedene Aspekte sorgen dafür, dass die umfas­ sende Digitalisierung von der industriellen Produktion und Logistik über komplett digitale Geschäftsmodelle bis hin zur Verwaltung riesiger Datenmengen überhaupt möglich wird. «Verantwortliche» für die Digitalisierung Der offensichtlichste Fortschritt ist die Miniaturisierung. Chips sind heute so klein und zudem günstig in der Her­ stellung, dass sie sich beispielsweise als RFID-Chips zu Millionen in modernen Produktionsprozessen nutzen lassen. Wo früher einige Tausend Transistoren auf einem Chip waren, sind es heute mehrere Milliarden auf der gleichen Fläche. Unter dem Mikroskop sehen moderne Chips heute aus wie kilometertiefe, ineinander ver­ schachtelte Strassen- und Häuserschluchten. Konfigurierbarkeit statt Neuentwicklung Ein zweiter wichtiger Grund ist die vollständige Inte­ gration von ganzen Systemen in einem einzigen, kleinen und billig produzierbaren Chip. Vom Sensor bis zur digi­ talen Schnittstelle ist alles vorhanden und dabei auch noch flexibel und rekonfigurierbar. Statt der teuren und aufwändigen Entwicklung von neuen Chips für einzelne Anwendungen kann heute ein Chiptyp für tausende ­verschiedene Anwendungen konfiguriert werden. Der sinkende Stromverbrauch ist der der Dritte im Bunde der

Digitalisierungstreiber. Heute ist es möglich, batterie­ betrieben Systeme zu entwickeln, die mit einer ein­zigen Batterieladung ein, zwei Jahre lang wartungsfrei funk­ tionieren. Beispielsweise RFID-Chips kommen sogar komplett ohne Batterie aus und können lediglich mit der durch Funk von aussen eingespeisten Energie arbeiten. Weitere Verfahren, um den Stromverbrauch zu senken, sind aktuell in der Entwicklung. Zusammengenommen ermöglichen diese Aspekte eine bisher nie da gewesene Interoperabilität: Günstige, de­ zentrale Systeme können miteinander kommunizieren. Die Mikroelektronik hat durch die Kombination aus ­Miniaturisierung, kompletten Systemen auf einzelnen Chips und massiv gesunkenem Stromverbrauch den Weg für das Internet of Things (IoT), ein Netzwerk de­ zentraler Systeme, vorbereitet. Die Summe macht es aus Ein Unternehmen kann heute eine Idee formulieren und umsetzen, indem sie auf frei verfügbare und flexibel programmierbare Chips zurückgreift. Einmal program­ miert, lässt sich die Lösung beliebig vervielfältigen und in Gesamtsysteme integrieren. Bei Chip-Stückpreisen im einstelligen Franken­bereich können auch junge Firmen ohne Millioneninvestitionen mit völlig neuen Konzepten ganze Marktbereiche revolutionieren.  paul.zbinden@hsr.ch

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Was heute im Auto völlig normal ist, erreicht zunehmend auch den Garten- und Landschaftsbau: satellitengestützte Fahranweisungen. Eine Gruppe von HSR Studierenden konnte im Rahmen eines Workshops live erleben, wie mit Hilfe von digitalen Geländemodellen die traditionellen Baustellen-Markierungen verschwinden.

«Unsichtbare» Baustellen mit intelligenten Baggern Prof. Peter Petschek, Studiengangleiter Landschaftsarchitektur

Bild oben: Die HSR Studierenden vor dem GNSS-Bagger. Bild links: Ein HSR Student kontrolliert das Display mit seinem Geländemodell. Bild rechts: Der zehn Tonnen GNSS-Bagger wird von einem HSR Studierenden bedient.

Oft ist es noch so, dass auf einer Baustelle im Land­ schaftsbau unzählige Absteckungen den Maschinen­ führern zeigen, wo und wie sie den Boden bearbeiten, Rohmaterial abladen oder Unebenheiten beseitigen müssen. In Zukunft erkennen das die Navigations­ systeme in den Baggern, Planierraupen und Lastwagen automatisch. Der Mensch kann sich, vom digitalen As­ sistenten unterstützt, auf die eigentliche Arbeit konzen­ trieren. Alles, was es dazu braucht, ist ein digitales ­Geländemodell und richtig ausgerüstete Maschinen, die mit diesen Modellen arbeiten können. Studierende erleben die digitale Baustelle Die Landschaftsarchitektur-Studierenden der HSR Hoch­ schule für Technik Rapperswil bekamen im Rahmen ­eines Workshops auf dem Testgelände von SITECH in Othmarsingen einen praxisnahen Einblick in die Zukunft der absteckungsfreien Baustelle im Garten- und Land­ schaftsbau. Zu Beginn des Workshops führte der Ge­ schäftsführer S. Maffini in die theoretischen Grundlagen der Maschinensteuerung ein. Schnell wurde klar: Bei al­ lem, ausser bei der Feinarbeit, kann die computer­ gestützte Steuerung helfen. Wenn eine Genauigkeit von drei Zentimetern ausreichend ist, kommt die Global-Na­ vigation-Satellite-System-Baggersteuerung (GNSS) zum Einsatz. Ist eine höhere Genauigkeit notwendig, kann eine lokale Tachymeter-Steuerung verwendet werden. Um mit dem eigenen Modell zu baggern, stellte SITECH die Geländedaten des Übungsgeländes (Katasterplan, Luftbild und vorhandenes, digitales Geländemodell) der HSR einen Monat vor dem Workshop zur Verfügung. verbunden mit dem Hinweis: «Wer baggern will, muss mit einem digitalen Geländemodell (DGM) zu uns kom­

men». Auch das ist ein Hinweis auf die digitale Baustel­ len-Zukunft im Gelände- und Landschaftsbau: Ohne ­digitale Daten läuft nichts mehr. Nach einem Semester CAD zum Thema digitale Geländemodellierung waren die Studierenden auf diese Herausforderung jedoch sehr gut vorbereitet und in der Lage, die Geländedaten einzu­ lesen und auf dieser Basis ein eigenes, geplantes Modell zu erstellen. Die Studieren waren natürlich gespannt zu erleben, was mit ihren .xml-Daten (Format für den Datentransfer) pas­ siert, mit denen die Maschine arbeitet. Da es sich um korrekt ­ modellierte Modelle im Landeskoordinaten­ system handelte, war der Transfer erstaunlich einfach. Eine Nachbearbeitung entfiel. Das eigene Modell umsetzen Auf dem SITECH-Testgelände war es dann so weit. Die HSR Studierenden konnten sich selbst im GNSS-Baggern versuchen. Der zehn Tonnen schwere Bagger ist mit ei­ ner Steuerung der amerikanischen Firma Trimble ausge­ rüstet. Die meisten Landschaftsarchitektur-Studieren­ den haben eine Lehre als Landschaftsgärtner absolviert und dadurch Baggererfahrung. Nach einer kurzen Ein­ führung durch einen SITECH Mitarbeiter legten die HSR Studierenden auch gleich los und baggerten ihre digital erstellen Geländemodelle vor Ort. Danach waren die Meinungen gemacht: Die angehenden Landschaftsar­ chitekten waren einhellig der Meinung, dass die abste­ ckungsfreie Baustelle nicht nur im Tiefbau, sondern auch auf Baustellen des Garten- und Landschaftsbaues ange­ kommen ist. Der SITECH-Workshop ist fester Bestandteil des Landschaftsarchitektur-Studiums an der HSR.  peter.petschek@hsr.ch

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Mit der Digitalisierung vernetzten sich Unternehmensprozesse immer stärker. Abteilungsdenken ist Vergangenheit. Der Unter­ nehmenserfolg hängt davon ab, dass Produktplanung, Konstruktion, Einkauf, Produktion, Logistik, Vertrieb und Kundenservice digital und betrieblich wie ein Uhrwerk ineinander greifen. An der HSR bringt ein Lego-Roboter angehenden Maschinentechnikern und Wirtschaftsingenieurinnen dieses vernetzte Denken bei.

Digitales Lernen: Ein Lego-Roboter als Dozent Willi Meissner, Redaktion Prof. Dr. Felix Nyffenegger, Institutspartner IPEK

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Ersteindruck: unscheinbar. Ein Lego-Roboter, wie er in vielen Teenager-Zimmern stehen könnte, sortiert ver­ schieden geformte Legoteile in Boxen ein. Doch der un­ scheinbare Roboter steht an der HSR und gehört seit ­einigen Monaten zu den wichtigsten Dozenten für die angehenden Ingenieurinnen und Ingenieure in den Stu­ diengängen Maschinentechnik | Innovation und Wirt­ schaftsingenieurwesen. Die «Magie» des Roboters pas­ siert nämlich in der digitalen Welt. Dort, in der Cloud, wo sich Produktionspläne und Einzelteil-Spezifikationen, Auftragsvolumen und Produktionskapazitäten, CADDaten und Stückzahlen, Kundendaten und Preisentwick­ lungen, CRM-, ERP- und PLM-Datenbanken mit unge­ bremster Dynamik immer stärker vernetzen. Ein Dozent, so modular wie die Lernziele Der «Vater» des Roboters ist Felix Nyffenegger, Profes­ sor für Product Lifecycle Management im Studiengang Maschinentechnik | Innovation. Mit dem Roboter will er die Studierenden an der HSR die betriebliche und digitale Vernetzung in Unternehmen lehren. Die imaginäre Firma hinter dem Roboter ist ein klassi­ scher Anlagenbauer, der seine Kunden mit individuellen Roboter-Lösungen beliefert. Der Roboter ist dabei die haptische Manifestation des Kernprodukts des Unter­ nehmens: ein modular aufgebautes, anpassbares Indus­ trieroboter-System. Es kann je nach individueller Kon­ figurationen weiche, harte, grosse, kleine, schwere, leichte, runde und eckige Teile verarbeiten. Greifen, sor­ tieren, verschrauben, verschweissen, verkleben, schlei­ fen, schneiden, lackieren – alles, was der Kunde braucht. Das ist ein aktuelles Problem vieler Industrieunterneh­ men. Wie kann ich mit modularen Systemen aus dem teuren Individual-Projektgeschäft herauskommen? Statt zig Roboter-Systeme mit hunderten verschiedenen Teilen wollen Unternehmen heute modulare Systeme anbieten, die möglichst alle Kunden-Anforderungen mit möglichst wenigen Modulen abdecken können. Anhand des LegoRoboters will die HSR ihren Studierenden zeigen, wie sie ihren künftigen Arbeitgebern bei diesem Problem helfen können. Denn Frankenstärke, globaler Wettbewerb, hohe Lohnstückkosten und die zähe Digitalisierung der Industrie setzen Schweizer Anlagenbauer gleich an vier Fronten unter Druck. Wie funktioniert eine Firma? Die jungen Berufsleute müssen dafür lernen, wie ein mo­ dernes Industrieunternehmen funktioniert und welche Fragen zu den richtigen Lösungen führen. Ein Unterneh­ men im Anlagenbau kann sein Angebot nicht beliebig

ändern. Schon nur eine Änderung am Greif-Modul des Roboters zieht unzählige abteilungsübergreifende Fra­ gen nach sich: Müssen trotz neuem Modul noch jahre­ lang die alten produziert werden, weil Kunden die alten Teile als Ersatzteil brauchen? Oder kann das neue Greif­ modul kompatibel zu den bestehenden Systemen konst­ ruiert werden? Wenn nicht: Soll der Vertrieb die alten Module verkaufen oder muss ein globaler Verkaufstopp gelten? Welche Kosten entstehen durch eine Änderung? Was passiert mit nicht verkauften alten Modulen? Wel­ chen Einfluss hat ein neuer Greifer auf Steuerung, Elekt­ ronik und Mechanik des Grundmoduls? Welche Einzel­ teile können erst auf Bestellung gebaut werden? Was lässt sich vorproduzieren? Welche Stückzahlen auf Lager entsprechen der voraussichtlichen Nachfrage? Konfliktlösung unter Zeitdruck Es liessen sich viele weitere Fragen stellen. Und trotzdem würde das nur die Ideal-Situation in einem Unternehmen abbilden. Nämlich dass alle wichtigen Fragen bereits vor einer Änderung gestellt und gelöst wurden. Das ist nicht immer der Fall. Weil die HSR den Anspruch hat, Ingenieu­ rinnen und Ingenieure realitätsnah auszubilden, über­ legen sich die fünf am Roboter-Dozenten beteiligten Professorinnen und Professoren immer wieder neue ­ Kniffligkeiten für die Studierenden. Verschiedenste Funktionsstörungen in einzelnen Unternehmensberei­ chen zwingen die Studierenden immer wieder, innerhalb der Prozess-Leitplanken des Unternehmens so zu reagie­ ren, dass die Kunden des Unternehmens so wenig wie möglich von Problemen betroffen sind. Das nötige Hintergrundwissen dafür erhalten die Stu­ dierenden in Vorlesungen wie «PLM Systeme» oder ­«Serienfertigung». Dabei lernen sie, wie die verschiede­ nen Informationsquellen eines Unternehmens so ver­ netzt werden können, dass aus der gesamten Datenflut wiederum wichtige Erkenntnisse für den Unterneh­mens­ erfolg insgesamt gewonnen werden können. Maschi­ nentechnikerinnen und Wirtschaftsingenieure pro­ grammieren nicht die IT-Systeme ihres künftigen ­Arbeitgebers. Aber sie müssen die verfügbaren Systeme und Schnittstellen so in den Kontext der Firma setzen können, dass unternehmensindividuelle Konflikte schnell und nachhaltig gelöst werden. Wirtschaftsinge­ nieure als Beispiel müssen Einkauf und Produktion so ­organisieren können, dass alle betroffenen Abteilungen die Vorgaben reibungslos umsetzen können. Das ist nur möglich, wenn ein Bewusstsein für das Den­ ken anderer Abteilungen im Unternehmen vorhanden ist und die Studierenden bereits im Studium lernen, wie sie gemeinsam mit allen involvierten Unternehmensteilen schnelle Lösungen erarbeiten können. Mit Hilfe des ­Roboter-Dozenten an der HSR gelingt das mit jedem ­Semester besser. Auch, weil die Studierenden in Zusam­ menarbeit mit den beteiligten Professorinnen und Professoren den Roboter und die damit verbundene «Firma» immer weiter entwickeln. So dient der Roboter unter anderem auch als Plattform für die Forschung, um neue Konzepte der Digitalisierung zu erforschen – zum Beispiel die sichere Kommunikation zwischen Maschine und Cloud oder «Predictive Maintenance», also auf da­ tenbasierter Vorhersage durchgeführte Wartungen.  felix.nyffenegger@hsr.ch

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Die Digitalisierung macht auch vor Grundlegendem nicht Halt: Lesen, Schreiben, Lernen. Unser Verhalten hat sich bereits geändert. Der Informationsfluss wird schneller, das Lernen vielfältiger. Einen einheitlichen Umgang damit gibt es nicht. Das stellt zunehmend höhere Anforderungen an den Einzelnen, die vorhandenen Möglichkeiten passend zum Zweck zu nutzen, und erfordert, die dafür nötigen Fähigkeiten zu lernen.

Digitales Lesen, Lernen und Schreiben Prof. Dr. Annette Verhein, Institutspartnerin IKIK

Der Bildschirm ist aufgeklappt, die Präsentation zur Ver­ anstaltung geöffnet, Anmerkungen und Kommentare werden direkt in die Datei geschrieben. Es macht Pling, auf dem Bildschirm ist der Eingang einer E-Mail angekün­ digt, rasch eine Antwort getippt. Nebenbei rüttelt das Smartphone, ein Facebook-Post will beachtet werden, schnell einen Tweet abgesetzt. Für die Berechnung fehlt eine Kennzahl? Direkt über Google gesucht und per Wiki­ pedia die fehlende Kennzahl besorgt. Bildschirm statt ­Papier, digital statt analog, online statt offline. Digitales Lesen und ebenso digitales Schreiben sind längst selbst­ verständlich geworden, gehören zum Arbeits- und Lern­ alltag wie eine zweite Haut. Was ist anders in der digitalen Welt?

Der Bildschirm wird nur noch gescannt Ganz im Gegensatz zum Lesen auf Papier werden Inhalte auf dem Bildschirm mehr gescannt als linear gelesen. Das hat mit unserer fast zur Gewohnheit gewordenen ständi­ gen Informationsbeschaffung zu tun. Bevor ein ­Leser am Bildschirm einen «klassischen» – also langen, linearen – Text liest, bewegt er sich durch Suchmaschinen und Web­ seiten. Am Bildschirm werden Schlüsselbegriffe gesucht, Links geklickt. Das Auge sucht, scannt, findet, springt weiter. In der Usability-Forschung wird diese Art des Lesens als «F-Pattern-Reading» bezeichnet. Hintergrund: Die Niel­ sen Norman Group hat die Augenbewegungen von Men­ schen aufgezeichnet, die am Bildschirm Suchmaschinen­ ergebnisse, Webseiten und Online-Shops gelesen haben. Ergebnis: Visualisiert als Heatmap summieren sich die Augenbewegungen meistens zu einem F, seltener zu ­ ­einem L oder E. Das Auge folgt am Bildschirm eher dem

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Bewusstseinsstrom des Lesers und setzt sich über die Konventionen linearen Lesens hinweg.

Gut für den Alltag, schlecht fürs Lernen Im alltäglichen Arbeitskontext ist dieses scannende Bild­ schirmlesen (Skimming) durchaus nützlich: Man arbeitet effizienter. Das Skimming wird aber spätestens beim ­Lernen von neuem Wissen zur Herausforderung. Damit Gelesenes zu Erlerntem wird, ist nämlich ein komplexer kognitiver Prozess nötig, der das Gelesene im semanti­ schen Gedächtnis, im Wissensgedächtnis, verankert. Das Gelesene kann nur dann das eigene Wissen erweitern, wenn die Leserin oder der Leser bewusst eigene Gedan­ ken zum Gelesenen entwickelt, reflektiert und das Ergeb­ nis als «gelernt» abspeichern kann. Die Gewohnheit, alles nur kurz zu scannen, aufzunehmen und weiterzuspringen, muss also bewusst kontrolliert werden: Lernendes Lesen am Bildschirm erfordert we­ sentlich mehr Disziplin als Lesen auf Papier. Genau diese Disziplin wird aber durch Ablenkung am Bildschirm ­besonders herausgefordert: animierte Bilder, weiterfüh­ rende Links, aufpoppende Nachrichten von der Mail über die Messenger-Nachricht bis hin zum Werbebanner-Popup wollen beachtet werden. Zudem gibt es oft nicht nur einen Bildschirm. Meistens wartet das Smartphone als ­zusätzliche Ablenkung in der Tasche. Kommt hinzu: Am Bildschirm lesen wir zwar schneller, brauchen aber länger, um das Gelesene zu verarbeiten. Wird dieser Prozess durch Ablenkung unterbrochen, wandert das Wissen nicht vom episodischen ins semanti­ sche Gedächtnis. Die Folge: Der ganze Leseaufwand war umsonst, denn abrufbares und auf aktuellen Kontext übertragbares Wissen wird so nicht im Hirn abgespei­


Wird Gehörtes handschriftlich verarbeitet, ist ein Proto­ koll jedoch nicht möglich. Weil die Handschrift nicht schnell genug folgen kann, muss Gehörtes bereits beim Schreiben verarbeitet und kondensiert werden – ent­ sprechend bleibt von der Mitschrift mehr hängen. Zum Abschluss noch ein Test: Für das Formulieren von ­eigenem Wissen ist Tippen besser geeignet, als mit der Hand zu schreiben, vorausgesetzt man tippt so schnell, dass der Gedankenfluss beim Tippen nicht unterbrochen wird. Der kanadische Wissenschafts- und TechnologieJournalist Clive Thompson gibt eine Mindestgeschwin­ digkeit beim Schreiben an; sie liegt bei 24 Wörtern pro ­Minute. Wie viel schaffen Sie?  chert. Das lässt zwei Möglichkeiten offen: Entweder liest man zu Lernendes auf Papier oder sorgt dafür, dass das Lesen am Bildschirm nicht gestört werden kann. In Hand­ lungen ausgedrückt: Internetverbindung kappen oder mindestens alle Nachrichtendienste wie Mail und Co be­ enden und das um Aufmerksamkeit heischende Smart­ phone in den Flugmodus zwingen.

annette.verhein@hsr.ch

Keine Bewegung ohne Gegenbewegung Was fürs Lesen und Lernen gilt, gilt ähnlich auch fürs ­Schreiben. Schreiben mit der Hand ist langsamer und braucht mehr Kapazität im Hirn. Dadurch bleibt selbst von Hand Geschriebenes auch besser im Gedächtnis haften. Digitale Mitschriften – getippt per Tastatur – haben für das Gehirn durch die hohe Geschwindigkeit eher den Charakter eines Protokolls, einer Transkription des Gehör­ ten.

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Bei der Überwachung von Herdentieren verlassen sich die meisten Landwirte auf Glocken. In einem Testprojekt will der Kanton Glarus nun eine digitale Alternative prüfen, die vom Start-up eines ehe­maligen HSR Studenten entwickelt wird: Die digitale Kuhglocke, ein internetbasiertes Ortungssystem.

Kuhglocke 4.0: Herdentieren digital auf der Spur Willi Meissner, Redaktion

Heute kommt kaum eine Herde auf den Alpweiden ohne Glocken aus. Sie sind über weite Strecken hörbar und helfen Landwirten dabei, die Herde beim regelmässigen Besuch auch hinter Hügeln zu lokalisieren oder verlorene Tiere wiederzufinden. Zum Herdenschutz eignen sich die Glocken jedoch weniger. Wenn Tiere verletzt auf Hilfe warten, einen Hang hinabgestürzt sind oder ein Wolf Beute gemacht hat, klingelt nichts mehr. Der ehemalige HSR Informatik-Student Christian Fässler und heutige Teilzeit-Software-Ingenieur am INS Institute for Networked Solutions der HSR hat sich mit seinem Start-up-Unternehmen adnexo auf die Fahne geschrie­ ben, solchen und weiteren Problemen mit digitalen ­Lösungen zu begegnen. Statt Glocken für Schafe und Kühe sollen künftig Funksender die Landwirte über den Zustand ihrer Tiere informieren. Ein plastisches Beispiel dafür, welche Lösungen die Digitalisierung oder das In­ ternet of Things (IoT) für Probleme bereitstellen kann. Virtuelle Zäune und Verhaltensanalyse Mit dem Alplora genannten System wollen Fässler und sein Partner, der ETH-Absolvent Nico Schottelius, Land­ wirte in die Lage versetzen, den Zustand ihrer Tiere je­ derzeit und von jedem Ort aus per Smartphone oder Laptop prüfen zu können. Nicht nur die Position wird übermittelt. Mittels intelligen­ ter Algorithmen werden die Aktivitäten der Tiere weiter analysiert. So können unter anderem Krankheiten oder Verletzungen frühzeitig erkannt werden. Das System ist eine Komplettlösung mit integriertem Herdenmanage­ ment. Verabreichte Medikamente können beispiels­ weise erfasst und Sperrfristen gemanagt werden. Muss der Bauer jährlich Berichte einreichen, können diese

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durch die Software generiert werden. Die Daten müssen dabei nicht immer manuell abgerufen werden. Bei be­ sonderen Ereignissen meldet sich das Tracking-System automatisch per SMS, Mail oder über weitere Kanäle. Etwa, wenn die Herde eine virtuelle Weide inklusive vir­ tuellem Zaun verlässt. Alarmfunktionen sind ebenfalls möglich, etwa wenn die Herde bei einem Wolfangriff panisch zu rennen beginnt. Ein anderer Fall kann ein ver­ letztes Tier sein, das zurückfällt und allein auf der Alp auf Hilfe wartet. Heute müssen in so einem Fall mehrere ­Personen oft tagelang die Alp absuchen, bis das Tier ge­ funden wird. In Zukunft soll ein Blick auf die virtuelle Karte reichen, um Rettungsaktionen sofort einzuleiten und Tiere zu retten, die heute wegen der langen Suche nicht überleben. Mit einem schlag- und wasserfesten Gehäuse wird ­sichergestellt, dass die Sender während einer gesamten Alpsaison funktionieren. Ein häufiger Batteriewechsel ist zudem nicht nötig, weil das Tracking-System auf der ­LoRaWAN-Technologie beruht – ein drahtloses Lang­ strecken-Funknetzwerk, das mit wenig Energie aus­ kommt. In der Schweiz ist die Abdeckung mit diesem Netzwerk bereits sehr gut in bevölkerten Gebieten und soll in Zukunft auch in den Gebirgsregionen stark verbes­ sert werden. Im Gegensatz zu einem WLAN-Netzwerk kann ein LoRaWAN-Netzwerk pro Antenne bis zu 60 Ki­ lometer im Umkreis mit dem Internet verbinden. Kanton Glarus testet das System Ein erstes Testprojekt wurde bereits auf einer Glarner Kuhweide erfolgreich umgesetzt. Ein Landwirt, Nachbar von Fässlers Partner Schottelius, hat sich spontan dafür interessiert. Der nächste Schritt wird ab der kommenden


Bild oben: Christian Fässler und Nico Schottelius erklären den Umgang mit dem Kuh-TrackingSystem.

Alpsaison in höheren Lagen gemacht. Der Kanton Glarus testet im Alpsommer 2017, ob Alplora die Erwartungen an den Herdenschutz erfüllen kann. Mit den gesammel­ ten Daten wollen Fässler und seine Kollegen weitere Anwendungsmöglichkeiten für das Tracking-System ­ entwickeln und die Zuverlässigkeit erhöhen.

Bild unten: Landwirt Walter Hefti zeigt den Alplora-Sender, der per Halsband an einer seiner Test-Kühe befestigt wurde.

Intelligente Container Weitere Ideen für IoT-Anwendungen hat Fässler bereits. Glas-Container, die darüber informieren, wenn sie voll sind, oder Öl- oder Gastanks, die ihren Füllstand jeder­

zeit übermitteln und rechtzeitig an nötige Bestellungen erinnern. Erste Testinstallationen erbringen derzeit den Praxisbeweis. Der Mehrwert solcher auf den ersten Blick banalen Werte liegt laut Fässler jeweils in der Nutzbar­ keit der Daten. So können intelligente Glas-Container etwa optimale Routen und füllstandabhängige Termin­ pläne für Entsorgungsunternehmen berechnen, was Zeit und Kosten für unnötige Leerungen spart. Intelligente Öltanks wiederum können anhand der erfassten Daten bemerken, wenn die Heizung falsch eingestellt ist oder mehr Öl verbrennt als nötig. Und es geht noch weiter: Anhand des durchschnittlichen Ölverbrauchs könnte ein intelligenter Tank sogar berechnen, wann der ideale ­Bestellzeitpunkt für eine neue Öllieferung wäre. Know-how fliesst zurück in die HSR Fässler, der seinen Informatik-Bachelor an der HSR 2014 abschloss, ist es wichtig, dass sein Wissen aus den Pro­ jekten an die HSR Studierenden zurückfliesst. Während er am Aufbau seines Start-ups arbeitet, gibt er sein ­Wissen im Rahmen seiner Anstellung an der HSR weiter. Er gibt unter anderem Schulungen in den Bereichen ­IoT-Anwendungen und Protokolle wie LoRaWAN, be­ treut Gruppen im Nachwuchsförderungsprogramm ­informatics4girls und wirkt beim Challenge-Modul im Studiengang Informatik mit, in dem die Studierenden konkrete Projekte entwickeln.  christian.faessler@ins.hsr.ch

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Der Hochschulrat hat Prof. Dr. Margit Mönnecke zur neuen Rektorin der HSR Hochschule für Technik Rapperswil gewählt. Sie tritt auf 1. März 2017 die Nachfolge von Prof. Dr. Hermann Mettler an, der in den Ruhestand tritt.

«Markenkern der HSR ausbauen» Mit Prof. Dr. Margit Mönnecke sprach Eva Tschudi, Chefredaktion

Wo sehen Sie die nächsten Herausforderungen für die HSR? Die HSR ist in Lehre und anwendungsorientierter For­ schung gut in den Themenbereichen Technik und Um­ welt etabliert. Damit wir auch in Zukunft für viele Studie­ rende attraktiv bleiben, müssen wir unser Angebot ständig aktualisieren, und zwar Hand in Hand mit den wachsenden Erwartungen der Wirtschaft und öffentli­ cher Institutionen. So werden wir dem zunehmenden Wettbewerb um die besten Köpfe gerecht. Eine Heraus­ forderung, die ich besonders herausstreichen möchte, ist der rasche Wandel der Berufsanforderungen – das «lebenslange Lernen». Vor diesem Hintergrund gewinnt das Weiterbildungsangebot der HSR eine immer grös­ sere Bedeutung und muss mit entsprechender Priorität weiterentwickelt werden. In zehn Jahren ist die HSR von 1000 auf über 1600 Studierende gewachsen. Leidet die Qualität der Ausbildung nicht darunter? Im Gegenteil. Für ein überzeugendes Lehrangebot be­ darf es einer gewissen fachlichen Tiefe und Vielfalt. Die wachsenden Studierendenzahlen – für die wir dank des neuen Forschungszentrums und des neuen Studenten­ wohnheims gut gewappnet sind – ermöglichen es uns, unser Angebot diesbezüglich auszubauen und qualitativ zu verbessern. Dieses Wachstum ermöglicht es uns auch, mit neuen Dozierenden und Mitarbeitenden in Lehre und Forschung stets neue Impulse zu erhalten und auf der Höhe der Zeit zu sein – und damit attraktiv für Studie­ rende und Industriepartner gleichermassen.

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Wie muss sich die HSR ausrichten, um auch in Zukunft attraktiv zu bleiben? Technik und Umwelt sind ganz klar der «Markenkern» der HSR und sollen es auch bleiben – wir wollen unser diesbezüglich gutes Renommee weiter ausbauen. Die zukünftige Attraktivität wird vor allem getragen durch thematische Aktualität in allen Bereichen, durch die an den Fragen der Praxis orientierten und Impulse geben­ den Forschungsaktivitäten sowie durch das ständige Ringen, die Ausgestaltung der Lehre didaktisch zu verbessern und dabei den sich ändernden medialen ­ Möglichkeiten Rechnung zu tragen. Stillstand ist keine Option. Wo sehen Sie die zukünftigen Schwerpunkte in der Lehre? Fehlt eine Studienrichtung? Die HSR hat bereits heute ein gut abgestimmtes Ange­ bot, das erst vor zwei Jahren mit der Einführung des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen abgerundet ­ wurde. Die absehbaren Herausforderungen liegen sicher im Bereich der fortschreitenden Digitalisierung auf allen Ebenen. Wir werden sie in unserem Angebot in einem noch höheren Masse berücksichtigen müssen. Zudem werden wir den internationalen Austausch mit unseren Partnerhochschulen intensivieren und wir werden eng­ lischsprachige Module anbieten, um unsere Studieren­ den bestmöglich auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Die HSR hat einen Prorektor für die Forschung und eine/n Prorektor/in für die Lehre. Worin sehen Sie als neue Rektorin Ihre Aufgaben, Ihren Fokus? Die Förderung der hochqualitativen Lehre und anwen­ dungsorientierter Forschung sind sicherlich die höchsten


Prof. Dr. Margit Mönnecke ist DiplomIngenieurin in Landespflege und hat an der Universität Hannover promoviert. Nach einigen Jahren als selbständige Landschaftsplanerin und Dozentin für Landschaftsplanung und Tourismusentwicklung an der Universität Hannover wurde sie als Professorin für Nachhaltigen Tourismus an die FH Eberswalde, Deutschland berufen. Seit 2002 ist sie an der Hochschule für Technik Rapperswil tätig; seit 2005 als Professorin für Landschaftsplanung. Von 2006 bis zur Wahl als Prorektorin 2011 war sie Leiterin des Studiengangs Landschaftsarchitektur an der HSR und baute als Institutsleiterin zugleich erfolgreich das Institut für Landschaft und Freiraum auf.

Prioritäten der HSR – darum sind sie durch die entspre­ chenden Prorektorate explizit in der Hochschulleitung abgebildet. Als Rektorin sorge ich einerseits dafür, dass die strategischen Weichen für die langfristige Entwick­ lung der HSR gut gestellt sind, wie zum Beispiel in der ­aktuellen Diskussion um den Entwicklungsprozess der FHO. Andererseits gibt es auch interne Herausforderun­ gen. Sei es als Arbeitgeberin auch in Zukunft attraktiv zu bleiben oder das Reflektieren der Führungsprozesse, um angesichts der wachsenden Komplexität der Themen als Organisation effizient zu handeln. Sie haben Ihre Laufbahn an der HSR als Dozentin 2002 eingeschlagen, zudem haben Sie fünf Jahre das Institut für Landschaft und Freiraum geleitet. Fehlt Ihnen der unmittelbare Kontakt zu Studierenden und Forschenden? Sicher vermisse ich es manchmal, in meinem ursprüngli­ chen Fachgebiet zu arbeiten und mein diesbezügliches Wissen zu vermitteln. Ich kann allerdings versichern, dass ich auch als Rektorin in hohem Masse den persön­ lichen Kontakt mit den Studierenden schätzen und ­pflegen werde – sei es der Austausch mit den Studieren­ denvertretern oder mit dem VSHSR, dem Verein der ­Studierenden der HSR.

Wahrscheinlichkeit, einen Mann als geeignete Person für die jeweilige Aufgabe zu finden. Das hat aus meiner Sicht nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern eher mit Statistik. Was ich allerdings durchaus als Herzensange­ legenheit begreife, ist die Herausforderung, insbeson­ dere auch Frauen für die technischen Disziplinen zu be­ geistern. Denn nur wenn wir das Potenzial aller begabten jungen Menschen ausschöpfen – unabhängig vom Ge­ schlecht – können wir dem wachsenden Mangel an gut ausgebildeten MINT-Fachkräften entgegentreten. Als Rektorin leiten Sie nicht nur die HSR, Sie engagieren sich auch im Schweizer Bildungs­ wesen und in gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Netzwerken. Was ist ihr Rezept, um die vielen Aufgaben zu bewältigen? Wo erholen Sie sich, wo finden Sie neue Ideen? Was die neuen Ideen angeht, sind insbesondere diese privaten oder ehrenamtlichen Engagements eine wich­ tige Quelle für Anregungen und inspirierende Kontakte. Was die Erholung anbelangt, ist es für mich sehr wichtig, auch einmal abzuschalten. Das tue ich mit Genuss bei Sport in der Natur oder im Garten, beim Klavierspielen, beim Lesen eines guten Buches oder beim gemütlichen Abendessen mit Freunden.

Sie sind eine der wenigen Hochschulrektorinnen in der Schweiz. Wie können Sie die Frauenförderung für Hochschulleitungsrollen unterstützen? Die HSR ist eine vorrangig technisch ausgerichtete Hoch­ schule und es ist nun einmal so, dass diese Fächer weit überproportional von Männern gewählt werden. Ent­ sprechend gibt es auch in Führungsrollen eine höhere

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«Neue Entwicklungen und Trends aufgreifen» Das Interview mit Regierungsrat Stefan Kölliker führte Eva Tschudi, Chefredaktion

Wie schnell haben Sie sich in Ihre neue Rolle als HSR Hochschulratspräsident eingelebt? Ich bin in verschiedenen Gremien im Hochschulbereich tätig – sowohl auf Bundes- bzw. interkantonaler Ebene als auch auf kantonaler Stufe. Mit der FachhochschulWelt bin ich also sehr gut vertraut. Das Präsidium des HSR Hochschulrats habe ich deshalb mit grosser Freude übernommen – ohne mich allzu sehr «einleben» zu müs­ sen. Zudem habe ich mehrmals als Gast an den Hoch­ schulratssitzungen der HSR teilgenommen. Sie präsidieren mehrere Hochschulräte. Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten, worin unterscheiden sich Ihre Aufgaben? Gemeinsam ist allen Hochschulen im Kanton St. Gallen – also neben den Fachhochschulen auch der Universität St. Gallen und der Pädagogischen Hochschule St. Gallen,

dass sie in einem kompetitiven Umfeld stehen und stets die Anforderungen von Gesellschaft und Wirtschaft aufnehmen müssen. Zudem ist mit dem neuen Hoch­ schulförderungs- und -koordinationsgesetz (HFKG) ein gemeinsamer Hochschulraum mit übergreifender Koordination von Bund und Kantonen entstanden. Unter­ schiede gibt es im Typus der Hochschulen und im ­Entwicklungsstadium: Während die HSG auf eine lange Hochschul-Tradition zurückblicken kann, ist die PHSG in der heutigen Form eine noch junge Institution. Den Fachhochschulen ist gemeinsam, dass sie in den letzten Jahren ein grosses Wachstum und einen erheblichen An­ gebotsausbau erlebt haben. Zudem ist die anwendungs­ orientierte Forschung ein in Wirtschaft und Industrie stark nachgefragtes Standbein der Fachhochschulen ge­ worden. Es gilt, dies zu konsolidieren, aber immer auch am Ball zu bleiben und neue Entwicklungen und Trends, etwa die Digitalisierung, aufzugreifen. Worin sehen Sie Ihren wichtigsten Beitrag im HR der HSR? Als Mitglied der Regierung und Präsident des Hoch­ schulrats kann ich dazu beitragen, dass politische Ent­ scheide mit strategischen Entwicklungen der Hoch­ schulen noch besser abgestimmt werden – und dies übergreifend über die verschiedenen Institutionen. Der direkte «Draht» zwischen Politik und Hochschule ist ­aufgrund meiner Erfahrung ein Vorteil. Welches sind die nächsten Herausforderungen der HSR? Neben dem Wechsel in der HSR-Hochschulleitung sehe ich die Herausforderung der HSR insbesondere in der erstmaligen Umsetzung des mehrjährigen Leistungs­ auftrags. Das neue System bedeutet für die HSR mehr Autonomie und Flexibilität im Wettbewerb, bringt aber auch Verantwortung und Reportingbedarf. Ich bin zu­ versichtlich, dass wir diese Herausforderung gemeinsam meistern.

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Würdigung für Rektor Prof. Dr. Hermann Mettler Stefan Kölliker, Regierungsrat, Vorsteher Bildungsdepartement Kanton St. Gallen

Geschätzte Leserschaft des HSR Magazins Ende Februar 2017 geht eine Ära zu Ende. Es ist mir per­ sönlich ein Bedürfnis und eine Ehre, an dieser Stelle dem Rektor der Hochschule für Technik in Rapperswil, Prof. Dr. Hermann Mettler, für seine erfolgreiche, umsichtige und visionäre Leitung der HSR zu danken und ihn zu wür­ digen. Er hat einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, die HSR zu dem zu machen, was sie heute ist: eine der führenden technischen Hochschulen in der Schweiz, die hochqualifizierte Nachwuchskräfte stellt. Beispielhaftes Engagement Während seiner 13-jährigen Amtszeit als Rektor und ­zuvor als Dozent im Studiengang Maschinenbau, wo er das Institut für Produktedesign, Entwicklung und Konst­ ruktion (IPEK) aufbaute, hat Hermann Mettler das Profil der HSR entscheidend mitgeprägt. Beispielsweise hat er den praxis­ orientierten Unterricht aufgebaut, indem er das Grundlagenfach Kons­ truktionslehre neu konzipiert hat. Neben der theoretischen Ausbil­ dung wurden Konzeptarbeiten in Gruppen durchgeführt, damit die Studierenden Erfahrungen in Team­ arbeit und Projektmanagement sammeln konnten. Als Dozent en­ gagierte sich Hermann Mettler von Anfang an in der anwendungsorien­ tierten Forschung. Aus seiner Tätig­ keit am IPEK erfolgten zahlreiche Hermann Mettler ­Patenterteilungen. Neben seiner Ar­ beit in Lehre und Forschung war er auch in der schuli­ schen Verwaltung aktiv. Nicht verwunderlich, dass der Lehrerkonvent Hermann Mettler 1999 als Vertreter der Dozentenschaft in den Hochschulrat wählte. Seit 1. Oktober 2003 leitete Hermann Mettler die HSR als Rektor und kümmerte sich bis zur Wahl des Prorektors im Jahr 2011 gleichzeitig um die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung. Sein Engagement kann man nur als beispielhaft bezeichnen. Die Forschungstätigkeit wurde massgeblich angekurbelt. Auf diese Weise konnte der Umsatz in Forschung und Entwicklung an der HSR zwischen 2003 und 2011 auf CHF 24 Mio. verdoppelt werden! 2015 betrug der Umsatz bereits CHF 30 Mio.

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Internationale Wertschätzung Auch die hervorragende Position der HSR im Wettbe­ werb der Hochschulen um Studierende, Dozierende und Forschungsgelder hat sie zu einem guten Teil Hermann Mettlers Weitsicht und Einsatz zu verdanken, mit wel­ chen er die Hochschule in all den Jahren weiterent­wickelt hat. So leitete er im Zuge der zunehmenden Internationali­ sierung die Zusammenarbeit zwischen der Nanyang Technological University (NTU) in Singapur ein und er­ möglichte den regelmässigen Studierendenaustausch zwischen den beiden Hochschulen. Als Zeichen seiner Wertschätzung in Singapur wurde er 2009 als Mitglied einer internationalen Kommission zur Sicherung der Bildungsqualität durch das Bildungsministerium in ­ ­Singapur gewählt. Als langjähriger Präsident der Fach­ konferenz Technik, Architektur und Life Sciences für die Fachhochschulen (FTAL) initiierte er zudem die Masterausbildung Mas­ ter of Science in Engineering (MSE), die seit 2008 von allen sieben Fach­ hochschulen der Schweiz als ein ge­ meinsames Programm angeboten wird. Alle Herausforderungen gemeistert Auch von Hermann Mettlers innova­ tivem Geist durfte die HSR profitie­ ren. So regte er die Einführung des damals in der Schweiz einzigartigen neuen Studiengangs «Erneuerbare Energien und Umwelttechnik» an, welcher im Jahr 2010 eingeführt wurde. Schliesslich wurde der HSR im April 2016 das C2E-Zertifikat der ­European Foundation Of Quality Management (EFQM) verliehen. Damit erhielt das Qualitätsmanagement der HSR, welches seit rund fünfzehn Jahren etabliert ist, von offizieller Seite eine Bestätigung der Effizienz und Effek­ tivität. Herausforderungen während seiner Amtszeit hat Her­ mann Mettler stets pragmatisch, zielgerichtet und schliesslich erfolgreich gemeistert. Dazu gehörte die chronische Platznot bei Unterkünften aufgrund stetig steigender Studierendenzahlen und bei Räumlichkeiten für die Forschung.


Die Mitarbeitenden der HSR sowie geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft verabschieden sich in feierlichem Rahmen von Rektor Hermann Mettler.

Zusammen mit der Stiftung zur Förderung der HSR und deren Präsidenten, Otto Hofstetter, suchte Rektor Mett­ ler nach einer Lösung für erschwingliche studentische Unterkünfte. Im Herbst 2014, pünktlich zum Semester­ beginn, erfolgte die Eröffnung des neuen, privat finan­ zierten Studentenwohnheims. Schliesslich wurde unter seiner Ägide 2016 auch das neue Forschungszentrum als Arbeits- und Ideenzentrum für die Forscher und Forsche­ rinnen der 17 Institute im HSR Campus eröffnet. Damit erfuhr die HSR eine weitere Steigerung ihrer Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Hermann Mettler hatte sich im Vorfeld der Abstimmung persönlich für das Projekt stark gemacht. Das neue Forschungszentrum ist eine langfristige Investition in die Zukunft, von welcher der gesamte Kanton St. Gallen, und nicht nur dieser, profi­ tiert!

mann Mettler für sein unermüdliches Wirken zu Gunsten der Hochschullandschaft unseres Kantons. Er hinterlässt eine pulsierende, innovative und erfolgreiche Hoch­ schule mit ausgezeichnetem Ruf, deren Aus- und Weiter­ bildungsangebote höchsten Qualitätsansprüchen genü­ gen, sowie ein Team kompetenter und motivierter Mitarbeitenden, denen ich an dieser Stelle ebenfalls für die geleistete Arbeit herzlich danken möchte. Ich freue mich, dass die HSR auf eine so erfahrene, kompetente und visionäre Persönlichkeit wie Hermann Mettler zäh­ len konnte. Für den wohlverdienten Ruhestand wünsche ich ihm alles Gute, insbesondere eine gute Gesundheit.  Stefan Kölliker Vorsteher des Bildungsdepartements Kanton St. Gallen; Präsident des Hochschulrats

Höchste Qualitätsansprüche Im Namen der Regierung des Kantons St. Gallen und des Hochschulrates der HSR danke ich Rektor Prof. Dr. Her­

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Was als Projektarbeit begann, wurde zum ersten Fachbuch einer HSR Masterstudentin. Tabea Méndez macht mit ihrem Buch Astrofotografen das Leben leichter. Zusätzlich zeigt sie für eine alte, abstrakte mathematische Theorie eine praktische Anwendung auf.

Überraschende Anwendung einer alten mathematischen Theorie Tabea Méndez, Projektingenieurin, ICOM Institut für Kommunikationssysteme Prof. Dr. Andreas Müller, Professor für Mathematik Den nächtlichen Himmel zu fotografieren ist nicht leicht. Um genug Licht für gute Bilder einzufangen, müssten Fotografen lange belichten – also das Licht des Himmels über mehrere Stunden oder sogar Tage einfangen. Weil das technisch nicht möglich ist, besteht ein einziges Bild des Sternenhimmels oft aus vielen, nur für wenige Minu­ ten belichteten Bildern. Diese Einzelbilder müssen für ein scharfes Gesamtbild mit einem komplizierten Sammel­ surium verschiedener mathematischer Methoden exakt deckend übereinander gelegt werden. Eine saubere Lösung statt vieler Adhoc-Verfahren Diese umständliche Berechnung bekommt dank dem Buch von HSR Studentin Tabea Méndez eine elegante neue Form. Das Buch ist ein Werkzeug, um Astro-Fotos mit einer einzigen Lösung, einem Algorithmus, exakt übereinander legen zu können. Mehr als 500 Stunden Denkarbeit, verewigt in zwei randvollen Notizbüchern, bildeten die Grundlage dafür. Ende 2017 sind Tabea Méndez und Mathematik-Dozent Prof. Dr. Andreas Mül­ ler eingeladen, ihre Erkenntnisse in einem Kolloquium am Mathematik-Departement an der ETH Zürich zu prä­ sentieren. Im Interview erklären Tabea Méndez und Andreas Mül­ ler, wie aus einer Aufgabenstellung für eine Projektarbeit ein Buch wurde – und was Mathematiker und Ingenieure voneinander lernen können. Worum geht es in diesem Buch? Tabea Méndez: Das Buch befasst sich mit dem Problem der Bildregistrierung von Astrophotographien, wobei verschiedene Bilder desselben Himmelausschnitts in Übereinstimmung gebracht werden müssen. Von zwei gegeneinander verdrehten und verschobenen Bildern müssen der Drehwinkel und die Verschiebung ermittelt werden. Die besondere Schwierigkeit liegt dabei darin, dass die zu findende Transformation der Drehung und Verschiebung nichtkommutativ (nicht vertauschbar) ist. Die Lösung dafür und der Weg zur Lösung werden im Buch beschrieben.

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Andreas Müller: Es geht aber auch um die Anwendung einer abstrakten Theorie, deren Nützlichkeit für Ingeni­ eure bisher unbewiesen war. Wie kam es zur Projektarbeit? Méndez: Mein Interesse an der Mathematik und ihren vielseitigen Anwendungen war schon immer sehr gross und hatte auch bei meiner Berufs- und Studienwahl einen bedeutenden Einfluss. Um diesem Interesse im R ­ ahmen des Masterstudiums intensiver nachzugehen, hat sich die zweite Projektarbeit besonders gut geeignet. Ich wandte mich daher mit diesem Wunsch, eine Projektarbeit im Be­ reich der Mathematik zu machen, an Andreas. Er stellte sich ohne zu zögern als Betreuer für diese Arbeit zur Ver­ fügung und schlug auch ein sehr spannendes Thema vor, welches darüber hinaus auch noch perfekt in mein Vertie­ fungsgebiet der Digitalen ­Signal- und Bildverarbeitung passte. Warum dieses Thema? Müller: Es ist eine Frage, die mich im Rahmen meines ­persönlichen Astrofotografie-Projekts schon lange be­ schäftigt. Die existierenden Lösungen für dieses Problem sind ziemlich ad hoc. Die Eleganz, mit der sich das Regis­ trierungsproblem für Verschiebungen mit der Fourier-­ Theorie lösen lässt, hat mich immer fasziniert. Ich wollte wissen, ob die moderne nichtkommutative harmonische Analysis, also die Erweiterung der Fourier-Theorie auf nicht vertauschbare Transformationen, das Problem ­eleganter zu lösen gestattet. Wie kann eine Elektrotechnik-Ingenieurin ein Fachbuch über Mathematik schreiben? Méndez: Anfangs hat mir Andreas eine Einführung in das Thema gegeben, worauf ich mich dann mit Hilfe ­verschiedener Literatur in die Materie eingelesen habe. Wenn ich irgendwo angestanden bin, konnte ich mich mit meinen Fragen an Andreas wenden, was oft in langen und lehrreichen Diskussionen über die Mathematik en­ dete. Die zentralen Ideen habe ich in einem immer dicker werdenden Notizbuch festgehalten und anhand zahl­


Tabea Méndez (rechts) zeigt das Buch, das aus der Aufgabenstellung von Andreas Müller (links) entstanden ist.

reicher, von Hand durchgeackerter Beispiele vertieft, bis ich die Materie wirklich verstanden hatte. Müller: Für den Mathematiker war die Herausforderung, der Ingenieurin diese schwierige Mathematik überhaupt zugänglich zu machen. Doch einmal in Gang gesetzt, be­ gannen sich die Ideen zu entwickeln. Tabea hat eine Form der Radon-Transformation für Funktionen auf einer Kugel erfunden, die nicht der Intuition der meisten Mathemati­ ker entspricht, aber perfekt an das Problem angepasst ist. Diese Idee war der Game-Changer und mein Grund, aus der Projektarbeit ein Buch zu machen. Das klingt nach einem Experiment mit ungewissem Ausgang? Müller: In der Tat hatte ich erst grosse Bedenken und ich habe mich immer wieder gefragt, ob ich Tabea vielleicht überfordere. Man darf aber nicht vergessen, dass FH-­ Ingenieure einem Mangel an Kenntnissen theoretischer Details oft eine bessere Kenntnis des Anwendungs­ problems gegenüberstellen können. Es hat sich gezeigt, dass sich Tabea dank guter Grundlagenkenntnisse, ma­ thematischer Begabung und grosser Vertrautheit mit den Problemen der Bildverarbeitung sehr schnell in das an­ spruchsvolle Gebiet der nichtkommutativen Gruppen einarbeiten konnte.

Die Arbeit schlägt offenbar eine Brücke zwischen reiner Mathematik und praktischer Anwendung. Was hat das Buch beiden Seiten gebracht? Méndez: Die zentralen Ideen der Fourier-Theorie sind durch die erweiterte Theorie viel klarer geworden und es hat sich gezeigt, dass sie auch auf unerwartete Klassen von Transformation anwendbar ist. Aus der Theorie wurde aber auch klar, dass das Problem in zwei Teilprob­ leme aufgeteilt werden musste, um es lösen zu können. Die Mathematik hat sich für die Ingenieurin einmal mehr als sehr nützliches Werkzeug erwiesen, ein schwieriges Problem auf neuartige Art und Weise zu lösen. Müller: Die Theorie der Gelfand-Paare ist zentral für die moderne Theorie, aber sehr abstrakt. Für den reinen ­Mathematiker ist ein besonders befriedigendes Resultat dieser Arbeit, dass diese abstrakte Konstruktion nun eine anschauliche Bedeutung bekommt. Die Ingenieurin hat dem Mathematiker geholfen, seine Mathematik besser zu verstehen.  tabea.mendez@hsr.ch andreas.mueller@hsr.ch

Das Fachbuch «Nichtkommutative Bildverarbeitung – Anwendungsmöglichkeiten der nichtkommutativen harmonischen Analyse in der Bildverarbeitung» ist im Oktober 2016 erschienen und kann direkt bei andreas.mueller@hsr.ch oder im Fachhandel (ISBN 978-3-033-05830-9) bestellt werden.

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AKTUELLES ZWEITES STUDENTENWOHNHEIM

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Spatenstich für 88 Studierenden-Zimmer

Katrin Mosimann: Plötzlich irgendwo

Es geht los: Der Baubeginn für das zweite Studentenwohnheim der HSR wird mit einem gemeinsamen Spatenstich eingeläutet.

Per Spatenstich wurde im Januar 2017 der Bau am zweiten Studen­ tenwohnheim der HSR begonnen. Das neue Wohnhaus wird neben dem ersten Studentenwohnheim an der Oberseestrasse stehen und 88 Zimmer für Studierende anbieten. Der Neubau wird im Sommer 2018

bezugsbereit sein. Die Stiftung zur Förderung der HSR tritt als Bauher­ rin auf und sichert die Finanzierung. Das Studentenwohnheim wird aus Eigenmitteln der Stiftung und durch eine Hypothek der Bank Linth finan­ ziert. Die Kosten sind mit 10,6 Milli­ onen Franken budgetiert.

INNOVATION AWARD FÜR HSR STUDIERENDE An der internationalen Konferenz «State of the Map» in Brüssel dreht sich alles um OpenStreetMap (OSM). OSM ist das grösste Karten­ projekt der Welt mit über drei Milli­ onen Mitgliedern. Wie auf Wikipe­ dia können die Kartendaten von allen editiert werden und auch off­ line etwa für Navi-Apps genutzt werden. An der Konferenz wurde erstmalig ein Innovation Award für hervorra­ gende Softwareanwendungen im

Umfeld des Kartenprojekts verge­ ben. Die beiden HSR Studenten Manuel Roth und Lukas Martinelli erhielten den prestigeträchtigen Award für ihr Projekt OpenMapTi­ les, das sie unter der Leitung von Professor Stefan Keller vom HSR Institut für Software realisiert ha­ ben. Über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben online über die Vergabe abgestimmt. Weitere Infos auf: www.hsr.ch/geometalab

Auf dem Gebiet der Schweiz werden derzeit bis zu 6000 Punkte pro Tag erfasst. Die Karte wird immer detaillierter und die Abdeckung nimmt zu.

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Material aus der Umgebung und auch die Tagespresse dienen als Inspiration für Katrin Mosimanns Schaffen. Als Damenschneiderin ist sie dem Textilen und dem Nähen auch in der Kunst treu geblieben. Sie verwendet Gegen­ stände wie zum Beispiel Putzlappen, und verwandelt sie in genähte Bilder. Oft dienen ihr auch Bilder aus der Ta­ gespresse als Inspiration. Mit Nadel

und Faden bringt sie die Bilder aus Pa­ pier auf einen textilen Untergrund, näht Konturen nach und bannt so die Motive auf den Stoff. In einem weite­ ren Prozess wäscht sie die ihr unwichti­ gen Papierteile heraus und es bleiben Kompositionen bestehen, bei der die papierne Motivvorlage nur noch in Fragmenten Bestand hat. Den Rest haben die Fäden übernommen. Eines ihrer zentralen Themen ist das Abbilden von Menschen: Oft geht es um dramatische Lebenssituationen wie Einsamkeit, Verlassenheit und Flucht. Ihre Gestalten werden mit ei­ nem fortlaufenden Faden genäht, alle Gestalten sind miteinander verbun­ den. Die elementaren Schicksalsthe­ men in Kombination mit den einfachen Arbeitsmaterialien machen die beson­ dere Spannung dieser Werke aus. Weitere Informationen auf www.ilf.hsr.ch

AGENDA 16.3.2017 Swiss Symposium on Lab Automation 2017 Das 7. Swiss Symposium on Lab Automation wird am Donnerstag, den 16. März 2017 an der Hoch­ schule für Technik Rapperswil stattfinden. Die Veranstaltung bie­ tet Fachreferate von namhaften Persönlichkeiten führender Firmen aus dem Life-Science-Sektor und eine Ausstellung aktueller Produkte und Technologien diverser Unter­ nehmen und Institutionen. Zudem bietet sie eine Plattform, um Kon­ takte im unkomplizierten Rahmen zu pflegen und zu erweitern. www.ilt.hsr.ch/ labsymposium2017 18.3.2017 HSR Infotag Interessierte können sich an der HSR über die acht Bachelor-Studi­ engänge an der HSR informieren. www.hsr.ch/infotag

17.5.2017 Innovationstagung In der Arbeitswelt spielt Mobilität eine zunehmend grössere Rolle. An der Innovationstagung halten Fach­ experten aus Forschung und Indus­ trie spannende Vorträge und zeigen konkrete Innovationen zum Thema «Arbeit und Mobilität» in Theorie und Praxis auf. www.hsr.ch/innotagung 30.8.2017 Innovationstagung Big Data? Unbedingt! Aber wie lässt sich die Datenflut effektiv nut­ zen? Können auch Unternehmen profitieren, die noch keine Daten sammeln? Welche Daten sind rele­ vant? An der Innovationstagung zeigen Experten aus der Forschung und Führungsleute aus der Indu­ strie konkrete Innovationen zum Thema «Arbeit und Big Data». www.hsr.ch/innotagung

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AKTUELLES PENSIONIERUNGEN

Prof. Hannes Böhi, Gruppenvorsteher Mathematik/Naturwissenschaften

Prof. Joachim Kleiner, Professor für Landschaftsgestatung

Bei der Pensionie­ rung von Hannes Böhi gehen unsere besten Wünsche an ein wahres HSR-Ur­ gestein: Er begann seine über 36 Jahre währende Wirkungsgeschichte an der HSR bereits acht Jahre nach der Grün­ dung zunächst als Lehrbeauftragter und später als Professor. Während der ganzen Zeit hat er den Mathematik­ unterricht unserer Hochschule mass­ geblich mitgestaltet. Sowohl in seiner Rolle als Dozent als auch als Gruppen­ vorsteher der Abteilung Mathematik und Naturwissenschaften hat sich Hannes Böhi dafür eingesetzt, dass der Mathematikunterricht von den Studierenden als berufsbefähigendes Werkzeug und nicht als gefürchtetes Selektionsfach wahrgenommen wird.

Nach 23 Jahren als Professor am Stu­dien­­gang Land­ schafts­architektur ist Joachim Kleiner in den Ruhestand getreten. Joachim Kleiner liess sich in Deutschland zum Dipl. Ing. Landschaftsplanung und später in der Schweiz zum Raumpla­ ner ausbilden, bevor er in verschie­ denen Büros und in der Leitung von Grün Stadt Zürich tätig war. 1994 wurde er von der HSR als Professor für Landschaftsgestaltung gewählt.

Unermüdlicher Einsatz Das zentrale Leitmotiv seiner Arbeit ist es bis heute, für die Studierenden eine transparente Lernumgebung zu schaffen. Dabei ist er weit über das geforderte Mass hinausgegangen, für eine hohe Qualität des Unterrichts an der HSR zu sorgen. Stattdessen be­ mühte er sich um einen guten Dialog mit den Berufsmaturitätsschulen und engagierte sich beim Aufbau einer E-Learning-Plattform, um unseren ­

Studierenden einen reibungslosen Studieneinstieg zu ermöglichen. Fairness und Wohlwollen In der Lehre ist es Hannes Böhi ein besonders Anliegen, das Selbstver­ ­ trauen der Studierenden im «Angst­ fach» Mathematik zu fördern. Er stellt deshalb in seiner Arbeit die Leistung der Studierenden immer vor deren Schwächen. Als Folge davon dankten ihm seine Studierenden in den Dip­ lomzeitschriften regelmässig für seine Geduld, seine Fairness und sein Wohl­ wollen. Wegen seiner exakten und stets korrekten Arbeitsweise führte dieses Wohlwollen aber nie in die Be­ liebigkeit, sondern es gab für ihn im­ mer klare Grenzen dessen, was mög­ lich war. Dieser Charakterzug wurde von seinen Kollegen sehr geschätzt. Die Abteilung Mathematik/Natur­ wissenschaften führte er ebenso an­ genehm wie reibungslos und die von ihm ausgearbeiteten Stundenpläne, für die er seit langem hauptverant­ wortlich war, berücksichtigten die Be­ dürfnisse der Studierenden und seiner Kollegen in beispielhafter Weise. Mit Hannes Böhi verabschieden wir uns nicht nur von einem ausgezeich­ neten Lehrer und Kollegen, sondern auch von einem wunderbaren Men­ schen. Die HSR wünscht ihm alles Gute für den weiteren Lebensweg.

Zwei Mal Studiengangleiter Er leitete zwei Mal den Studiengang Landschaftsarchitektur (1997–2003, 2011 bis 2013). Dabei prägte er den in der Deutschschweiz einzigen berufs­ befähigenden Ausbildungsgang für Landschaftsarchitektinnen und Land­ schaftsarchitekten mit. Gleichzeitig war ihm die Zusammenarbeit mit ­anderen Abteilungen ein grosses An­ liegen. Ende der 1990er-Jahre war ­Joachim Kleiner an der Überführung des Technikums Rapperswil in eine Fachhochschule beteiligt. Seit 1999 hatte er die Leitung des bis heute er­ folgreichen Nachdiplomkurses «CAS Projektmanagement für Planerinnen und Planer» inne. Ab 2000 war er Mitinitiant und Co-Leiter des «Inter­

national Master of Land­ scape Ar­ chitecture», den die HSR zusammen mit zwei deutschen Fachhochschulen angeboten hatte. Engagement in Kommissionen Als aktiver Partner im Institut für ­Landschaft und Freiraum bearbeitete Joachim Kleiner zusammen mit Kolle­ gen und Mitarbeitenden zahlreiche innovative Projekte. Dazu gehören die Richtlinien zur Landschaftspflege­ rischen Begleitplanung (Dokumen­ tation SIA D 0167), das Gesamt­ landschaftliche Konzept Saflischtal Grengiols VS sowie die Studie des Zürichsee Landschaftsschutzes zur ­ Erholungslandschaft Zürichsee. In den letzten drei Jahren entwickelte Joachim Kleiner im Auftrag der Swiss­ grid eine neue Methodik zur Einglie­ derung von neuen Höchstspannungs­ leitungen in die Landschaft. Während seiner Tätigkeit engagierte sich Joa­ chim Kleiner in wichtigen Fachkom­ missionen. So amtete er als Mitglied der Kommission des Fonds Landschaft Schweiz, als Mitglied der stadträt­ lichen Natur- und Freiraumkommis­ sion der Stadt Zürich und er war über lange Jahre ein sehr aktives Mitglied im Berufsverband Bund Schweizer Landschaftsarchitektinnen und Land­ schaftsarchitekten BSLA.

Prof. Dr. Eduard Glatz, Professor für Informatik

Prof. Hansjörg Huser, Professor für Informatik

Mit der Pensionie­ rung von Eduard Glatz verabschie­ det sich die HSR von einen Informa­ tik-Professor, der seit 21 Jahren die Ausbildung unserer Informatik-­ Studierenden mitgeprägt hat.

Mit seiner Pensio­ nierung übergibt Hansjörg Huser nach 20 Jahren an der HSR gleich mehrer Bereiche in die Hände seiner Kollegen. Nicht nur das INS Institute for Networked Solutions musste eine neue Leitung finden, sondern auch das Microsoft Innovation Center und das Microsoft Solution Center.

Fokus Betriebssysteme Neben seinen Lehr- und Forschungs­ aufgaben an der HSR im Bereich Computersysteme und Systemsoft­ ware konzentierte sich Glatz auch als Buchautor auf sein Fokusthema Be­

triebssysteme. Sein beliebtes Fach­ buch «Betriebssysteme – Grundla­ gen, Konzepte, System­programmierung» ist unterdessen in dritter Auf­ lage erschienen. Wissenschaftliches Interesse Das Interesse an der wissenschaftli­ chen Seite der Informatik hat Glatz neben seiner Arbeit als Dozent nie verloren. 2013 beendete er seine Dissertation «Novel Techniques for Monitoring Network Traffic at the Flow Level» an der ETH Zürich. Die HSR wünscht Eduard Glatz einen guten Start in den Ruhestand.

Nimmermüder Forscher Mit Hansjörg Huser verlässt ein en­ gagierter Dozent und nimmermüder

Forscher die HSR. Der studierte Ma­ thematiker und Softwareforscher widmete sein Arbeitsleben dem ständigen Fortschritt in Datenban­ ken, Parallel- und Netzwerkprogram­ mierung bis hin zu .NET-Technolo­ gien und Cloud-Lösungen. In seiner Funktion als Leiter des Studiengangs Informatik (1999-2005 und 20102012) hat er wesentlich dazu beige­ tragen, dass sich dieser als einer der angesehensten Informatikstudien­ gänge der Schweiz etablieren konnte. Für seinen nächsten Lebens­ abschnitt wünscht die HSR Hansjörg Huser alles Gute.

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griff lässt sich hier eine Anleitung finden, die das Leben leichter macht. Brot backen, aus einem alten Tablet eine Videoüberwachung für Zuhause konstruieren oder eine Komplettausbau-Anlei­ tung, wie man sein Auto in einen veritablen Cam­ ping-Bus verwandeln kann – die Lifehack-Samm­ lung scheint unerschöpflich. www.hsr.ch/f2017-3 Sie wissen noch nicht so recht, was Sie von der Digitalisierung halten sollen? Schreiben Sie doch zum Beispiel mit dem Dienst «Futureme» Ihre per­ sönliche – digitale – Zukunftsvision in einer E-Mail an sich selbst. Die E-Mail wird dann zu einem Zeit­ punkt Ihrer Wahl an Sie selbst versandt. Unver­ fälschter können Sie nicht herausfinden, ob Ihre kühnsten Träume oder schlimmsten Befürchtun­ gen zur Digitalisierung damals, als Sie die Mail geschrieben haben, richtig waren. www.hsr.ch/f2017-4 webmaster@hsr.ch

Nicht ganz so digital, aber mindestens genauso voller ungeahnter Möglichkeiten, ist das LifehackParadies «Instructables». Zu fast jedem Suchbe­

IMPRESSUM HSR Magazin 1/2017 Herausgeberin: HSR Kommunikation Adresse: HSR Hochschule für Technik Rapperswil Oberseestrasse 10, 8640 Rapperswil Telefon 055 222 49 82, magazin@hsr.ch www.hsr.ch/magazin Redaktion (Red.): Eva Tschudi (Chefredaktion) Willi Meissner (Projektleitung, Redaktion) Fotos/Bilder/Grafiken: Titelbild: HSR S. 4: Tobias Leuenberger S. 7, 11, 20, 21, 23, 25, 26, 29, 31, 39, 43, 45, 47: HSR S. 15, 16: Cognizant S. 19: HSG S. 24: Damian Imhof, www.kurzschuss.ch S. 33, 36, 50: zvg S. 35: Annick Ramp Layout: kommUnikate GmbH, Baden

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Druck: Spälti Druck AG, Glarus

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Name: Barbara Gloor Studienrichtung: Raumplanung Studienabschluss: 2001 Ausbildung als: Vermessungszeichnerin Heutige Funktion: Geschäftsleiterin Metron Raumentwicklung AG, Brugg

SPRUNGBRETT

Gute Raumplanung berücksichtigt… die Vielfalt menschlicher Wertvorstellungen und Lebensentwürfe, aber auch die politischen Ver­ hältnisse: Jede Planung braucht neben guten Fachplanenden ein Gesicht − einen Politiker, der mit Herzblut und einem langen Atem hinter den oft sehr komplexen, langjährigen Projekten steht. Ihr persönliches Erfolgsrezept? Ich arbeite immer im Dialog. Nur so entstehen aus Visionen Strategien, die sich auch wirklich umsetzen lassen. Eine Lösung ist dann gut, wenn sie breit abgestützt ist. Als Grundlage: Digitale Daten oder persönliche Eindrücke vor Ort? Der persönliche Eindruck vor Ort ist unverzichtbar. Digitale Daten ergänzen und vertiefen ihn, kön­ nen ihn aber nie ersetzen. Ihr Lieblingsort? Kopenhagen ist einmalig. Ich liebe die Atmo­ sphäre dieser Stadt: die öffentlichen Räume, in denen man sich einfach wohl fühlt, und das freundliche Neben- und Miteinander von Velos, Autos und Fussgängern.

Die schönste Erinnerung an Ihre Zeit an der HSR? Wenn ich an die Studienreise in die Toskana denke, gerate ich ins Schwärmen. Da philoso­ phierten wir stundenlang über die Raumplanung. Alles beschwingte und inspirierte uns: die herr­ lichen Plätze und Altstadtgassen von Arezzo, die Landschaft, die langen Nächte … Wir genossen die Abwechslung vom strengen Studienalltag sehr, unser Blick war in jeder Beziehung unver­ stellt … Der erste Arbeitsplatz nach dem Studium ist… die Schule der Praxis, in der das Lernen in vieler Hinsicht noch mal von vorn beginnt. Für mich war und ist es ein Grossraumbüro in der Metron, wo ich viele sehr engagierte Menschen und die gros­ sen Vorteile interdisziplinärer Arbeit kennenge­ lernt habe. Deshalb bin ich bis heute geblieben. Eine Raumplanerin, ein Raumplaner darf sich niemals… kaufen lassen. Integrität und Unabhängigkeit sind unverzichtbar! Der wichtigste Tipp für frische Absolventinnen/Absolventen? Es ist wichtig, den eigenen Werten treu zu blei­ ben, gleichzeitig aber immer wieder die Perspek­ tive zu wechseln. Und sich den sogenannten «Zwängen» nie voreilig zu unterwerfen! Dass es ausserdem Neugier und Leidenschaft braucht, versteht sich von selber, das sind keine Tipps, ­sondern die Voraussetzungen für diesen Beruf. Millionenstadt oder ländliche Dörfer? Eher die Millionenstadt − aber im Sinn von Kopen­ hagen, das allerdings nur 600 000 Einwohner hat. Ihre drei Raum-Unwörter? Innenverdichtung, Dichtestress, Mehrlängen­ zuschlag. Ihre drei Raum-Lieblingswörter? … oder lieber eines meiner Lieblingszitate, um der Vorliebe für die Millionenstadt etwas Ambi­ valenz zu verleihen: «Eine wirkliche Wiese reicht bis zum Mittelpunkt der Erde!» Das stammt von Luigi Snozzi. Unter Studierenden erkennt man Raumplaner/innen immer daran, dass… …sie sich nicht nur mit ihren Fachinhalten ­beschäftigen, sondern auch lernen, auf andere Menschen zuzugehen, ihnen zuzuhören, zu ­moderieren und Prozesse zu führen.

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präsentiert von Ergon Informatik AG

Die Knacknuss Klangwelten

Zuhören ist für Informatiker eine der wichtigsten Fähigkeiten. Will man die Anforderungen umsetzen können, muss man sie erst aus dem Wellensalat herausgehört haben. Der Einstieg zu diesem Rätsel wäre für Bach trivial gewesen, für ihn lag die Sache sozusa-

gen im Alphabet. Schumann hatte es etwas schwieriger – er bewies aber Kreativität. Und Hering? Er erschuf einen Musikunterrichtsdauerbrenner (wenn du bei Wolfgang, Pferdchen oder Jubel landest, liegst du falsch). Kommen wir also zur Frage:

Was wird hier gespielt? Beim Einstiegsrätsel stösst du auf einen deutschen Satz. Diesen hängst du an www.ergon.ch/

Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir eine Hunderternote.

Bedenke das Auflösungszeichen.

Da es s nicht gibt, nehmen wir es.

@ Lösung bis 31. 3. 2017 mit Name, Adresse, Name der Hochschule und Alter an engineer@ergon.ch senden.

Rätselautor:

Erwin Huber

Entwicklungsleiter Web Application Security Teilnahmeberechtigt sind Studierende mit gültigem Ausweis. Die Gewinner werden ausgelost und von Ergon Informatik AG per Post benachrichtigt. Ihre Daten werden vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Mitarbeitende von Ergon Informatik AG sind vom Wettbewerb ausgeschlossen.


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