Buch des Jahres 2019 Leseprobe

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Buch des Jahres

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Januar Rund 3000 Politiker und Wirtschaftsführer aus 110 Staaten nehmen vom 22. bis zum 25. Februar am 49. World Economic Forum (WEF) in Davos teil. Schwerpunkte der Veranstaltung unter dem Motto «Globalisierung 4.0: Gestaltung einer globalen Architektur im Zeitalter der vierten industriellen Revolution» sind unter anderem die noch immer nicht bewältigte Finanzkrise, die weltweit zunehmenden Handelskonflikte – und der Klimawandel. Aus diesem Grund macht sich auch eine 16-jährige Schwedin auf den Weg ins Landwassertal: Am 23. Januar erreicht Greta Thunberg Davos – nach einer 65-stündigen Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Begleitung ihres Vaters Svante. 23 Wochen zuvor hatte sie vor dem Reichstag in Stockholm ihren «Schulstreik fürs Klima» begonnen und damit den Startschuss für die bald weltweit aktive Bewegung Fridays for Future (Freitage für die Zukunft) gegeben. Im Davoser Kongresszentrum ruft Greta Thunberg Wirtschaftsführer und Politiker zu sofortigen Massnahmen gegen den Klimawandel auf. In einer anschliessenden Medienkonferenz bringt sie ihre Botschaft auf den Punkt. Es sei notwendig, dass alle Panik spüren – «wie wenn dein eigenes Haus brennt, denn das tut es». Nach ihrem viel beachteten Auftritt trifft sich die junge Klimaaktivistin an einer Strassenkreuzung mit Schülern zu einem Sitzstreik.

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Juni Mehr als 500 000 Frauen und solidarische Männer machen den zweiten Frauenstreiktag vom 14. Juni zur grössten politischen Kundgebung in der Schweiz seit dem Generalstreik 1918. Allein in Zürich (Bild) sind am Nachmittag gegen 160 000 Personen auf der Strasse, um für eine Gleichstellung der Frauen in der Arbeitswelt zu demonstrieren. In Lau­sanne wird die Teilnehmerzahl auf rund 60 000 geschätzt, in Bern und Basel auf je rund 40 000. Hauptforderung der Frauen ist eine rasche Durchsetzung des Grundsatzes «Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit». Kein Wunder, denn in der Schweiz verdienen Arbeitnehme­rinnen heute im Durchschnitt noch immer fast 20 Prozent weniger als ihre Kollegen in gleichen Positionen. Gewerkschaften und Frauenorganisationen kämpfen aber auch für die berufliche Entwicklung der Frauen. Mit Investitionen in Kinderkrippen, Tagesschulen und Betreuungs­angebote für erwachsene Pflegebedürftige – aber auch mit einem stärkeren Kündigungsschutz bei Mutterschaft und Angehörigenpflege – soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. Ausserdem verlangen die Organisatoren des Frauenstreiks entschiedene Massnahmen gegen Sexismus am Arbeitsplatz: Gemäss einer Umfrage der Gewerkschaft Syndicom haben fast 60 Prozent der Frauen im Job sexuelle Belästigung erlebt oder beobachtet.

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August Vor dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) in Zug prognostizieren fast alle Sportexperten eine Generationenablösung und einen Thronwechsel von den Bernern zu den Nordostschweizern oder den Innerschweizern. Doch die beiden meistgenannten Favoriten, der Zuger Lokalmatador Pirmin Reichmuth (23) und der Thurgauer Samuel Giger (21), halten dem Druck nicht stand und fallen schon nach wenigen Gängen aus der Entscheidung. Auch der 24-jährige Armon Orlik, der am ESAF 2016 den Schlussgang verloren hatte, kann nach einem gestellten 7. Gang nicht mehr in die Ausmarchung um den Königstitel eingreifen. Das bleibt dem 21-jährigen Luzerner Joel Wicki vorbehalten, der auf seinem Weg in den Schlussgang überzeugt und das Publikum begeistert. In der letzten Begegnung des ESAF trifft er am 25. August auf den zwölf Jahre älteren Berner Christian Stucki, der nach zwei gestellten Kämpfen fast aus der Entscheidung gefallen wäre. Wicki lässt sich im Schlussgang nach 42 Sekunden von seiner eigenen Waffe, dem Blitzangriff mit Kurz, überraschen: Christian Stucki gewinnt sein erstes «Eidgenössisches» und ist mit 34 Jahren der bislang älteste Schwingerkönig. Die Siegesserie der Berner wird damit – nach Kilian Wenger (2010), Matthias Sempach (2013) und Matthias Glarner (2016) – fortgesetzt.

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«Fête» mit viel Prominenz Seit 1797 wird in Vevey alle 20 bis 25 Jahre die Fête des Vig­ nerons durchgeführt. Die einst intime Preiskrönung der besten regionalen Winzer ist längst zu einem Grossanlass angewach­ sen. 2019 aber sprengt die für die für die Durchführung verant­ wortliche Confrérie des Vigne­ rons de Vevey sämtliche Dimensi­ onen: Mit einem Budget von 100 Millionen Franken lässt sie vom Tessiner Daniele Finzi Pasca ein über dreistündiges Spektakel mit rund 6500 Laiendarstellern ins­ zenieren. Zwischen dem 18. Juli und dem 11. August gehen in der eigens am Genfersee erstellten Holzarena insgesamt 21 Vorstel­ lungen über die Bühne. Unter den 355 000 Zuschauern befin­ det sich viel Prominenz – darun­ ter die Waadtländer Regierungs­ rätin Nuria Gorrite, Bundesrat Guy Parmelin und Bundespräsi­ dent Ueli Maurer, der am Natio­ nalfeiertag vor der Nachmittags­ vorstellung von Darstellern in den Kostümen der Söldnertrup­ pe Cent-suisses gefeiert wird (Bild). Höhepunkt der bunten Show, die in 21 Bildern das Jahr in den Weinbergen zeigt, ist wie bei jeder Fête des Vignerons der «Ranz des Vaches»: Das traditio­ nelle Lied, mit dem Alphirten die Kühe in den Stall locken, wird 2019 von einem elfköpfigen Chor vorgetragen – und rührt das Publikum bei sämtlichen Vorstel­ lungen zu Tränen.

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Kein «grünes Wunder» Die Grüne Partei der Schweiz (GPS) ist nach ihrem historischen Erfolg bei der Gesamterneue­ rungswahl vom 20. Oktober im Nationalrat mit 28 Mandaten die vierstärkste Kraft, im Ständerat mit 5 Sitzen die fünftstärkste. Unmittelbar nach den Wahlen wird denn auch die Zauberfor­ mel für den Bundesrat in Frage gestellt. Mit der Kandidatur ihrer ehemaligen Parteipräsidentin Regula Rytz greifen die Grünen schliesslich den Sitz von Bundes­ rat Ignazio Cassis an, da dessen FDP nach der Wahl mit zwei Bundesräten in der Exekutive übervertreten sei. Während die Fraktion der Sozialdemokraten die Kandidatur Rytz offiziell un­ terstützt, beschliessen die Grün­ liberalen Stimmfreigabe. Die CVP hatte schon zuvor klargemacht, dass ihre National- und Stände­ räte nicht an der Zauberformel rütteln würden. Und so kommt es am 11. Dezember, wie es kom­ men muss: Alle sieben Mitglieder der Landesregierung werden jeweils im ersten Wahlgang in ihrem Amt bestätigt. Das beste Resultat erzielt Verteidigungs­ ministerin Viola Amherd mit 218 Stimmen, das schlechteste Igna­ zio Cassis mit 145. Nach dem Ausbleiben des von vielen erhoff­ ten «grünen Wunders» werden der Gesamtbundesrat und der ebenfalls bestätigte Bundeskanz­ ler Walter Thurnherr im National­ ratssaal vereidigt (Bild).

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Notre Dame in Flammen Der Bevölkerung und den Besuchern von Paris bietet sich am Abend des 15. April ein unfassbarer Anblick: Der Dachstock von Notre Dame steht in Flammen und über der Île de la Cité hängt dichter Rauch. Mehr als 600 Feuerwehrleute aus Paris und der umliegenden Region Île-de-France kämpfen während Stunden gegen ein weiteres Ausbreiten des Brandes an. Im Einsatz stehen dabei neben 70 Löschfahrzeugen auch zwei Feuerwehrboote mit Tauch-

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pumpen, mehrere Helikopter und Drohnen sowie ein Löschroboter. Als die Flammen am nächsten Morgen gelöscht sind, klafft über dem Hauptschiff der Kathedrale ein grosses Loch: Der Dachstuhl – mit mehr als 1300 Eichenbalken aus dem 12. und 13. Jahr­ hundert galt der gezimmerte «forêt» (Wald) als Meisterwerk mittelalterlicher Baukunst – ist grossenteils eingestürzt. Weg sind auch die 250 Tonnen Blei, die das Dach der Pariser Stadtkathe-

drale vor der Witterung schützten: Sie sind in den Flammen hauptsächlich verdampft. Rund 90 Prozent der Kirchenschätze können gerettet werden, viele der Kunstwerke und Reliquien werden aber durch Rauch und Wasser beschädigt. Frankreichs Präsident Macron verspricht, Notre Dame werde innerhalb von fünf Jahren – pünktlich zu den Olympischen Sommerspielen von 2024 in Paris – in neuem Glanz erstrahlen. Finanziert werden soll der Wiederaufbau der Kathedrale, die wie alle Kirchen Frankreichs in Staats-

besitz ist, mehrheitlich durch Spenden. Unmittelbar nach der Feuersbrunst versprechen Einzelpersonen, Organisationen und Unternehmen Zuwendungen in der Höhe von 900 Millionen Euro. In den Monaten nach der Brandkatastrophe stellen Experten am Mauerwerk der Kirche – verursacht durch Hitze und Löschwasser – erhebliche Strukturschäden fest. Weil auch die Dachkonstruk­ tion noch immer einsturzgefährdet ist, lässt sich die effektive Dauer der Wiederaufbauarbeiten bis Ende Jahr nicht abschätzen.

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«BoJo» am Ziel In Grossbritannien machen sich die Tories nach dem Rücktritt ihrer Parteivorsitzenden Theresa May auf die Suche nach einem Nachfolger. Bei der über mehrere Runden verlaufenden Vorselektion in der konservativen Unterhausfraktion sichern sich Boris Johnson, einstiger Bürgermeister von London (2008–2016) und Aussenminister (2016–2018) sowie der amtierende Innenminister Jeremy Hunt die meisten Stimmen. In der anschliessenden Urabstimmung unter den rund 140 000 Mitgliedern der Conservative Party schwingt Johnson (im Bild bei einer Wahlveranstaltung am 22. Juni) mit einem Stimmenanteil von 66 Prozent obenauf.

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Am 24. Juli wird der 55-Jährige von Queen Elizabeth II. zum neuen Premierminister ernannt. Nach Ansicht vieler Beobachter ist «BoJo» damit am Ziel seiner politischen Ambitionen angelangt. In seiner Antrittsrede vor dem Unterhaus verspricht Johnson, er werde den Austritt seines Landes auf den 31. Oktober «unter allen Umständen» vollziehen. Weil aber ein überarbeiteter Austrittsvertrag bis zum 19. Oktober nicht zur Abstimmung kommt, ist der Premier aufgrund des «Benn Act» verpflichtet, bei der EU eine weitere Verschiebung des Brexit-Termins zu verlangen. Er tut das auch, schiebt aber ein zweites Schreiben nach, in

dem er um eine Ablehnung des Begehrens bittet. So will Johnson bis Ende Monat doch noch einen – wenn auch ungeregelten – Brexit erreichen. Die EU macht dieses Spielchen nicht mit und verschiebt das Austrittsdatum auf den 31. Januar 2020. Am 29. Oktober beschliesst das Unterhaus Neuwahlen für den 12. Dezember. Johnsons Partei sichert sich im grössten Wahlerfolg seit der Ära Thatcher mit 365 Sitzen die absolute Mehrheit. Entsprechend deutlich fällt die letzte Abstimmung über das Austrittsabkommen mit der EU aus: Am 20. Dezember billigt das Unterhaus das Vertragswerk mit 353 Ja- zu 243 Nein-Stimmen.

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Präsident unter Anklage Durch anonyme Dienstbe­ schwerden wird im September der Inhalt eines brisanten Tele­ fongesprächs zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dessen ukrainischem Amtskolle­ gen bekannt: Am 25. Juli forderte Donald Trump von Wolodymyr Selenski offenbar ziemlich unverhohlen Korruptionsermitt­ lungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden und dessen Sohn Hunter. Die vom Kongress längst bewilligte Militärhilfe an die Ukraine war kurz zuvor auf Anordnung des Weissen Hauses zurückgehalten worden. Wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch startet das Repräsentantenhaus am 24. September die Ermittlun­ gen für ein Amtsenthebungsver­ fahren gegen den Präsidenten. Dieser (im Bild am 20. Novem­ ber) spricht wiederholt von einer «Hexenjagd», behindert aber das Verfahren gleichzeitig erheblich. Nach der Anhörung zahlreicher – teils hochrangiger – Zeugen er­ arbeitet der Justizausschuss des Kongresses eine Anklageschrift (Articles of Impeachment) mit den beiden Punkten Machtmiss­ brauch und Behinderung des Kongresses. Nach einer Abstim­ mung am 18. Dezember wird in beiden Punkten Anklage erhoben und Trump ist – nach Bill Clinton und Andrew Johnson – der dritte Präsident in der Geschichte der USA, gegen den ein Impeach­ ment läuft.

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«Rigoletto»Spektakel am Bodensee 138

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Die Aufführungen der Bregenzer Festspiele sind in der Regel nicht von Zurückhaltung geprägt – aber was 2019 auf der Seebühne gezeigt wird, sprengt alle bisherigen Dimensionen: Giusep-

pe Verdis «Rigoletto», ein Kammerstück um den gleichnamigen Hofnarren, der seine Tochter vor den Versuchungen am Hofe des frauenverschlingenden Herzogs von Mantua schützen will, wird

in der Inszenierung von Philipp Stölzl zu einem actiongeladenen Zirkusspektakel. Zentrales Element des Bühnenbilds ist der bewegliche Kopf eines Clowns, der im Verlauf der Vorstellung buch-

stäblich sein Gesicht verliert. Die Sänger leisten akrobatische Schwerstarbeit und werden dabei von Stuntleuten unterstützt, die an Seilen über die Bühne fliegen. Während Kritiker den Bre-

genzer «Rigoletto» als «hektisch» und «wenig berührend» beurteilen, ist das Publikum begeistert: Die fast 30 Vorstellungen für je 7000 Zuschauer sind innerhalb weniger Tage ausverkauft.

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Der jüngste «Royal» ist da Knapp ein Jahr nach der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle gibt es vom britischen Hof erneut erfreuliche Nachrichten: Am 6. Mai lässt der Buckingham Palace verlauten, die Herzogin von Sussex habe im Portland Hospital in der City of London einen gesunden Sohn zur Welt gebracht. Zwei Tage später hat «Baby Sussex» einen Namen: Archie Harrison Mountbatten-Windsor. Offiziell getauft wird der jüngste Spross des Königshauses genau zwei Monate nach seiner Geburt im engsten Familienkreis auf Schloss Windsor. Als erster Erbe des Duke of Sussex hätte der Sprössling eigentlich Anrecht auf den Ehrentitel «Earl of Dumbarton»; seine Eltern wollen ihn allerdings bürgerlich erziehen und empfehlen die Anrede «Master Archie Mountbatten-Windsor». In der Thronfolge steht er an siebter Stelle – hinter Prinz Charles, seinem Onkel Prinz William, dessen Kindern George, Charlotte und Louis sowie seinem Vater. Harry und Meghan schirmen ihren Sohn weitgehend von der Öffentlichkeit ab und stellen den Medien bis Ende Jahr nur wenige Fotos zur Verfügung. Seinen ersten offiziellen Termin nimmt Archie am 25. September wahr, als seine Eltern in der südafrikanischen Metropole Kapstadt den Anti-Apartheid-Kämpfer Bischof Desmond Tutu besuchen (Bild).

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Abschied von «Köbi National» Mit seinem Vater besuchte der am 12. Oktober 1943 im Zürcher Quartier Wiedikon geborene Jakob Kuhn als Kind unzählige Spiele der beiden Stadtvereine GC und FCZ. Schon damals war für Köbi klar, dass er selbst Fussballer werden wollte. Und

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bereits während seiner Lehre als Tiefdruckätzer wurde er im Alter von 17 Jahren von Edi Nägeli, dem legendären Präsidenten des Fussballclubs Zürich, entdeckt und für die erste Mannschaft verpflichtet. Köbi Kuhn bleib seinem Verein ein Fussballerleben lang

treu: Von 1961 bis 1977 spielte er mit der Nummer 6 im Mittelfeld und dirigierte seine Mannschaft zu zahlreichen Erfolgen. Der FCZ gewann die Schweizer Fussballmeisterschaft 1963, 1966, 1968, 1974, 1975 und 1976 und war in derselben Periode fünfmal Cup-

sieger. Im Europacup der Meister – vergleichbar mit der heutigen Champions League – stiessen die Zürcher zweimal in den Halbfinal vor: 1964 verloren sie gegen Real Madrid, 1977 gegen den FC Liverpool. Mit der Nationalmannschaft absolvierte Kuhn 63 Länderspiele – allerdings in einer Zeit der «ehrenvollen Niederlagen». Nach

seiner Ernennung zum Nationalcoach (2001) führte er das Team der Schweiz 2004 an die EM und zwei Jahre später an die WM; für die Europameisterschaft 2008 im eigenen Land qualifizierten sich die Schweizer automatisch (im Bild Kuhn bei der Ankunft zu einem öffentlichen Trainingsspiel in Freienbach SZ). Der «Schwei-

zer des Jahres 2006» kümmerte sich während Jahren rührend um seine Frau Alice, die sich nach einem Hirnschlag nie mehr richtig erholte und im April 2014 in seinen Armen starb. Bei Köbi Kuhn war 2013 eine Altersleukämie diagnostiziert worden; er starb am 26. November im Alter von 76 Jahren.

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Inferno im Regenwald Im Amazonasgebiet werden 2019 aussergewöhnlich viele Waldbrände registriert: Allein in den nördlichen Bundesstaaten Brasiliens, wo sich rund 60 Prozent des weltgrössten Regenwalds befinden, brechen bis August mehr als 75 000 Feuer aus. Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einer Zunahme von mehr als 75 Prozent. Als die brasiliani-

sche Weltraumbehörde INPE die grosse Mehrheit der Brände mit «menschlichen Aktionen» in Zusammenhang bringt, bezeichnet Präsident Jair Bolsonaro diesen Bericht als «fake news» und feuert INPE-Direktor Ricardo Galvão. Bolsonaro, der seit seinem Amtsantritt im Januar 2019 die Strafen für Umweltvergehen drastisch reduziert und immer wieder Verständnis für die Brandrodung und die Abholzung des Regenwalds signalisiert hatte, erklärt ausserdem, dass Brasilien nicht

über die notwendigen Ressourcen verfüge, um die Feuer wirksam zu bekämpfen. Gleichzeitig lehnt der Präsident, der sich selbst gern als «Capitão Motoserra» (Hauptmann Kettensäge) betitelt, Hilfe aus dem Ausland strikte ab. Nach anhaltendem internationalem Druck ruft Bolsonaro für den Bundesstaat Amazonas den Klimanotstand aus und schickt rund 44 000 Soldaten zur Brandbekämpfung in den Regenwald. Ausserdem wird die Brandrodung in ganz Brasilien für 60 Tage verboten.

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Viel Neues in der Formel E In der Weltmeisterschaft der Formel E kommt es gegenüber dem Vorjahr zu einigen Änderungen: Nach den Absagen zweier Austragungsorte (Zürich und Punta del Este) werden mit Diriyya (Saudiarabien), Sanya (China), Monaco und Bern vier neue E-Prix in den Kalender aufgenommen; die fünfte Saison der Formel E umfasst damit erstmals 13 Rennen. Das Startfeld wird auf maximal 12 Teams erweitert, und die Rennen werden nicht mehr über eine fest definierte Anzahl Runden ausgetragen – sondern über eine Fahrzeit von 45 Minuten plus eine Runde. Aufgrund einer Erhöhung der Batteriekapazität entfällt ausserdem der bisher übliche Fahrzeugwechsel zur Rennhalbzeit. Dominiert wird die Saison vom chinesischen Motorsportteam DS Techeetah, das mit 222 Punkten die Konstrukteurswertung gewinnt. Der Franzose Jean- Éric Vergne entscheidet drei E-Prix für sich und gewinnt die Fahrerwertung mit 136 Punkten. Sébastien Buemi fährt in Berlin auf den 2. Platz, erreicht beim E-Prix von Bern am 22. Juni (Bild) Rang 3 und gewinnt schliesslich eines der beiden Rennen zum Saisonende in New York. Mit 119 Punkten kann sich der schweizerisch-italienische Doppelbürger zum dritten Mal als Vizeweltmeister feiern lassen. 2016/17 hatte der 31-Jährige die Formel-E-WM gewonnen.

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Erst Leid, dann Freud Für die Schweizer Sprinterin Mujinga Kambundji liegen Freud und Leid an den LeichtathletikWeltmeisterschaften in der katarischen Hauptstadt Doha nahe beieinander: Im Wettbewerb über 100 Meter scheidet die 27-Jährige nach einem TausendstelEntscheid am 28. September im Halbfinal aus. Doch wenige Tage später ist dieser Frust bereits vergessen: Im 200-Meter-Lauf qualifiziert sich Kambundji mit hervorragenden Leistungen im Vorlauf (22,81 Sekunden) und im Halbfinal (22,49 Sekunden) als erste Schweizer Sprinterin überhaupt für einen WM-Final. Sie nutzt die Tatsache, dass einige der stärksten 200-MeterSprinterinnen in Doha nicht antreten und packt nach dem enttäuschenden 4. Rang an den Europameisterschaften im vergangenen Jahr ihre Chance: Hinter Europameisterin Dina Asher-Smith, die in 21,88 Sekunden einen neuen britischen Rekord aufstellt, und Brittany Brown (USA) läuft die Bernerin in 22,51 Sekunden als Dritte ins Ziel und gewinnt die erste LeichtathletikWM-Medaille für die Schweiz seit 2007. Im Staffelrennen über 4 x 100 m verpasst Kambundji eine zweite Medaille nur knapp: Die Schweizerinnen stellen mit 42,18 Sekunden einen neuen Landesrekord auf und laufen hinter Jamaika, Grossbritannien und den USA auf Rang 4.

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Das Wunder von Neuenburg Vom 7. bis zum 15. Dezember wird in Neuenburg die 12. Unihockey-Weltmeisterschaft der Frauen ausgetragen; die Schweiz hatte sich als Gastgeberland automatisch einen Platz in der Endrunde gesichert. Das Team unter Nationalcoach Rolf Kern setzt sich in den Gruppenspielen gegen Deutschland, Finnland und Polen durch und qualifiziert sich als Sieger der Gruppe A direkt für den Viertelfinal. Mit einem 10:4 gegen das Team aus Lettland, das sich in der Playoff-Runde gegen Norwegen durchgesetzt hatte, rücken die Schweizerinnen in den Halbfinal vor. In der Partie gegen Tschechien liegt das Team in der 44. Minute mit fünf Toren im Rückstand, schafft dann aber kurz vor Abpfiff die Wende: Innerhalb weniger Minuten erzielen die Schweizerinnen – ohne Torhüterin, dafür mit sechs Feldspielerinnen – fünf Tore und erzwingen so eine Verlängerung. Michelle Wicki schiesst in der 65. Minute das Team der Schweiz (im Bild unmittelbar nach dem Abpfiff) in den Final. Von den Medien wird dieser spektakuläre Turnaround sofort als «Wunder von Neuenburg» betitelt. Im Endspiel treffen die Schweizerinnen auf die Favoritinnen aus Schweden und müssen sich – wiederum nach Verlängerung – mit 2:3 geschlagen geben. Schweden ist damit zum siebten Mal in Folge Weltmeister.

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