Brixner 379 - August 2021

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BRIXEN: GEMEINDE KAUFT KUNST

Kunst & Kultur

Kunst im Rathaus

Kunst und Kultur sind in der Pandemiezeit arg an den Rand gedrängt worden. Um das Siechtum unter den Kunstschaffenden aufzuhalten, hat sich die Gemeinde Brixen mit den „Kunstankäufen“ eine Aktion mit Vorbildfunktion einfallen lassen.

A

b März 2020 wurden alle kulturellen Aktivitäten auf Eis gelegt, die zaghaft angesetzten Geldspritzen der Landesverwaltung waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein in der öden Kulturlandschaft. Es wurden von offizieller Seite Initiativen gestartet wie Wettbewerbe, Plakataktionen und Künstlerresidenzen, die zum Teil auch dankbar angenommen wurden. Dennoch brodelte es im Kessel, zumal das Berufsbild des Künstlers endlich Anerkennung finden und eine soziale Absicherung in die Wege geleitet werden sollte. Der Südtiroler Künstlerbund (SKB) und eine Gruppe um Manfred Schweigkofler fassten zusammen, was die Branche bewegte, und es kristallisierte sich ein Kernteam aus engagierten Performing Artists heraus mit Peter Schorn als Präsidenten. So konnte der katastrophalen Covid-19-Krise auch etwas Gutes abgerungen werden: Der Verein Perfas fördert die Vernetzung der Mitglieder, verbindet Sprachgruppen, fungiert als gewerkschaftliche Vertretung und betreibt konstante Öffentlichkeitsarbeit.

ohneeuchgehtgarnichts. In der

Gemeinde Brixen wurden trotz fehlender Tätigkeiten die Beiträge für alle Vereine beibehalten und zum Teil sogar angehoben, aber gleichzeitig Ideen gesammelt, um jenseits von finanziellen Almosen eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Mit der Kuratorin Karin Pernegger wurden in Zusammenarbeit mit dem SKB Ausstellungen, Installationen und Aktionen initiiert zum Zweck der Sichtbarmachung und der aktiven 38

Partizipation. Um die Wirtschaftstreibenden einzubinden, wurden künstlerisch gestaltete Einkaufstaschen in Umlauf gebracht und dreisprachige Armbänder mit der Aufschrift „ohneeuchgehtgarnichts“ verteilt. Für die Kulturstadträtin Monika Leitner waren diese Ideen nicht weitreichend genug: Ihr schwebte als zukunftsorientierte Fördermaßnahme ein Kunstankauf vor – wie im Kulturprozess vorgesehen. Bei Videokonferenzen sollte im Übrigen immer ein Kunstwerk im Hintergrund zu sehen sein; bei Leitner war es ihr Lieblingsbild „Salvagente“ von Leonhard Angerer – das perfekte Symbol für die Rettung aus dem Lockdown.

den Ankäufen wird einerseits die Grundlage für eine gemeindeeigene Kunstsammlung im Sinne des Kulturprozesses geschaffen“, bekräftigt Monika Leitner, „und anderseits wird die schwer getroffene Künstlerschaft in der Corona-Krise unterstützt.“ Angekauft wurden zeitgenössische Werke von 23 lokalen Kunstschaffenden aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Objektkunst, Fotografie und Grafik. „Bevorzugt wurden aktuelle Arbeiten, die den Zeitgeist reflektieren und einen Abriss des zeitgenössischen Kunstgedächtnisses des Territoriums bilden“, unterstreicht Lisa Trockner vom Südtiroler Künstlerbund. Für die Besucher, die

dass Berührungsängste zwischen völlig divergierenden Kulturkreisen überwunden werden können. Ruediger Witchers orangefarbene Pantone-Bilder sind wahre Eyecatcher und spielen mit Original und Wirklichkeit. Das üppige Ölbild von Peter Kaser zeigt eine wirklichkeitsnahe Landschaft: verschwindende Gletscher als purer Farbenrausch. Maria Walcher ließ sich bei ihrer Arbeit von Peters Handkes Gedicht „Als das Kind Kind war“ inspirieren. Auf dem Fotoabzug auf Alu-Dibond lassen sich Schriftzüge an der Gefängniswand von Brixen lesen, wie zum Beispiel „Aus dir wird noch was Großes werden“. Es bleibt offen, ob es sich bei den

„Die gemeindeeigene Kunstsammlung ist eine vorbildhafte Förderaktion mit Nachahmungspotential für andere öffentliche Institutionen“_ Lisa Trockner, Geschäftsführerin des Südtiroler Künstlerbunds Bürgermeister Peter Brunner gab grünes Licht, und so konnte im September die Kunstförderaktion gestartet werden, die im Frühsommer dieses Jahres öffentlich vorgestellt wurde. Aufgeteilt auf zwei Jahre, wurde die Summe von 100.000 Euro bereitgestellt; 96 Künstler haben sich beworben. 23 davon wurden von einer Fachjury ausgewählt, bestehend aus dem Kuratorium der 2020 neu ausgerichteten Stadtgalerie: Ivo Barth, Federico Giudiceandrea, Eva von Ingram Harpf, Stefano Peluso, Josef Prader, Stefanie Prieth und Alexander Zoeggeler. „Mit

das Rathaus betreten, ergibt sich der positive Nebeneffekt, dass ein Verwaltungsgebäude zum Kunsttempel mutiert.

Südtiroler Kunst im Rathaus. Im Erdgeschoss stoßen wir auf den Brixner Lokalmatador Manfred Mureda, dessen TerracottaSkulptur mit seinen bevorzugten Sujets Tier, Mensch und archaische Gottheit spielt. Im Treppenhaus hängen die Fotoarbeiten von Julia Frank über eine Performance mit der heimischen Bürgerkapelle und dem Tangoverein. Die Dokumentation soll suggerieren,

Zeilen um Ermutigungen oder gesellschaftliche Erwartungshaltungen handelt. „Home Street“ von Ulrich Egger zeigt ein Hotelzimmer in einer Nebenstraße in New York mit schwebenden Raumflächen. Der subtile dreidimensionale Dialog zwischen Abstraktion und Figuration fordert vom Betrachter aktive Aufmerksamkeit und Neugier. Bei Arnold Mario Dall’O entstehen die aus dem Netz geholten digitalen Fotografien mit der Langsamkeit eines punktförmig gepinselten Gemäldes neu. Petra Polli aus Seis ist in Brixen keine Unbe-


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