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Nun lässt ER die Puppen tanzen

Bald-Kronzeuge Thomas Schmid bringt Kurz und Co. mit Lebensbeichte mit ihm auf die Anklagebank. Es drohen Jahre Gefängnis.

Es geht bergauf in der Paulustorgasse in Graz. Thomas Schmid ist auf dem Weg zur Außenstelle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am 21. Juni dieses Jahres. Es war ein warmer, wolkiger Sommertag.

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Er will nach dem Appell seiner Mutter sein Gewissen erleichtern und eine Lebensbeichte ablegen. In den folgenden 15 Tagen wird er in stundenlangen Vernehmungen reinen Tisch machen – sich selbst damit nicht rein waschen, aber die Dinge aus seiner Sicht zurechtrücken. Vor allem in der viel zitierten Inseratenaffäre, wie es in Abstimmung mit Sebastian Kurz dazu kam. Original-Ton Schmid: „Er hat mich dazu angestiftet.“

700.000 Euro veruntreut

Die WKStA hielt Sebastian Kurz schon vor dem Geständnis von Thomas Schmid für den Bestimmungstäter. Schmid ist als Generalsekretär beim Finanzministerium dessen ranghöchster Beamte. Über ihn laufen die Umfragen, die das Finanzministerium zu Themen in Sachen der Finanz durchführen lässt. In diese Umfragen lässt er auch Fragen über die ÖVP und Sebastian Kurz einfl ießen. Die „Studien“ sind mit Steuergeld fi nanziert. Manipuliert werden dann Ergebnisse davon in der Zeitung „Österreich“ veröffentlicht. Parallel dazu erscheinen Inserate des Finanzministeriums. Beide Seiten – Sebastian Kurz und die Zeitung „Österreich“ – bestreiten die

Darstellung von

Thomas Schmid, dass es da einen Zusammenhang gibt. Doch die Beweislage ist laut WKStA dicht und gegeben.

Umfragen für Kurz Betrug mit Steuergeld

Umfrage-Verfasserin Sabine Beinschab gab die Manipulation in den Umfragen und den Betrug, die Falschverrechnungen an das Finanzministerium zu. Mitgewirkt hat dabei auch die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin. Dafür erhielt sie eine Provision. Nicht zuletzt deshalb saß sie in

dieser Causa knapp ein Monat in Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr.

Der Vorwurf der WKStA an die Beschuldigten: Missbrauch der Amtsgewalt, Untreue und Bestechung. Der Prozess könnte im Jahr 2024 anlaufen. Da wird es voraussichtlich auch die nächsten Nationalratswahlen geben. Wie noch nie zuvor werden dann in einem Gerichtsverfahren so viele prominente Politiker und Wirtschaftsgrößen gemeinsam auf der Anklagebank

Auch im WKStA-Visier: Hans Jörg Schelling

... und NR-Präsident Wolfgang Sobotka

Falsch abgebogen, Herr Chefredakteur

Kommentar

Ich bin überzeugt, dass Hubert Patterer (Chefredakteur „Kleine Zeitung“) ein bemühter und erfahrener Vertreter der Journalisten-Zunft ist. Aber alle, mich eingeschlossen, sind wir subjektiv. In der Corona-Krise zeigte sich die Regierung Kurz besonders großzügig mit Millionen Unterstützungen gegenüber großen Tageszeitungen und teuren Inseraten-Kampagnen. Der Styria Media Group gehören mit „Presse“ und „Kleine Zeitung“ zwei davon, aber auch noch etliche Gratis-Zeitungen.

Warum dieser Vorspann? In der Diskussion um den Kronzeugenstatus von Sebastian-Kurz-Intimus Thomas Schmid und dessen Geständnis bei der WKStA schreibt Hubert Patterer am 23. Oktober, ein solcher widerspräche JEDEM Rechtsempfi nden, statt relativierend „seinem Rechtsempfi nden“. Und das Bewusstsein bestimmt bekanntlich den Standpunkt. Weil halt einer, mit dem er „bestens konnte“ und einige andere, mit denen er auch auf Du und Du ist, möglicherweise irgendwann auf der Anklagebank des Strafgerichts Platz nehmen müssen.

Ja, es ist richtig, dass die Kronzeugenregelung ein heikles Instrument der Justiz ist, das man auch total ablehnen kann. Doch das tut Patterer ja nicht. Er biegt in dieser Sache nur falsch ab. Besser gesagt, er vergaloppiert sich. Wenn ein „Prätorianer“ (O-Ton Schmid) des Kaisers, noch dazu einer der engsten Freunde von Sebastian Kurz durch seinen „Verrat“ – Geständnis, Lebensbeichte, wie immer man das nennen mag – plötzlich Einblicke gewährt, mit welchen Tricks und Methoden er und Kurz die Wähler, also uns alle, hinters Licht geführt hat, Steuergeld missbräuchlich verwenden ließ und andere Dinge mehr, dann rechtfertigen diese Enthüllungen den Kronzeugenstatus. Sind sie doch gleichsam der lang gesuchte „rauchende Colt“, das letzte fehlende Beweisstück in einer langen Indizienkette. Entscheidend: Schmid bleibt aber auch als Kronzeuge Beschuldigter.

Ob es Schmids Mutter war, die an ihn appellierte: „Wir haben dich so erzogen, dass du unrechte Dinge zugeben musst, dazu stehen musst, wenn du sie getan hast.“ Niemand außer Schmid und seiner Mutter weiß das. Aber bewiesen und fest steht: Schmid gehörte als Freund zu den wichtigsten „Personenschützern“ von Kurz. Er hat über Jahre hinweg den politischen Aufstieg von Sebastian Kurz mitgestaltet, geschützt, gefördert und dessen Machtübernahme in der ÖVP erst ermöglicht.

Den vollständigen Kommentar gibt‘s auf www.klippmagazin.at

Platz nehmen müssen. Ihnen drohen langjährige Haftstrafen.

Auf den Nebenkriegsschauplätzen sind weitere Facetten der aufgedeckten „Regierungskriminalität“ im Visier der WKStA.

In der Rückblende

Auslöser für die jetzt enthüllte Korruptionsaffäre und das Polit-Drama war die Ibiza-Affäre. Diese führte zum Rücktritt von Vizekanzler Strache, Innenminister Herbert Kickl, führte zum Bruch der Koalition und zu Neuwahlen mit einem Triumph von Sebastian Kurz und den Grünen. Kurz musste vor einem Jahr aufgrund der Enthüllungen durch die Chats von Thomas Schmid und ihm als Kanzler zurücktreten. Sein Nachfolger Karl Nehammer als Kanzler will in der ÖVP noch immer „kein Korruptionsproblem“ sehen. Der pointierte Kommentar des Kabarettisten Christian Scheuber in einer Kolumne: „Mein Hund hat auch kein Wurstproblem.“

Ein anderer, der 2019 verstorbene Gerhard Hirschmann, Vordenker in der steirischen ÖVP, hatte sehr wohl ein Problem mit Kurz – Zitat: „Der Rotzbua bringt unsere Partei um.“ Christopher Drexler, seit Juli der neue Landeshauptmann der Steiermark hingegen, vor einem Jahr in einem Interview mit der Gratis-Zeitung „Weekend“ noch voll des Lobes über diesen: „Er fasziniert mich in seiner Strukturiertheit und Entschlossenheit. Ich glaube, dass er entlang der Kanzlerpersönlichkeiten in einem Atemzug mit Bruno Kreisky und Leopold Figl zu nennen sein wird.“

Ex-Heilsbringer stürzt die ÖVP ins Chaos

Untreue, Bestechlichkeit. Sebastian Kurz stieg 2017 zum Kanzler auf und Illustration: Franz Quinz koalierte erst mit den Blauen, nach Ibiza mit den Grünen. Wie er an die Macht kam und dort blieb, untersucht nun die Staatsanwaltschaft. Es geht um den Verdacht der Untreue und Bestechlichkeit. Und um eine Falschaussage im U-Ausschuss. Kurz dementiert.

Drahtzieher im türkisen System war Thomas Schmid. Er diente mehreren ÖVP-Ministern, bevor er im Fahrwasser von Sebastian Kurz 2019 ÖBAG-Chef wurde. Als mächtiger Generalsekretär im Finanzressort war er zuvor Schattenminister und Drahtzieher für Gefälligkeiten im türkisen System. Wie, das beschreibt Schmid selbst, auf 454 Seiten hat er gegenüber der WKStA ausgesagt. Weiß-Nichts-Präsident Wolfgang Sobotka ist derzeit Nationalratspräsident. Er war davor Innenminister und niederösterreichischer Landesrat. Für seine Führung des ÖVP-U-Ausschusses wurde er stark kritisiert. Schmid belastet den ÖVP-Granden nun schwer: Sobotka soll in Steuersachen für ÖVP-nahe Vereine interveniert haben. Sobotka weist das zurück.

Millionären gewogen sein. Das ist der Vorwurf an Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling, in der ÖVP Niederösterreich sozialisiert. Er soll laut Schmid Siegfried Wolf und René Benko in Steuersachen unter die Arme gegriffen haben. Er habe sich „gar nichts vorzuwerfen“, sagte er vor dem U-Ausschuss.

Interveniert. Siegfried Wolf soll ab 2016 versucht haben, in einer Steuersache zu intervenieren, der Falter berichtete im Dezember. Wolf hat das stets zurückgewiesen. Gegen die Steuernachzahlung ging er vor Gericht vor. Seine Steuerprobleme hat René Benko laut Schmid schon beim ersten Treffen angesprochen. Es ging um den Tuchlaubenkomplex und einen Privatjet. Benko soll laut WKStA Schmid einen hohen Posten in seiner Signa-Holding angeboten haben, wenn dieser seine Querelen aus dem Weg räumte. Benko gibt dazu keinen Kommentar ab.

Der eine heißt Frisch-, der andere

Fleischmann. Ersterer war ab 2017 Pressesprecher von Sebastian Kurz. Der gebürtige Ötztaler startete seine Karriere in der Jungen ÖVP. Ihm wird Untreue und Bestechlichkeit im Komplex Beinschab-Tool vorgeworfen. Gerald Fleischmann bekam recht bald den Spitznamen „Mister Message-Control“. Er war für die Kommunikationsstrategie der Türkisen verantwortlich. Ab 2019 steuerte er als „Medienbeauftragter“ auch die österreichische Medienpolitik mit. bei Sophie Karmasin. Sie hat die gefakten Umfragen für das Finanzministerium umgesetzt und abgerechnet. Sie war in U-Haft, hat seit April den Kronzeugenstatus und dafür ein Geständnis abgelegt.

Umfrageexpertin Sophie Karmasin war bis 2017 Familienministerin. Sie soll, so sieht es die WKStA, gemeinsam mit Schmid das „Beinschab-ÖsterreichTool“ entwickelt haben und war knapp ein Monat in Untersuchungshaft.

Wolfgang und Helmuth Fellner.

Wolfgang gründete einstmals „News“, „Basta“, „Rennbahn-Express“ und zuletzt die „Österreich“-Gruppe, bestehend aus Gratiszeitung, Radio und Online-TV. Die Grenzen zwischen Marketing und Redaktion sind fl ießend. Sein Bruder Helmuth ist engster Wegbegleiter. Sein Bereich ist das Management und das Geschäftliche in der „Österreich“-Gruppe. Beide werden als Beschuldigte im Komplex Beinschab-Tool geführt.