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Wir gratulieren Mathias Pascottini zum neuen iPod Nano.

Ihr habt entschieden: Mathias schickte uns das beste Sommerfoto 2011. Alle Beitr채ge des Gewinnspiels sowie Informationen zu aktuellen Themen findet ihr unter: www.facebook.com/joemagazin


EDITORIAL

Editorial. Identität ist ein Kostüm, in dem man sich wohlfühlt und das dabei auch noch gut aussieht. Punkt. Oder nicht? Vielleicht werden von drei Leuten, die diese These lesen, zwei sagen, dass das völlig daneben ist. Mag sein, dass es nur einer ablehnt und zwei zustimmen. Mit Sicherheit aber wird jeder sich fragen, ob dieser Satz auch für ihn gilt. Und damit hat man schon unbewusst einen weiteren Schritt auf der Suche nach Identität getan. Ob man dieser Feststellung nun zustimmt oder nicht: Identität ist für jeden Menschen etwas sehr Wichtiges. Etwas, das ihn ausmacht und bestimmt. Um das Bewusstsein dafür zu schärfen, haben wir in dieser vierten Ausgabe von joe das Titelthema Identität gewählt. Das Wort ICH nimmt dabei eine sehr zentrale Rolle ein. Kein Bewusstsein ohne einen Ich Gedanken. Dieses Prinzip zieht sich durch die gesamte Herbstausgabe von joe. Aber was ist Identität? Mit Gedanken über dieses Thema könnte man Bücher füllen. Es gibt viele verschiedene Blickwinkel aus denen man den Begriff betrachten kann. Die Redaktion und die Autoren von joe haben den Blickwechsel gewagt und erkannt, dass die Frage Was ist Identität? nicht so einfach zu beantworten ist. Auf acht Seiten konnten wir nicht alle Fragen, die aus dieser einen erwachsen sind, behandeln. Vielleicht hätten dafür auch achttausend Seiten nicht ausgereicht. Aber wir konnten Denkanstöße geben und mögliche Antworten vorschlagen. So, dass hoffentlich jeder etwas aus diesem Thema mitnimmt. Und vielleicht ist ja doch für den einen oder anderen die Identität ein Anzug aus Eigenheiten aus dem geistigen Kleiderschrank für das eigene Bewusstsein. Werkbericht Beim Planen und Ausführen dieser Herbstausgabe kam einiges zusammen. Der Start in ein neues Semester, neue Gesichter, neue Anforderungen. Vieles lief nicht so, wie es angedacht war. Sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Aber die Durststrecken wurden schließlich alle mit Erfolg überwunden. Auch diesmal hat mir die Arbeit mit den Menschen, die an joe beteiligt sind, so viel Freude bereitet, dass ich es nicht missen möchte. Ich bin sicher, dass wir für euch, jetzt und in Zukunft, ein immer noch besseres Magazin bieten können. Einladung zum Mitmachen joe lebt von Menschen, die dieses Magazin tragen. Menschen, die sich für das Magazin engagieren, die sich damit auseinandersetzen. Das kann auf ganz verschiedenen Wegen stattfinden. Ob du gerne schreibst, fotografierst, Reportagen und Beiträge gestaltest oder auch einfach deine Ideen einbringen möchtest. Wie auch immer deine Interessen aussehen: MACH MIT! Schick uns deinen Text, ruf an, schreib ‘ne Mail oder google uns im Internet. Neue Autoren und Redakteure sind immer willkommen. Kontakt: joe@fh-joanneum.at Hubertus J. Schwarz, Chefredakteur

Liebe Kollegen und Kolleginnen, seit gut einem Monat hat uns die FH wieder. Uns?! Aber wer sind Wir? Sind wir ein Produkt der FH mit welchem die FH JOANNEUM GmbH Geld verdienen kann? Sind wir so etwas wie CD-Rohlinge, welche die FH beschreibt und die Wirtschaft in Unternehmen „einlegt“? Oder sind wir lediglich Individuen, welche Wissen erlangen wollen und ver­suchen ihre Macht zu demon­str­ ieren? Eines steht fest, wir sind Studierende, die trotz vieler Gemeinsamkeiten im Studium ganz individuell unsere eigenen Lebenspläne schmieden. Am Ende muss jeder und jede für sich selber herausfinden, wer er oder sie ist und welchen Platz man einnehmen möchte. So wie wir die Möglichkeit bekommen uns zu entscheiden wer wir sind, so sollten wir auch anderen die Freiheit lassen und diese respektieren, denn: „Ihr lacht über mich, weil ich anders bin. Ich lache über euch, weil ihr alle gleich seid!“ - Kurt Cobain Wir, deine ÖH an der FH JOANNEUM, sind stolz, so viele individuelle Vielfalt vertreten zu können und freuen uns auch heuer auf die tolle Zusammenarbeit mit euch! Euer Vorsitzteam Christoph, Theresia, Christian, Max und Christina

MO 9-14 Uhr | MI 14-18 Uhr | FR 12-16 Uhr Urban Box, 8020 Graz mail: join@fh-joanneum.at web: join.fh-joanneum.at skype: join-oeh www.facebook.com/join.oeh

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INHALT

03 Editorial 05

Was ihr denkt

Eure Meinung zum Thema Identität

06 Ich komm’ immer in so blöde Kriegssituationen Karim El-Gawhary zu Gast an der FH JOANNEUM 08

So sind wir:

Das ist MIG

10 NOT|TON:

18

Reis oder Kartoffel

20

Techsprech: Kalender & mehr Den Stundenplan immer bei sich haben

21 Kultwert: Geister in Princeton 22

Eurotours Special:

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Campus Mythen:

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Eurotours Special / Grenzgänger: Pack deine Brüste ein Study Abroad

Ein musikalischer Weckruf

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Titelthema: Identität

Das Ich in uns.

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Dreads, Spice Girl oder Tofu Und wohin gehörst du?

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I lost my virginity, but not my identity

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Über das Glück, in der Stadt zu leben.

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Wieviel Österreicher steckt in dir?

Ich spreche Ljubljana

Frustlöscher

Vier gegen das System

Kleidung und Bewerbungsgespräch

Australien

34 Standortkolumnen aus Bad Gleichenberg und Kapfenberg

Studenten im Ausland

Impressum:

joe Nr. 4

Medieninhaber: Österreichische HochschülerInnenschaft, Taubstummengasse 7-9, 1040 Wien Chefredakteur: Hubertus J. Schwarz Art Director: Christopher Eder Herausgeber / V.i.S.d.P: Hubertus J. Schwarz Anzeigen und Backoffice: Karina Theiss

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Identität und Nationalität

Autorinnen und Autoren: Gregor Krenker, Henric Wietheger Matthias Thönnessen, Claudia Mautner Hubertus J. Schwarz, Simone Steurer Elke Schlögl, Kevin Recher, Thuy Nguyen Stefan Krausler, Matthias Alber Sophie-Kristin Hausberger, Julia Slamanig Natanja C. Reitner, Hannah Mayer, Laura Wirth, Birgit Gödl Hinweis: Sämtliche personenbezogene Beschreibungen gelten sinngemäß für beiderlei Geschlecht. Amtlich gegengezeichnete Beiträge müssen inhaltlich nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.

Fotografen und Illustratoren: Wolfgang Schnuderl, Hans von Schröder, Boris Böttger, Thuy Nguyen, Julia Slamanig, Hubertus J. Schwarz, Hannah Mayer, Conny Köhle Druck: Offsetdruck Dorrong OG, www.dorrong.at Lektorat: Susanna Finker

JOIN - deine ÖH an der FH JOANNEUM Eggenberger Allee 11, 8020 Graz join@fh-joanneum.at tel:+43 (0) 316/5453 8503


WAS IHR DENKT

Was ihr denkt Identität ist für jeden Menschen ein wichtiger Bestandteil seiner Existenz. Völlig unab­hängig von der aktuellen Lebenslage, sozialen Stellung oder den eigenen Überzeugungen. Drei Studierende der FH JOANNEUM haben sich Gedanken zu der Frage gemacht: Was bedeutet Identität für euch? Interviews: Hubertus J. Schwarz

„Teilidentitäten bilden die Gesamtidentität“ Die eigene Gesamtidentität setzt sich aus Teilidentitäten zusammen, die sich durch Umfelder der einzelnen Lebensphasen entwickeln. Die erste und wo­möglich wichtigste Identität entwickelt sich in der Kindheit und wird sehr stark vom familiären Umfeld geprägt. Sie ist Grundlage für sämtliche Empfindungen und Gedanken und bildet auch die Entscheidungsgrundlage für Folgeidentitäten die während des Bildungswegs, in Verwandten- und Freundeskreisen aber auch in digitalen sozialen Netzwerken entwickelt werden. Stefan Krausler studiert AIM in Graz

„In einen Menschen hineinsehen können“ Laut Wikipedia kommt das Wort Identität aus dem Lateinischen und bedeutet ‚das Gleiche‘. Für mich scheint das etwas widersprüchlich, da Identität ja genau das ist, was uns Menschen so unterschiedlich und einzigartig macht. Identität heißt in meinen Augen, sich selbst treu zu bleiben und nicht von seinen Überzeugungen abzulassen. Sie bezeichnet mehr den Charakter und die persönliche Einstellung, als nur den Namen und das Alter einer Person. Es mag sein, dass jemanden zu identifizieren bedeutet, dessen persönliche Daten preis­ zugeben. Ich finde, es bedeutet, in einen Menschen hineinsehen zu können. Doris Müllner studiert DIO in Bad Gleichenberg

„Aalglatt ist langweilig“ Für mich ist Identität ein Sammelbegriff für all die Merkmale, die uns von anderen unterscheiden. Identität ist das, was uns unverwechselbar macht. Es sind die Ecken und Kanten, die einen Menschen ausmachen – aalglatt ist lang­ weilig. Und genau diese Kanten prägen für mich den Begriff Identität. Es ist unsere Identität, die uns spannend macht und ein Sammelsurium für unsere guten und schlechten Eigenschaften bildet. Es gibt Milliarden Menschen auf der Erde, jeder davon ist unterschiedlich – der Identität sei Dank. Mathias Pascottini studiert JPR in Graz

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AKTUELLES

„Ich komm’ immer in so blöde Kriegssituationen“ Karim El-Gawhary war Anfang Oktober zu Gast beim Studiengang „Journalismus und PR“ der FH JOANNEUM. Der sympathische Karim - wir durften ihn duzen - hat die Zuschauer in seinen Bann gezogen: mit seiner Ehrlichkeit, mit seinen Geschichten, mit seinem Humor und seinem Fachwissen. Text: Gregor Krenker Fotos: Boris Böttger

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in netter Typ, dieser Karim. Keine Starallüren – trotz des Hypes um seine Person – und auch nichts Abweisendes konnten wir an ihm finden. Einerseits war es sein fröhliches Gemüt. Andererseits waren es seine Geschichten. Spannend. Lustig. Schrecklich. Traurig. Die volle Bandbreite, sehr authentisch erzählt und mit kunstvollen Pausen, die viel ausgemacht haben, vielleicht hin und wieder ein bisschen einstudiert. Diese Geschichten stehen nicht unabhängig voneinander, sondern zeigen einen interessanten Ausschnitt aus seinem Beruf und der arabischen Revolution. Mit dem Heißluftballon über den Tahrir-Platz Gawhary hat viele – für uns unvorstellbare – Dinge erlebt. Er war oft mitten im Krieg. „Ich komm’ ja komischerweise immer in so blöde Kriegssituationen“, sagt er scherzhaft. Aber das ist gar nicht seine Intention. Er will lieber vom Hintergrund des Krieges berichten.

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Er fragt sich, wie Leute mit ihrer Situation umgehen. „Mir wird manchmal vorgeworfen, dass ich keinen objektiven Journalismus mache.“ Aber: „In bestimmten Situationen“, sagt Gawhary, „wird objektiver Journalis­ mus hinfällig.“ Man müsse mittendrin stehen, um guten Journalismus zu machen. „Objektiver Journalismus ist nicht, mit einem Heißluftballon über den Tahrir-Platz zu fliegen.“ Man müsse mit den Leuten reden und die Medien hinterfragen. Über etwas nicht zu berichten, nur weil man nicht ins Land kann, sei ein Fehler. „Ich stehe in Syrien namentlich auf der schwarzen Liste. Man sagt, Karim El-Gawhary reist bestimmt nicht nach Syrien ein.“ Aber gerade deswegen würde er immer noch lieber durch andere Quellen über Gescheh­

nisse berichten, als sie völlig auszulassen. „Das Regime will ja, dass du gar nicht mehr berichtest.“ Auslandskorrespondenten seien immer mehr wie Feuerwehrmänner. Es gibt keine Rundum-Berichterstattung mehr. Die komplexen Prozesse werden nicht mehr dargestellt. „Konflikte fallen vom Himmel. Das ist ein Armutszeugnis der Auslandsberichterstattung. Wir erleben einen journalistischen Echt­ zeit- und Vor-Ort-Wahnsinn“, sagt Gawhary. Auslandskorrespondenten sollen immer und überall bereit sein. „Ich war einmal in einem Geschäft im Norden von Bagdad. Im Süden ist kurz vorher eine Bombe explodiert. Dann hat mich jemand angerufen und gefragt: ‘Wie ist die Lage in der Stadt?’ Und ich hab’ gerade überlegt, ob ich Keule


AKTUELLES

oder Brust nehmen soll.“ Man scheint zu glauben, Auslandskorrespon­denten wären immer genau dort, wo gerade etwas passiert. Ein „Like“ als politische Aktion Gegen Ende der kurzen neunzig Minuten wurde noch gefragt, welche Rolle die sozialen Medien in der arabischen Revolution gespielt haben. Gawhary erzählt von der Gründung der Facebookgruppe „Wir sind alle Khaled Said“. Ein junger Mann wurde auf offener Straße von zwei Polizisten zu Tode geprügelt. Die Gruppe hatte innerhalb kurzer Zeit mehrere hundert­tausend „Likes“. „Es gibt in Ägypten mehr Facebook-Nutzer als Tageszeitungsleser“, sagt Gawhary. „Aber was bedeutet so ein ‘Like’ - ist das schon eine politische Aktion?“

Noch viel wichtiger sei das Fernsehen bei der Revolution gewesen. Bei einer Talkshow hat ein Chirurg erzählt, wie seine Tochter eines Tages gesagt hat, sie ginge auf den Tahrir-Platz, um dort zu demonstrieren. Einige Tage später ging auch sein Sohn dort hin. Er hat seinen Vater dann angerufen und ihn gebeten, den Verletzten zu helfen. Er ging hin. Bei einem jungen Mann musste er eine große Platzwunde nähen. Doch der wollte sich nicht verarzten lassen und lief davon: zu Mubaraks Schlägern. Als der Chirurg in der Talkshow weitererzählen wollte, brach er zusammen. Die Moderatorin konnte ihn beruhigen. Er sagte: „Ich habe den Jungen wieder gesehen. Er war tot, durch einen Kopfschuss.“ Am nächsten Tag waren über eine Million Menschen am Tahrir-Platz.

Karim El Gawhary auf Twitter: http://twitter.com/#!/Gawhary

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Karim El-Gawhary - Karim El-Gawhary 1963 in München geboren. - Er ist seit 20 Jahren NahostKorrespondent in Kairo. - Er arbeitet für den ORF und für 11 deutschsprachige Zeitungen. - Er hat Islamwissenschaften und Politik in Berlin studiert. - 2011 wurde er mit dem ConcordiaPreis für Pressefreiheit geehrt.

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SO SIND WIR

Das ist MIG Mit der Serie „So sind wir“ stellt euch joe in jeder Ausgabe einen der Studien­gänge der FH JOANNEUM vor. In dieser Ausgabe geht es um das Bachelorstudium „Management Internationaler Geschäftsprozesse”. Text: Matthias Thönnessen Illustration: Hans von Schröder

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IG bietet seinen Studierenden eine fundierte und breite Ausbildung im Bereich der inter­ nationalen Wirtschaft. In Lehrveranstaltungen wie „International Business“ und „Interkulturelles Management“ bekommt man einen Einblick wie es auf den großen internationalen Märkten zugeht. Die Rechtsfächer vermitteln den Studierenden den recht­ lichen Rahmen in dem man sich als zukünftiger Manager bewegen sollte. Wie man aus den Medien entnehmen kann, mangelt es Managern immer öfter an der Unterscheidungsfähigkeit zwischen Recht und Unrecht. Mit der neu eingeführten Lehrveranstaltung „Business Ethik“ wird seitens der FH versucht, dieser Entwicklung entgegen zu wirken. Andere Lehrveranstaltungen wie „Management und Organisationen“ und „IT im internationalen Unternehmen“ erklären, warum in Unter­ nehmen die Kommunikation gut funktioniert oder wo die Probleme liegen. Des Weiteren wird den Studierenden ein Verständnis für den gewaltigen Aufwand, den es braucht um ein IT-System am Laufen zu halten, vermittelt. So wird jemand der technisch nicht so versiert ist auch zu einem IT-Techniker - naja fast eben, oder zumindest im Ansatz. Getreu wie in der Wirtschaft, gibt es auch bei MIG den freundschaft­ lichen Wettbewerb, die Hass-Liebe zwischen Marketiers und Financiers. Öfters wird gestritten wer denn nun für das Unternehmen wichtiger ist: Das Marketing, welches für den Verkauf und Vertrieb verantwortlich ist und somit den Profit generiert oder die Finanzierung, welche dafür sorgt, dass dieser Profit gut verwaltet und angelegt wird und Ressourcen für das Unternehmen zur Verfügung stellt. Aber auch bei diesem Problem wurde erkannt, dass diese zwei Bereiche sehr stark mit­ einander verbunden sind. Mit dem neuen Curriculum, welches 2010 eingeführt wurde, muss man sich nun nicht mehr zwischen der Marketing- und Finanzierungs­ seite ent­ scheiden, sondern kann Lehrveranstaltungen aus beiden Bereichen wählen. Als international tätiger Manager ist die Beherrschung der englischen Sprache eine Grundvoraussetzung für beruflichen Erfolg. Der Studiengang MIG bietet daher nicht nur Englisch als Lehrveranstaltung an, sondern es wird auch die Hälfte der gesamten Lehrveranstal-

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SO SIND WIR

tungen in englischer Sprache abgehalten. Dies stellt für den einen oder anderen zu Beginn eine kleine Herausforderung dar. Schnell gewöhnt man sich aber an die englischen Fachbegriffe und stellt fest, dass sich das persönliche Englischniveau verbessert. Woran man sich nur schwer gewöhnt - wenn überhaupt - ist die österreichische Aussprache mancher Vortragenden. Jeder, der schon ein wenig in der Welt herum gereist ist, weiß, was für eine eigenartige Aussprache den Österreichern im Englischen nachgesagt wird. Dies ist ein Stereotyp das leider nur allzu oft zutrifft. Grundsätzlich ist der Studiengang sehr bemüht ausländische Lehrende für diese Lehrveranstaltungen einzustellen, aber da dies nicht immer möglich ist, muss man manchmal auch mit einem „Guad Morning“ vorliebnehmen. Da MIG ein sehr praxisnaher Studiengang ist, darf das Praktikumssemester natürlich auch nicht fehlen. Den Studierenden wird so die Möglichkeit geboten schon während der Ausbildung Erfahrungen im Berufsleben zu sammeln. Man sollte aber früh genug mit den Bewerbungen beginnen, andernfalls bekommt man nur eine Stelle in einer kleinen Industriestadt in einer rumänischen Provinz, so nämlich ist es einem unserer Kollegen ergangen (dafür hat er aber auch am meisten von uns allen verdient).

Mithilfe von Gruppenarbeiten erlernen wir wie man im harten Business überlebt. Durch die geringe Anzahl an Studierenden haben sich bereits viele Freundschaften entwickelt. Eine persönliche Atmosphäre und gemeinsame Ziele – so sieht der Studienalltag vom MIG aus! Marlies Eichelberger

Um dem Namen „Management INTERNATIONALER Geschäftsprozesse“ gerecht zu werden, ist im Curriculum ein verpflichtendes Auslandssemester vorgesehen. Dieses Semester stellt für viele Studierende das Highlight ihrer Ausbildung dar. Aus über 40 Partnerhochschulen - von Australien und Neuseeland über Singapur und Russland bis hin zu Zentral Europa, Kalifornien, New Mexico, Chile und Namibia ist alles dabei können die Studierenden wählen welches Land, welchen Kulturkreis und welche Sprache sie besser kennen­lernen wollen. Da es pro Partneruniversität nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen gibt, kann es schon einmal passieren, dass man mit seinen Kollegen in einen heftigen Konkurrenzkampf um die beliebtesten Plätze tritt. Grundsätzlich sollte man in diesem Wettbewerb aber nicht mit allzu harten Bandagen kämpfen, denn egal ob nun im Fernen Osten oder im leidenschaft­lichen Südamerika – die Erfahrungen, die man während dieser Zeit macht, sind einmalig, prägend und unvergesslich.

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FH LIVE

NOT|TON Ein Beweis dafür, dass die FH wunderschön klingen könnte, wenn alle im Takt bleiben würden. Text: Henric Wietheger

„I am from Aus_, brauch ka große _, weu Schifoan is’ des Leiwand_.“ Musik ist wunderbar. Sie fordert heraus, prägt und stiftet Sinn. Blöd nur, wenn etwas fehlt. Stell´ dir vor, du trommelst, bimmelst, trällerst voller Elan und dann fehlt etwas, eine elementare Kleinigkeit, ohne die aller Elan kakofonisch ver­ klingt. Nein, ich spreche nicht von fehlendem Talent. Ich spreche auch nicht von mangelnder Musikali­ tät. Ich bin der Überzeugung, dass jeder musizieren kann, solange Engagement und Leidenschaft im Spiel sind. YouTube sei mein Zeuge. Was kann also so ent­ scheidend sein, dass man ohne es nicht frei trommel­ bimmelträllern kann? Mehr als „–tria, Welt, –ste?“ Mehr als sinnfreie Zeichenkombinationen? Woran hängt der Klangerfolg? Mein Musiklehrer hat mir damals, in der dritten Klasse, von einem bekannten Komponisten erzählt, der angeblich seinem Publikum den letzten Ton einer Melodie vorenthalten hat. Das Publikum sei daraufhin noch Stunden nach dem Konzert wachgelegen, habe den Komponisten schließlich angebettelt, für sie den letzten Ton zu spielen. Musiklehrer Rutte hat hinter dieser abstrus wirkenden G’schicht einen Beweis für die Abhängigkeit der Menschen von ­ einzelnen Tönen und Musik im Allgemeinen gesehen. Ok, Musiklehrer Rutte hat damals auch behauptet, dass Nationalhymnen der Untergang aller Vater­ länder seien. Der Gedanke vom tonabhängigen Menschen hat mir trotzdem gefallen. Ist der Ton das Um und Auf für den Klangerfolg, fürs sinnerfüllte Musizieren? Tut der Ton Not? Natürlich. Der Ton macht die Melodie greif- und hörbar. Er

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keimt auf dem Notenblatt, wächst heran und trägt schließlich idealerweise klangvolle Früchte, die von anderen abgeerntet und verwertet werden können. Der Ton ist also essenziell, jedoch nicht das unentbehrliche Kriterium für gelungene Musik. Töne kann man abseits aller Norm aus dem Ärmel schütteln, wenn sie einem fehlen. Hier der Beweis: LAAAAAAAAAAAAAAA. Der Hase liegt tiefer begraben. Die Kapelle kann noch so gut aufspielen, jeder einzelne Musiker kann noch so großes Improvisationstalent haben; wenn das Notenblatt nicht stimmt, wird nie ein stimmiges Gesamtstück entstehen. Kein Ton ohne Note. Ohne Note dudeln alle Musiker fromm und fröhlich vor sich hin, improvisieren bis die Ideen ausgehen: LAAAA...LAAA...LAA...LA...? Hier kommen Dirigent und Komponist ins Spiel. Kegeln sie die Noten durcheinander, verbummeln sie ein Noten­ blatt oder auch nur eine Note, kommen die Musiker in Nöte. Das Stück gerät ins Wanken, die Kakofonie und das musikalische Scheitern sind vorprogrammiert. Für Dirigent und Komponist kann das eine unangenehm formelle Pflicht sein, die große Verantwortung mit sich bringt. Beethoven soll gesagt haben: „Alle meine Noten bringen mich nicht aus den Nöten, und ich schreibe Noten überhaupt erst aus Nöten.“ Die Note ist also das, was Musiker zum Musizieren brauchen. Grundsätzlich nichts Neues möchte man meinen. Ich appelliere trotzdem nochmal an alle Dirigenten und Komponisten an unserer FH: Seht zu, dass die Musik auch weiterhin spielt, schreibt eure Noten, ordnet eure Notenblätter und bleibt verdammt noch mal im Takt! Liebe Musiker: empört euch, wenn Dirigent und Komponist schleißig sind.


Titelthema REPORTAGE

Titelthema

Identität

Das Ich in uns.

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Gedanken zur Realität unserer Identität

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und wohin gehörst du?

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I lost my virginity, but not my identity

17

Und wieviel Österreicher steckt in dir?

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Reis oder Kartoffel

Dreads, Spice Girls oder Tofu –

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Titelthema

Identität

Gedanken zur Realität unserer Identität

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in Kosmonaut schwebt in der sterilen Stille seiner Raumkapsel und sieht aus einem der Fenster hinab auf den Flecken, den er einmal Heimat nannte. Ohne Halt treibt es ihn, während er sich erinnert. An seine Jugend, seine Leidenschaft, der er sich hingegeben hat. Und an den Drang nach einem Ziel, der ihn schließlich hier hinauf in die Leere des Alls gebracht hat. Dieser Kosmonaut ist das Ich.

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Text: Hubertus J. Schwarz

Irgendwo in Niemandsland Rinnstein, zwischen vorbei strömendem Regenwasser und faulendem Laub, da liegt ein Teddy. Steif noch vom Frost der Nacht. Zerrupft von vielen Händen. Und leer. Teddy ist leer und hohl. Man hat ihm seine wollene Füllung heraus­ gerissen um Platz zu schaffen für ein Päckchen illegalen, weißen Vergessens. Ohne Augen starrt Teddy in ein nimmer­ müdes Dunkel. Keiner bemerkt das braungraue Elend zwi­schen


Titelthema

nach, wie er selber auf seine Identität Einfluss nimmt. Der Blick des Teddys geht dagegen nach außen und stellt sich dem, was andere aus ihm gemacht haben. Keiner dieser Blickwinkel ist der Richtige. Genauso wie keiner der Falsche ist. Und das ist es auch, was oft bei der Frage nach Identität herauskommt. Es gibt keine goldene Mitte, keinen besten Weg. Und in einer Zeit, wo Individuali­ tät und Selbstverwirklich­ ung zum guten Ton gehören, lässt sich so etwas wie eine ideale Schnittstelle ohnehin kaum ausmachen. Oder doch? Und was ist eine Identität eigentlich?

Foto: Wolfgang Schnuderl

all dem anderen Abschaum. Und so macht sich auch niemand Gedanken, was Teddy hierher gebracht hat. Was ihn zu dem werden ließ, der er heute ist. Auch dieser Teddy ist ein Ich. Beide Blickwinkel haben einen sehr differenzierten Standpunkt von dem aus sie ihre Identitäten betrachten. Dabei aber einen völlig Entgegen­ gesetzten. Der des Kosmonauten richtet sich nach innen und fragt da-

Aktion und Reaktion. Kommunikation. Ein ewiges Abwägen, inwieweit wir das Gesendete aufnehmen oder es ignorieren. In einem Wort: zwischenmenschlich.

Der einsame Kosmonaut sieht nicht auf die anderen. Ihn kümmert keine Kommunikation, kein zwischen­ menschliches Verhalten. Er blickt nur auf sein Selbst und den Weg, auf dem er sich bis ins Jetzt gebracht hat. Er verdeutlicht ein Bewusstsein, das sich selber zu erkennen versucht. Diesen Prozess durchleben wir ständig. Wir schauen in den Spiegel und versuchen das, was uns dort entgegenblickt mit dem zu vereinbaren, von Identität ist, wenn ein Ichbewusst- dem wir gern hätten, dass es uns ent­ sein versucht, sich in der Welt, in der gegenblickt. Wir reflektieren, manipues sich gefunden hat, eine Rolle zu lieren und korrigieren uns. Bewusst, ingeben. Dieser Platz rührt von ganz dem wir Eyeliner und Rasierer zücken. unterschiedlichen Gegebenheiten her. Unbewusst, indem wir aus unserem Alles trägt zu einer Identität bei. Man Umfeld Mechanismen annehmen und selber, die Familie, das soziale Umfeld, ausführen, ohne das aktiv zu steuern. Ort und Zeit, in der man lebt. Identität Frei nach dem Motto: Was zur Hölle ist also nicht nur, wie ich mich sehe suche ich eigentlich vor dem Spiegel? oder gern sehen würde, sondern auch Identität ist also auch reflektierend. wie andere mich sehen und sehen möchten. Egal, aus welchem Blickwinkel wir Identität betrachten. Identität bleibt Der Teddy im Regen ist das Bild des einzigartig. Denn jeder Mensch besitzt Menschen, der versucht sich dem Eigentümlichkeiten seines Wesens, die gewahr zu werden, was andere aus ihm ihn als Individuum kennzeichnen. Sie gemacht haben. Der Teddy im Regen entsteht aus zwei Prozessen: Selbsterversinnbildlicht, dass wir machtlos kenntnis und Selbstgestaltung. Aus dem dem gegenüberstehen wie andere Willen sich abzugrenzen und jenem uns sehen. Oder, wenn schon nicht dazuzugehören. Also aus einem Ichganz machtlos, so doch zumindest Gefühl und einem Wir-Gefühl. Es ist beschränkt. Denn was wir registrieren für die Erfahrung „Identität“ wichtig, können, ist allein das, was andere Iden- dass es eine Gruppe gibt, an der wir titäten an Reaktionen erkennen lassen. uns messen können. Die sowohl als Und unsere Reaktion darauf ist nur wie- Anker für Gemeinsamkeiten wirkt, der der Anlass für eine nächste Hand­ uns aber auch die Unterschiede zu lung unseres Gegenübers. Identität anderen aufzeigt. Diese Gruppe kann ist also auch ein stetes Wechselspiel aus von Familie über Freunde bis hin

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Titelthema

zu einem Volk, einer ganzen Ethnie, aber das soziale Sicherheitsnetz nicht alles Mögliche sein. Auch Staat und beanspruchen. Freiheit auf Kosten der Gesllschaft. Sicherheit. Zwischen diesen Extremen pendeln wir unser Leben lang. Manch­ Die moderne Gesellschaft hat einen mal schlagen wir mehr in Richtung großen Einfluss auf unsere Identität. Freiheit, dann wieder in Richtung Denn sie repräsentiert in weiten Teilen Gemeinschaft aus. unser Umfeld. Und so nimmt sie auch Unser (Un)Bewusstsein formt so eine Anteil an unserer Identität. Das drückt Identität, die ständig im Fluss ist. Wir sich in einer sozialen Stellung, in passen uns an. Das gelingt mal mehr, Namen, Titeln und Rängen aus. Aber mal weniger. Wir entpassen einander. auch in Werten und moralischen Richt­ Und doch bleibt die Frage: Gibt es eine linien, an die wir uns anpassen. Teilen ideale Schnittstelle? wir einige dieser Normen nicht, gelten wir schnell als störende Fremdkörper. Angenommen, das was andere in einem sehen und die Art auf die man sich Auch der Staat baut auf solche Raster: selber als gut wahrnimmt, stimmen Haben wir keinen Pass, keine Geburts­ überein. Wenn man sich also nicht verurkunde und keine Versicherungs­ stellen muss, um als das eigene Ideal­ nummer, keinen eingetragenen bild, wie auch das des Gegenübers Wohnort oder dokumentierte Bindung, zu gelten. Dann hat man die goldene dann sind wir für den Staat praktisch Mitte erreicht. Die völlige Ausgenicht existent. Identität als Werkzeug wogenheit zwischen sich und der Umzur Identifikation eines Individuums. welt. Manchmal erreichen wir diesen Dafür braucht es diese Existenzzeug- Zustand für einen Moment. Dann, nisse. Nur so kann man in einem wenn sich alles fügt: Man sich in seiner bürokratischen System als Teil akzep- Umgebung genauso zuhause fühlt, wie tiert werden. auch alles um einen herum erkennen Da heißt es: entweder ganz oder gar lässt, dass man nicht nur akzeptiert, nicht. Wie die Biene in ihrem Stamm sondern auch verstanden und geachtet nur dann toleriert wird, wenn sie sich wird. Du ok, ich ok, wir ok. einfügt. Tut sie das nicht, wird sie ent- Aber da genauso wir, wie alles andere weder ausgestoßen oder getötet. Wie in Veränderung begriffen ist, kann auch wir bestraft werden, sofern wir dieser Moment nicht von Dauer sein. uns nicht an das System anpassen und Sondern muss und kann immer wieder den Staat mittragen. Beispielsweise aufs Neue entdeckt werden. durch Besachwalterung oder dadurch, dass wir die Vorzüge aus einem Letztendlich bleibt Identität also ein staatlich organisierten System nicht Begriff, der nicht zu greifen ist. Ein mehr beanspruchen können. bisschen Kosmonaut, ein wenig alter Ein sozialer Grundkonflikt. Geben wir Teddy, alles mit einer Prise Staat und bis zu einem gewissen Grad unsere Kommunikation. Ein Hybrid aus so Freiheit auf, bekommen wir dafür vielen Deutungen und Versionen seiner den Schutz und die Privilegien einer selbst, dass er nicht umfassend verGemeinschaft. Wir bleiben Individuen, standen werden kann. Und vielleicht sind aber dennoch Teil des großen ist genau das auch der Sinn dabei. Ganzen – Staat. Identität will im Kern von jedem Beharren wir auf unserer Autonomie, ganz individuell verstanden werden. sind wir weniger abhängig, können Identität ist Identität.

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Titelthema

Dreads, Spice Girls oder Tofu

Und wohin gehörst du? Ein paar typische Merkmale und alles ist klar. Die Szene, die Lebenseinstellung. Dieser eine Blick - ein Ganzkörperscan mit den Augen - und man glaubt, alles über die Person zu wissen. Text: Simone Steurer

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aufst du Bio-Gemüse oder gar beim Gärtner ein? Öko. Verbringst du deine Abende daheim mit Horrorfilmen und trägst bevorzugt schwarz? Gruftie. Stehst du auf Nirvana und trägst Chucks? Alternativer. Du trägst weite Hosen und stehst auf elektronische Musik? Raver. So einfach kann es sein, jemanden einzuschätzen. Seine Vorlieben, seine Ticks, politische Einstellung, Freunde, Feinde – alles auf einen Blick erkennbar. „Nur ein Blick von dir und ich wusste genau, was du denkst, was du fühlst…“ sangen damals TicTacToe (wenn auch in einem etwas anderen Kontext). Aber denken wir das nicht alle? Emos heulen bloß, Punks sind immer dagegen, Tussis hohl und Ökos halten sich für die großen Weltverbesserer. Natürlich sind das Vorurteile. Weiß auch jeder. „Aber selbst Vorurteile kommen nicht von irgendwoher“, hör’ ich ein paar von euch murmeln. Na klar, einige lebende Beispiele verkörpern diese Vorurteile. Und Vorurteile basieren schließlich auf Erfahrung. Zwar nicht der eigenen, aber der der anderen. Und dann muss es doch stimmen, oder? Ich kenne Metal-Typen, Emos, Skater, Prolos, ja sogar Neuzeit-Hippies und jede Menge Rasta­fari. Ich verstehe Aspekte und Gründe warum sie so sind, wie sie sind. Auch wenn ich mich mit keiner dieser Szenen komplett identifizieren könnte. Denn dazwischen liegen so viele Facetten, die ich nie außer Acht lassen wollen würde. Die Frage ist, kann man überhaupt nicht zu einer Szene gehören? In irgendeine Schublade passt doch jeder von uns. Und wenn man wirklich so anders ist, dass jede Zuordnung zu einer Sparte eine Beleidigung wäre, begründet man eben etwas Eigenes. Denn Szenen basieren auf Lebenseinstellungen. Und die muss man ja mit niemandem teilen. Dazu kommt, dass sich mit der Zeit alles ändert. Jede Meinung, jede Ansicht, jede Einstellung wandelt sich im Laufe eines Lebens. Ich war zum Beispiel mal Metal-Punk-Alternativ-Gruftie. Und jetzt? Würde ich mich als außergewöhnlich speziellen Normalo bezeichnen.

15 Foto: Wolfgang Schnuderl


Titelthema

I lost my virginity, but not my identity Über das Glück, in der Stadt zu leben, die wochenendliche Liebe zum Land und den fliegenden Wechsel zwischen urbanem Bourgeoise und dialektalem Landei.

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ama und Papa weinen. Zumindest innerlich. Das letzte ihrer drei Kinder verlässt die waldumwachsene, behütete Heimat Richtung krimineller, von Prostitu­ ierten und Drogendealern belebter Stadt, die gerade mal 40 Minuten von der ach so heimeligen Welt der Eltern entfernt liegt. Gerade das ist verlogen. Denn in meinem Heimatdörfchen gibt es mehrere gefundene Leichen, Drogenplantagen, Feuerteufel, rätselhafte Tode, Affären, Tratsch der übelsten Sorte und einen Mörder. Diese Fakten konzentrieren sich auf 72 Menschen. Da kann Graz (in Relation) bestimmt nicht mithalten. Ach, Graz. Die große Stadt. Das

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Verlassen des gemachten Nestes in Richtung graue Welt des Unbekannten kommt einem wie ein neues Leben vor. Neue Wohnung, neue Menschen, neues Leben. Ein Panoptikum an unwiderstehlichen und widerlichen Dingen. Vor allem der dunkle Mantel der Nacht führt einen in Versuchung und repräsentiert das große Glück in einer Stadt zu leben. Es gibt hier so viele verschiedene Möglichkeiten Anregendes zu erleben, um sich selbst weiterzuentwickeln. Da sind die heraufbeschworenen Ängste der xeno­ phoben Nachbarn schnell vergessen. In Momenten aber, in denen einem die Stadt zu viel, die Menschen zu ruppig und die Luft zu feinstaubig

Text: Kevin Recher

werden, kann man noch immer am Wochenende aufs Land flüchten und sich an der Natur und an der packerlsuppen- und fertignudelfreien Kochkunst der Mama laben: Aufg’setzte Henn’, Schweinsfischerl und Frittatensuppe in ihrer Formvollendung. Denn selbst wenn man dem Land den Rücken gekehrt hat: so einfach lassen sich 20 Jahre Weltfremdheit nicht abschütteln. Egal ob persönliche Veränder­ ungen und Erfahrungen, irgend­ wie bleibt die Identität des Landes in einem verwurzelt, wie gutmütige Metastasen. Vor allem am Wochenende, wenn man zurückkehrt, ins Nest, aufs Land, nach Hause.


Titelthema

Und wie viel

Österreicher steckt in dir? Woran erkennt man einen Österreicher im Ausland? Gar nicht! Selbstkritische Betrachtung einer Studentin im Auslandssemester. Text: Elke Schlögl

Foto: Wolfgang Schnuderl

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remde Sprache, unbekannte Kultur – das verbindet man normalerweise mit einem Auslandssemester. Ein Semester in der Schweiz ist deshalb für mich als Österreicherin keine große Heraus­ forderung. Dachte ich zumindest. Die Realität sieht jedoch anders aus. Da sind auf der einen Seite die Schweizer, deren Schwitzerdütsch mit Deutsch nicht mehr viel gemein zu haben scheint. Nach fast zwei Monaten fällt es mir immer noch schwer, einer Unterhaltung zu folgen. Mein Glück, dass die Schweizer sofort zur „Hochsprache“ wechseln, wenn sie mein ratloses Gesicht sehen. Und dann sind da andererseits noch meine Mitbewohner, 80 an der Zahl. Ich wohne in einem Wohnheim in Winter­thur, hauptsächlich mit Eras­­mus Studenten. Die meisten kommen aus Frankreich, Spanien oder Italien – was zu einigen sprachlichen Hindernissen führt. Vor allem meine französischen Mitbewohner haben oft so ihre Schwierigkeiten mit der englischen Sprache. Es sind auch die Franzosen, die ihre Herkunft mit jedem Wort in die Welt hinausposauen. Ihr Akzent ist ebenso unverwechselbar wie ausgeprägt. „How do you say that in Austrian?” „Und woher bist du, Deutschland?“

Dass ich aus Österreich komme, fällt niemandem auf. Mein Dialekt ist nicht allzu ausgeprägt, was eine Verkäuferin unlängst bemängelte: „Du bist aus Österreich? Ja warum österreichelst dann denn nicht?“ Manch einer weiß auch nicht ganz genau, wo Österreich überhaupt liegt. Und von Graz hat ohnehin kaum jemand etwas gehört. Es ist auch nicht jedem bekannt, welche Sprache man bei uns spricht: „How do you say that in Austrian?“ Aber will ich überhaupt als Öster­ reicherin erkannt werden? Ist das ein so großer Teil meiner Identität? Wirklich wichtig ist es mir nicht. Ich bin auch nicht stolz darauf, aus Österreich zu sein, denn ich wüsste nicht, worauf. Aber es ist nicht nur fehlender National­stolz, der mich kalt lässt, wenn man mich als „deutsch“ wahrnimmt. Für manch Anderen wäre es ja eine Beleidigung, als „Piefke“ gesehen zu werden. Ich fühle mich nicht unbedingt wie eine Österreicherin. Natürlich, ich bin in Graz geboren und habe bisher dort gelebt. Aber deshalb bin ich diesem Land nicht mehr verbunden, als anderen auf dieser Welt. Ich fühle mich hier in der Schweiz genauso zu Hause wie in Graz. Und ich bin mir sicher, dass die Schweiz nicht das letzte Land sein wird, das ich zu meinem Zuhause machen werde.

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Titelthema

Reis oder Kartoffel Text: Thuy Nguyen

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Was bin ich? Was macht mich aus? Wo gehöre ich hin? Die Frage nach der Identität ist eine, die sich jeder ab einem bestimmten Punkt in seinem Leben stellt. Die Antwort zu finden, kann manchmal ein Leben lang dauern und durch die Nationalität erschwert werden.


Titelthema

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uch ich stellte mir ab einem gewissen Alter diese Frage. Mittlerweile scheint die Antwort darauf immer klarere Formen anzunehmen. Mittlerweile bin ich 20 Jahre jung. Mittlerweile bin ich Studentin im 1. Semester eines gestalterischen Studiengangs. Und mein Name ist Thuy: Hallo! Insbesondere bei Menschen mit Migrationshinter­ grund, wie mir selbst, spielt die Nationalität oder das nationale Zugehörigkeitsgefühl eine entscheidende Rolle in der Identitätsfindung. Geboren und aufgewachsen bin ich in Deutschland. Zur Uni gehe ich in Deutschland. Mein Umfeld und die Mehrheit meiner Freunde sind deutschstämmig. Ich spreche fließend Deutsch. Bin ich also Deutsche? Erzogen wurde ich von meinen vietnamesischen Eltern. Mit vietnamesischen Kultureinflüssen, Tradit­ionen und Gerichten. Aufgewachsen bin ich unter vietnamesischen Immigranten. Ich sehe asiatisch aus. Ich spreche auch ein wenig Vietnam­ e­ sisch. Bin ich also doch eher Vietnamesin? Und auch ein Blick in meine Papiere löst diese Frage nicht. Da es mir relativ egal war, was für eine Staats­ angehörigkeit in meinem Pass steht, beschloss ich aus rein bürokratischen Vorteilen - mich einbürgern zu lassen. So hatte ich bis zum Mai letzten Jahres noch die vietnamesische Staatsbürgerschaft. Jedoch: im Prozess der Einbürgerung, die dank der fleißigen Beamtenbienen reibungslos vorangeht, musste ich diese ablegen. Mittlerweile warte ich seit mehr als eineinhalb Jahren auf meine neue Staatsbürgerschaft. Den Fakten zufolge bin ich momentan

staatenlos. Bin ich also ein Nichts? Der Konflikt, zu welcher Nationalität ich mich nun zugehöriger fühle, ist wohl einer, den ich mit vielen meiner Mitmenschen teile. Wir alle leben in einer deutschsprachigen Gesellschaft und Umgebung. Gehen in Schulen, wo deutsch gesprochen wird. Und die meisten von uns üben hier höchstwahrscheinlich später auch einen Beruf aus. Und dennoch, zu Hause oder privat erwartet sie eine gewisse Parallel­ gesellschaft. Eine andere Sprache wird gesprochen, anderes Essen wird gegessen. Es gelten andere Regeln. Andere Sitten. Andere Traditionen. Solche, die eigentlich in ein komplett anderes Land gehören. Und dennoch existieren sie hier. Unter Menschen wie mir. Ich fühle mich weder wie eine Deutsche, noch wie eine Vietnamesin. Beide Kulturen haben mich be­ einflusst. Beide lebe ich aus. In beiden Gesellschaften habe ich einen gewissen Platz. Aber sie definieren nicht meine gesamte Identität. Sie sind ein Teil davon. Inklusive meiner über die Jahre gesammelten Erfahrungen, und derer, die ich noch sammeln werde, meiner Mitmenschen, den Medien und allen anderen Einflüssen. So wurde ich zu der Person, die ich heute bin. DAS ist für mich Identität und kann wohl kaum alleinig an der Nationalität festgemacht werden. Denn seien wir mal ehrlich: Kann man in einem Zeitalter der Globalisierung wirklich noch jedem eine eindeutige Nationalität zuordnen? In diesem Sinne: nicht Reis oder Kartoffel? Reisoffeln!

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Titelthema

TECHSPRECH: Kalender auf Mac, PC und Handy

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ehlt dir das richtige Tool, um deine privaten und universitären Termine online vom Handy und von jedem PC oder Mac aus in einem übersichtlichen Kalender zu verwalten? Dann überleg dir doch, ob nicht ein Kalender in der Cloud eine brauchbare Alternative für dich ist. Dazu gibt es seit Februar 2008 eine sehr nützliche Einrichtung, die es ermöglicht, gezielt Vorlesungen zu abonnieren und auf das Macbook, iPhone oder deinen Google Kalender zu laden. Besuche 1 4 7 1 http://almaty.fh-joanneum.at/stundenplan/ 1 4 7 2 5 8 2 Gib in das große Eingabefeld deinen Studiengang 1 Jahr „unter Anführungszeichen“ wie folgt 2 5 dein 8 3 und 6 9 31 ein: „Studiengangsabkürzung Jahr“. 2 31 4 6 9 7 Für den 2011er Jahrgang von Informationsdesign2

und Android-User 4 Für 7 GoogleKlicke anschließend mit der rechten Maustaste auf

5 4 6 4 5 5 3 6 3 6

2 wäre 5 das 8 z.B. „ind 2011“ Mit dieser Eingabe bekommst du alle Vorlesun3 6 9 gen des gesamten Jahrgangs. Wenn du gewisse

1 4 7 2 5 8 3 6 9

Füge in das Feld „URL“ den kopierten Link aus der Zwischenablage ein.

1 4 7

2 5 8 3 6 9

Für Apple-User (MacBook oder iPhone): Klicke auf „Ergebnisse als iCalender abonnieren“. Die Suchergebnisse werden so direkt in dein Kalenderprogramm des Gerätes integriert.

8 7 9 Öffne 7 den Google Kalender über www.google.com/ 8 calendar und logge dich ein. 8 9 anschließend auf den Pfeil rechts neben dem Klicke Feld 9 „Weitere Kalender“ und wähle „Über URL hinzufügen“.

Gruppen ausblenden willst, ergänze die Suche zum Beispiel nach dem Muster: „ind 2011“ -gruppe:ga, -gruppe:gb, -gruppe:gc Drücke „Suche“

„Ergebnisse als iCalendar abonnieren“ und kopiere den Link.

Klicke „Kalender hinzufügen“. Dein FH-Stundenplan wurde deinem Google Kalender erfolgreich hinzugefügt und wird sich auch automatisch aktualisieren.

Meine AK. Ganz groß für mich da. Wir wollen bei Verträgen nicht über das Kleingedruckte stolpern. Frauen | Konsument | Jugend | Arbeitsrecht | Bildung

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KULTWERT!

Kultwert! Das neue Semster ist schon in vollem Gange und der Winter steht auch langsam an. Im Grazer Schauspielhaus gibt der Autor Daniel Kehlmann sein erstes Theaterstück zum besten. Ob „Geister in Princeton“ wirklich Kultwert hat, muss jeder für sich entscheiden. Hier vorab ein kleiner Einblick. Der ewige Kreislauf

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as Leben sei ein ewiger Kreislauf: Wie ein Zug, der auf seiner Strecke an immer denselben Bahnstationen halte, bewege sich auch der Mensch lediglich von einer Haltestelle zur nächsten. Der Logiker Kurt Gödel ist der Protagonist in Daniel Kehlmanns erstem Theaterstück „Geister in Princeton“. Gödel, der unter Verfolgungswahn leidet, bewegt sich zwischen Genie und Wahnsinn beziehungsweise Logik und Vernunft, wie uns das Stück zeigt. Kurzweilig, amüsant und trotzdem tief philosophisch – „Geister in Princeton“ überrascht auf sämtlichen Ebenen. Eine Trauerfeier mit wenigen Gästen. Aus Respekt vor dem begnadeten Wissenschaftler Kurt Gödel werden Kippas (=jüd. Kopfbedeckung, Anm. d. Red.) getragen. Seine Frau schüttelt den Kopf: „Er war kein Jud´“. Doch trotz der vielen Jahre Ehe wisse die Witwe sehr wenig über ihren Ehemann. Auch der verstorbene Gödel ist bei seiner Beerdigung anwesend - für ihn ist das Sterben nur eine weitere Haltestelle des ewigen Kreislaufs. Die Boten des Todes begleiteten ihn bereits zu Lebzeiten. Gödel diskutierte mit den Geistern ehemaliger Kollegen, die ihm einredeten, dass man ihn vergiften wolle. Vor lauter Angst einen solch qualvollen Tod zu erleiden, verweigerte er schließlich jegliche Nahrungsaufnahme.

zu den bekanntesten Autoren Österreichs zählt, konnte mit seinem Theaterdebüt erneut sein riesiges Talent unter Beweis stellen. Mit seiner Wortgewandtheit schafft er es, die komplexen Thesen Gödels für die breite Masse verständlich zu machen und das Publikum auf eine Reise zu führen, in der Zeit ihre normierte Rolle verliert. Neben einem gut durchdachten Bühnenbild trumpft das Grazer Schauspielhaus mit seinen gran-

diosen Schauspielern auf. Geschickt verflechtet Kehlmann Fakten und Fiktionen und zeigt anhand seines verkorksten Protagonisten die schmale Linie zwischen Genie und Wahnsinn auf. Im Endeffekt ist es der selbstzerstörerische Rationalismus Gödels, der den begnadeten Denker das Leben kostet.

Zwischen Genie und Wahnsinn Daniel Kehlmann, der seit seinem Bestseller „Die Vermessung der Welt“

Text: Sophie-Kristin Hausberger Illustraton: Lukas Nöckler

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Special: Eurotours

Ich spreche

Ljubljana! Rund zwei Millionen Menschen leben in Slowenien. Knappe 0,03 Prozent der Weltbevölkerung sprechen Slowenisch. Der große SprachenBruder, wie Österreich ihn in Deutschland hat, fehlt dem Land. Deshalb sind die Slowenen gezwungen, ihren sprachlichen Horizont weiter zu fassen. Eine Betrachtung des Sprachenreichtums im kleinen Nachbarland. Text: Julia Slamanig

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hre kurzen weißen Haare stehen vom Kopf ab, wellen sich ein wenig. Ihr lachsfarbener Mantel tarnt schmächtige Arme. Am Ende der Ärmel kommen zerknitterte Hände zum Vorschein, ruhen verschränkt im Schoß. Zwischen ihren Beinen steht ein beiger Stoffsack, voll bis zum Rand. Die kleine Frau ist Ende siebzig. Der Bus, in dem sie sitzt, fährt stadt­ auswärts. Die Herbstsonne fällt vom Westen schräg durch die Fenster und macht Staub in den Fugen, Schmutz auf den Sitzen sichtbar. Zwei Stationen nach mir steigt sie in den grünen Linienbus ein und setzt sich neben mich. Wir sind noch gar nicht losgefahren, spricht mich die alte Dame schon an, auf Slowenisch. Einfach so. Entschuldigend antworte ich in Englisch. Sie sieht mich kurz an, lächelt und plappert in Englisch weiter. Als ich erzähle, dass ich aus Österreich komme, fährt sie in akzentfreiem Deutsch fort: „Seit 60 Jahren bin ich in Ljubljana. Zwölf Jahre war ich in Dachau.“ Zwischendurch streut sie englische Wörter in die deutschen Sätze. „Insgesamt spreche ich sechs Sprachen. Deutsch, Englisch, Slowenisch, Russisch, Kroatisch und Ungarisch.“

Diese zufällige Begegnung im Bus führte mir bereits am ersten Tag in Ljubljana vor Augen, wie inter­ national die 280.000-EinwohnerStadt ist, die bis vor 20 Jahren noch Teil Jugoslawiens war. Reinhard Zühlke aus Deutschland, Fachberater und Koordinator der Zentralstelle für Auslandsschulwesen in Ljubljana, nennt Deutsch als zweitwichtigste Fremdsprache in Slowenien, an erster Stelle stehe Englisch. „Seit die Grenzen geöffnet sind, ist die Nachfrage nach Deutsch immer größer geworden“, erzählt Suzana Vezjak, Assistentin am Österreich Institut in Ljubljana, „die Deutsch-Intensivkurse sind im Moment für ein Monat im Voraus ausgebucht.“ Phänomen „Fernsehkinder“ Alte Slowenen können Deutsch noch aus Zeiten des Krieges, junge Ein-


Special: Eurotours

wohner lernen es beim Fernsehen. Denn aufgrund der geringen Verbreitung der slowenischen Sprache werden Filme und Fernsehserien oft nicht synchronisiert. Wobei dieses vermeintliche Manko wohl weniger ein Nachteil, sondern vielmehr eine Bereicherung ist. Zühlke spricht vom Phänomen der Fernsehkinder: „Sie lernen heimlich Deutsch, indem sie österreichisches und deutsches Fern­ sehen, vor allem Kinder­ programme gucken. Die Eltern bekommen manch­ mal gar nicht mit, dass die Kinder auf diesem Weg Deutsch gelernt haben.“ Diese Kinder verstehen ausgezeichnet, können sehr gut sprechen, aber beim Schreiben haben sie große Probleme. Zühlkes Frau Carola unterrichtet am Gymnasium Bežigrad Deutsch. „Die Fernsehkinder unterhalten sich ganz toll mit mir, aber wenn sie zu schreiben beginnen, O Gott!“, erzählt

sie und lacht. „Ich habe aber auch eine Schülerin, die Deutsch nach Büchern gelernt hat, also Literaturdeutsch. Und so spricht sie auch.“

Die öffentlichen Verkehrsmittel sind günstig und das Essen. Ich genieße besonders das Wetter, den Winter, die Jahreszeiten.“ Gergana Nikolova (26) aus Bulgarien „Lauschiger Ort“ mit Kosmopoliten studiert seit zwei Jahren in Ljubljana. Von den 280.000 Einwohnern in In ihrem Heimatland sei im Gegensatz Sloweniens Hauptstadt, sind etwa zu Slowenien Korruption an der Tages­ 65.000 – fast ein Viertel – Studenten. ordnung: „Man muss oft bezahlen, um „Ein ruhiger, gemütlicher Platz“, eine Klausur zu schaffen.“ beschreibt Student Armando Garcia aus Brasilien (Sao Paulo) Ljubljana, „trotzdem eine sehr kosmopolitische Stadt. Überall sind Menschen verschiedener Länder.“ Der 26-jährige Brasilianer studiert seit vier Jahren im „Herzen Europas“. „Bei NachDie Deutsch-Intensivkurse forschungen über Osteuropa hat sich sind im Moment für ein Slowenien als das am meisten entMonat im Voraus wickelte Land herausgestellt“, erzählt er von seinem Studienort. Außerdem ausgebucht. sei das Leben hier nicht teuer. „Es gibt Suzana Vezjak, Assistentin großartige Angebote für Studenten. Österreich Institut, Ljubljana

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Special: Eurotours

So wie Armando und Gergana studieren viele Ausländer in Ljubljana. Dementsprechend international ist auch die Schulbildung in der Stadt, vom Kindergarten bis zum Abitur. Während meiner Recherchereise habe ich eine amerikanische Schule besucht. Die QSI (Quality Schools International) liegt am Stadtrand, am Ende einer Sackgasse an einem Wald. Es ist 15 Uhr, die Kinder der Vorschule tollen zwischen den Bäumen, klettern, schaukeln, spielen mit Riesenbällen. Zwei Jungs, etwa vier Jahre alt, sammeln Laub in einer Schubkarre. Ein blondes Mädchen steht daneben und gibt Anweisungen, auf Englisch. Direktor Jay Loftin hantiert mit einer Strickleiter an einem Baum. „Wir haben 52 Schülerinnen und Schüler, im Alter von drei Jahren bis zum Highschool-Abschluss im Alter von etwa 18 Jahren. Auf sieben Schüler kommt ein Lehrer. Dieses Verhältnis ist wunderbar.“ Nach und nach treffen Erwachsene ein, holen die Kinder ab. Das blonde Mädchen, das vorhin noch die Jungs auf Englisch herumkommandiert hat, spricht nun Deutsch. Ein kleiner Junge redet auf Slowenisch auf seine Mama ein. „In der Vorschule haben wir 17 Kinder mit zehn verschiedenen Sprachen. In der QSI wollen wir eine globale Gemeinschaft mit vielen verschiedenen Kulturen schaffen.“ Ein Drittel der Schüler sind Amerikaner, ein Drittel Slowenen und das letzte Drittel kommt aus anderen Ländern. „Ich finde das Bildungssystem in Slowenien sehr zukunftsweisend“, sagt Direktor Loftin, „die Lehrer sind hier sehr qualifiziert.“ Gutes Zeugnis für Sloweniens Schulen Auch Zühlke lobt: „Die Schulen finde ich gut organisiert, die Lehrer sind gut ausgebildet.“ In Slowenien sei man bemüht, für die Ausbildung viel zu tun. „Die Schulen sind großteils wunderbar ausgestattet.“ Von Whiteboards, Beamer, elektronischen Tafeln bis hin zum

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Auf sieben Schüler kommt ein Lehrer. Dieses Verhältnis ist wunderbar. Jay Loftin, Direktor QSI

klimatisierten Klassenzimmer fehle es in manchen an nichts. „Teilweise schneiden die Schulen in Slowenien sogar besser ab, als die in Deutschland“, so Zühlke, „im Großen und Ganzen war Slowenien für mich eine große positive Überraschung.“ Ebenso wie Reinhard Zühlke war ich von Ljubljana positiv überrascht. Die Schulen, die ich besucht habe, können mit denen in Österreich gut mithalten. Sprachbarrieren lösen sich meist in Luft auf – ich habe mich mit 90 Prozent der Menschen auf Englisch oder sogar auf Deutsch verständigen können. Drago Jančar, einer der bekanntesten zeitgenössischen Autoren Sloweniens, wurde 2004 – als Slowenien der EU beigetreten ist – gefragt, ob er sich vor einem Verlust der Identität, vor allem der slowenischen Sprache, fürchten würde. „Ich habe geantwortet, dass wenn die Slowenen ihre Sprache und Kultur nicht bewahren können, sie nicht Wert seien, eine zu haben“, erzählt er. „Wir leben nun in einem großen offenen Bereich, wo alle über die Vielfalt an Kulturen sprechen, das hat großen Wert. Also warum sollen wir uns davor fürchten, sie zu verlieren? Ich glaube nicht, dass jemand in naher Zukunft seine Individualität oder Identität verlieren wird.“ Vor allem junge Menschen in Slowenien fühlen sich seiner Meinung nach als Europäer. „Sie haben ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zur Öffnung der Grenzen. Alles ist offen für ihr Leben, ihre Zukunft.“


KOMMENTAR

Campus Mythen Ich denke manchmal an meine Volksschulzeit zurück. Einmal schimpfte meine Lehrerin mit mir, weil sie dachte, ich hätte ihr die Zunge gezeigt. Das habe ich allerdings nie getan. Ich hatte lediglich eine störende Zahnlücke und die Angewohnheit, andauernd mit meiner Zunge den nachrückenden Zahn zu ertasten. Ein Tick, der leicht

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missverstanden werden kann. Ich musste nachsitzen - eine Schmach! Ich war frustriert, doch ich konnte damit umgehen. Einigermaßen. Manche können das nicht so gut – sie üben sich in Rache. Wenn es ihnen schwierig erscheint, sich an bestimmten Menschen zu rächen, dann richten sie ihre Aggression gegen unbelebte Ge-

genstände. Diese Aggression kann verschiedenste Ausprägungen haben. Einige schleudern Kugelschreiber gegen Wände, andere zünden Häuser an. Auch an unserer Fachhochschule gibt es frustrierte Menschen. Das erkennt man, wenn man morgens ganz genau in die Gesichter der Entgegenkommenden blickt. Zeit wird es nun, zum Punkt zu kommen: Ja, es spukt wieder einmal im joanneischen Hause. Da hörte ich vor kurzem von einem Zwischenfall: Jemand verstopfte mutwillig den Abfluss eines Waschbeckens, um über Nacht ein Stockwerk eines Gebäudes zu überschwemmen. Und auch in anderen Teilen des Hauses sollen eigenartige Dinge passiert sein. Die Gefahr lauert also unter uns. Wie gruselig. Ein Akt der Desillusionierung? Ein ­böser Streich? Egal was es war, diese Tat erinnert mich auf jeden Fall an frustrierte Volksschüler. Nur diese hätten sich wahrscheinlich schon erwischen lassen. Text: Matthias Alber

25 © Felicia Sonberger


Special: Eurotours

Vier gegen das System Zusammen mit drei anderen jungen Leuten hat Kim-Fabian von Dall’Armi versucht aus dem System auszubrechen und etwas Eigenes auf die Beine zu stellen: Ein selbstorganisiertes Abi! Letztendlich sind sie an der Bürokratie gescheitert. Ein Rückblick. Interview: Hubertus J. Schwarz

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as Projekt Freies Abi ist jetzt zwei Jahre her. Hast du das Ganze für dich schon verdaut? Wir vier haben uns letzten Herbst getroffen um alles aufzuarbeiten. Das war gut, hat uns aber auch nochmal gezeigt, wo wir gescheitert sind. Vielleicht war es auch mal wichtig auf die Schnauze zu fliegen. Aber es hätte nicht so passieren sollen. Wir standen damals da und hatten diese Idee. Wollten auch wirklich was leisten. Ist ja nicht so, dass wir nur gechillt haben. Wir nahmen sogar den Mehraufwand auf uns. Alles was wir wollten war nur, dass man es uns probieren ließ. Was hat den Anstoß für diese Idee des Freien Abis gegeben? Irgendwann kommt die Frage: Abi ja oder nein? Wir hatten dabei irgendwie das Gefühl, dass das Abitur, wie es heute besteht, nur eine ganz bestimmte Art zu lernen zulässt. Wir haben uns gesagt: Diese Konditionierung auf eine Abfrageprüfung, das kann doch nicht sein, dass das wirklich eine Reife­ prüfung ausmacht. Aber dieses Gefühl war noch nicht der Anstoß für das Projekt. Doch, das war unser Ansatz. Das Gefühl, dass dieses reine Abfragen von Fakten, ohne zu hinterfragen, eine ganz unzeitgemäße Art ist, mit Dingen umzugehen. Wir haben es damals für uns so formuliert: wir stehen

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vor dieser Welt und diese Welt brennt und eigentlich braucht es viel mehr als einfach nur Englisch, Deutsch und Mathe. Es braucht Handlungs­ kompetenzen um Verantwortung zu über­nehmen. Was war für euch daraus die logische Konsequenz? Wir haben uns gesagt: Ok, wir wollen das Abi! Aber es muss doch möglich sein, sich diesem anders zu nähern. Und dann entstand unsere Idee: Man


GRENZGÄNGER

Gewachsen. Der Druck in den Schulen nahm durch die PISA-Studien stark zu. Darunter leiden Schüler wie Lehrer. Kim-Fabion von Dall’Armi erzählt von einer mutigen Alternative.

könnte es nach der Regel versuchen, die es in Deutschland gibt, dass jeder in die Abendschule gehen kann, um sein Abi nachzuarbeiten. Das nennt man die Schulfremdenprüfungen. Aber diese Schulfremdenprüfung gilt eigentlich nicht für Schüler. In Hamburg hatten wir zu der Zeit eine grüne Bildungssenatorin, Frau Götsch. Sie hat ein Programm gestartet, das nannte sich „Selbstverantwortete Schule“ – SVS. Ihr Ansatz war: Wir

brauchen mehr Selbstbestimmung! Weil es bei guter Bildung darum geht, individuelle Qualitäten zu fördern. Wir haben uns dann gesagt: Ok, wir versuchen uns selber vorzubereiten auf das Abitur. Wir gründen eine eigene Schule. Die quasi als freie, selbst organisierte und selbstverwaltete Abiturvorbereitung funktioniert. Und damit sind wir zu Frau Götsch gegangen. Wie hat sie reagiert? Sie sagte: Ja, find’ ich total gut, total

klasse. Machen wir! Es war ab da also politisch Ok, aber wir mussten halt durch das ganze Administrative durch. Denn der Verwaltungsapparat hatte natürlich keinen Bock drauf, denn das bedeutet: Mehraufwand. Wir haben uns mit denen dort echt abgekämpft... Abgesehen von Frau Götsch. Wer hat euch noch unterstützt? Wir haben einen Antrag bei der EU gestellt. Nicht für das freie Abi. Das wollten wir selber finanzieren. Aber

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Special: Eurotours

Es geht darum, dass junge Menschen ausgebildet werden, um in dieser Gesellschaft Verantwortung über­ nehmen zu können

für Projekte und Seminare rund herum. Denn das war uns von Anfang an wichtig: Unsere „Schule“ soll auch für andere einen Mehrwert haben, soll die Möglichkeit bieten, sich mit Themen und Fragen auseinanderzusetzen, die nicht im offiziellen Lehrplan verlangt sind. Deshalb haben wir alle zwei Wochen öffentliche Seminare veran­ staltet, regelmäßig einen „KulturcafeAbend“ organisiert, Filme gezeigt, Bilder junger Künstler ausgestellt... Von der GLS-Stiftung (Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken, Anm. d. Red.) haben wir Geld als Unterstützung bekommen. Für Raumeinrichtung etc. Und so konnten wir uns, mitten im Herzen von Hamburg, eine wirkliche nice Location organisieren: Ein altes Backsteinhaus, Hinterhof, mit 45 Quadratmetern, Toiletten, Küche und allem Drum und Dran. Was ist für euch mit dem Abitur nicht in Ordnung? Das Abitur ist ja in den letzten Jahren immer wieder „nachgebessert“ worden. Ich würde sagen, verschlimmbessert. Also viel mehr reguliert, zentrale Prüfung und so weiter. All das, um vergleichbare Standards zu schaffen – so ein Schwachsinn! Es geht hier ja nicht um Standards. Es geht darum, dass junge Menschen ausgebildet werden, um in dieser Gesellschaft Verantwortung übernehmen zu können. Und da macht es doch gerade Sinn, sie zu er-

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mutigen selber aktiv zu werden. Aber was passiert, ist eigentlich, dass mehr und mehr eine krasse Bevormundung eintritt. Unter dem Deckmantel der Vergleichbarkeit und der Qualitäts­ sicherung – eine total absurde Sache. Der Haken beim Schulfremdenabitur ist, dass es viel, viel schwieriger ist als das normale Abi. Bis heute ist mir nicht ganz klar, ob die Behörde uns ver­arscht hat. Was war bei den Anforderungen denn letztendlich das Problem? Wir hatten uns halt vorbereitet auf den Rahmenplan der Oberstufe für die Abiturfragen. Wir dachten der gilt. Und ich bin mir auch sicher, dass wir richtig lagen. Die Behörde meinte dann aber aus heiterem Himmel im September: Nee, die Vorgaben die ihr da habt, die sind für das Schulabitur. Aber ihr macht ja das Schulfremdenabitur. Die haben uns dann eine Liste vor die Nase gesetzt, mit dem was wir wissen müssen. Und wir standen davor und dachten nur: Oh mein Gott! Zum Beispiel in Deutsch sollten wir, von der Aufklärung bis heute, sämtliche Literatur – also jeder Gattung und jeder Zeitepoche – jeweils die bekanntesten Werke in petto haben. Nicht für einen Leistungskurs, nur so, als grund­ legende Kenntnisse. Im Leistungskurs kommt dann noch die ‘Problematik der Ästhetischen Wertung in der Literatur‘ dazu. Ein Thema, das in der Oberstufe in Deutschland überhaupt nicht behandelt wird! Damit schlagen sich Germanistik Studenten im vierten oder fünften Semester herum. Und dasselbe in Mathe, Biologie, und so weiter. Am Ende waren wir dann eben nur noch zu viert. Der Rest von anfangs zwölf hat gesagt, er packt das nicht.

Habt ihr euch nicht gewehrt? Wir haben es halt trotzdem versucht. Und dachten wir würden das irgendwie schaffen. Aber irgendwann ging es halt nicht mehr. Gerade weil wir unsere Ziele so hoch gesteckt hatten. Mit all dem, was wir sonst noch getan und organisiert haben. Haben geile Ideen gewälzt. Daran sind wir alle wahnsinnig gewachsen, weil wir uns eben die Zeit für uns selber genommen haben. Was waren solche Themen, mit denen ihr euch beschäftigt habt? Zum Beispiel der Konflikt im Nahen Osten. Wir haben uns dann, weil wir Bock hatten, mit Palästina, Israel und dem Islam auseinandergesetzt. Mit der palästinensischen Gemeinde einen Filmabend organisiert und zwei intensive Seminare zum Thema Islam gehabt. Eben weil es ein dominantes Thema ist, und wir uns dazu ja irgendwie positionieren müssen. Ab welchem Zeitpunkt habt ihr ge­ merkt, dass das Projekt so nicht funktio­niert? Ende Oktober war klar, das packen wir nicht. Wir packen es nicht gleich­ zeitig Schüler, Unternehmer und Lehrer zu sein. Und daneben vielleicht noch ein Privatleben zu haben. Wir waren schließlich alle 18, 19 Jahre alt. Dann habt ihr das Projekt abge­ brochen? Ja, dann haben wir uns entschieden, wir beenden das Freie Abi. Und versuchen an eine normale Schule zu gehen. Zwei von uns haben gesagt: Ok, wenn das System uns fickt, ficken wir das System. Und sind nicht auf die Schule zurückgegangen. Wir anderen haben es versucht und sind dann glücklicher­


GRENZGÄNGER

uns zwar nicht komplett abgesägt, aber uns wurden doch viele Steine in den Weg gelegt. Das Absurde daran ist, dass wir andererseits von der EU knapp 8.000€ bekommen haben und die zu uns sagten: Wir brauchen genau solche Leute wie euch! Junge Leute, die neue Ideen haben.

weise an unserer ehemaligen Schule genommen worden. Die hatte unseren Versuch generell sehr wohlwollend betrachtet. Und wir haben uns da ja auch echt abgestrampelt wie die Bescheuerten. Was hat das mit euch gemacht? Als ihr das Projekt aufgeben musstet? Wir sind daran ziemlich zerbrochen. Denn der Verwaltungsapparat hat kein Interesse an neuen Strukturen. Null! Vielleicht nicht die Einzelpersonen. Die mögen total nette Menschen sein,

innovativ und kompetent. Aber die Verwaltungsmaschine ist träge bis ins Letzte! Und diese Erfahrung, die hat uns echt zu schaffen gemacht. Wie stehst du jetzt dieser Bildungsver­ waltung gegenüber? Ich würde gern den einen oder anderen im Verwaltungsapparat mal einen Kopf kürzer machen. So nach dem Motto: Wacht auf! So könnt ihr nicht mit jungen Leuten umgehen. Mit Leuten, die sich engagieren wollen. Das Hamburger Bildungsministerium hat

Was hättet ihr besser machen müssen? Wenn wir mehr Leute gewesen wären. Vielleicht - wie zu Beginn - zwölf, statt vier. Damit wir die administrativen Aufgaben hätten teilen können. Wenn wir uns wirklich ein Jahr vorbereitet hätten. Also von Januar 2009 bis zu den Prüfungen im Februar 2010. Und nicht erst ab September. Vorallem, wenn wir alles rund um das Abi abgespeckt hätten, die ganzen Seminare, Veranstaltungen und Projekte - dann wäre es aber reizlos, wieder nur reine Konditionierung auf fremdbestimmte Anforderungen. Und genau das wollten wir ja nicht!

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KOMMENTAR OMMENTAR

Pack deine Brüste ein! Jeden Morgen dieselbe Frage: Aufstehen? Und wenn ja: Was soll ich anziehen? Wir Frauen haben es nicht leicht. Wenn es dann auch noch um einen Job geht, wird „Dress for Success“ zum Mantra und Styling­sünden warten hämisch grinsend auf ihren Einsatz. Text: Natanja Reitner

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KOMMENTAR

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m Moment der Zusage eines Vorstellungsgesprächs teilt sich die Frauenheit in zwei Typen. Typ 1 fragt sich sofort: „Was soll ich (verdammt noch mal) anziehen?“ Typ 2 geht alles andere durch den Kopf, denn die Kleiderwahl ist schon längst getroffen: der obligatorische MaturaHosenanzug. Wie so oft in der Welt der Extreme entsteht ein blinder Fleck. In diesem Fall ist dieser das Ziel eines Vorstellungsgesprächs: sich selbst so gut wie möglich zu verkaufen. Und mal ganz ehrlich: Ich kaufe keine Schokolade, sei sie noch so gut, wenn sie in altes Zeitungspapier oder fettige Servietten gewickelt ist.

Stylingversuche. Auch nicht dafür, die „Best (Body) Assets“ zu zeigen. Die Kleidung soll Professionalität, Per­sönlichkeit und eine gewisse Wert­ schätzung gegenüber der Gelegen­ heit widerspiegeln. Blazer und Jacken lassen sich toll mit Stoffhosen kombi­ nieren, ohne den altbackenen Beigeschmack eines traditionellen Hosen­ anzugs. Ihr dürft/sollt euch auch in Kleider kleiden, solange sie lange sind. Zu viel zeigt nur diejenige, die zu wenig zu bieten hat. Statt Arroganz, bitterer Miene und Angeberei lieber gut zuhören, lächeln und dann gezielt auf die eigenen Stärken hinweisen.

Burning down the House(nanzug) Man muss seinen Feind kennen, demnach hier die Definition des allwissenden Wikipedia: „Als Hosenanzug wird in der Damenoberbekleidung ein Ensemble aus Jacke und langer Hose aus gleichem Stoff bezeichnet. Darunter wird meist eine Bluse getragen.“ So weit, so gut. Jetzt meine Frage: Inwie­ fern spiegelt ein „Ensemble aus Jacke und langer Hose“ eure Persönlichkeit wider? Meist sitzt der Blazer schlecht und die „scharfe“ Bügelfalte sagt eher „Buttermesser“ als „Armeemesser“. Hosenanzüge vermitteln oft einen verbissenen, traurigen, trockenen Eindruck. Das ist das Letzte, was man in einem zukunftsweisenden Gespräch vermitteln möchte.

Die Außenseite eines Menschen ist das Titelblatt des Inneren Ganz klar, die Kleidung soll nicht die erste Priorität bei einem Vorstellungsgespräch sein. Diese Aufgabe haben Vorbereitung, Recherche und starkes Auftreten. Aber die „Verpackung“ der ganzen Effizienz und Kompetenz ist, so gerne wir auch weniger oberflächlich wären, ein Faktor. Fühle ich mich in meinem Outfit wohl und zeigt es ein wenig, wer ich bin, kann ich mich ganz anders präsentieren. Dann hibble ich nicht auf meinem Stuhl herum, weil das „Ensemble aus Jacke und langer Hose“ schlecht sitzt. Dann muss ich auch nicht alle 30 Sekunden mein Dekolleté richten oder meinen Rock herunter ziehen. Dann bleibe ich gelassen, authentisch und konzentriert. Denn: There is no second chance for first impression (so: nail it!).

Zieh dir bitte etwas an Ein Treffen mit den zukünftigen Arbeitgebern ist nicht die Zeit für

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STUDY ABROAD

G’day, mate! Oder: Als ich den Mythos des gegen den Uhrzeigersinn abfließenden Wassers entzauberte. Text und Bild: Hannah Mayer

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ogbuch der Enterprise Hannah Banana; Sternzeit MA2412 Auslandssemester. Wir schreiben November 2009. Während manche glücklichen Vertreter der Spezies MIG08 (MIG: Management internationaler Geschäftsprozesse) sich bereits seit langem bewusst sind, wo sie das bevorstehende Auslands­ semester hin verschlagen solle, durchforsten andere, weniger entschlossene Seelen zum 478. Mal die Liste der Partnerunis. In der Hoffnung, beim 479. Durchgang doch noch ihre Uni des Herzens zu finden, welche man die ganze Zeit schlichtweg übersehen hatte. Dann, selbstverständlich, würde die Entscheidung leicht fallen. Und im Bestfall gäbe es auch niemand anderen, der mit einem um den besagten Platz streiten würde. Schön wär’s! Aber – und ist euch der Konjunktiv aufgefallen? – ce n’est pas la vie, meine Damen und Herren! In Wirklichkeit kennt nämlich ein Jeder die Liste schon längst auswendig und ist bereits seit Tagen, wenn nicht Wochen, am Grübeln wo/wann/wie diese Odyssee namens Exchange Semester denn losgehen soll. Ich glaube, mich erinnern zu können, als Kind eine Dokumentation über Australien gesehen zu haben, in der es hieß: würde man einen Stab von Österreich aus durch die Erde rammen, den Erdkern passierend, käme man irgendwo im australischen Outback wieder raus. Diese Vorstellung erschien mir doch somewhat appealing. Dessen eingedenk (!) füllte ich am letzten Tag der möglichen Abgabe die Partneruni-Präferenzliste aus und setzte die Victoria University (VU) in Melbourne als meine #1, kritzelte pro forma noch eine zweite und dritte Wahl hin und wartete erstmal ab. Und wir – damit schließe ich meinen Studienkollegen Manuel, der sich ebenfalls für Melbourne qualifiziert hatte, mit ein – warteten sogar eine Zeit lang. Es kamen zunächst ein paar konfuse Infos, denen zufolge

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diese beiden Plätze doch nicht so sicher seien. Und, ah ja, hab´ ich schon erwähnt, dass wir danach wieder eine Weile gewartet haben? Letzten Endes war es doch fix und die Erleichterung schien kaum ein Ende zu nehmen – knapp ein halbes Jahr in der Heimat von Crocodile Dundee war greifbar nahe. Mit diversen Känguru-Witzen bewaffnet, gerade an der Grenze der erlaubten 23kg Gepäck kratzend und mit massig vielen Aussie Stereotypen ausgestattet, ging die Reise ins Unbekannte mit Juli 2010 los. Ein Reise, die mich zuerst ein Monat durch Südost-Asien führte, bevor ich – dann mit meinem VU-Kumpanen Manuel vereint – auf der größten Insel der Welt mit dem klingenden Beinamen Down Under strandete. Und es war kalt. Bitterkalt. Man möchte es kaum glauben, aber es gibt dort genauso einen Winter wie bei uns – nur eben im August. Damit erwies sich schon mal das erste Klischee – die ewige Hitze in Australien - (trauriger­ weise) als unwahr. Den ersten Kälteschock überwunden, folgte die nächste Hürde sogleich. Du denkst, du kannst Englisch? In


STUDY ABROAD

Wechselhaft. Road Trip in der Nähe von Mission Beach, Queensland (li) und Ausflug zum Mt Field, Tasmanien (re).

Unten. v.l.n.r.: Manda (schwedische Road-TripGefährtin), ich, Manuel (zweiter MIG08-Gesandter) am Whitehaven Beach, Whitsunday Islands, Queensland. Links. entlang der Great Ocean Road, Victoria.

Australien heißt das nicht unbedingt viel, denn wenn man einem „Landei“ begegnet, das gerne mal seinen „bogan“ Slang auspackt, dann hört sich das in etwa so an: „Bahnhof, Bahnhof, Bahnhof... Nicht zu vergessen: Bahnhof!“ Meine Wenigkeit, in einem riesigen sharehouse mit zwei Australiern, drei Iren sowie einem Engländer wohnend, war bald mal Akzent-technisch versiert, sodass mich so schnell kein Dialekt mehr aus der Fassung bringen konnte. In eben diesem Hause wurde ich außerdem dahin­gehend desillusioniert, dass mir die Praxis bewies, australisches Abwasser habe keine Vorliebe dafür, entgegen des Uhrzeigersinns abzufließen. Welch herbe Enttäuschung! Was den eigentlichen Zweck dieser Reise, nämlich das Semester an der VU, anbelangte, so verfolgte ich die wenig atypische, rund um den Globus durchaus weit verbreitete Studierenden-Strategie: An zwei auf­ einanderfolgenden Tagen alle Uni-Kurse reinquetschen, den Rest der Woche reisen. So kam es, dass ich die VU immer nur dienstags und mittwochs besuchte. Wenig verwunderlich also, dass ich mich oftmals mit gleichgesinnt-

en Studierenden mit ähnlichem Stundenplan-Layout zusammenschloss, um das Land (und damit in meinem Fall konkret Tasmanien, Sydney & New South Wales, das Red Center, sowie die gesamte Queensland-Küste und nicht zuletzt beinahe ganz Victoria) zu erkunden. Für den größtenteils durch die Eltern finanzierten Geldbeutel (insbesondere bei dem damaligen Wechselkurs) sehr belastend, für mich selbst mehr als bereichernd. Sogar heute noch, ein Jahr später, scheinen sämtliche Erinnerungen an mein Auslandssemester von einem flaumigen, märchenhaften Zauber umgeben zu sein; vielleicht auch deshalb, weil es besonders dieses Semester war, das mein Interesse an noch mehr internationaler Erfahrung geweckt hat. In diesem Sinne sende ich die besten Grüße von meiner derzeitigen Station, nämlich Moskau, gen Graz. Hannah Banana – over and out.

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STANDORTKOLUMNEN

Semesterstart in Kapfenberg Kapfenberg

Herbsttraditionen Bad Gleichenberg

W

ieder mal sind 3 Monate Sommerferien wie im Flug vergangen und die FH hat uns wieder. Traditionellerweise wird hier in Bad Gleichenberg das neue Studienjahr mit Sturm und Brettljause bei einem kollektiven Buschenschankbesuch eröffnet, so auch wieder in diesem Herbst. Neben der Wiedersehensfreude ist dieser Besuch auch von Neugierde, wie die „Neuen“ wohl sind, geprägt und schon deshalb für alle Studierenden obligatorisch. Mittlerweile stecken wir schon tief in unserem Semester und die ersten Prüfungen zieren unsere Stundenpläne. Schön langsam klopft das weihnachtliche Flair an unsere Tür: Lebkuchen in den Supermärkten, trübes Wetter und die Vorbereitungen für die Weihnachtsfeier (bemerkbar durch die wöchentlichen Glühweinstandl’n vor der FH). Es ist schön, zu sehen wie 10jährige Traditionen von Jahrgang zu Jahrgang weitergegeben werden. Wieder sind alle gespannt was für Höhepunkte bei der diesjährigen Weihnachtsfeier zu erwarten sind, die von den „Dritt-SemestlerInnen“ der Studiengänge Diätologie, Ergotherapie und Gesundheitsmanagement im Tourismus geplant und veranstaltet wird. Viele haben bei dem Wort Tradition eine eher negative Assoziation, denken an Veraltetes und Verstaubtes aber verbunden mit dem jungen, teilweise internationalen Esprit der Studierenden hier in Bad Gleichenberg, kann man von einer tollen Symbiose sprechen. Für mich wird dieses Wintersemester das letzte Semester in Bad Gleichenberg sein. Auch wenn ich mich auf neue Herausforderungen sehr freue, so werde ich doch auch die FH-Kultur in „BG-Town“ sehr vermissen. Ich hoffe, der Spirit und die Traditionen bleiben auch in den nächsten 10 Jahren weiterhin erhalten. Text: Laura Wirth

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Wenn die Blätter bunt und die Tage kürzer werden, ist das nicht nur ein Anzeichen, dass der Herbst naht, sondern auch, dass das Wintersemester in Kapfenberg startet. Bereits zum 9. Mal in Folge hat der Studiengang Industriewirtschaft / Industrial Management (kurz: IWI) zum industrial Welcome Day geladen, was zugleich das IWI Semesteropening ist. Doch heuer war etwas anders! Nicht nur IWI begrüßte neue Studierende, sondern auch der Masterstudiengang International Industrial Management (IIM) startet mit diesem Semester neu in Kapfenberg. Umso größer muss gefeiert werden! Nach feierlichen Ansprachen stieß man mit dem Industrial Drink auf das neue Semester an. Auch die Bildung wurde nicht ganz vergessen, so gab es einen Vortrag von Julian Henco, seines Zeichens Sales Director für Emerging Markets und Asien der Hansgrohe AG. Er gab Einblick, was Emerging Markets sind und wie sie funktionieren. Bei der Fragerunde konnte man erkennen, dass dem Vortragenden nie das Wort fehlt und wie man in allen Lebenslagen richtig reagiert! Denn womit ent­ gegnet man auf die Frage, woran es liegt, dass ein hochwertiges Hansgrohe Produkt innerhalb weniger Monate zwei Mal kaputt geht? Man bleibt ganz locker und bietet an die Serviceabteilung einzuschalten. Respekt für die Gelassenheit! Nach diversen Berichten aus der Praxis ging es dann mit einem chilligen Ausklang weiter, der sicherlich noch lange, fernab der FH, weiter geführt wurde. In diesem Sinne wünsche ich allen ein erfolgreiches Winter­ semester 2011! Text: Birgit Gödl


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