joe07 Men Edition

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EDITORIAL

Editorial. Zur Ausgabe. Es ist nicht gleich Mann, wer wie das sprichwörtliche Rüsseltier dickhäutig durch den Porzellanladen weiblicher Gefühle galoppiert, als gäbe es kein Morgen. Oder röhrend im Walde steht und seine Hauer an den Stämmen wuchtiger Bäume reibt. Die 3 M’s, Muskeln, Macht, Masturbation: Das fällt zum Thema Mann ein - oft zurecht. Meistens kommt dann aber gleich noch ein liebevoll, stark oder „Kann Sachen reparieren“ hinterdrein. Beide Beschreibungen sind ungenügend. Die Testosterontanker, Marke Mann, wackeln mehr oder weniger unbekümmert über den Globus und freuen sich, wenn ab und zu eine schnittige Östrogenschaukel vorbeizieht und neckisch mit den Rückleuchten blinkt. Die Lackierung ist wichtig, Femina-mobila, die sich in den Farben des leidenschaftlich gehassten Konkurrenz-Klubs präsentiert, wird dann schon mal beim Überholen abgedrängt. Blitzt unter dem abblätternden Lack dann aber die blanke Karosserie durch, ist die Verschalung schnell vergessen. Solch ein Bild streift die Frage auch nur rudimentär. Aber es hilft. Testosteron hilft. Auch wenn es in Überdosis vieles von dem zunichtemacht, was Mann sich mühsam an Ruf als Dichter, Denker, Führer und Verführer aufgebaut hat. Testosteron als Schmiermittel des maskulinen, mannigfaltigen Mysteriums. Testosteron als Leitbild dieser vielfarbigen Ausgabe, die sich um und für und über euch, Männer, dreht. Und darüber wie bunt diese Welt ist, in der wir uns fragen: Wie sind wir eigentlich. Bunt oder manchmal auch farblos, facettenreich in jedem Fall, egal ob Mann, Macker, Jüngling, Herrchen, Gentleman, Monsieur, Alter, Kerl, Y-Chromosom-Träger, Bub oder Bursche. Werkbericht. Wer es noch nicht beim Aufheben bemerkt hat, der kann es hier noch einmal schwarz auf weiß nachlesen: joe 7 ist etwas ganz Besonderes. Zu Beginn des Jahres balancierte die joe-Redaktion auf einem Scheideweg – wir standen vor der Frage: Wie kann man die verschiedenen Interessen, Standpunkte und Erwartungen der vielen Menschen, für die es joe gibt und die damit zu tun haben, unter einen Hut bringen. Unsere Bilanz: es geht nicht. Zumindest nicht in der Form, die joe noch zu Beginn des Jahres hatte. Die Lösung: eine Doppelausgabe. Eine, die nicht nur die Vielfalt und Unterschiede zwischen Frau und Mann behandelt, sondern auch Gemeinsamkeiten mit dem Titelthema „Bunt“ aufgreift und damit vereint. Mit dieser Doppelausgabe knackt joe zum ersten Mal die Marke von 80 Seiten. Und so wie es kurz hinter München den Weißwurscht-Äquator gibt, jenseits dessen man in die exotischen Länder der Preußen kommt, so gibt es auch im Journalismus diese imaginäre Grenze von 80-Seiten, hinter der es für jedes Magazin völlig neue, phantastische Möglichkeiten aber auch Risiken gibt. Eine Klebebindung ist da nur der Anfang.

Kontakt: joe@fh-joanneum.at Alle News und weitere Informationen unter: | joemagazin

Mitmachen. Jedes Mal, wenn eine neue Ausgabe in den Druck geht, wirken daran andere mit. Auch joe 7 konnte nur entstehen, weil sich unterschiedliche Menschen dafür eingesetzt haben. Mit ihrem Engagement, ihrer Zeit, ihren Ideen und ihrem Können ist joe möglich. Das Einzige, was in der Arbeit der joe-Redaktion in Stein gehauen bleibt, ist der Bedarf an immer neuen Menschen, die ihren Teil zu joe beitragen. Mitmachen kann und soll jeder. Vollkommen gleichgültig, ob mit der Kamera oder dem Zeichenstift in der Bildredaktion, als Autorin mit Notizblock und gezücktem Kugelschreiber, als Lektorin oder was auch immer eure Interessen sind. MACHT MIT! Schreibt ‘ne Mail oder sucht joe auf facebook.

Hubertus J. Schwarz, Chefredakteur

Coverfoto: Wolfgang Schnuderl

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INHALT

Liebe Studenten,

dies ist eure Ausgabe. 40 Seiten nur für das starke, männliche Geschlecht! Wir bei JOIN haben in Zeiten der Genderei, der Feministischen-Referaten sowie den Diversity Studies auch kein leichtes Leben mehr. Immer muss darauf geachtet werden, dass alles p.c. (political correct) ist. Jeder Text wird kontrolliert, überarbeitet und gegendert bis vom eigentlichen Inhalt nur mehr wenig über ist! Sollen die Kinder wirklich Deutsch mit Sätzen wie: „Die/der Lehrende unterrichtet die StudentInnen bevor sie von der/dem BusfahrerIn nach Hause geführt werden.“ lernen? Aber ist dies wirklich notwendig nur um ja niemanden zu diskriminieren? Damit sich wirklich keiner auf den Schlips getreten fühlt? Es ist eine Frage, die jeder für sich beantworten muss. Fakt ist, dass wir für euch da sind um euch zu vertreten, ob nun mit oder ohne gegenderten Inhalten. Wir wünschen euch ein letztes Mal noch ein schönes, restliches Semester, viel Glück bei den letzten Prüfungen und einen schönen Sommer!

Der Masochist im Journalist Ein Frühlings-Thriller

Zahlen für eine bessere Zukunft? Autonome Studiengebühren

So sind wir Produktionstechnik & Organisation

Absolventen erzählen: simplease Kleiner Leitfaden zur Selbstständigkeit

Ein Stück vom Paradies Standortkolumne Bad Gleichenberg

Study Abroad Party Abroad in Newcastle

Christoph, Christian, Max

24 Stunden - Männer spezial Servicecenter

Bitte nicht stören Girls!

Deine ÖH an der FH JOANNEUM

MO 9-14 Uhr | MI 14-18 Uhr | FR 12-16 Uhr Urban Box, 8020 Graz mail: join@fh-joanneum.at web: join.fh-joanneum.at skype: join-oeh www.facebook.com/join.oeh

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Das Grazer Impro-Theater lebt Ein Blick hinter den Vorhang

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INHALT

Inhalt 691 802 012 242 462 582 603 843 63 83 Im Netz

Ein virtueller Lokalaugenschein

Sinnvoll & sinnlos Für die Herren

Einmal in die Oper

Rachegöttinnen und epische Schlachten

Günter Brus

Aktion. Reaktion. Selbstverstümmelung.

Gold | Scheiße

Von Kunst und Krempel

Selbstversuch Mach mal Mann

Contra Gendern

Die MenschInnen Österreichs

Bunte Fakten

Chamäleons, Mönche und Ampeln

Ich sehe was, was du nicht siehst Wenn Bunt zum Luxus wird.

Farbdiskriminierung, ey! Farbenfrohes Plädoyer für Individualismus

IMPRESSUM joe07 Autoren: Mathias Pascottini, Christoph Huber, Christian Krenn, Stefan Rössler, Laura Wirth, Michael Pillwein, Gregor Krenker, Kevin Recher, Hubertus J. Schwarz, SophieKristin Hausberger, Christoph Sammer, Susanne Kraft, Andreas Leitner, Markus Knauß, Simone Steurer, Elke Schlögl, Miriam Pichler, Natanja C. Reitner Fotografen: Wolfgang Schnuderl, Katja Winkler, Hubertus J. Schwarz, Thomas Schuller, Christoph Sammer, Susanne Kraft, Gerulf Dösinger Illustratoren: Martin Krebernik, Matthias Niggl, Simone Wenth, Anna Spindler, Marlene Johanna Ortner, Carina Lex Chefredakteur: Hubertus J. Schwarz Art Director: Christopher Eder Lektoren: Susanna Finker, Jakob Dohr, Katja Winkler Herausgeber: Hubertus J. Schwarz Sponsorenbeauftragter: Rupert Rehor Medieninhaber: Österreichische HochschülerInnenschaft, Taubstummengasse 7-9, 1040 Wien Druck: druckhaus scharmer GmbH www.scharmer.at Hinweis: Sämtliche personenbezogene Beschreibungen gelten sinngemäß für beiderlei Geschlecht. Amtlich gegengezeichnete Beiträge müssen inhaltlich nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.

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AKTUELLES

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teamsport Mehr Informationen unter: facebook.com/join.oeh


AKTUELLES FH LIVE

Der Masochist im Journalist Von dem Tag, an dem ein Journalismus-Student seine Beine als sportliches Fortbewegungsmittel kennenlernte. Ein Frühlings-Thriller. Text: Mathias Pascottini Fotos: Hubertus J. Schwarz

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as mit den Journalisten und dem gesunden Leben ist so eine Sache. Tagsüber: Fast-Food essend vor dem PC. In der Freizeit, ausschließlich: Barbara Salesch, leider geil. Mein Leben ist mein TV-Empfangsgerät. Die Activia-BlähbauchjoghurtWerbung kann ich auswendig und nahezu im Barbara Karlich-Tonfall rezitieren („Früher, wenn ich mich aufgebläht gefühlt habe, dachte ich immer: Das ist ganz normal. Doch dann habe ich Activia probiert“), dafür halte ich Frischluft für ein Gerücht irgendeiner x-beliebigen Ökobewegung. Aber manchmal packt mich doch der Sportsgeist. Dann gehe ich schwimmen (zu Deutsch: Badewanne), Fußballspielen (FIFA!) oder Laufen (der Weg zwischen Aschenbecher und Mistkübel). Mein Leben: aktiv wie eine Regenrinne in Botswana. Aber dann, in einem Moment geistiger Umnachtung, meldete ich mich für die JOIN-Staffel beim Grazer Businesslauf. Gemeinsam mit zwei Studienkolleginnen – nennen wir sie der Einfachheit halber „Speedy“ und „Gonzales“ – startete ich beim Teambewerb in der Grazer Innenstadt. Mit 3997 weiteren Startern ging’s an einem sonnigen

Donnerstag-Abend auf die Laufstrecke. Wir platzieren uns in der Startkolonne, Schulter an Schulter mit durchtrainierten Laufschuhfetischistinnen und einer Hundertschaft an bewegungsbegeisterten Alpha-Männchen. Aber das schüchtert den ambitionierten Studenten nicht ein. Hühnerbrust raus, Bauch rein. Nur noch wenige Augenblicke bis zum Start. Speedy so: „Was gibt es Schöneres, als bei diesem Traumwetter gemeinsam zu laufen?“ Ich so: „Ach, weißt du, da wäre erstens...“ – Startschuss. Die Antwort auf die zuvor gestellte Frage wird Speedy sich selbst geben müssen. 8000 Laufschuhe setzen sich gleichzeitig in Bewegung, die Stoppfunktion auf den Pulsuhren der AlphaMänner wird aktiviert, meine PassivRaucherlunge macht erste erfreute Luftsprünge. Wir laufen. Gonzales vorneweg, Speedy hinterher, ich halte mich im Windschatten. Die ersten Meter sind absolviert. Dort, wo normalerweise höchstens 13 Menschen nebeneinander gehen können, laufen jetzt 28 o-beinige Businessläufer. Ich laufe für gewöhnlich mit meinen Füßen, hier wird aber hauptsächlich mit den Ellenbogen gelaufen, lerne ich. Jeder zweite Vorbeilaufende

zielt mit den Armen auf meinen untersten Rippenbogen, jeder dritte trifft. Mit jedem Treffer presst es eine Prise Feinstaub – den ich in den letzten Jahren sorgfältig inhaliert habe – von der Lunge wieder an die frische Luft. Oh du mein Graz, geliebte Heimat, endlich kann ich dir all das zurückgeben, was du mir in den letzten Jahren geschenkt hast! Nach mehr als der Hälfte habe ich ausgehustet und unser Team hat viele der Läufer wieder eingeholt, die am Start in einem Anfall von Selbstüberschätzung einen Sprint vollzogen haben. Gonzales, die anfangs noch fröhlich über ihre neuesten Trainingsergebnisse plauderte, wird mit jedem Meter weniger gesprächig. Mit der Veränderung ihrer Gesichtsfarbe könnte man mittlerweile Kreuzungen regeln. Sie sieht nicht mehr besonders gut aus, aber sie läuft noch. Immerhin. Wir richten nun unsere Outfits und Frisuren, tupfen den Schweiß von der Stirn – es geht in den Schlussanstieg mit Publikums-Spalier. „Stärke demonstrieren und mit Schönheit überraschen“, lautet das Motto. Das gelingt uns. Und so fühlen wir uns wie echte Gewinner und wahre Helden, als wir die Ziellinie passieren. Wir belegen Platz 1729.

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FH LIVE

Zahlen für eine bessere Zukunft? N

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Die einen, die ÖH, sieht den Staat in der Pflicht, sein Volk zu bilden. Unabhängig der finanziellen Situation soll es allen möglich sein das zu studieren was einen interessiert. Durch den höheren Bildungsstand werden die jungen Menschen auch mehr verdienen und somit auch zusätzliche finanzielle Mittel in die Taschen des Fiskus spülen. So betrachtet existieren bereits Studiengebühren in Form des 50 %-igen Steuersatzes. In den USA sind im Gegensatz Studiengebühren von mehreren zehntausend Dollar ganz normal, der Steuersatz lieg dort aber auch nur bei gut 20 %. Die konservativen Parteien, Organisationen und Vereine Österreichs sind hingegen der Meinung, dass jeder seinen Beitrag leisten muss. Dass nicht alle Eltern Ärzte, Notare oder Topmanager sind wissen

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sie zwar und verweisen auf ein Stipendiensystem, welches es jedem ermöglichen soll zu studieren. Dass durch dieses System aber sehr viele durchfallen und es keinen Plan für ein neues System gibt, welches alle berücksichtigt, scheint ihnen aber egal zu sein. Gehen wir davon aus, dass alle Studierenden in Österreich Studiengebühren in der Höhe von 350 Euro pro Semester zahlen, würde es das Hochschulbudget gerade einmal um gut 270 Millionen Euro aufbessern. Ein Plus von zirka sieben Prozent. Dies würde gerade einmal verhindern, dass die Universitäten weiterhin rote Zahlen schreiben. Das heißt: Studierende würden 700 Euro im Jahr (oder rund 60 Euro im Monat) dafür bezahlen, dass sie darum kämpfen dürfen, einen Platz im Labor, im Seminar oder sonst wo zu bekommen Man zahlt also für etwas, was man unter Umständen gar nicht in Anspruch nehmen kann. Studiengebühren derzeit einzuführen würde also nichts anderes bedeuten, als das Symptom zu behandeln und nicht die Krankheit. Um überhaupt über dieses Thema zu diskutieren zu können, müssen also zuerst einmal die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu gehört nicht nur, dass genug Personal und Räumlichkeiten zur Verfü-

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as einzige was Österreich an Exportgut anzubieten hat, ist Wissen. In einer Zeit der Globalisierung und aufstrebenden Märkte aus dem Osten und aus dem asiatischen Raum gilt es nicht nur einen Wissensvorsprung zu halten, sondern auch noch auszubauen. Dass dazu in die Forschung und die Bildung der Jugend investiert werden muss, ist der Politik klar, nur woher das Geld kommen soll, darüber streiten sich die Parteien.

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y N S d t E o i o U € m a r f m M 3 e & i n A t 6 r i E c p I s 3 i h A n t p , e n t b h a r e ü l 3 m t s u i i b f s t e i 6 s e k s s r e V p t r t e s r r d r o e a e a a l r i g a g s b c r n f a r S g ä a r t e l u c n t f / 2 i t i i v g a 0 o e o l e r a l n 1 w u e n 2 e f n i b c D s e P e w l e e n a ä r t s e z n e i n u g n / d n

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Text: Christoph Huber Illustration: Martin Krebernik

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„Autonome Studiengebühren“ sind die aktuelle Lösung in der Frage zur Hochschulfinanzierung. Darüber, ob die Studierenden für ihr Studium zahlen sollen oder nicht. Eine Debatte über Ideologie, Gerechtigkeit und Geld. Eine Debatte die mit falschen Inhalten gefüllt ist. Denn es geht hier nicht um „Ich habe Recht“ sondern um die Zukunft Österreichs.


AKTUELLES FH LIVE

gung gestellt werden, sondern auch, dass die Jugend umfassend über das unüberschaubare Angebote an Studienrichtungen informiert wird, was den Andrang an Erstsemestrigen in den Fächern BWL, Architektur, Medizin, Journalismus oder auch der Psychologie mindern würde. In Österreich wird diese Debatte auf verschiedenen Ebenen geführt. Für die Universitäten ist dafür das Wissenschaftsministerium zuständig. Für die Fachhochschulen sind es allerdings die Erhalter, die entscheiden müssen. Wollen die Erhalter nun die Kinder der reichen Eltern, welche Studiengebühren zahlen können. Bildung also nur für die Elite? Denn ein „normaler „ Studierender wird sich das nicht leisten können. Müssen derzeit schon, ohne Studiengebühren, zirka zwei Drittel aller Studierenden arbeiten gehen. Ein dementsprechendes Stipendiensystem gibt es ja noch nicht, welches jedem und jeder Studierenden das Studium eröglichen soll. Das derzeti so viele Studierenden neben dem Studium arbeiten spiegelt sich nicht nur in den Noten wieder, sondern auch im Wissensstand umd somit in der „Qualität“ der Absolventen und Absolventinnen. Und das wiederum lässt Rückschlüsse auf die Lehre zu. Oder wollen die Erhalter ein gut gebildetes Volk, wo es egal ist welchen finanziellen Hintergrund man hat? Sollte das Land Steiermark seinen jetzigen Kurs beibehalten, ist zumindest keine drastische Verschlechterung an der FH JOANNEUM zu erwarten. Dass früher oder später auch die FH mehr finanzielle Mittel bekommen muss, steht außer Frage, denn die derzeitige Situation ist alles andere als rosig.

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Gewächs schied in Einsamkeit, wir nehmen Abschied vom einzigen Baum auf dem Campus der FH JOANNEUM in Graz

Leb wohl, du schöner Wald! „So scheiden wir mit Sang und Klang: Leb wohl, du schöner Wald! Mit deinem kühlen Schatten, Mit deinen grünen Matten, Du süßer Aufenthalt! Wir singen auf dem Heimweg noch Ein Lied der Dankbarkeit: Lad‘ ein wie heut‘ uns wieder Auf Laubesduft und Lieder Zur schönen Maienzeit! Schaut hin! von fern noch hört‘s der Wald In seiner Abendruh; Die Wipfel möcht‘ er neigen, Er rauschet mit den Zweigen, Lebt wohl! ruft er uns zu.“ - August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

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SO SIND WIR

Text: Christian Krenn Illustration: Matthias Niggl

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SO SIND WIR

PTO Produktionstechnik & Organisation

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ine Freundin hat mich mal gefragt: „Produktionstechnik, was ist das eigentlich? Orangen sortieren?“ Naja, so ganz falsch ist das ja gar nicht, sofern man sich halt nicht so einschränken will, denn wir sortieren auch Autos, Logistikanlagen, Magnete und sogar ganze Häuser. Die PTOler von nebenan beschäftigen sich eigentlich mit sämtlichen Produkten des täglichen Gebrauchs sowie dem Außergewöhnlichen. Kauft man eine Zahnbürste, steckt ein Produktionstechniker dahinter. Kauft man ein Bier, wirkt auch ein Produktionstechniker mit und kauft man einen Gasmotor mit 9,5 MW, macht´s, na klar, auch ein Produktionstechniker. Leben zwischen Hörsaal und Produktionshalle. Das Leben von uns PTOlern ist ein wenig abwechslungsreicher als das eines normalen Studenten. Über die außergewöhnliche Ausbildungsvariante des dualen Studiums, die in dieser Form in Österreich einzigartig ist, verbringen wir zwei von vier Jahren in Ausbildungsbetrieben. Neben dem kleinen Benefit von 14 Monatsgehältern im Jahr, machen uns die lediglich fünf Wochen Ferien aber trotzdem ziemlich zu schaffen. Da bleibt nicht viel Zeit, um sich von den Anstrengungen des Studiums und des Berufslebens zu erholen. Durch die Einführung des

Bachelors hat sich bei uns zwar so einiges geändert, aber das Grundkonzept blieb gleich. Durch dieses Ausbildungsmodell hat jeder Student seinen eigenen Ausbildungsbetrieb, in dem er sich in Abstimmung mit seinem dazugehörigen Ausbildungsbetreuer nach Herzenslust zwischen Produktion, Entwicklung und Projektgeschäft ausleben kann. Das Ausbildungsunternehmen wird zum persönlichen Lernspielplatz und es gibt die Möglichkeit, das Gelernte gleich in der kommenden Praxisphase im Unternehmen umzusetzen. Der daraus resultierende Informationsinput in die Unternehmen und die Möglichkeit sich seinen eigenen Produktionsexperten im jeweiligen Fertigungsgebiet heranzuziehen, macht PTOler zu einer begehrten Spezies am österreichischen Arbeitsmarkt. Ein generalistisches Studium und die Spezialisierung aus dem Ausbildungsunternehmen sind ein guter Start ins weitere Leben. Zwischen Massenfertigung und Einzelauftragsfertigung. In den Vorlesungen wird auf unterschiedlichste Themen eingegangen: Qualitätsmanagement, Arbeitsvorbereitung aber auch Fertigungstechnik und viele weitere begleiten uns ständig durch unser Studium und verdeutlichen, wie wichtig es ist sowohl einen guten Überblick über das Produkt, als auch den Fertigungsprozess zu haben. In den Vorlesungen und Seminaren unseres kleinen Studiengangs (ca. 110 Personen) mit Gruppengrößen bis zu weniger als 10 Personen, fällt das Studieren einfach leichter und man hat die Chance von

den unterschiedlichsten Charakteren immer wieder etwas Neues zu lernen. Mit dem nötigen Fachwissen und den dazugehörigen Zahlen, Daten, Fakten kann man so ziemlich jede Produktion führen und in regelmäßigen Abständen Innovationen umsetzen. Aber auch unsere Exkursionen zu den schrägsten Produktionsstätten Österreichs sind ein Erlebnis. Von Feingießereien, die in Hochhäusern produzieren, bis hin zur Tierkörperverwertung, die man schon drei Kilometer gegen den Wind riecht. Als Produktionstechniker darf man sich da nicht so schnell verunsichern lassen, immerhin kann alles faszinieren. Oder habt ihr euch noch nie gefragt, wie eigentlich die Borsten in die Klobürste kommen, oder wie so eine kleine Jägermeisterflasche hergestellt wird? Dieser und einigen weiteren wichtigen Fragen des Lebens widmen wir uns in unseren Vorlesungen! Nur durch das Ineinandergreifen aller Abteilungen inklusive unserer lieben Manager und Betriebswirte kann ein Produkt genau in der Qualität an den Kunden geliefert werden, wie sich dieser es auch erwartet. Und das sollte das oberste Ziel eines jeden Produzenten sein. Durch den tapferen Einsatz von uns furchtlosen Produktionstechnikern, bei dem man auch schon mal in Druckerfarbe und Getriebeöl baden muss, bringen wir jede Produktion wieder auf Kurs.Ausgestattet mit einem kleinen, aber feinen Werkzeugkoffer voller Tricks, Kennzahlen und Methoden sind wir bereit für unsere Aufgaben.

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ABSOLVENTEN ERZÄHLEN

Kleiner Leitfaden zur

Selbstständigkeit

Du willst dich ohne jede Erfahrung direkt nach dem Studium selbstständig machen? Kein Problem! In diesem kleinen Leitfaden erfährst du, worauf du dabei achten solltest und was dir alles egal sein kann. Text: Stefan Rössler

1) Scheue jegliches Risiko Sich selbstständig zu machen ist doch ein viel zu großes Risiko – das war zumindest mein erster Gedanke. Ich habe aber gelernt, dass es von einem selbst abhängt, welches Risiko man eingehen möchte. Und wenn du dich direkt nach dem Studium selbstständig machst, schlage ich vor, nicht das geringste Risiko einzugehen. Kauf dir nicht gleich am ersten Tag Büroausstattung um einige tausend Euro, verzichte überhaupt auf ein eigenes Büro und denk nicht einmal im Traum daran, einen Kredit aufzunehmen. Die meisten Dinge, die du für wichtig hältst, sind nicht notwendig, um dein eigenes Unternehmen zu starten.

2) Verschwende keine Zeit mit Planen

Mehr über Simplease:

http://blog.simplease.at

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Wenn du dich sofort nach dem Studium selbstständig machst, hast du einen großen Vorteil gegenüber Leuten mit mehr Berufserfahrung: Du bist dir dessen vollkommen bewusst, dass du deine Zukunft nicht planen kannst. Du kennst weder die Branche, noch hast du Erfahrung im Umgang mit Kunden und Projektmanagement kennst du nur aus der Theorie? Perfekt, du brauchst dir also keine Gedanken über Zwei-, Drei- oder Fünf-Jahrespläne zu machen, die sich nach einem Monat sowieso wie ein Witzbuch lesen. Stattdessen kannst du deine Energie sinnvoll nutzen, einen Schritt nach dem anderen machen und jeden Tag etwas dazu lernen.


ABSOLVENTEN ERZÄHLEN

3) Beobachte dich selbst Statt über eine Zukunft nachzudenken, die es so ohnehin nie geben wird, solltest du ständig versuchen, aufmerksam zu sein. Die Verlockung ist groß, in Gedanken bereits ein paar Jahre vorauszublicken und dir vorzustellen, wie aus dir ein erfolgreicher Unternehmer wurde, aber vergiss dabei eines nicht: Es ist nur eine Fantasie. Jetzt ist die Gegenwart und genau darauf solltest du dich konzentrieren. Beobachte dich selbst: Welche Tätigkeiten machen dir Spaß, welche kannst du gar nicht leiden? Gibt es etwas, das du ausprobieren willst? Selbstständig zu sein heißt, sich seiner selbst bewusst zu sein und nicht dem Klischee eines Selbstständigen, so gut es geht, zu entsprechen.

4) Mach dir nichts vor Um dich selbstständig zu machen, musst du weder besonders talentiert, noch ausdauernder oder ehrgeiziger sein als andere. Alles was du wirklich können musst, ist, dir selbst gegenüber ehrlich zu sein. Wenn du merkst, dass es dir keinen Spaß mehr macht bzw. du nicht genug Geld verdienen kannst, dann ändere etwas an deinem Vorgehen. Gib die Selbstständigkeit vielleicht sogar ganz auf. Klar, es wird dir wie eine Niederlage vorkommen und du wirst dir Gedanken darüber machen, was die anderen davon halten, wenn du plötzlich einen „echten“ Job suchen musst. Eine wirkliche Niederlage wäre es aber nur, wenn du dir selbst etwas vorgaukelst und einfach stur weitermachst.

5) Mach dir klar, was Erfolg für dich bedeutet Es gibt eine Sache, die mich am Selbstständig-Sein nervt: Leute, die einem erzählen, man muss lügen und betrügen, um erfolgreich zu sein. Viele nehmen den Begriff Erfolg völlig unreflektiert hin und verstehen darunter Dinge wie: Reichtum, Ruhm und Anerkennung. Erfolg sieht aber nicht für jeden gleich aus. Für mich hat Erfolg überhaupt nichts damit zu tun, dass ich mir irgendwann eine Villa am Meer leisten kann und einen fetten Mercedes in der Garage stehen habe – wie erfolgreich ich bin, messe ich nicht an dem was ich besitze, sondern daran, wie gut ich nachts schlafen kann.

6) Du bist viel mehr als deine Arbeit Als Selbstständiger kommt es schon einmal vor, dass man zehn, 12 oder mehr Stunden im Büro sitzt und auch in der Freizeit nur über sein eigenes Unternehmen nachdenkt. Ich weiß, wie schnell es passiert, dass man sich fast ausschließlich über die eigene Arbeit definiert. Seine Arbeit zu lieben ist kein Problem, es kann sogar etwas Wunderbares sein. Pass nur auf, dass du dich nicht mit dem identifizierst, was du bei der Arbeit bist und dass du dir die ganze Geschichte nicht zu sehr zu Herzen nimmst. Wer du wirklich bist, findest du nur heraus, wenn du deine Aufmerksamkeit nach innen richtest und nicht ständig an Gedanken über deine zukünftige Karriere verschwendest.

– gegründet 2010 in Graz – 4 Absolventen des Studiengangs Informationsdesign mit Vertiefungsrichtung User Interface Design – Zusammenarbeit u.a. mit REWE Austria, AIT und Austria Microsystems – seit 2011 Lehrveranstaltungen zum Thema user-zentriertes Design an der FH JOANNEUM und der FH Salzburg

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STANDORTKOLUMNEN

Ein Stück vom Paradies vergessener Stein im Standortfragenmosaik. Bad Gleichenberg

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ingebettet in die mütterlichen Busen des südoststeirischen Hügellandes schafft die Nähe zu gesundheits- (Thermen) und tourismusspezifischen (Tourismusschulen) Know-How einen Standortvorteil. Die Nähe zu viel Grün, z.B. in Form des Kurparks, Lauf und Nordicwalkingstrecken, und zahlreichen nachhaltigen touristisch relevanten Lebens- und Genussmittelanbietern (z.B. Zotter und einer Fülle an Bio-Bauern und regional orientierten Buschenschänken) schafft es dem mit dem UNESCO-Award, dem Umweltzeichen und der Zertifizierung der Wellness Association ausgezeichnetem Standort den Studierenden „Wellness“, das Hauptthema der Studienrichtung, hautnah zu vermitteln. Lehrveranstaltungen wie Gesundheit, Fitness und Bewegung sowie studienrelevante Ausbildungen wie Nordic-Walking und Gesundheitssporttrainer wären im grauen Stadtgebiet von Graz zwar umsetzbar, aber in der freien Natur nachhaltiger und motivierender gestaltbar. Das „Exil“ Bad Gleichenberg kann natürlich kein großes Unterhaltungsund Kulturangebot aufweisen. Doch das „Eremitentum“ bringt auch seine Vorteile: die Ruhe lädt zum Reflektieren ein und die intakte Natur lässt den Geist streifen und ist somit essentiell für Inspiration und neue Ideen. Kein Wunder also, dass BG-AbsolventInnen in der Tourismus-,

DAS joe GÖSSER-Gewinnspiel Mach mit und gewinne! 1x GÖSSER BIERPARTY Mehr Informationen auf facebook.com/joemagazin 66

Text: Laura Wirth & Michael Pillwein

Gesundheits- und Eventbranche immer wieder als interdisziplinäre Wunderwuzzis, Neu-, Quer- und Umdenker, Visionäre und Pioniere verschrien sind. Und auch nicht überraschend dass das ÖH-Vorsitzteam sich immer wieder BG-Inspirationen bedient (wie z.B. kürzlich in Form von Liegestühlen und Weiterbildungskursen). Wellness zwischen Smog und Straßenlärm? Gesundheit zwischen Asphalt und Anonymität? Auch wenn eine Bündelung aller Studiengänge in Graz finanzielle Vorteile versprechen mag, und Bad Gleichenberg auch nicht jedermann/frau’s Studienort (zum Beispiel bietet Graz für DIO und ERG sicher einige Vorteile) sein kann… Eine Verlagerung von GMT nach Graz birgt die Gefahr an den nachhaltigen und holistisch-gesundheitsorientierten Fundamenten dieses Studiengangs zu rütteln. Wir möchten uns daher für die „Rettung“ unseres „Paradies“ und unserer zweiten Heimat, in die wir immer gerne zurück kommen – sei es nur auf einen Plausch mit unseren aufmunternden Buffet-Engerln, unseren fleißigen Administrationsbienen, unseren weisen Entwicklungscoaches oder unserer engagierten Standortmutti; herzlich bedanken. Wir werden dafür den „BG-Spirit“ in die Welt hinaustragen und mit Freude das graue Kastl-Denken zu durchbrechen versuchen.


STUDY ABROAD

Party Abroad in

Newcastle Text und Fotos: Christoph Sammer

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ls ich am Tag unserer Anreise aus dem Flugzeug stieg, kam ein Einheimischer auf mich zu und fragte, was ich denn in Newcastle vorhätte. Eher zurückhaltend antwortete ich, hier Journalismus zu studieren. Der Engländer entgegnete lächelnd: „You’re right. Newcastle is the official party-capital of England.“ Von diesem Zeitpunkt an wurde mir dies jeden Tag wieder vor Augen geführt: Egal, ob im Nachtclub The Gate, in einem von gefühlten tausend Pubs oder auf diversen Studentenpartys – jeder, der auch nur annähernd gerne mit anderen Menschen spricht, tanzt oder gar das eine oder andere Gläschen trinkt, kommt im Nachtleben Newcastle’s auf seine Kosten. Wer nun denkt, die 300.000-EinwohnerStadt offeriert dem Auslandsstudierenden nur Partys mit aussagekräftigen Titeln à la Carnage (Gemetzel), der irrt. Zwar würde dies schon komplett ausreichen, um ein unvergessliches Semester zu absolvieren, doch auch der intellektuelle Hunger will gestillt werden. Dies kann auf verschiedenste Weise erfolgen: Da statistisch zirka jeder dritte Einwohner in Newcastle entweder an der Northumbria University oder der Newcastle University studiert bzw. zumindest inskribiert ist, reicht das Angebotsportfolio für Studierende von einem bunten Mix aus Kultur über Freizeitaktivitäten aller Art bis hin zu Sportveranstaltungen.

Land der Sportverrückten. Verrückt nach Sport zu sein, wird in der nördlichen Stadt an der Grenze zu Schottland besonders groß geschrieben. In ganz Großbritannien genießt die Northumbria University einen fabelhaften Ruf, wenn es um akademische Sportausbildung geht. Das gigantische Sports Center direkt am Campus der Uni bestätigt den hohen Stellenwert, den Fußball, Lacrosse, Squash oder Rugby einnehmen. Dass am Campus daher niemand ohne Fußballschuhe, Tennisschläger oder Laufbekleidung anzutreffen ist, versteht sich von selbst. Ich sicherte mir meine Mitgliedschaft im Sports Center bereits nach vier Tagen in der Hafenstadt – schwimmen, Squash spielen und klettern zählten fortan zu meinen neuen Betätigungsfeldern. Wer Newcastle auch nur einen Tag lang erlebt, kommt am Fußballstadion Sports Direct Arena (vormals St. James’ Park) nicht vorbei. 52.000 Personen in der Arena sorgen für eine Atmosphäre der Superlative. Dass Traditionsklub Newcastle United mit dem hervorragenden vierten Platz in der abgelaufenen Premiere League-Saison das Übrige zur ohnehin ausgeprägten Fußballbegeisterung in Newcastle beigetragen hat, verwundert nicht einmal weniger sportaffine Personen. Konzert des Bademeisters. Überraschend hingegen mein gesteigertes Interesse an Kultur. Dies lag wohl primär

Städte lassen sich oft nicht mit einem einzigen Wort beschreiben. Eine Vielzahl von Gedichten und Songtexten über Wien, Paris oder New York belegen dies eine Stadt im Norden von England macht da eine Ausnahme: Newcastle. Diese lässt sich sogar mit einem unspektakulären Nomen beschreiben: Party.

an der Tatsache, dass Newcastle mit The Sage eines der größten und vor allem modernsten Veranstaltungszentren im Norden Englands bietet. Konzerte von The Architects oder von Bademeister Mitch Buchannon alias David Hasselhoff stehen da an der Tagesordnung. Ach ja: Studiert wird auch. Bei all dem Rahmenprogramm bleibt natürlich nur wenig Zeit zu studieren. Diese kurzen Phasen der Weiterbildung sind allerdings umso intensiver. Um die kilometerlangen Listen an Pflichtliteratur abzuarbeiten, werden die literarischen Werke nicht gelesen, sondern verschlungen. Auch der praktische Ansatz ist von höchster Bedeutung: So musste ich beispielsweise während meinem Digital Journalism-Studium Themen recherchieren, Blogposts publizieren und eine Vielzahl von Interviewterminen wahrnehmen. Mein persönliches Highlight: Ein Gespräch mit dem Pressevertreter von Newcastle United. Ist der Studienalltag dann aber gemeistert, so gönnt man sich am besten ein kühles Blondes am Campus des Universitätsgeländes, trifft Freunde und Bekannte im 23 Hektar großen Naturareal hinter dem St. James’ Park oder schlendert in das Einkaufszentrum Eldon Square. Sobald die Sonne dem Mond weicht, macht die gemächliche Atmosphäre dem eingangs angepriesenen Partyklima Platz: Newcastle erwacht erst richtig zum Leben.

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24 STUNDEN

24 Stunden

Kurti‘s Gym

09:00 Uhr

Schon vor 34 Jahren hat Kurti in Graz sein eigenes Bodybuilding-Studio eröffnet. Was aussieht wie mittelalterliche Folterinstrumente, sind Trainingsgeräte. Damit trainieren die Jungs in Kurti’s Gym jede einzelne Muskelfaser ihres Körpers. Beginne den Tag mit kräftigem Pumpen unter Gleichgesinnten. Um den Muskelaufbau zu fördern, schenkt dir Kurti’s Schwester nach dem Training an der Bar einen nahrhaften Proteinshake ein.

Bitte nicht stören Girls! Es gibt nichts Schöneres, als einen freien Tag, an dem man all das machen kann, wofür man sonst nie wirklich Zeit findet. In Graz hat Mann allerdings die Qual der Wahl, wenn es um die Entscheidung geht, wie die kostbaren 24 Stunden verbracht werden sollen. Das joe 24h Männerspecial liefert dir eine Auswahl an unkonventionellen HotSpots, bei denen Männer bestimmt an der richtigen Adresse sind. Text und Fotos: Susanne Kraft

Freedom

11:00 Uhr

Im Freedom findet der stylebewusste Mann alles, was das Herz begehrt. Vor allem Skater kommen hier auf ihre Kosten. Neben den bekannten Marken entdeckt man im Freedom auch Labels fernab vom Mainstream. Die Auswahl reicht von Sneakers über Caps bis hin zu schrillen Skateboarddecks. Besonders auffallend aber sind die Tanktops im Batik-Look. Damit kommst du bestimmt am ausgefallensten durch den Sommer!

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24 STUNDEN

Moulin Rouge

14.00 Uhr Rox

19.00 Uhr

Besuche das Moulin Rouge in der Jakoministraße und tauche ein in die Welt der Lust. Der überaus freundliche Besitzer informiert dich gerne über das breitgefächerte Angebot von Kinolabyrinth bis Erotikshop. Auf spießige oder verklemmte Frauen wirst du hier bestimmt nicht treffen! Erlebe erotisches Kinoprogramm in 3D, genehmige dir danach einen Drink an der Bar und nimm dir für zu Hause etwas zum Spielen mit.

Richtige Männer wollen auch bei Schlechtwetter nicht auf Gegrilltes verzichten. Im Rox brutzeln das ganze Jahr über Rind, Schwein und Co. auf dem hauseigenen Lavasteingrill. Genehmige dir ein saftiges FiletSteakbei einem kühlen Blonden an der längsten Bar von Graz. Gitarren, Bilder von Rockstars und Oldies aus vergangenen Jahrzehnten geben dem Rox seine typische Atmosphäre.

City Beach

Sportbar Uhu

16.00 Uhr

Seit 25. Mai ist die Murpromenade unterhalb der Grazer Hauptbrücke wieder dem City Beach gewichen. Bis Ende August kannst du hier feinstes Strandflair genießen und gleichzeitig bei täglichen Live-Konzerten und DJ-Lines abtanzen. Die sonnige Atmosphäre sorgt zudem für ordentliche Flirtlaune. Lockere dich an der Strandbar mit einem Cocktail auf und halte Ausschau nach dem perfekten Beach-Girl.

22.00 Uhr

Auf Uhus stößt man im Sportcafé Uhu an jeder Ecke. Laue Sommerabende kann man bis 23:00 Uhr im Gastgarten verbringen und danach bis in die Nacht beim Kartenspielen oder Fußballschauen mitfiebern. Nimm deine geselligsten Freunde mit, lass den Tag gemütlich ausklingen und wünsch dir an der Musikbox deinen Lieblingssong. Bei nächtlichen Heißhungerattacken bekommst du im Uhu auch richtig günstige Pizza serviert.

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SEHEN

Das Grazer Improtheater lebt Mitte der Neunziger Jahre hat es im „Theater im Bahnhof“ begonnen: Das Grazer Improvisationstheater. Seitdem hat es sich stark weiterentwickelt. Es gibt viele neue Gruppen und Ideen. Trotzdem haben noch viele Grazer keine Ahnung vom Improtheater. Berührungsängste sind aber unbegründet. Text: Gregor Krenker Foto: Peter-Paul Moschik, Die Brücke

M

ichael Brantner begleitet fast alle Gruppen beim „Impro in der Brücke“ mit der Gitarre. Alleine er spielt 40 Auftritte im Jahr spielt. Die häufigsten Fragen von Leuten, die noch nie mit Improtheater in Kontakt gekommen sind: „Was ist das? Muss man da mitmachen?“, erzählt Michael Brantner grinsend. Für alle, die das wirklich glauben: Nein, man muss nicht sofort auf die Bühne treten und einen Shakespeare zitieren. Das macht die Improgruppe, die nach und nach einzelne Formate durchspielt. Aber unbeteiligt bleibt das Publikum nicht: Es gibt die Themen vor. Die Schauspieler müssen diese dann verarbeiten. „Die Geschichten leben vom Input des Publikums. Die Qualität hängt von ihm ab“, sind sich die Mitglieder der Gruppe „Blankton“ einig. Je einfallsreicher und lustiger das Publikum, desto besser wird die Aufführung. Ziel beim Improtheater sei es, „wunderbar und in aller Ehre zu scheitern.“ Dieser Moment müsse „bis zum Exzess“ ausgekostet werden, sagt Michael Brantner.

von langjährigen Schauspielern. So wird die Leidenschaft weitergegeben. Jacob Benigan vom Theater im Bahnhof hat es Martin Kolleger vom Theater Stockwerk beigebracht. Und die Akteure von „Blankton“ haben es zum Großteil von beiden gelernt. Auch „Blankton“ macht diesen Sommer einen gratis Aufbaukurs für sieben bis acht „Glückliche und vor allem Bühnenwillige, um sie dann ab Herbst regulär in die Truppe zu integrieren“, sagt Mitglied Norbert Lickl. Anmelden kann man sich unter 0664/1319386 oder info@theater-blankton.at.

Auch wenn alles improvisiert ist, kann man diese Art des Theaters lernen. Immer wieder gibt es Kurse und Seminare

Durch solche Seminare und Kurse gibt es immer wieder Zuwachs in der Grazer Improtheaterszene. Kreative

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Mitglieder bringen auch neue Ideen. Routinier Jacob Banigan hat zum Beispiel eine neue Show, „Game of Death“, bei der er völlig allein auf der Bühne improvisiert, natürlich mit Hilfe des Publikums. Die Gruppe „Musicact“ kombiniert gekonnt Improjazz und -theater mit vier Musikern und vier Schauspielern. Bei „Impro in der Brücke“ treten drei bis sechs verschiedene Gruppen abwechselnd und manchmal gemeinsam mittwochs auf. Die Szene floriert und entwickelt sich weiter. Als Grazer sollte man zumindest ein bisschen Kontakt mit Improtheater gehabt haben, denn hier gibt es einiges zu sehen. Sonst hat man etwas verpasst. Und bitte: Ohne Berührungsängste.


KOMMENTAR

Und der Ball ist

IM NETZ! Fußball begeistert. Nicht nur am Platz, sondern auch im Internet. Neben den großen Namen der Sportberichterstattung à la spox.com oder laola1.at hat sich ein Newcomer aus Graz im Bereich Fußball etabliert: imnetz-magazin.at. Ein virtueller Lokalaugenschein. Text: Markus Knauß Illustration: Marlene Johanna Ortner

U

nzählige Internetseiten beschäftigen sich mit dem Thema Fußball. Blogger, Onlinedienste, Magazine – das Spiel mit dem runden Leder gibt viel Stoff für Analysen und Interpretationen. In Österreich ist die virtuelle Fußballszene dagegen eher bescheiden, zwischen den bekannten Namen abseits.at, laola1.at oder weltfussball.at existieren nur noch vereinsspezifischen Seiten wie zum Beispiel sturm12.at. Vor einigen Monaten ist jedoch eine neue Website in der Fußballcommunity online gegangen: imnetz-magazin.at. „Geplant war eigentlich kein derartiges Magazin. Anfangs stand das Bloggen über Fußball im Mittelpunkt, aber nach wenigen Wochen setzten wir uns das Ziel, ein Magazin zu schaffen, welches jedem Fußballfan etwas bietet - nicht nur dem Taktikfanatiker oder Ergebnisnachschauer, sondern auch für alle dazwischen oder darüber hinaus. Dinge, die wir bei anderen Seiten vermissten, wollten wir besser machen und das ganze so einfach wie möglich halten“, so Thomas Maurer, Gründer und FHStudent. Vor allem auf die Usability und den Inhalt wird besonderes Augenmerk gelegt. So wird laut Maurer jede

Meldung sorgfältig aufbereitet und nicht von anderen, wie zum Beispiel der APA, wortgetreu übernommen. Auf den ersten Blick hebt sich imnetz-magazin.at nicht wirklich von gleichartigen Internetseiten ab. Bei genauerem Hinsehen erkennt man aber doch ein gewisses Potential. Die Gliederung ist sehr einfach gehalten, gesuchte Inhalte werden mit wenigen Klicks sofort gefunden. Auch die Aktualität und die Vielfältigkeit der Meldungen ist ein großer Pluspunkt der Seite. Vor allem Artikel-Serien, wie zum Beispiel „die Unbesiegbaren“ (eine Analyse über Teams, die noch ungeschlagen sind) oder „Nachspielzeit“ (ein Kommentar zur österreichischen Bundesliga), sind einfallsreich und haben durchaus das Potential, zum Markenzeichen von „im Netz“ zu werden. imnetz-magazin.at ist eine junge Seite, die sehr viel zu bieten hat. Kleine Mängel gibt es zwar, doch mit ihren Besonderheiten hat das Magazin große Chancen, einer der „big names“ der Fußballberichterstattung im Internet zu werden. Und wie besagt doch ein altes Fußballsprichwort: „Der Ball gehört ins Netz!“.

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SINNVOLL & SINNLOS

Sinnvoll& Sinnlos Text: Andreas Leitner Illustration: Anna Spindler

Männer – sie stehen auf harten Sport und schnelle Autos. Und auf leicht bis gar nicht bekleidete Frauen. Im Internet klicken sie sich durch Pornowebsites, auf denen sich frivole Girls mal mehr, mal weniger sinnlich herumräkeln.

beeg.com

Chickipedia

Das Internet hat einen ganz bestimmten Wirtschaftszweig beinahe zerstört: den Porno-Verleih. Denn auf Seiten wie www. beeg.com findet man(n) alles, was das Herz begehrt, mit nur einem Klick. Und auch noch mehr, denn in Kategorien wie „Stylish“ und „Sweet“ findet auch der moderne Hipster genau das Richtige für ihn. Für alle anderen gibt’s natürlich auch die Klassiker von „Harder“ bis „Big Tits“! >>> www.beeg.com

Für all jene, die gern mehr über die berühmten Frauen wissen wollen, die sie so vergöttern, gibt es wahrscheinlich nur eine Website: www.mademan.com. Denn gibt man im Suchfeld Namen wie „Megan Fox“ ein und wählt „Chickipedia“ gleich darunter, erfährt man alles über deren Körpermaße, Hobbys und andere Vorzüge. Dazu gibt’s Bilder und Videos. Zwar ein wenig stalkerlastig, aber doch sehr informativ. >>> www.mademan.com

Met-Art

Boobstagram

Für feingeistigere Männer, denen klassische Pornoseiten doch ein wenig zu rudimentär erscheinen, bietet www.met-art.com eine niveauvolle Alternative. Auf dieser Seite gibt es neben einem vorzüglichen Foto-Blog auch unzählige Bildergalerien und Videos zum Thema „Nackte Frauen“. Sehr ästhetisch, sehr ansprechend, allerdings ist ein voller Zugriff kostenpflichtig.

Oft wird uns Männern vorgeworfen, wir wären oberflächlich und würden Frauen nur nach ihrem Vorbau beurteilen. Immer wieder sprechen wir dann von „inneren Werten“ oder „schönen Augen“. Das meinen wir auch wirklich so, allerdings haben wir noch nie die Wirkung eines schönen Dekolletées bestritten. Irrsinnig viele davon gibt’s beim Online-Bilderdienst www.boobstagram.fr zu sehen.

>>> www.met-art.com

>>> www.boobstagram.fr

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STUDYEABROAD RLEBEN

infernalisch. Von Rachegöttinnen, epischen Schlachten und anderen Freizeitbeschäftigungen

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Titelthema E RLEBEN

Ich war dort, ich habe es gesehen und beinahe ist es auch wirklich so geschehen. Die Oper – verstaubtes Mysterium aus einer anderen Zeit. Ein Ort, an dem Träume wahr werden. Oft mehr als einem lieb sein kann. Text: Hubertus J. Schwarz

E

s fühlt sich aufgeraut an, angefasst und entjungfert. Verbraucht, wie die Sitzbänke in der U-Bahn, betreten wie die Teppiche in den Büros der Sozialämter. Dort, wie hier, haben Menschen Schweiß und Tränen vergossen. Dort, wie hier, werden es nicht die Letzten sein. Ich taste weiter. Zögerlich und ohne große Begeisterung dringe ich tiefer, wühle mich durch unergründliche Gefilde. Dann, das Ende der weichen, verfilzten Ebene. Meine Finger krallen sich fest, ich spreize unter Mühen das ächzende Scharnier auseinander, lasse mich fallen und werde eins mit dem tiefgründigen Opernsessel. Eine verkehrte Geburt. Wohlig warm umschmiegen mich die himmelhohen Lehnen, während ich immer tiefer hinab in den Uterus des Sessels krieche. Ich fühle mich geborgen – noch. Ich sitze. Die Oper kann beginnen. Sie denkt allerdings noch nicht daran. Also lausche ich, höre heraus aus meinem Sessel und hinein in die Weiten des Saals. Eine Kakofonie aus Stimmen, orchestralem Gejaule und dem Knarren der Parkettböden wallt mir entgegen. Ich höre weiter. Währenddessen kraxelt die Leidensgenossin, meine bessere Hälfte für diesen Abend, auf ihrem Opernsessel herum und bastelt sich ihr eigenes Nest. Unnachgiebig bearbeitet sie das störrische Möbel, bis es

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Fotos: Thomas Schuller

endlich einen halbwegs annehmbaren Gemütlichkeitsfaktor vorweisen kann. Die Proteste der anderen Operngäste ignoriert sie dabei ebenso stur wie mein stummes Flehen, das ohnehin schon gereizte Publikum nicht noch weiter anzustacheln. Ihrer Berufung als unautorisierte, moralische „Stimme des Volkes“ folgend, ereifert sich Madame jetzt all derer, die trotz des aufwändig beleuchteten Hinweises „Mobiltelefone ausstellen“ noch immer auf ihren Handybildschirmen herumwischen. „Wos mochn´s do? Des derfens net!“ Der Saal und ich schicken ein kollektives Stoßgebet gen Opernhimmel… Irgendwann werden wir erhört. Das Licht erlischt. Der Vorhang hebt sich stöhnend. Die Bühne ist – welch Wunder, welch originelle Inszenierung – beinahe leer. Dann erscheint die erste Tänzerin. Eine in mehrere Kilometer Tuch gehüllte Verrenkungsfetischistin. Sie dehnt, krümmt und windet ihren straffen Körper unter spastischen Zuckungen – Kunst, vermutlich. Erhaben darüber ist gerade nur meine Augenbraue – die linke. Am entnervten Schnauben von nebenan meine ich auch dezenten Unwillen über diese hocherotische Darbietung herauszuhören. Wir sind beide nicht amüsiert. Das hindert den Tanzkadaver freilich nicht

daran, sein lächerliches Gehopse fortzusetzen. Der Akt zieht sich hin. Irgendwann setzt das große Sterben ein. Allerdings nicht, wie erwartet, als Teil der Handlung. Von der Bühne schallen - im Gegenteil - sehr vitale Töne in den Saal. Die Akteure winden sich nun haufenweise in orgastischen Rhythmen zu den atonalen Klängen aus dem Orchestergraben. Der Tod dringt vielmehr aus den düsteren Tiefen des Saales. Dort, irgendwo in den hinteren Rängen, bricht heiseres Husten los. Erst noch leidig unterdrückt. Dann heftiger. Bis sich das Keuchen und trockene Bellen zum obszönen Todeskampf eines tollwütigen Elefantenbullen steigert, um dann…

Ruhe! Der Ruf hallt durch den Saal, dringt in die Fugen und Risse der barocken Deckenverkleidung, unter die Kleider der Damen und lässt die Fensterscheiben erbeben. Es ist totenstill. Madame steht erhobenen Hauptes und in unmöglicher Balance auf der Lehne ihres Sessels. Sie starrt mit diabolischem Blitzen in den Augen auf den Störenfried herab. Ihr Zeigefinger deutet anklagend in das totenbleiche Gesicht: „Nur noch amol!“ Theatralische Pause, erst jetzt wendet sie sich


Titelthema ERLEBEN

ab und lässt sich vornehm in ihr Nest nieder. Auf ihr Zeichen setzen Gesang und Musik zögerlich wieder ein. Dann hüstelt es. Der Tumult der nun losbricht, steht einem mittelalterlichen Schlachtengetümmel in nichts nach. Mit einem Panthersatz fährt eine schemenhafte Gestalt auf den unglücklichen Huster nieder. Madame als Miniaturversion einer Rachegöttin lässt der Drohung Taten folgen. Die Wellen aus panisch zurückweichenden Leibern brechen sich an den roten Klippen der Opernsessel. Für den Unruhestifter hat es sich ausgehustet. Am Ende der Stuhlreihe rottet sich derweil schon der Anhang der gemeuchelten Bazillenschleuder zusammen und geht Zeter und Mordio schreiend auf die Amazone im Abendkleid los. Andere, um ihre Vorstellung gebrachten Gäste, bilden spontan einen schützenden Kordon um Madame Infernale. Die selbsternannte Heerführerin bläst zum Angriff. Zwei festlich gewandete Heere gehen aufeinander los. Programmhefte,

Operngläser, abgetrennte Gliedmaßen und Handtaschen fliegen über die vielköpfige Masse hinweg. Eine ältere Dame wird vom Absatz eines verirrten Pumps aufgespießt. Getroffen geht sie zu Boden und wird gnadenlos von den Nachdrängenden niedergetrampelt. Die Szenerie ist infernalisch. Kinder schreien, blutberauschte Herren brüllen, hysterische Damen schluchzen und irgendwo kläfft ein Hund. In den vorderen Reihen, nahe dem Orchestergraben, tobt die Schlacht am heftigsten. Opernbesucher mit steifem Nacken vom stundenlangen Emporstarren hauen und stechen geifernd aufeinander ein. Die Musiker drängen sich ängstlich in eine Ecke. Feiges Pack, Kriegsdienstverweigerer, Deserteure! Der Feind bemächtigt sich der herrenlosen Instrumente und prügelt nun mit Fidel, Harfe und Flöte auf die Reihen unseres Gefolges ein. Aber gegen meine, mit gerechtem Zorn erfüllte, Furie von Begleitung ist kein Durchkommen. Mit einem Requisitenschwert mäht sie einen Operngänger nach dem anderen nieder. Lachend

und scheinbar unbezwingbar arbeitet sie sich durch die Reihen der Feinde. Aus dem Nichts steht plötzlich der korpulente, kahlköpfige Dirigent vor Madame Infernale. Taktstock und Schwert prallen funkenstiebend aufeinander. Stich, Parade, Ausfall. Inmitten dieser epischen Schlacht setzt die brünette Walküre zu einem mächtigen, alles entscheidenden Hieb an. Der Dirigent unterläuft ihre Deckung, holt ebenso zum Schlag aus und… Irgendwann komme ich zu mir. Um uns verlassen die Letzen ihre Plätze und streben dem Ausgang zu. Madame setzt mich konsterniert darüber in Kenntnis, dass das ganze Spektakel sowohl „vui umsunst“ als auch aus und vorbei sei. Ich erinnere mich an wenig genug um darauf angemessen zu reagieren. Ohne die Antwort abzuwarten, erhebt sie sich und greift mich, armen Tropf, am Arm. Während wir durch die hohen Flügeltüren nach draußen spazieren, wischt Madame noch die Klinge des Schwerts sauber und verstaut es in ihrer Handtasche. Dann gehen wir.

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Titelthema K OMMENTAR

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KROMMENTAR EPORTAGE

D

ie Biografie von Günter Brus liest sich wie der Kampf eines Regimekritikers im fernen China. Wegen „Herabwürdigung der österreichischen Staatssymbole“ wurde der Aktionskünstler 1970 zu sechs Monaten „verschärften Arrests“ verurteilt. Um dieser Haftstrafe zu entgehen, lebte der gebürtige Steirer für einige Zeit im Exil in West-Berlin. Vor allem in den 1960ern provozierte er mit seinen Aktionen, auch heute noch sorgen die Werke des inzwischen 74-Jährigen für Furore. Aufmerksamkeit. Fünf nackte Männer, die in einem Hörsaal der Wiener Universität die Bundeshymne singen, an sich schon skandalträchtig für das biedere Österreich im Jahre 1968. Doch damit nicht genug: Die Nationalflagge im Schlepptau masturbierten und urinierten die „Wiener Aktionisten“ vor den Zusehern. Man könnte fast von einer Fäkalschlacht

dienst geriet er 1962 in eine psychische Krise. Zwei Jahre später führte der Künstler seine erste Aktion, Ana, durch. Von Beginn an stand die Auseinandersetzung mit seinem Körper im Zentrum seiner Arbeiten. Angefangen mit Hand- und Kopfbemalung radikalisierte sich seine Kunst zusehends. Er löste sich vollständig von der informellen Malerei, dabei scheute sich der Provokateur nie, sämtliche Tabus zu brechen: Neben der Selbstverstümmelung, wo er sich mit Rasierklingen die Haut blutig aufritzte, masturbierte, urinierte und defäkierte er immer wieder während seiner zahlreichen Aktionen. Im Bruseum werden beispielsweise Fotografien gezeigt, bei denen sich Brus selbst am, vom Blut bedeckten, Oberschenkel näht. Nebenbei finden sich zahlreiche von aggressivem Rot dominierte Akt-Zeichnungen mit zerstörerischen Inhalten. Vor allem der malträtierte Penis des Mannes tritt in aggressiver Weise immer wieder in den Vor-

Günter Brus Text: Sophie-Kristin Hausberger Illustration: Simone Wenth

Aktion. Reaktion. Selbstbemalung, Selbstverstümmelung, Starrkrampf, Tranfusion, Tortur. Günter Brus schockiert - und hat damit weltweit Erfolg.

sprechen: Sie verschmierten ihre Exkremente auf den nackten Körpern, peitschten sich gegenseitig aus und erbrachen sich. Der österreichische Studentenverbund wollte diese Aktion zum Anlass nehmen, um auf Probleme aufmerksam zu machen. „Das wollten wir so aber nicht, wir wollten auf uns selbst aufmerksam machen“, äußert sich dazu der Künstler Günter Brus. Diese Aufmerksamkeit erreichten die jungen Männer. Nicht nur die Medien berichteten von der „Uni-Ferkelei“, auch Juristen wurden auf das Spektakel aufmerksam. Brus wurde gerichtlich verfolgt, verurteilt und flüchtete schließlich nach Berlin ins Exil. Auch heute noch zählt die Aktion zu einer der bedeutendsten und prägendsten der jüngeren Kunstgeschichte. Vom Maler zum Masochisten. Brus absolvierte die Kunstgewerbeschule in Graz und ging 1956 nach Wien, wo er Malerei studierte. Nach seinem Militär-

dergrund. Auch scheut er nicht davor zurück, seine kleine Tochter und Frau in seine Werke einzubinden. Vom Gejagten zum Pionier. Ab 1970 wandte sich der Erfinder der Bodyart wieder zunehmend der Zeichnung zu, es entstanden neue Werke kombiniert mit Text. Obwohl er 1970 wegen „Herabwürdigung der österreichischen Staatssymbole“ verurteilt wurde, erhielt Brus 1996 den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst. Die Auszeichnung für sein Lebenswerk. Im Universalmuseum Joanneum ist dem Steirer sogar ein eigener Teil gewidmet, das sogenannte „Bruseum“. Dort kann man sich, auch bei der derzeitigen Ausstellung, von der expressiven Themensetzung des Künstlers überzeugen. Zurück bleiben: Verstörung, Unverständnis, Passivität und die Frage, ob Kunst heute nur mehr provozieren und abstoßend sein muss, um als „Kunst“ gelten zu dürfen.

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SEHEN

Gold | Scheiße Text: Kevin Recher Fotos: Thomas Schuller

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Kunst & Krempel zeigt die spannende Gralssuche nach wertvollen Kunstwerken, die sich irgendwo auf verstaubten Dachböden oder zwischen den Leichen im Keller verstecken, und lässt die Kandidaten hoffen, dass gerade ihr Möbelstück, Gemälde oder Keuschheitsgürtel aus antiken Zeiten ein Geld bringender Schatz ist.


SEHEN

E

in jeder hat schon einmal von etwas geträumt: Fantine, Martin Luther King oder Eurythmics. Und der Traum der Teilnehmer bei „Kunst & Krempel“ (samstäglich im Bayrischen Rundfunk zu sehen) ist es, dass ihr heiß geliebtes Erbstück oder der Kauf vom Ramschmarkt tausende Euro wert ist, und sie vor der unabwendbaren Zukunft im RTL-Nachmittagsprogramm rettet.

Im Hintergrund fallen die Zuschauer fast schon komatös von den Holzklappsesseln.

Jede Begutachtung beginnt mit den immergleichen Fragen. „Wo haben Sie dieses Stück her?“, „Ist es ein Erbstück?“ oder „Wie viel haben Sie dafür bezahlt?“. Die Begutachter, zwei ausgebildete Spezialisten - Antiquitätenexperten aus Museen und Kunsthandel für Bereiche wie Keramik, Gemälde oder Waffen - lauschen geistesabwesend die bis zum Urknall zurückdauernden Geschichten der meist gebrechlichen Leute. Und dann geht’s ans Eingemachte: Da wird hemmungslos das pompöööööse Collier mit Kameen (erhabenes Relief aus einem Schmuckstein, Anmk.), auf denen die antiken Götter abgebildet sind mit dem Untersuchungszahnstocher nach „Marken“ des Erzeugers untersucht, alte Musikinstrumente und Möbel von innen und außen analysiert und gar alte Waffen auf Menschen gerichtet. Leider sind die Militaria ungeladen. Denn ein Knall wäre ab und zu genau das Richtige in diesem prunkvollen Saal, um die im Hintergrund fast schon komatös von den Holzklappsesseln fallenden Zuschauer aufzuwecken. Der Wert ist des Pudels Kern. „Kunst & Krempel“ ist aber nicht nur für Möbel- und Waffenfreaks etwas. Ganz im Gegenteil: Wer um 19.45 Uhr noch nicht mit dem wochenendlichen Saufgelage begonnen hat, kann mit seinen Freunden eine lustiges Spielchen

spielen (man könnte es ja zu einem Trinkspiel umwandeln): Wer errät den Wert des Familienerbstückes? Denn das Herzstück von „Kunst & Krempel“ ist die Wertschätzung der mitgebrachten Schmuckstücke. Raten und Wetten und Spaß haben. Denn wenn die Spannung ins Unermessliche steigt (der Moment ist da, wenn sich die Kandidaten erwartungsvoll über den grauen Seziertisch bücken), der Wert von Sarkophag und Co. ermittelt wird und sich schon Schweißperlen auf den lüsternen Köpfen vor lauter Geldgeilheit bilden, wird’s besonders spaßig. Insbesondere dann, wenn eine schnöselige alte Funze ihre Kronjuwelen, pardon, Leuchter aus Silber schätzen lässt. „20.000 DM habe ich damals bezahlt.“ Wenn dann sogar die Experten laut aufschreien, ist es umso köstlicher, den mit einer Perlenkette umrankten, adrigen Hals sich anspannen zu sehen. Umgerechnet 10.000 Euro („Des san fost 140.000 Schilling!“ höre ich meinen Papa in meinem Kopf sagen) hat die Lady damals bezahlt. Wert waren die Silberleuchter letztendlich 2000 Euro. Oft geht halt bled. Und wenn dann mal ein Stück was wert ist, reden die Kunstexperten einem ein schlechtes Gewissen ein: „So ein tolles Schmuckstück werden sie aber bestimmt nicht verkaufen“. He, der Scheiß ist 2.000 Euro wert! Behäbig, bildend und traumzerplatzend. In diesen hektischen, modernen Zeiten ist es richtig angenehm so eine im positiven Sinne fade TV-Show anzuschauen Selbst ohne es in ein Trinkspiel umgewandelt zu haben. „Kunst & Krempel“ lässt einen sogar wissen, was eine Kamee ist, ohne eine Anmerkung in Klammer inzufügen zu müssen. Obwohl „K&K“ sehr behäbig daher kommt, ist es im antiquierten Herzen eine spannende Kunstsendung, die den Puls der Zuschauer auf 60 hochtreibt, ist es doch eine Glückssache, ob ein Kunstwerk Gold wert ist, oder Scheiße. Und wenn dann die Menschen ihre Gegenstände mitsamt ihren Geschichten wieder einpacken, und nach hinten in die Schatten des Prunksaales treten, sind es meistens geplatzte Träume, die vom Tage übrig blieben.

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SELBSTVERSUCH

Mach mal

Mann

Ich setze mich ins Bad und schneide meine Nägel. Schneide sie ganz kurz. Und feile nicht. Dann entferne ich den blauen Nagellack von meinen Zehennägeln. Weg damit. Weg mit all dem Frauenkram. Heute bin ich ein Mann. Und was für einer. Text: Simone Steurer Fotos: Gerulf Dösinger

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ch streiche mit den Fingern über meine weichen Wangen, mein glattes Kinn. Ich brauche mich heute nicht zu rasieren. Wie schade eigentlich. Ich soll ja heute ein richtiger Mann sein. Ein Klischee-Mann. Ein Testosteronbrocken. Und das ohne rasieren? Oh, ich hab‘s! Richtige Männer tragen Bart. Also keine Rasur. Sehr praktisch. Warum ich mir übers Mann-Sein Gedanken mache? Das habe ich der Redaktion zu verdanken. „Mach einen Tag lang nur Männersachen. So mit Fußball schauen und Frauen hinterher pfeifen“, sagten sie. Und ich meinte nur „Na gut!“. Kann doch nicht so schwer sein. So anders sind Männer doch auch wieder nicht. Sie essen, sie duschen, sie machen Sport – Dinge, die ich eben auch mache. Und noch ein paar mehr, wie ich dann herausfand. Es ist also der Tag gekommen, an dem ich mich nicht rasiere, da ich ja ein richtiger Mann sein möchte. Ich stehe vor dem Kleiderschrank und brauche nicht

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meine üblichen zehn Minuten zur Auswahl, sondern greife mir die Boxershort, die sonst bloß zu Schlafzwecken verwendet wird, eine Hose, Shirt, Pulli und bin in zwei Minuten fertig angezogen. BH wäre ja wohl auch überflüssig. Die Short steckt verwurstelt in der Jeans, geraderichten aussichtslos, und gibt mir das Gefühl, nichts anzuhaben. Yeah! Ich fühle mich männlich. Oder so. Ab ins Bad. Das weiße Porzellan steht vor mir. „Hallo“, sage ich. „Wir hatten schon öfter das Vergnügen. Aber heute…heute wird das ein wenig anders aussehen.“ Und so kremple ich die Ärmel meines Pullis hoch. Atme ein und los geht’s. Ich klappe die Klobrille nach oben und lasse die Hose nach unten fallen (nur Reißverschluss öffnen funktioniert ja nicht so ganz). Und jetzt? Ich kann doch nicht bloß davor stehen, da geht doch alles daneben. Also stelle ich mich darüber. Klingt einfacher als es ist. Schließlich hält die Hose die Füße beieinander und die Kloschüssel ist doch breiter als gedacht. Also beuge ich meine


SELBSTVERSUCH

Knie nach außen und robbe mit den Zehen vorwärts. Froschschenkel. Und jetzt entspannen und loslassen. Und treffen bitte. Holladrio, das macht einen Lärm aus dieser Entfernung! Aber – es klappt! Zwar etwas ungemütlich und vermutlich ziemlich unansehnlich, aber immerhin. Ich pinkle im Stehen. Oder besser gesagt im Froschstand. Na bitte. Und meine Mutter meinte schon, ich müsste danach putzen. Von wegen. Alles wunderbar sauber geblieben. Voller Stolz richte ich mich wieder gerade, spüle und verlasse – das Waschbecken außer Acht lassend – die Toilette. Kleiner Scherz. Ich gehöre zur sauberen Sorte. Also Hände waschen. Trotz meines großen Trefferfolges entscheide ich mich, der Typ Mann zu sein, der sich (zumindest zu Hause) künftig am WC lieber hinsetzt. Meine Bequemlichkeit und die feminine Ader in mir sind einfach zu stark. Nach dem Frühstück geht es auf die Straße – das Revier der Männer. Im Auto rede ich mit meinem Vater über…na, was wohl? Autos. Vor uns fährt ein

aufgemotzter Golf GTI und ich gerate aus dem Häuschen. „Der Wagen sieht irre aus! Wenn ich viel Geld habe, lasse ich mir mein Auto genau so lackieren!“ Der VW ist schwarz. Und glitzert. Bunt. Ups, ein Ausbruch von Weiblichkeit. Ich wechsle das Thema. Den weiteren Tag über versuche ich mich testosterongetrieben zu verhalten. Auf den Boden spucken, Frauen nachsehen, in den Schritt greifen. Aber irgendwie macht es nicht Spaß. Was findet die Männerwelt bloß an diesen Dingen? Schließlich möchte ich noch den Abend männerhaft verbringen und schreite zum Klassiker. Zum ersten Mal in meinem Leben hole ich für mich selbst ein Bier aus dem Kühlschrank, greife nach der Chipspackung und flätze mich aufs Sofa. Heute ist das Fußball Champions League Finale. Zeitgleich mit dem Life Ball. Natürlich entscheide ich mich für die Kicker. Aber schon nach zehn Minuten habe ich genug von den Männchen, die dem Ball nachlaufen, und schalte um. Zu den Männchen in den Kostümen. Mit Glitzer.

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KOMMENTAR

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KOMMENTAR

Contra Gendern

Die MenschInnen Österreichs Text: Sophie-Kristin Hausberger Illustration: Carina Lex

Grüß Gott/Göttin, liebe Gleichberechtigung, nun hat es das schwache Geschlecht also auch in die Bundeshymne geschafft. Halleluja! Der Text, der 1946 von Paula Preradovi – einer Frau – verfasst wurde, ist ja wirklich sehr diskriminierend. Eine jahrelange Debatte neigt sich dem Ende zu und mit dieser stehen Männlein und Weiblein jetzt sogar musikalisch auf einer Ebene.

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ine neue Ära ist endlich gekommen. Herr und Frau Österreich wollen die Gleichberechtigung. Ein zentraler Punkt ist aber nicht etwa die Lohnkluft zwischen Ihm und Ihr, sondern selbstverständlich die Bundeshymne des „viel gerühmten Österreichs“. Bei der nächsten internationalen Fußball-Niederlage soll niemand auf die Idee kommen, dass bei uns der kleinste Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern besteht. Damit auch in Geldfragen der europäische Zusammenhalt gesichert ist, entpuppen sich unsere Politiker und sogar Politikerinnen, in Zeiten der Eurokrise, als wahre Finanzgenies. Läppische 900.000 Euro investierte unsere liebe Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ), um die Parität in der Bundeshymne zu sichern. Freilich fördert das nicht die Politikverdrossenheit der eifrigen Steuerzahler. Hand aufs Herz, wer hätte eine bessere Idee für die Verwendung dieser knappen Million? Exkludiert sind selbstredend Druck-, Änderungs- und Bekanntmachungskosten der Textänderung. Viel gerühmtes Österreich … Von wegen, Politiker schwafeln gerne. Schmied bringt es mit einer Aussage auf den Punkt: „Es ist hoch an der Zeit, dass wir uns darauf besinnen, worum es geht und parteipolitische Taktiken hinten anstellen.“ Also nur damit wir uns richtig verstehen: Es geht nicht um die Gehaltsschere von bis zu 40 Prozent zwischen Mann und Frau in ebenbürtigen Positionen. Es geht um zwei Wörter, die alles verändern. Bis auf die fehlenden „Töchter“ ist an der Hymne auch fast nichts auszusetzen. „Land am Strome“ passt zumindest topografisch noch zur Alpenrepublik. Aber nach den Kirchenskandälchen der letzten Jahre ist vielleicht auch „Land der Dome“

nicht mehr zeitgerecht. Heinz-Christian Strache (FPÖ) würde sich bestimmt freuen, wenn auch die Tempel, Synagogen und Moscheen in die Hymne aufgenommen werden. Fraglich ist zudem, warum nur die „großen“ Österreicher besungen werden. Gibt es keine „kleinen“, wichtigen Menschen? Und glaubt Man/n beziehungsweise Frau den Übergewichtstatistiken, droht sogar unser „starkes Herz“ zu verfetten. Wie aus Putzfrau Putzmann wurde. Verstärkt nicht gerade das Gendern den Unterschied zwischen Frau und Mann? Wieso gibt es ein Frauen- aber kein Männerministerium? Wieso erfolgen Einstellungen nicht nach Qualifikation, sondern nach zu erfüllenden Quoten? Die derzeitige Tendenz liegt inzwischen eher am Wandel der Benachteiligung des Mannes. Denn wer hat in Zeitungen schon des Öfteren von einer „VergewaltigerIn“ gelesen oder einer „unbekannten TäterIn“? Wichtig wäre eine gleiche Entlohnung, wichtig wäre wahre Chancengleichheit. Dann sollten allerdings auch Frauen zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr verpflichtet werden und das Pensionsalter müsste angeglichen werden. Immerhin leben wir Frauen bekanntlich ja doch ein paar Jahre länger. Grüß Gott/Göttin, liebe Gleichberechtigung, schön, dass wir Frauen jetzt auch musikalisch auf einer Ebene mit dem starken Geschlecht stehen dürfen. Gut, dass wir weiterhin bis zu 40 Prozent weniger als Männer verdienen und vor allem danke, dass sich Gleichberechtigung schon so in den Köpfen des starken Geschlechtes manifestiert hat. Liebe KämpferInnen der Parität, Sie haben wirklich etwas bewirkt.

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Foto: Wolfgang Schnuderl

Titelthema

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Titelthema

bunt. 34

Bunte Fakten

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Ich sehe was, was du nicht siehst...

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Farbdiskriminierung, ey!

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Titelthema 1

Was der Bauer nicht kennt...

Eigentlich erfreut sich die Farbe Blau größter Beliebtheit. Keine Farbe wird so oft als Lieblingsfarbe genannt wie Blau. Nur in einer Hinsicht stehen wir nicht auf sie: beim Essen. Klar, es gibt Blaubeeren, Zwetschken und Blaukraut. Allerdings ist kein natürliches Lebensmittel richtig blau, sondern hat immer einen Rotstich. Deshalb ist der Ketschuphersteller Heinz auch mit seinem blauen Ketschup gescheitert. Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht. Und das ist manchmal auch gut so. Die Natur signalisiert uns mit intensivem Blau nämlich verdorbene Nahrungsmittel durch Schimmel oder Gift.

Bunte Fakten

Hartnäckigkeit lohnt sich

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Wer schon einmal in Syracus, New York war, ist vielleicht über sie gestolpert: die verkehrte Ampel. Rot – Orange – Grün. Die Reihenfolge der Ampelfarben löst bei uns wenig Missfallen aus. In Syracrus schon. Hier wurde 1920, zur Zeit des Irischen Unabhängigkeitskrieges, die erste Ampel aufgestellt. Einigen Jugendlichen gefiel es aber gar nicht, dass das „britische“ Rot über dem „irischen“ Grün stand. Deshalb zerstörten sie die Ampel, indem sie sie mit Steinen bewarfen. Die Stadt reparierte die Ampel, die Jugendlichen zerstörten sie. Irgendwann war es der Stadt dann wohl zu dumm, und sie drehten die Ampelfarben um. Und so leuchtet sie heute noch in Grün – Orange – Rot.

Text: Elke Schlögl Illustration: Anna Spindler

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Schlichtheit statt Prunk Geht man in eine katholische Kirche, wird man von Prunk und Pracht beinahe erschlagen. Auch Priester hüllen sich für die verschiedensten Kirchenfeste in prachtvolles Messgewand. Die Kleiderfarbe der Priester ändert sich dabei je nach Anlass. Schwarz für Trauer, Violett in der Fastenzeit, Rot zu Pfingsten. Für buddhistische Mönche ist Orange am wichtigsten. Die Farbe steht im Buddhismus für die höchste Stufe der Menschlichen Erkenntnis – und ein einfaches Leben in Schlichtheit. Buddhistische Mönche dürfen nichts besitzen, deshalb leben sie in einfachen Hütten und von dem, was andere ihnen freiwillig geben.

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Wie kommt der Regenbogen zu seinen Farben? Wenn nach einem Regenschauer die Sonne wieder zum Vorschein kommt, bringt sie häufig einen beliebten Begleiter: Den Regenbogen. Aber wie bekommt der Regenbogen seine Farben? Damit man einen Regenbogen überhaupt sehen kann, muss man die Sonne im Rücken und die Regenwand vor sich haben. Dann entsteht durch die Lichtbrechung in den Regentropfen das bogenförmige Lichtband. Je nachdem, in welchem Winkel sich das Licht in den Tropfen spiegelt, entstehen unterschiedliche Farben. Einen Mondbogen gibt es übrigens auch. Der erscheint allerdings nicht bunt, sondern weiß.


Titelthema

Farbwunder Chamäleon

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Jeder weiß, Chamäleons sind die Meister der Tarnung und passen sich perfekt ihrer Umgebung an indem sie ihre Farbe verändern. Blödsinn. Chamäleons können zwar ihre Farbe ändern, aber nicht nur um sich zu tarnen. Sie kommunizieren so mit ihren Artgenossen. Paarungswillige Chamäleons sind bunter, kranke Tiere blasser. Bei Kälte werden sie dunkler, um Licht aufzunehmen, bei Hitze und in der Nacht sind sie heller. Seine Farben wechselt das Chamäleon übrigens durch Muskelkontraktion. Dadurch verändert sich die Größe der verschiedenen Farbzellen in ihrer Haut. Das können wir Menschen übrigens auch. Strengen wir uns gut genug an, strahlt unser Gesicht in leuchtendem Rot.

Er mag blau, sie liebt rosa

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Rosa steht für Mädchen, blau für Jungen – warum eigentlich? Für uns ist es selbstverständlich, dass man als Mädchen auf rosa steht, und Jungen in blaue Babykleidung gesteckt werden. Und würde man den Eltern eines Jungen rosa Kleidung schenken, wären sie wohl weniger begeistert. Dabei war es früher genau umgekehrt. Rosa war das „kleine Rot“, ein Zeichen der Männlichkeit. Blau war die Farbe der Jungfrau Maria. Kleine Mädchen bekamen deshalb blaue Kleider, kleine Jungen trugen rosa. Um 1900, als Matrosen und Industriearbeiter blau trugen, hatten Mädchen nun rosa zu lieben, und Jungen standen auf blau.

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FH LIVE Titelthema

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REPORTAGE

Ich sehe was, was du nicht siehst… Text: Miriam Pichler Foto: Wolfgang Schnuderl

Fast 10% aller Menschen leiden an der sogenannten Rot-Grün-Schwäche, wobei sie fast nur Männer betrifft. Um die Alltagsauswirkungen dieser Erbkrankheit genauer zu beleuchten, habe ich sie „selbst ausprobiert“.

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an sieht die Farben eben etwas anders“, sagte mir vor kurzem ein Freund, der an der Rot-Grün-Schwäche leidet. Umgangssprachlich auch als Farbenblindheit bezeichnet. „In der Weihnachtszeit ist es halt sehr nervig, aber ansonsten stört es nicht.“ Das hat mich dann doch neugierig gemacht. Was heißt ‚etwas anders‘ und wie wirkt es sich im Alltag aus? Nachdem ich mir eine spezielle Brille und ein Farbfilter-Tool für den Laptop organisiert hatte, startete ich den Selbstversuch. Ein Tag lang farbenblind. Anfangs war alles wie erwartet: Websiten hatten plötzlich ganz andere Farben, meistens bräunlich, besonders wenn rot oder grün im Design enthalten war. Filme waren ungewohnt anders, für jemanden, der nicht Farbenblind ist, relativ trist. Beim Anziehen in der Früh hatte ich einen kleinen Vorteil: Da ich nicht wirklich farbenblind bin, kenne ich die Originalfarben meiner Kleidung, wodurch sich modische Todsünden vermeiden ließen. Der nächste Schritt war etwas komplizierter: Ich habe mich ins Auto gesetzt. Das war womöglich nicht die klügste Entscheidung. Obwohl Hinweisschilder ja auch ohne Farben zu erkennen sind und ich eigentlich weiß, in welcher Reihenfolge die Ampel leuchtet, war ich heute durchaus ein gefährlicher Straßenverkehrs-Teilnehmer. Für einen Farbenblinden ist das kein Problem, aber wenn man, so wie ich, es gewöhnt ist, sich beim Autofahren an Farben zu orientieren, kann das ganz schön irritierend werden. Abgesehen davon stimmt es: Man sieht sehr normal, hat aber ein anderes Farbspektrum. Das sollte mir später noch zum Verhängnis werden. Um es voll auszukosten, habe ich Dinge getan, die ich sonst nicht tue. Wie zum Beispiel ein Fußballspiel angesehen. Um den Unterschied wirklich zu sehen, habe ich ein Spiel mit einem orangen Übungsball gewählt,

da der weiße ganz normal zu sehen ist. Unmöglich, da den Überblick zu behalten. Oranger Ball auf grünem Rasen? Nicht zu erkennen. Ich habe den momentanen Aufenthaltsort des Balls lokalisiert, indem ich beobachtet habe, in welche Richtung die Spieler rennen. Da wird Fußball gleich noch viel spannender. Der Parkspaziergang unter blühenden Bäumen hatte etwas Herbstliches an sich. Und ein Sprichwort hat sich bewahrheitet: Das Auge isst mit. Ein Erdbeer-Daiquiri schmeckt schon gleich ganz anders, wenn man die Farbe nicht richtig sieht. Man hätte mir auch jede andere Frucht reintun können, ich hätte es geglaubt. Alles in allem war der Tag vielleicht etwas ungewohnt, aber zu überstehen. Bis auf kleinere Unannehmlichkeiten: Ich ging einkaufen. Um es spannend zu machen, gleich mal ein zusammenpassendes Komplett-Outfit. Dazu möchte ich nicht mehr sagen, als dass ich jetzt die unmöglichste Farbkombination besitze und froh bin, dass ich beim Kellnern abends sowieso schwarz tragen muss und das nicht angezogen habe. Zweites Problem: Arbeiten mit neu gewonnener Farbenblindheit. Ich habe mehr als einmal die falschen Getränke an die falschen Gäste serviert, Cocktails falsch gemischt und festgestellt, dass meine Geschmacksnerven echt schlecht sind. Anscheinend erkenne ich Getränke nur an der Farbe. Was ich im Selbstversuch schlussendlich herausgefunden habe: Von allen möglichen Sehschwächen ist die Rot-Grün-Schwäche eher eine der weniger störenden. Abgesehen von ein paar Berufen, die man nicht ausüben darf – Polizist und Pilot zum Beispiel – und kleineren Alltagsproblemen, stört es gar nicht. Ähnliche Farben erkennt man sogar besser als ein Normalsehender und Kontraste setzen sich stärker durch. Trotzdem war ich froh, wieder auf meine normale Rot-Grün-Sicht umzusteigen.

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Titelthema

Farbdiskriminierung, ey! Unsere geliebte Gesellschaft presst nicht nur uns Menschen in Konventionen, sondern auch unsere bunten Wegbegleiter: die Farben. Es ist Zeit, die Farbkonventionen ein bisschen durchzur端tteln und aus dem Farbsystem auszubrechen. Und jetzt alle: Individualismus!

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Titelthema

Text: Natanja C. Reitner Foto: Wolfgang Schnuderl

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allo, mein Name ist Rosa und mir geht’s beschissen. Mich mögen nur kleine Mädchen. Ich habe den Ruf als weiche Farbe: Zuckerwatte, Schweinchen Babe, Tütüs. Das sind weiche Dinge. Schwache Dinge. Eigentlich bin ich der totale Draufgänger. Ich sollte die Clubfarbe der Hells Angels sein. Ich sollte die Farbe eines harten Superhelden sein. Aber sieht man Batman irgendwann mal in einem rosa Anzug inklusive Cape? Nein. Dabei war ich früher doch eine Männerfarbe! Und jetzt? Duracell-Häschen und Playboybunnys. Die Welt geht zu Grunde, das sag ich euch. Rosa ist nicht die einzige Farbe, die diskriminiert wird. Der Tod ist schwarz. Die Liebe ist rot. Weiß ist der Friede. Und schwarz und weiß sind ja sowieso keine Farben. Es gibt Mädchenfarben (rot, violett, ROSA) und Jungenfarben (blau, grün, braun). Frauen sehen auch andere Farben als Männer. Schwelgen wir in Träumen von flieder, taupe und azur, kennt das männliche Geschlecht nur RGB. Die RGB-Theorie. Ich war einkaufen. Dieses eine Mal nicht für mich, sondern für Herzbube. Herzbube brauchte nämlich neue T-Shirts. Farbdiskriminierung ist auch in unserer Beziehung immer wieder gerne ein Thema. Er erkennt höchstens sechs Farben an. Als modebewusstes Etwas gibt’s für mich ungefähr das Hundertfache an Schattierungen, Nuancen und Abstufungen. Die Challenge des Tages: Herzbube wollte mir beweisen, dass er die Farbe „flieder“ kennt. „Herzdame, das ist flieder, gell?“, sagte er und hielt ein Shirt hoch. „Nein, das ist koralle.“ Macht ja nix, nächstes Stockwerk. Herzbube bleibt wieder stehen und hält stolz ein anderes Kleidungsstück hoch. „Das ist jetzt aber flieder“, stellt er überzeugt fest. „Nein, Schatz, das ist immer noch koralle.“ Rot (er)sticht weiße Braut, Tod. Ein weiteres, farbtechnisch schwieriges, Thema sind Hochzeiten und Beerdigungen. Bei Vermählungen sind die Farben rot, schwarz und weiß verpönt. Der Grund: rot

sticht die Braut aus, weiß darf nur die Braut tragen, schwarz ist eine Trauerfarbe. Die Braut nimmt sich da ganz schön wichtig, oder? Will ich die Braut outfittechnisch tatsächlich ausstechen, kann ich das auch in anderen Farben als rot und weiß: Ich trage einfach Dessous und sonst nichts. Die können dann auch gerne pfirsichfarben (für Männer: orange) sein, Hauptsache transparent. Würde ich so etwas jemals versuchen, würden mich Braut inklusive ihrer Horde an Brautjungfern mit einer Mistgabel jagen und dann höchstwahrscheinlich anzünden. Wo wir dann auch schon beim Thema Beerdigung sind: Schwarz, die Farbe des Todes. Naja, naja. Ich persönlich würde mich ja über ein buntes Begräbnis freuen. Die Grabdeko ist ja auch nicht schwarz. Eine bunte Feier des Lebens, das wäre doch mal eine Art abzudanken. Oida, fohr weida, es is blau! Grün als Farbe für „Los!“ zu wählen, erschließt sich auch nicht unbedingt als sinnvoll, so sehr man darüber nachdenkt. Blau wäre viel logischer: Blaues Wasser fließt (obwohl Wasser ja eigentlich farblos ist, außer es ist verschmutzt... Ok, jetzt wird’s zu kompliziert). Deswegen sollte „fahren“ oder „go“ durch blau symbolisiert werden. Schließlich heißt es ja „fließender Verkehr“ und nicht „grünlich schimmelnder Verkehr“. Und wenn schwarz schon Tod heißen muss, dann sollte „Stop!“ also rot, also „aus“, sowie in „Ende“ auch schwarz sein. XY ist das neue Schwarz. Zuletzt sei noch gesagt: Nichts, NICHTS ist jemals das neue Schwarz. Weder grau noch blau noch kakadufarben (Ich gebe zu, diese Farbe entsprang meiner Fantasie.). Rosa wird eine schwache Farbe bleiben, genauso wie schwarz niemals durch irgendwas ersetzt wird. Es ist die einzige Farbe, die sich mit allem kombinieren lässt, worauf Schmutz weniger sichtbar ist und wo man Schweißflecken nicht sieht. Was sich jedoch ändern ließe, wäre diese Anziehdiktatur. Lasst die Begräbnisse bunt und die Hochzeiten schwarz-weiß sein. Kurz: Lasst uns gefälligst anziehen, was wir wollen.

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Illustration: Anna Spindler

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Foto: Wolfgang Schnuderl

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