OUT - Peter

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ein Name ist Peter, ich bin 25 Jahre alt und komme aus dem Rheinland, bzw. der Voreifel, Euskirchen, in der Nähe von Köln. Nach der zehnten Klasse habe ich das Gymnasium verlassen und an einem Berufskolleg eine Ausbildung zum Gestaltungstechnischen Assistenten für Medien und Kommunikation absolviert. Anschließend, vor 4 Jahren, zog ich nach Berlin, um mein Studium des Kommunikationsdesign zu beginnen.



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chon als Kleinkind war ich anders als die meisten Jungs in meinem Alter. Ich war ein sehr emotionales, beziehungsweise sensibles Kind. Ich habe wegen vielen Dingen angefangen zu weinen, was nicht heißen soll, dass man davon Homosexualität ableiten kann. Schon immer hatte ich einen sehr guten Draht zu Frauen und war früher mehr mit Mädchen als mit Jungs befreundet. Oftmals hatte ich auf diesen ganzen „Jungskram“ nicht wirklich Lust. Das katholische Umfeld in dem ich aufgewachsen bin – ich war sogar Messdiener und bin gefirmt – hat mich stark geprägt. Ich bin kein gläubiger Mensch, aber ich habe mich dadurch natürlich mit dem katholischen Glauben auseinander gesetzt und mich dort immer voll akzeptiert gefühlt. Christliche Werte sind mir durchaus wichtig und schon als Kind wurde mir mitgegeben, dass Gott mich so liebt, wie ich bin. Als jüngster von 3 Brüdern, meine Mutter ist Konditorin und mein Vater Kfz-Mechaniker, hat es mich immer weniger interessiert, am Mofa zu schrauben, ein Auto zu haben oder früh den Führerschein zu machen als meine Brüder. Sie haben sich mit den Dingen auseinander gesetzt, die mein Vater gut findet. Ich habe das jedoch nie groß getan. Schon immer war ich der Kreative: Ich habe viel mehr gemalt, gebastelt und meine Eltern haben dies auch akzeptiert und mich nie in eine Richtung gedrängt und gesagt: „Aber du musst jetzt!“.




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ls ich mir meiner Sexualität bewusst wurde, als es wirklich darum ging, was macht mich an, was ist Erregung und so weiter, war mir von vorn herein klar, dass ich auf Männer stehe. Es gab nie bewusst den Punkt, wo ich gedacht habe, jetzt bin ich schwul. Ich war immer ich und ich war immer so wie ich bin und das war vielleicht ein bisschen anders als bei den Meisten, aber es war eben einfach so. Ich musste diese Tatsache für mich nie plötzlich realisieren oder akzeptieren. Ich hatte nie ein Problem mit meiner Homosexualität, da meine Eltern mir, insbesondere meine Mutter, seit meiner Kindheit bis heute, vermittelt haben, dass ich gut so bin, wie ich bin. Das ging in der Pubertät soweit, dass, wenn meine Brüder einen Fahrradschaden hatten, sie zu meinem Vater gegangen sind und er meinte: „Ich zeige dir einmal wie das funktioniert, dann kannst du das beim nächsten Mal selber“. Und wenn ich, sogar heute noch, zu ihm komme und dasselbe Problem habe, dann sagt er einfach: „Stell das dahin, ich mache dir das“. Ich glaube nicht, dass sich dies auf meine Sexualität bezieht, aber allgemein auf meine Rolle in der Familie. Ich war der Jüngste und habe mich auf die Kreativität konzentriert. Meine Eltern akzeptieren dies und mein Vater sieht dann, dass ich vielleicht nicht das handwerkliche Talent habe bzw. darauf keine Lust, aber dafür andere Sachen kann.

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eine Mutter hat, glaube ich, schon früh gemerkt, dass ich schwul bin. Sie hat mir schon sehr früh vermittelt, dass es total okay ist, homosexuell zu sein, was mir um ehrlich zu sein, erst im Nachhinein wirklich klar geworden ist. Wir haben immer „Lindenstraße“ geschaut, obwohl ich das Meiste als Kind noch gar nicht richtig verstanden habe. Aber es war eben schön, mit Mama auf dem Sofa zu sitzen und fernzusehen. Meine Mutter hat mir, ohne es unbedingt verbal auszudrücken, immer vermittelt, dass sie ein sehr positives Verhältnis zum homosexuellen Handlungsstrang in der Sendung hat. Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wie sie das getan hat, aber ich hatte immer das Gefühl, dass meine Mutter sehr entspannt mit diesem Thema umgeht. Auch wenn sie im Bekanntenkreis Kontaktpunkte mit Homosexualität hatte, war meine Mutter immer sehr offen und zeigte mir irgendwie, dass es komplett okay ist, schwul zu sein.

Es gab nie so dieses „Männlich“ als Überding. Ich bin immer eher ein Mamakind gewesen und habe mehr einen Draht zu ihr, obwohl ich trotzdem ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Vater habe. Dadurch habe ich nie so ein „Macho“ oder „Männergehabe“ erlebt. Ich musste mich also nie Irgendetwas unterwerfen und mir wurde auch nie gesagt, dass man irgendwie männlich zu sein hat oder irgendetwas nicht machen soll oder machen darf, weil es vielleicht zu weiblich oder „nur für Mädchen“ ist. Als ich 15 oder 16 Jahre alt war, hat meine Mutter mir zum Beispiel auch Zeitungsberichte ausgeschnitten. Ein Artikel war über die GAY-Games in Köln, mit vielen Informationen über das Event, obwohl wir nie über das Thema Homosexualität gesprochen hatten. Es war eine ganz selbstverständliche Sache, nach dem Motto: „Ach schau mal, da ist dieses Event in Köln, vielleicht interessiert dich das ja!“ Sie hat damit gar nicht unbedingt ein klärendes Gespräch erzwingen wollen, denke ich, sondern mir einfach unterschwellig Sachen mitgegeben, wo ich das Gefühl bekommen habe, dass Homosexualität eine normale Sache ist. Wir haben jedoch auch danach nie darüber gesprochen. Mir fällt auch in dem Zusammenhang die Geschichte mit meinem ersten Freund ein. Meine Mutter hat durch ihren Beruf besondere Arbeitszeiten. Das heißt: Früh aufstehen und mittags-, nachmittags wiederkommen. Dadurch gab es 3 - 4 Tage, wo wir uns immer verpasst haben. Nach einer Party hat mein erster Freund bei mir geschlafen und seine Schuhe standen im Haus. Meine Zimmertüre war zu und meine Mutter sah nur die Schuhe. Ihr muss klar gewesen sein, dass er mit mir zusammen in einem 90er Bett geschlafen hat. Das Einzige, was meine Mutter jedoch bei der nächsten Gelegenheit zu dem Thema sagte, war: „Du, wem gehörten denn eigentlich die Schuhe?“ Ich sagte einfach ganz selbstverständlich seinen Namen, bekam ein „Aha“ mit wissendem Unterton zurück und das war es dann auch. Durch diesen Vorfall war mir einfach klar, dass sie es wusste und dass es überhaupt kein Problem gibt, welches ein großes Gespräch verlangt.




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urch diese mir vermittelte Akzeptanz habe ich auch jetzt nicht den Drang, über meine Sexualität zu reden, geschweige denn das Gefühl, mich erklären oder rechtfertigen zu müssen. Man könnte schon sagen, dass es ein bisschen komisch oder schwierig ist, dass ich mit meiner Mutter nie darüber geredet und gesagt habe: „Ich bin schwul“. Das heißt aber nicht, dass ich ein schlechtes Verhältnis zu meinen Eltern habe. Ich kann mit meiner Mutter über alles reden. Wenn es mir nicht gut geht, kann ich ihr sagen, woran das liegt. Wenn es mir aber wegen sozialen Dingen, z. B. wenn ich von Freunden enttäuscht worden bin, nicht gut geht, ist es meist eine Sache, über die ich mit meiner Mutter nicht spreche. Dafür habe ich meine Freunde. Ich sehe das aber nicht als negativ. Wir reden in der Familie aber grundsätzlich eher weniger über Dinge wie Sexualität, Liebe und Beziehungen. Wenn einer meiner Brüder eine feste Freundin hatte, wurde sie irgendwann einfach mit nach Hause gebracht und ganz selbstverständlich vorgestellt. Es gab bei uns in der Familie nicht die ständige Nachfrage nach dem Liebesleben. Ich denke, dass viele, die ein „engeres“ Verhältnis zu ihren Eltern haben, dadurch auch einen größeren Druck verspüren, sich für irgendwas rechtfertigen zu müssen, wie zum Beispiel die Sexualität. Wenn ich mal jemanden kennenlerne, wo ich sage: Das ist etwas Ernstes und das lohnt sich, werde ich ihn meiner Familie auch ohne Probleme vorstellen können und sie werden es akzeptieren.





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it 15 - 16 Jahren hatte ich eine Art Outing in der Schulzeit. Es war aber schlicht und einfach nur der Fall, dass ich dem Ganzen einfach mal einen Namen gegeben habe. Ich hatte einen eher weiblichen Freundeskreis, dazu noch ein paar Jungs und irgendwie war klar, dass ich auf Männer stehe oder zumindest „anders“ bin. Ich hatte kein Interesse an Frauen, das wussten alle und das hat auch niemand hinterfragt. Ich war immer in einem Umfeld, wo man so etwas einfach nicht gemacht hat. Mit der Zeit, gerade als es so anfing, dass man Alkohol getrunken hat, habe ich einfach die Gelegenheit genutzt, mit Leuten darüber zu reden. Aber auch eher nebenbei. Ich habe einfach erklärt, dass das Ganze einen Namen hat: Homosexualität.

Am Anfang habe ich irgendwie ein Problem mit Typen gehabt, die so theatralisch, feminin und affektiert waren und einfach bestimmte Klischees erfüllten, mit denen ich mich nicht identifizieren konnte.

Klar gab es in der Schule mal ein paar Mädchen, in die ich „verknallt“ war und ich glaube auch, dass dies gar kein falsches Gefühl war. Man hat einfach den Menschen als Person gemocht. Es war ein tolles Mädchen, mit dem man gern Zeit verbracht hat. Erst später lernt man zu unterscheiden, was der sexuelle Aspekt bei dieser Sache ist.

Ich war früher allgemein einfach relativ unentspannt, was bestimmte schwule Klischees anging. Ich will mich in keine Schublade stecken lassen. Ich habe für mich immer definiert, dass ich wie alle anderen bin. Ich fühlte mich ganz normal und konnte es daher nicht akzeptieren, wenn Leute sagten, dies oder jenes sei total „schwul“.

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Ich habe mich immer schwer getan und ich tue es auch heute noch, mich über meine Sexualität zu definieren. Man hat viele Eigenschaften und ich möchte ungern „der Schwule“ sein, da dies nur meine sexuelle Orientierung ist. Auch bei dem Gedanken, eine „Gabi“ zu haben, also eine Freundin, die mit mir schwul feiern geht, empfand ich als sehr merkwürdig, weil es mir so vorkam, als würde ich es alleine nicht schaffen schwul wegzugehen.

ch habe mich allerdings sehr lang schwer damit getan, mit meiner Sexualität umzugehen. Ich fand es nicht schlimm schwul zu sein, aber ich hatte meine Schwierigkeiten, mich in eine schwule Welt einzufügen und mich mit einem Thema wie „Community“ auseinander zu setzen. Ich fühlte mich, als ob ich mich dadurch selbst in eine Ecke drängen würde, von wegen: „Ich bin anders und ich muss mich mit „Gleichgesinnten“ zusammen tun.“ Dies war aber vom Gefühl her gar nicht der Fall. Durch meine Freunde und Familie hat Homosexualität kein „Anders-sein“ bedeutet. Ich war wie alle Anderen. Ich kannte meine Sexualität, aber ich habe da keinen großen Unterschied zu Heterosexuellen gemacht. Es war ganz normal und selbstverständlich.

Auch wenn es im Umfeld jemanden gab, der unbeliebt war und auch noch schwul, wurde dieser Aspekt meist herausgestellt, negativ konnotiert und als Beleidung verwendet. Dann fielen Sprüche wie: „Schau mal da vorne, die olle Schwuchtel!“ Mir war zwar bewusst, dass die Leute dies nicht sagen, weil sie die Homosexualität von ihm schlimm finden, sondern weil sie ihn einfach als Person nicht mochten. Es wurde aber einfach die Homosexualität genutzt, um ihn fertig zu machen. Dies hat mich persönlich sehr gestört, weil ich nicht so bin und nicht automatisch in eine Schublade gesteckt werden wollte. Ich konterte bei solchen Sprüchen von meinen Freunden und erklärte ihnen, dass ich ihrer Definition nach auch eine „Schwuchtel“ wäre.

Deswegen habe ich auch mit 18, 19 Jahren, als ich anfing, mehr in Köln wegzugehen, ziemlich lange gebraucht, dort Fuß zu fassen. Ich tat mich schwer, da ich die Tatsache, dass sich Schwule so zusammenrotten und es so eine Art Ghettoisierung gibt, also eine Community, die sich aber nach außen hin auch abgrenzt, immer schwierig fand.

Mit dieser Art habe ich es relativ schnell geschafft, in meinem Freundeskreis die Leute darauf aufmerksam zu machen, dass Schwulenfeindlichkeit oder jemanden aufgrund seiner Sexualität zu diskriminieren nicht in Ordnung ist.




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päter habe ich über das Internet in Köln Jungs kennen gelernt. Dies war zunächst alles immer sehr platonisch, auf einer freundschaftlichen Ebene. Nach und nach habe ich ein so gutes Verhältnis zu ihnen entwickelt, dass man zusammen auf Schwulenpartys gegangen ist. Und das habe ich auch gebraucht. Ich brauchte die direkte Aufforderung von meinen Freunden, da ich von selber wahrscheinlich nicht gefragt hätte. Mit 19 oder 20 begann ich auch, mich mehr und mehr mit dem Thema Flirting, Dating usw. auseinanderzusetzen. Dabei habe ich auch sehr extravagante Menschen kennen gelernt. Umso tiefer ich da eingestiegen bin, desto entspannter wurde ich. In Berlin bin ich noch lockerer geworden, da ich mich immer mehr mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Das heißt, ich bin jetzt auch bei vielen Männern, die vielleicht eine bestimmte Attitüde haben, viel offener und werte das Ganze nicht mehr so extrem. Wenn jemand jetzt vielleicht nicht so „männlich“ oder eben ein wenig affektiert ist, habe jetzt nicht mehr so oft das Gefühl, jemanden aus diesem Grund weniger attraktiv zu finden. Im Gegenteil: Ich finde solche Jungs oder Männer auch gar nicht mehr uninteressant, da ich an mir auch jetzt ganz viele Sachen viel eher zulasse. Ich hätte mich zum Beispiel früher beim Karneval nie als Frau verkleidet oder Ähnliches. Ich hätte nie damit kokettiert, diese schwule Rolle zu spielen, weil ich immer Angst hatte, die Leute stempeln mich dann ab und denken, dass macht man wegen seiner Homosexualität, was ja vollkommener Schwachsinn ist. Wie man an den Pumps und an den Masken in meinem Zimmer sieht gehe ich jetzt sehr entspannt mit dem Thema um. Ich kann jetzt eine bestimmte Seite an mir akzeptieren, dass ich zum Beispiel voll die „Diva“ bin, also oft rumzicke und mich auf eine theatralische Art und Weise ausdrücke: Dies bedeutet aber für mich nicht, dass ich deswegen weniger männlich bin. Ich stehe auf schlechte Popmusik und ich stehe auf bescheuertes Tanzen.



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ch glaube und ich habe es auch oft erlebt, dass man mir meine Homosexualität in dem Sinne nicht ansieht, wenn man mich nicht näher kennt. Klar, oft treffe ich mal Leute, die dann, wenn wir uns unterhalten, aufgrund meines Verhaltens vielleicht ahnen, dass ich schwul bin. Ganz oft kommen diese Leute dann aber an den Punkt, wo sie sagen: „Ach nee der ist ja ganz cool, der kann gar nicht schwul sein!“ Woran man dann einfach merkt, viele Leute haben heute einfach immer noch ein Problem in ihrer Denkweise. Viele denken meist von mir, ich bin der Kreative oder der „bunte Vogel“ und bringen dies aber nicht mit meiner Sexualität in Verbindung. Deswegen habe ich es nie bewusst schlimm oder negativ in Erinnerung, diskriminiert worden zu sein. Klar gab es vielleicht mal einen dummen Spruch, aber nie direkt ins Gesicht. Ich bin wirklich nie Opfer von Gewalt oder Ähnlichem geworden. Noch dazu hatte ich wirklich immer das Glück, in einem Umfeld zu sein, was sich für mich einsetzt, egal, ob männlich oder weiblich. Ich habe vielleicht negative Situationen bzw. Dinge die nicht gut gelaufen sind, teilweise verdrängt, aber gehe einfach positiv damit um und habe nicht das Gefühl, dass ich dies tue, weil es mich sehr belastet. Ich muss so etwas nicht mein ganzes Leben mit mir herumtragen und daran denken, wie schief etwas gelaufen ist. Irgendwann wollte ich einfach raus aus Köln. Ich wollte etwas Größeres, etwas Spannenderes erleben. Mir war klar, das kann mir in Deutschland nur Berlin bieten. Natürlich dachte ich auch, dass es gerade als homosexueller Mann einfacher ist, in einer Großstadt zu leben. Ich hatte gehört, dass man als Schwuler in Berlin nur in Schöneberg wohnen sollte, da ja alle anderen Teile, vor allem im Osten, sehr verschrien sind. Ich habe dies aber damals schon nicht ernst genommen, wollte mich nicht so drängen lassen und hatte keine Lust auf eine Ghettoisierung, sodass ich anfangs in Lichtenberg und jetzt in Schöneweide wohne. Man kann sagen, obwohl die Bezirke eher nationale, rechte oder einfache Kieze sind, habe ich überhaupt kein Problem damit, hier zu leben und auf die Straße zu gehen.



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ier in Berlin hat sich Einiges geändert. Ich hatte zu Beginn des Studiums direkt einen eher männlichen Freundeskreis gehabt, aber auch hier nicht das Gefühl, mich deswegen verstellen zu müssen oder mir Sachen zu verbieten. Es waren Freunde, die dem Thema sehr offen gegenüber waren und beispielsweise auch mal mit auf Schwulenpartys gingen. Es war immer ziemlich lustig, extrem locker. Im Gegensatz zu Köln habe ich in Berlin direkt viel Schwulenszene erlebt und habe dann wirklich durchgestartet, verschiedene Partys besucht, Leute kennen gelernt, gedated und darüber hinaus auch viele Freunde gefunden. So habe ich mir quasi auch einen homosexuellen Freundeskreis aufgebaut, um auch zu verstehen und zu akzeptieren, dass man das irgendwie ein bisschen trennt. Es gab zwar nie eine „richtige“ Trennung, aber man hatte doch die „Uni-Jungs“ und die „SchwulenJungs“ mit denen man was zu tun hatte. So ein Umfeld hatte ich vorher eben gar nicht. Deswegen würde ich sagen, dass sich mit zunehmender Selbstakzeptanz und Entspannung mein Freundeskreis erweitert hat.

Ich gehe nicht ins Fitnessstudio, weil ich dann vielleicht bei Männern besser punkten kann, sondern ich suche mir lieber jemanden, dem dies nicht so wichtig ist. Ich finde es auch nicht schlimm, wenn jemand ein bisschen Bauch hat oder eine Brille trägt.

Das Outing war also auch nicht wirklich nötig. Bei mir hat das immer gut funktioniert und ich bin dann einfach davon ausgegangen, dass sich es von allein rumspricht, nachdem ich es ein paar Freunden im Gespräch erzählt hatte und habe dies dann auch eher als positiv erlebt. Es war kein „hinter dem Rücken reden“, sondern einfach nur ein Fakt, wo dann mal nachgefragt wurde und ich antwortete dann offen und ehrlich.

Ich muss meinen Eltern irgendwann auch wirklich sagen, ob jetzt ins Gesicht oder schriftlich sei dahin gestellt, wie unglaublich froh ich bin, dass sie mich so erzogen haben, wie sie es getan haben. Sie haben mir ein tolerantes Weltbild vermittelt, welches mich sehr geprägt hat. Ich weiß, dass es leider noch nichts Selbstverständliches ist. Es hat mir das Leben aber um so vieles leichter gemacht.

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich verstellen muss. Ich denke, dass ich ziemlich authentisch bin und ich mich nicht situationsbedingt anpassen muss. Ich muss in meinem heterosexuellen Freundeskreis nicht anders sein als in dem schwulen. Ich bin immer ich und ich bin immer genau so eine Diva, genau so laut, nett oder gemein zu den Leuten. Klar kann man jetzt sagen, ich hab Glück gehabt, wie das Alles bei mir gelaufen ist. Aber ich glaube und hoffe, dass es eine Richtung ist, in die sich unsere Gesellschaft entwickelt. Wenn viel mehr Menschen Homosexualität als selbstverständlich ansehen würden, gäbe es ja diesen Schritt des Outing gar nicht mehr.

Ich kam hier Berlin schon mal an einen Punkt, wo ich sehr oft drüber nachgedacht habe, wer ich bin, wie ich bin und warum ich so positiv eingestellt bin. Ich lasse mich selten unterkriegen und kann mich gut durchsetzen. Ich akzeptiere mich, wie ich bin. Warum? Ich bin der Meinung, ich verdanke das alles meinen Eltern. Ich habe ein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Klar zweifelt man mal an sich, aber eigentlich bin ich mit mir selber sehr zufrieden. Ich bin nicht besonders sportlich und habe aber auch kein Problem damit. Ich unterwerfe mich nicht diesem Zwang in der schwulen Welt, vor allem in der Berliner Schwulenszene, einem so extremen Schönheitsideal zu entsprechen.



Zwischen Tabu und Selbstbehauptung Bachelor Kommunikationsdesign Felix Grimm


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