ICT 03/2010

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Leadership-standpunkte

Professor Axel P. Lehmann, Chief Risk Officer, Zurich Financial Services Group

Riskmanagement rechtzeitig über­prüfen Axel P. Lehmann

Der von Zurich financial services initiierte neue Lehrstuhl «Risk and Insurance Economics» an der ETH Zürich sucht intensiv die Zusammenarbeit und Kooperation mit der Praxis, anderen Instituten, der HSG und weiteren führenden Universitäten im In- und Ausland. ICT: Die Z Zurich Foundation unterstützt den Aufbau eines neuen Lehrstuhls «Risk and Insurance Economics» an der ETH Zürich. Welches sind Ihre wichtigsten Anliegen als Chief Risk Officer an die Risikoforschung? Prof. Axel Lehmann: Wir sind sehr stolz, dass die Z Zurich Foundation die Möglichkeit hat, den Aufbau eines Lehrstuhls für Risk and Insurance Economics aktiv zu unterstützen. Wir wollen damit einen Beitrag zur Grundlagenforschung im Bereich Integratives Risikomanagement leisten. Die Initiative «Integratives Risikomanagement» der ETH Zürich verfolgt das Ziel, unterschiedliche Arten von Risiken in Bezug auf ihre möglichen Auswirkungen systematisch und ganzheitlich zu erfassen und verbesserte Grundlagen für die konkrete Umsetzung in der Praxis zu liefern. Die Zusammenführung von Erfahrung, Fachwissen und Forschungskompetenz erlaubt der ETH, wichtige Einblicke in die Fragen der Risikoökonomie der Zukunft zu gewinnen. Welche Lehren sollten Banken und Versicherungen aus der Finanzkrise ziehen? Lehre Nr. 1 ist, dass man sich in «guten» Zeiten intensiv mit Risikomanagement auseinandersetzen muss. Wenn man damit erst in der Krise beginnt, ist es in fast allen Fällen viel zu spät! Die Gründe dafür, dass zahlreiche Finanzinstitute in Schwierigkeiten geraten sind, sind vielfältig. Oft

Professor Axel P. Lehmann, Chief Risk Officer, ZFS Group

waren ein falsches Geschäftsmodell oder verzerrte, unvollständige oder falsch interpretierte Risikomodelle eine zentrale Ursache. Nicht selten lagen die Defizite jedoch in anderen Bereichen, etwa der Risikogovernance und -kultur, der Aggregation von Risiken oder der fehlenden Einbettung des Risikomanagements in die Entscheidungsprozesse. Die Krise hat auf jeden Fall eines in Erinnerung gerufen: Risiko und Return sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Risikomanagement muss daher integraler Bestandteil des «normalen» Geschäfts und auf oberster Führungsstufe fest verankert sein. Worin unterscheidet sich das Risikomanagement der Banken von jenem der Versicherungen? Die finanziellen Risiken wirken sich – sehr allgemein gesprochen – auf Banken und

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Versicherungen unterschiedlich aus: Bei einer Bank liegt das grösste Risiko meist in der Liquidität, bei einer Versicherung in der Solvenz. Das hat natürlich einen Einfluss auf das Risikomanagement. Dennoch glaube ich, dass sich das Risikomanagement in beiden Finanzsektoren über die Zeit noch mehr annähern wird. Während Versicherer im Modellbereich teilweise von Banken lernen können, gilt dies umgekehrt bei Banken für den Umgang mit Grösstrisiken und potenziellen Kata­ strophen, wo Versicherer eine sehr grosse Expertise haben. Sie wurden mitten in der Krise in den Verwaltungsrat der UBS berufen. Welche Inputs können Sie aus Ihrer langjährigen Erfahrung in der Versicherungsbranche einbringen? Einerseits kann ich meine Markt- und operativen Kenntnisse aus meinen verschiedenen Führungsverantwortlichkeiten bei der Zurich im In- und Ausland, z.B. als Leiter des Firmenkundengeschäfts Schweiz oder als CEO für das Europaoder Nordamerikageschäft, einbringen. Andererseits weiss ich gerade aus meiner heutigen Funktion als global verantwortlicher Chief Risk Officer, dass jedes Unternehmen nur diejenigen Risiken eingehen soll, die es auch versteht und managen kann. Dies ist eine permanente Herausforderung für alle Unternehmen, egal ob eine Versicherung, eine Bank oder eine Industrieunternehmung.


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