Programmheft "Bette & Joan

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Désirée Nick . Manon Straché

rBette & Joans von Anton Burge . Regie: Folke Braband

Eine Produktion des Ernst Deutsch Theater, Hamburg, in Zusammenarbeit mit dem Theater am Kurfürstendamm



rBette & Joans von Anton Burge - Deutsch von Stefan Kroner Regie Ausstattung Musikalische Leitung Film Dramaturgie

Folke Braband Stephan Dietrich Felix Huber Takis Pagonis Stefan Kroner

Regieassistenz Dramaturgieassistenz Regiehospitanz

Cesca Carniéer Julian Süssmann Esther Paschereit

Bette

Manon Straché Désirée Nick

Joan

Premiere am 18. Juni 2017 Spieldauer: ca. 2 Stunden, eine Pause Eine Produktion des Ernst Deutsch Theater, Hamburg, in Zusammenarbeit mit dem Theater am Kurfürstendamm Aufführungsrechte: Hartmann & Stauffacher Verlag, Köln Uraufführung: 5. Mai 2011, Arts Theatre, London

Impressum Redaktion: Romy Beu, Anja Schubert, Brigitta Valentin Gestaltung: Victoria Muhle


Bette & Joan Ziemlich beste Feindinnen

Interview mit Anton Burge von Stefan Kroner

Anton Burge, wie kam es zu der Idee ein Theaterstück über die Hollywood-Ikonen Bette Davis und Joan Crawford zu schreiben? Schon seit meiner Kindheit haben mich Schwarz-Weiß-Filme fasziniert, ganz besonders Filme aus den 30-er und 40er-Jahren. Ich wuchs gewissermaßen mit ihnen auf. Von allen Stars dieser Ära übte Bette Davis die größte Anziehungskraft auf mich aus. Das galt für ihre Arbeit wie für ihr Privatleben. Und natürlich führte mich mein Interesse auch zu Joan Crawford. Die Karrieren der beiden, ihre Biographien, ihre Rivalität, ließen mich nicht los und so entstand ganz von selbst der Wunsch, eines Tages ein Theaterstück über sie zu schreiben. Es sollte ein Stück sein, das nur an einem Tag spielt, aber dennoch ihr ganzes Leben umfasst. Beide führten ein „larger than life"-Leben, beide waren Vorreiterinnen im Kampf um bessere Rollen, Drehbücher, Regisseure, Gagen und für größeren Respekt vor Schauspielerinnen in Hollywood.

Der Konflikt zwischen diesen beiden berühmten Schauspielerinnen im Kontext von „What Ever Happened to Baby Jane?“ ist legendär. Waren sie einander wirklich nur feindlich gesinnt? Ich glaube, ihr Respekt voreinander war genauso groß wie die gegenseitige Eifersucht. Bette beneidete Joan um ihre Schönheit und ihren Glamour. Joan war eifersüchtig auf Bettes unglaubliches Talent. Beide schätzten die große Professionalität der jeweils anderen. Wenn sie während des Drehs nur miteinander gestritten hätten, wäre der Film, bei dem engen Drehplan, gar nicht zustande gekommen. Der eigentliche Streit begann, als der Film schon im Kasten war. Joan Crawford war immer wieder um Bette Davis' Freundschaft bemüht, zum einen aus dem tiefen Bedürfnis, gemocht zu werden, zum anderen, weil sie sich von ihr auch erotisch angezogen fühlte. Bette Davis war egal, was die anderen von ihr hielten, zumindest hat sie das immer betont. Beiden war sehr bewusst, was für ein gefun-


denes Fressen dieser immer wieder aufgeheizte Konflikt für die Presse bedeutete. Ich glaube, sie waren so etwas wie „beste Feindinnen“. Bette betont immer wieder, dass sie eine wirkliche Schauspielerin ist, Joan dagegen nur ein Star. Die Davis sah sich als „wirkliche Schauspielerin“, um sich so von den anderen weiblichen Filmstars abzusetzen, die sie als „GlamourPussies“ abtat. Sie hingegen hatte eine Theaterausbildung, gab nichts auf ihre äußere Erscheinung, romantische Gefühlsduselei oder das Buhlen um Sympathie. Sie galt in Hollywood als die erste Schauspielerin, „die aus dem Wasser kam und nass aussah“. Für sie war es einfach, Joan zu verachten, weil diese besessen von ihrer äußeren Erscheinung war. Ein Verhalten, das Bette erniedrigend fand. Was macht die Arbeit von Bette Davis und Joan Crawford so herausragend? Was die Wahl der Rollen, die Themen ihrer Filme, das schauspielerische Können anbetrifft, sind sie bis heute fast konkurrenzlos. Definitiv haben sie das Bild der Frauen auf der Leinwand verändert, indem sie Hollywood und sein männlich dominiertes Studiosystem herausforderten. Sie waren für viele Frauen ihrer Zeit eine Ermutigung für ein besseres, selbstbestimmtes Leben zu kämpfen, in dem sich nicht alles um den Mann und das Heim dreht. Sieht man einmal von Katharine Hepburn und Barbara Stanwyck ab, waren sie die einzigen, denen es gelungen ist, bis zu ihrem

Tod zu arbeiten, im Geschäft zu bleiben, nie aus dem Fokus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Beiden gelang das Kunststück, sich immer wieder neu zu erfinden. Sie lebten ihren Beruf mit bedingungsloser Hingabe. In Ihrem Stück wird auch die enge emotionale Bindung, eine Art Vater-Tochter-Beziehung zwischen den großen Studiobossen Louis B. Mayer und Jack Warner und ihren weiblichen Stars thematisiert. Was hatte es damit auf sich? Beide Frauen hatten komplizierte Beziehungen zu ihren leiblichen Vätern – beide wurden von ihren Müttern allein aufgezogen, weil die Männer die Familien sehr früh verließen. Deshalb waren Bette und Joan zeitlebens auf der Suche nach starken männlichen Bezugspersonen, nicht nur im Hinblick auf ihre jeweiligen Ehemänner, sondern auch beruflich: Sie suchten Männer, die ihr Leben und ihre Karriere kontrollierten. Als diese Karrieren nicht mehr erfolgreich waren und ihnen nahegelegt wurde, die Studios zu verlassen, fühlten sie sich erneut von Männern verstoßen, die diese väterliche Rolle übernommen hatten. Als Joan Crawford von Metro Goldwyn Mayer zum Studio von Warner Bros. wechselte, bei dem auch Bette Davis unter Vertrag war und sich auf ihrem Territorium breit machte, wurde das von „Papa Warner“ gefördert: er wollte Bette Davis von ihrem Thron stoßen und Joan Crawford als neue Königin etablieren. Darin liegt für mich auch der Kern der Erzfeindschaft zwischen den beiden Diven: Es kann niemals zwei Königsbienen in einem Bienenstock geben!




„What Ever Happened to Baby Jane?” Hans Messias

W

as geschieht, wenn ein durch und durch zynischer Psychothriller in die Hände eines der zynischsten Regisseure Hollywoods fällt? Wenn zwei weibliche Altstars aufeinandertreffen und ein Comeback erhoffen? Wenn ein alt gewordenes Muttersöhnchen auf Abnabelung um jeden Preis aus ist? Wenn all dies zusammentrifft, dann hat man es bei einer halbwegs geschickten Inszenierung mit einem der bösesten Filme der Filmgeschichte zu tun und in nahezu genialer Inszenierung schlicht mit einem Meisterwerk. 1960 erschien Henry Farrells Roman „What Ever Happened to Baby Jane?“ 1962 lag der von Robert Aldrich inszenierte und produzierte Schwarz-WeißFilm vor. Erzählt wird die Geschichte der Hudson-Schwestern, die das Leben auf grausige Weise aneinander gekettet hat. Die Geschichte beginnt 1917, als „Baby“ Jane als verzogener Kinderstar die Familie ernährt. Eine freche Göre, die sich keine Vorschriften machen lässt, und selbstbewusst ihren Marktwert zur Geltung bringt. 1935 ist Blanche der Star der Familie, ein Hollywoodstar auf dem Zenit, der nun die

untalentierte Schwester Jane im Schlepptau hat. Doch auch dieses Abhängigkeitsverhältnis kehrt sich um. Nach einem grauenhaften Unfall ist Blanche gelähmt, nun ist Jane, die sich den Rest des Lebens um die Schwester kümmern wird, wieder obenauf. Jahrzehnte später setzt die eigentliche Geschichte ein. Das erste Bild gilt dem vergitterten Fenster im ersten Stock eines einst hochherrschaftlichen Hauses. Dahinter lebt die gelähmte Blanche (Joan Crawford), die auf Gedeih und Verderb den Launen ihrer alkoholkranken Schwester Jane (Bette Davis) ausgeliefert ist. Im täglichen Kleinkrieg lässt Jane Blanche das Maß ihrer Hilflosigkeit spüren. Durch ihre vom Alkoholismus ausgelösten psychotischen Schübe verschlimmert sich die Situation zusehends. Während Blanche sich an ihren früheren Erfolgen erfreut - ihre Filme werden im Fernsehen ausgestrahlt steigert sich Jane in ihre Missgunst hinein und dämmert in die Glitzerwelt des einstigen Kinderstars hinüber, an dessen Erfolg das alt, aber nie erwachsen gewordene Kind anknüpfen will. Als sie erfährt, dass



Blanche das Haus verkaufen und sie in eine Klinik einliefern lassen will, verschlechtert sich ihr Zustand noch mehr. Sie schneidet ihre Schwester von der Außenwelt ab, schließt sie in ihr Zimmer ein; später wird sie sie fesseln und knebeln. Die resolute Putzfrau Elvira (Maidie Norman), die hinter das schreckliche Geheimnis kommt, verliert ihr Leben und Edwin Flagg (Victor Bruno), das dicke Muttersöhnchen, das als Pianist Janes Comeback begleiten soll, wendet sich im Grauen ab, als er erkennen muss, dass Jane nicht schrullig, sondern verrückt ist. Die letzte Szene zeigt die beiden Frauen am Strand. Jane lebt vollends ihren Jungmädchentraum, Blanche stirbt entkräftet in ihren Armen, nicht ohne vorher ein furchtbares Geheimnis zu enthüllen, das beider Leben zerstörte. Robert Aldrich hat seinen erschreckenden Film in kontrastreichem Schwarz-Weiß gedreht, das er wie eine Farbe einsetzt, und er kann sich auf zwei Hauptdarstellerinnen stützen, die seine grotesk auf die Spitze getriebene Inszenierung bis zur Selbstaufgabe tragen. Joan Crawford verhärmt und eingefallen, schwarz gekleidet, ein Vogel im goldenen Käfig, der lange nicht zur Kenntnis nehmen will, wie es wirklich um ihn steht, und die grandiose Bette Davis, die unbeschreiblichen Mut zur Hässlichkeit beweist. Ihr aufgedunsenes Gesicht ist grellweiß geschminkt, im Laufe der Handlung und ihres Verfalls wird sich ihr Aussehen bis zur Travestie steigern. Die Sechzigjährige flieht in die Rolle der Sechsjährigen, eine Schleife ziert ihr strohiges

Haar, der Körper ist in die Kopie eines Kinderkleidchens gezwängt, das ehemalige Erfolgslied vom Brief an den Vater im Himmel zieht sich leitmotivisch durch den Film, kündigt jeweils einen neuen psychotischen Schub an. Was als sanfter Schrecken beginnt, steigert sich zu einem Albtraum, der den Zuschauer unweigerlich in seinen Bann zieht. Bald bangt man mit Blanche und hat Angst, was das von Jane servierte Essen diesmal enthalten wird. Wieder einen toten Vogel, eine Ratte oder einfach nur Nahrungsmittel? Doch Aldrich greift auch zu weniger subtilen Mitteln. Als Jane ihre Schwester beim Telefonieren überrascht, schlägt und tritt sie die Gelähmte mit einer unvorstellbaren Brutalität zusammen. Hier wird ein lebenslang angestauter Hass freigesetzt, in einer Weise, die in der Filmgeschichte ihresgleichen sucht. Aber auch für Angst findet Aldrich eindrucksvolle Bilder. Als Blanche sich ihrer wirklichen Lage bewusst wird, fährt sie verzweifelt mit ihrem Rollstuhl immer schneller im Kreis. Die Kamera beobachtet dies aus der Draufsicht und macht ihre ausweglose Lage augenfällig; ein gefangenes Tier, das sich in panischer Angst im Kreis dreht. „What Ever Happened to Baby Jane?“ ist ein überaus sperriger Film, der quer liegen will, der nicht genossen werden kann. Er spielt mit den Abgründen, die hinter den mühsam aufrechterhaltenen Fassaden bürgerlicher Wohlanständigkeit klaffen, und er lässt die vielen kleinen Bosheiten im Alltag in einem ganz anderen Licht erscheinen.




Bette & Joan So nah und doch so fern Jens Wawrczeck

Bette Davis und Joan Crawford: Zwei Namen einer längst vergangenen Ära, zwei Stars, die in ihren Filmen das ausleben durften, wovon Lieschen Müller nur träumen konnte. Zwei Frauen, die den Männern die Stirn boten. Beruflich und privat. Lange, bevor das Wort Emanzipation in aller Munde war.


Das maskenhafte Make-up, der furios überschminkte Mund, die balkenhaften Augenbrauen - längst sind beide zu Pop-Ikonen geworden und bieten Futter für zahlreiche Parodien. Aber Bette Davis und Joan Crawford auf diese Äußerlichkeiten zu reduzieren wäre falsch. In ihren Karrieren bewiesen sie Mut und Ausdauer. Unermüdlich stellten sie jahrzehntelang ihr Können unter Beweis. Die Davis drehte über hundert Filme, die Crawford brachte es auf über achtzig. Die Zahlen sprechen für sich. Als Bette Davis im Jahre 1930 in Begleitung ihrer Mutter in den Bahnhof von Los Angeles einfährt, wird sie dort allerdings zunächst übersehen. Der Fahrer der Filmfirma Universal Pictures, für die sie Probeaufnahmen machen soll, behauptet später, sie hätte so gar nicht wie eine Schauspielerin ausgesehen. Zumindest nicht wie eines der vielen Starlets, die wie Heuschrecken über Hollywood herfallen, um Karriere zu machen. Nun, Bette Davis machte Karriere, eine Jahrhundertkarriere sogar. Und das ohne den Umweg über die Besetzungscouch. Ohne dem Schönheitsideal zu entsprechen. Einzig und allein durch Talent und Fleiß. Sie sei eben, so betonte sie gern, eine echte Schauspielerin gewesen. Sie kam von der Ostküste. Sie hatte Bühnenerfahrung. Sie war ... „anders“. Dass es in ihrem Umfeld durchaus Kolleginnen gab, die auch „anders“ waren, übersah sie geflissentlich. Bette Davis duldete keine Götter neben sich. Ihre Mutter hatte sie mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein ausgestattet und ihr berühmt-berüchtigtes Temperament zwang später unzählige ihrer Filmpartner und Regisseure in die Knie. Freilich hätte solches Gebaren niemand in Kauf genommen, wenn Bette nicht volle Kassen garantiert und herausragende Leistungen geliefert hätte. Ihre


Darstellungen in Filmen wie „Der Brief“, „Die kleinen Füchse“ oder „Alles über Eva“ gelten auch heute noch als Highlights des amerikanischen Films. Stars wie Joan Crawford wurden von Bette Davis keines Blickes gewürdigt und schnell als Tingeltangel-Schönheiten verspottet. Joan Crawford wiederum, die sich in der Öffentlichkeit gern damenhaft milde gab und Boshaftigkeiten vermied, beteuerte immer wieder, wie sehr sie Bette Davis verehre. Ihre Taktik war es, die oft respektlosen Äußerungen der Davis zu ignorieren. Sowohl vor, während, als auch nach „Baby Jane“. Ihr eigentlicher Name, Lucille LeSeur, wurde von Hollywood als zu unamerikanisch befunden und in Joan Crawford geändert. Der Identitätswechsel fiel ihr nicht schwer, denn im Gegensatz zu Bette Davis war ihre Kindheit alles andere als unbeschwert. Charles Dickens hätte seine helle Freude daran gehabt: Kriminalität, Armut, Missbrauch, Heimaufenthalte. Mit stählerner Disziplin schafft es die Crawford schon sehr früh, sich in Hollywood zu etablieren. Zunächst keck, sexy und Charleston tanzend. Alles in allem harmlos. Doch spätestens nach ihren Auftritten in „Menschen im Hotel“ und „Die Frauen“ muss Bette Davis bei Warner Brothers gespürt haben, dass auch „drüben“ bei Metro Goldwyn Mayer die Konkurrenz nicht schläft und Joan Crawford ihr gefährlich nahe rückt. Mitte der vierziger Jahre - beide Schauspielerinnen waren inzwischen mehrfach nominiert und mit dem Oscar ausgezeichnet worden - lieferten sich Davis und Crawford bei Publikum und Presse ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen. Doch mit Ende des Studiosystems und fortschreitendem Alter begann auch ihre Popularität nachzulassen. Die großen Frauenfilme waren nicht mehr en vogue und neue Stars wie Elizabeth Taylor, Doris Day und Shirley MacLaine hielten nun das Zepter in der Hand. Als ich in den eisigen Wintermonaten 1986, ziemlich naiv und noch grün hinter den Ohren, nach New York ging, um dort zu studieren, war die günstigste und angenehmste



Methode, meinen Englischwortschatz aufzubauen, ins Kino zu gehen. Im Regency, einem der vielen Programmkinos, lief unter dem Motto „All About Bette“, nonstop von 11 Uhr morgens bis Mitternacht, eine Retrospektive mit Bette Davis-Filmen. Oft saß ich stundenlang in meinem Kinosessel und verpasste eine Subway nach der anderen. Damals kannte ich Bette Davis nur als Horrorqueen aus „Wiegenlied für eine Leiche“ oder als kahlgeschorene Elizabeth I. aus „Günstling ihrer Majestät“, aber hier konnte ich nun wirklich studieren, wie diese Schauspielerin in jungen Jahren mit unglaublicher Energie, in mittleren Jahren mit großem Können und in späteren Jahren mit unerhörtem Manierismus ihr Publikum fesselte. Das Time Magazine nannte den Stil der Davis einmal „schamlose Angeberei“, gab aber zu, dass es unmöglich sei, wegzuschauen. Das konnte ich nach meinem Bette-Studium bestätigen. Ähnlich faszinierend war Joan Crawford. Ihre Bandbreite wiederum konnte ich ein paar Monate später in einem anderen Programmkino auf der Lower East Side entdecken. Auch hier: Joan in jeder Altersstufe: tanzend, liebend, leidend, mordend. Ein Profi in jeder Disziplin. Der Kinobesitzer erzählte mir, dass die Crawford sich früher öfter in ihre eigenen Retrospektiven geschlichen hätte, um sich noch einmal in den Armen von Clark Gable, John Garfield oder Henry Fonda zu bewundern. Was für ein filmhistorisches Ereignis muss es gewesen sein, als Regisseur Robert Aldrich die Filmdiven 1962 für „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“ erstmalig gemeinsam vor die Kamera holte. Und was hatte die beiden wohl bewogen, in einem Genre aufzutreten, das sie bisher tunlichst gemieden hatten: dem Horrorfilm? Geldnot? Ehrgeiz? Neugier? Robert Aldrich hatte bereits einige Jahre zuvor mit Joan Crawford gearbeitet. Damals war sie der alleinige Star gewesen. Nun musste sie sich die Herrschaft teilen. Und wie wir wissen, gab es auf Bette Davis' Thron nur Platz für einen Star. Bette muss der armen Joan ziemlich zugesetzt haben. Als die beiden, nach dem Riesenerfolg von „Baby Jane“ den Nachfolger „Hush...Hush, Sweet Charlotte“ („Wiegenlied für eine Leiche“) drehen sollten, wieder unter der Regie von Robert Aldrich, ließ sich die Crawford krankschreiben und wurde durch Olivia De Havilland ersetzt. Eine Diva, die sich anscheinend besser gegen das Davis-Ego zu Wehr setzen konnte. Sieht man sich „Was geschah wirlich mit Baby Jane?“ heute an, scheint zunächst Bette Davis den schauspielerischen Lorbeerkranz davonzutragen, so unerschrocken und raumgreifend spielt sie den trunksüchtigen Kinderstar. Aber für mich ist Joan Crawford der heimliche Star. Ihr Spiel ist weniger eitel, weniger wirkungsheischend. Allerdings - das muss gesagt werden - auch weniger unterhaltsam. Aber ob man nun Bette oder Joan den Vorzug gibt: als Paar sind die beiden einfach unschlagbar!


Trotz des Erfolges von „Baby Jane“ nahmen die weiteren Filmkarrieren der beiden einen eher enttäuschenden Verlauf. Joan sauste als Vertreterin für Pepsi Cola um den Erdball und sicherte sich so ihren Platz in der Öffentlichkeit. Bette, die ewige Schauspielerin, hatte im hohen Alter mit „Tod auf dem Nil“ und „Wale im August“ noch zwei Achtungserfolge. Bette und Joan waren beide 1908 im Zeichen des Widder geboren. Beide hatten es in einer männerdominierten Branche bis ganz nach oben geschafft. Beide waren noch zu Lebzeiten Legenden geworden. Beide fanden sich bedeutend genug, zwei Autobiographien zu schreiben, heirateten mehrfach (und ließen sich genauso häufig scheiden) und wurden in späten Jahren von ihren Töchtern öffentlich als monströse Rabenmütter geoutet. Der Bericht der Crawford Tochter, „Meine liebe Rabenmutter“, der im Gegensatz zu dem Buch der Davis-Tochter erst nach dem Tod der Mutter erschien, wurde ein enormer Erfolg. Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Lebensläufe von Bette Davis und Joan Crawford ähneln. Und das, obwohl beide Damen doch immer wieder betonten, wie unterschiedlich, wie gegensätzlich sie seien. Bette Davis starb 1989 und überlebte Joan Crawford um zwölf Jahre. Auf die Frage, welche Zeile sie sich auf ihrem Grabstein wünsche, meinte sie: She did it the hard Way - Sie hat es sich nicht leicht gemacht. Eine Zeile, die auch auf Joan Crawford zugetroffen hätte. Und wären beide nicht so sehr in ihrem eigenen Kosmos gefangen gewesen, hätten sie vielleicht erkannt, was Jane (Bette) ihrer sterbenden Schwester Blanche (Joan) in der großartigen Schlussszene von „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“ zuraunt. Es ist der letzte Satz im Film und einer der großen Momente des Kinos: „Wir hätten Freunde sein können über all die Jahre.“

Unser Theater-Team Susanne Adam, Romy Beu, Ringo Breitz, Emrah Demir, Maria-Micaela Eichfeld, Stephan Emmerich-Jung, Boris Feist, Ilona Feist, Ursula Fisch, Michael Forner, Martin Köster-Rößling, Carolin Lambeck, Carsten Lange, Konstantin Leondarakis, Lennart Losensky, Susanne Maier, Peter Müller, Mathias Nitschke, Robert Perin, Katrin Reichardt, Alexander Rickmann, Olesia Ruschig, Jana Salewski, Bärbel Salomon, Astrid Schill, Marita Schröter, Anja Schubert, Carsten Schultz, Margrit Schultze, Kerstin Sielaff, Philipp Sturm, Sanyo Thet, Claudia Töpritz, Brigitta Valentin, Stephanie Vatansever, Thomas Vorkastner, Miriam Wehde, Andrea Weidmann, Martin Woelffer, Jürgen Wölffer, Eckard Wurm, Matthias Ziesch





Biografie

Bette Davis Bette Davis wird als Ruth Elizabeth Davis am 5. April 1908 in Lowell, Massachusetts geboren. Nach der Schule besucht sie eine Schauspielschule und gibt 1929 ihr Broadway-Debüt in „Broken Dishes“. 1931 erhält sie ihre erste Filmrolle in „The Bad Sister“. Für „Dangerous“ bekommt sie 1935 ihren ersten Oscar. 1936 verklagt sie ihr Filmstudio Warner Bros. Sie fordert mehr Mitspracherecht bei der Rollenwahl und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Schauspielerinnen. Die Klage wird abgewiesen. Für ihre Darstellung in „Jezebel“ („Jezebel – Die boshafte Lady“) erhält sie 1939 erneut einen Oscar. Im Jahr 1942 erscheint „The Little Foxes“ („Die Kleinen Füchse“). Danach bleiben gute Rollenangebote aus. Mit „All About Eve“ („Alles über Eva“) gelingt ihr 1951 ein Comeback. Im Folgejahr spielt sie auch erstmals wieder im Theater. Während sie 1961 in „The Night of the Iguana“ („Die Nacht des Leguans“) von Tennessee Williams am Broadway zu sehen ist, bietet ihr Joan Crawford die Titelrolle in „What Ever Happened to Baby Jane?“ („Was geschah wirklich mit Baby Jane?“, 1962) an. Für ihre Rolle erhält sie ihre zehnte Oscarnominierung. Im selben Jahr erscheint ihre Autobiografie „The Lonely Life: An Autobiography“. 1964 dreht sie erneut mit Robert Aldrich „Hush… Hush, Sweet Charlotte“ („Wiegenlied für eine Leiche“). Mit den Filmen „All Summers Die“, 1986 und 1987 mit „The Whales of August“ („Wale im August“) gelingen ihr letzte große Erfolge. Im selben Jahr erscheint ihre zweite Autobiografie „This ’N That“. Bette Davis stirbt am 6. Oktober 1989 in Neuilly-sur-Seine, Frankreich.


Biografie

Joan Crawford Joan Crawford wird am 23. März 1905 oder 1908 in San Antonio, Texas als Lucille Fay LeSuer geboren. Sie bricht 1923 das College ab und arbeitet als Revuetänzerin. Ende 1925 gibt sie ihr Filmdebüt, zunächst als Körperdouble für Norma Shearer. Weil ihr Geburtsname für MGM zu gewöhnlich klingt, wird in einem Preisausschreiben für den Namen Joan Crawford gestimmt. Ihren Durchbruch erreicht sie 1928 mit „Our Dancing Daughters“. Nach 1930 wandelt sich Joan Crawfords Film-Image vom lebenslustigen jungen Mädchen zur ambitionierten Frau, die ihren sozialen Aufstieg selbst in die Hand nimmt. In „Grand Hotel“ („Menschen im Hotel“) findet 1932 ihre Leistung besondere Beachtung. Nach 24 weiteren Filmen löst sie 1943 den Vertrag mit MGM und wechselt zu Warner Bros. Ihr erster Film wird 1945 „Mildred Pierce“ („Solange ein Herz schlägt“), für den sie 1946 den Oscar erhält. Im gleichen Jahr entsteht „Humoresque“ („Humoreske“). 1948 erhält sie für „Possessed“ („Hemmungslose Liebe“) und 1953 für „Sudden Fear“ („Maskierte Herzen“) Oscarnominierungen. 1954 folgt „Johnny Guitar“ („Johnny Guitar - Wenn Frauen hassen“). 1955 heiratet sie den Vorstandsvorsitzenden von Pepsi Cola Alfred Steele und ist nach dessen Tod 1959 selber im Vorstand. Mit „What Ever Happened to Baby Jane?“ („Was geschah wirklich mit Baby Jane?“) gelingt 1962 ein Comeback. 1963 erscheint ihre Autobiografie „A Portrait of Joan“. Nach ihrem letzter Film „Trog“ („Das Ungeheuer“, 1970) zieht sie sich aus dem Filmgeschäft zurück und veröffentlicht 1971 ihre zweite Autobiografie „My Way of Life“. Joan Crawford stirbt am 10. Mai 1977 in New York.


Bette Davis

Manon Straché Manon Straché wird am 27. März 1960 in Magdeburg geboren. Sie absolviert von 1980 bis 1984 eine Schauspielausbildung in Leipzig. Anschließend spielt sie in Theatern in Leipzig und Halle und in den Leipziger Kabaretts academixer und Die Leipziger Pfeffermühle. 1989 geht sie ans Theater Heidelberg. Von 1990 bis 1995 spielt sie in der Fernsehserie „Lindenstraße“ die Blumenhändlerin Claudia Rantzow und erlangt größere Bekanntheit. Anschließend verkörpert sie von 1995 bis 2007 die beliebte Figur der Hotelsekretärin Elfie Gerdes in der ZDF-Serie „girl friends - Freundschaft mit Herz“ und 2000 im Serienableger „Hotel Elfie“. 1998 wird ihr für „girl friends“ der Telestar verliehen. Es folgen verschiedene Fernsehreihen wie „Das Traumschiff“ (2001 bis 2009), „Familie Sonnenfeld“ (2008) und „Rosamunde Pilcher“ (2012 und 2014) sowie Spielfilmproduktionen: „Scharf aufs Leben“ (2000), „Die Boxerin“ (2004), „Im Gehege“ (2008). 2010 erscheint ihr Buch „Leise jedoch kann ich nicht. Meine Geschichte der Geschichte“ über Leben und Lachen in Ost und West. Manon Straché spielte am Theater und an der Komödie am Kurfürstendamm bereits die Magd Rosaura im Lustspiel „Liebe, Lust und Leidenschaft“, in Franca Rames und Dario Fos „Offene Zweierbeziehung“, in „Der Menschenfeind“ von Molière, in „Der letzte der feurigen Liebhaber“ und in „Komödie im Dunkeln“, sowie „Der dressierte Mann“ am Hamburger Winterhuder Fährhaus. Zuletzt war sie in der Komödie am Kurfürstendamm in „Mittendrin" zu sehen.


Joan Crawford

Désirée Nick Désirée Nick wird am 30. September 1956 in Berlin geboren. Nach einer frühen Ausbildung als klassische Balletttänzerin wird sie von 1975 bis 1982 Ensemblemitglied der Deutschen Oper Berlin. Von 1984 bis 1987 studiert sie in London Schauspiel. 1993 entsteht in Berlin ihr erstes Kabarettprogramm „Eine Frau wird erst schön durch die Liebe“. Über die Jahre folgen weitere Entertainment-Shows, die sie bundesweit bekannt machen, wie beispielsweise „Hollywud, ick komme“ (1994), „The Joy of Aging – and how to avoid it“ (2004), „Ein Mädchen aus dem Volke“ (2010) oder aktuell „Retro-Muschi“ (2015). Seit 1987 spielt sie regelmäßig Theater. Am Renaissance Theater Berlin, dem Maxim Gorki Theater und an der Volksbühne in Berlin ist sie in Stücken von Oliver Bukowski („Nichts Schöneres“, 2002), Claire Boothe Luce („Damen der Gesellschaft“, 2003-2004) und René Pollesch („Telefavela“, 2004-2005) zu sehen. 2006 bis 2007 folgt „Am Ziel“ von Thomas Bernhard am Hans Otto Theater Potsdam. Zudem arbeitet sie wiederholt unter der Regie von Torsten Fischer, wie in „Souvenir“ (2008-2013) von Stephen Temperley, wo ihr für die Darstellung der Florence Foster Jenkins der Kritikerpreis des Theaters an der Josefstadt verliehen wird, 2009 in „Odyssee“ in Bad Hersfeld und zuletzt 2014 in „Jumpy“ von April de Angelis am Ernst Deutsch Theater. Dazwischen ist das Schreiben ihre Passion und mit Büchern wie „Gibt es ein Leben nach 40“ oder „Gibt es ein Leben nach 50“ landet sie immer wieder Bestseller. Ihre Popularität erreicht sie bundesweit über diverse Unterhaltungsformate im Reality-Bereich, durch welche sie einem Millionenpublikum bekannt wird.


Biografie

Anton Burge Anton Burge wird am 3. Oktober 1969 geboren, er arbeitet als Schauspieler und Autor in London. Im Mittelpunkt seiner Arbeit als Dramatiker stehen berühmte weibliche Persönlichkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts. 2008 feiert sein erstes Theaterstück „What Ever Happened to the Cotton Dress Girl” am New End Theatre, Hampstead, Premiere. Am Arts Theatre, London, kommt 2011 „Bette & Joan“ mit Greta Scacchi und Anita Dobson heraus, eine UK-Tour folgt. In den USA läuft derzeit die Serie "Feud" zu der Begegnung von Bette Davis und Joan Crawford. Susan Sarandon spielt Bette Davis, Jessica Lange ist in der Rolle der Crawford zu sehen. Weitere Stücke sind „Fanny’s Burning”, das Musical „Gung Ho Gertie” und „Lady Mosley’s Suite”. 2013 kommt „Storm in a Flower Vase” am Londoner West End heraus. „Mrs. Pat“ über die Schauspielerin Stella Patrick Campbell wird 2015 beim Chichester Festival uraufgeführt. Aktuell arbeitet er an einem neuen Theaterstück: „Year of the Virgin“. Seine Bette Davis Biographie „A Life Lived in Melodrama“ ist in Vorbereitung.

Textnachweise „Bette & Joan, Ziemlich beste Feindinnen“ Interview mit Anton Burge von Stefan Kroner „What Ever Happened to Baby Jane?“ Hans Messias In: Thomas Koebner (Hrsg.): „Filmklassiker. Beschreibungen und Kommentare“, Stuttgart 2006 „Bette & Joan - So nah und doch so fern“ Jens Wawrczeck, Originalbeitrag für dieses Heft Bildnachweise Probenfotos vom 25.5.2016: Oliver Fantitsch | Foto Anton Burge: The Artists Partnership Foto Joan Crawford: George Hurrell (eBay) [Public domain], via Wikimedia Commons from Wikimedia Commons | Foto Bette Davis: By Alexander Kahle (1886–1968) for RKO Radio (Wikimedia file) [Public domain], via Wikimedia Commons from Wikimedia Commons Foto Désirée Nick: privat | Foto Manon Straché: Adrienne Meister Musiknachweise „All of Me“ (Gerald Marks / Seymour Simons) und „I’ve Written a Letter to Daddy“ (Frank De Vol / Bob Merrill) in einer Bearbeitung von Felix Huber.




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