Gitarre & Laute XXIX/2007/Heft 5-6

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Gitarre & L aute

O n l i n e Muscat Ud-Festival Der Guitarrefreund 1907 Glenn Gould John W. Duarte ✞ Harald Genzmer ✞

Jahrgang XXIX/2007, Heft 5 & 6


P R I M - Musikverlag : EditionEN Tilman Hoppstock Neuerscheinungen 2006-2007

Transkriptionen für Gitarre solo transcriptions for solo guitar

Für Gitarre solo:

Transkriptionen für Gitarre solo transcriptions for solo guitar

Transkriptionen für Gitarre solo

Joh. Seb. Bach: Cellosuite Nr. 2 a-moll (2 Fassungen) PRIM 99 079 Preis: 11,90

Johann Seb. Bach

transcriptions for solo guitar

FRANZÖSISCHE SUITE

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> 3 œ œ œ . œj œ œMOLL BWV 813 ‰ j˚ œœœ œœ œ œ œ œ œ œ œœ .. j œ R Œ œ D œ #œ œ œ œ #œ œ J #œ œ œ. œ œ œ œ œ. J J J œ French Suite No. 2 >œ œ > > > œ. œ. œ. d minor BWV 813 œ jœœœ œœœ œ jœœ œœ œ jœœœ œœœ œœœ. jb œœœœ œœœœ # 3 ‚ œ. J œ ‚ œ. J œ ‚ œ. J œ V 8 ‚ œ. J œ . . . . > > > >

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Joh. Seb. Bach: Franz. Suite Nr. 2 (orig. für Cembalo) PRIM 99 062 Preis: 10,50

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Johann Seb. Bach

orig. für Cembalo in c-moll

Cellosuite Nr. 2

orig. for harpsichord in c minor

Bearbeitung und Fingersätze von/ transcription and fingerings by

Tilman Hoppstock

Dietr. Buxtehude: Suite Nr. 10 BuxWV 236 (orig. für Cemb.) PRIM 99 061 Preis: 8,50

a-moll BWV 1008

Isaac Albéniz

2 Fassungen

Cello suite no. 2

TANGO PRim - Musikverlag Darmstadt E L P OLO

a minor BWV 1008 2 versions

Nr. 99 062

Isaac Albéniz: Tango + El Polo (orig. für Klavier) PRIM 99 077 Preis: 9,95

Bearbeitung und Fingersätze von/ transcription and fingerings by

orig. für Klavier Tilman Hoppstock orig. for piano

PRim - Musikverlag Darmstadt

Bearbeitung und Fingersätze von/ transcription and fingerings by

Nr. 99 079

Tilman Hoppstock

PRim - Musikverlag Darmstadt

Franz Schubert

Nr. 99 077

LIEDER MIT GITARRE

Schubert: 110 Lieder für Gesang und Gitarre

Band 3: 12 Lieder aus “Winterreise” Band 4: 17 Lieder nach versch. Dichtern

Band 5: 6 Lieder aus “Schwanengesang” Band 6: 12 Lieder nach Schiller/Klopstock

-

Vol. 5

Franz Schubert LIEDER MIT GITARRE

-

Vol. 3

PRIM 99 703 Preis: 16,90 PRIM 99 704 Preis: 15,50 PRIM 99 705 Preis: 13,90 PRIM 99 706 Preis: 14,50

6 Lieder aus „Schwanengesang”

12 Lieder aus „Winterreise”

6 songs from “Schwanengesang”

für Tenorstimme 12 songs from for tenor voice “Winterreise” Bearbeitung und Fingersätze von/ transcription and fingerings by

Tilman Hoppstock

für hohe/mittlere Stimme

PRim - Musikverlag Darmstadt

for high/medium voice

Nr. 99 705

Bearbeitung und Fingersätze von/ transcription and fingerings by

Tilman Hoppstock

PRim - Musikverlag Darmstadt Nr. 99 703

Aus der bekannten Serie “Große Komponisten für junge Gitarristen” Gaspar Sanz: 3 Suiten für 2 Gitarren PRIM 99 074 Preis: 10,50 Enrique Granados: Valses Poeticos f. Gitarre solo PRIM 22 100 Preis: 8,50 Isaac Albéniz: Asturias + Malagueña f. Git. solo PRIM 99 039 Preis: 8,50

G r o ss e Komponisten fu¨r junge G i t a r r i s t e n

Gaspar Sanz 3 Suiten

G r o ss e Komponisten fu¨r junge G i t a r r i s t e n

Für 2 Gitarren:

Dietrich Buxtehude: Passacaglia PRIM 99 074 Preis: 10,50 Gitarrenkammermusik

2 Gitarren

Enrique Granados Valses Poetic os

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bearbeitet fu¨r 2 Gitarren/ arranged for 2 guitars by

Tilman Hoppstock

Dietrich Buxtehude PASSACAGLIA

PRim - Musikverlag Darmstadt

BUXWV 161

Nr. 99 065

orig. für Orgel original for organ

bearbeitet fu¨r Gitarre solo von/ arranged for guitar solo by

für 2 Gitarren

Tilman Hoppstock

for 2 guitars Bearbeitung von/ transcription by

Tilman Hoppstock

PRim - Musikverlag Darmstadt

PRim - Musikverlag Darmstadt

Nr. 22 100

Nr. 99 074

PRIM-Musikverlag

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Postfach 10 11 20 64 211 Darmstadt Infos und Bestellung: www.prim-verlag.de 2 Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 5-6

. Postf. 103909 . 69029 Heidelberg

Ve r t r i e b w e l t w e i t / d i s t r i b u t i o n w o r l d w i d e :

Chanterelle

Tel: ++49-6221-784105 / Fax: ++49-6221-784106 online ordering: http://www.chanterelle.com


Liebe Leserinnen, liebe Leser

Liebe Leserinnen, liebe Leser, mit dieser Ausgabe 5/6 wird der Jahrgang XXIX/2007 komplettiert, der erste Jahrgang der ONLINE-Zeitschrift. Immer noch können Sie die Zeitschriften kostenlos herunterladen oder – ebenso kostenlos – als ePaper einsehen. Darf ich Sie bitten, mir als Gegenleistung Ihre Meinung zu sagen? Ich wüsste gern, was Sie zu der neuen Form der Zeitschrift Gitarre & Laute sagen! Wie stehen Sie generell zu Online-Zeitschriften? Waren Sie Abonnent/in der Zeitschrift Gitarre & Laute (in Papierform)? usw. Bitte schreiben Sie mir unter: peter.paeffgen@MusiCologne.eu. Ein paar Änderungen sind wieder einmal angesagt. Zum Beispiel wird die ReprintReihe „Der Guitarrefreund“ nicht weitergeführt. Lesen Sie hierzu mehr auf Seite 14! Es ist keineswegs so, dass ich meine Meinung zu dieser Idee geändert hätte – lediglich gibt es mittlerweile einfachere und bessere Methoden, wie Sie an den „Guitarrefreund“ kommen und da nutze ich die Seiten hier natürlich für andere Veröffentlichungen. Was die Dates angeht, die Ankündigungen von Wettbewerben, Kursen und Seminaren, ist das ideale Verfahren auch noch nicht gefunden. Das kann natürlich nur funktionieren, wenn Sie mir Ihre Meldungen und Termine rechtzeitig mitteilen! Noch einmal: dates@Gitarre-und-Laute.de. Ein großes Portal wird in diesen Tagen und Wochen eröffnet, in dem möglichst alle Gitarren- und Lauten-Veranstaltungen angekündigt werden, und zwar mit Fotos und den entsprechenden Links und allen möglichen Informationen. Ich bitte Sie also auch in Ihrem eigenen Interesse: Schicken Sie mir die Informationen so früh wie möglich.

Das Veröffentlichen von Dates ist immer noch kostenlos … wie seit fast dreißig Jahren! Und wenn sich Änderungen ergeben: Auch das teilen Sie mir bitte sofort mit, damit ich die Interessenten in Kenntnis setzen kann. John W. Duarte ist am 23. Dezember 2004 in London verstorben. Das Interview, das ich am 31. Mai 1982 in seiner Wohnung in der Brunswick Grove in London geführt habe, wiederhole ich hier (reichlich verspätet) in Erinnerung an den Gitarristen und Komponisten, und zwar zusammen mit einem aktualisierten Werkverzeichnis. Viele seiner Stücke haben ihren Weg ins Gitarrenrepertoire gefunden, dazu zahlreiche Ausgaben und Bücher. Harald Genzmer ist am 16. Dezember 2007 im stolzen Alter von 98 Jahren in München gestorben. Wäre da nicht das Konzert für zwei Gitarren und Orchester, Genzmer wäre in Gitarristenkreisen eine unbekannte Größe. Dieses Konzerte aber, initiiert und uraufgeführt durch Thomas Kirchhoff bzw., um genau zu sein, durch das Albéniz-Guitar-Duo bestehend aus Burkhard Wolk und Thomas Kirchhoff, ist auf CD aufgenommen und oft aufgeführt worden und so ist Genzmer auch unter Gitarristen bekannt geworden. Seiner gedenken wir in einem kurzen Nachruf. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit Gitarre & Laute ONLINE und bin mit freundlichen Grüßen Ihr*

Peter Päffgen Chefredakteur/Herausgeber

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… was ich noch sagen wollte … hier gebe ich Ihnen in lockerer Form Bemerkungen mit auf den Weg, von denen ich glaube, sie wären von allgemeinem Interesse. Es wird sich dabei wie heute um Bemerkungen über neu erschienene CDs drehen, die vielleicht auch mit der Gitarre oder der Laute überhaupt nichts zu tun haben. Oder vielleicht gilt es auch, einen Geburtstag zu feiern oder aus anderem Grund an einen Großen unserer Zunft zu erinnern. Sollte ich Sie langweilen oder sollten Sie Vorschläge machen wollen, schreiben Sie doch einfach an: mailto:peter.paeffen@MusiCologne.eu Peter Päffgen

The Catalan Piano Album Werke von Mompou, Viñes, Montsalvatge, Granados, Blancafort, Albéniz, Gerhard Jordi Masó, Klavier Aufgenommen im Juli 2006, erschienen 2007 NAXOS 8.570457 zum Vergleich: The Catalan Piano Tradition Cylinder and Disc Recordings from the Collection of International Piano Archives Originale Aufnahmen von Isaac Albéniz, Joaquín Malats, Enrique Granados, Frank Marshall und Alicia de Larrocha IPA (International Piano Archives) 109

Für uns, die wir mit Gitarrenmusik vertraut sind, gehören Stücke dieser Komponisten zum Standard-Repertoire: Albéniz, Malats, Granados … und sogar Mompou und Viñes. Sie alle waren Pianisten, wussten von der Gitarre nichts und abgesehen von Isaac Albéniz waren sie ausnahmslos Schüler von Juan Bautista Pujol (1835— 1898) in Barcelona, der wiederum stark von den künstlerischen Visionen von Felipe Pedrell (1841—1922) beeinflusst war. Die Pianisten und Komponisten, die sich um Pujol scharten, bildeten nicht nur die „katalanische Pianisten-Schule“, sie entwickelten auch einen neuen kompositorischen Stil, der in ganz Spanien das zwanzigste Jahrhundert beeinflussen bis bestimmen sollte. Joaquín Malats (1872—1912) ist durch seine Serenata Española berühmt geworden, ansonsten ist er heute völlig vergessen. Dabei war Malats wahrscheinlich der Virtuoseste unter den Schülern Pujols. Mit Isaac Albéniz war er eng befreundet und ihm stand auch die Ehre zu, die spanischen Erstaufführungen von dessen vier Büchern „Iberia“ zu spielen, gegen die seine Serenata schmalbrüstige Salonmusik war. Sie, die Serenata, ist heute hauptsächlich als Gitarrenstück bekannt. Eine frühe Transkription kam im Verlag Union Musical Española in Madrid heraus, arrangiert von Daniel Fortea (1878—1953), von Francisco Tárrega (1852—1909) sind zwei Bearbeitungen handschriftlich überliefert. Die Serenata ist auch Malats einzige Komposition, von der eine eigene Klangaufnahme auf Walzen erhalten ist – außerdem spielt er Chopin, Liszt und Richard Wagner. Die originalen Aufnahmen auf Walzen, die auf der LP der International Piano Archives neu herausgegeben worden sind, sind kein wahrer Kunstgenuss, eher Material für Untersuchungen zur Aufführungspraxis oder andere wissenschaftliche Forschungen. Rausch- und Geräuschpegel sind enorm, ebenso die Gleichlaufschwankungen. Aber für den erwähnten Zweck sind es kostbare Dokumente! Malats spielt den Chopin-Walzer op. 64/2 und seine eigene Serenade, aber die ist leider der am schlechtesten zu hörende Teil der LP. Man erlebt ein vergleichweise hohes Tempo und weitaus weniger agogische Eigenwilligkeiten, als man vielleicht erwartet. Die Walzen sind aus Wachs und vielleicht ist die Serenata Española besonders oft gehört worden und daher besonders abgenutzt. Der einzige uns unbekannte Name unter den Pianisten der katalanischen Schule ist Frank Marshall (1883—1959). Er wurde als Sohn englischer Eltern in der Nähe von Barcelona geboren und studierte dort am

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Liceo. Später hörte er Enrique Granados in einem Konzert und beschloss, bei ihm Unterricht zu nehmen und zu studierten. Er wurde Granados’ Protégé und darauf sein Sekretär und Assistent an der „Academia Granados“. Nach Granados’ Tod übernahm er die Leitung dieser Akademie, die später in „Academia Marshall“ umgetauft wurde. Auf der historischen Aufnahme (Catalan Piano Tradition) ist, von Marshall gespielt, der Norwegische Tanz op. 35/2 von Edward Grieg (Aufnahme von 1907) mitgeteilt. Die NAXOS-CD ist voller Überraschungen! Wir hören die als Gitarrenstücke bekannten „Mallorca“ von Albéniz, das „Divertimento 3“ von Xavier Montsalvatge und natürlich die Serenata von Malats. Aber wir hören auch Klavierminiaturen, die den Gitarristen offenbar bisher entgangen sind. Darunter sind die „Tres Tonadas“ von Joaquim NinCulmell oder die „Polka de l’equilibrista“ von Manuel Blanacafort. Jordi Masó ist auf spanische Klaviermusik des 20. Jahrhunderts spezialisiert – dies ist eine von etlichen Platten, die er bei NAXOS herausgebracht hat. Joaquín Turina ist da zu hören und Padre José Antonio Donostia. Wenn wir Albéniz und Granados als partes pro toto für die katalanische Klaviertradition der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nehmen, übergehen wir den Einfluss der Franzosen, der Impressionisten und der Gruppe „Les Six“ unter dem Einfluss von Erik Satie (1866—1925) und gerade dessen kompositorisches Genie ist in manchen Stücken unüberhörbar! Das „Catalan Piano Album“ liefert eine Fülle von Inspirationen und Einsicht in die Entstehungsgeschichte des „modernen“ Gitarrenrepertoires. Ist es nicht so, dass die Entstehungszeit der meisten hier präsentierten Stücke auch die des modernen Gitarrenrepertoires war? Haben nicht vielleicht Tárrega und seine Schüler sowie Segovia und andere den Pianisten und Komponisten ihrer Zeit (neidisch) über die Schulter geschaut?


Die Lautenwerke von Santino Garsi da Parma Gesamtausgabe der handschriftlich überlieferten Quellen Faksimile mit Übertragung und Kommentar von Dieter Kirsch Die Hauptquellen für die Werke des bedeutenden Lautenmeisters Santino Garsi da Parma, die Handschriften mus.ms.40032 und 40153 der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek, galten seit dem zweiten Weltkrieg als verschollen. Lediglich in der Dissertation von Helmut Osthoff („Der Lautenist Santino Garsi da Parma“ 1926) waren sie den heutigen Musikern und Wissenschaftlern in Übertragungen für Klavier zugänglich. Die neue Ausgabe sämtlicher Lautenwerke verbindet erstmalig Quellen in Faksimile (auch die der erst jüngst wiederentdeckten Berliner Handschriften) mit Übertragungen im G- Schlüssel-System (für Gitarre)

Santino Garsi da Parma, Sämtliche Werke für Laute, 120 S., Großformat, GL 148, EUR 30,-MusiCologne Ltd., Köln http://www.MusiCologne.eu

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n e g u A e n i e d e Öffn . t l e W e n i e m r fü ! e t a P Werde

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Gitarre & Laute ONLINE XXIX/2007, Heft 5-6 Inhalt Editorial 3 … was ich noch sagen wollte … 4 Peter Päffgen „Reich mit des Orients Schätzen beladen“ … Dokumentation zum Muscat-Ud-Festival erschienen 8 Vor hundert Jahren: Der Guitarrefreund VIII/1907/N° 5

Dr. Oskar Seyffert, Ueber das Gitarrespiel mit Ring und Nagelanschlag 1, 15 Generalversammlung des I.G.V., 1907 17 Kritische Plaudereien, 18

Notenbeilagen zum Guitarrefreund VIII/1907/N° 5 Mauro Giuliani, Rondoletto op. 4, 23

… Gelesen … 31 Markus Grohen Exzentriker – Genie – Hypochonder: Glenn Gould 1932–1982 34 Kleinanzeigen 38 Peter Päffgen Zwei Gitarren oder zwei Lauten … Neue Platten 39 Vor hundert Jahren: Der Guitarrefreund VIII/1907/N° 6

Dr. Oskar Seyffert, Ueber das Gitarrespiel mit Ring und Nagelanschlag 2, 45 Philipp Bone, Ferdinand Sor 47 N.N., „Gitarre“ und nicht Laute. Eine Erwiderung, 48

Notenbeilagen zum Guitarrefreund VIII/1907/N° 6 Ferdinand Sor, Sechs kleine Stücke, 53

Peter Päffgen Musikinstrument und nicht musikalischer Totempfahl Interview mit John W. Duarte 60 N.N., Harald Genzmer in memoriam 66 Impressum: Verlag: MusiCologne Ltd., Registered in England & Wales No. 5752198; Niederlassung Deutschland: MusiCologne Ltd., Sielsdorfer Straße 1a, D-50 935 Köln (Briefanschrift: Redaktion Gitarre & Laute, Postfach 410 408, D-50 864 Köln). Telefon: ++49-221-346 16 23. FAX: ++49-1803-5 51 84 30 17. Aufbereitung des ePaper: CANTAT GmbH, Wien, www.cantat.com. Internet: www.MusiCologne.eu, Kleinanzeigen: www.VerkaufeGitarre.de und www.gitarre-und-laute.de. Email: info@MusiCologne.eu (weitere Email-Adressen sind im redaktionellen Zusammenhang veröffentlicht). Erscheinungsweise: sechsmal jährlich, am Anfang der ungeraden Monate (Januar, März, Mai ...). Erscheinungsweise im Jahr 2007: 1. Juli 2007, danach jeweils am Anfang jedes Monats bis Dezember 2007. Kündigungsfrist: sechs Wochen vor Ablauf der Bezugsfrist. Preis: Einzelheft EUR 5,50, Abonnement für ein Jahr (sechs Ausgaben) 28,00 EUR inklusive Porto (In- und Ausland) und der gesetzlichen Mehrwertsteuer (19 %). Chefredakteur: Dr. Peter Päffgen. Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 13. Die namentlich gekennzeichneten Beiträge in dieser Zeitschrift entsprechen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Terminangaben, insbesondere in der Rubrik „Dates“ erfolgen prinzipiell ohne Gewähr. © Nachdruck in jedweder Form und allen Medien, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Aboverwaltung: Verlag, Niederlassung Köln. [anzeigen@gitarre-und-laute.de], Bildnachweis für vorliegende Ausgabe: S. 1, 8-9, 1011, 12 und 13: ENJA-Records; S. 32: CBS/SONY-Records; S. 66: Schott-Music, Mainz, alle anderen: Autoren oder Bildarchiv Gitarre & Laute-ONLINE

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Reich mit des Orients Schätzen beladen … Dokumentation zum Muscat Ud-Festival bei ENJA Von Peter Päffgen

ie arabische Laute hat unserer mitteleuropäischen Laute Gestalt und Namen gegeben – so jedenfalls liest man in Büchern und Artikeln zum Thema: „Laute (von arabisch al-’ûd; span. laúd; ital liuto; frz. luth; engl. lute)“1 Sie ist von den Arabern mitgebracht worden, die sich nach der Schlacht bei Jeréz de la Frontera im Jahr 711, aufgemacht hatten, das heutige Europa in Besitz zu nehmen. Karl Martell (688/689–741), Sohn Pippins II., wies sie zwar bei Tours und Poitiers in die Grenzen des späteren Spanien zurück, dort aber blieben sie fast achthundert Jahre. Sevilla, Granada und natürlich Córdoba wurden weltliche und kulturelle Zentren ihres Reichs, das sie El Andalus nannten – Andalusien. Hier sollten die berühmtesten Musiker, unter ihnen die besten Ud-Spieler, die beispielsweise aus Bagdad nachreisten, spielen. Die europäische Laute, die sich aus der Ûd2 entwickelte, wurde eines der wichtigsten Kulturinstrumente Europas – das erste und lange einzige, für das Musik gedruckt wurde. Ihr arabisches Vorbild aber, die Ûd, geriet hier in Vergessenheit, als die Mauren sich zurückzogen … wobei die Begriffe „Mauren“ oder „Mauretanier“ nichts anderes meinte und meint als „arabisch“ oder auch „arabisch-islamisch“. Die Eroberer wurden von den Spaniern „moros“ genannt – daraus leiten sich die Begriffe Mauren und „maurische Belagerung“ und „maurische Kultur“ ab – und dieser Name lebt auf Cuba und anderswo heute noch – aber das nur ganz am Rande! – in einer köstlichen Speise namens „Ensalada de Moros y Cristianos“, die aus (schwarzen) Bohnen und (weißem) Reis [zusätzlich Olivenöl, Cilantro (frischem Koriander) und viel Limettensaft] besteht. Spätestens 1479, als Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon, die späteren „Reyes Católicos“, heirateten, war das Ende des arabischen Reichs auf spanischem Boden besiegelt. Die „Reconquista“, die Rückeroberung, die schon seit dem neunten Jahrhundert betrieben wurde, war erfolgreich, die „moros“ zogen sich zurück. Nicht nur Alhambra, Alcazar oder Mezquita zeugen heute von ihrer kulturellen Hinterlassenschaft, auch weniger offensichtliche Spuren wie etwa im Cante Flamenco oder in Form verschiedener Musikinstrumente, darunter die Laute. Wie die europäische Laute sich weiter entwickelte, ist hinlänglich erforscht. Was mit der Ûd geschah, welche Musik auf ihr gespielt wurde, in welche Art von Ensembles sie eingebunden wurde und wird, ist auch gebildeten Mitteleuropäern weitgehend unbekannt. „Die arabische Musik ist – aus arabischer wie aus nicht-arabischer Sicht – mit der Ûd untrennbar verbunden. Der Grund für diese enge Verbindung liegt auf der musikpraktischen Ebene in der traditionellen Ausbildung junger arabischer Musiker. Jeg-

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licher Instrumental- aber auch Gesangsunterricht bedient sich der Ûd als Hilfsinstrument“ schreibt Professor Dr. Issam El-Mallah, Professor für Musikwissenschaft an der Universität in München und Herausgeber der Dokumentation, bestehend aus CD-Produktionen und umfänglichem Informationsmaterial, um die es hier geht. Dokumentiert wird das Muscat Ud-Festival, das vom 29. November bis zum 1. Dezember 2005 in Muscat in Oman stattgefunden hat. Das Sultanat Oman ist ein Land in Westasien, an der Südostküste der Arabischen Halbinsel, im Nordwesten an die Vereinigten Arabischen Emirate angrenzend, im Westen an Saudi-Arabien und im Südwesten an den Jemen. Oman hat gut drei Millionen Einwohner und wird regiert von Sultan Qaboos bin Said Al Said, freundschaftlich kurz His Majesty genannt (oder HM). HM hat am 18. November Geburtstag und das ist in Oman Feiertag. 2005 hat er mit dem Ûd-Festival neben seinem Geburtstag noch sein 35. Thronjubiläum gefeiert. Dieses kulturelle Ereignis ist jetzt dokumentiert. Ein Schuber enthält eine Mappe mit vier CDs und ein opulentes Buch. Alles in vier Sprachen: Englisch, Französisch, Deutsch und Arabisch und alles in orientalischer Pracht und Üppigkeit. Das Festival fand statt in Muscat, der Hauptstadt von Oman. Künstlerischer Leiter war Issam El-Mallah, der auch die Dokumentation herausgegeben hat und der für die erklärenden Texte verantwortlich zeichnet. Die Ud-Spieler stammten aus verschiedenen arabischen Ländern zwischen (weit im Westen) Marokko bis (im Osten der arabischen Welt) Oman. Und mit ihnen stammte die Musik aus allen möglichen stilistischen Sphären arabischer Musik – zwischen weit verwestlichter Musik für Ûd und recht traditioneller. Und es wurde natürlich auch die Üppigkeit des kulturellen Vermächtnisses des Oman vorgeführt und gefeiert und die Bemühungen des Landes um kulturelle Identität. Der Sultan unterhält mehrere Musik-Ensembles, darunter das Royal Oman Symphony Orchestra, das während des Festivals eine gewichtige Rolle spielen sollte. Es standen nämlich, das vorwegnehmend, Uraufführungen von Werken für Ûd und Orchester auf dem Festival-Programm – ein Brückenschlag zur europäischen Musikkultur und gleichzeitig eine stolze Demonstration von Eigenständigkeit. „Dieses Festival zeichnet sich als das erste seiner Art durch eine rein arabische Orchesterphilosophie in allen Bereichen aus: Komponist, Orchestermitglieder, Solist und Dirigent stammen aus arabischen Ländern.“ Einige Eigenarten arabischer Musik bzw. traditioneller arabischer Musikausbildung und Musikausübung müssen berücksichtigt werden, wenn man die „Andersartigkeit“ dieser Musik beschreiben und begreifen will. Issam El-Mallah betont das Ńarab-Prinzip als das „wesentliche strukturelle Prinzip“ … und schon bei der Definition dieses zentralen Begriffs müssen wir erkennen, dass wir die arabische Musik zwar konsumieren und schätzen, dass wir von einem tieferen Verständnis aber ziemlich weit entfernt sind. „Für den Begriff Ńarab-Prinzip finden wir in keiner Musikkultur außerhalb der arabischen eine genaue Entsprechung. Auch eine Erklärung, die alle Bedeutungen dieses Wortes umfasst, fällt nicht leicht.“ (Issam El-Mallah S. 119) Einig sind sich die Ethnomusikologen aber darin: „Der Begriff Ńarab bezieht sich auf die Wirkung von Musik auf das Gefühl.“ (Amnon Ahiloah in: MGG2 Sachteil, Bd. I, Sp. 698) oder „Die enorme Bedeutung des Ńarab ist der Grund dafür, dass sich arabische Musiker zuvorderst durch hohe Leistungen im Bereich der gesanglichen, instrumentalen oder poetischen Improvisation auszeichnen. Ihre Kunst ist es, diejenigen musikalischen Ausdrucksmittel hervorzuheben, die einem traditionell arabisch-geprägten Zuhörer besonders nahe sind und die zur Mitte der arabischen Musik, dem Gesang, zurückführen, der wichtigsten Quelle für die Entstehung von Ńarab.“ (Issam El-Mallah). Beschrieben wird also eine Interaktion zwischen Musiker und einem „traditionell arabisch-geprägten“ Zuhörer … Mitteleuropäer müssen einen anderen Zugangsweg zur arabischen Musik finden. Ein Verständnis des arabischen Tonsystems (maqam), der „wichtigsten Marksteine in der reichen Welt der arabischen Musik“, das Issam El-Mallah zu vermitteln versucht, ist auch nicht leicht zu erringen. „Denn während jene [die Tongeschlechter und Tonarten der europäische Musik] nur aus Ganztonschritten, Halbtonschritten und Eineinhalbtonschritten (übermäßigen Sekunden) bestehen, hat das arabische Tonsystem zusätzlich zu den genannten Intervallen auch den Dreivierteltonschritt zur Verfügung. Daher übersteigt die Zahl der arabischen maqamat die der europäischen Tongeschlechter bei weitem.“ Die Musik der vorliegenden Dokumentation (4 CDs mit fast fünf Stunden Spielzeit) erscheint uns als Mitteleuropäern dabei mal exotischer und mal weniger fremd – je nachdem, wie weitgehend die Komponisten oder Improvisatoren mit europäischen Vorbildern geliebäugelt haben oder nicht. Das „1st Concerto for Ûd and Orchestra“ von Atiyya Sharara zum Beispiel wirkt regelrecht vertraut, und das liegt einerseits daran, dass sein Komponist, 1923 in Kairo geboren, in beiden musikalischen Welten zuhause ist und offenbar vermitteln möchte. „Atiyya Shararas zwei Schwerpunkte soGitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 5--6 11


wohl in der klassischen westlichen als auch in der orientalischen Musik wurden bereits in seiner westlichen und orientalischen Grundausbildung angelegt.“ Dazu kommt natürlich, dass das Orchester ein traditionell europäisches Sinfonieorchester in klassischer Besetzung und so auch dem europäischen Tonsystem verpflichtet ist. Allaa Hussein Saber aus Ägypten spielt den Solo-Part des insgesamt eher konventi0nellen Konzerts mit der „klassischen“ Satzfolge Allegro–Andante–Allegro. Besonders der langsame Satz (ver)führt mich mitunter in den Film „Laurence of Arabia“ – ein Zeichen dafür, wie genau Oscar-Preisträger Maurice Jarre Elemente der arabischen Musik gekannt, nachempfunden und als Versatzstücke in seinen Film-Soundtrack eingebaut hat. Diese Arabesken hat er so herausgestellt, dass sie seiner ganzen Filmmusik unverkennbar arabische Züge gegeben haben … jedenfalls für die schlicht denkenden Hollywood-Produzenten, für die damals Schottland ohne Dudelsack und Deutschland ohne SS-Uniform filmisch undenkbar waren … und oft heute noch sind. Auch CD 4 enthält Musiken für Ûd und Orchester: „Dialogue for Ûd and Orchestra“ sowie „Variations on Arabic Melodies for Ûd and Orchestra“ von Ammar El-Sherie. Auch er, El-Sherie, ist Ägypter und auch er scheint sich exzellent mit westlicher Musik und Musiktheorie auszukennen. Obwohl: Issam El-Mallah schreibt speziell über ihn: „In allen Bereichen seines musikalischen Schaffens [...] beweist Ammar El-Sherei seine Zugehörigkeit zur traditionellen orientalischen Musik.“ Nehmen wir die Solostellen und Kadenzen für Ûd aus dem Gesamtwerk heraus, stimmt diese Einschätzung sicher. Gerade, wenn der Komponist, der hier auch als Solist in Erscheinung tritt, in Kadenzen förmlich ins Fabulieren kommt hört man den Orientalen – das Orchester hält sich während solcher Momente diskret zurück. Das Orchester stellt unüberhörbar den westlichen Kontrapunkt dar. Da beginnen Sätze mit vollem Blech wie Tschaikowski-Symphonien, andere mahnen an Beethoven … aber ich will hier keineswegs unterstellen, man hätte sich hier mit fremden Adlerfedern geschmückt. Nein, aber vielleicht ist man auch mit Klischees umgegangen wie Maurice Jarre – nur viel diskreter, kenntnisreicher und geschickter! Das knapp halbstündige Werk „Variations on Arabic Melodies for Ûd and Orchestra“ am Ende des Programms, spricht schon eine sehr eigene Sprache … obwohl … die eine oder andere arabische Melodie erscheint mir irgendwie vertraut … alle anderen kommen mir allerdings spanisch, pardon: arabisch vor! Wir betreten ganz anderen Boden, wenn wir nicht über die Werke für Ûd und Orchester reden, bei denen eine gewisse musikalische Fraternisierung offenbar unvermeidbar ist, da alle Beteiligten – Komponist, Interpret und Orchester – einen erheblichen Teil ihrer Ausbildung in Europa oder mindestens durch europäische Lehrer erfahren haben. Die Stücke für Ûd solo und die für Gesang mit Begleitung einer Ûd sprechen eine andere Sprache. Salim Bin Ali-Maqrashi aus dem Oman, mit seinen Soli beginnt die erste von vier CDs, glänzt einerseits durch Virtuosität und Tempo des Spiels, andererseits durch sehr feines Ausarbeiten und Fortspinnen von Melodien, das auch beim osmanischen Publikum gut angekommen ist (alle Aufnahmen sind Live-Aufnahmen aus den Konzerten). Gleich danach (auf CD 1) spielt der Marokkaner Saïd Chraibi, der in seinem Ringen um Ńarab, das heißt, um einen lebhaften musikalischen Dialog mit dem Publikum, sehr auf die Karte Virtuosität setzt – aber das kennen wir ja alle, die wir Konzerte für „klassische Gitarre“ oder für andere westliche Instrumente gewohnt sind. Und wir kennen auch das Publikum, das nicht unbedingt auf sportive Leistungen setzt. Vielleicht ist es aber Saïd Chraibis Kokettieren mit Flamenco-Elementen in seinem Spiel („Als erstes hat mich der Orient in die Schule genommen, danach Andalusien“ O-Ton Saïd Chraibi), welches das Publikum nicht in Ekstase versetzt hat. 12 Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 5--6

Der Ägypter Mamdoh El Gebaly folgt mit seinem vergleichsweise akkordischen und weit weniger auf Virtuosität setzenden Spiel. „Die Ûd soll den Menschen in Ńarab versetzen, nicht in Staunen über das virtuose Spiel“, so des Künstlers Bekenntnis. CD 2 beginnt mit Stücken des Musikers Abadi Al-Johar aus Saudi-Arabien. „Sein zunächst wie flüchtig erscheinendes Spiel und sein selbstgenügsamer Gesang mündeten in Tremolos und Verzierungen, die das Publikum vor Begeisterung aufstöhnen ließen“ – so schrieb Ulrich Olshausen ein paar Tage nach dem Festival in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und beschrieb damit den höchsten ereichbaren Zustand, in den ein Musiker seine Zuhörer versetzen kann: Ńarab. So bekommen auch wir, auf ei-

His Majesty … Sultan Qaboos bin Said, der Herrscher Omans und Schirmherr des Ûd-Festivals nem Umweg freilich, einen Eindruck davon, was Issam El-Mallah zu beschreiben versucht hat. An den Reaktionen der „traditionell arabisch-geprägten“ Zuhörer erfahren wir, was mit Ńarab gemeint ist. Erstaunlich ist, dass Abadi Al-Johar seine Zuhörer und auch Issam El-Mallah in Verwunderung darüber versetzt hat, dass er sich selbst auf der Ûd begleitet hat. Er habe weit über die arabische Halbinsel hinaus einen Ruf als hervorragender Sänger gehabt, „sein Können als Ûd-Virtuose aber ist für den Großteil des arabischen Publikums eine Überraschung“ heißt es, dabei ist sein Spiel sehr ausgewogen und ausgefeilt – keineswegs so, dass er es hätte verstecken müssen. Der Yemenit Ahmad Fathi schließlich riss sein Publikum zu begeisterten Beifallsbekundungen hin, wie keiner vor ihm. Sein ÛdSpiel ist vielgestaltig und bis ins kleinste Detail ausgeziert und ziseliert, klanglich feiner als das bisher Gehörte und auch in die-


ser Hinsicht sehr vielgestaltig und variabel. Dass aber gerade er es war, der in Muscat während des Applauses laute Zurufe, Pfiffe und Jubelschreie einheimsen würde, das war dann die zweite Erfahrung mit Ńarab. Offenbar trafen sich die Seelen von Musiker und Publikum besonders innig und intensiv. Das Ûd-Festival in Muscat war ein großes, internationales Ereignis, das eine Begegnung zwischen Kulturen ermöglichen sollte. Die jetzt vorliegende, mit orientalischer Üppigkeit ausgestatte Dokumentation, die übrigens von Enja im Direktverkauf für 46,40 Euro angeboten wird, gibt auch denen, die nicht nach Oman fahren konnten, die Möglichkeit, dabei zu sein. Was hier vorliegt, ist eine Art Kongressbericht, es ist die Klangdokumentation von rund fünf Stunden auserwählter arabischer Musik und es ist eine Produktion, die einem den kulturellen Reichtum der arabischen Welt vor Augen (und vor Ohren) führt, ihre Jahrtausende alte Kultur ahnen lässt. Spätestens, seitdem wegen ihrer Ölvorkommen gegen arabische Staaten Kriege heraufbeschworen wurden und geführt werden, verliert man all das zu schnell aus den Augen!

Al þarab: Musc Ûd von Issam El-Mallah, 4 CD,Dokumentation auf Englisch, Französisch, Deutsch und Arabisch (über 220 Seiten) mit zahlreichen Fotos und Notenbeispielen, ENJA-Records 9504-2 (www.enjarecords.com) at

-Festival, herausgegeben

Anmerkungen 1 Riemann Musik Lexikon, Sachteil, Auflage 1967, S. 506 2 Der Ûd oder die Ûd? Der Ethnomusikologe Issam ElMallah, Professor an der Universität München, schreibt „die Ûd“, sein Kollege Ulrich Wegner (Art. „Ûd“ in: MGG/2, Sachteil, Bd. IX, Sp. 1087-1101) schreibt durchgängig „der Ûd“. Die 24. Auflage des DUDEN gibt an: Ud, die, -, -2 (arab.) (Laute mit 4 bis 7 Saitenpaaren). Wir halten uns an Issam El-Mallah und den DUDEN.

Fotos: Titelseite: Ammar El-Sherei S. 8: Miniatur aus den Cantigas de Santa Maria S. 8-9: Musikerinnen und Musiker des Royal Oman Symphony Orchestra S. 10-11: Atiyya Sharara S. 12: HM Sultan Qaboos bin Said al Said © für alle (außer S. 8 oben): ENJA-Records

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Vor hundert Jahren …

Die erste Ausgabe des „Guitarrefreund“ vom 1. Mai 1900. Das Exemplar, dessen Titelseite Sie hier sehen, befindet sich auf der „Bibliotheca Regia Monacensis“, der heutigen Bayerischen Staatsbibliothek, München. Mit den Faksimile-Nachdrucken der frühen Ausgaben (ab Ausgabe 5 des Jahrgang I/1900 erschienen die Heft in professionellem Schriftsatz) werden Ihnen natürlich die ältesten Ausgaben auch im Neusatz geliefert – zwecks besserer Lesbarkeit.

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Mit Heft 1 des Jahrgangs XXIX/2007 haben wir damit begonnen, die hundert Jahre alten Hefte des Guitarrefreunds nachzudrucken … jetzt, nach gerade einmal einem Jahr, hören wir wieder damit auf. Nicht, dass aus der Leserschaft kein Interesse an diesen Nachdrucken bestünde, nein! Aber die Digitalisierung der Bestände der Statens Musikbibliotek in Stockholm und da speziell der Sammlung von Carl Oscar Boije af Gannäs (1849—1923) ist fertig gestellt worden und in dieser Sammlung befinden sich auch die Jahrgänge I/1900 bis bis XVIII/1919 des Guitarrefreund. Um genau zu sein ist I/1900/Nº 5 die erste und XVIII/1919/Nº 2 die letzte Ausgabe in dieser Sammlung. Alle Ausgaben, also auch die ZeitschriftenJahrgänge, sind kostenlos in sehr hoher Qualität im Internet einzusehen und man kann sie auch herunterladen. Hier für alle, die die URL der Boije-Sammlung noch nicht kennen: www.musiklib.se/ebibliotek/boije/indexeng.htm. Der Name der Seite „indexeng“ belegt, dass Sie hier die englischsprachige Startseite aufrufen, Sie haben also nicht einmal Probleme mit der schwedischen Sprache zu bewältigen! Carl Oscar Boije af Gannäs war von Beruf Versicherungsagent, seine Leidenschaft gehörte aber offensichtlich der Gitarre und ihrer Musik. Die Sammlung, die der Staatlichen Musikbibliothek in Stockholm im Jahr 1924, also ein Jahr nach Boijes Tod gestiftet wurde, ist eine der größten Spezialsammlungen der Welt. Viele Originalausgaben finden sich, auch etliche Autographen – zum Beispiel solche von Johann Kaspar (oder Caspar Joseph) Mertz, aber auch anderen. Carl Oscar Boje af Gannäs war Mitglied des Internationalen Guitarristen-Verbandes e.V. in München, und zwar trat er ihm offenbar gleich nach dessen Gründung im Jahr 1900 bei. Dies ist ein Grund dafür, dass er auf den „Guitarrefreund“ abonniert war. Die fehlenden Ausgaben des Jahrgangs I/1900 werden wir Ihnen hier in GITARRE & LAUTE-ONLINE nachliefern – ebenso die Hefte nach XVIII/1919/Nr. 2 – alle anderen finden Sie nun unter der angegebenen Adresse im Internet! Dann steht Ihnen alles Erschienene dieser Zeitschrift zur Verfügung!


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Sidney Corbett Carlo Domeniconi Carlo Domeniconi Carlo Domeniconi Carlo Domeniconi Iwan Tanzil (arr.) Iwan Tanzil Iwan Tanzil Virgina Yep Jaime M. Zenamon

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Gelesen!

Alexander Krause, Arcisstraße 12: Palais Pringsheim – Führerbau – Amerika Haus – Hochschule für Musik und Theater, München 2005, Allitera Verlag, EUR 9,90 1969 war ich in München auf einem Gitarrenfestival. Jiři Knobloch war der Veranstalter – Konzerte, Meisterkurse und der Wettbewerb fanden in der Musikhochschule statt: Arcisstraße 12. Ich habe sehr lebhafte Erinnerungen an dieses Festival: Franz Norden, mein Gitarrenlehrer, hatte mich dorthin geschickt, weil er herauszufinden versuchte, ob ich Gitarre studieren wollte oder nicht – ich stand kurz vor dem Abitur. Neben Jiři Knobloch zeichneten Barbara Polášek für das Festival verantwortlich, Gabriele Braungart und Karl Scheit. Zu den anwesenden Künstlern gehörten Dick Visser, Fernando Fernández-Lavie, Angel G. Piniero, Oscar Cáceres, Leonhard Beck und … Siegfried Behrend. Letzterer, Siggi Behrend bzw. besser gesagt seine Präsenz und sein Auftreten, waren für mich letztlich die Gründe, dass ich mich dagegen entschieden habe, Gitarre zu studieren … wer weiß wofür’s gut war! Das Festival in München bot all das, was heutige Veranstaltungen ähnlicher Art

auch im Programm haben: Meisterkurse, Konzerte, eine Ausstellung, Angebote von Musikalienhändlern und dazu viele Kontakte und Begegnungen. Dabei war die Situation der Gitarre damals eine andere. Jiři Knobloch schreibt in seinem Grußwort im Programmheft: „Neben [der] Entwicklung und Anerkennung der Gitarre als ebenbürtiges Kunstinstrument besteht […] bei einem großen Teil der Bevölkerung immer noch Unwissenheit über ihre Möglichkeiten als Soloinstrument, ja sogar eine Geringschätzung, die manchem jungen Talent den Weg zu einem ernsthaften Studium der Gitarre versperrt.“ Das Gebäude in der Arcisstraße, in dem die Musikhochschule residierte und residiert, war etwas Besonderes. Entree und Treppenhaus kamen mir, was ihre architektonische Gestaltung anging, bekannt vor. Ich erinnerte mich, ohne wirklich viel darüber zu wissen, an Nazibauwerke, an die „Handschrift“ der Architekten um Albert Speer und Konsorten. <Schnitt> Mehr als dreißig Jahre später: Ich lese das Buch „Frau Thomas Mann: Das Leben der Katharina Pringsheim“ von Inge und Walter Jens und gleich anschließend „Meine

ungeschriebenen Memoiren“ von Katia Mann. Gleich zu Beginn des ersten Kapitels ist der Text eines Briefes abgedruckt: „Ich, Katia Pringsheim, richte auf Grund der folgenden Mitteilungen das Gesuch um Zulassung zu der im Sommer 1901 stattfindenden Absolutorialprüfung des humanistischen Gymnasiums […] Einen gefälligen Bescheid auf dieses Gesuch bitte ich mir Arcisstr. 12 zustellen zu wollen“. Arcisstraße 12? Bei weiterer Lektüre fand ich heraus, dass das Haus Arcisstraße 12, ein Neo-Renaissance-Palais, für Alfred Pringsheim (1850– 1941), Katias Vater, und seine Frau Hedwig geb. Dohm (1855–1942) gebaut worden ist und dass sie es 1889 bezogen haben. Alfred Pringsheim war angesehener Mathematik-Professor an der Münchener Königlichen Universität, der stattliche Reichtum seiner Familie stammte aber von seinem Vater Rudolf, einem sehr vermögenden Unternehmer. Das Palais Pringsheim war enorm groß, über 24 Meter breit und über 25 Meter tief, war mit Kunstsammlungen ausgestattet und wurde um die Jahrhundertwende zu einem der gesellschaftlichen und künstlerischen Zentren Münchens … bis es am 15. August 1933 von den Nazis gegen Zahlung von 700.000 RM enteignet und schließlich abgerissen wurde. <Schnitt> Nicht lange nachdem ich die Bücher über Katia Mann gelesen hatte, fiel mir das Buch über die Arcisstraße 12 in die Hand, um das es hier eigentlich geht. Hier erfuhr ich die ganze Geschichte des Hauses, das mir 1969 eine Art Déjà-vu-Erlebnis beschert hatte. Die Pringsheims waren Juden, außerdem in herausgehobener gesellschaftlicher Position und sehr wohlhabend – es war klar, dass die neuen Machthaber sehr schnell nach ihren Besitztümern greifen würden. Am 24. Juni 1933 schrieb Thomas Mann, der Schwiegersohn, in sein Tagebuch: „Neue Nachrichten über das Schicksal des Hauses in der Arcisstr., dessen Enteignung mit oder ohne Entgelt bevorsteht. Die alten Leute müssen hinaus, damit das Haus, das sie 40 Jahre bewohnten, einem weiteren der verschwenderischen Parteipaläste Platz mache, aus denen dieses ganze Viertel in kurzem bestehen soll.“ Alfred Pringsheims bedeutende mathematische Fachbibliothek ging an einen Antiquar, ein über 20 Meter langer Fries, den der Maler Hans Thoma (1839– 1924) für das Haus angefertigt hatte,

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Gelesen! liegt noch heute im Depot der Staatsgalerie in Stuttgart, eine bedeutende MajolikaSammlung kam bei Sotheby’s unter dem Hammer – von dem Erlös musste Pringsheim 75% [!] an das Deutsche Reich abgeben. Eine Silber- und Goldschmiedesammlung schließlich wurde 1938 beschlagnahmt und im Bayerischen Nationalmuseum eingelagert. Nachdem die Plünderungs-Aktion zu einem Ende gekommen war, verließ das Ehepaar Pringsheim buchstäblich in letzter Minute das Land. Das war 1939 und die Flucht gelang auf Vermittlung und mit Hilfe von Winifred Wagner. Damit ist die glamouröse Phase der Geschichte des Hauses Arcisstraße 12 erzählt … bzw., besser gesagt, der Adresse Arcisstraße 12, denn das Pringsheim’sche Palais war schon 1933 der nationalsozialistischen Abbruchbirne zum Opfer gefallen. Ein Repräsentations- und Dienstgebäude für Hitler und seine (Partei-) Stellvertreter entstand als Hausnummer 12, als „Führerbau“. Hitler selbst benutzte das Haus sehr selten. Sein bayrisches Domizil lag am Obersalzberg. Der Führerbau in der Arcisstraße war vorsorglich mit Luftschutzbunkern für 400 Personen ausgestattet, die allerdings einer anderen Verwendung zugeführt wurden. Hitler, der durch alle Aufnahmeprüfungen an Kunstakademien gefallen war und danach ein paar Jahre in Wien als Postkartenmaler seinen Lebensunterhalt verdient hatte, hielt sich nicht nur für einen großen Staatsmann und Feldherren, sondern auch für einen Künstler. In der Stadt Linz, die er selbst als seine Heimatstadt bezeichnete, wollte er ein großes Kunstmuseum errichten, hauptsächlich ausgestattet mit aus jüdischem Besitz beschlagnahmten Kunstwerken und genau die wurden in den Luftschutzbunkern des Führerbaus in München nach 1938, also nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, „zwischengelagert“. Bellotto, Boucher, Breughel, Rembrandt, Rubens, Ruisdael, Vermeer … 1943 verzeichnete die Inventarliste über 3000 Kunstwerke. Weitere Depots wurden eingerichtet, darunter das Stift Kremsmünster. 1944: Der Krieg kam in seine Endphase, die Welt brannte. Die Nazis entschlossen sich, unersetzliche Kunstwerke auszulagern, um sie zu sichern. Da das Linzer Führermuseum nie gebaut worden war, wurden die dafür vorgesehenen Gemälde und Skulpturen in einem Salzbergwerk bei Bad Aussee untergebracht, um sie vor Kriegseinwirkung zu schützen.

Am 29. April 1945 flohen die letzten NSWachmannschaften aus dem Führerbau – zwei Tage später wurden amerikanische Truppen erwartet. Es begann „der größte Bilderraub der Kunstgeschichte“. Nachdem Lebensmittel, Alkoholika und Zigaretten weggetragen waren, machten sich Münchner Bürger über die über 700 noch im Bau verbliebenen Kunstwerke her … von Canaletto bis Rembrandt. „Nicht Bomben konnten diesen unersetzlichen Schatz vernichten, nein, nur der Pöbel, der oft nicht kannte, was er wegnahm, raubte, vernichtete und verschleppte … Es war der größte, aber auch unsystematischste Bilderdiebstahl der Kunstgeschichte.“ 1945 benutzten die Amerikaner den „Führerbau“ zur Rückführung der geraubten und enteigneten Kunst … die Bücher und Skulpturen aus dem Salzbergwerk Bad Aussee kamen zurück in die Arcisstraße. Bis 1949 wurden rund 250000 Kunstwerke aus Auslagerungsdepots, Galerien und Privathäusern wieder nach München gebracht. In der Zwischenzeit war aus dem Haus in der Arcisstraße das Münchner Amerika-Haus geworden. 1957 schließlich bezog die Musikhochschule das Gebäude. „Die Bar und das Rauchzimmer dienen heute als Bibliothek, der Rektor residiert in Martin Bormanns Zimmer und in Hitlers Arbeitszimmer finden neben Ensemble-Unterricht und Vorlesungen auch kleinere Empfänge und Seminare statt.“ Die Adresse Arcisstraße 12 spiegelt eine mehr als bewegte Geschichte wider. Jetzt, rund hundert Jahre nachdem Alfred Pringsheim und seine Familie hier ein Stück Münchner Kultur repräsentierten, ist mit der Musikhochschule wieder ein „bedeutender kultureller Treffpunkt“ entstanden. Architektonisch erinnert das Haus an eine sehr dunkle Zeit unserer Geschichte – der „Exorzismus durch Musik“, den die Lehrenden und Studierenden der Hochschule seit 1957 betreiben, trägt dazu bei, dass man das blühende kulturelle Leben, das sich hier entfaltet, genießen kann ohne die Lehren zu vergessen, die wir aus der Geschichte ziehen müssen – auch die übrigens, wie Kunst politisch instrumentalisiert werden kann. Das Buch von Alexander Krause ist sauber recherchiert, reich bebildert und spannend zu lesen! Peter Päffgen

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Glenn Goulds fünfundsiebzigster Geburtstag wurde im gerade vergangenen Jahr gefeiert … oder war es die fünfundzwanzigste Wiederkehr seines Todestags? Der Pianist wurde jedenfalls am 25. September 1932 in Toronto geboren und starb ebendort am 4. Oktober 1982. Dass die ohnehin erkleckliche Anzahl an Büchern über den Musiker und seine Interpretationen in diesem Gedenkjahr noch einmal vergrößert würde,

bensweg chronologisch vor: Das Wunderkind 1932—1947, Nationalheiligtum/Der junge Profi 1947—1954, Varietékünstler/Auf Tournee 1955—1964, Der Renaissance-Mensch/Eine höhere Berufung 1964—1975, Ein Portrait des Künstlers, Der letzte Puritaner/Übergangsphase 1975—1982. Dass er bei seinem Rundgang Neues entdecken konnte, war kaum zu vermuten – zu viele Autoren vor ihm haben

Exzentriker – Genie – Hypochonder Glenn Gould (1932—1982) Von Markus Grohen war vorauszusehen. Auch, dass neue CDSammlungen erscheinen würden. Drei interessante Neuerscheinungen sollen hier exemplarisch gewürdigt werden – ein Buch, eine Einzel-CD und eine CD-Edition. Kevin Bazzana, Glenn Gould – die Biographie, Mainz 2006, Schott, BSS 52169 (enthalten ist eine Audio-CD mit Kompositionen Glenn Goulds und einem Vortrag des Künstlers über Johann Sebastian Bach), Preis: € 2 4,95 Glenn Gould: the young maverick / le jeune original, Werke von Bach, Beethoven, Schönberg, Berg und Webern, Aufnahmen aus den Jahren 1951—1955, PSCD2030-6, 6 CDs (Vertrieb in Deutschland bei NAXOS, www.naxos.de) Bach, Goldberg Variations BWV 988, Partita Nr. 5 BWV 829, Glenn Gould, Piano, Aufnahmen von 1954—1955, NAXOS-Historical (www.naxos.de) 8.111247, 2007 Kevin Bazzana ist Herausgeber einer Zeitschrift namens Glenn Gould, die, wie kann es anders sein, in Toronto herauskommt (www.glenngould.ca). Seit etlichen Jahren befasst er sich mit dem Ausnahme-Pianisten, ein weiteres Buch zum Thema hat er vor der Biographie veröffentlicht: Glenn Gould. Oder die Kunst der Interpretation, Stuttgart, 2002. Hier nun aber sein Opus Maximum, für das er zehn Jahre recherchiert hat, viele Menschen befragt und viele Quellen konsultiert. Im Wesentlichen geht Kevin Bazzana in seiner Beschreibung von Glenn Goulds Le-

sich mit dem Künstler befasst. Aber die Schlüsse, die er aus seinen Beobachtungen gezogen hat, weichen zum Teil wesentlich von dem ab, was wir über Glenn Gould zu denken gelernt haben. Zum Beispiel des Künstlers Aussage ab Mitte der fünfziger Jahre, er sei im Wesentlichen Autodidakt, was das Klavierspiel angehe – Antonio Alberto García Guerrero hieß der Lehrer, der ihn geprägt hat, der nicht nur seine makellose Spieltechnik begründet, sondern ihn auch mit der Musik von Bach, Schönberg und Anton Webern bekannt gemacht hat. Das war auch bisher unbestritten. Im Gegenteil, man hörte sogar die Behauptung, Gould sei ein Klon Guerreros gewesen – das Mitsummen von Melodien hat er ihm nachgemacht und auch die skurrile Sitzhaltung, für die er bekannt geworden ist, hat vor ihm Geurrero benutzt. Bazzana meint: „Gould fehlten Guerreros Großzügigkeit und sein Allroundtalent als Musiker. Gould übernahm einiges von Guerreros Repertoire, von seiner Art zu spielen und von seinen Prämissen, allerdings im Laufe der Zeit immer selektiver: er eignete sich eine engere, zentriertere, verbissen aufrecht erhaltene Ästhetik an und lehnte viel von dem ab, was Guerrero liebte. Guerrero missfielen Goulds Manierismen am Klavier und Gould wollte nichts davon wissen, wenn Guerrero darauf beharrte, dass die Vorschriften des Komponisten in der Partitur zu respektieren seien.“ (S. 65) Mit zwölf Jahren bestand Glenn Gould die Klavierprüfung am Konservatorium in Toronto „mit den besten Zensuren, die je ein Prüfling erzielte“, spielte die ersten Kon-

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zerte und 1947, mit fünfzehn Jahren, begann er seine Karriere als professioneller Pianist … „Als ich dann sozusagen Profi wurde, legte ich alles Kindliche endgültig ab“. Eigene Vorlieben, was das Repertoire angeht, entwickelte er in der nächsten Zeit und er vertrat diese Vorlieben auch vehement. Er begann konventionell mit Scarlatti, Czerny, Mendelssohn, Chopin und Liszt – das waren die Komponisten seiner ersten bezahlten Konzerte nach 1947. Wenige Jahre später kam Musik von Johann Sebastian Bach hinzu, für deren Interpretationen er schließlich berühmt wurde, aber auch Gibbons und Sweelinck. Und die Komponisten der Zweiten Wiener Schule: „Man bringt Gould meistens mit Bach in Verbindung, doch waren es die Musik und die Gedankenwelt von Schönberg und seiner Schule – vor allem die Zwölftontechnik –, die während seiner prägenden Jahre den entscheidenden Einfluss auf seine Sicht der Musik hatten […] die Leidenschaft für Vernunft und Ordnung, für Sparsamkeit und Einheitlichkeit in dieser Musik musste einem Puritaner wie Gould einfach gefallen.“ (S. 80) Bei Musik von Verdi und Puccini fühle er sich „äußerst unbehaglich“ (77), hat er gesagt, aber auch, dass seine Lieblingsoper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck war. Artur Schnabel verehrte er, den intellektuellen Pianisten, der es als seine Aufgabe sah: „großer Musik zu dienen und sich nicht zur Schau zu stellen und Publikum einzuschmeicheln; Applaus sei die Quittung, nicht die Rechnung“, sagte er einmal. (S. 85) Und doch warfen Gould seine ersten professionellen Kritiker „romantische Exzesse“ vor, „zu viel Pedal und zu viel Legato“. Portamenti, die eigentlich auf dem Klavier nicht möglich sind, wurden von „romantischen“ Pianisten durch eine leichte Vorwegnahme der linken Hand simuliert – das tat Paderewski und, wie Kritiken zu entnehmen ist, auch Glenn Gould. „In vielen seiner Konzerte als Profi, besonders den frühen, kritisierte man ihn wegen des übertrieben exaltierten romantischern Spiels, und tatsächlich hört man davon auf seinen späten Einspielungen mehr, als seine erklärten Worte in der Angelegenheit glauben machen wollen.“ (Bazzana) Und dann seine exzentrischen Eigenarten: „Es war ein heißer Junitag, aber Gould erschien mit Mantel, Mütze, Schal und Handschuhen. Seine »Ausrüstung« bestand aus der üblichen Notenmappe, außerdem hatte er einen Stapel Handtücher dabei, zwei große Flaschen Mineralwasser; fünf kleine Fläschchen mit Tabletten (alle in verschiedenen Farben und mit verschiedenen Einnahmevorschriften) und seinen eigenen, ganz besonderen Klavierhocker. Die Handtücher wurden, wie sich herausstellte, in großen Mengen benötigt, weil



Glenn Hände und Arme zwanzig Minuten lang in heißes Wasser tauchte, eher er sich ans Klavier setzte, eine Prozedur, die schnell zum geselligen Gruppenritual wurde; alle saßen zusammen, unterhielten sich, machten Witze, diskutierten über Musik, Literatur und so weiter, während das Tauchbad weiterging. Das Mineralwasser war nötig, weil Glenn das New Yorker Leitungswasser nicht ausstehen kann“. Gut, das New Yorker Wasser ist nicht wirklich empfehlenswert … aber die anderen Eigenarten? Die Schilderung, die Kevin Bazzana hier zitiert hat und die er „die Bibelversion der Gould-Legende“ nennt, stammen aus einer Pressemitteilung, die Columbia-Records nach der Aufnahme der Goldberg-Variationen herausgegeben hat, um zu beweisen, dass nicht nur ein Weltklassemusiker sondern auch ein Weltklasseexzentriker am Start war. So verkaufte man Gould … und vieles, was in der Pressemitteilung stand, stimmte! Der Deal zwischen Columbia-Records und dem Musiker wurde am Tag nach seinem New Yorker Debut (11. Januar 1955) vorgeschlagen und der Vertrag im Februar des gleichen Jahres unterzeichnet. Gould konnte aufnehmen, was er wollte, man machte Vorschläge … blockierte aber keine Projekte, die der Künstler sich ausgesucht hatte. Die erste Schallplatte, die Glenn Gould vorschlug, sollte die „Goldberg-Variationen“ von Johann Sebastian Bach enthalten. „Das Zögern der Plattenfirma ist verständlich: Es handelt sich um ein monumentales, nur Eingeweihten zugängliches Werk, das er in der Öffentlichkeit nur einige wenige Male gespielt hatte, zudem ein Stück für Cembalo und kaum eine der tragenden Säulen des Klavierrepertoires oder des Plattenschranks“ (Bazzana). „Seine Studiotermine an vier Tagen im Juni wurden ein Medienereignis. »Es geht etwas vor im Aufnahmestudio in der 30th Street«, schwärmte die Publizistin Deborah Ishlon. »Wir haben da diesen Spinner, aber jeder redet davon, wie absolut fantastisch er ist.« … »Er verstand eine Menge von Markting … und er vermarktete sich selbst auf perfekte Weise.«“ (Norman Lebrecht, Ausgespielt – Aufstieg und Fall der Klassikindustrie, Mainz 2007, S. 71-72). Die Zeit der großen Konzerttouneen schloss sich an. Gould genoss seinen Erfolg, begann aber das Reisen, den Aufenthalt in immer wieder anderen Hotels und das Spiel mit immer wieder anderen Orchestern und Dirigenten zu hassen. „Pianist zu sein macht mir keinen Spaß“ sagte er 1955, als seine Karriere gerade einmal begonnen hatte. Und er kränkelte immer häufiger. Konzerte und ganze Tourneen wurden sehr kurzfristig abgesagt … Glenn war ein „hochgradiger Hypochonder“. Oder hat er

seine Wehwehchen vorgeschoben, weil er partout keine Lust hatte, über Monate von einem Konzertsaal zum anderen zu fahren. Sein unwiderruflich letztes Konzert fand am 17. April 1964 in Minneapolis statt. Auf dem Programm stand das c-Moll-Konzert von Wolfgang Amadeus Mozart … falsch! Das wäre Glenn Goulds letztes Konzert gewesen, aber er sagte es ab! Glenn Goulds unwiderruflich letztes Konzert fand am 10. April 1964 in Los Angeles statt. Auf dem Programm standen vier Fugen aus der „Kunst der Fuge“, Bachs Partita 4 D-Dur, Beethoven Sonate op. 109 und Hindemiths dritte Sonate. Der Künstler war 32 Jahre alt: „Die letzte Hälfte meines Lebens hätte ich nun wirklich gerne für mich.“ „Gould hat in seinem ganzen Leben nicht einmal dreihundert Konzerte gegeben – so viele Auftritte absolvierten Van Cliburn und Swjatoslaw Richter in nur drei Jahren – und noch nicht einmal vierzig Auftritte im europäischen Ausland.“ Davon zu reden, Gould sei körperlich „verbraucht“ gewesen, hätte also niemand geglaubt. Und seine Animositäten und Mätzchen … ein Teil des Publikums hatte begonnen, seine Eskapaden nicht mehr wohlwollend lächelnd zu quittieren. Überhaupt haben sich an Glenn Gould während seiner ganzen Karriere die Meinungen polarisiert, und das tun sie heute noch. Entweder hielt man ihn für ein Genie – oder für einen spinnerten Scharlatan. Gould zog sich zurück vom öffentlichen Konzertieren und hielt 1964 auch seinen letzten Vortrag: „Musik in der Sowjetunion“. Das war das Ende seines Lebens als öffentliche Person, aber er widmete sich mit aller Energie der Arbeit im Studio: „Als Musiker, der Platten einspielte, sah Gould seine Aufgabe darin, mehr zu

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tun als nur »ein Stück zu spielen«. Für ihn war das Spielen ein Diskurs mit dem Werk, eine Chance, es zu analysieren und etwas über seine Form, sein Genre, seinen Komponisten auszusagen.“ Und er wusste, dass er, um sich von zahllosen Einspielungen, die schon vorhanden waren, abzusetzen, grundsätzlich anders an die Musik herangehen musste. „Und er bediente sich der Übertreibung, der Ironie, des Scherzes, der Überraschung, der Schwülstigkeit – kurz aller Mittel, die eventuell neues Licht auf vertraute Werke werfen konnten.“ Kevin Bazzana hat Glenn Goulds Leben und Seelenleben studiert wie bisher wohl kein anderer. Seine Biographie ist viel mehr als die Schilderung eines Lebensweges, sie ist der Versuch einer Psychoanalyse; sie ist auch die Betrachtung von Glenn Goulds Lebensweg aus der Perspektive seiner Zeitgenossen, Freunde und Kritiker; sie ist die Einschätzung und Würdigung seines Lebenswerks und: Sie ist ein Bekenntnis ganz privater, beinahe intimer Art, und zwar das Bekenntnis der Achtung und … ja, Bewunderung für diesen skurrilen, exzentrischen, berechenbar unberechenbaren und genialen Musiker! Das umfangreiche Buch (über 400 Seiten) hat, vor allem in den Kapiteln über die Zeit nach 1964, Längen, aber das war eigentlich zu erwarten. So konsequent hat sich Glenn Gould aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen, dass für seine Biographen kaum noch verwertbare Informationen übrig geblieben sind. Was bleibt ist das kontemplative Beschreiben, Paraphrasieren und Bewerten von Goulds Leistungen … und das verleitet zum Ausschweifen.✰

Etliche CD-Sammlungen sind im Gould-Jahr 2007 auf den Markt gekommen – eine davon mit 80 CDs und dem gesamten Œuvre des Pianisten (Die Zeit) für knapp zweihundert Euro. Die hier vorliegende ist eine Besonderheit, weil sie Aufnahmen enthält, die Gould zwischen 1951 und 1955 für die kanadische Rundfunkanstalt CBC (Canadian


Broadcasting Corporation) gemacht hat, also bevor er im Jahr 1955 den Vertrag mit seiner lebenslangen Schallplattengesellschaft Columbia Records unterschrieben hatte. Mehr noch: Alle Aufnahmen auf diesen sechs CDs sind Live-Aufnahmen ohne jegliche Reparaturen und Schnitte – das unterscheidet sie wesentlich von den späteren kommerziellen Aufnahmen. Die Sammlung beginnt mit der ältesten Aufnahme der „Goldberg-Variationen“ von Glenn Gould. Bekannt sind uns die legendäre Aufnahme von 1955 (10. und 12—14. Juni 1955), von der gleich auch noch die Rede sein wird, und die spätere (auch bei Columbia-Records) von 1981. Hier nun seine (aller)erste Aufnahme, entstanden am 21. Juni 1954 – der Musiker war gerade einmal 21 Jahre alt. Die CRC-Einspielung entstand ziemlich genau ein Jahr vor der ersten Columbia-Version – es ist also nicht weiter erstaunlich, dass die beiden Versionen nicht grundsätzlich voneinander abweichen … obwohl … die Tempi sind in der älteren Einspielung durchgehend verhaltener, ruhiger, schon in der „Aria“, also nicht nur in den auf Virtuosität angelegten Variationen, die der Pianist in der späteren „kommerziellen“ Version oft „auf die Spitze treibt“. „Als Gould […] die beiden [Columbia-] Einspielungen der Goldberg-Variationen miteinander verglich, räumte er ein, er finde die Version aus dem Jahr 1955 zu pianistisch, was für ihn ein Schimpfwort war […] Und einen großen Teil der Aufnahme fand er »einfach zu schnell, um angenehm zu sein«“. [Bazzana S. 367]. Ansonsten finden wir in der CRC-Sammlung neben zwei CDs Bach drei BeethovenCDs (auch aus den Jahren 1952-1954) mit dessen ersten drei Konzerten für Klavier und Orchester, dem Klaviertrio op. 70 Nr. 1 („Geistertrio“) zusammen mit Alexander Schneider und Zara Nelsova ,ý einigen früheren Klaviersonaten, den Bagatellen op. 126, den „Eroica-Variationen“ op. 35 und den Variati0nen op. 34. Am Schluss dann (CD 6) einige von Glenn Goulds großen musikalischen Favoriten: Werke der „Zweiten Wiener Schule“, als letztes Anton Weberns Variationen op. 27. Gerade einmal viereinhalb Minuten lang, der zweite Satz 32 Sekunden, ist diese Musik der Inbegriff von Abstraktion, Kompression und Reduktion – die kürzeste und eine absolut kompromisslose Art, etwas musikalisch auszudrücken und vielleicht zusammengefasst, was Glenn über Musik gedacht und gefühlt hat. Die große Emotion, in romantischer Klaviermusik zum Beispiel, hat ihn nie interessiert und er hat auch nie Musik gespielt, die aus diesem gefühlsmäßigen Umfeld stammt. Seine Musik war „Musik, die er auch für moralisch erhe-

bend hielt, weil sie rational, abstrakt und introspektiv war und zu ruhiger Betrachtung und Muße anhielt“ [Bazzana S. 77]. Die CD-Sammlung der CBC ist mehr als eine Zusammenstellung musikalischer Dokumente, mehr als eine Art Album, in dem man blättert um zu sehen und zu hören, wie der junge Glenn denn als Teenager gespielt und musikalisch gedacht hat. Sie enthält klare Statements, von denen er sein ganzes Leben lang nicht abgewichen ist.

Die Bach-Gesamtausgabe für Gitarre Sämtliche Lautenwerke von Johann Sebastian Bach für Gitarre eingerichtet von Ansgar Krause Ansgar Krause hat in den letzten Jahren alle Lautenwerke Bachs kompetent für sein Instrument eingerichtet und dabei vielfach neue Wege beschritten, nicht zuletzt in der Wahl der Tonarten. Die Bearbeitungen Krauses klingen überzeugend und unverbraucht – sie sind im Konzert erprobt und auf CD dokumentiert. Durch die Erwähnung der Abweichungen vom Lauten-Original liegen textkritische Editionen vor.

Der Klassiker, wenn es um Glenn Gould geht, ist die 1955er Einspielung der „Goldberg-Variationen“ von Johann Sebastian Bach, und die hat NAXOS in digitalisierter Form im Gould-Jahr neu herausgebracht. Die Klangqualität ist deutlich besser als die der CRC-Aufnahmen. Kristallklar wie Glenn Goulds Spiel! Über eine CD sind jetzt noch ein paar Worte fällig, die CD nämlich die Kevin Bazzanas Buch beiliegt. Vestard Shimkus spielt Klavierkompositionen von Glenn Gould, darunter seine Bearbeitung des SiegfriedIdylls von Wagner und am Schluss auch Goulds Vortrag über Johann Sebastian Bach, von dem im Buch die Rede ist. Glenn Gould war ein genialer Pianist … als Komponist aber Autodidakt. Was seine Klavierstücke angeht, lehnte er sich an Werke seiner meistgeschätzten Vorbilder – aber ohne letzte Konsequenz und schließlich auch ohne zündende eigene Kreativität. Sein Streichquartett, das er im Jahr 1955 fertigstellte, trug kühn die eigene Numerierung op. 1 … ein opus 2 ist nie fertiggestellt worden. Von etlichen Plänen und Projekten war die Rede, Skizzen sind bekannt „manchmal auf Briefpapier von Hotels oder Luftfahrtgesellschaften“ aber keine fertigen (nicht einmal halbfertige) Stücke. Die CD in Bazzanas Buch belegt das.

I Suite g-moll BWV 995 EB 8232

€ 8,90

In seinem Vorwort begründet Krause die Wahl der Tonart g-moll, mit der sich seine Version von den gängigen a-moll-Einrichtungen unterscheidet. Die Bearbeitung nähert sich so Bachs Violoncello-Satz, der der Lautenfassung eigentlich zu Grunde liegt.

I Suite e-moll BWV 996 EB 8233

€ 7,90

I Partita c-moll BWV 997 EB 8234

NEU

€ 9,50

Krause lehnt bei BWV 997 den üblichen Titel „Suite“ als stilistisch und das gängige a-moll als satztechnisch problematisch ab, lässt das überzeugendere h-moll greifen bzw. (mit Kapodaster) das originale c-moll erklingen.

I Prelude, Fuga und Allegro BWV 998 5771002

€ 9,50

NEU I Prelude BWV 999 & Fuga nach BWV 1000, 1001 und 539 EB 8235

€ 7,90

Die bei J. S. Bach oft mehrschichtige Überlieferung wird überzeugend genutzt: für die Fuge BWV 1000 liefert stellenweise Bachs eigene Bearbeitungstechnik für Orgel (in BWV 539) gitarrengerechte Lösungen. Weitere Bach-Bearbeitungen von Ansgar Krause im Katalog «Edition Breitkopf». www.breitkopf.de

Breitkopf

Härtel

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Neue Platten Zwei Gitarren oder zwei Lauten … Vorgestellt von Peter Päffgen

Über Beethoven, Chopin und Schubert muss man nicht viele Worte verlieren – auch hier in einer Zeitschrift nicht, die sich hauptsächlich an Gitarristen und Lautenisten wendet. Weniger werden Sie über die beiden Daniels wissen, die sich hier als Duo vorstellen: Wolff und Göritz. Und glauben Sie nicht, es wäre so einfach, etwas über sie in Erfahrung zu bringen! Zwei URL liefert das Booklet, von denen eine (noch) nicht funktioniert (Göritz) und die andere reichlich Informationen liefert und zwar solche, die man partout nicht erwartet hätte. Daniel Wolff ist nämlich keineswegs Deutscher, Schweizer oder Österreicher, er ist Brasilianer und dort, in Porto Allegre, um genau zu sein, lebt und arbeitet er auch. Wolff und Göritz haben sich in New York kennengelernt, wo beide bei Manuel Barrueco die höheren gitarristischen Weihen erhalten und schließlich auch in dieser Disziplin promoviert haben … ja, das geht in der Neuen Welt, man nennt den Titel „Doctor of Musical Arts“. Aber warum, werden Sie fragen, befasse ich mich mit den Biographien der beiden Akteure, wo es doch eigentlich um die Musik geht, die sie anbieten. Richtig! Werten Sie das als Zeichen dafür, dass mich die Musik der vorliegenden Platte angerührt hat: Daniel Wolff & Daniel Göritz, guitar duo New Transcriptions for 2 guitars Werke von Beethoven, Chopin, Schubert Aufgenommen (Beethoven) 1998 und im März 2002, erschienen 2007 Kreuzberg-Records (bei AMA, Brühl) 10099 … Aber auch hier kommen Wolff und Göritz meinen Vorstellungen sehr nah’! PPPPP Dass Ludwig van Beethovens Sonate op. 31/2 hier auf der Plattenhülle (nur) den

Beinamen „The Tempest“ trägt, aber das nur nebenbei, stört mich, auch wenn im Booklet wortreich vom „Heiligenstädter Testament“ und von [Anton Felix] Schindler (1795—1864) die Rede ist, auf den die Benennung „Sturm“ zurückgeht. Schindler war Beethovens Faktotum der späten Jahre und einer seiner ersten Biographen … und er soll nach des Meisters Tod 1827 hie und dort an dessen Vermächtnis gefeilt und Dinge gefälscht haben … aber „The Tempest“? Was hätte man geschrieben, wenn op. 27/2 auf der CD zu hören wär’? Na ja! Wolff & Göritz! Gleich mit den ersten Tönen der CD wird übermittelt, dass die beiden Dres. es ernst meinen. Das ist eine Annäherung an Beethoven und keine gitarristische Nabelschau, wie man sie oft bei ausgefallenen Transkriptionen aufgetischt bekommt. Hier ist das, was in der (originalen) Partitur steht, bis hin zu Verzierungsanweisungen und Details der Dynamik berücksichtigt worden – das ist man als reproduzierender Musiker dem jeweiligen Komponisten und den Zuhörern schließlich schuldig! Und wenn das aus Gründen der Spieltechnik nicht geht, ist das Werk eben für eine Transkription nicht geeignet! Mehr noch: Die beiden Musiker haben auch noch vitale und berührende Musik gemacht … in zwei hinreißend schön präsentierten Walzern von Frédéric Chopin (op. 64/2 und op. 18) zum Beispiel. In beiden hören wir ihren tänzerischen Hintergrund und daneben tiefe Melancholie (op. 64) auf der einen und sprühende Lebenslust auf der anderen (op. 18) Seite. Schuberts „Moments Musicaux“ D780 – auch hier haben die Gitarristen sehr bekannte Klavierwerke für Ihre Transkriptionen ausgewählt! – sind ausgewogene, in sich geschlossene Charakterstücke, bei denen eher der romantisch auslotende als der auf Virtuosität erpichte Interpret gefragt ist, auch wenn die Nummer III (Allegretto Moderato), die gern in Transkription dargeboten wird, einen anderen Eindruck nahelegt. Aber auch hier kommen Wolff und Göritz meinen Vorstellungen sehr nah’ … wenngleich ich mit ihrer Tempowahl nicht ganz übereinstimme! Grundsätzlich andere Wege zu ihrem Publikum haben Dirks & Wirtz gesucht. Beide Musiker haben bei Thomas Fellow studiert. Dort haben sie sich kennen gelernt. Kennen Sie nicht? Thomas Fellow ist „Professor für Gitarre/Worldmusic“ in Dresden. Und das hört man auf dieser CD: Dirks und Wirtz [dirks-und-wirtz.com]: Danza non Danza Werke von Piazzolla, Dirks, Colombo, Towner, Sting, Charlie Parker und anderen Aufgenommen im November 2006 und Mai

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2007 classic concert records (in Deutschland bei SunnyMoon [sunny-moon.com], Köln) CCR62034 … herzerfrischend … PPPPP Auch, wenn Sie mich jetzt steinigen … das, was Dirks und Wirtz auf dieser CD spielen, möchte jeder Klassik-Gitarrist können und nur sehr wenige können’s dann auch. Die beiden jazzen und swingen so herzerfrischend vital und scheinbar improvisierend, dass es eine Freude ist. Zwischendurch findet man sich im Flamenco wieder oder auch im Tango Nuevo wie gleich am Anfang mit einem „Prologue“ von Astor Piazzolla. Zwischendurch „Eleanor Rigby“ von John Lennon und Paul McCartney, alles harmonisch verfremdet, dramatisiert und, tja, spannend! Gespielt wird auf „Klassik-Gitarren“ und eine klassische Ausbildung haben die beiden Musiker auch genossen. „Klassisch“ im Sinne von „gediegen“ und „gut“, „klassisch“ als „normativer Wertbegriff“. Reemtko Dirks und Daniel Wirtz spielen mit der Musik und sie spielen mit ihren Zuhörern, führen sie unversehens von einer Sphäre in eine andere … und immer so, als zeigten sie ihre eigenen vier Wände, als wäre sie da jeweils zuhause. Mir gefällt „Noites Carioças“ von Jacob do Bandolim

(1918—1969). Da wird man nach Rio entführt und findet sich umgeben von Jazzmusikern, die den Chôro entdeckt haben; gleich danach kommt Stings ruhige, sentimentale Flaschenpost („Message in a Bottle“), die einem eine völlig andere Stimmungswelt präsentiert; zurück nach Brasilien bringt Egberto Gismontis „Lôro“; dazwischen Kompositionen der beiden Akteure und zum Abschluss „Billie’s Bounce“ von Charlie Parker, ein abschließendes Bekenntnis zum Jazz. „Eine Aufsehen erregende spielfreudige Macht. Ein wundervolles Duo!“ hat Ralph Towner, von dem übrigens auch eine Komposition auf der CD enthalten ist („Anthem“), über die beiden gesagt. Dem kann man sich nur anschließen! Giuliani: Complete works for Gutar Duo Duo Maccari/Pugliese [maccaripugliese.com] on period instruments Aufgenommen im September 2006 Brillant Classics [brillantclassics.com] (3 CD) 93381 … Lust und Liebe zu dieser Musik … PPPP Gitarrenmusik des frühen 19. Jahrhunderts, besonders solche für zwei Gitarren, das hat sich in den letzten Jahren immer mehr eingebürgert, spielt man auf „period instruments“, auf Instrumenten der Zeit bzw. auf modernen Nachbauten solcher Instrumente, und das ist gut so! Besonders Stücke des in’s Virtuose vernarrten Mauro Giuliani, der eigentlich, wenn man genau ist, nur sein Wiener Publikum mit seinen Kunststückchen bediente, lassen sich auf den kleineren Gitarren von Guadagnini, Fabricatore oder Joseph Pons – solche verwenden Claudio Maccari und Paolo Pugliese – leichter, eleganter und damit „authentischer“ darbieten. Zugegeben, an dieser Leichtigkeit des Spiels und an dieser fast beiläufigen Virtuosität ist die Gitarre noch zu Giulianis Zeiten eingegangen, weil die kleinen Gitarren zu leise waren und den Erfordernissen des damals modernen Konzertlebens nicht entsprachen, aber das hat sich grundsätzlich geändert. Nicht dass die Säle, in denen Gitarre gespielt wird, heute kleiner wären, als zu Giulianis Zeit, nein, aber die moderne Elektronik macht es möglich, die Musik, gespielt auf „Biedermeier-Gitarren“, heute so laut zu hören, dass sie selbst Beethoven in seinen späten Jahren hätte goutieren können … oder auch nicht! Eines sollten wir bei aller Hochachtung für Giuliani und seine Musik nicht vergessen: Beethoven und er waren direkte Zeitgenossen am gleichen Ort aber sie spielten in unterschiedlichen Ligen! Nicht weil der eine große Symphonien und

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der andere für ein kleines Instrument namens Gitarre geschrieben hat! Mauro Giuliani war ein geschickter „Gebrauchsmusiker“, der sein Instrument, die Gitarre, gut in Szene setzen konnte und dem auch ein paar gute Kompositionen geglückt sind, der aber, hätte er nicht ausgerechnet Gitarre gespielt und für dieses Instrument komponiert, heute unbekannt und vergessen wäre. Neben den guten Stücken hat er nämlich auch im Akkord Plattitüden geschrieben. Und doch … wer würde leugnen, dass man dem Charme der besseren Stücke Giulianis leicht erliegt, wie es auch den Wienern vor zweihundert Jahren geschehen ist! Hier unter den Duos für zwei Gitarren zum Beispiel sind manche Perlen … wie eigentlich alle auf CD-1: Opernouvertüren von Rossini, Bellini und Mozart und dann das „Gran Pot-Pourri“ op. 67, in dem Giuliani selbst dem Kollegen Beethoven huldigt, indem er den ersten Satz aus dessen siebter Symphonie op. 92, die „Apotheose des Tanzes“, bei deren Uraufführung er übrigens Cello im Orchester gespielt haben soll, mehr als ausgiebig zitiert. Aber auch unter den Stücken, die ganz auf Giuliani zurückgehen: Mit welcher Treffsicherheit er die Ländler-Seligkeit seiner Wahl-Heimat aufgenommen und umgesetzt hat, zeigen opp. 16a, 55, 75, 80, 92 und 94 auf CD-2 – man hat Anton Karas förmlich vor sich, wenn man dieser schlichten, ursprünglichen Musik lauscht. Gut, das ist keine zukunftweisende, visionäre Kunst, aber das gibt sie auch nicht vor. Wie gesagt: Giuliani war ein guter Gebrauchsmusiker! Maccari und Pugliese spielen mit unüberhörbarer Lust und Liebe zu dieser Musik. Sie haben die nötige Distanz, das Romantische nicht in Kitsch ausufern zu lassen oder das Virtuose in Leichtathletik … aber dazu verleiten die kleinen Biedermeier-Gitarren auch nicht unbedingt. Sándor Szabó & Véronique Gillet Strings without Borders – Borders without Strings


Aufgenommen zwischen Mai 2006 und Juli 2007 Wonderland Records WR 9054 … Fabulieren und mit den Gedanken umherschweifen … PPP Stücke im eigentlichen Sinn des Wortes hört man hier weniger. Stücke, die einen Anfang und ein Ende haben und die aufgeschrieben sind oder die man aufschreiben möchte. Ich habe beim Hören den Eindruck, einem Gespräch beizuwohnen, einem Gespräch zwischen zwei Musikern, die im Prinzip einer Meinung sind. Also: kein Streit, nicht einmal Differenzen. Und obwohl der eine Gesprächspartner Ungar und die andere Belgierin ist, sprechen beide sogar die gleiche Sprache. Ich habe mich gefragt, ob ich solchen Gesprächen zuhören möchte, ob es nicht vielleicht sogar indiskret ist, ihnen zu lauschen. Es geht nur selten um Konkretes. Und Gespräche des Gespräches willen, dieses Fabulieren und mit den Gedanken umherschweifen, vom Hölzchen auf’s Stöckchen zu kommen, das ist für einen Außenstehenden nicht wirklich fesselnd, wenn für ihn ein Gespräch eine Conclusio haben muss, etwas, das man in einem Satz zusammenfassen könnte. Dabei sind Motto und Titelfoto dieser CD so konkret: Da sieht man eine Grenze mit verrostendem Stacheldraht, eine Grenze, die keine ist. Und man sieht weit in’s Land. Das ist die Idee! Zwei Musiker spielen sich Bälle zu, balancieren mit ihnen, lassen sie kreisen und springen. Ohne Ziel und ohne Gewinner oder Verlierer … ohne Grenzen. Sylvius Leopold Weiss – Johann Sebastian Bach Gitarrenduos des Barock Niehusmann Gitarren Duo [niehusmann.com] Aufgenommen im Juli und Oktober 2006, erschienen 2008 NAXOS [naxos.de] 8.551264 … Protokoll eines sehr interessanten Versuchs … PPP Johann Sebastians Bachs Suite A-Dur für Violine und Klavier hat viele Jahre Wissenschaftlern und Musikern Rätsel aufgegeben. Schon Wolfgang Schmieder schrieb 1950 in seinem „Thematisch-Systematischen Verzeichnis der Musikalischen Werke von Johann Sebastian Bach“ (BWV) „Echtheit angezweifelt“, als es um dieses Werk ging. Die Zweifel waren berechtigt, darüber besteht heute Gewissheit: Der Cembalopart ist von Silvius Leopold Weiss und Bach hat die Violinstimme dazukompo-

niert, wie dessen Sohn Carl Philipp Emanuel schon durch den Eintrag „Trio fürs obligate Clavier und eine Violine von J. S. Bach“ auf der Handschrift angedeutet hatte. Dies ist das eine Werk dieser CD. Das andere ist eine Suite, über deren Urheberschaft es nie einen Zweifel gegeben hat. Sie steht in Tabulatur in der monumentalen Handschrift Add. 30 387 der British Library in London, bekannt als das „Londoner Weiss-Manuskript“, einer der wichtigsten Quellen für die Musik dieses Komponisten. Zu dieser Suite hat nicht Johann Sebastian Bach sondern Volker Niehusmann eine Stimme hinzukomponiert. Die Frage, ob die Weiss-Suiten durch das Hinzukomponieren zweiter Stimmen gewonnen haben, oder ob es sich nur um Launen handelt, die aus Liebe zum Spiel und zum improvisatorischen Umspielen entstanden sind, verbietet sich allein durch die Tatsache, dass in einem Fall der große Johann Sebastian Bach an dem kompositorischen Prozess beteiligt gewesen ist. Und doch ist sie erlaubt, hat doch Bach ein Streichinstrument hinzukomponiert und nicht ein weiteres Zupfinstrument mit einem punktuellen Ton. Das Kombinieren zweier solcher Instrumente ist ein Problem – das weiß jeder, der sich einmal in einem Gitarrenduo oder gar einem Zupforchester versucht hat. In der Weiss/Bach-Suite hat das NiehusmannDuo dabei auf einer Seite eine Oktavgitarre eingesetzt und das erweist sich als sehr geschickte Besetzungsalternative, denn so wird das Klangspektrum weiter und vor allem füllt die hinzugekommene, umspielende Gitarre auf diese Art die klangliche Rolle der Violine als „Kommentar von außen“ besser aus. Sie ist Teil des musikalischen Geschehens und doch unverkennbar etwas Eigenes und hinzukomponiert. Bei der Suite für zwei gleiche Gitarren vermischt sich der Klang, man kann das eine nicht vom anderen trennen. Bei aller Faszination, welche der Versuch

der Weiss/Niehusmann-Suite auf mich ausübt – ich muss gestehen, dass ich nicht mit allem und überall glücklich oder einverstanden bin. Parallele Stimmführungen wie zum Beispiel gleich zu Beginn des Préludes, sind überflüssige Beigaben, dagegen gefällt mir das Perpetuum Mobile als Impulsgeber in der Courante. Man kann über vieles disputieren und auch streiten, aber insgesamt ist mit dieser CD das Protokoll eines interessanten und ästhetisch befriedigenden Versuchs vorgelegt worden, der, so spekulativ er auch sein mag, sehr wohl mit den Forschungen zum Thema Aufführungspraxis übereinstimmt … wie das Beispiel Johann Sebastians Bachs belegt. Silvius Leopold Weiss Concerto fort wo Lutes, Suites Bernhard Hofstötter, Dolores Costoyas, Lauten Aufgenommen im Juli 2006, erschienen 2007 ATMA Classique [in Deutschland bei MusikWelt, Münster] ACD 2 2538 … ein perfecter Musicus … PPPP Nicht nur bedienen sich die Musiker dieser CD zweier (13-chöriger Barock-) Lauten, sie bemühen sich auch um das, was man als „Authentizität“ bezeichnet. Dieses Streben nach „Echtheit“ ist, das beweist auch diese CD wieder einmal, keineswegs mit einem Verlust an sinnlichem Vergnügen verbunden, wie man es immer noch hie und dort hört, und wie es auch Adorno seinerzeit gebuht hat. Bernhard Hofstötter und Dolores Costoyas spielen Kompositionen aus den vor ein paar Jahren auf Schloss Rohrau in Niederösterreich entdeckten Tabulatur-Handschriften. Die Entdeckung dieser Manuskripte aus dem Besitz der gräflichen Familie Harrach schloss ein paar schmerzliche Lücken, was die Überlieferung der Werke

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von Silvius Leopold Weiss angeht. Sie enthalten nicht nur Konkordanzen zu ohnehin bekanten und nachgewiesenen Stücken, sondern unbekannte Werke und zum ersten Mal vollständige Kammermusikwerke. Es ist bekanntlich so, dass von sämtlichen bisher bekannten Lautenduetten von Weiss nur eine Stimme nachgewiesen werden konnte … ich erinnere in diesem Zusammenhang an die CD „Silvius Leopold Weiss: Sonate per 2 Liuti“ von Robert Barto und Karl-Ernst Schröder, die 1989 herausgekommen ist und hier in Ausgabe XXI/1999/Nr. 5, S. 47-48 besprochen wurde (SMPHONIA SY 98159). Für diese CD hat Robert Barto jeweils eine Stimme der Duette „komplettiert“, das heißt, er hat die fehlenden Stimmen rekonstruiert bis dazukomponiert. Jetzt muss abgewartet werden, welche Duette durch die Entdeckung der Rohrauer Handschriften (wieder) vollständig vorliegen. Die CD von Dolores Costayas und Bernhard Hofstötter ist mehr als die akustische Dokumentation einer in Fachkreisen als sensationell gewerteten wissenschaftlichen Entdeckung! Sie belegt erneut, warum Johan Mattheson, der die Laute am liebsten in den Orkus der Musikgeschichte verbannt hätte, Silvius Leopold Weiss nicht ohne lobende Bemerkung übergehen konnte. „Nebst einem / qui a son Logis à l’AigLautenile, sagt man von einem sten / daß er ein perfecter Musicus sey.“ Freilich aber musste er seine wohlwollenden Worte einschränken: „Nicht destoweniger aber wird man solche Virtù nicht so wol dem / an sich mangelhafften / Instrument, als dem grossen Fleiß / dem Jugement und der Fertigkeit derjenigen Personen zuschreiben müssen / die so was extraordinaires darauff hervorbringen. Denn wäre das Instrument vollenkommen / welch Wunder / daß man vollenkommene Sachen darauf spielte? nun es aber mangelhafft / wird eine solche Capacité hoch gehalten.“ („Das Neu=Eröffnete Orchestre“, Hamburg 1713, S. 278-279)

Weisen

Antoine de L’Hoyer: Duos Concertants Matteo Mely and Lorenzo Micheli, Guitars Aufgenommen m Januar 2005, erschienen 2007 NAXOS [Naxos.de] 8.570146 … Dopingkontrollen bei Gitarristen? PP

vold und Martin Haug. Vorher war er so gut wie vergessen. Es ist also durchaus positiv zu sehen, dass ein junges, aufstrebendes Duo seine erste CD ganz diesem Komponisten widmet. Und dass es immer unterschiedliche Methoden gibt, sich einem musikalischen Kunstwerk zu nähern und es für sich zu gewinnen, muss ich nicht erläutern. Da gibt es die Analytiker, die ein Stück erst sezieren und dann spielen; da gibt es die „Vollblutmusiker“, die das Stück schon beim Studium der Partitur hören und es dann prima vista spielen; und es gibt die Kopisten, die ein Stück erst von Kollegen gehört haben müssen, bevor sie selbst wagen, es einzustudieren. Zu dieser letzteren Gruppe sollen auch einige Gitarristen gehören, heißt es. Matteo Mela und Lorenzo Micheli gehören nicht zu denen, die auf Gitarren der Zeit vorsichtig und auf Authentizität bedacht spielen. Sie geben Gas und kosten die Virtuositäten dieser Musik auf ihren Boliden des modernen Instrumentenbaus aus; sie lassen singen und klingen und haben durchaus ihre eigenen interpretatorischen Marotten, die nicht mehr bei Segovia abgeguckt sind; in jugendlicher Prahlerei gehen sie Sätze, über denen „Poco vivace“ steht in überhöhter Geschwindigkeit an um zu beweisen, dass sie unterwegs nicht aus der Kurve getragen werden … und sie kommen ohne Blessuren ans Ziel, klangschön und nicht hinter Atem! Diese Art des Spiels ist nicht jedermanns Sache, findet aber in der Gitarrenwelt viele Bewunderer. Mir gefällt’s nicht, das bedarf wahrscheinlich kaum einer Erwähnung! Gibt es übrigens Dopingkontrollen bei Gitarristen?

Suite Latino: Latin American Music for two Guitars Dass Antoine de L’Hoyer seit einigen Jahduo guitardando [guitardando.de] ren wieder gespielt wird, verdankt er Werke von Piazzolla, Morel und Gnáttahauptsächlich einigen Wissenschaftlern, al- li len voran wieder einmal Matanya Ophee, Aufgenommen und erschienen 2006 und ein paar auf Wiederentdeckungen speAnimato, Tonstudio Bauer (in Deutschzialisierten Gitarristen wie Erik Stenstadland bei SunnyMoon [sunny-moon.com], 42 Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 5-6

Köln), ACD 6092 … hinreißend schön eingefangen … PPP Kein anderes Werk des Repertoires für zwei Gitarren ist so unmittelbar und untrennbar verbunden mit den Namen ihrer ersten Interpreten wie die „Tango-Suite“ von Astor Piazzolla mit dem Namen der Brüder Assad. Für sie ist die Suite geschrieben, sie haben die Uraufführung gespielt und die erste Einspielung auf Schallplatte. Und sie waren lange die Einzigen, die mit dem Stück auftraten. Seit einigen Jahren aber gehört die „Tango-Suite“ zum StandardRepertoire professioneller Gitarrenduos und solcher, die sich dafür halten. Aber immer noch misst man Interpretationen an denen von Sérgio und Odair Assad. „Besser als von den Assdas“ liest und hört man da … aber meistens das Gegenteil. Was haben Sérgio und Odair denn so einzigartig gemacht mit der Musik von Piazzolla, dass sie für so lange Zeit Maßstab geblieben sind? Die erste Plattenaufnahme ist 1984 entstanden und sie ging durch die Gitarrenwelt wie eine Art Revolution. Alles war anders! Nicht nur spielten die Brüder technisch und vom Tempo her alles an die Wand, was man vorher gehört hatte, sie taten das auch noch vollkommen synchron, und das ohne an einem Metronom zu kleben. Der musikalische Puls schwamm, bewegte sich … und zwar synchron. Auf meine Frage, ob man Brüder sein müsse, um so Gitarre spielen zu können, antwortete mir Sérgio: „Man muss nicht … aber es hilft!“. Und er erzählte mir, dass er mitunter mit seinem Bruder Rücken an Rücken übe oder spiele und sie trotzdem noch synchron wären. Nicht nur rhythmisch und metrisch synchron –auch musikalisch! Man begibt sich also freiwillig in den Ring mit den Assdads, wenn man die „TangoSuite“ aufnimmt. Martin Hegel und Fabian Spindler, so heißen die Musiker des Duo Guitardando mit bürgerlichen Namen, wa-


ren sich dessen bewusst, das steht außer Zweifel! Sie sind kein Fallobst, sie haben eine Aussage zu machen zum Thema „Tango-Suite“ … halten dem direkten Vergleich aber nicht stand. Was ihnen fehlt? Eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit diesem doch recht monumentalen Stück; die traumwandlerische Sicherheit, mit der sich musikalische Partner scheinbar verlieren und doch untrennbar miteinander verbunden und immer wieder einer Meinung sind; und schließlich die Fertigkeit, dieses Stück präzise und akkurat nach der Partitur zu spielen und doch dem Hörer den Eindruck zu vermitteln, alles sei improvisiert und den Musikern gerade in diesem Moment eingefallen. Tango eben! In der berühmten „Suite Retratos“ von Radamès Gnattali (1906—1988) gelingt dem Duo Guitardando der Spagat zwischen Leichtigkeit und Klassik, zwischen dem auf Traditionen fokussierten Europa und dem leichteren Leben Lateinamerikas viel besser. Diese Stücke changieren zwischen eleganter Bar- und salonfähiger Unterhaltungsmusik und die leicht dekadent-marode Stimmung, die sie verbreiten, die haben die beiden Gitarristen hinreißend schön eingefangen. Dazwischen, zwischen Piazzolla und Gnattali, hört man “Tres Piezas“ von Jorge Morel, auch Barmusik, aber nicht mehr so lasziv und raffiniert, auch Salonmusik, aber dafür zu plakativ und laut … so haben sich eben die Zeiten geändert. Auch, wenn das Duo Guitardando mit der „Tango-Suite“ gegen den falschen „Gegner“ angetreten ist, der nach Punkten seinen Titel verteidigen konnte, hat es eine mehr als interessante CD als Visitenkarte hinterlassen! 20th Anniversary: Dúo Montes Kircher: Mágico Alfonso Montes und Irina Kircher [montes-kircher.de]

Werke von Dowland, Giuliani, Wedlich, Montes, Piazzolla, Lauro, Gershwin und Mozart Aufgenommen im April 2005 … I got rhythm … Stimmt! PPP Irgendwie ist die Werkauswahl auf dieser CD ein Bild des bunten Lebens, das Irina Kircher und Alfonso Montes bisher gelebt haben. Erst einmal gibt es sechs DowlandLieder in Bearbeitungen (von Irina Kircher) für zwei Gitarren, dann Giuliani und „Small Duos“ von Ulrich Wedlich, dem Schwaben, dessen Musik sich überhaupt nicht schwäbisch anhört. Natürlich geht es nach Venezuela mit „Young“ von Alfonso Montes sowie „Cuatro Guayanesas“ und „Angostura“ von Antonio Lauro, dann Piazzolla und Gershwin und schließlich Mozart. Bunt! Wenn Sie mich nach meinen Favoriten auf dieser CD fragen, dann sind es nicht die Lauro-Liedsätze, auch nicht das zarte Adagio aus KV 332 von Mozart. Nicht einmal die Vier Jahreszeiten von Astor Piazzolla, die mir, um ehrlich zu sein, streckenweise durchhuscht vorkommen. Nein, es sind die Songs von George Gershwin: „I got plenty o’ nuttin“, „Someone to watch over me“ und schließlich „I got rhythm” … Stimmt! Seit ein paar Jahren lebt das Ehepaar Montes-Kircher (wieder) in Stuttgart … nach Jahren des Wanderns und Erfahrens. Wie sich dieser Rückzug in’s alte Europa künstlerisch ausgewirkt hat, muss noch abgewartet werden – mit dieser CD jedenfalls haben sie Flagge gezeigt. Offenbar setzen sie, was eine weitere Karriere angeht, auf Vielseitigkeit … keine wirklich originelle Strategie, wenn man bedenkt, dass fast alle Gitarrenduos und auch Gitarre-Solisten auf dieses Pferd setzen, weil ihnen nichts Besseres einfällt. Aber Montes/Kircher haben einen Namen, und zwar für neue Venezolanische Musik. Den haben sie mit der ein paar Jahre älteren CD-Produktion „Concertino“ (von der im nächsten Heft die Rede sein wird) auch noch unterstrichen! Vielleicht sollten sie sich dessen besinnen? Groningen Guitar Duo The Crimson King Fantasy Aufgenommen im Juni 2006, erschienen 2007 GG-Records [groningenguitarduo.com] 0703 … Ein klassisches Vergnügen besonderer Art! PPPPP 1980, als Remco de Haan und Erik Westerhof noch studierten, haben sie das Gronin-

gen Guitar Duo gegründet und danach das Repertoire für zwei Gitarren durchforstet und gespielt. Von Bach bis Rodrigo. Originale und Transkriptionen. Eine CD mit dem Titel „The John McLaughlin Suites“ hat es danach gegeben … und jetzt „The Crimson King Fantasy“. Die beiden Musiker haben auf allen Kontinenten Konzerte gegeben, haben ihre festen Positionen als Lehrer am Prins Claus Conservatorium in Groningen, haben bislang zehn CD herausgebracht und alles an Wettbewerben gewonnen, was es für Gitarrenduos gibt … und jetzt? Brechen sie jetzt aus dem klassischen Käfig aus? Fühlen sie sich zu gebunden, stranguliert durch Ansprüche und Anforderungen? Seit Jahren hat es sich eingebürgert, dass sich „klassische Gitarristen“, wenn sie einen gewissen Status erreicht haben, in musikalische Gefilde begeben, die (aus ihrer Sicht) jenseits der imaginären Grenze zwischen „E“ und „U“ liegen. Dabei wagen sie sich vornehmlich an solche Musiken heran, die inoffiziell ohnehin längst geadelt worden sind. „Klassisches Beispiel“ sind John Lennon und Paul MacCartney … die Beatles. An ihren Songs versuchen sich viele, der eine hinter vorgehaltener Hand als Zugabe, der andere mit komplettem CD-Programm. Progressiver gerieren sich Musiker wie das Duo Sonare mit Thomas Offermann und Jens Wagner. Sie haben eine sensationelle CD mit Musik von Mike Oldfield herausgebracht (Tubular Bells, MDG 630 0628-2). Oder vor vielen Jahren Ansgar Krause und Thomas Müller Pering mit Focus (Jan Akkerman, Thijs van Leer) … und jetzt die Groninger? Gemein haben die letztgenannten Gitarrenduos, dass sie sich an Rockmusik mit besonderem Status herangemacht haben. Nichts zum Mitsingen oder gar Mitschunkeln. Die späten 60er Jahre waren es, in denen die Bands des „Progressive Rock“ sich gründeten und ihre Erfolge feierten,

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die späten 60er, als man sich aufmachte, die politisch-gesellschaftliche Lethargie der Nachkriegszeit aufzubrechen und kämpferisch zu überwinden. Es war eine gesellschaftliche Revolution, die damals stattfand, und die hat natürlich auch die Künste beeinflusst. Robert Fripp hat am 15. November 1968 Crimson King gegründet, ungefähr zur gleichen Zeit entstand beispielsweise „Monty Python’s Flying Circus“, „Tubular Bells“ von Mike Oldfield dann ein paar Jahre später, 1972. Mit dem Attribut „progressiv“ ist die Musik dieser Zeit und dieser Musiker natürlich nur höchst unzureichend beschrieben, denn „progressiv“, also nach vorne gerichtet, „fortschrittlich“ sollte alles sein – gegen das Starre und Festgefahrene richtete sich ja die Bewegung. Neu war zum Beispiel das Verwenden und Verarbeiten ungewohnter und fremder musikalischer Elemente … unter anderem von Techniken wie dem „phase-shifting“ aus der „Minimal Music“. Sie, die „Minimal Music“, gehörte und gehört in die „E“-Musik … aber ist es nicht so, dass schließlich das kleinliche Unterscheiden in „U“ und „E“ durch künstlerische Aktionen wie die von Robert Fripp ad absurdum geführt wurden, wie schon die „Minimal Music“ selbst dieses Kategorisieren verbietet, weil sie in keine der angebotenen Schubladen passt? Und heute ist es das Groningen Guitar Duo, das die Diskussion wieder provoziert. Denn wieder wird die Frage gestellt, ob ein „klassisches“ Duo mit dieser Musik die richtige Wahl getroffen hat. Wenn wir so weit gehen die Frage zu stellen „Dürfen die das?“, hat die 68er-Revolution nichts bewirkt … und das wollen wir doch nicht! Remco de Haan und Erik Westerhof haben sich mit dieser CD offenbar einen alten Traum erfüllt. Das hört man, das fühlt man beim Anhören. Und sie haben die Musik von Robert Fripp und seinen Partnern, die ihrer Zeit zweifellos weit voraus waren, geadelt! Ein klassisches Vergnügen besonderer Art!

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Plattentipp Christian Rivet – Guitare

aroque et moderne W b

erke von Robert de Visée

nd André Jolivet

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Aufgenommen im Mai 2003 Z ig Zag Territoires ZZT

PPPPP 0405202

... sensibel und stilsicher ...

Die meisten der Leser von Gitarre & Laute werden, so sie Gitarre gelernt haben und spielen, an Robert de Visée durch die Ausgabe seiner d-Moll-Suite durch Karl Scheit herangeführt worden sein, die bis vor zwanzig Jahren die Standardausgabe war. Erschienen ist sie bei der Wiener UE im Jahr 1944. Andrés Segovia hat dann 1952 die Suite eingespielt und bekannt gemacht, danach erschienen etliche weitere Ausgaben. Ein Faksimile der originalen Tabulatur gab es noch nicht, und hätte es das gegeben, hätte es, man verzeihe mir diese Unterstellung, für viele Herausgeber nichts geändert. Scheit beherzigte das Motto der Humanisten „ad fontes!“ – viele seiner Nachfolger benutzten aber nicht Robert de Visées Bücher als Quellen, sondern Karl Scheit oder gar die Schallplatte von Maestro Segovia. Nun waren schon in der Ausgabe Scheits einige obskure Zeichen in der Tabulatur mangels plausibler Erklärung ignoriert worden. Aufgeklärt hat sich das alles viele Jahre später, als nämlich Musiker die Stücke des großen Robert de Visée auf Barockgitarren spielten, auf Instrumenten also, für die sie „eigentlich“ geschrieben waren. Und da Musiker, die sich historischer Instrumente bedienen, insgesamt um aufführungspraktische Erkenntnisse bemüht sind, wurden jetzt die obskuren Zeichen wahr- und ernst genommen. Verzierungen waren es zum Teil und Spielanweisungen, die mit Rasgueado zu umschreiben sind. Diese Anschlagstechniken, die bei Flamenco-Gitarristen bestens bekannt sind, gehörten im 17. und 18. Jahrhundert zum Standard für Gitarristen – zum Teil bestanden ganze Stücke und Musikbücher aus nichts anderem, und nur Akkordsymbole wurden vorgegeben. Robert de Visée hat im Prinzip französische Tabulatur für seine Stücke verwendet, es stehen aber zwischen und über den Zeichen Noten, die nicht nur den ryhthmischen Verlauf des Stücks bestimmen, sondern auch vorschreiben, wie die angegebenen Akkorde anzuschlagen sind, nämlich abwärts oder aufwärts. Diese Spielanweisungen sind in der Ausgabe, die Segovias Einspielung zugrunde gelegen hat, und auch in der von Karl Scheit nicht berücksichtigt, obwohl sie im Vorwort der originalen Druckausgaben unmissverständlich erklärt sind. Scheit merkt im Vorwort seiner Ausgabe an: „Die zur Zeit de Visées übliche Rasgado-Spielweise blieb unberücksichtigt, da unsere heutigen Instrumente ein kraftvolleres, zusammenklingendes Anschlagen erlauben, das ständige Durchstreichen daher keine unbedingt Notwendigkeit hat.“ [UE 11322, S. 2] Hören wir nun Christian Rivet mit de Visée, gespielt auf der Barockgitarre, betreten wir scheinbar eine „neue“ musikalische Welt. Die Rasgueados wirken nicht, wie Scheit fortschrittsgläubig argumentierte, als klanglicher Füllstoff. Alles wirkt leicht, luftig, grazil ... galant vielleicht? Christian Thomasius meinte 1687: „[Der Franzosen] ohnerzwungene ehrerbietige Freyheit ist geschickter sich in die Gemüther der Menschen einzuschleichen als eine affectirte bauerstoltze gravität“ und damit beschrieb er den Umbruch, der sich für die Musikwelt ankündigte. Der „bauerstolze[n]“ Gravität der barocken Komponisten stand ein neuer Stil gegenüber, den die Musiker am Hofe des Sonnenkönigs, unter ihnen Robert de Visée, stilistisch schon sehr weit gebracht hatten, und der immer weitere Kreise ziehen sollte. Christian Rivet führt den Zuhörer sehr einfühlend in diese Welt ... und in eine ganz andere. Eine Suite „Tombeau de Robert de Visée“ von André Jolivet (1905-1974) steht in der Mitte der CD. Sie ist, so Jean-Baptiste Apéré im Booklet, in Zusammenarbeit mit Andrés Segovia entstanden, der damals die d-Moll-Suite von de Visée in seinem Programm hatte, und der sich schließlich weigerte, das Tombeau von Jolivet zu spielen. Das wundert nicht wirklich, wenn man die Repertoire-Gewohnheiten des Meisters in Erinnerung hat. Jolivets Neigung zu atonalen Strukturen, sein Liebäugeln mit seriellen Techniken konnten Segovia nicht zusagen. Dass in Jolivets Tombeau auf Robert de Visée auch dessen Geist und Charakteristika der Barockgitarre immer wieder durchschimmern, war Segovia sicher eine zu diskrete Reminiszenz an seine Größe als Gitarrist. Christian Rivet hat hier eine CD vorgelegt, die nicht nur durch ein außergewöhnliches Repertoire und eine kühne Werkzusammenstellung auffällt. Er führt seine Zuhörer sensibel und stilsicher durch sehr unterschiedliche musikalische Sphären und wartet dabei mit überraschenden Höhepunkten wie der knapp vier Minuten langen Sarabande G-Dur von de Visée fast am Ende des Programms auf.


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... Musikinstrument und nicht musikalischer Totempfahl … I nterview mit John W. Duarte London, 31. Mai 1982 DasGespräch führtePeter Päffgen

Peter Päffgen: John, die Gitarrenwelt kennt Sie als Komponisten, als Lehrer, Herausgeber von Gitarrenmusik, Buchautor, als JuryMitglied in zahlreichen Wettbewerben. Was ist eigentlich Ihr Hauptberuf? John W. Duarte: Musik! P.P.: Aber was ist das Ziel, das hinter all diesen unterschiedlichen Aktivitäten steckt? J.W.D.: Nun, ich liebe tatsächlich nur die Musik, und zwar alle denkbaren Arten von Musik. Was Sie übrigens ausgelassen haben, sind meine Tätigkeiten als Rezensent. Ich schreibe Berichte über Schallplatten, Bücher und Konzerte, und das nicht nur auf dem Gebiet der Gitarrenmusik. Seit 1968 rezensiere ich Schallplatten für „Grammophone“, „Records and Recordings“ und „Classical Music“, die alle zwei Wochen herauskommt. Von den Konzertkritiken, die ich in den letzten fünf Jahren geschrieben habe, bezogen sich vielleicht nur zwanzig Prozent auf Gitarrenkonzerte ... P.P.: Gibt es denn Schwerpunkte in der Musik, die Sie rezensieren? J.W.D.: Es ist ganz eigenartig, wie sich die Sache entwickelt hat – übrigens weniger mein Interesse, als vielmehr meine Tätigkeit als Autor von Besprechungen. Als ich 1968 für „Records and Recordings“ angefangen habe, habe ich zunächst nur Schallplatten mit Gitarren-, Lauten- und Mandoli-

nenmusik besprochen. Oder sagen wir lieber: Zupfinstrumente, denn die Harfe war eingeschlossen. 1969/1970 kam dann der Herausgeber auf mich zu und sagte, er habe niemanden, der auf Cembalo-Musik spezialisiert sei ... P.P.: ... auch ein Zupfinstrument ... J.W.D.: ... ja, so wurde ich also der Rezensent für Cembalo-Musik. Das Cembalo ist aber nicht immer als Soloinstrument zu hören. ich kam also mit Kammermusik aller möglichen Arten zusammen, mit Konzerten, kurz: mit fast dem gesamten Repertoire der Renaissance und des Barock. Die nächste seltsame Anknüpfung war die, dass die Gitarre ein spanisches Instrument ist. Man nahm mich also als Spezialist für spanische Musik in Anspruch. Villa-Lobos und Castelnuovo-Tedesco, um nur zwei zu nennen, schrieben Kompositionen für Gitarre, ich besprach also auch deren Stücke, die nichts mit der Gitarre zu tun hatten. So wurde das Feld immer größer und größer. P.P.: Steht denn die Musik in einem direkten Verhältnis zu Ihren eigenen musikpraktischen Übungen? Spielen Sie zum Beispiel Cembalo? J.W.D.: Nein, ich habe nie ein Tasteninstrument gelernt. Das erste Instrument, das ich spielte, was die Ukulele. Das war 1934. Dann habe ich Jazz-Gitarre gespielt, so bis 1953.

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Übrigens betätige ich mich auch heute noch als Jazzer, zumindest während der Abende bei meinen Seminaren. 1936 habe ich dann auch noch mit der Trompete begonnen und kurz darauf auf Kontrabass. Alles natürlich mit der Intention, Jazz zu spielen. Später habe ich auch die Instrumente in anderen Arten von Musik eingesetzt. P.P.: Und wie kamen Sie dann an die „klassische Gitarre“? J.W.D.: Nun, ich hatte in meinem Leben nur einen Lehrer, das war Terrence Usher. Bei ihm bekam ich etwa 18 Monate Unterricht, sehr sporadisch zwar, aber immerhin. Das war zwischen 1934 und 1936. Er war sehr an der „klassischen Gitarre“ interessiert. Tatsächlich wurde er auch der erste Professor für Gitarre am „Royal College of Music“. Er war es, der mich für klassische Gitarre interessierte – mehr aber, um für sie zu komponieren, als sie zu spielen. Daraus hat sich alles entwickelt. P.P.: Und was waren die Aktivitäten der „frühen Jahre“? J.W.D.: Nun, Segovia war der Einzige, den man dem Namen nach kannte. Er hat auch in den frühen 30er Jahren hier gespielt, wo ich ihn nicht sehen konnte, und dann gab es keine Konzerte, bis er wieder im Jahre 1948 England bereiste. Die klassische Gitarre hatte keine regelrechte Szene, es gab zwar ein


paar Amateure, aber Nichts ernst zu nehmendes. P.P.: So konnten Sie also auch keine Lehrer finden? J.W.D.: Oh nein, für mich habe ich aber sehr früh festgestellt, dass ich keine Chance hatte, ein sehr guter Spieler zu werden. Daran, ein zweit-, dritt- oder vielleicht sogar zehntklassiger Gitarrist zu werden, war ich aber nicht interessiert. Viel wichtiger für mich war, die Gitarre als Musikinstrument zu behandeln und nicht als musikalischen Totempfahl. Ich wollte die Gitarre wie jedes andere Musikinstrument betrachten, wollte sehen, was für sie komponiert worden ist und wie man sie spielt, und das ohne besondere Privilegien anderen Musikgattungen gegenüber. Man darf nämlich nicht niedrigere Maßstäbe anlegen, nur weil es sich um die Gitarre handelt. Ich betrachte die Gitarre also eher als musikalische Quelle. Während dieser Zeit unterrichtete ich auch JazzGitarre, und zwar auf eine sehr eigene Art. Ich habe nie damit begonnen, dass meine Schüler Stücke spielen sollten. Sie sollten erst einmal wissen, was Musik ist. Es vergingen oft Monate, bevor sie zwei zusammen hängende Töne auf dem Instrument spielen durften. Ich betrachtete die Gitarre als „Demonstrationsapparat“ für musikalische Zusammenhänge. P.P.: Und wann haben Sie begonnen, für Gitarre zu komponieren? J.W.D.: Das muss irgendwann in den 40ern gewesen sein. Zunächst aber nahm ich die Sache gar nicht ernst. 1946 hat dann mein ehemaliger Lehrer, Terry Usher, der immer eine höhere Meinung von meinen Fähigkeiten hatte, als ich selbst, ein paar meiner Stücke an den Verlag Schott geschickt. Sie brachten sie auch tatsächlich heraus. Terrence hat all die Verträge mit dem Verlag gemacht und alles. Er hat mich gedrängt. P.P.: Welche Stücke waren das? J.W.D.: Es waren zunächst die „Miniature Suite“ op. 5 und dann noch zwei weitere. 1948 kam dann Andrés Segovia nach England. Ich reiste mit einer ganzen Gruppe von Manchester nach Leeds, um ihn zu hören. Nach dem Konzert haben wir mit ihm gesprochen und einen Kaffee miteinander getrunken. Dabei zeigte ihm mein Lehrer eine Sonate, die ich gerade geschrieben hatte, und die sehr von der Musik von Sor und Beethoven beeinflusst war – Komponisten, die ich besonders verehrte. Damals betrachtete man Sor als den „Beethoven der armen Leute“. Terrence gab Segovia also eine Kopie der Noten – ich wusste nicht einmal, dass er ein Exemplar davon besaß – und der Maestro zeigte sich sehr interessiert und fragte, ob er die Abschrift behalten könne. Er sagte, ich solle weiter komponieren und ihn weiterhin informieren, was ich so mache. Im nächsten Jahr kam dann Segovia wieder nach England und besuchte mich – er war also wirklich interessiert. Übrigens war der

Kompositionen von John W. Duarte Alfabetische Reihenfolge In den Titeln sind Artikel und Kardinalzahlen nicht berücksichtigt. Besetzung: Gitarre (wenn nicht anders angegeben) [IP] = in preparation/in Vorbereitung ** = auf professionellen Tonträgern veröffentlicht WoO = Werke ohne Opusnummer Opus/

Jahr

Titel/Besetzung

Verlag/Nr.

23b/1957 21/1955 51/1973 96/1982 6a/1992 121/1995 111/1992 53/1973 114/1993

Airly Beacon (high voice/guitar) Alla gavotta All in a row (of Webern’s) Americana** Americana (four guitars)** Appalachian dreams** Arctic Suite** Ballade (four guitars)** Bath Water Music (five guitars/drums)

66/1977 117/1994

Birds** Canción y Danza (Homage to A. Ruiz-Pipó)

110/1992

Cannington Collage (six guitars)

106/1989 33/1967

Cannington Suite (flute/guitar) Carillon (two guitars) became part of Op.61, q.v. Centone di Sonate (Paganini) I, II**, IV** (Violin/guitar) Chanson (two guitars) also became part of “Six Friendships for two guitars), q.v.

Unpublished Columbia CO153 Berben 1971 Universal 291859 Gendai Guitar G109 Schirmer ED 4112 Norsk Musik [IP] Broekmans 1375 Corda Music CMP 273 Tuscany TPS-046 Les Cahiers de la Guitare No72 Corda Music CMP 271 Unpublished

67/1975-77 14/1950 No.11 22/1956 108/1990 101/1986 WoO.2/1984 16/1950 No.12 42/1971 71/1977 87/1980 113/1993 40b/1997 138/2000 76/1979 80/1979 86/1980 91/1982 56/19736 31/1963-65 77/1979 78/1979 82/1979 112/1991 116/1994 136/1999 7/1949 49/1969 30/1960

Unpublished Guitar Review

Concertante Quartet (guitar/violin/viola/cello Unpublished Concerto democratico (four guitars)** Lemoine 25386 Concerto alegre (two guitars/orchestra) UnpublishedCorazón (Vals)** Berben 2546 Cradle song (high voice/guitar)** Guitar Review

Danse joyeuse (flute/guitar) Broekmans 1010 Danserie No,1 (two guitars) Unpublished Danserie No.2** Gitarre & Laute Danserie No.3 Lemoine 26625 Danserie No.4 (three guitars) =4 Transatlantic Dances Op40, q.v. Corda CMP 97 Danza eccentrica Tuscany TPS-065 Diana Poulton, her Impromptu (lute) Unpublished Diptych No.1 (four guitars) Columbia CO 318 Diptych No.2 (flute/guitar)** Unpublished Dreams (three guitars)** Unpublished Easy pictures** Novello English Suite (No.1)** Novello English Suite No.2** (two guitars) Universal 29169 English Suite No.3** (four guitars) Hampton Music English Suite No.4 (flute or recorder/guitar) Chester 55714 English Suite No.5 (six guitars)** Lemoine 26269 English Suite No.6 (panflute or flute/guitar)** Unpublished English Suite No.7 (Zupforchester) Vogt & Fritz 1285 Epitaph for Manuel Ponce Guitar Review No.8 Étude diabolique Berben 1972 Fantasia &Fugue on Torre bermeja Berben 1717 Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 5-6 61


90/1981 44/1970 99/1985 WoO.1 123/1996 36/1968 39/1968 89/1981 20/1955 No.17 124/1996 74/1978 85/1980 132/1998 103/1987 118/1994 83/1979 93/1982 8/1951 97/1984 72/1978 144/2002 130/1998 WoO.4/1996 WoO.5/1996 68/1977 79/1979 81/1979 95/1983 134/1998 5/1947 64/1976 6/1946 9/1951 145/2002 143/2000-1 143a/2000 146/2003 107/1989 58/1973-4 65/1976 18/1954 102/1986 WoO.2/1995 59/1974 104/1987-8 147/2006 141/2000 60/1974 122/1996 13/1952 29/1958 3/1945 38/1968 62/1974 37/1968 94/1983

First five frets Ricordi LD 676 [A] Flight of fugues (1 or 2 guitars) Broekmans 1015 Friends & lovers (high voice/guitar)** Columbia CO319 [6] Friendships for two guitars Novello Geteran jiwa (Var. on a Malay popularsong) Unpublished Going Dutch (four guitars)** Broekmans 868 Greek Suite (No.1) (two guitars)** Berben 1410 Greek Suite No.2 Berben 2346 Grown up (high voice/guitar) Guitar Review Gubahanku (Var. on an Indonesian pop. song) Unpublished Guitar duets without tears Ricordi LD631 Guitar Quintet No.1 (guitar/string quartet)** Vogt & Fritz 1082 Guitar Quintet No.2 “Echoes” (guitar/string quartet) Vogt & Fritz 1247 Hark, hark, the Ark (high voice/guitar) Columbia CO320 Henry’s purple parcel (six guitars/drums) Corda [IP] Homage to Antonio Lauro** Universal 29176 Idyll pour Ida (Homage to Ida Presti)** Universal 29176 Impromptu in Es Guitar Review No.8 In honorem Ioanni Dulandi** NovaScribe 107 Insieme (harpsichord or piano/guitar)** Berben 2366 Joan Baez Suite Unpublished Joplinesque (two guitars) Mel Bay MB98183 Karen (two guitars) Unpublished Kilclone Unpublished Little Suite (No.1) (four guitars)** Novello Little Suite No.2 (three guitars) Hampton Music HG303 Little Suite No.3 (three guitars) Joachim Trekel 509 Little Suite No.4 (three guitars)** Berben 2711 Little Suite No.5 (melody instrument/five guitars) Corda CMP 276 Meditation on a ground bass Schott SCS5 [The] Memory of a dance (flute/guitar)** Zimmermann 2266 Miniature Suite Schott SCS6 [3] Modern miniatures Schott SCS12 Five moods (flute/guitar) Unpublished Moraviana** Gendai Guitar (IP) Moraviana (guitar/string orchestra or quintet) Unpublished Moraviana (four-part guitar orchestra) Unpublished Musikones** Berben 3339 Mutations on the Dies irae Berben 2042 Night-music** Chanterelle Nocturne & Toccata** Broekmans 936 Nuages passants (Homage to Django Reinhardt)** Unpublished Para un feliz matrimonio Unpublished Partita (No.1) Columbia CO215 Unpublished Partita No.2 “Relazione” Partita III “Dieci cori” op. 135 for mandolin & guitar Edition Corvus Pequeña Suite venezolana Tuscany TPS-049 Petite Suite française Eschig 8214 Popscotch (melody instrument/five guitars/drums) Unpublished Prelude in a** Guitar Review 12 Prelude in a Columbia CO183 Prelude in C** Columbia CO183 Prelude, Canto & Toccata Berben 1419 Prélude en arpèges Eschig 8213 [5] Quiet songs** (German texts) Berben 1520 Berben 3326 Riverboat Suite (three guitars) Schott Mainz 7171

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Tag, an dem Segovia im letzten November hier bei uns zum Essen war, der 32. Jahrestag seines ersten Besuches. Er war immer bemüht, mich, und nicht nur mich, zu ermutigen. 1950 spielte er dann erstmals ein Stück von mir. So war ich plötzlich mitten in der Szene. Es ging nicht, wie bei den kleinen Jungs, die immer Lokomotivführer werden wollen, oder Lastwagenfahrer. Ich wurde Teil der Szene, weil andere von mit annehmen, dass ich dazu fähig wäre. Ich habe es nie als schwierig angesehen, zu komponieren. Da ich Jazz-Musiker war, war ich daran gewöhnt zu improvisieren. Ich betrachtete Musik oder die Improvisation als eine Art der Konversation. Es machte mir einfach Spaß, zu komponieren. P.P.: Ich glaube, es sind schon viele Stücke von Ihnen auf Schallplatte eingespielt worden ... J.W.D.: ... oh ja, eine ganze Menge. Achtzehn Stücke sind aufgenommen worden, einige davon mehrmals. Ich glaube, von mir sind mehr Stücke für die Schallplatte eingespielt worden, als andere Komponisten überhaupt geschrieben haben. P.P.: Sie haben also für Gitarre komponiert, bevor Sie Lehrer oder Gitarrist wurden. J.W.D.: Ja. Die Jahre zwischen 1936 und 1940 verbrachte ich an der Universität. Ich wurde Chemiker. Ich arbeitete auch als Chemiker bis 1969. Musik war also nur so etwas wie ein Hobby. Wir haben hier eine seltsame Einteilung in Amateure, Professionelle und Semi-Professionelle, wobei es den Semi-Professionellen eigentlich gar nicht gibt. Ein Semi-Professioneller ist jemand, mit zwei Berufen, denn er wird für zwei Tätigkeiten bezahlt. Lange vor 1969 hängte ich also meinen Beruf als Chemiker an den Nagel, einerseits, weil ich dieses Berufes müde war, und andererseits, weil ich einsah, dass ich musikalisch viel mehr tun konnte, wenn ich den „Erst-„ oder „Zweitberuf“ aufgab. Es ist immer schwierig, zwei Tätigkeiten, vor allem, wenn es sich um verantwortungsvolle Tätigkeiten handelt, miteinander zu verbinden. So wurde also mein Hobby zu meinem Beruf. P.P.: Seit 1969 leben Sie also von der Musik. Was heißt das, von der Musik zu leben? Gaben Sie Unterricht? Ich nehme an, dass Sie von den Kompositionen nicht leben konnten. J.W.D.: Ich glaube eigentlich, dass es Leute gibt, die von weniger leben müssen, als der Summe, die meine Kompositionen abwerfen. Wenn Sie an die Tantiemen denken, die aus Schallplatteneinspielungen und Aufführungen kommen, dann an den Verkauf der gedruckten Noten etc. Ja, ich glaube, es gibt Leute, die von weniger leben müssen. Damals war es aber noch nicht so. P.P.: Was haben Sie also gemacht? J.W.D.: Wir kauften ein kleines Geschäft. P.P.: Ein Musikgeschäft? J.W.D.: Nein, einen Tabakladen. Das Prinzip


war eigentlich sehr schlicht. Wenn man die Hälfte seines Einkommens abgibt, braucht man eine Brücke, bis die Musik das ganze Einkommen bestreiten kann. Ein Geschäft ist dabei eine ganz gute Möglichkeit. Ich war immer in der Lage, stunden- oder tageweise abwesend zu sein, da andere die Arbeit machen konnten. Nach drei Jahren hatte der Laden seine Funktion erfüllt, und wir haben ihn verkauft. P.P.: Der normale Weg für Musiker, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ist, Stunden zu geben. Das haben Sie aber nicht gemacht, oder? J.W.D.: Doch, ich habe Jazz-Gitarre unterrichtet, ein wenige klassische Gitarre und sogar etwas Trompete. Aber das war noch in Manchester in den 50er Jahren. In London wollte ich eigentlich keinen Unterricht geben, habe es aber dann doch getan, u. a. für John Williams. Ich glaube, das ist gar nicht bekannt. Ich habe John auf die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule vorbereitet. Insgesamt habe ich aber wirklich sehr wenig unterrichtet. Irgendwie war eine Weltverschwörung im Gange, als ich frei war für Unterricht und Seminare etc.: Vorher hat sich kaum jemand an mich gewandt, als ich aber die Zeit hatte, kamen plötzlich Anfragen aus allen Teilen der Welt. P.P.: Nun haben Sie in sehr vielen Wettbewerben als Juror teilgenommen, Sie reisten um die Welt in Sachen Gitarre. John Williams war Ihr Schüler, wie Sie eben sagten ... J.W.D.: ... ja, aber daraus möchte ich eigentlich nichts konstruieren ... P.P.: ... nun, John Williams ist, wie ich glaube, ein Indikator für die Entwicklung des Gitarrenspiels in den letzten Jahren ... J.W.D.: ... hmm, ja, aber da hat es noch andere Höhepunkte gegeben. Nehmen Sie Ida Presti. Ich glaube eigentlich, sie war der wichtigste Interpret, ja, eigentlich in der Geschichte des Instruments. Ich meine jetzt nicht das, was sie für das Instrument getan hat, sondern ich meine sie als Gitarristin. Williams und Bream fingen zu einer Zeit an, als Segovia schon die Welt bereiste. Es gab die Langspielplatte, es gab alle Möglichkeiten der Popularisierung. Bitte verstehen Sie mich: Ich will die Leistung keines Musikers hier abwerten. Segovia war in seiner Position als Gitarrist Nº 1 absolut ungefährdet. Er war so erfolgreich. Das heißt, er konnte sich zurücklehnen und die weitere Entwicklung beobachten. Er hat sich sicherlich die Frage gestellt, wer seine Nachfolger auf dem Thron sein sollten. Bream war einer der ersten, die er gesehen hat, aber es hat eigentlich nie eine feste Beziehung zwischen den beiden bestanden. Bream war immer weit davon entfernt, ein Protégé von Segovia zu sein. 1952 kam John Williams nach England und traf Segovia; übrigens hier in meiner Wohnung! Segovia war sehr an John interessiert und gab ihm eine enorme Hilfe. Das soll übrigens nicht heißen, dass er den Er-

119/1995 34/1967 115/1994 127/1997 19/1955 41/1971 10/1951 105/1988 23a/1957 55/1973 146/2006 4/1946-7 15/1956 27/1958 27a/1999 98/1984 48 / 1971 35/1968 WoO.3 1996 88/1979 140/2000 52/1972 47/1969 61/1974 46/1970 109/1991 57/1973-4 40/1969 40a/1997 40b/1997 69/1997 50/1971-2 126/1996 92a/1991 92/1982 128/1997 137/2000 25/1956 32/1965-6 129/1997 26/1957 139/2000 84/1980 28/1958 120/1995 100/1985 24/1958 123/1996 70/1977 70a/1992 73/1978 75/1978

Russiana Margaux 1057 Sans cesse (two guitars)** Guitar Review 31 Shades of blue (two guitars/double-bass)** Pan Music P803 Shades of green (two guitars) Mel Bay MB98183 Simple Prelude Guitar Review 17 Simple songs without words (recorder/guitar or piano) Broekmans 1016 Simple variations on Ls Folias Columbia CO152 Simply blues Ricordi LD811 Sister, awake! (High voice/guitar) Unpublished Some of Noah’s Ark** Ricordi LD583 Somerset Suite op. 106 for flute & guitar Lathkill Music (LMP111) Columbia CO153 Sonata in d (only Larghetto published) Sonatina (flute/guitar)** Guitar Review 12 Broekmans 937 Sonatina Casa de la Guitarra Sonatina di primavera (four guitars)** Unpublished Sonatina dl sur** Editions Yolotl g12 Sonatina lirica** Berben 1972 Sonatinette** Novello Stella (two guitars) Unpublished Studies Gendai Guitar No.342 (12/1993) [12] Studies Tuscany TPS-040 Sua cosa (Wes Montgomery memorial)** Berben 2043 Suite ancienne Berben 2203 Suite française** Berben 2256 Suite piemontese** Berben 1514 Summerset Follies (six guitars) Lemoine 26044 Tout en ronde** Universal 29153 [4] Transatlantic dances (two recorders/guitar or piano) Corda CMP 151 [4] Transatlantic dances (melody instrument/five guitars) Unpublished See Danserie No.4 Trio for three (three guitars)** Lemoine 25087 [A] Tudor Fancy (guitar/orchestra) Unpublished Tunes for Tracey (melody instrument/five guitars/drums) Corda [IP] Un petit bis (recorder or flute/guitar)** Unpublished Un petit jazz (recorder or flute/guitar)** Chester 55715 Valse en rondeau** Tuscany TPS-065 Valse lyrique Tuscany TPS-065 Variations on a Catalan folk song** Novello Variations on a French nursery song** Berben 1442 Variations on an Andante of Nikita Koshkin ** Lemoine 27034 Variations on “Selengers round”. Some used in Six Friendships., WoO. Unpublished Variations on an Italian folk song Tuscany TPS-039 Variations on a Swedish folk song** Lemoine 25145 Variations on “The Colorado Trail” ** Guitar Review No.23 Variations on a theme of Nikita Koshkin** Unpublished Variations on a theme of Štepán Rak** Lemoine 24995 Variations on”Three blind mice” Guitar Review 25 Varieties of Scotch (two guitars) Mel Bay MB98183 When the twain meet (high voice/lute) Unpublished When the twain meet (highvoice/guitar) Unpublished Within easy reach (for small hands) Ricordi LD624 Youth at the strings Ricordi LD630

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folg ohne diese Hilfe nicht gehabt hätte. Julian Bream hat ja auch seinen Weg gefunden. Es gab andere Musiker zu dieser Zeit, keinen aber, der die Fähigkeit gehabt hätte, sehen wir von Ida Presti ab. Andere hatten die Zeit verpast wie Anido oder Luise Walker. Das waren Namen, die nur unter Gitarren-Enthusiasten bekannt waren, und auch da nicht überall. Es gab also zwei sehr gute Spieler, Bream und Williams, und die saßen bei dem enormen Aufschwung, den die Gitarre erlebte, sofort „on the driving-seat“. Sie mussten einfach Karriere machen. Bream ist eine außergewöhnliche Person, nicht als Gitarrist, sondern als Musiker. Bream ist ein sehr außergewöhnlicher Musiker. Heute sind die Chance für Gitarristen aber ganz anders. Bream und Williams erschienen aus dem Nichts. Heute gibt es so viele erstklassige Gitarristen. P.P.: Ich glaube auch, dass Williams nicht den absoluten Höhepunkt der Gitarrentechnik darstellt, aber zu seiner Zeit war er doch ziemlich einzigartig. J.W.D.: Ja, aber auch zu seiner Zeit hat es Gitarristen gegeben, die ihm gleichkamen. Ida Presti war ihm weit überlegen. Haben Sie einmal Platten gehört, die sie mit 13 Jahren aufgenommen hat? P.P.: Solo-Platten? J.W.D.: Ja, ich habe einige hier. Sie war weit überlegen. Sie war allem, was John machen kann, weit überlegen. Ich habe auch Anido und Walker genannt, die beide enorme Technik hatten, Keiner hat sie gekannt. Heute gibt es überall Super-Gitarristen, die aber nie das erreichen können, was Williams und Bream erreicht haben. Die Konkurrenz ist einfach zu groß. Die beiden haben das verdient, was sie geschaffen haben, heute wäre es aber fast unmöglich, die Bedeutung zu erreichen, dien sie erworben haben. Als sie kamen, schien die Welt leer zu sein. Die Zeit der Weltstars ist aber vorbei. P.P.: Haben Sie eine Erklärung für die Tatsache, dass John Williams mehr oder weniger die klassische Gitarre an den Nagel gehängt hat? Ich sehe immer den Parallelfall des Pianisten Friedrich Gulda, der irgendwann gesagt hat, er mache keine „klassischen“ Konzerte mehr und keine Schallplatten. Ist es so, dass John einfach das ganze Repertoire kennt und gelangweilt ist? J.W.D.: Ich kann natürlich nicht sagen, warum John aufgehört hat, klassische Gitarre zu spielen. Sicher habe ich meine Meinung dazu. P.P.: Ist es die Liebe zur Musik, die ihn bewegt hat, aufzuhören? Das große Problem der Gitarre, kein Mozart-Beethoven-BrahmsRepertoire zu haben, war das vielleicht Johns Grund aufzuhören? J.W.D.: Liebt Andrés Segovia die Musik weniger als John Williams? P.P.: Sicher nicht, denke ich! J.W.D.: Nun, der hat auch nicht aufgehört! P.P.: Er hat aber überall Anregungen gege-

ben, das Repertoire zu erweitern! Lassen Sie uns doch Klartext reden. John Williams ist nie so ins 20. Jahrhundert eingedrungen, wie Julian zum Beispiel. Mit dem Brouwer-Konzert ist er unserer Zeit sicher am nächsten gekommen. Dieses PatrickGouwer-Konzert, das er gespielt hat, hat mehr mit Technologie zu tun als mit Musik. Hätte er nur die Hälfte Interesse an zeitgenössischer Musik gezeigt, wie zum Beispiel Sigi Behrend, wäre vielleicht alles anders abgelaufen. Es gibt irgendwann den Punkt, an dem man vom Geschehen abgeschnitten wird, dann nämlich, wenn man morgens aufwacht und zu sich sagt: Zeitgenössische Musik, das ist keine Musik! Das ist der Punkt, an dem man aufhört, in Bewegung zu sein. Segovia hat sich vor 50 Jahren entschieden, was Musik ist und was nicht. Das merkt man an den Stücken, die er abgelehnt hat. Er hat zum Beispiel das Stück „Segoviana“ von Darius Milhaud nie gespielt, ebenso lehnte er die „Quatre pièces brèves“ von Frank Martin ab. Das sind nur Beispiele. Segovia hat eine klare Linie gezogen zwischen in seinem Sinne Musik und Nicht-Musik. Stücke dieser Art lagen eben jenseits dieser Linie. Williams hat nicht das ganze Repertoire gespielt. Kennen Sie eine Platte oder eine Konzertaufführung des „Nocturnal“ von Benjamin Britten mit ihm? P.P.: Ich glaube nicht ... J.W.D.: ... und es gibt etliche andere Stücke. Williams ist nicht an der Grenze angekommen. Technisch vielleicht, obwohl ich auch da ein paar höchst erstaunliche Dinge ghört habe. Ich wehre mich dagegen anzunehmen, dass John aus Liebe zur Musik aufgehört hat. Das hieße, dass all anderen Gitarristen die Musik nicht liebten. P.P.: Das Gitarrenrepertoire ist sehr begrenzt, oder nicht? Es werden Ausgaben von verschollenen Stücken gemacht, es werden Transkriptionen angefertigt, um es zu vergrößern. J.W.D.: Es ist viel weniger begrenzt als man annimmt, wenn man das hört, was Gitarristen in Konzerten spielen. Die übliche Beschwerde Londoner Presse-Kritiker ist die, dass das Repertoire aus 25 bis 30 Stücken besteht, wovon einige nicht einmal gut sind. Dieser Eindruck wird aber von den Gitarristen erweckt. Die Situation ist recht schwierig. Vor 25 bis 30 Jahren spielte jeder die Stücke, die auch Segovia spielte. Das war das Repertoire. Wie alles andere, wurde auch das Repertoire mit ihm identifiziert. Man bewegte sich dann von diesem Standard weiter. Aber nicht weit, denn man führte andere Stücke von Sor, andere Stücke von Bach etc. dem Repertoire zu. Das Spektrum änderte sich aber eigentlich nicht. Heute ist die Bewegung weit schneller geworden. Vor Jahren hatte jeder Gitarrist sein Publikum, aber nur weil er Gitarre spielte. Es kam nicht darauf an, was oder wie er spielte. Resultat dieser Situation war, dass es gar nicht notwendig J.W.D.:

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war, gründliche musikalische Ausbildung anzustreben. Man spielte das gängige Repertoire, und alle Stücke gab es auf Schallplatten von irgendeinem der großen Spieler. Man konnte sich also ein Bild davon machen, wie die Stücke sich anhören. Mit einem gänzlich neuen Stück hätten diese Leute, oder zumindest viele von ihnen, nichts anfangen können. Das hat sich geändert. Gitarristen sind heute viel besser ausgebildet. Sie brauchen heute keine Woche mehr, um herauszufinden, wie ein Stück geht oder ob sie es mögen oder nicht. P.P.: Es haben sich aber die Tätigkeiten der Verlage gewandelt. Alice Artzt spielte in Köln die Suite von Bach/Weiss/Ponce, bei der erst vor ein paar Jahren bekannt wurde, wer dieses Stück wirklich geschrieben hat. Wäre so etwas heute noch möglich? Ich glaube und hoffe nicht! J.W.D.: Man sollte es annehmen. Ich würde aber vielleicht nicht ganz so weit gehen. Angelo Gilardino brachte mich einmal auf den Gedanken, eine Scarlatti-Sonate K 556 zu schreiben. Von Scarlatti sind nur 555 Sonaten bekannt. Angelo hat das Stück in Italien gespielt. Ich habe es zwei sehr bekannten Gitarristen vorgelegt, deren Namen hier nicht genannt werden sollten: Beide haben das Stück als Scarlatti anerkannt. Sachen wie die Ponce-Suite sind durch den Zeitgeist zu erklären. P.P.: Sie glauben also nicht, dass die Gitarristen mittlerweile so wissend und kritisch geworden sind, dass Späßchen wie der Bach/Weiss/Ponce nicht mehr möglich sind? J.W.D.: Es ist sicherlich sehr schwierig geworden. P.P.: Eine der Standardfragen, ein solches Interview abzuschließen, ist die nach der Zukunft. Wie geht es weiter mit der Gitarre? J.W.D.: Ich glaube, dass sich die Technik jetzt sehr sehr entwickelt hat. Ich rede jetzt nicht von den zwei oder drei Top-Stars, sondern von den Gitarristen etwas weiter unten in der Popularitätsskala. Vor Jahren habe ich die Variationen über ein französisches Kinderlied für zwei Gitarren komponiert („Variations on a French Nursery Song“ op. 32). Ich schrieb sie für Preti/Lagoya, und beide sagten, das Stück sei das schwerste, das sie jemals gespielt hätten. Trotzdem spielten sie die Variationen nach zwei Wochen öffentlich, was die unglaublichen spielerischen Fähigkeiten der beiden zeigt. Als Ida Presti starb, habe ich gedacht, ich würde das Stück niemals mehr hören, weil es zu schwer ist. Leider haben die beiden das Stück nicht mehr für die Schallplpatte aufnehmen können. Er wurden etwa 50 bis 70 Ausgaben von den Noten pro Jahr verkaut, was nicht viel ist – angesichts der technischen Schwierigkeit des Stücks aber wieder vergleichsweise eine Menge. Dann hat das Frankfurter Gitarrenduo das Stück aufgenommen, und ich habe dieses Duo auch live gehört, wo es auf dem Programm stand. Gerade ist eine neue


Aufnahme herausgekommen von zwei Schweden, die kaum die Musikhochschule absolviert haben. Presti/Lagoya wären sicherlich erstaunt gewesen, wie sich der technische Standard entwickelt hat. Ein Problem ist allerdings offensichtlich geworden. Ein Konzertsaal wie die Wigmore Hall war vor Jahren voll, nur weil Gitarre gespielt worden ist. Diese Zeiten sind vorbei. In London hat die Gitarre kein tragfähiges Publikum mehr. Die Gitarre hat keine Gefolgschaft mehr, nur weil es die Gitarre ist. Einzelne Spieler haben Gefolgschaft, aber das ist bei allen Instrumenten so. Heute hat die Gitarre zu überleben, und zwar durch die Qualität dessen, was man mit ihr macht, durch die Qualität der Darbietungen und die Auswahl des Repertoires. Sie hat sich den gleichen Maßstäben zu unterwerfen wie jede andere Musikgattung. Sie ist kein Ausnahmefall mehr, bei dem man Entschuldigungen gelten lässt. Außerdem ist die so viel voller mit sehr guten Spielern, dass es immer schwerer wird, seinen Lebensunterhalt mit der Gitarre zu verdienen. Es wird immer ein Bedarf an guten Lehrern bestehen, und die Gitarristen haben es etwa gegenüber den Geigern schwerer, die sich am dritten Pult eines zweiklassigen Orchesters verdingen können. P.P.: Die Zeiten haben sich aber grundlegend geändert. J.W.D.: Es gibt immer noch Gitarristen, die das nicht erkannt haben. Vor ein paar Wochen war ein Konzert hier in London. Ich habe es abgelehnt, einen Bericht darüber zu schreiben. Hier das Programm: Variationen über „Guardame las Vacas“ von Narváez, Mudarra, Fantasía ... raten Sie welche! P.P.: ... que contrahaze la harpa ... J.W.D. : … Gaspar Sanz, Three pieces … P.P.: … Españoletas, Canarios und Paradetas … J.W.D. : … nicht ganz richtig: Fuga, Pavan, Españoletas. Fernando Sor, Variationen über ein Thema von ... P.P.: oh, mein Gott! J.W.D.: Torroba, Madroños. Albéniz … P.P.: … Asturias … J.W.D.: … ja, und Flamenco nach der Pause. Die Gitarre ist an einem Punkt angelangt, was nicht heißen soll, dass sie auf dem Weg nach unten ist. Sie hat aber die Aufmerksamkeit mit all den anderen Instrumenten zu teilen. Sie ist kein Fetisch mehr. P.P.: John, vielen Dank für das Gespräch!

Detlef Altenburg (Hrsg.), ARS MUSICA – MUSICA SCIENTIA, Festschrift Heinrich Hüschen zum fünfundsechzigsten Geburtstag am 2. März 1980, Köln 1980 (474 S., zahlreiche Notenbeispiele und Abbildungen, Ganzleinen, Fadenheftung) G&L 125, ISBN 3-88583-002-7, € 75,– Detlef Altenburg, Vom poetisch Schönen. Franz Liszts Auseinandersetzung mit der Musikästhetik Eduard Hanslicks; Konrad Ameln, „Herzlich tut mich erfeuen“ … Wandlungen einer Melodie; Denis Arnold, Pasquale Anfossi’s Motets for the Ospedaletto in Venice; Maria Augusta Barbosa, Einführung in die Musikgeschichte Portugals bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts; Heinz Becker, Massenets „Werther“: Oper oder vertonter Roman?; Oswald Bill, J. S. Bachs Messe in A-Dur: Beobachtungen am Autograph; Wolfgang Boetticher, Zum Problem der ältesten handschriftlich überlieferten Lautentabulaturen; Dimiter Christoff, Kompositionstechnische Analyse des bulgarischen Liedes „Swirtschiza Swiri“ auf der Grundlage einer verallgemeinernden Theorie der Melodik; Georg von Dadelsen, De confusione articulandi; Carl Dahlhaus, Über das System der muskitheoretischen Disziplinen im klassisch-romantischen Zeitalter; Joachim Dorfmüller, Orgelsonate zwischen Historismus und Avantgarde: Anmerkungen zu Kompositionen aus der Zeit zwischen 1960 und 1979; Ursula Eckert-Bäcker, Die Pariser Schola Cantorum in den Jahren um 1900: Eine Skizze unter besonderer Berücksichtigung historischer und pädagogischer Aspekte; Georg Feder, Über Haydns Skizzen zu nicht identifizierten Werken; Hellmut Federhofer, Stylus Antiquus und modernus im Verhältnis zum strengen und freien Satz; Renate Federhofer-Königs, „Der Merker“ (1909–1922) – ein Spiegel österreichischen Musiklebens; Karl Gustav Fellerer, Agostino Agazzaris „Musica ecclesiastica“ 1638; Kurt von Fischer, Die Musik des italienischen Trecento als Gegenstand historischer Überlieferung und musikwissenschaftlicher Forschung; Constantin Floros, Richard Strauss und die Programmusik; Arno Forchert, Zur Satztechnik von Beethovens Streichquartetten; Jobst Peter Fricke, Hindemiths theoretische Grundlegung der Kompositionstechnik in seiner „Unterweisung im Tonsatz“; Walter Gerstenberg, Das Allegretto in Beethovens VII. Symphonie; Walter Gieseler, Quid est Musica? – Quid sit Musica?: Anmerkungen zu Heinrich Hüschen, Artikel Musik. Begriffs- und geistesgeschichtlich, in: MGG IV, Sp. 970-1000; Theodor Göllner, Beethovens Ouvertüre „Die Weihe des Hauses“ und Händels Trauermarsch aus „Saul“; Kurt Gudewill, Vom Lobe Gottes oder der Musica: Zu Lorentz Schröders Kopenhagener Traktat von 1639; Robert Günther, Abbild oder Zeichen: Bemerkungen zur Darstellung von Musikinstrumenten an indischen Skulpturen im Rautenstrauch-Joest Museum zu Köln; Dieter Gutknecht, Schleifer oder Vorschläge in der Arie „Erbarme dich“ aus der Matthäus-Passion von J. S. Bach; Willibrord Heckenbach, Responsoriale Communio-Antiphonen; Gerhard Heldt, … aus der Tradition gestaltet: Der „Rosenkavalier und seine Quellen; Siegmund Helms, Musikpädagogik und Musikgeschichte; Lothar Hoffmann-Erbrecht, Der Lautenist Silvius Leopold Weiss und Johann Sebastian Bach; Heinrich Husmann, Ein Missale von Assisi, Baltimore, Walters Gallery W.75; Hans-Josef Irmen, Engelbert Humperdinck und sein transzendental-ästhetisches System der Plastik; Roland Jackson, Mercadente’s Résumé of Opera Reform; Dietrich Kämper, La stangetta – eine Instrumentalkomposition Gaspars van Weerbeke?; Hans Klotz, Über den originalen Aufbau eines Scharf von 1637; Ernst Klusen, Singen als soziales Handeln: Einzelfallstudie: „Das Singen liegt mir im Sinn“; Siegfried Kross, von „roten“ und anderen Brahms-Festen; Josef Kuckertz, Der südindische Raga Kharmas; Harald Kümmerling, Ut a corporeis ad incorporea transeamus; Helmut Moog, Zum Stande der Erforschung des Musikerlebens zwischen dem sechsten und zehnten Lebensjahr; Klaus Wolfgang Niemöller, Zur Qualifizierung und Differenzierung der Intervalle in der deutschen Musiktheorie des 16. Jahrhunderts; Frits Noske, Verdi’s ’Macbeth’: Romanticism or Realism?; Walter Piel, Der Bau von Musikinstrumenten mit Schulkindern: Bemerkungen zur Quellenlage in Deutschland; Nancy B. Reich, Louise Reichardt; Rudolf Reuter, Zur Baugeschichte der Orgeln des Escorial; Martin Ruhnke, Musikalischrhetorische Figuren und ihre musikalische Qualität; Hans Schmidt, Gregorianik – Legende oder Wahrheit?; Udo Sirker, Joseph Sauveurs musikakustische Untersuchungen: Ein Beitrag zu experimentellen Forschungen um 1700; Joseph Smits van Waesberghe, „Wer so himmlisch mehrstimmig singen will …“; Martin Staehelin, Bemerkungen zum geistigen Umkreis und zu den Quellen des Sebastian Virdung; Günter Thomas, Haydn-Anekdoten; Hubert Unverricht, Die Dasia-Notation und ihre Interpretation; Horst Walter, Haydns Schüler am Esterházyschen Hof;

Grete Wehmeyer, Die Kunst der Fingerfertigkeit und die kapitalistische Arbeitsideologie MusiCologne www.MusiCologne.eu

Gitarre & Laute-ONLINE XXIX/2007 Nº 5-6 65



Klassiker der Moderne – Nachruf auf Harald Genzmer Der Komponist Harald Genzmer ist am 16.12.2007 im Alter von 98 Jahren in München gestorben. Die Musikwelt und der Verlag Schott Music verlieren damit einen bei Publikum und Interpreten gleichermaßen geschätzten Komponisten, einen bedeutenden Lehrer und einen überaus liebenswürdigen Mitmenschen. Genzmer gehörte zu jenen Komponisten, die mit ihrer Kunst verstanden werden wollen: „Musik soll vital, kunstvoll und verständlich sein. Als praktikabel möge sie den Interpreten für sich gewinnen, als erfassbar sodann den Hörer.“ Eine Kunst um ihrer selbst oder um abstrakter Prinzipien willen lehnte er ab. Neben großen Konzertwerken für international renommierte Orchester komponierte Genzmer immer wieder Stücke für Laien, so dass seine Musik nicht nur auf den großen Konzertbühnen gespielt wurde, sondern sich bei Schul- und Studentenorchestern großer Popularität erfreute und weithin bekannt wurde. Als Professor für Komposition fand der gebürtige Bremer ab 1946 zunächst in Freiburg, dann ab 1957 in München seine eigentliche Berufung. Er war Lehrer aus Leidenschaft und vermittelte Generationen von jungen Komponisten seine in einem umfangreichen eigenen Schaffen dokumentierte Fähigkeiten und seine enormen Kenntnisse der Musikgeschichte. Dabei galt ihm die Musik als eine Kunst unter anderen; sein glänzendes Wissen in Schwestergebieten wie der Literatur, der bildenden Kunst, aber auch in den Naturwissenschaften ergänzte seinen Unterricht über Jahrzehnte. Das Schaffen, das Genzmer hinterlässt, ist von erstaunlicher Vielfalt. Es umfasst alle Gattungen von der Klaviermusik bis zur Sinfonik (darunter fünf Sinfonien) mit einer signifikanten Ausnahme: Der Komponist schrieb keine Oper. Einen deutlichen Schwerpunkt bilden in seinem Werk das Konzert bzw. Werke, die einem konzertierenden Prinzip folgen. Er schrieb zahlreiche Solokonzerte und ließ sich von renommierten Interpreten immer wieder dazu inspirieren, auch Konzerte für außergewöhnliche Instrumente, etwa für Mixtur-Trautonium, zu komponieren. Genzmer begeisterte durch künstlerische Inspiration, durch seine Einfühlungsvermögen in die Interpreten, denen er dankbare instrumentale Aufgaben geben wollte, sowie durch seinen Sinn für den Klang eines Instruments, einer Melodie, einer harmonischen Wendung. Er, der unter anderem bei Paul Hindemith studiert hatte und von so unterschiedlichen Komponisten wie Igor Stravinsky, Claude Debussy und Bela Bartok Anregungen empfing, fand früh seinen von unerschöpflicher Phantasie, Verständlichkeit und souveräner Beherrschung des Handwerks bestimmten Personalstil. Noch seine letzten Kompositionen, von denen viele für befreundete Musiker entstanden, zeigen eindrucksvoll seine unvergleichliche geistige und künstlerische Produktivität. Nur wenige Wochen vor seinem 99. Geburtstag ist der Komponist in seiner Wahlheimat München verstorben. © 2008 by SCHOTT MUSIC, Mainz


Notenausgaben von Gitarre & Laute

John W. Duarte Danserie No. 2 für Gitarre solo € 7,50 G&L 142 Eduardo Falú Gavota para Guitarra, Mit Fingersätzen versehen von Hubert Käppel, 2-3 € 5,00 G&L 112 Eduardo Falú Preludio del pastor € 6,50 G&L 111 Santino Garsi da Parma Sämtliche Lautenwerke, Gesamtausgabe der handschriftlichen Quellen, Faksimile mit Übertragungen und Kommentar von Dieter Kirsch € 30,00 G&L 148 Jana Obrovská Hommage à Choral Gothique f. Gitarre Solo, Revidiert von Milan Zelenka € 8,50 G&L 122 Jana Obrovská Due Musici für zwei Gitarren € 8,50 G&L 123 John W. Duarte Danserie No. 2 für Gitarre solo € 8,50 G&L 142 Adrian Patino Nevando Está, Für Gitarre bearbeitet von Eduardo Falú € 6,50 G&L 120 A. Robles und Jorge Milchberg El Condor pasa, Für Gitarre bearbeitet von Eduardo Falú € 6,50 G&L 116 Ignace Strasfogel Prélude, Elegie und Rondo für Gitarre, Herausgegeben von Volker Höh € 13,00 G&L 168 Heinrich Marschner Lieder mit Begleitung der Gitarre (Zwölf Lieder op. 5, Zwei Lieder von Goethe), Herausgegeben von Oliver Huck € 15,00 G&L 169

Der gesamte Katalog bei:

www.MusiCologe.eu Gitarre-und-laute.de


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