MAG 17: Pique Dame

Page 10

Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 8

Mein Beitrag zum MAG fällt mir etwas schwerer als sonst, denn auch der Technik drohen manchmal die Trümpfe aus­zugehen. Das Bühnenbild von Pique Dame besteht aus ei­ nem Boden, zwei Seitenwänden und einer Rückwand. Den Ideen des Regisseurs stehen 14 Spieltische, Stühle, ein Sarg, ein Dutzend Hängelampen und ein Bett zur Verfügung. Klingt überschaubar, hat es aber dennoch in sich: Die Wände sind hoch und breit, verschiebbar und sollen aussehen, als wenn sie aus gepolstertem grünem Filz bestehen würden. Natürlich ohne sichtbare Teilungen. Der Filz sollte in einem Rautenmuster in Falten gelegt und dann mit Knöpfen auf der Unterkonstruktion befestigt werden. Man nennt diese Technik Kapitonierung. Leider konnten wir für die Wände keinen Filz nehmen, da dieser den Schall schluckt und der Stoff beim Auf- und Abbauen beschädigt worden wäre. Wir spielten unseren ersten Trumpf aus: Die Theaterplastiker haben die Kapitonierung nachgeformt und aus schwer entflammbaren Kunststoffplatten tiefgezogen, die den Schall reflektieren, statt ihn zu schlucken. Die Platten wurden so matt wie möglich eingefärbt. Beim Aufbau auf der Bühne gefiel die Farbe allen, doch bei den Beleuchtungsproben erschien sie dem Regisseur zu hell und glänzend. Alle Versuche, die Wände auf der Bühne schnell matter oder dunkler zu malen, erwiesen sich als Fehlfarben, weil auf der Lackierung des Spritzwerks unsere Farben nicht haften. Als letzte Massnahme blieb uns nichts anderes übrig, als die

Wände wieder abzubauen und sie nochmal ins Spritzwerk zu schicken. Das mischte den Proben- und Transportbetrieb sowie die Kosten heftig durcheinander. Der Boden des Bühnenbildes sollte ein Abbild der Wän­­­de sein – aber flach. Der Versuch, die Originalwände zu fotografieren und auf Bodenplatten zu drucken, misslang. Unseren Theatermalern gelang es schliesslich mithilfe von 3,5 km Seil, das über den Boden gespannt wurde, die Rauten gleichmässig aufzumalen und die Räumlichkeit der Kapitonierung durch Farbverläufe in mehr als 5000 (!!!) Rauten zu simulieren. Als der Boden fertig gemalt im Malsaal lag, waren alle begeistert. Da die Tische auf dem Boden hin und her geschoben werden, beschlossen wir, den Boden mit einer har­ten Lackschicht zu überziehen. Aber wir erlebten im Originallicht noch eine böse Überraschung: Bei der Verarbeitung ist die Lackschicht nicht gleichmässig aufgetragen worden, man sieht helle Streifen auf dem Boden. Wir versuchten mit Hilfe von Spiritus, den Bodenbelag vollflächig anzuätzen – der Effekt war zu gering. Wir mussten unseren letzten Trumpf ausspielen: Wir lassen den kompletten Boden in den nächsten Tagen erneut im Spritzwerk klar lackieren. Wenn das nicht hilft, werden wir sicher nicht passen, sondern einen weiteren Trumpf aus dem Ärmel ziehen. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

Illustration Laura Jurt

Die letzte Karte ist noch nicht gespielt


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.