MAGAZIN MUSEUM.DE Nr. 38

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Nr. 38 6,80 € Herbst 2019 MAGAZIN MUSEUM.DE MUSEUM 3 19 Bode-Museum Staatliche Museen zu Berlin 4 190485 406803 38
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Bode-Museum in Berlin

Meine kulturelle Entdeckungsreise hat mich dieses mal zum Bode-Museum geführt, das zur Museumsinsel in Berlin gehört.

Empfangen wurde ich dort von der Kuratorin Frau Dr. María López-Fanjul y Díez del Corral und dem Direktor der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst, Prof. Dr. Julien Chapuis. Die fröhliche Gelassenheit meiner Gastgeber wirkte sehr ansteckend auf mich.

So konnte ich an der Auftaktveranstaltung „Spielarten der Liebe“ teilnehmen, die zur Ausstellungsreihe „Der zweite Blick“ gehört. Besucher haben hier die Gelegenheit, sich anhand aktueller gesellschaftsrelevanter Themen mit der Dauerausstellung des Bode-Museums auseinanderzusetzen. Die Ausstellung entstand in Kooperation

mit dem Schwulen Museum in Berlin und beschäftigt sich mit der Vielfalt sexueller Identitäten.

Auf einer Insel kommt man sicherlich früher oder später auf die Idee, ein Schiff oder eine Brücke zu bauen.

Das Bode-Museum gehört meiner Einschätzung nach zu den Brückenbauern. Wenn ein Haus sichtlich so viele junge Leute anzieht, dann hat es wohl erfolgreich eine Verbindung zwischen dem Gestern und Heute aufgebaut – ein lebendiger Ort für den kulturellen Austausch.

Meine besondere Empfehlung gilt dem sehr lesenswerten 39-seitigen Ausstellungskatalog, der kostenlos als PDF geladen werden kann. Ein Auszug zur fünften Route „Grenzüberschreitungen“ (Mehrdeutigkeiten im Hinblick auf die Geschlechtszugehörigkeit) ist Teil des Artikels in diesem Magazin.

Berlin ist immer eine Reise wert! Herzlichst, Ihr Uwe Strauch

3 MAGAZIN MUSEUM.DE Ausgabe Nr. 38 Herausgeber Ostwall 2 Telefon 02801-9882072 contact@museum.de Layout und Design: museum.de Herbst 2019 Uwe Strauch, Dipl.-Inf. TU 46509 Xanten Telefax 02801-9882073 www.museum.de Druck: Druck + Logistik, Bocholt
Dr. María López-Fanjul y Díez del Corral (Kuratorin Bode-Museum), Uwe Strauch (Gründer museum.de) und Prof. Dr. Julien Chapuis (Direktor der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst im Berliner Bode-Museum). Foto: © Bode-Museum
Uwe Strauch In diesem Heft Seite Lindenau-Museum Altenburg 4 Furchtlose Frauengestalten der Antike Virtuelle Forschungsarbeit 14 im Deutschen Schifffahrtsmuseum 20 Jahre Schlesisch-Oberlausitzer 60 Museumsverbund gGmbH Gérard Uféras – „A Day in the Museum“ 88 Kunst in Miniatur – 98 Antike Gemmen aus Bayern Deutsches Bergbau-Museum Bochum 106 Luxus, Liebe, Blaue Schwerter 116 Deutsches Keramikmuseum Der zweite Blick: Spielarten der Liebe 124 Bode-Museum Das neu eröffnete Futurium 116 Ausstellungen und Termine 146
Foto Titelseite: ©

Mit den Waffen einer Frau –Furchtlose Frauengestalten der Antike

Eine Ausstellung im Lindenau-Museum Altenburg vom 15. September 2019 bis 1. Januar 2020. Autorin: Victoria Kubale

Seit September zeigt das Lindenau-Museum Altenburg die kulturhistorische Sonderausstellung „Mit den Waffen einer Frau. Furchtlose Frauengestalten der Antike“. Den Kern der Schau bilden zahlreiche Darstellungen außergewöhnlicher weiblicher Figuren aus dem weitverzweigten Kosmos der griechischen Mythologie. Deren Repräsentation im Bild steht ebenso im Vordergrund wie die unterschiedlichen Erzählungen über ihr Leben und Wirken.

„Denn eine Frau ziert Schweigen, ziert Bescheidenheit am schönsten, und im Hause still zu sein.“ Euripides‘ Vorstellung einer beispielhaften Frau war in der von Männern dominierten Gesellschaft des antiken Griechenlands weit verbreitet. Dennoch gab es auch im Altertum abweichende Rollenbilder der Frau, die zwar überwiegend aus dem mythischen Bereich stammen, gleichwohl Einblick in die realen Ängste oder Wünsche der Menschen gewähren. Diese Frauengestalten eint das Hinwegsetzen über das genormte Rollenverhalten ihres Geschlechts, indem sie aktiv, offensiv und selbstbestimmt handeln. Da sie mit diesen Qualitäten die bestehende gesellschaftliche Ordnung ihrer Zeit gefährden, geht es für die Frauen im Verlauf der mythischen Handlung selten gut aus – meist droht ihnen der Tod oder die Einbuße ihrer Selbstbestimmung durch Heirat.

In der Antike wurden die atypischen Vertreterinnen ihres Geschlechts als Ne-

Linke Seite: Aussenansicht Lindenau-Museum Altenburg. © Lindenau-Museum Altenburg

Rechte Seite, links: Besucherin vor dem Gipsabguss der Amazone Typus Sosikles, 1895, antike Vorlage: römische Marmorkopie eines griechischen Bronzeoriginals um 440/30 v. Chr., Leihgabe der Antikensammlung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Foto: Victoria Kubale

Rechts: Gipsabguss der Amazone Typus Mattei, 1846/47, antike Vorlage: römische Marmorkopie eines griechischen Bronzeoriginals um 440/30 v. Chr., Foto: Bertram Kober

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benfiguren oder Gegenspielerinnen des tollkühnen Helden angelegt. Im Lindenau-Museum erhalten die „Bad Girls“ nun eine eigene Bühne in neutralerem Licht und Raum für ihre ungestüme Wildheit, Ekstase, Rachsucht und Kampfeslust.

Die Ausstellung widmet sich neben dem kriegerischen Frauenvolk der Amazonen und den wild-ekstatischen Mänaden im Gefolge des Dionysos auch den Schicksalen individueller Figuren: Die Königin Omphale, die Jägerin Atalante, die Seherin Kassandra, die Zauberinnen Kirke und Medea sowie die Mörderinnen Klytaimnestra und Prokne werden in einzelnen Bereichen beleuchtet, die nicht nur von

den unkonventionellen Taten der facettenreichen Heroinen erzählen, sondern auch ihre Beweggründe untersuchen. Gezeigt werden sowohl antike Darstellungen in Form von Keramik und Originalplastiken, als auch Gipsabgüsse und Grafiken des 19. Jahrhunderts. Zu den Exponaten der Sammlungsbestände Lindenaus zählen die Reliefplatten eines prachtvollen Sarkophags, die seit den 1930er Jahren nicht mehr der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Sie werden durch Leihgaben aus den Staatlichen Antikensammlungen München, den Antikensammlungen der Universitäten Würzburg, Erlangen-Nürnberg, Jena, Leipzig, Gießen, Göttingen und Bonn sowie aus Privatbesitz bereichert.

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Amazonen: die Tapferen

Die Amazonen sind der Sage nach ein kriegerisches Frauenvolk, das in einer fernen Region (am Schwarzen Meer) lebt und seine Staatsgeschäfte und Kriege ohne Männer führt. Erstmals werden sie im 8. Jh. v. Chr. von dem Dichter Homer in der „Ilias“ erwähnt, in der er sie als „männergleich“ bezeichnet. Ihr Mythos besteht aus verschiedenen Episoden, zu denen die Beteiligung am Trojanischen Krieg auf Seiten der Trojaner, der Raub des Gürtels der Amazonenkönigin Hippolyte durch Herakles, die Entführung der Amazone Antiope durch den attischen Helden Theseus und die Begegnung der Amazonenkönigin Thalestris mit Alexander dem Großen auf seinem Asienfeldzug gehören.

Schriftquellen und Bilder stellen die Amazonen als schwer bezwingbare Gegnerinnen dar, die einen Gegenpol zur traditionellen griechischen Welt bilden, indem sie nicht nur das gängige Geschlechterverhältnis auf den Kopf stellen, sondern auch als fremdländisch charakterisiert werden.

Linke Seite, oben: Besucherin vor verschiedenen antiken Vasen, die Darstellungen von Amazonen zeigen.

Foto: © Jörg Neumerkel

Unten: Torso einer Amazone, römische Kopie eines griechisch-hellenistischen Originals, Leihgabe des Antikenmuseums der Universität Leipzig

Rechte Seite, oben: Torso einer Amazone, verkleinerte römische Kopie eines griechischen Originals des 5. Jh. v. Chr., Leihgabe der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sammlung Antiker Kleinkunst

Unten: Blick in den Ausstellungsraum, vorn: Abgüsse der Reliefplatten des Amazonensarkophags/sog. Fuggerschen Sarkophags, dahinter: Abgüsse der Amazonen Typus Sosikles, Typus Sciarra und Typus Mattei.

Fotos: © Victoria Kubale

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Mänaden: die Rasenden

Die wilden und bisweilen hemmungslosen Mänaden gehören zusammen mit den Satyrn und Silenen zu den Begleitern des Weingottes Dionysos, dessen Kult sie

mit Musik und Tanz begehen. Ihr Name ist auf das griechische Wort „mainas“, die Rasende, zurückzuführen und verweist auf ihren Zustand der Ekstase, in den Dionysos seine Anhänger versetzt. In dieser göttlichen Raserei sind die Mänaden in der Lage, wilde Tiere und sogar Menschen, die ihnen in die Quere kommen, in Stücke zu reißen. Ihre Gewalt über gefährliche Tiere, wie Schlangen, Raubkatzen oder Stiere

findet auch in den Vasenbildern Ausdruck, wo sie häufig mit Tierfellen bekleidet sind, eine Schlange im Haar tragen oder Tiere durch die Luft wirbeln. Aufdringlichen Satyrn, die den Mänaden aus sexuellem Interesse nachstellen, treten sie seit dem 6. Jh. v. Chr. durchaus wehrhaft gegenüber, indem sie ihnen mit ihren Thyrsosstäben oder Schlangen Einhalt gebieten.

Atalante: die Treffsichere

Dem Mythos zufolge wurde Atalante als Säugling ausgesetzt, da sich ihr Vater einen Sohn wünschte. Von einer Bärin gesäugt und von Jägern aufgezogen, wurde sie selbst zu einer männergleichen Jägerin und Heldin. Als zwei Kentauren sie vergewaltigen wollen, erschießt sie diese mit ihren Pfeilen. Sie nimmt an der Fahrt der Argonauten teil und besiegt bei den Begräbnisspielen zu Ehren des verstorbenen Pelias den großen Peleus im Ringkampf. Bei der Jagd auf den Kalydonischen Eber verliebt sich Meleagros in Atalante, die das Tier mit ihrem Pfeil als Erste trifft. Diese Liebe endet für ihn mit dem Tod. Da sie ihre Freiheit nicht durch eine Ehe aufgeben will, stellt sie die Bedingung, ihr künftiger Bräutigam müsse sie im Wettlauf besiegen. Wer gegen sie verliert, den tötet sie. Mithilfe der Liebesgöttin Aphrodite schafft es ein junger Mann, sie zu

besiegen. Das Paar begeht jedoch einen Frevel gegen die Göttin, die sie daraufhin in Löwen verwandelt. Atalante fordert das andere Geschlecht auf mehreren Ebenen heraus. Letztlich scheitert sie jedoch bei ihrem Versuch, unabhängig zu sein. Indem sie von einem Mann erobert wird, ist das normative Rollenbild am Ende ihrer Geschichte wiederhergestellt.

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Linke Seite, oben links: Gipsabguss der sog. Dresdner Mänade, antike Vorlage: 1. Jh. v./1. Jh. n. Chr., Leihgabe aus Altenburger Privatbesitz. Foto: Victoria Kubale Rechts: Links: Lithografie mit Atalante und Meleager bei der Jagd auf den Kalydonischen Eber aus „Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde von Pompeji, Herculaneum und Stabiae nebst einigen Grundrissen und Ansichten nach den an Ort und Stelle gemachten Originalzeichnungen von Wilhelm Zahn“, 1859, Mappe III, Taf. 21, rechts: Gipsabguss eines Kopfes der sog. Atalante oder Hygieia, antike Vorlage: um 360/50 v. Chr., Leihgabe der Abguss-Sammlung der Georg-August-Universität

Göttingen. Foto: © Victoria Kubale Unten, links: Gipsabguss eines fragmentarischen Campana-Reliefs mit einer tanzenden Mänade, antike Vorlage: 1. Jh. n. Chr. , Foto: © Bertram Kober Rechts: Attisch-rotfiguriger Kelchkrater mit Atalante und Meleager, frühes 4. Jh. v. Chr., Leihgabe des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg. Foto: C. Kiefer. Copyright: Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg

Rechte Seite: Attisch-schwarzfigurige Lekythos mit einer Mänade, die auf einem Stier reitet, um 500 v. Chr., Foto: © Bertram Kober

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Omphale: die Entwaffnende

Seitdem ihr Gatte Tmolos verstarb, herrscht die Königin Omphale allein über das Reich der Lyder. Sie kauft Herakles, der als Sühne für einen Mord als Sklave dienen muss. Herakles verfällt ihrer Schönheit und vollbringt große Taten für sie, indem er ihre Feinde besiegt. Schließlich bringt Omphale den vom Liebeswahn Geschlagenen dazu, ihr seine Waffen (Keule und Löwenfell) zu überlassen, Frauenkleider zu tragen und Hausarbeiten zu verrichten. Der Rollenwechsel mit Kleidertausch bot nicht nur in der bildenden Kunst ein beliebtes Motiv, sondern auch in der griechischen Komödie. Hier sorgte es für Erheiterung, aber auch für Kritik an der „Verweichlichung“ des Mannes.

Kirke: die Verzaubernde

Die Zauberin Kirke ist die Tochter des Sonnengottes Helios. Sie lebt auf der Insel Aiaia und verwandelt ihre Besucher in Tiere. In der „Odyssee“ stranden Odysseus und seine Gefährten auf ihrer Insel. Die Zauberin nimmt sie zunächst gastfreundlich auf, mischt aber magische Kräuter in die Speisen und berührt die Gefährten mit ihrem Stab, woraufhin sie sich in Schweine verwandeln. Der am Schiff zurückgebliebene Odysseus kann ihren Zauberkünsten mit Hilfe des Gottes Hermes widerstehen. Er bedroht Kirke mit dem Schwert und ringt ihr den Schwur ab, ihm nicht mehr zu schaden. Sie verwandelt seine Gefährten zurück und teilt mit ihm das Lager. Die patriarchale Ordnung ist wiederhergestellt.

Als mächtige Herrscherin, die aufgrund ihrer Zauberkräfte mit den Menschen tun und lassen kann, was sie möchte, verkörpert Kirke die Angstvorstellungen der griechischen Bürger. Gleichzeitig ist

sie bereits in der Antike eine erotisch aufgefasste Figur, die in den Männern gefährliche Gelüste entfacht, die sie in mangelnder Selbstbeherrschung auch metaphorisch in Schweine verwandelt. Nicht zuletzt deshalb ist die Verwandlungsszene oft auf Vasen zu finden, die beim Gelage verwendet wurden.

Medea: die Leidenschaftliche

Als Tochter des Königs von Kolchis (einer Region an der Ostküste des Schwarzen Meeres), Enkelin des Helios und zauberkundige Priesterin der Hekate führt Medea ein privilegiertes Leben bis sie sich in Jason, den Anführer der Argonauten,

verliebt. Dieser kommt nach Kolchis, um für König Pelias das Goldene Vlies ihres Vaters zu rauben, was ihm dank Medeas Hilfe gelingt. Gemeinsam fliehen die beiden nach Korinth. Hier beabsichtigt Jason gesellschaftlich aufzusteigen, indem er die Königstochter heiratet. Der Verrat an Medea wiegt schwer: Nachdem sie für Jason während der Flucht in ihrer Verblendung Morde begangen und ihre Familie und Heimat geopfert hat, soll sie nun ersetzt und des Landes verwiesen werden. Aus Rache tötet Medea nicht nur die Königstochter und deren Vater mit einem verzauberten Gewand, sondern auch die beiden gemeinsamen Söhne. Jason muss nun mit der Schuld leben, den Tod seiner

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Kinder verursacht zu haben. Medea entkommt auf einem von Drachen gezogenen Wagen, den ihr Helios schickt.

Als zauberkundige „Barbarin“ verkörpert Medea das Fremde und Unheimliche. An ihrer Geschichte führen die Dichter vor Augen, was mangelnde Beherrschung der Gefühle für fatale Folgen nach sich ziehen kann. Tatsächlich eskaliert in Medea das Aufeinandertreffen von gesellschaftlicher Norm und selbstbestimmtem Handeln: Einerseits ist sie eine liebende Frau, die ihren Mann unterstützen und ihre Kinder beschützen will, anderseits fordert sie Gleichberechtigung und straft jeden, der ihr in die Quere kommt. Letztlich siegt die Entscheidung für die Autonomie, indem sie ihrer Rachsucht nachgibt.

Kassandra: die Unerhörte

Kassandra ist die schönste Tochter des Priamos, König von Troja, und seiner Frau Hekabe. Sie wird von Apollon begehrt, der sie – in der Erwartung, sie würde sich ihm hingeben – in der Kunst der Weissagung unterrichtet. Kassandra verweigert sich ihm jedoch. Für das Vergehen, einen Gott getäuscht zu haben, verflucht er

sie: Ihren Prophezeiungen wird niemand Glauben schenken.

Kassandra versucht dennoch, den Untergang Trojas mit ihren Vorhersagen zu verhindern. Einige antike Bildwerke zeigen sogar, wie sie ihren Bruder Paris mit einem Beil angreift, um seine verhängnisvolle Fahrt nach Sparta und den Raub der Helena zu vereiteln. Als das hölzerne Pferd vor den Toren Trojas steht, warnt nicht nur der Priester Laokoon davor, es in die Stadt zu ziehen. Doch Kassandras Rufe bleiben unerhört – niemand will ihre unangenehmen Wahrheiten, die sie bisweilen in ekstatischem Zustand ausstößt, glauben. Ihr tragisches Schicksal manifestiert sich nochmals in ihrer Vergewaltigung durch den Griechen Aias und ihrem Tod durch die Hand Klytaimnestras, als Agamemnon die Seherin als Kriegsbeute und Konkubine nach Mykene bringt.

Klytaimnestra: die Zerstörende

Für Klytaimnestra, Tochter des Königs von Sparta und der Leda, gibt es viele Gründe, Groll gegenüber ihrem Ehemann Agamemnon zu hegen: Zunächst tötet er ihren ersten Gatten und ihren Sohn, be-

vor er sie zur Frau nimmt. Dann opfert er unter dem Vorwand, eine Hochzeit zu arrangieren, die gemeinsame Tochter Iphigenia, um von der Göttin Artemis günstigen Fahrtwind für die Flotte nach Troja zu bekommen. Zuletzt kehrt er nach Jahren der Abwesenheit mit einer Nebenfrau (Kassandra) aus dem Trojanischen Krieg zurück.

Linke Seite, oben: Drei Grafiken mit Darstellung des Herakles und der Omphale, Lithografien aus „Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde von Pompeji, Herculaneum und Stabiae nebst einigen Grundrissen und Ansichten nach den an Ort und Stelle gemachten Originalzeichnungen von Wilhelm Zahn“, 1859, Mappe III, Taf. 61, 62 u. 84.

Mitte, links: Attisch-rotfigurige Lekythos mit Odysseus und Kirke, um 470/60 v. Chr., Leihgabe der Antikensammlung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Mitte, rechts: Attisch-schwarzfigurige Bauchamphora mit Kassandra, die von Aias bedrängt wird, um 540 v. Chr., Leihgabe des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg

Unten: Verschiedene antike Vasen/Vasenfragmente mit Darstellungen der Medea, 6.-4. Jh. v. Chr.

Rechte S.: Besucherin vor dem Gipsabguss eines Reliefs mit Medea und den Töchtern des Pelias, Mitte des 19. Jh., - antike Vorlage: römische Kopie eines griechischen Originals um 420 v. Chr.,

- links und rechts: Grafiken mit Darstellungen der Medea, spätes 18.-19. Jh. © Fotos: Victoria Kubale

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Zusammen mit ihrem Geliebten Aigisthos ersinnt Klytaimnestra einen tückischen Mordplan, den beide unmittelbar nach der Ankunft des Agamemnon ausführen. Dabei ist es in den bildlichen Darstellungen häufig Klytaimnestra, die die aktive Rolle beim Mord übernimmt. Auch ihre Rivalin Kassandra wird nicht verschont.

Um den Tod seines Vaters zu rächen, nimmt Orest schließlich eine weitere Sünde in Kauf, indem er seine Mutter Klytaimnestra und ihren Liebhaber tötet. Am Beispiel der Klytaimnestra wird die Doppelmoral der griechischen Gesellschaft deutlich: Während von ihr erwartet wird, dass sie die Taten ihres Gatten (Opferung der Tochter, Ehebruch) toleriert, wird ihr Verhältnis mit Aigisthos als schandbar verurteilt.

Prokne: die Rächende

Zusammen mit ihrer Schwester zerlegt sie den Leichnam, kocht ihn und setzt ihn ihrem Gatten zum Mahl vor. Als dieser erkennt, was er verzehrt hat, versucht er, die Schwestern zu töten – vergeblich, denn alle drei werden von den Göttern in Vögel verwandelt.

Oben: Besucherin vor einer attisch-schwarzfigurigen Bauchamphora mit Kassandra, die von Aias bedrängt wird, um 540 v. Chr., Leihgabe des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg.

Foto: © Jörg Neumerkel

Unten: Attisch-rotfigurige Trinkschale mit Darstellung der Prokne, die ihren Sohn tötet, um 510/500 v. Chr., Leihgabe der Staatlichen Antikensammlungen München. Foto: © Victoria Kubale

Die Geschichte der athenischen Königstochter Prokne ist vor allem durch Sophokles‘ Drama „Tereus“ bekannt. Ihr Vater verheiratet sie mit dem gleichnamigen thrakischen König. In Thrakien unter Heimweh leidend, bittet Prokne ihren Gatten, ihre Schwester Philomela aus Athen kommen zu lassen. Als Tereus sie nach Thrakien geleitet, sperrt er Philomela in ein Versteck, vergewaltigt sie und schneidet ihr die Zunge heraus, damit sie ihn nicht verraten kann. Sie schafft es trotzdem, mithilfe einer in ein Gewand gestickten Botschaft ihre Schwester zu informieren. Prokne sinnt auf Rache und tötet den mit Tereus gezeugten Sohn Itys.

In einer patriarchalen Gesellschaft sind legitime männliche Nachkommen von zentraler Bedeutung für Ansehen und Fortbestehen der Familie. Indem Prokne seinen einzigen Erben tötet, bereitet sie Tereus das größtmögliche Übel und kommt damit der Verpflichtung gegenüber ihrem Elternhaus nach, das Tereus mit den Schandtaten an ihrer Schwester geschädigt hat. Nach antiken Moralvorstellungen kann die Grausamkeit der Tat des Tereus nur mit einem entsprechend grausamen Mord am Sohn vollständig gesühnt werden.

Lindenau-Museum Altenburg

Gabelentzstr. 5

04600 Altenburg/Thüringen

Tel. +49 (0)3447/89553

info@lindenau-museum.de www.lindenau-museum.de

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W i r s a g e n :

Das Portfolio, das uns kennzeichnet, hat sich in der täglichen Zusammenarbeit mit Museen und Kulturstätten entwickelt So kennen wir die Praxis und bieten Lösungen, die alltagstauglich sind und unsere Auftraggeber entlasten Auch weiterhin werden wir neue Entwicklungen vorantreiben, dabei bodenständig bleiben und eng mit unseren Kunden zusammenarbeiten

Wir freuen uns auf Ihren Besuch auf unserem Stand C079 in Halle 3 2

K U N D E N S A G E N : „ D I E K O M B I N A T I O N D E R L E I S T U N G E N M A C H T
. “
B E C K E R B I L L E T T E I N M A L I G
I h r T i c k e t i n g . U n s e r e K o m p e t e n z .
T I C K E T I N G S O F T W A R E O N L I N E S H O P H A R D W A R E

Virtuelle Forschungsarbeit im Deutschen Schifffahrtsmuseum

Wie bringt man ein Objekt ins Museum, das größer ist, als das Museum selbst? Das Forschungsschiff POLARSTERN als Augmented und Virtual Reality Erlebnis im Deutschen Schifffahrtsmuseum. Autoren: Niels Hollmeier, Dr. Martin Weiss

Einmal die POLARSTERN kennen lernen, in See stechen, Forschungsarbeiten durchführen und Teil der Besatzung sein – das dürfte Wunsch vieler Wissenschaftler*innen und Forschungsbegeisterter sein. Aufgrund der Bedeutung des Schiffes ist dies jedoch nur einem kleinen Teil der Bevölkerung vergönnt. Seit dem 17. Mai 2019 ist es nun jedoch möglich, virtuell in die Forschungsarbeit einzutauchen und Deutschlands wichtigstes Forschungsschiff per Augmented und Virtual Reality Anwendung zu erkunden.

Der Versuch, eine möglichst vollständige Immersion, also das „Eintauchen“ in die Erzählung, zu erreichen, begleitet den Film seit seinen Anfangstagen. Bereits im Geburtsjahr des Kinos (1895) experimentierten Filmpioniere mit einem bewussten

Arrangement von Kamera und Motiv, um die (räumliche) Trennung von Publikum und Leinwand bzw. filmischer Erzählung, ähnlich der einer klassischen Theatersituation, zu überwinden. Das vielleicht prominenteste Beispiel hierfür dürfte Auguste und Louis Lumières Film „L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat“ (1896) sein. Erstmals war die Kamera nicht frontal auf das Objekt gerichtet wie in vielen anderen frühen Kurzfilmen, sondern zwischen wartenden Fahrgästen und eintreffendem Zug auf dem Bahnsteig positioniert. Diese Einstellung ermöglichte die Vorbeifahrt des Zuges an der Kamera. Dadurch wurde der Zuschauer plötzlich Teil der wartenden Menschenmenge und war nicht mehr länger distanzierter Betrachter der Erzählung. Diese Idee der möglichst vollständigen Immersion im Film wurde in den nächsten 120 Jahren stets weiter verfolgt. Insbesondere das Kino gestalte-

te sich dabei als attraktives Versuchslabor für (passive) Immersion. Das „Cinerama“ (1952) mit seiner gekrümmten Leinwand sowie mehrere „Ären“ an 3D-Filmen, beginnend ab 1915 mit „The Morals of Marcus“ als erster 3D-Film über die Goldene Ära der amerikanischen 3D-Filme in den 1950er Jahren bis hin zu James Camerons „Avatar“ (2009), stellen allesamt Versuche dar, ein möglichst vollständiges Eintauchen des Zuschauers in die Erzählung zu erreichen.

Linke Seite: Seit 1982 Jahren unterwegs im Auftrag der Polar- und Meeresforschung: Die POLARSTERN fasziniert auch 37 Jahre nach ihrer Indienststellung und ist nun virtuell seit dem 17. Mai 2019 im Deutschen Schifffahrtsmuseum erlebbar. Foto: © DSM/Niels Hollmeier

Rechts: Der „Vater der POLARSTERN“, Gotthilf Hempel, vor dem Rohbau des Forschungsschiffes im Jahre 1981. © Archiv für deutsche Polarforschung/AWI/ Ulrich Mack 1981

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Erfolgreich wiederaufgegriffen in den letzten Jahren wurden (aktive) Immersion, Virtual (VR) sowie Augmented Reality (AR) Anwendungen ebenfalls durch die Video- und Computerspielindustrie. Nach den ersten zwar innovativen und wegweisenden jedoch mäßig erfolgreichen Projekten wie dem Sensorama (1962), eine Art VR-Guckkasten mit Geruchsund Windsystem, oder dem „Schwert des Damokles“ (1968) von Ivan Sutherland, das als erstes voll funktionsfähiges AR-System gilt, bei dem der Nutzer über ein Head-Mounted Display ein simples Gitternetz im Raum schweben sah, erscheinen heutige Anwendungen sowohl in inhaltlicher, technischer als auch finanzieller Hinsicht einträglich. Augmented und Virtual Reality wird hierbei ebenfalls im Bereich der musealen Arbeit zunehmend attraktiv. Zum einen kann es zur Unterstützung der Barrierefreiheit dienen, zum anderen bieten AR und VR eine neue Form der immersiven Besucheransprache und Wissensvermittlung. Themen, Räume

Besucherinnen und Besucher über immersive 360° Filmaufnahmen für jedermann erlebbar zu machen.

Forschungsschifffahrt museal vermitteln: Einige grundsätzliche Gedanken

Ausschlaggebend für die Wahl der POLARSTERN als Fokus der Ausstellung war das zukünftige Ausstellungskonzept des Deutschen Schifffahrtsmuseums, in dem dieses Schiff exemplarisch für die technische Infrastruktur und Arbeit der Forschung zur See stehen wird. Die POLARSTERN ist das größte und bekannteste Forschungsschiff der deutschen Forschungsflotte. 1982 gebaut und im Jahr 2000 grundlegend überholt, gehört dieser Eisbrecher, der jährlich mit ca. 50 Wissenschaftlern und 50 weiteren Crewmitgliedern in die Antarktis und Arktis fährt und dabei auch die deutsche Forschungsstation NEUMAYER III versorgt, zu den am längsten unter extremen Umständen fahrenden und damit erfolg-

zu widmen und hat sich seitdem intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt.

Um die Grundlage für eine gelungene Vermittlung zu schaffen, war es erstens wichtig, Forschungsschifffahrt auf seine wesentlichste Eigenschaft zu reduzieren, sie gewissermaßen zu karikieren: Im Grunde ist es Aufgabe jedes Forschungsschiffes, wissenschaftliche Messinstrumente, mit denen Daten gesammelt werden sollen, hinaus auf das Meer zu bringen, diese dort über Bord zu werfen und nach einer zuvor festgelegten Zeit wieder einzusammeln, um die gewonnenen Daten auswerten zu können. Dabei gibt es natürlich eine große Bandbreite an Variationen, abhängig von den technischen Möglichkeiten: So wie sich die zur Verfügung stehende Technik im Laufe der Jahrzehnte änderte, so entwickelte sich auch die Forschungsschifffahrt.

Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist die Entstehung selbstregistrierender Systeme: Wurden in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts Messungen vorwiegend mit Instrumenten durchgeführt, die über Winden direkt vom Schiff aus ins Wasser gelassen wurden, können heute Messbojen ausgesetzt werden, die monatelang selbstständig Daten sammeln und verzeichnen. Erst wenn diese gewartet werden müssen oder an anderer Stelle eingesetzt werden sollen, müssen sie mit einem Schiff wieder eingeholt werden. Durch solche technischen Neuerungen ändern sich auch wiederholt die Anforderungen an Forschungsschiffe sowie ihr Status. Mit der Zunahme selbstregistrierender Systeme und Satellitenbeobachtungen werden die Schiffe zunehmend Teil eines viel größeren Datensammel-Netzwerks.

und Exponate lassen sich unabhängig von ihrer Größe oder zeitlichen Verfügbarkeit in die Ausstellung (virtuell) integrieren. Im Rahmen der Neugestaltung des Deutschen Schifffahrtsmuseums wurde im April 2018 zusammen mit der Spielefirma Playersjourney das AR/VR-Projekt „360° POLARSTERN - Eine virtuelle Forschungsexpedition“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Verwendung von virtuellen Anwendungen im musealen Raum auszubauen und Deutschlands wichtigstes Forschungsschiff, die POLARSTERN, für

reichsten Forschungsschiffen der Welt. Von vorneherein dafür konzipiert, möglichst viele internationale Gäste mitfahren lassen zu können, ist das Schiff international ein Aushängeschild der deutschen Forschung.

Wie also stellt man Forschungsschifffahrt heutzutage im Museum dar? Das Deutsche Schifffahrtsmuseum beschloss bereits 2015 in seiner neuen, kommenden Ausstellung „Mensch & Meer“ einen zentralen Bereich der Forschungsschifffahrt

Ein zweiter Punkt, der die Forschungsschifffahrt charakterisiert und deshalb in einer Ausstellung vermittelt werden muss, ist die Arbeit unter extremen Umständen: Auf hoher See wird geforscht, bei Wind und Wetter. Neben den Gefahren ist auch die Seekrankheit nicht zu unterschätzen. Hinzu kommt, dass alle an Bord auf engstem Raum zusammenleben - oft wochenlang, früher sogar jahrelang.

Drittens ist das Forschen an Bord von Schiffen durch das Zusammenspiel von Nautik und Wissenschaft geprägt. Anders formuliert: Wenn Crew und Forscher nicht gut zusammenarbeiten, wird die Wissenschaft darunter leiden. Auch die-

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ses notwendige Zusammenspiel verschiedener Expertisen muss in einer Sonderausstellung deutlich gemacht.

Bei alledem gibt es eine weitere große Herausforderung bei der musealen Umsetzung: die der Skalierung. Das Deutsche Schifffahrtsmuseum ist mit einer Gesamtausstellungsfläche von über 8.000 Quadratmetern alles andere als klein – moderne Forschungsschiffe jedoch werden immer größer. POLARSTERN, mit ihren 128 Metern Länge, könnte niemals im Museumsgebäude ausgestellt werden. Ganz abgesehen davon ist die Wartung von Museumsschiffen kostenintensiv. In den 1990er Jahren wurde dem Deutschen Schifffahrtsmuseum das Forschungsschiff VICTOR HENSEN geschenkt, das Museum musste es jedoch nach kurzer Zeit aus Kostengründen abgeben (heute ist es erneut im Dienste der Forschung aktiv). Augmented und Virtual Reality Anwendungen aber ermöglichen es, Exponate oder ganze Schiffe in einem Museum auszustellen und für Besucher zugänglich zu machen.

Grundidee, Digitalisierung und Filmdreh auf der POLARSTERN

Im Vordergrund des Projektes stand von Anfang an, durch aktuelle AR und VR-Technologie die Faszination für Schifffahrt und Forschung durch ein möglichst eindrückliches immersives Erlebnis zu ver-

Oben: Bei ihrer Rückkehr von der antarktischen Forschungsexpedition 2018/19 bereitete die GRÖNLAND der POLARSTERN am 28. Juni 2019 einen gebührenden Empfang. Das historische Treffen der beiden Legenden wurde per Drohne vor der Insel Wangerooge festgehalten. © DSM/Steffen Spielke

Unten: Auf dem Peildeck bringt ein Besatzungsmitglied der POLARSTERN die spezielle Filmkamera an. Diese besteht aus sechs einzelnen Kameramodulen, wodurch ein 360° Rundumblick ermöglicht wird. © DSM/AWI/ Playersjourney/Christian Stein

Rechte Seite, oben: Erste Rohfassung eines 360° Films. Gefilmt wurden auf der Fahrt zwischen Bremerhaven und Las Palmas nicht nur die wichtigsten Räume des Forschungsschiffes, sondern auch praktische Arbeiten an Bord. Hier arbeiten Masterstudenten und Doktoranden „auf Station“ und lassen ein Messgerät zu Wasser. © DSM/AWI/Playersjourney

Links: Blick in den Maschinenraum, aufgenommen von einem der sechs Kameramodule. Nach dem Filmdreh erfolgt der sogenannte Stitching-Prozess, bei dem die einzelnen Aufnahmen zu einem 360° Film zusammengefügt werden. © DSM/AWI/Playersjourney

Rechts: Panoramaeinblick in den vielleicht wichtigsten Ort eines jeden Schiffs, ohne den nichts fährt und forscht: die Kombüse. © DSM/AWI/Playersjourney

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mitteln. Gemeinsam mit der Spielefirma Playersjourney (www.playersjourney.de), die aus der interdisziplinären Entwicklungsplattform gamelab.berlin der Humboldt-Universität zu Berlin hervorgegangen ist, wurden verschiedene Szenarien hierzu entwickelt. Da das Deutsche Schifffahrtsmuseum zu seiner hauseigenen Museumsflotte ebenfalls die Nordische Jagt GRÖNLAND zählt, drehten sich erste Entwürfe vor allem um die Inszenierung dieses ältesten noch seegängigen Polarforschungsschiffes von 1867. Rund 30 Ehrenamtliche halten das Schiff seit dem Erwerb durch das DSM 1973 in Schuss und fahren regelmäßige Törns. Anvisiert wurde das Filmen verschiedener Manöver auf der Weser zur Vermittlung von nautisch-technischen Maßnahmen. Ein anderes Szenario sah beispielsweise die inhaltliche Verbindung von GRÖNLAND und POLARSTERN vor, bei dem Museumsbesucher über VR-Brillen zwischen vergangener und gegenwärtiger Forschungsschifffahrt hätten wechseln kön-

nen. Wortwörtlich mit ins Boot geholt wurde recht bald das Alfred-Wegener-Institut (AWI), welches sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Deutschen Schifffahrtsmuseum befindet und mit dem bereits in der Vergangenheit verschiedene (Ausstellungs-)Projekte erfolgreich realisiert wurden. In mehreren gemeinsamen Workshops wurde das Virtual Augmented Reality-Projekt „360° POLARSTERN“ erarbeitet, das den Schwerpunkt auf die Darstellung bzw. Erkundung des Schiffes durch den (zukünftigen) Besucher legt.

Die für die Ausstellung notwendigen 360° Filmaufnahmen entstanden im November 2018 während des Fahrtabschnitts PS116. Dessen Route führte vom Heimathafen Bremerhaven über Las Palmas nach Kapstadt und bildet den ersten Abschnitt der alljährlichen antarktischen Forschungssaison der POLARSTERN zwischen November und März. Eine Woche lang, vom Auslaufen am 10. November bis zur Ankunft in Las Palmas am 18.

November, begleitete ein Filmteam Crew und Wissenschaftler bei ihren Aufgaben an Bord und filmte die tägliche Arbeit im Maschinenraum, der Kombüse, auf der Brücke oder an Deck sowie die routinemäßigen Einsatzbesprechungen. Ebenfalls standen verschiedene Forschungsarbeiten während des Fahrtabschnitts an, so der Einsatz der Echolotsysteme oder einer CTD-Sonde, die zur Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit, der Temperatur und des Drucks in verschiedenen Wassertiefen verwendet wird (engl. Conductivity, Temperature, Depth, kurz CTD). Gefilmt wurde nicht mit handelsüblichen Videokameras, sondern mit einer kugelförmigen Panoramakamera. An dieser sind insgesamt sechs einzelne Kameramodule angebracht, wodurch eine 360° Erfassung der Umgebung möglich wird. Innerhalb einer Woche entstanden so mehr als 600 Minuten bzw. 1 Terrabyte Filmmaterial, die für die Virtual Reality Anwendung der Sonderausstellung verwendet werden konnten.

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INTERAKTIVE AUSSTELLUNGEN

Mit einem innovativen Ausstellungskonzept und spielerischen Interaktionsformen haben wir die Ausstellung 360° Polarstern zu einem völlig neuen Museumserlebnis werden lassen. Wenn Sie einen interdisziplinären Partner suchen, der sowohl Code als auch Kultur versteht und gerne mit ihrem Team gemeinsam die Potentiale des Digitalen und des Spiels entdeckt, melden sie sich – wir freuen uns stets über neue Mitspieler :­)

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UNSERE LEISTUNGEN

Beratung zu ihren Digitalisierungsvorhaben Konzepterstellung für digitale und spielerische Ausstellungen

Entwicklung digitaler Anwendungen von Augmented Reality bis zum Museumsgame

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Fotos: In Kooperation mit dem AlfredWegener­ Institut, Helmholtz­Zentrum für Polar­ und Meeresforschung

Für die geplante Augmented Reality Anwendung des Projektes fand ebenfalls im November 2018 die Digitalisierung eines Schiffsmodells der POLARSTERN aus der Sammlung des AWIs statt. Mit mehr als einem Meter Länge und einem Gewicht (inkl. Transportbox) von 125 kg stellte das Modell bereits aus logistischer Sicht eine Herausforderung dar. Zusammen mit dem Unternehmen Laserscan Berlin wurde die Digitalisierung daher vor Ort im Fotolabor des Deutschen Schifffahrtsmuseums vorgenommen. Mittels eines mobilen 3D-Farbscanners erfolgte innerhalb eines Tages die Grob- und Feinerfassung des Objekts. Der mobile Handscanner mit seiner kompakten Größe (19 x 14 x 13 cm) und dem geringen Gewicht (< 1 kg) wird dabei ähnlich einer Videokamera in einem Abstand von etwa 15

Oben: Das Schiffsmodell der POLARSTERN aus der Sammlung des Alfred-Wegener-Instituts wird für die Sonderausstellung digitalisiert. Zum Einsatz kam ein mobiler 3D-Handscanner, der in der Handhabung einer Videokamera gleicht und im Abstand von 17 bis 35 Zentimetern über das Objekt geführt wird.

Mitte: Auf dem angeschlossenen Laptop entsteht in Echtzeit ein digitales Abbild des Originals. Dieses „Structure from motion“ genannte Verfahren ist eine Form der Fotogrammetrie, bei dem aus einer Vielzahl an einzelnen Bildern ein 3D-Ojekt errechnet wird.

Unten: Viele Details wie Decksaufbauten und Reling sowie dunkle und reflektierende Oberflächen wurden beim Scan nur fragmentarisch wiedergegeben. Dies machte einen intensiven Nachbearbeitungsprozess notwendig, bis eine akkurate und fehlerfreie digitale Wiedergabe des Originals erreicht war.

cm ohne Bezugsmarken über das Objekt geführt. Auf dem angeschlossenen Laptop oder PC entsteht dann in Echtzeit die digitale Abbildung des Originals. Das genutzte Verfahren nennt sich „Structure from motion“ und ist eine Form der Fotogrammetrie, also der Erstellung eines Digitalisats durch fotografische Erfassung.

Bei beiden Prozessen, sowohl den 360° Filmaufnahmen an Bord der POLARSTERN als auch der Digitalisierung des Schiffsmodells im Fotolabor, war ein intensiver, mehrmonatiger Nachbearbeitungsprozess vonnöten. Bei den Filmaufnahmen folgte nach Abschluss der Dreharbeiten der sogenannte „Stitching“-Prozess. Die beim Dreh einer Szene entstandenen sechs unterschiedlichen Aufnahmen müs-

sen zu einem gemeinsamen 360° Film zusammengefügt und die Übergänge zwischen den Kameras nachbearbeitet werden. Vieles davon erfolgt durch entsprechende Stitching-Programme automatisch, teilweise jedoch sind händische Korrekturen notwendig. Meist ist dies der Fall bei der Nachschärfung der jeweiligen Schnittkanten in den Videos oder aber bei der Entfernung von Artefakten sowie dem Justieren des Weißabgleichs und Dynamikumfangs.

Bei der Digitalisierung des Schiffsmodells gelang trotz der technisch hohen Leistung des Scanners mit einer 3D-Auflösung von 0,1 mm und einer Präzision von 0,03 mm nicht die Erfassung sämtlicher Objektdetails. Eine Herausforderung stell-

ten vor allem scharfe Kanten, reflektierende als auch schwarze Oberflächen und die zahlreichen feinen Decksaufbauten beim Schiffsmodell dar. Das entstandene Digitalisat erwies sich anfangs als stark fragmentarisch, weswegen auch hier ein knapp zweimonatiger Nachbearbeitungsprozess erfolgen musste.

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Das Ausstellungskonzept:

Virtuelle Realität …

Die Sonderausstellung 360° POLARSTERN nutzt die Möglichkeit, einen aufgrund der Umbauarbeiten derzeit freistehenden Teil des Museumsgebäudes neu bespielen zu können. Im Erweiterungsbau wurde auf einer Fläche von ca. 700 m² der Grundriss der POLARSTERN im Maßstab 1:2 aufgetragen. Wichtige Räume aus den Bereichen Fahren, Forschen und Leben sind hier aufgezeichnet. Als Einstieg in die virtuelle Ausstellung dient die Augmented Reality Station. Mittels einer modifizierten Oculus Rift Brille können Besucher hier das digitalisierte Schiffsmodell im realen Museumsraum erleben, dieses drehen, nach Belieben vergrößern oder verkleinern und erhalten erste Informationen über die POLARSTERN und dessen wichtigste Räume. Anschließend geht der Besucher an Bord des Schiffes, indem er die Fläche mit dem aufgezeichneten Grundriss betritt. Hier befinden sich insgesamt vier Virtual Reality Stationen („Fahren“, „Forschen“ sowie „Fahren“ und „Aufbruch“) mit jeweils vier Oculus Go Brillen. Die Station „Forschen“ gibt 360° Einblicke in die Trockenlabore, den Echolotraum und zeigt Forschungsarbeiten an Deck. „Leben“ stellt den Alltag der Besatzung dar und präsentiert somit Filmaufnahmen aus der Kombüse, der Messe oder dem Roten und Blauen Salon. „Fahren“ beinhaltet Szenen aus dem Maschinen- und Kontrollraum sowie der Brücke. „Aufbruch“ bildet den Abschluss der virtuellen Reise und zeigt das Ablegen der POLARSTERN aus seinem Heimathafen, Bremerhaven.

… und historische Objekte

Ein weiteres wichtiges Merkmal der Sonderausstellung ist die Verbindung eines virtuellen Erlebnisses mit Originalobjekten aus der Sammlung des Deutschen Schifffahrtsmuseums. In der Anfangsphase der Ausstellungskonzeption wurde entschieden, die virtuelle Erfahrung mit der Ausstellung historischer Zeugnisse der Forschungsschifffahrt, insbesondere mit Objekten mit Bezug zu POLARSTERN, zu kombinieren. Diese Objekte fungieren nicht als eine Art illustrative Kulisse im Hintergrund, sondern stellen eine weitere, museumsspezifische Vermittlungsebene dar. Jedes Objekt ist in die Sammlung aufgenommen und nun ausgestellt, weil man daraus Rückschlüsse auf die Spezifika der Forschungsschifffahrt ziehen kann.

Besucher können beispielsweise eine Schnapsflasche sehen, die Teilnehmer der ersten Expedition der POLARSTERN als Erinnerung mitgegeben wurde. Sie trägt eine Beschriftung, die den Inhalt als „bipolaren“ Schnaps ausweist, weil er – wie es für POLARSTERN typisch ist – sowohl über den Nordpolarkreis als auch den Südpolarkreis transportiert wurde. Während die Flasche also zum einen auf diese Besonderheit des deutschen Eisbrechers hinweist, weist die Beschriftung der Flasche noch ein weiteres Merkmal auf: Sie ist sowohl vom wissenschaftlichen Fahrtleiter als auch dem Kapitän des Schiffes unterschrieben und symbolisiert damit die Bedeutung der Nautik und Wissenschaft für eine erfolgreiche Expedition mit dem Forschungsschiff.

Ebenfalls ausgestellt sind drei Forschungsgeräte. Diese Messinstrumente sollen die verschiedenen Methoden des Datensammelns vom Forschungsschiff aufzeigen: Ein Instrumententyp (das ADCP, quasi ein Echolot) ist im Rumpf des Schiffes verbaut; das Zweite (ein Unterwasserroboter oder ROV) bleibt mit dem Schiff verbunden, während er Filmaufnahmen macht und vom Schiff aus gelenkt werden kann;

das dritte ausgestellte Forschungsgerät, die NEMO Floats, sind autonom registrierende Bojen, die vom Schiff ausgesetzt und lange Zeit später wieder eingesammelt werden, nachdem sie in der Zwischenzeit gesammelte Daten über ein Satellitennetz übermittelt haben.

Durch die Kombination von historischen Objekten mit Virtual und Augmented Reality wird ein beinahe nahtloser Übergang von realer Welt zu virtueller Realität geschaffen.

Oben: Zu sehen sind in der Ausstellung zum einen 360° Filmaufnahmen von Bord, zum anderen das digitale Schiffsmodell, welches als 3D-Modell unmittelbar im Museumsraum erlebbar ist. Beide Anwendungen, AR als auch VR, erfolgen über Head-Mounted Displays. © DSM/ Patrick Szalewicz

Mitte: Der aufgezeichnete Grundriss der POLARSTERN im Museumsraum. In rot sind die Räume für „Forschen“, in blau die für „Leben“ und in grün jene für „Fahren“ und „Aufbruch“ wiedergegeben. © DSM

Unten: Das Endprodukt einer Digitalisierung als reales Tastobjekt: Für die Sonderausstellung wurde das Forschungsschiff anhand des digitalisierten Modells wieder als 3D-Druck ausgegeben. Besucher können so in der Ausstellung die POLARSTERN nicht nur virtuell erleben, sondern auch real ertasten. © DSM/Niels Hollmeier

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Der Einsatz von Virtual-Reality-Technologie im Museum erzeugt besondere Herausforderungen, da die Technologie noch jung ist und ursprünglich nicht für den Einsatz im Museum konzipiert wurde. Hinzu kommt, dass die meisten Besucher_innen noch keine Vorerfahrungen mit dem Medium haben und in der Bedienung entsprechend abgeholt werden müssen.

Gleichzeitig gibt es kein Medium, das für ähnlich intensive und immersive Erfahrungen geeigneter wäre. Um allen Besucher_innen - ob jung oder alt, ob mit Vorerfahrungen oder ohne - ein spannendes und lehrreiches Erlebnis bieten zu können, wurde konsequent auf den Einsatz von Controllern verzichtet.

Die VR- und AR-Anwendungen in der Sonderausstellung lassen sich entweder mit Gestensteuerung über einen Infrarot-Sensor bedienen oder aber durch Blicksteuerung mit Bewegung des Kopfes. In beiden Fällen wurde die vorab notwendige Sprachauswahl zwischen Deutsch und Englisch dafür genutzt, die Interaktionsprinzipien en passent zu erlernen: So ist im Falle der Gestensteuerung eine transparente Hand erkennbar, die nach vorne fasst und so die Interaktion intuitiv anleitet; Im Falle der Blicksteuerung zeigt ein grüner Punkt den Fokuspunkt durch Kopfbewegung an und macht die Nutzer_ innen so darauf aufmerksam, dass sie in alle Richtungen blicken können. Beide Interaktionsformen sind für die allermeisten Besucher_innen unabhängig vom Alter neu und gleichzeitig schnell zu erlernen, so

dass die inhaltliche Erfahrung mit dem Erfolg einer gelungenen Interaktion beginnt. Um den Einsatz im Museum zu ermöglichen, wurden die Näherungssensoren der Headsets so programmiert, dass sie bemerken, wenn das Headset aufgesetzt wird und automatisch am Anfang beginnen. Mit einem Absetzen pausiert die Software. Gleichzeitig wurden die Anwendungen in einen sogenannten Kiosk-Modus versetzt, der nur die Wiedergabe der Museumsinhalte erlaubt und die Komplexität des dahinterliegenden Systems für die Nutzer_innen vollständig verbirgt. So wird das VR-Erlebnis für die Besucher_innen keine Auseinandersetzung mit technischer Komplexität, sondern beginnt unkompliziert mit dem Aufsetzen des Headsets – und entführt unmittelbar in die faszinierende Welt der Polarstern.

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Dr. Christian Stein, Playersjourney:

Ausblick - „Mensch & Meer“

Die Sonderausstellung „360° POLARSTERN – Eine virtuelle Forschungsexpedition“ bietet zudem eine Vorschau auf das, was Besucher ab 2021 in der neuen Ausstellung des Deutschen Schifffahrtsmuseums geboten werden wird. Derselbe Teil des Museumsgebäudes, in dem nun die Sonderausstellung zu sehen ist, wird zukünftig dem Thema Forschungsschiffe gewidmet sein. In drei Teilen können Besucher dort selbst die Rolle von Forschern annehmen. Zunächst durchlaufen sie eine Inszenierung eines generischen Forschungsschiffs, wobei auch VR-Technik zum Einsatz kommen wird. In einer zweiten Sektion wird die Sammlung des Museums zur Forschungsschifffahrt umfänglicher ausgestellt. In einem dritten Bereich wird ein Bereich eingerichtet, der zum Austausch über aktuelle Themen der maritimen Forschung ermuntert. Dieser Aufbau ähnelt somit stark dem aus der aktuellen Sonderausstellung „360° POLARSTERN“, die insofern auch eine Art virtuelles Forschungslabor ist, indem neue Erkenntnisse über Nutzungsverhalten und Besucherwünsche gesammelt werden. In einer der nächsten Ausgaben von museum.de wird an dieser Stelle ein erster

Bericht über die gewonnenen Ergebnisse veröffentlicht.

Bis zum 31. März 2020 lässt sich in der Sonderausstellung noch virtuell auf der POLARSTERN anheuern. Dass das Eintauchen in die Forschungsschifffahrt ein stark immersives Erlebnis ist, bestätigte ebenfalls der „Vater der POLARSTERN“, Gotthilf Hempel, bei den Eröffnungsfeierlichkeiten am 16. Mai 2019. In das Gästebuch schrieb er seine ganz persönlichen Eindrücke zur Sonderausstellung nieder: „Ein neuer Blick auf einen alten Freund – so kam es mir vor, als ich die Brille aufsetzte und durch die Messe, den Vortragsraum wanderte – wie vor 37 Jahren. Es fehlten nur der Geruch und das Schaben des Eises an der Bordwand.

Herzlichen Dank für dieses Wiedersehen mit unserer POLARSTERN, dem besten Polarforschungsschiff der Welt.“.

Deutschen Schifffahrtsmuseum

Bremerhaven Hans-Scharoun-Platz 1 D-27568 Bremerhaven Tel. +49 471 482 07 0 info@dsm.museum www.dsm.museum

Oben: Gotthilf Hempel in der Sonderausstellung „360° POLARSTERN“ im Jahre 2019. Seinen Besuch schloss Gotthilf Hempel mit folgenden Sätzen im Gästebuch ab: „Ein neuer Blick auf einen alten Freund – so kam es mir vor, als ich die Brille aufsetzte und durch die Messe, den Vortragsraum wanderte – wie vor 37 Jahren. […].“

© DSM/Patrick Szalewicz

Unten: Die Autoren des Artikels, Martin Weiss und Niels Hollmeier, bei einer Begehung des Schiffs im August 2019. © DSM/Jasmin Hettinger

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KULTUR NEU ERLEBEN KULTUR NEU ERLEBEN

Fluxguide. Digitale Besuchererlebnisse.

KONZEPTION & BERATUNG

Starke Lösungen für Ihr Museum.

BESUCHERGUIDE

Mobile Apps & Leihgeräte.

ART.LECTOR

Schulklassenbesuch 2.0

QUIZ & GAMES

Vermittlung durch Gamification.

AUGMENTED / VIRTUAL REALITY

State of the Art. Für das Museum von morgen.

BARRIEREFREIHEIT

Museum für alle.

Deutsches Museum (München) | Arvo Pärt Centre (Estland) | Deutsches Bergbau-Museum Bochum | Deutsches Technikmuseum (Berlin) | Dom Museum (Wien) | DB Museum (Nürnberg) | Kunst Haus Wien | Nasher Museum (USA) | Naturmuseum St. Gallen | Wälderhaus (Hamburg) | Porsche Museum (Stuttgart) | Kölner Dom | Stadtpalais - Museum für Stuttgart | Kennedy Space Center (USA) | Virtuality Center (Saudi Arabia) | KHM Museumsverband

www.fluxguide.com

Sicherheitstechnik auf dem neusten Stand

Die Geschichte des Grand Resort Bad Ragaz ist eine lange und sehr bewegende. Das zeigt auch die neu konzipierte Jubiläumsausstellung anlässlich des 150-Jahr-Jubiliäums des Grand Hotel Quellenhof. Was vor 777 Jahren in der Taminaschlucht seinen Anfang nahm, feiert 2019 seinen runden Geburtstag.

Seit rund 150 Jahren zählt das Grand Hotel Quellenhof, als Teil des Grand Resort Bad Ragaz zu den führenden «Wellbeing & Medical Health Resorts» in Europa. Ob Staatsmänner, Filmstars oder Mitglieder von Königshäusern, sie alle gehören zu den regelmässigen Gästen, in einer der 98 luxuriösen Suiten und erkoren das Fünf-Sterne-Haus in Bad Ragaz zum Aushängeschild der Schweizer Spitzenhotellerie. Seit 1. Juli 2019 präsentiert sich die

„Grande Dame“ nach fünfmonatigem Umbau in neuem, modernem Kleid und läutet eine neue Ära der Luxushotellerie ein.

Bad RagARTz als Startschuss

«Hiersein ist herrlich», schrieb schon der deutsche Dichter Rainer Maria Rilke über Bad Ragaz. Schon lange ist das idyllisch gelegene Dorf nicht nur als Kurort bekannt, sondern auch als Kulturdestination. Die Bad RagARTz und die Light Ragaz begeistert ein grosses Publikum. Mit 77 Künstler, 17 Länder, 400 Kunstwerke und 2600 Tonnen Kunst, gehört die Bad RagARTz zu den grössten Freiluftskulpturen Ausstellungen Europas. Und mitten drin das Grand Resort. Wertvolle Gemälde, Fotografien und Exponate

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Das Grand Resort Bad Ragaz schützt seine Kunstwerke mit modernster Technologie.

zieren das Grand Hotel Quellenhof Jahr für Jahr auf eindrückliche Art und Weise. Damit diese auch noch für Generationen später erhalten bleiben, gehört Sicherheit und Schutz zum obersten Gebot in Bad Ragaz. Mit dem neu entwickelten Bildüberwachungssystem TXO vom regionalen Hersteller NOX Systems AG, Vaduz, wird dies gewährleistet. Das kleine

System ist leicht und kann vielseitig eingesetzt werden. Seine einzigartige Ausstattung mit feinsten Sensoren macht den optischen Funkmelder zum Multitalent. Zum einen überzeugt der IR Sensor (Infrarot), der berührungslos arbeitet. Zum anderen erkennt der 3 Achsen Beschleunigungssensor jede Bewegung, während weitere hochsensible und kalibrierte Sensoren die Temperatur sowie Feuchtigkeitswerte ermitteln. Übertragen werden sämtliche Daten per Funk – abgerundet durch die LoRa®-Technologie, welche neben der hohen Reichweite eine störungsresistente Kommunikation zwischen Sendern und Empfängern sichert. Die Auswertung erfolgt über die NOX-Zentrale, die entsprechend die gewünschte Alarmierung absetzt. Aufgrund der bidirektionalen Kommunikation können die Geräteeinstellungen zentral und individuell vorgenommen werden.

Ohne Berührungspunkt

In Zusammenarbeit mit Reto Schwengeler, Leiter Infrastruktur & Sicherheit und der Installationsfirma ES Sicherheit AG wurde das neue System NOX TXO fachmännisch in Betrieb genommen. Die

Sensoren wurden direkt an die Wand montiert ohne physischen Kontakt zum Gemälde. Das Bildüberwachungssystem wird in das bestehende NOX Alarmsystem integriert und verwaltet. Da die Funkempfänger über das Netzwerk angeschlossen werden, können einfach und auch Gebäude übergreifend Bildermelder in Betrieb genommen werden. Ausserdem überzeugt der NOX TXO mit seinem ausdauernden Einsatz: Die energiesparenden Funktionen der Soft-und Hardware sowie die Stromversorgung über zwei interne, handelsübliche Batterien, ermöglichen einen mehrjährigen wartungsfreien Betrieb.

Linke Seite, oben: NOX TXO Bildermelder. Foto: © Brandwork GmbH

Unten: Quellenhof Wasserfall Treppenhaus.

Rechte Seite, oben: Grand Hotel Quellenhof Aussenansicht.

Links: Bad Ragartz 4/2018. Foto: © Heidiland Tourismus Quellenhof King Suite / Thermalspa Helenenbad.

Alle drei Fotos: © Grand Resort Bad Ragaz

Rechts: NOX Screen. Foto: © NOX Systems AG

Die hohe Flexibilität, der breite Einsatzbereich und das «nichts» an den Gemälden angebracht werden muss, war für den Kunden entscheidend. Und, dass das System ohne zusätzlichen Aufwand in das bestehende und Alarmsystem integriert werden konnte.

GRAND RESORT BAD RAGAZ AG

Bernhard-Simonstrasse

CH-7310 Bad Ragaz

+41 81 303 30 30

www.resortragaz.ch/grand-hotels/neuer-quellenhof.html

ES Sicherheit AG

Mövenstrasse 15

CH-9015 St. Gallen

Tel. +41 71 314 24 24

info@es-sicherheit.ch

www.es-sicherheit.ch

NOX Systems AG

Alvierweg 17

FL-9490 Vaduz

+423 370 25 25

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Amethystgang Fotos: © Fotoboden

Der unterschätzte Boden

Chancen für die Ausstellungsund Museumsgestaltung

Der Boden unter unseren Füßen ist so alltäglich, dass wir seine inszenatorischen Chancen und Möglichkeiten häufig vergessen. Dabei wussten schon die Römer und Griechen um die Wirkungskraft dieser Fläche. Prächtige Bodenmosaike faszinieren uns bis heute mit ihrer Schönheit und narrativen Qualität. In Ausstellungen und Museen werden diese Potenziale jedoch nur selten ausgeschöpft. Dabei stehen alle vor der wachsenden Herausforderung, Menschen in ihre Ausstellungen zu locken. Lösungen und Ansätze werden händeringend gesucht. Die innovative, provokative oder informative Einbindung des Bodens kann dabei ein Baustein sein, um sich von anderen abzuheben - und Besucher mit einem kostengünstigen und doch unkonventionellen Element zu begeistern.

Individuell bedruckbare Vinylböden bieten hierbei eine flexible Möglichkeit große Bodenflächen für die Kommunikation und Rauminszenierung zu nutzen.

FOTOBODEN ™ hat eigens für diesen Zweck einen leicht zu verlegenden, haltbaren und DIN und EN zertifizierten Vinylboden entwickelt. Doch neben den technischen Möglichkeiten stellt sich die Frage, wie man den Boden konkret gestalten und einsetzen kann. Die folgenden neun Beispiele aus Ausstellungen, Museen und Kultureinrichtungen verdeutlichen das Potenzial und sollen Sie zu eigenen Ideen anregen.

Der Boden als narrative Unterstützung

Die meisten Ausstellungen konzentrieren sich auf Hängungen und Präsentationen an bestehenden oder mobilen Wänden. Der Boden wird nur sehr selten einbezogen. Projekte wie die Fischerspooner Ausstellung im NAK – Neuer Aachener Kunstverein zeigen, welch einnehmende Wirkung Kunst erzielen kann, wenn sie sich sowohl die Wände als auch den Boden zunutze macht. In diesem Fall sollten die übergroßen Fotografien die Omnipräsenz multimedial verdichteter Bildkultur hervorheben.

Der Boden trägt die Raumatmosphäre

Heutige Besucher lassen sich immer seltener alleine durch exklusive Exponate oder ausführliche Erklärungen begeistern. Museen stehen in Konkurrenz mit anderen Freizeitangeboten und müssen in ganzheitlichen Erlebnissen denken, um mithalten zu können. Die zielgerichtete Raumgestaltung und ganzheitliche Atmosphäre sind zwei bedeutende Faktoren in diesem Kontext. Die Gestaltung des Bodens hat dabei mehrere Vorteile. Der Boden bietet eine gestalterische Ausweichfläche, um den eventuell knappen Platz an den Wänden nicht zu überladen - und er trägt maßgeblich zu einem ganzheitlichen Raumgefühl bei. Die zwei folgenden Beispiele aus dem Eishockey-Museum in Hemer und einer Amethysten Ausstellungen im Naturkundemuseum Chemnitz verdeutlichen, wie das aussehen kann.

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Der Boden als gestalterisches Leitsystem

Damit Ausstellungen konsistente Geschichten vermitteln können, braucht es zumeist eine Besucherführung. Ob chronologisch aufeinander aufgebaute Exponate oder thematisch unterteilte

Bereiche – Besucher brauchen eine klare Orientierung, um sich ganz auf das Erlebnis Museum einlassen zu können. Der Boden bietet hierbei den Vorteil, dass er zumeist sehr gut zu sehen ist, auch in diesem Fall keinen Platz an den Wänden einnimmt und eine Besucherführung als Teil der Raumgestaltung umgesetzt werden kann. Eine Ausstellung über 60 Jahre Musikgeschichte im Ruhrmuseum in Essen beweist, wie kunterbunt und effektvoll dieser Ansatz aussehen kann.

Der Boden als effektvolle Differenzierung für Sonderausstellungen

Manche Museen und Ausstellungen werden durch begleitende Sonderausstellungen ergänzt. Anstelle einer individuellen, aufwändigen und teuren Raumgestaltung, kann alleine der Boden zur Differenzierung genutzt werden.

Eine auffällige und sich deutlich abgrenzende Bodengestaltung lenkt die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich, weckt die Neugier und vermittelt auf einen Blick und ohne lange Erklärungen, dass es hier etwas Besonderes zu sehen gibt. Ein Teil der Ausstellung Naturama im Park Aargau verbindet dies zusätzlich mit richtungsweisenden Laufwegen.

Linke Seite, oben: Fischerspooner

Foto: © Simon Vogel / Neuer Aachener Kunstverein

Unten: Puck Eishockeymuseum.

Foto: © Zirbes Mediaagentur

Rechte Seite, oben: Rock und Pop im Pott

Foto: © Fotoboden

Unten:Naturama Aargau

Foto: @ Solitaire Design

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Der Boden als innovatives Multi Media Tool

Innovative Digitale Technologien faszinieren viele Menschen und gehören heute zu den Besuchermagneten. Augmented Reality ist ganz sicher eine der gefragtesten Anwendungen. Mit den fotorealistisch bedruckbaren Vinylböden von FOTOBODEN™ lässt sich diese Technologie auch in Museen und Kunstwerken einfacher und überraschender integrieren.

Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Ausstellung „Cylinder & Bots“ des Düsseldorfer Künstlerduos Banz & Bowinkel. Sie verband den realen Raum mit computergenerierten Avataren und Performances. Der Boden nahm bei dieser Inszenierung eine wichtige Rolle ein. Darauf liegende Vinylprints dienten als Marker, die die dazu entwickelte App erkannte und entsprechende Avatare digital zum Leben erweckte. Ein Beispiel, das mit ziemlicher Sicherheit nicht nur Kunstinteressierte anlockt.

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Der Boden zur Vermittlung von Informationen

Wie schon erwähnt, kann es an den Wänden eines Museums manchmal eng werden. Anstatt Wände zu überfrachten und Besucher visuell zu überfordern, kann der Boden als ergänzende Fläche genutzt werden. Bewusst und durchdacht platziert können Informationen auch auf dem Boden vermittelt werden. Das hat nicht nur praktische Vorteile, es weckt auch das Interesse der Besucher, da dies ein eher unkonventioneller Ort für erklärende Texte ist.

Die Sonderausstellung „Kann denn Luxus Sünde sein” der Wertpapierwelt in Olten sowie die Ausstellung Fürstenberger Goldschatz im Heimatmuseum Fürstenberg machen es vor.

Doch nicht nur Texte können Informationen vermitteln, auch Landkarten gehören hierbei zu häufig verwendeten Motiven. Anstatt Besucher dazu zu zwingen, sich um den begrenzten Platz vor einer Wand zu drängen, bietet beispielsweise eine begehbare Landkarte mehr Freiraum und eine überraschende Perspektive für die kartografische Informationsvermittlung.

Linke Seite: Banz&Bowinkel Cylinder & Bots

Foto: © Banz&Bowinkel

Rechte Seite, oben: Der Goldschatz von Fürstenberg

Foto: © Stadtverwaltung Fürstenberg

Mitte: Kann denn Luxus Sünde sein

Foto: © Fotoboden

Unten: „Stadtsanierung mit neuem städtebaulichen Maßstab“. Foto: © Sanierungstreuhand Ulm

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An der Gümpgesbrücke 26

D-41564 Kaarst

Kontakt:

Tel: +49 (0) 2131 53 213 – 44 info@fotoboden.de www.fotoboden.de

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Burg Linn, Krefeld. Foto: © Stephanie Zimmermann

Virtual Reality im Museum

Eine interaktive Zeitreise in die Burg Linn des Mittelalters. Autorin: Dominica Wester, DIE WELTENWEBEREI

Wenn man das archäologische Museum Burg Linn in Krefeld Linn besucht, kann man sich vorstellen, wie das Leben auf einer Burg im Mittelalter war. Was wäre, wenn man es tatsächlich erleben könnte?

Seit Februar 2019 ist in der Burg Linn eine interaktive Virtual Reality Station installiert, mit der die Besucher in die Vergangenheit eintauchen können und das Leben im Mittelalter hautnah erfahren können.

Die Technologie bietet sich an, um den Museumsbesuchern zu ermöglichen,

besondere Momente der Burggeschichte persönlich zu erleben und interaktiv mitzugestalten. Daher entschied die Museumsleitung 2018, eine solche Multimedia-Station in die Ausstellung auf der Burg zu integrieren.

In der Kemenate der Burg setzt man sich die VR-Brille auf und befindet sich genau an der gleichen Stelle - nur im Jahre 1377.

Nachdem Otto von Linn die Burg an den Erzbischof von Köln verkauft hatte, übertrug dieser das Lehen nach dem Tod der Herren von Linn an die Grafen von Kleve. Diese setzten Amtmänner ein, die die

Burg verwalteten. Einer von ihnen war der Raubritter Heinrich von Strünkede. Statt seine Aufgaben als Amtmann zu erfüllen, wie die Grafen von Kleve es vorgesehen hatten, trieb Heinrich sein Unwesen rund um Burg Linn und überfiel rücksichtslos Karawanen auf der Straße und Schiffe auf dem Rhein - auch die des Erzbischofs. Dieser drohte daraufhin eine Belagerung der Burg an und besiegelte dazu das “Bündnis kontra Strünkede”. Soweit die historisch verbriefte Situation.

Die Spieler übernehmen in der VR-Anwendung die Rolle von Heinrich von Strünkede, der die letzten Vorkehrungen

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treffen muss, um der unmittelbar bevorstehenden Burgbelagerung standzuhalten. Dazu gehören beispielsweise das Schleifen der Waffen, die Bereitstellung von Nahrung und Wasser, und das Testen von Verteidigungsanlagen, sowie weitere Vorkehrungsmaßnahmen, die es zu entdecken gilt.

Diese Aufgaben unterliegen einem begrenzten Zeitrahmen, denn die Burgbelagerung steht kurz bevor.

Mithilfe von Controllern können sich die Spieler durch die virtuelle Burg bewegen und so beispielsweise die Küche, den Bergfried, den Kerker oder den Rittersaal erkunden.

Links: Burg Linn. Foto: © Stephanie Zimmermann

Rechts, oben: Der virtuelle Wehrgang

Foto: © DIE WELTENWEBEREI

Mitte: Das Torhaus, damals noch mit wehrhaften Zinnen. Foto: © DIE WELTENWEBEREI

Unten: Blick in den Burghof

Foto: © DIE WELTENWEBEREI

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Oben: VR-Brille „HTC Vive“. Collage:

© DIE WELTENWEBEREI / alfa27 - stock.adobe.com

Mitte: Team “DIE WELTENWEBEREI“

von links: Lukas Kuhlendahl, Beate Sucrow, Dominica

Wester, Janos Wokrina

Foto: © DIE WELTENWEBEREI

Rechts: Luftaufnahme der Burg Linn

Foto: © Lukassek - stock.adobe.com

Was ist Virtual Reality?

Virtual Reality oder Virtuelle Realität beschreibt eine Technologie, die es den Nutzern erlaubt, sich in eine virtuelle Umgebung hineinzuversetzen. Die reale Umgebung wird durch die computergenerierte Welt ersetzt, indem spezielle Brillen eingesetzt werden, die einen dreidimensionalen Raum darstellen. In diesem können die Nutzer sich bewegen und mit der Umgebung interagieren.

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Die Tätigkeiten in der Burg sind dabei spielerisch und auch von kleinen Museumsbesuchern gut zu meistern. Im Vordergrund steht jedoch das Entdecken, denn auch die Aufgaben sind nicht auf den ersten Blick zu erkennen.

Nach Ablauf der Zeit sehen die Spieler, wie gut sie die Burg gesichert haben und ob sie einer Belagerung standhalten würde. Die tatsächliche Belagerung fand allerdings doch nicht statt, da sich der Erzbischof und Heinrich friedlich einigten.

Virtual Reality spricht vor allem jüngere Besucher an, aber auch erwachsene Museumsbesucher können eine neue Seite der ausgestellten Themen entdecken. Das VR-Erlebnis ist dabei nicht als Ersatz, sondern als Erweiterung der Ausstellung im Museum konzipiert.

Wenn man aus der Anwendung zurückkehrt und die reale Burg mit ganz anderen Augen erneut entdeckt, kann man die architektonischen Veränderungen sehen, die die Burg in den letzten 600 Jahren erfahren hat.

Die Umsetzung der VR-Anwendung dauerte ca. 6 Monate. Viel Zeit davon wurde in Recherche investiert, diese wurde von den Historikern des Museums begleitet.

DIE WELTENWEBEREI, ein Studio für Virtual Reality und 3D-Visualisierungen aus Krefeld hat die technische Umsetzung durchgeführt. Das 2017 gegründete Start-Up befasst sich hauptsächlich mit VR-Anwendungen im kulturellen und medizinischen Bereich mit einem starken Bezug zu regionaler Geschichte.

Die 3D-Modelle, die man innerhalb der Anwendung sieht, wurden auf Grundlage von Fotos und historischen Zeichnungen in Handarbeit modelliert und für den Gebrauch in VR optimiert. Dabei kommt die gleiche Software zum Einsatz, die bei der Entwicklung eines Computerspiels eingesetzt wird. Anschließend werden die

3D-Modelle mit Texturen versehen, die definieren, wie ihre Oberfläche aussehen soll, z.B. farbig, glänzend, metallisch oder matt. Diese 3D-Modelle werden dann in einer Szene positioniert und mit der entsprechenden Funktionalität ausgestattet. Inhaltlich musste die Anwendung so gestaltet sein, dass sie mit minimaler Anleitung von “VR-Neulingen” gespielt werden kann, ohne Frust zu erzeugen. Dafür wurde das Sicherheitssystem, welches die verwendete VR-Brille mitbringt, erweitert durch Einblendungen und optische Leitsysteme und es bietet so höchstmögliche Sicherheit bei wenig Spieleinschränkungen.

Bei der Installation im Museum selbst kommt ein stationärer PC und die VR-Brille “HTC Vive” zum Einsatz. Diese ist mit Hilfe von dünnen Drahtseilen an der Decke befestigt, so dass sie vor Diebstahl und Beschädigung geschützt ist. Das Projekt wurde unterstützt von der

Oben: In der Kemenate ist die VR-Station installiert Mitte: Der Rittersaal, einer der rekonstruierten Innenräume der Burg Unten: Blick durch das Tor auf den Bergfried Fotos: © DIE WELTENWEBEREI

Kickartz-Stiftung, der Sparkassen Kulturstiftung und dem Verein der Freunde der Museen Burg Linn. Die Hardware wurde vom gemeinnützigen Verein Gaming Aid e.V. finanziert.

Die Nutzung der VR-Station ist im regulären Museumseintritt inbegriffen.

Die Museumsbesucher sind begeistert, in den ersten Wochen nach der Installation der VR-Station haben bereits zahlreiche Besucher die Möglichkeit genutzt, in der Zeit zurückzureisen und die Burg für die Belagerung bereit zu machen.

Frau Dr. Morscheiser, die Leiterin des Museums Burg Linn sagt dazu: “Wir haben richtig gute Rückmeldungen, vor allem an den ersten Wochenenden gehabt, wo es zum Teil Schlangen gab, von Leuten, die angestanden haben und es noch einmal spielen wollten”.

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PIRANESI REITER FLETCHER REIZ DER RUINE

Ausstellung im Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg vom 10. November 2019 bis 2. Februar 2020

Autor: Dr. Markus Josef Maier, Kurator

Das Martin von Wagner Museum befindet sich im Südflügel der Würzburger Residenz Foto: © gionati1719 - stock.adobe.com
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SSpätestens seit der Stiftung des lange in Rom wirkenden Martin von Wagner (1775–1858) hat das Kunstmuseum der Universität Würzburg einen unübersehbaren Bezug zur Ewigen Stadt. Das gilt nicht nur für die Antikensammlung. In der neueren Abteilung sind Rom, sein Umland und die Überreste der römischen Antike in herausragenden Gemälden gegenwärtig. Nicht zuletzt findet man Arbeiten und Nachlässe von weiteren namhaften „Deutschrömern“ hier versammelt, beginnend mit Johann Heinrich Schönfeld (1609–1682/83) über Franz Ludwig Catel (1778–1856), Carl Rottmann (1797–1850), Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863) oder Karl Voss (1825–1896) bis hin zum Würzburger Wolfgang Lenz (1925–2014).

Zwei sich ergänzende Künstlerschenkungen

In der Tradition der Deutschrömer steht auch der bei Coburg lebende Künstler und Kunstpädagoge Robert Reiter (geb. 1933). Auf vielen Reisen vertiefte er sich in die Kunst- und Kulturgeschichte Roms und Latiums. Früchte dieser Bemühungen sind große Grafikfolgen, die schon vom Format her überwältigen. Die Blätter messen teilweise 120 x 90 cm! Gedruckt sind sie in einer Kombination zweier Techniken: der Kaltnadelradierung und der Monotypie. Bei ersterer ritzt Reiter mit verschiedenen Gegenständen in eine kräftige Astralonfolie, die er als Druckplatte benutzt, sein zeichnerisches Grundgerüst ein. Anschließend folgt die monotypische Einfärbung, bei der quasi mit Druckfarbe über diese Ritzzeichnung gemalt wird. Somit ergeben sich jeweils Unikate, denn bei der Monotypie (von griechisch mónos = „allein“, „einzig“ „ein“) sind absolut identische Wiederholungen unmöglich.

Im Jahr 2017 vermachte Robert Reiter dem Martin von Wagner Museum rund 200 dieser Blätter und schuf somit die Grundlage für das hier präsentierte Ausstellungsprojekt. Diese Drucke verweisen nicht nur auf den baulichen Glanz des Imperium Romanum. Energiegeladen und von packender Machart, sind sie inspiriert von der souveränen Technik und der dramatisch-monumentalen Formensprache von Giovanni Battista Piranesi (1720–1778), einem der wirkungsmächtigsten Grafiker der europäischen Kunstgeschichte. Piranesi stellte in mehreren großen Druckfolgen (z.B. Vedute di Roma) römische Ruinen und andere Bauwerke in einzigartiger Weise dar. Oft ließ er sie noch gewaltiger erscheinen, indem er sie großflächig ins Bildfeld setzte und in starker

Untersicht zeigte. Lange Diagonalfluchten, ein Heer teils theatralisch-exaltierter Staffagefiguren, bizarre Vegetation und phantasievolle Wolkenformen machen viele Motive zum Erlebnis. Vor allem auch lassen Piranesis hochdynamische und unerschöpflich variantenreiche Strichführung sowie die drangvollen Hell-Dunkel-Kontraste diese Blätter für Grafikfreunde zu wahren Leckerbissen werden. Hinzu kommt die beachtliche Größe vieler dieser in der Tiefdrucktechnik der Ätzradierung gefertigten Blätter.

Angeregt von einer früheren Ausstellung Robert Reiters im Martin von Wagner Museum (Genazzano: Ruinen-Phantasien nach Bramantes Nymphäum, 2001) überließ der US-Amerikaner Kevin Fletcher (geb. 1956) unserem Haus zwischen 2001

Links: Blick vom Treppenhaus in die Ausstellung. Schon hier spiegeln sich in einem Exponat die Formen der realen Architektur wieder.

Rechts: An der den Raum unterteilenden Stichwand aus Milawall-Elementen ist von vorne keine stabilisierende Technik sichtbar. Das Modulsystem ermöglicht ferner auf simple Weise eine Konstruktion als kubisches Element.

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Fotos: © Martin von Wagner Museum

Oben: Links lässt eine schräg gestellte lange Wand den Raum allmählich enger werden. Der diagonale Verlauf ist von der Formensprache der Exponate inspiriert und mit Hilfe eines Schwenkprofils sowie rückwärtiger Strebewände leicht realisierbar.

Rechts: Eine Türnische wurde zu einem kabinettartigen Raum im Raum umfunktioniert.

Fotos: © Martin von Wagner Museum

bis 2014 eine für sein Schaffen exemplarische Folge von Monotypien. Auch hier ist die Nähe zu Piranesis Kunst greifbar. Jedoch wählt Fletcher für seine Arbeiten abweichende, nämlich zeitgenössische, Sujets – oftmals Industrieruinen, die er technisch auf seine eigene, sehr spezielle Weise inszeniert. Damit überträgt er die mit der Darstellung erlesener Architektur verbundene Bildsprache eines ,Alten Meisters‘ auf heutige, allem baukünstlerischen eher ferne Zweckbauten und erweckt diese zu einem besonderen Leben. Auch hier laden starke Kontraste die Bildfelder mit Dynamik auf, und gleichzeitig entfaltet sich ein Universum unterschiedlich erzeugter Grauschattierungen.

Schwarz-weißes Panoptikum

Die künstlerischen Positionen von Piranesi, Reiter und Fletcher fordern einen unmittelbaren Vergleich geradezu heraus. Wohl selten fördern Gegenüberstellungen ein so spannendes Verhältnis von künstlerischen Prägungen, Inspirationen

und eigenständigen formsprachlichen Wegen zutage. Dem Zentralproblem der Gestaltung mit all seinen Verästelungen kann so auf fruchtbare Weise nachgespürt werden. Nicht alltäglich dürfte auch die große zeitliche Spannweite dieser Schau sein: Zwischen den Radierungen Piranesis und den Monotypien Reiters und Fletchers liegen rund 250 Jahre! Dieser Umstand beweist sowohl die ‚Modernität‘ Piranesis als auch die überraschend tiefen Blicke der beiden Zeitgenossen in die Kunstgeschichte.

Die antiken Überreste Roms tauchen dabei einerseits als ‚malerische‘ und imposante Objekte auf, andererseits werden sie als Zündfunken kulturhistorischer Beobachtungen und Überlegungen wirksam – bis zu dem Punkt, da sie von Kevin Fletcher gewissermaßen in bautechnische Gewänder unserer Zeit gekleidet werden. Bei aller Individualität der künstlerischen Temperamente sind bestimmte Effekte auf faszinierende Weise verwandt, gerade auch hinsichtlich der wohl berühmtesten Schöpfungen Piranesis: den Car-

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ceri. Diese monströsen Raumphantasien bilden daher den Dreh- und Angelpunkt der Ausstellung. In ihnen nutzte Piranesi Darstellungseffekte aus der Theatermalerei, steigerte sie bis ins Aberwitzige und reicherte sie mit furchteinflößenden Szenarien an. Wie eine solche „Architektur der Ängste“ (W. Braunfels), zumindest aber der Melancholie, wirken demnach auch die verlassenen Montagehallen in den Drucken Kevin Fletchers. Unheilvolle Rauchschwaden, bedrohlich das Bildfeld durchmessende Balken und Trossen sowie eine geheimnisvolle Atmosphäre rufen jene schier unendlichen Verliese in Erinnerung.

Tradition der Ruinenbilder

Was die Darstellungstradition römischer Ruinen betrifft, so ist Piranesi eine Art Fixstern, schon wegen seiner beispiellosen Wirkungsgeschichte. Die Einzigartigkeit seiner Ideen und seines Ausdrucks erweist sich auch im Hinblick auf die diversen anderen Beispiele an Rombildern in der Graphischen Sammlung des Martin von Wagner Museums. Deshalb wird ein eigener Komplex mit dieser Thematik der

Oben: Am hinteren Ende der Längswand sorgt eine Folge von Milawall-Elementen für Auflockerung und Strukturierung. Dank der verfügbaren Montagetechnik konnten die Milawände leicht an der vorhandenen Galerieschiene befestigt werden.

Unten: Die von Eingang her als Zielfläche (vgl. Abb. auf Seite 43) wahrzunehmende Stichwand ist an der

Rückseite fest mit einer geraden Wand verbunden. Diese stabilisierende L-förmige Anordnung konnte mit Vierkantprofilen schnell erstellt werden.

Fotos: © Martin von Wagner Museum

Links: Würzburger Residenz © aka111 - stock.adobe.com

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Präsentation von Piranesi, Reiter und Fletcher vorangestellt. Große Namen locken auch hier, etwa Giovanni Antonio Pannini, Aegidius Sadeler oder Hubert Robert. Ferner enthält diese Sektion einige frühe Romfotografien aus dem Nachlass des Deutschrömers Karl Lindemann-Frommel (1819–1891).

Würzburg á la Piranesi

An den somit skizzierten Kernbereich gliedern sich im Katalog (nicht in der Ausstellung) zwei ergänzende Sektionen an. Zum einen ist für Würzburg das Thema ‚Ruine‘ stets verbunden mit der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. In diesem speziellen Fall geht es aber gleichermaßen wieder um die Vorbildhaftigkeit Piranesis. Am Beispiel einiger Fotografien des Würzburger Journalisten und Malers Heiner Reitberger wird deutlich, wie selbst diese Trümmer unwillkürlich die Erinnerung an die „Vedute di Roma“ herbeirufen.

‚Piranesische Effekte‘ hält zu guter Letzt auch das Gebäude selbst bereit, in dem die Ausstellung gezeigt wird. Das Martin von Wagner Museum hat seinen Sitz in der Würzburger Residenz. Mit seinem thermenähnlichen Grundriss, seinen gigantischen Dimensionen, mit seinen Mauermassen und kühnen Gewölben bietet dieses ‚Schloss über allen Schlössern‘ aus Stein das, was Piranesi und Reiter in ihrer Druckgrafik präsentieren. Dieses Zusammenwirken ist ein besonderer Glücksfall. Einerseits scheint sich dargestellte Architektur für den Betrach-

ter zu materialisieren, andererseits lässt sich der Residenzbau mit den gezeigten Drucken im Hinterkopf ganz neu erleben. Um für den Katalog einen bleibenden Eindruck dieses besonderen Wechselspiels zu schaffen, wurde die Ausstellung vorab probeweise aufgebaut und zwischenzeitlich wieder demontiert bzw. umstrukturiert, was dank der eingesetzten Technik keine Schwierigkeit darstellte. Übrigens: Sowohl Piranesi als auch die Residenz feiern im Jahr 2020 ihren 300. Geburtstag. Somit ist unsere Ausstellung auch eine Art Ouvertüre zu diesem Festjahr.

Passgenaue Präsentationsmöglichkeiten dank flexibler Technik

Um diese singulären Zusammenhänge anschaulich zu machen, sollten sich sowohl Merkmale der Exponate als auch die Charaktere von Schauraum und Gebäude in der Ausstellungsarchitektur widerspiegeln. Sicherlich ließe sich das mit eigens produzierten Einbauten kostenintensiv realisieren. In unserem Fall war aber von vorn herein klar, dass wir überwiegend wiederverwendbare Ausstellungsmodule einsetzen. Dafür nutzen wir seit einigen Jahren die Mila-wall Modulbautechnik. Dieses Ausstellungssystem hat sich in unserem Haus bei mehreren Wechselausstellungen wie auch für die Dauerpräsentation bestens bewährt. Dank des umlaufenden Kantenschutzes ist eine mehrjährige Nutzung möglich. Die für ihre Größe und Stabilität leichten Modulwände konnten problemlos trans-

Oben: Beim Blick zurück ist die Dicke der Stichwand (vgl. Abb. Seite 43 und 47 unten) gut zu erkennen. Theoretisch könnte diese auch nur vier Zentimeter betragen, d.h. die Stärke einer Milawand. Mit Hilfe von Vierkantprofilen und verschiedenen Wandbreiten lassen sich jedoch nach Bedarf problemlos kubische Elemente bauen.

Ein wohl seltener Fall: Die Formsprache unterschiedlicher Exponate, der Ausstellungsarchitektur und der Barockbaukunst bilden eine Einheit.

Fotos: © Martin von Wagner Museum

portiert und dank der schnell zu handhabenden Montagetechnik mit wenig Personaleinsatz zügig aufgebaut werden. Im Handumdrehen verwandelte sich der langgestreckte Raum in eine Folge unterschiedlicher, auf Werke und Gebäude abgestimmte Kompartimente, die gleichwohl als Einheit wirken. Ein wichtiger Faktor dabei ist das akkurate und homogene Erscheinungsbild der Modulkombinationen, erzielt durch präzise Fertigung und unsichtbare Systemtechnik. Mithilfe von Schwenkprofilen konnten gestalterische und sicherheitstechnische Erfordernisse einfach und ästhetisch einwandfrei berücksichtigt werden. Ebenso erwiesen sich die Kombinierbarkeit von planen Wandstrecken und kubischen Elementen, die Einsatzmöglichkeiten des stabilen Multifunktionsrahmens und die streichfähigen Oberflächen als Plus.

So ausgeklügelt das System auch ist, so offen erweist es sich für individuelle Ergänzungen und Anpassungen. Der formenden Phantasie und dem technischen Erfindungsreichtum bietet es zahllose Chancen. Somit hat diese variable Ausstellungstechnik wesentlich dazu beigetragen, dass der Besuch dieser Ausstellung ein spannendes Erlebnis wird.

Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg

Würzburger Residenz, Südflügel Residenzplatz 2, Tor A

Tel. +49 (0)931/31-82288 (Kasse)

www.martinvonwagner-museum.com

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Die Ausstellung wurde mit dem flexiblen Stellwandsystem vom MBA realisiert

www.mila-wall.de

Next.space –Interaktive Medien für Museen

räten, Bewegungserfassung, 3D-Rekonstruktionen des kulturellen Erbes, interaktiver Videokartierung usw. Durch ein besonderes Verständnis für die Arbeit mit Museumsexponaten, Archiven und im Umgang mit dem Museumspersonal und der Öffentlichkeit, hilft das Studio Museen weltweit, inspirierender und interessanter für ein breiteres Publikum zu werden.

Wie können es Museen oder Kunstgalerien heutzutage schaffen, junge, digital orientierte Generationen anzusprechen und für ihre Exponate zu begeistern? Die Verbindung von moderner Technologie und dem immer noch häufig als verstaubt angesehenen Kulturmedium ist keine leichte Aufgabe. Millennials sind oft überrascht über den Mangel an interaktiven digitalen Inhalten in Museen, die das Lernen, Erkunden und Navigieren erleichtern. In manchen Museen mag man einen fest installierten Touchscreen finden, der trockene Informationen zu bestimmten Gemälden und Sammlungen enthält, möglicherweise angereichert mit einigen Bildern. Dies wirkt jedoch kaum inspirierend, vor allem in den Augen von Millennials und jungen Menschen der Generation Z, für die die Technologie zum Mittelpunkt ihres täglichen Lebens geworden ist.

Das Team von Next.space versucht, genau an diesem Problem anzusetzen und eine Brücke zu bauen zwischen einer technologieaffinen jungen Generation und den vermeintlich veralteten und meist als unmodern angesehenen Museen. Next.space ist eine aus Russland stammende Medienproduktionsfirma, die durch die Zusammenarbeit mit über 100 Museen auf der ganzen Welt einen großen Erfahrungsschatz gesammelt hat und dafür bereits mehr als 10 internationale Auszeichnungen erhielt.

Das Studio verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit virtueller (VR) und erweiterter Realität (AR = Augmented Reality; Anm.d.Red.), mobilen Apps, Spielen, Touchscreens und anderen Eingabege-

Das Team von Next.space stellte sich der Herausforderung, einige sehr komplexe und schwierige Projekte zu bearbeiten, die nach der Verwirklichung Erstaunen und Begeisterung bei den Museumsbesuchern, bzw. Nutzern hervorrufen konnten.

Der Grundstein für Next.space wurde Ende der 2000er Jahre gelegt, als über 20 UNESCO-Kulturdenkmäler auf der ganzen Welt als interaktive 3D-Modelle geschaffen wurden. Zu den Schauplätzen gehörten so bekannte und faszinierende Orte wie Machu Picchu, Angkor Wat, der Markusplatz in Rom, Bamberg, der Altstädter Ring in Prag, Petra usw. In den vergangenen Jahren wurden so viele weitere bemerkenswerte Projekte geschaffen, dass für diesen Beitrag eine Auswahl getroffen werden musste und nur die eindrucksvollsten ausgewählt werden konnten.

Das „Virtual Museum of Fine Arts“

Das Puschkin State Museum of Fine Arts ist das beliebteste Museum für europäische Kunst in Moskau. Es verfügt über einen der größten Museumsräume in Europa, an dessen Schaffung Hunderte verschiedenartiger Spezialisten beteiligt waren.

Die Aufgabe für Next.Space bestand darin, die Gestaltung eines Museumsraums

sowie künftiger Ausstellungen für alle Projektbeteiligten transparenter zu machen: Sowohl für die Mitarbeiter des Museums, die Architekten als auch die Beamten des Kulturministeriums. Also hat Next.space einen virtuellen Plan des Museumsraums erstellt, der allen Teilnehmern dabei helfen sollte, zu visualisieren, wie das Museum

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Oben: Bambergs interaktive True 3D-Anleitung. 3D-Modell erstellt von Next.space. Foto: © Shutterstock Rechte Seite: VR-Ausstellung im Italian Courtyard im Puschkin State Museum of Fine Arts. Foto: © Puschkin State Museum of Fine Arts

nach dem für das Jahr 2025 terminierten Wiederaufbau aussehen wird. Das Team hat das 3D-Modell des Museums in eine HTC Vive (ein Virtual Reality-Headset; Anm.d.Red.) integriert und so einen vollständigen VR-Plan erhalten.

Bis heute ist dieses Modell das größte interaktive 3D-Modell eines Museumsraums weltweit. Jeder Kurator kann seine eigene Ausstellung entwickeln, Objekte im virtuellen Raum platzieren und das Ergebnis mit eigenen Augen sehen. Gleichzeitig hat die breite Öffentlichkeit die Möglichkeit, 360°-Panoramen des Museums auf dem eigenen Smartphone unter Verwendung von speziellen Google Cardboards zu bewundern.

Das Projekt wurde zur besten Museums-App beim „Heritage in Motion“ gekürt, erhielt eine Auszeichnung von AVICOM F @ IMP und wurde zum „Project of Influence“ beim „Best of Heritage“. Außerdem unterstützte Microsoft das Projekt mit Zuschüssen für die Entwicklung von 3D-Technologien für zukünftige Museen.

Die wichtigste Errungenschaft des Projekts war es jedoch, die Zusammenarbeit der verschiedenen Gruppen von Spezialisten mit je ganz unterschiedlichen Ansätzen und Ideen zu fördern und ihnen dabei zu helfen, sich den Neubau des Museums bildlich vorstellen zu können. So wird in Zukunft aus der virtuellen Welt eine reale Welt wiedergeboren werden.

„Wir bauen ein Museumsviertel der Zukunft. Deshalb ist ein virtuelles System für uns äußerst wichtig. Es ist mit der Datenbank des Museums verbunden und ermöglicht beispielsweise das Aufhängen von Gemälden an Wänden, das Kolorieren der Räume sowie das Modellieren von Licht oder Durchgängen. Jeder Kurator stellt sich einen zukünftigen Raum vor und schafft seine eigene Ausstellung.“

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Vladimir Opredelenov, Puschkin State Museum of Fine Arts in Moskau, Stellvertretender Direktor für digitale Entwicklung:
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Oben: Bambergs interaktive True 3D-Anleitung. 3D-Modell erstellt von Next.space. Foto: © Shutterstock

Rechte Seite: VR-Ausstellung im Italian Courtyard im Puschkin State Museum of Fine Arts. Foto: © Puschkin State Museum of Fine Arts

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ARtefact: Eine Plattform für Ausstellungen

Das russische Kulturministerium befasst sich mit Fragen der Kultur und der Kunst. Die Ziele des Ministeriums bestehen darin, die kulturellen Erfahrungen des Landes zu sammeln, zu bewahren und zu popularisieren. Der Auftrag des Ministeriums an Next.Space war es, eine Möglichkeit zu finden, Ausstellungen für alle Museen des Landes interaktiver zu gestalten. Dies ist der Punkt, an dem die App „ARtefact“ ansetzt.

Mit der AR-App ARtefact hat Next.space in Zusammenarbeit mit der Firma Data Stack eine Anwendung für Museen entwickelt, die Benutzer einfach und problemlos auf ihren Smartphones installieren können. Museumsbesucher öffnen die App, werden zum Beispiel zu einem Bild geleitet und sehen Informationstags mit einem dazugehörigen Audioguide oder spannenden Zusatzinformationen. Next.space entwickelte ein praktisches System, um für Museumsbesucher auch bisher nicht zugängliche Inhalte bereitzustellen: So können die Mitarbeiter der Museen, wie zum Beispiel Restauratoren, eigene Inhalte erstellen, die in die Cloud hochgeladen werden und sofort auf dem Smartphone des Nutzers erscheinen.

Next.space hat damit eines der größten AR-Projekte der Welt für Museen ins Leben gerufen. Über 300 Ausstellungen werden von ARtefact unterstützt. Mehrere Dutzend bedeutender Museen haben

sich dem Projekt bereits angeschlossen und diese Zahl wächst weiter. Diese Errungenschaft ist umso erstaunlicher, wenn man mit einbezieht, dass dieses riesige Projekt von einem sehr kleinen Teil des Grabar-Instituts für Kunst und Restaurierung mit lediglich 12 Exponaten gestartet wurde.

Für das Zusammenbringen von AR einerseits und Museen andererseits wurde die App beim Intermuseum Festival und von AVICOM ausgezeichnet. Die Besonderheit von ARtefact liegt darin, dass Museen nicht länger mit ‚stillen‘ Gemälden in Verbindung gebracht werden. Nun bietet sich dem Besucher die Möglichkeit auf ein interessantes, interaktives und einmaliges Erlebnis, das ihn den Besuch im Museum mit Sicherheit lange nicht vergessen lässt.

Vadim Vankov, Berater des Kulturministers der Russischen Föderation:

„Die App zeigte zunächst den Prozess der Restaurierung verschiedener Objekte und ermöglichte es dem breiten Publikum zu sagen, was normalerweise nur Restauratoren und Museumsmitarbeiter wissen. Dann stellten wir fest, dass diese Form der Präsentation mehr Möglichkeiten bietet.“

Angkor Wat: 3D-Rekonstruktion für einen Film

Das DatAsia-Institut erforscht die Tempelanlage Angkor Wat seit Jahren. Da bis dato auf keine klare Visualisierung der Anlage zurückgegriffen werden konnte, bestand eine gewisse Schwierigkeit darin,

die Ergebnisse der Forschung der Öffentlichkeit bereitzustellen.

Das Team von Next.space durfte die beeindruckenden Bauten und das nicht minder faszinierende Umland erkunden, um Tausende von Fotos zu sammeln und daraus eine genaue 3D-Rekonstruktion zu erstellen. Aufgrund der hohen Anzahl an wunderschönen Statuen und Reliefs an den Gebäuden, gestaltete sich das Projekt als sehr umfangreich, sodass der Prozess der 3D-Modellierung mehr als ein halbes Jahr andauerte.

Das fertige 3D-Modell wurde in der beliebten Fernsehserie „Unearthed“ vom Discovery Science Channel in einer Folge verwendet, die die Tempelanlage thematisierte. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt erhielten so die Möglichkeit, Angkor Wat von zu Hause aus bestaunen und aus ihrem Wohnzimmer aus in die geheimnisvolle Welt der Tempelanlage eintauchen zu können.

Kent Davis, DatAsia:

„Der Blick vom höchsten Turm von Angkor Wat war für mich persönlich der überzeugendste Beweis dafür, wie hoch die Qualität des 3D-Modells ist und dass der virtuelle Tourismus eine Existenzberechtigung hat. Der Zugang zum höchsten Turm war nur für kurze Zeit für mich geöffnet, aber ich hatte genug Zeit, um einige Panoramafotos zu machen. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, als ich feststellte, dass sich das 3D-Modell nicht wesentlich von dem unterscheidet, was durch das Kameraobjektiv gesehen werden kann.“

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Eremitage: Die virtuelle Tour

Die Eremitage in St Petersburg ist eines der größten und bedeutendsten Kunst-, Kultur- und Geschichtsmuseen in Russland und gehört zu den zwanzig meistbesuchten Kunstmuseen der Welt. Heute kann man Ableger der Eremitage in anderen Städten Russlands, aber auch weltweit erforschen.

Die Aufgabe an das Team von Next.space bestand darin, einen virtuellen Rundgang zu erstellen, der einen Besucher in die außergewöhnliche Welt des russischen Museums entführen sollte. Besucher anderer Niederlassungen der Eremitage sollten so in der virtuellen ursprünglichen Eremitage umherspazieren und auch alle dort befindlichen Meisterwerke betrachten können.

Darum hat Next.space in Zusammenarbeit mit Faro und HTC eine sehr detaillierte VR-Tour für den Large Italian Skylight Room erstellt. Für diese Tour wurde zunächst ein detailreiches 3D-Modell des Raumes erschaffen. Um Interaktivität und höchstmöglichen Realismus zu erzielen,

wurde eine Unity 3D-Engine (eine spezielle Entwicklungsplattform; Anm.d.Red.) verwendet. Die Besucher konnten sich frei im Museum bewegen und die Exponate, wie beispielsweise Reliefs, Gemälde und Statuen, betrachten und darin noch die allerfeinsten Texturen bewundern. Die Anwendung beinhaltete außerdem einen Leitfaden, der den Benutzern weitere Informationen über die ausgestellten Kunstwerke lieferte.

Letztendlich unterscheidet sich die Eremitage von anderen Museen dadurch, dass die Wände nicht nur als Kulisse für die Gemäldeausstellung dienen, sondern selber eine lebendige Geschichte der russischen Monarchie darstellen. So bemerkte Mikhail Piotrovsky, Direktor der Eremitage, sehr treffend: „Die Eremitage kann nicht jemandes Dekoration sein, sie ist immer die Hauptfigur!“

Die hohe Wertschätzung, die die Eremitage der Zusammenarbeit mit Next.space zukommen ließ, wurde nach der Beendigung dieses Projekts deutlich, da dem Team der offizielle Status eines „Freundes der Eremitage“ verliehen wurde.

Oben: VR-Ausstellung in der Eremitage

Foto: © Eremitage

Unten: Das Tula State Arms Museum beim Intermuseum Festival 2019

Foto: © Liza Kriger

Rechte Seite: Nutzung der App im Museum

Foto: © Tula State Arms Museum

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Mobile Game: „Weapons of Heroes“

Das Tula State Arms Museum ist das älteste seiner Art in ganz Russland. Die darin befindliche Waffensammlung existiert seit 1724 und umfasst heute 14.000 einzigartige und seltene Gegenstände. Um mehr Besucher anzulocken, entschied sich das Museum für eine neue digitale Marke-

tingstrategie. So entstand das Projekt „Weapons of Heroes“.

„Weapons of Heroes“ war insgesamt betrachtet das experimentellste Projekt für das Team von Next.space, das es sich zum Ziel gesetzt hatte, im ersten Jahr mehr als 1 Million virtuelle Besucher für das Museum zu gewinnen.

Um dies zu erreichen, beschloss das Team, nicht nur eine weitere mobile App mit einer reinen Beschreibung der Exponate zu erstellen. Vielmehr spekulierte es mit den Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, die Militärsimulationen spielen. Das Team vermutete, dass diese Spieler an exakt nachgebauten historischen Waffen und Möglichkeiten zur Interaktion interessiert sein würden.

Ausgehend von diesen Annahmen, schuf das Studio ein ganzes Spieluniversum, in dem die Benutzer die Möglichkeit haben, seltene historische Waffen zusammenzubauen und zu zerlegen, in Zeitlupe und im X-Ray-Modus (ein Modus, bei dem man die Waffe wie mit Röntgenstrahlen durchleuchten kann; Anm.d.Red.) zu schießen, interessante Fakten über die Exponate zu erfahren und online miteinander zu konkurrieren.

Die Entscheidung, eine Museums-App in einem Spielformat zu erstellen, war ein voller Erfolg. Das Spiel konnte dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit der Nutzer über einen längeren Zeitraum zu fesseln, als eine mobile Enzyklopädie es vermocht hätte. Die mobile Ausstellung des Museums mit der Spielefunktion und Online-Wettbewerben wurde bei Google Play, im App Store sowie in 75 lokalen Geschäften in 22 verschiedenen Sprachen veröffentlicht. Im ersten Monat lockte „Weapons of Heroes“ mehr als 200.000 neue Benutzer an und wurde so zur beliebtesten Museums-App der Welt. Bis heute hat das Spiel mehr als 2 Millionen Nutzer weltweit. Diese Zahlen zeigen, dass die Aufgabe, das Tula-Waffenmuseum zu popularisieren, zu 100% erreicht werden konnte. Dieses Projekt wurde auf dem Intermuseum Festival 2019 zum IT-Projekt des Jahres gekürt.

Die wichtigste Errungenschaft des Projekts ist jedoch die sehr aktive Benutzergemeinschaft. Die Nutzer haben eigenverantwortlich Übersetzungen in weitere 14 Sprachen erstellt und anderen Spielern viele nützliche Tipps gegeben.

Nadezhda Kalugina, Direktorin des Tula State Arms Museum:

„Für uns ist es sehr wichtig, ein modernes Museum zu sein, das für ein breites Publikum interessant ist. Die Idee des Spiels war ein Durchbruch für uns, um ein neues Publikum von Spielern für das Museum zu gewinnen, das an dem Thema interessiert ist, das Museum jedoch nicht als vorrangigen Ort für einen Besuch ansah.“

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Das Shchusev State Museum of Architecture: Das virtuelle Museum

Das Projekt „Virtual Museum of Architecture“ hat es möglich gemacht, bekannte, aber unzugängliche Architekturdenkmäler mithilfe der VR-Technologie zu betrachten und zu erkunden.

Dieses Projekt umfasst 12 berühmte, aber nie umgesetzte oder seit langem verlorene Konzepte bekannter Architekten. Besucher des Shchusev State Museum of Architecture können mithilfe der interaktiven 3D-Modelle durch die architektonischen Ideen berühmter Architekten reisen und so die verloren geglaubten Bauten wieder zum Leben erwecken. Durch das virtuelle Museum konnten Architekturprojekte von Corbusier, Gamilton, Zheltovsky, Bazhenov, Schehtel und anderen Architekten gerettet werden.

Vadim Vankov, Berater des Kulturministers der Russischen Föderation, Direktor des Architekturmuseums Irina

Korobina:

„Das Virtuelle Architekturmuseum ist ein Beispiel dafür, wie Technologie Wissen zugänglicher macht. Dieses Projekt ist viel umfassender als nur ein Museumsgelände – es kann als Online-Plattform angesehen werden, die unser Wissen über Architektur erweitert. Der Nutzer kann sich in den prächtigen Meisterwerken der Architektur wiederfinden, die entweder nicht realisiert wurden oder spurlos verschwunden sind.“

Next.space baute außerdem „The Corridor“. Dies war eine Lichtinstallation, die interessante Informationen über die größten Architekten bereithielt.

Das Projekt „Virtual Museum of Architecture“ löste einen Hype in der Architekturwelt aus. Es erhielt den Preis für die beste mobile App von „Heritage in Motion“, einen Preis von AVICOM F@IMP und eine Auszeichnung beim MUSE Award der „American Alliance of Museums“.

Hintergrund: The Corridor“ der Multimedia- und Lichtinstallation im Shchusev State Museum of Architecture

Foto: © Kurator der Installation nrdn.ru

Rechts: Touchscreen-Modus des „Virtual Museum of Architecture“

Foto: © Shutterstock, 3D erstellt von Next.space

Sei ein berühmter Fotograf in der VR

Das Multimedia Art Museum ist das größte russische Museum für Fotografie und Multimediakunst.

Einigen Museumsmitarbeitern fiel bei der Beobachtung des Sehverhaltens der Besucher auf, dass viele lediglich schnell durch die Fotoreihen gingen, ohne jedoch damit zu interagieren. Um dieses Problem zu lösen, wandte sich das Museum an das Team von Next.space.

Zusammen mit dem Museum, TELE2 und der Werbeagentur Possible beschloss das Studio, den Besuchern die Möglichkeit zu geben, die Welt mit den Augen des Kultfotografen Henri Cartier-Bresson zu sehen. Mithilfe einer Virtual-Reality-Brille konnten die Besucher zu einem lebendigen Teil der Bilder Cartier-Bressons werden. Setzten sie die Brille auf, so fanden sie sich in Moskau wieder, genauer ge-

sagt, in einem Moskau, wie Cartier-Bresson es fotografiert hatte. In dieser exakt nachgebildeten Umgebung konnten mit der VR-Brille eigene Fotos aus jener Zeit aufgenommen werden, wobei der Besucher die Perspektive der jeweiligen Bilder bestimmte.

Das Projekt startete bereits vor Ausstellungseröffnung und wurde zu einer wirkungsvollen PR-Kampagne, die viele Besucher anlockte.

Olga Sviblova, Direktorin des Multimedia Art Museum:

„Cartier-Bresson betrachtete die Welt mit den Augen eines Kindes und sah oft, was andere nicht bemerkten. Wir schlugen den Besuchern der Ausstellung vor, dasselbe zu tun, und sie sahen die Kreativität des Fotografen durch das Prisma der virtuellen Realität. Das war viel umfassender als bei einer regulären Ausstellung.“

Die imaginäre Welt des „Nussknackers“

ARTECHOUSE ist ein innovativer Kunstraum in Washington D.C., der Ausstellungen zeitgenössischer Künstler beherbergt und interaktive Technologien in der Kunstwelt populär macht. Anfang des Jahres 2018 beschloss das ARTECHOUSE, das klassische Weihnachtsmärchen „Der Nussknacker“ mit den neuesten interaktiven Lichtprojektionstechnologien und AR zu kombinieren.

Das Konzept der Multimedia-Ausstellung sollte sicherstellen, dass sich die Zuschauer im Saal bewegen und mit den Figuren des Märchens interagieren. Aus diesem Grund hat das Next.space-Team in Zu-

Oben: Foto Henri Cartier-Bresson-Ausstellung im Multimedia Art Museum

Foto: © Multimedia Art Museum

Rechte Seite, oben: Lebendige Bilder. Interaktiver Mäusekönig. Fotos: © brightestyoungthings.com

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sammenarbeit mit der bekannten Medienkünstlerin Sila Sveta eine ganze Reihe von Installationen mit sehr unterschiedlichen Mechaniken erstellt.

Das Erste, was der Betrachter sah, wenn er den Raum betrat, war ein Spiegel. Es wurde ein Kinect-Sensor eingebaut, sodass jeder, der sich im Spiegel betrachtete, sich als Hauptfigur des Märchens „Der Nussknacker“ sehen konnte. Die Reflexion spiegelte sofort jede Bewegung des Benutzers wider.

An der gegenüberliegenden Wand der Halle befand sich der Hauptgegner der Geschichte – der Mäusekönig. Der drohende Schatten des Mäusekönigs wiederholte die Bewegung des Benutzers und unheilverkündende kleine Mäuse tanzten um ihn herum.

In der Mitte der Hallenwand waren ‚lebendige‘ Bilder mit Figuren des Märchens angebracht. Die Charaktere lächelten und flirteten mit dem Publikum. Aber sobald

der Benutzer die Taschenlampe mit dem versteckten Sensor, die vom Museum gestellt wurde, auf das Bild richtete, froren die Figuren ein. Der Besucher konnte außerdem Geräusche hervorrufen, indem er zum Beispiel laut in die Hände klatschte und so das Spiel des an die Wand projizierten Grammophons startete.

Sowohl die Presse als auch die Öffentlichkeit waren von dem Projekt begeistert. Das Ergebnis der positiven Kritik waren große Mengen von Bloggern und Zuschauern, die teilweise aus ganz Amerika nach Washington kamen, um den Kampf des Nussknackers gegen den Mäusekönig real werden zu lassen.

Next.space – die Zusammenarbeit mit unseren Kunden in Deutschland

Neben den in diesem Beitrag vorgestellten Projekten, gibt es noch viele weitere von Next.space. Das Studio verfügt über große Erfahrung mit der Lösung der Aufgaben, die die Museen und Galerien an es herantragen. Zu Beginn eines neuen Projekts und in der Umsetzungsphase finden regelmäßig Online-Meetings und Besprechungen vor Ort statt.

Die meisten Teammitglieder sind in der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, Anm.d.Red.) angesiedelt. Daher kann

Next.space gleichzeitig einen mittleren Stundensatz sowie erstklassige Qualität anbieten. Die Hauptpriorität des Teams ist die Verantwortung für unsere Kunden und die Etablierung einer langfristigen Partnerschaft mit ihnen.

Next.space ist immer offen für neue Diskussionen und Anregungen. Wir sind auf der Exponatec am Stand C084. Wir sehen uns dort!

Showroom:

https://vimeo.com/326131790

Projektvideos:

https://vimeo.com/nextspaceteam

Fallstudien:

www.behance.net/nextspaceteam

Next.space

Alexander Lawrow, Gründer, PhD

Tel. + 7800-444-7800

alex@next.space

https://thenextspace.de

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Alexander Lawrow, Gründer, PhD

20 Jahre Schlesisch-Oberlausitzer

Museumsverbund gGmbH

Alle für einen – einer für Alle! – Gemeinsam sind wir stark. Autorin: Anja Köhler

„Einer für Alle – Alle für einen!“, dieses Motto verbindet eigentlich niemand mit der Museumswelt. Für den 1.1.1999 ist es jedoch bezeichnend. An diesem Tag wurde die Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH im Osten Sachsens durch vier Gesellschafter mit dem Ziel gegründet, kleinen Museen im ländlichen Raum eine Möglichkeit zum Überleben zu bieten. Bis zum Jahre 2005 zählten dazu das AckerbürgerMuseum Reichenbach, das Dorfmuseum Markersdorf, das Granitabbaumuseum Königshainer Berge und das Schloss Königshain. Seit 2005 ersetzt Schloss Krobnitz nach seinem Ausscheiden das Schloss in Königshain. Sitz der gemeinnützigen Gesellschaft ist das Dorfmuseum Markersdorf, das gleichzeitig auch das älteste der vier Häuser ist. Gegründet wurde die Gesellschaft durch den damaligen Niederschlesischen Oberlausitzkreis und die Gemeinden Markersdorf, Königshain und Reichenbach.

Dorfmuseum Markersdorf

Die Gründung des Dorfmuseums in Markersdorf geht auf eine Schenkung aus dem Jahr 1988 zurück. Die Eigentümerin überließ den Vierseithof dem damaligen Kreis Görlitz mit der Auflage, ein Museum zu gründen. In der Folge konstituierte sich ein Förderverein, der schließlich im Jahr 1992 das Schlesisch-Oberlausitzer Dorfmuseum Markersdorf feierlich eröffnen konnte. In dem etwa 250 Jahre alten Vierseithof öffnet eine Kleinbauernwirtschaft mit ihrer vollständig erhaltenen Einrichtung ein Tor in die Vergangenheit. Alle Wohn- und Wirtschaftsräume sind so gestaltet, als wäre der Bauer mit dem Gesinde auf dem Acker und könne jeden Augenblick zurückkehren. Die tierischen Bewohner des Hofes verstärken mit ihrem Blöken, Grunzen und Wiehern diesen Eindruck auf ihre Weise. Der Bauerngarten mit seinen nahezu vergessenen Gemüsesorten und würzigen Kräutern erinnert sehr anschaulich an seine Aufgabe, den kärglichen Speisezettel einer kleinbäuerlichen Wirtschaft zu

verbessern. In einem umgesetzten Ausgedingehaus ist eine Dorfschule aus der Zeit um 1900 eingerichtet. Hier können Schüler und Jugendliche in einer Schulstunde der besonderen Art erfahren, wie ihre Urgroßeltern schreiben und rechnen lernten. Die Einzigartigkeit des Dorf-

museums Markersdorf begründet sich in der aktiven Vermittlung überlieferter Bräuche und traditioneller Arbeiten in der Landwirtschaft. Deshalb orientieren sich die Veranstaltungen vom Flegeldrusch im Winter bis zum Schlachtfest im Spätherbst am bäuerlichen Jahreslauf.

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Linke Seite, oben: straßenseitige Ansicht des Wohnhauses im Dorfmuseum Markersdorf, 2006;

Unten: Internationaler Flegeldruschwettbewerb im Dorfmuseum Markersdorf, 04.03.2018; © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

Rechte Seite, links: Blick in den Bruch I in den Königshainer Bergen, 2011;

Rechts: Luftverdichter im Granitabbaumuseum Königshainer Berge, 2009; © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

Granitabbaumuseum Königshainer Berge

Drei Jahre nach dem Dorfmuseum Markersdorf wurde in der etwa 12 km entfernten Gemeinde Königshain das Granitabbaumuseum Königshainer Berge durch den Heimatverein Königshain und engagierte ehemalige Steinarbeiter gegründet.

Inmitten einer reizvollen Landschaft vermittelt das Museum Einblicke in die Arbeits- und Lebensbedingungen der Steinarbeiter in den Königshainer Bergen. In einem ehemaligen Sozial- und Schmiedengebäude kann sich der Besucher über die schwere Arbeit in den Steinbrüchen informieren.

Mit viel Liebe zum Detail eingerichtet, erfährt hier der Interessierte den gesamten Werdegang des Steins vom Bruch bis zur Verarbeitung als Pflaster. Ein zweiter Teil der Dauerausstellung widmet sich der Geologie der Königshainer Berge und erläutert die Entstehung und Besonderheiten des Königshainer Granits.

Im Außengelände des Museums sind drei so genannte „Steinmetzbuden“ zu sehen,

die mit ihrer Einrichtung die Tätigkeit der Pflastersteinschläger nachvollziehbar und wirklichkeitsnah darstellen. In einem wieder errichteten Gebäude sind Maschinen zur Steinbearbeitung ausgestellt. Der tonnenschwere Luftverdichter im Kompressorenhaus ist ein imposantes technisches Denkmal und lässt den Aufwand erahnen, der für die Versorgung der Steinbrüche mit Druckluft notwendig war.

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AckerbürgerMuseum Reichenbach

1998 gründete der Heimatverein Reichenbach nach 6 Jahren Arbeit das AckerbürgerMuseum Reichenbach, das eine Tradition in der Stadt wiederaufnahm, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückreicht. Auch hier bildete die Schenkung eines Gebäudes die Grundlage für die Museumsgründung.

In dem kleinen, original wieder aufgebauten Haus mit seinem Hof und Garten kann in das Leben der so genannten „Ackerbürger“ um 1900 Einblick genommen werden. Neben ihrer Arbeit in der Fabrik, in Handel und Gewerbe, betrieben die Einwohner Reichenbachs zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes eine bescheidene Landwirtschaft im Nebenerwerb. Die engen Räume lassen die einfachen Verhältnisse ihrer einstigen Bewohner wieder spürbar werden.

In den Hofgebäuden befinden sich weitere Ausstellungsteile. Dabei sollte der Werkstatt eines Glasdrückers besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden. Der kleine Garten mit Blumen, Gemüse und Kräu-

tern ist als typische Anlage eines Ackerbürgergartens gestaltet und enthält eine Auswahl an Bienenweidepflanzen.

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Schloss Krobnitz

Schloss Krobnitz wurde seit dem Jahr 2002 aufwendig durch die Gemeinde Reichenbach saniert und ist seit 2005 Teil der Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH. Umgeben von einem Landschaftspark erhebt sich der imposante Bau des Krobnitzer Schlosses, das ab 1873 der preußische Kriegsminister und Generalfeldmarschall Albrecht Theodor Emil Graf von Roon sein Eigen nannte. Er ließ es durch Aufstockung des Mansardgeschosses mit Flachdach und Balustrade in ein neoklassizistisches Gebäude umgestalten. Graf von Roon erweiterte den Park und legte im hinteren Parkteil eine Familiengruft an, die 1876 eingeweiht wurde. Sein Sohn Waldemar bebaute diese Gruft

Linke Seite, o.: straßenseitige Ansicht des Museums, 2018

Unten: Blick in die Küche des AckerbürgerMuseums Reichenbach, 2007;

Rechte Seite, oben: Schloss Krobnitz. Die gegliederte Putzfassade kopiert in ihrem Erscheinungsbild das Berliner Kriegsministerium, 2012;

Unten: Bis 2011 lockte die Hochzeitsmesse jährlich mehrere Tausend Besucher nach Schloss Krobnitz, die sich Anregungen für den schönsten Tag im Leben holen wollten, 2011;

Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund

mit einer neogotischen Kapelle, die jedoch 1980 dem Abbruch zum Opfer fiel. Der Einbau von Wohnungen nach 1945 zerstörte die einstige Raumstruktur des Schlosses leider nahezu vollständig. Bis 1990 schritt der Verfall der Gesamtanlage trotz unterschiedlicher Nutzungen fort. Seit der Sanierung empfiehlt sich der Landsitz für alle, die das Besondere suchen. Ausstellungen, Vorträge und Ver-

anstaltungen sind inzwischen längst ein fester Bestandteil des kulturellen Angebotes im Landkreis Görlitz. Längst kein Geheimtipp mehr ist das Schloss für junge Brautleute, die sich hier das Ja-Wort geben und gleichzeitig stilvoll feiern wollen. Ein Trauzimmer im Stile der Gründerzeit und der Festsaal für etwa 100 Personen bieten den geschmackvollen Rahmen für diesen besonderen Tag.

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Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

Nach ihrer Gründung wurden das Dorfmuseum Markersdorf, das Granitabbaumuseum Königshainer Berge und das Ackerbürgermuseum Reichenbach rein ehrenamtlich und mit Unterstützung durch verschiedene Maßnahmen des Arbeitsamtes betrieben. Um jedoch auf dem Markt weiterhin bestehen zu können, musste die Museumsarbeit professionalisiert werden. Allen Gesellschaftern war klar, dass das allein nicht zu meistern war! Aus diesem Grund wurde die Gründung eines Museumsverbundes ins Auge gefasst, wobei anfangs über verschiedene Gesellschaftsformen nachgedacht wurde. 1999 nahm die Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH ihre Arbeit auf. Derzeit hat sie 5 festangestellte Mitarbeiter, die von einer Vielzahl Ehrenamtler sowie auch weiterhin durch Maßnahmen des Jobcenters unterstützt werden.

Neben den klassischen Museumsaufgaben widmen sich die Mitarbeiter mit Hingabe der Pflege der Parkanlagen, der Betreuung des Tierbestandes und der Vermittlung historischen Brauchtums. Aber auch die Betreuung von Brautpaaren und Festgesellschaften gehört zum Tagesgeschäft. Eine Vielzahl von Veranstaltungen und museumspädagogischen Angeboten lockt jährlich tausende Menschen an. Seit 1999 haben rund 300.000 Besucher den Weg in eines der vier Häuser gefunden. Kammerkonzerte, Gartenfeste, Wanderungen, Sommerfeste, Flegeldruschwettbewerb und Schlachtfest stellen nur einige wenige Höhepunkte dar. Mit etwa 30 ständigen museumspädagogischen Angeboten ist das Spektrum breit gestreut. MuseumsBabys kommen ebenso auf ihre Kosten wie Senioren. Der Leitsatz der Museumsarbeit in der Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH lautet „Museum macht Spaß“! Besonders die aktive Wissensvermittlung steht dabei im Vordergrund.

Links: Manfred Graf von Roon wuchs in Schloss Krobnitz auf und besucht heute noch sein einstiges Elternhaus, 2017;

Oben: Bei einem Steinmetz-Workshop mit der Bildhauerei Sauermann dürfen die Teilnehmer selbst handanlegen und lernen so die schwere Arbeit im Steinbruch kennen, 2019;

Unten: „Sauber?! – Heute wird gewaschen“ ist nur eines der zahlreichen museumspädagogischen Angebote im Dorfmuseum Markersdorf, das die mühsame Arbeit auf einem Bauernhof zu Beginn des 20. Jahrhunderts verdeutlicht, 2012;

© Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

Etwa 4.000 Teilnehmer museumspädagogischer Angebote jährlich, vor allem Kinder und Jugendliche, können nicht irren. Der Zusammenschluss der vier Museen bedeutete jedoch nicht nur auf personeller Ebene eine Professionalisierung, sondern auch in Bezug auf die Akquirierung von Fördermitteln. Nur im Verbund konnten die Museen die deutschlandweit einmalige Förderung durch das Sächsische Kulturraumgesetz anstreben und erfolgreich beantragen.

Seit nunmehr 20 Jahren behauptet sich die Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH auf dem Kulturmarkt im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien. Immer wieder treten weitere Museen an die Gesellschaft heran und erkundigen sich nach der Möglichkeit, ebenfalls ein Teil des Museumsverbundes zu werden. Denn die Chancen eines sol-

chen Zusammenschlusses kleiner Museen vor allem im ländlichen Raum sind nicht zu unterschätzen. Durch feste Zuschüsse in Form von Gesellschafteranteilen gibt es eine jährliche gesicherte finanzielle Zuwendung, die die Grundaufgaben eines derartigen Unternehmens absichern hilft. Das geschlossene Auftreten im Verbund – gleich dem Motto „Einer für Alle – Alle für Einen“ – hilft gegenüber Fördermittelgebern, aber auch bei der Vermarktung und der effektiven Ressourcennutzung. Gleichermaßen lässt sich ein größeres Zielgruppen-Spektrum erreichen, als dies als Einzelkämpfer möglich wäre. Bei näherem Hinsehen erkennt man den roten Faden, der die derzeit vier Museen thematisch verbindet: der Mensch! Und nicht nur der Mensch in der Vergangenheit steht im Mittelpunkt.

In der Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH werden durch viele engagierte und höchst motivierte Menschen Angebote für interessierte und begeisterungsfähige Menschen geschaffen!

AckerbürgerMuseum Reichenbach

Görlitzer Straße 25 02894 Reichenbach

Dorfmuseum Markersdorf

Kirschstraße 2 02829 Markersdorf

Granitabbaumuseum Königshainer Berge

Dorfstraße 163 b 02829 Königshain

Schloss Krobnitz

Am Friedenstal 5

02894 Reichenbach OT Krobnitz

www.museum-oberlausitz.de

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Die Welt, in die Fans, Besucher und Technikinteressierte eintauchen und alles über Maschinen, Abenteuer und Technik rund ums Motorrad erfahren können, hat einen Namen: KTM Motohall. Mit dem Fokus auf das unmittel-

bare Erlebnis und Exponate zum Anfassen sowie selbst angesteckt vom Racing Spirit setzte NÜSSLI Adunic die neue interaktive Motosportwelt baulich um.

KTM Motohall. Foto: © Daniel Stauch

Berühren erwünscht und Erlebnis inklusive in der KTM Motohall

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Der orange Racing Spirit von Motorradhersteller KTM zieht sich durch den gesamten spektakulären ellipsenförmigen Neubau der neuen KTM Motohall. Von der Factory Tour im Erdgeschoss hinauf ins Stockwerk mit der Geschichte über das Unternehmen, mit ihren Werten und mit ganz vielen Bikes und schliesslich bis ins Reich der Motosporthelden in der dritten Etage, den „Heroes of Racing“ spüren Besucherinnen und Besucher die Leidenschaft für Rennen, Motoren und Technik. Sogar schon während der Bauzeit sei der Funke gesprungen und habe gar das Montageteam mit der Motorradfaszination angesteckt, sagt Till Seefeldt, Projektleiter von NÜSSLI Adunic, einem Business Unit der Schweizer NÜSSLI Gruppe. Mit seinem Team war er während eineinhalb

Die raffinierte szenografische Inszenierung erweckt die Exponate zum Leben.

Linke Seite und rechte Seite oben: Foto: © KTM Motohall. / Sebas Romero

Rechte Seite unten: KTM Motohall. © Daniel Stauch

Jahren etappenweise im Motorrennsportmuseum von KTM im Einsatz. „Motorräder und Rennen üben natürlich auf viele in unserem Team einen besonderen Reiz aus“, führt Seefeldt weiter aus. „So fiel es leicht, sich in die zukünftigen Besu-

cher und Besucherinnen hineinzudenken. Auch wir wollten die Motorräder fliegen sehen! Der Ansporn, beispielsweise eine speziell tragfähige und flexible Aufhängung für die Motorräder zu entwickeln, war deshalb noch viel grösser.“

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Über 200 Originalpokale schweben in der Luft. Die Rauminstallation stellt eine Verbindung über alle Etagen hinweg her. Ihre Montage erforderte einiges an Fingerspitzengefühl und Know-how.

Foto: KTM Motohall. © Daniel Stauch

Die Welt des Motorrades erleben

Insgesamt 10 000 Quadratmeter Erlebnisund Ausstellungsfläche bebaute NÜSSLI in der neuen Motosportwelt im oberösterreichischen Mattighofen. Das Restaurant mit Bar, ein Innovation Lab, ein Eventbereich für 400 Personen, der Shop und verschiedene Werkstätten ergänzen die barrierefreie Ausstellung mit 2600 Quadratmeter Fläche auf drei Stockwerken zur umfassenden KTM-Motosport-Erlebniswelt. Mehr als 20 Medienstationen, rund 30 Projektionen, die 360-Grad-Projektion auf einem 120 Meter langen Screen, dazu über 100 Motorräder, eine Steilkurve, 200 Pokale, 7 springende Bikes und ganz viel spürbare Leidenschaft fürs Motorrad setzen die Marke KTM in Szene.

„Ready to Race“ von der Gebäudearchitektur bis zur Vitrine

Die Gebäudearchitektur und die Ausstellung vermitteln einheitlich das Leitthema Ready to Race und den Racing Spirit des Unternehmens. Schon von aussen symbolisiert der imposante Museumsbau mit seiner umspannenden Metallkonstruktion in Form einer Reifenspur die Dynamik von KTM. Die Architektur stammt von Hofbauer Liebmann Wimmesberger Architekten in enger Kooperation mit X Architekten. Atelier Brückner gestaltete die KTM-Markenwelt mit der erlebnisorientierten interaktiven Ausstellung als begehbares Raumerlebnis. NÜSSLI Adunic plante, produzierte, baute und montierte den kompletten Museumsinnenausbau mit Podesten, Vitrinen, Motorradhalterungen, Projektionsflächen, Steilkurve und weiteren Sonderanfertigungen.

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Fotos: KTM Motohall. © Daniel Stauch
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Auf der Steilkurve in Szene gesetzt: 70 Streetund Offroadbikes liefern sich ein Rennen.
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Der hochwertige Ausstellungsbau spiegelt die Markenwerte wider

Die innovative Architektur und die inhaltliche Konzeption mit Ausstellungsbauten, Grafik, Licht und Medien sprechen einheitlich und klar die moderne, radikale Sprache von Motorradherstellerin KTM. So spiegeln sich auch das Leitthema Racing Spirit und der „orange Vorsprung“ als Markenwert durchgängig in der Form-, Farb- und Materialsprache der Motosport-Erlebniswelt wider. Besonderes Augenmerk legte das NÜSSLI Team deshalb auf die sorgfältige Verarbeitung und präzise Installation. Dazu Projektleiter Till Seefeldt: „Wir entwickelten in der Planung hochwertige Lösungen für die Ausstellungsbauten. Wichtig war uns deshalb auch, jedes einzelne Bauteile und Elemente in erstklassiger Qualität herstellen zu lassen.“

Bitte anfassen und ausprobieren

Eines der grossen Schlagworte der KTM Motohall ist die Interaktivität. Machen und Erleben stehen überall im Vordergrund und ziehen sich auf allen drei Stockwerken durch die Ausstellung. So sind sämtliche Stationen mit Objekten, Schaukästen, Exponaten, Stellwänden, Ausstellungsmobiliar, Videotechnik und Installationen darauf ausgerichtet, dass Gross und Klein nach Herzenslust bestaunen und erfahren dürfen – mit den Augen und mit den Händen. Gut möglich also, dass man als Besucher zwischendurch unwillkürlich meint, den Dreck vom Visier oder die ölverschmierten Hände abwischen zu wollen.

NÜSSLI Gruppe

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Fotos: KTM Motohall. © Daniel Stauch

Wenn eine App in die Jahre kommt ...

App museum.de erstrahlt in neuem Glanz. Die „Generalüberholung“ erfolgte durch KULDIG, Droidsolutions GmbH

Nach über vier Jahren im Dauereinsatz durfte sich die App von museum.de 2019 einer grundlegenden Überarbeitung erfreuen. Seit Kurzem kann die rundherum erneuerte App nun in den Stores von Android und iOS heruntergeladen werden.

Reparatur vs. kompletter Relaunch

Die Welt der mobilen Anwendungen ist per se hochdynamisch und mit relativ kurzen Entwicklungszyklen verbunden. Dementsprechend kann eine bereits 2015 erstmals veröffentlichte App als Grande Dame im App-Geschäft gelten. Das darf und sollte der Nutzer einer solchen Anwendung jedoch weder sehen noch merken. Ein Anwender sollte gestern wie

heute Spaß und Freude beim Gebrauch der Applikation haben. Um dieser Anforderung maximal gerecht zu werden, ist eine kontinuierliche Pflege und Unterhaltung einer Anwendung ein absolutes Muss. Zudem werden nach gewissen Etappen grundlegende Überarbeitungen unumgänglich. In diesem Sinne ging es auch bei der App von museum.de um einen kompletten Relaunch.

App mit Suche nach Museen

Damit diese Maßnahmen reibungslos und mit entsprechender technischer Expertise versehen von statten gehen konnten, wandte sich Uwe Strauch mit seinem Anliegen an KULDIG, der Marke der Fir-

ma DroidSolutions GmbH aus Leipzig für App-Entwicklung und Digitalisierung im Kulturbereich. Ausgestattet mit der Erfahrung aus zahlreichen App-Projekten und den entsprechenden App-Entwicklern wie auch kreativen Köpfen aus dem Bereich Design begann die Arbeit an museum.de. Zunächst mussten alle Anforderungen und Funktionalitäten der bisherigen App nochmals analysiert und auf deren Aktualität geprüft werden.

Verbesserte Benutzerfreundlichkeit

Zusätzlich wurden neue Ansätze auf deren Potentiale hin untersucht und ggf. als neue Anforderung im Zuge der Umsetzung ergänzt. Darüber hinaus erfolgte

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ein grundlegendes Re-Design der Struktur und der damit verbundenen Benutzerführung. Ebenso wurde die Oberflächengestaltung der App, das UI-Design (User Interface Design) einer kompletten Überarbeitung unterzogen.

Standortabhängige Services

Im Zentrum der Anwendung stand und steht das Suchen und Finden von Museen im Allgemeinen sowie in der unmittelbaren Umgebung des Nutzers im Besonderen. Damit integriert die App sogenannte Location Based Services, also vom Standort des Anwenders abhängige Angebote. Zusätzlich kann der Nutzer unmittelbar weiterführende Informationen zu einer

gefundenen Einrichtung aufrufen, beginnend bei den Angeboten eines Museums, über Öffnungszeiten und Preise, bis hin zur eigentlichen Anreise mittels Routennavigation über den systemeigenen Kartenservice. Besonderer Wert wird auf Informationen zum Thema Barrierefreiheit der jeweiligen Einrichtung gelegt. Hier kann der Nutzer diesbezügliche Kennwerte schnell und unmittelbar abrufen. Zahlreiche Museen nutzen ergänzend das Angebot und den Service von museum. de, neben den reinen Informationen zur Einrichtung, multimediale Inhalte zur Verfügung zu stellen.

Rechts: Startscreen der neuen App museum.de mit Animation. Foto: © DroidSolutionsGmbH Oben: © Peter Heimpel - stock.adobe.com

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Integrierter Audioguide

So kann der Anwender beim Besuch unmittelbar über die App auf Audioguides und Bildergalerien des Museums zugreifen und diese nutzen. Der Abruf der multimedialen Inhalte kann dabei wahlweise manuell über Listen, die Eingabe über ein Nummernfeld, das Scannen eines QR-Codes oder aber automatisiert über sogenannte Beacons auf Bluetooth-Basis erfolgen. Letztere Methode setzt selbstverständliche eine entsprechende Ausstattung des Museums vor Ort voraus, also das Anbringen der Beacons. Allerdings ist diese Hürde sehr schnell genommen und führt im Umkehrschluss zu einem noch komfortableren Erlebnis in Verbindung mit der App beim Besuch. Nach dem Besuch vor Ort können alle multimedialen Inhalte erneut genutzt werden und bieten somit einen nachhaltigen Ansatz, beispielsweise um Besucher erneut in eine Einrichtung zu lenken. Ganz im Sinne dieses Ansatzes der Aktivierung und Reaktivierung von Besuchern wurden die Abschnitte Veranstaltungen und News grundlegend überarbeitet und angepasst. Der Nutzer bekommt aktuelle Hinweise zu laufenden oder anstehenden Veranstaltungen geboten und kann sich

direkt detaillierte Informationen dazu abrufen. Gleiches gilt für den Bereich News mit aktuellen Meldungen zu neuen Ausstellungen, geänderten Öffnungszeiten oder Retrospektiven zu bereits stattgefundenen Events. Die Museen bekommen damit über die App einen offenen Kanal direkt zu ihren Besuchern geboten, um diese auf dem Laufenden zu halten und einen Besuch bzw. erneuten Besuch wahrscheinlicher werden zu lassen.

Beliebte Einrichtungen kann sich der Nutzer ganz einfach als Favoriten markieren und mittels Schnellzugriff aufrufen. Abgerundet wird das Angebot der Anwendung durch den integrierten Shop zur Bestellung des Printmagazins von museum.de. Diese Integration wurde mittels einer sogenannten Webview realisiert, so dass unmittelbar der bereits vorhandene Webshop in die App eingebunden wird und so der nachgelagerte Pflegeaufwand drastisch reduziert werden konnte.

Generell galt es auch, das dahinterliegende programmiertechnische Konzept auf den Prüfstand zu stellen. Schnell stand fest, dass im Zuge der Rundumerneuerung eine grundlegende Neuprogrammierung der App unbedingt notwendig

werden würde. Die App soll weiterhin sowohl für Android wie auch iOS gleichermaßen verfügbar sein. Dabei soll der nötige Pflegeaufwand auf ein Minimum reduziert bleiben. Erweiterungen und die Ergänzung neuer Funktionalitäten und Komponenten sollen unkompliziert und flexibel ergänzt werden können. Kurz, die App soll skalierbar bleiben, ohne dabei bei den unterschiedlichen Plattformen im Verlauf der Zeit einen zu großen Unterschied aufkommen zu lassen. Gerade letztere Problematik kommt in der Praxis häufig auf, wenn Applikationen in der jeweiligen spezifischen Programmiersprache für Android und iOS umgesetzt und nachgelagert über einen längeren Zeitraum erneuert, ergänzt und geändert werden. Ab einem gewissen Punkt bekommt der Nutzer dann den Eindruck, die App für Android sei eine komplett andere als die für iOS und umgekehrt. Dies wiederum führt allerdings zu grundlegenden Problemen in der weiteren Wartung der Applikation, da Entwickler quasi zwei unterschiedliche Produkte bearbeiten.

Der App Creator von KULDIG

Genau dieses Problem galt es zu vermeiden sowie die übrigen Anforderun-

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gen zu erfüllen. Daher wurde bei der Programmierung auf eine sogenannte Umsetzung als Cross-Platform-App gesetzt. Diese bietet bei einer einheitlichen Quellcodebasis den Vorteil, für diverse Zielplattformen ausgegeben werden zu können. Änderungen, Verbesserungen oder Ergänzungen werden innerhalb der zentralen Codebasis eingebracht und nach getaner Arbeit wiederum spezifisch für Android und iOS ausgegeben. So wird die Gefahr eines Auseinandergehens der „Plattformschere“ drastisch reduziert. KULDIG verfolgt diesen Ansatz ebenfalls bei Apps, welche mit dem KULDIG AppCreator entstehen. Die Resultate überzeugen durchweg sehr positiv. Denn der Cross-Platform-Ansatz bietet generell die

Option, weiterhin plattformspezifischen Quellcode in eine plattformübergreifend entwickelte App einzubringen. Damit können Funktionalitäten und Komponenten mit besonderem Anspruch an die Leistungsfähigkeit einer App umgesetzt werden, beispielsweise die Integration von Augmented Reality. Auch hier sammelte KULDIG bereits zahlreiche positive Erfahrungen im produktiven Einsatz, z.B. bei der App für das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt oder der mobilen Anwendung für das Museum Wiesbaden.

App museum.de in neuem Glanz

Generell unterstützt die plattformübergreifende Ausrichtung der App den weitgreifenden Ansatz von museum.de. Denn der geneigte Nutzer kann museum.de parallel auch als browserbasierte und mobiloptimierte Web-App über sein mobiles Endgerät nutzen. Somit offeriert museum.de dem Nutzer seine Mehrwerte unabhängig vom letztendlich gewählten Kanal, womit Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit als eine grundlegende Eigenschaft einhergehen.

Ein museumsbegeistertes Programmierer-Team

Für das Team von KULDIG war die Arbeit an der App mit viel Begeisterung und Freude verbunden. Natürlich gab es an gewissen Stellen die eine oder andere Herausforderung, die am Ende vor allem dank der sehr guten Kommunikation mit Herrn Strauch und dem Entwickler der Webanwendung Herrn Hübsch meist problemlos überwunden werden konnten. Und da die Welt der mobilen Anwendungen eben doch hochdynamisch ist, geht die Weiterentwicklung der Anwendung selbstverständlich unmittelbar weiter. Seien Sie gespannt…

Autor: Dennis Willkommen Geschäftsführer DroidSolutions GmbH

DroidSolutions GmbH

KULDIG – Digitale Konzepte für Museen und Kultur

+49 (0)341 - 125 903 68

d.willkommen@droidsolutions.de www.kuldig.de

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Oben: Umkreissuche nach Museen und News aus sämtlichen Museen. Foto: © DroidSolutions GmbH Links: © Ulf - stock.adobe.com

Mit dem WideTEK ® 36ART werden Kunstwerke digital erlebbar

Seit 25 Jahren ist die Image Access GmbH aus Wuppertal erfolgreicher Hersteller von Großformat- und Buchscannern. Gestartet 1994 mit einer Grafikkartenserie, produziert und verkauft das Unternehmen heute weltweit eine ganze Reihe verschiedenster Scanner, die von Beginn an ausschließlich am deutschen Firmenstandort entwickelt und gefertigt werden.

Der WideTEK® 36ART

Ende 2017 war die Geburtsstunde des Kunstscanners „WideTEK® 36ART“. Image Access ist stets am Puls der Zeit und hat mit diesem speziellen Scanner für Furore in der internationalen Kunstund Museumsszene gesorgt. Der Prototyp wurde im März 2017 auf der CEBIT vorgestellt, bis zum endgültigen Markteintritt verging dann nochmal ein halbes Jahr. Das Besondere am WideTEK® 36ART ist zum einen, dass die Kunstwerke vollautomatisch unter den CCD Scanzeilen verfahren, ohne dass die Oberfläche mit dem Scanner in Berührung kommt. So werden etwa Öl- und Acrylgemälde, Aquarelle, Kohle- und Pastellzeichnungen, Collagen oder antike Werke vollkommen kontaktlos und sehr schonend

digitalisiert. Zweites Highlight ist die durch den vorhandenen 3D-Modus realitätsgetreue Abbildung von Texturen und Strukturen.

In diesem Jahr sind zwei Neuerungen hinzugekommen. Standartmäßig beträgt die Länge der Scanfläche 1524 mm. Optional kann diese nun auf bis zu 2224 mm erweitert werden. Zudem gibt es eine neue Backlight Option, mit dieser lässt sich besonders transparentes Material aller Art, wie z.B. Bleiglas, Glasnegativen, Ausschnittschablonen oder Sepias scannen. Auch transparente Stoffe und flache Objekte können digitalisiert und mit einer geringen Nachbearbeitung freigestellt werden. Anhand des vorinstallierten Backlight-Moduls kann der Anwender je nach Bedarf des Quellmaterials mit oder ohne Hintergrundbeleuchtung scannen, indem er das Licht einfach ein- oder ausschaltet.

Oben: Der WideTEK® 36ART. Optionale Scantischverlängerung auf bis zu 2224mm

Links, Rechte Seite: ScanBuntglasfenster, Scan eines Buntglasfensters mit dem WideTEK® 36ART

Fotos: © Image Access GmbH

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Länge der Scanfläche kurzer Scantisch 1524 mm Erweitert 2224 mm
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Scans von Werken prominenter Künstler

Der erste deutsche Kunde, der sich von dem Spezialscanner hat beeindrucken lassen, ist die Galerie Walentowski aus Werl, die in ganz Deutschland sowie auf einem Kreuzfahrtschiff Filialen unterhält. Sie stellt vor allem die Bilder prominenter Künstler aus Film-, Funk- und Fernsehen aus. Otto Waalkes und Udo Lindenberg sind häufig vertreten, daneben aber auch Klassiker wie Joan Miro oder Salvador Dali. Derart viele Gemälde gilt es mit dem WideTEK® 36ART zu scannen und sich so ein umfassendes digitales Archiv aufzubauen.

Eine neue Datenbank gekoppelt mit einem digitalen Dokumentmanagement-System sorgt dafür, dass jede Galerie jedes Bild sehen kann und weiß, wo was ausgestellt ist. Dazu wird jedes Bild mit einer Artikelnummer versehen. Die Vorschaudatei des Scans kann direkt in die Datenbank gespeichert und von dort weiterberarbeitet werden. Das spart Zeit und macht den Digitalisierungsprozess effizient und einfach.

Reproduktion von Kleinauflagen

Neben dem digitalen Archiv profitiert davon auch die Firmen-Website, denn dort sind viele Werke der verschiedenen Künstler abgebildet.

Und auch die Social Media Profile auf Facebook und Instagram laden zum Reinschauen ein. Nicht zuletzt wird der Kunstscanner außerdem zur Reproduktion von Kleinauflagen im Siebdruck-Verfahren eingesetzt. Hier spielt die Farbgenauigkeit eine besondere Rolle und manch Künstler verfolgt den Druck, um abschließend eine Freigabe für den Verkauf zu erteilen.

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GalerieWalentowski, Die Galerie Walentowski aus Werl digitalisiert seit Ende 2017 ihre Bilder mit dem Kunstscanner. Foto: © Image Access GmbH

Einsatz in Archiven und Forschungseinrichtungen

Auch in Tschechien konnte der Kunstscanner bereits punkten. Die Palbric Art Foundation ist zugleich Archiv und Forschungseinrichtung. Sie wurde 2015 von Michael Cukier gegründet und ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Prag. Der Schwerpunkt der Palbric Art Foundation liegt auf Kunst und Kultur, sie repräsentiert die weltweit größte Sammlung von Milos Reindl Werken. Mit dem WideTEK® 36ART und dessen speziellem 3D-Modus lassen sich die verschiedenen Gemälde, Skizzen und Zeichnungen originalgetreu abbilden. Erster Kontakt mit diesem Kunden kam Ende 2018 im Nationalarchiv der Tschechischen Republik zustande. Auf der 19. Konferenz Archive, Museen

Entwicklung innovativer Scanner

Image Access ruht auch weiterhin nicht. Für die Zukunft steht ein „Face Lift“ einiger Scanner an und im nächsten Jahr wird es den ersten Scanner einer neuen Generation geben. Hier wird derzeit fleißig getüftelt, gebaut und getestet. Bei der

Oben: Bild: MilosReindl, Scan eines Milos Reindl Gemäldes mit dem 3D-Modus des WideTEK® 36ART

Standard versus 3DScan: Unten / Seite rechts: mit und ohne 3D-Modus

Fotos: © Image Access GmbH

diesjährigen Partner Conference, die zum 5. Mal stattfand und zu der alle zwei Jahre Vertriebspartner aus aller Welt anreisen, konnte der Prototyp bereits vorgestellt werden. Um welches Gerät es sich handelt, wird derzeit aber noch nicht verraten.

„Unsere Philosophie war und ist, Top-Produkte zu entwickeln, die einfach in der

Bedienung, aber hochwertig in Technik, Design und Verarbeitung sind. Mit jedem neuen Scanner bzw. jeder Weiterentwicklung stellen wir alles auf die Probe und schauen, wo wir noch besser werden können und was die Kunden in ihrer täglichen Arbeit perfekt unterstützt. Wir lassen uns daher Zeit und forcieren erst dann einen Markteintritt, wenn wir rundum zufrieden und selbst voller Begeisterung für das neue Produkt sind“, resümiert Geschäftsführer und Vertriebsleiter Rüdiger Klepsch.

Die nächste Möglichkeit, mit Image Access in Kontakt zu kommen und vor allem den Kunstscanner kennenzulernen, bietet sich vom 20. – 22. November auf der Messe EXPONATEC in Köln. Hier stellt das Wuppertaler Unternehmen aus und lädt die Besucher ein ihre Bilder mitzubringen und sich in Halle 3.2, Stand C060, live und in Farbe vom Scanresultat zu überzeugen. Image Access GmbH

Hatzfelder Straße 161-163

D-42281 Wuppertal

Tel. + 49 (0)202 270 58-0

sales@imageaccess.de www.imageaccess.de

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Entspiegeltes Glas

Besucher möchten das Kunstwerk sehen und nicht ihr Spiegelbild

Haben Sie dies schon mal beobachtet?

Ein Besucher steht vor einem Werk und bewegt den Kopf von links nach rechts? Der Grund: Spiegelungen im Glas, denn Glas als Trennung zwischen Bild und Betrachter hat einen großen Einfluss auf die Wirkung eines Bildes.

Warum überhaupt Glas? Viele Künstler würden am liebsten auf Glas verzichten, um den direkten Blick auf Ihr Werk zu gewährleisten. Doch gerade im musealen Bereich bietet hochwertiges Glas einen unverzichtbaren Schutz, beispielsweise vor Berührungen, Vandalismus, UV-Strahlung oder Staub. Gleichzeitig soll es bei der Betrachtung am liebsten unsichtbar bleiben. Den Spagat schafft interferenzoptisch entspiegeltes Glas oder auch Museumsglas genannt.

Der fast unüberschaubare Markt an verschiedenen Gläsern macht es nicht einfach das richtige Glas auszuwählen, um Ihren Besuchern den möglichst ungetrübten Blick zu bieten. Hinter den verschiedenen Glassorten steckt immer eine bestimmte Glasart in Kombination mit einer Oberfläche. Als Bilderglas sind drei Grundmaterialien (Normalglas, Weißglas und Acrylglas) mit jeweils drei verschiedenen Oberflächen (glänzend, matt, entspiegelt) gebräuchlich.

Glasarten:

„Normalglas“: Dieses günstige Glas hat durch seinen Eisenanteil einen geringen Grünstich, der zur leichten Farbverfälschung der gerahmten Werke führt.

„Weißglas“: Dieses Glas hat einen geringeren Anteil an Eisenoxid und ist dadurch wesentlich farbneutraler und eignet sich damit besser für die farbechte Präsentation von Bildern.

„Acrylglas“: Neben echten Gläsern kommt bei der Einrahmung oft „Acrylglas“ zum Einsatz. Die bekannteste Marke ist PLEXIGLAS®

Oberflächen:

Die Oberfläche verleiht den Gläsern erst ihre spezifischen Eigenschaften. Glänzende

Gläser haben eine glatte, glänzende Oberfläche. Es ist der günstige Standard, zeigt perfekte Konturschärfe und ist reich an Kontrasten – aber: das räumliche Umfeld spiegelt sich bei der Betrachtung des Bildes stark in der Glasscheibe.

Mattes Glas: Bei einseitig mattiertem Glas wird die Glasoberfläche üblicherweise auf nur einer Seite aufgeraut. Das Licht wird durch die ungleichmäßige Glasoberfläche gebrochen und erscheint matt. Im Ergebnis lässt sich das Bild blendfrei betrachtenaber: die Leuchtkraft der Farben geht verloren. Da sich der Effekt mit steigendem

Links im Rahmen: glänzendes Glas; Rechts im Rahmen: Entspiegeltes Glas. Ein spitzer Beleuchtungswinkel wirft Restreflektionen Richtung Boden, wodurch das Museumsglas Reflexionsfrei erscheint. Quelle: Tru Vue Inc.

Rechte Seite: v.l.n.r. Normalglas glänzend, Weißglas einseitig matt, Museumsglas entspiegelt gegenüber eines Fensters. Quelle: HALBE-Rahmen

Abstand zwischen Glas und Bildoberfläche verstärkt, müssen sich mattierte Gläser sehr nah an der Bildoberfläche befinden. Interferenzoptisch entspiegeltes Glas: Ähnlich wie bei einem Brillenglas bleibt die Glasoberfläche glatt und Reflexionen werden durch eine spezielle Beschichtung auf weniger als 1 % reduziert. Das Glas ist vollkommen transparent und das Bild bleibt originalgetreu zu betrachten. „Entspiegelte“ Gläser sind die optimale Lösung für ungetrübten Kunstgenuss.

Unsichtbares Glas durch ideale Beleuchtung

Eine interferenzoptische Entspiegelung reduziert Reflexion um über 99%. Wie stark die Restreflexion wahrnehmbar ist, hängt von Lichtstärke und Einstrahlungswinkel ab. Eine schwache, diffuse Beleuchtung mit geringem Lichtspektrum und im spitzen Winkel zur Glasoberfläche lassen Restreflexion verschwinden. Das Glas ist nicht mehr wahrnehmbar und ermöglicht einen ungestörten Blick auf das Bild. Direkt gegenüber von Fenstern sind entspiegelte Gläser nur bedingt geeignet, da hier die Restreflexionen wahrnehmbar sind. Hier wirken mattierte Gläser am angenehmsten.

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Voraussetzung ist natürlich, dass das Werk nicht selbst spiegelt. Bei hochglänzenden Fotopapieren wird die Papieroberfläche auch hinter Glas spiegeln. Besser sind dann mattiere Gläser oder direkt matte Papiere.

Es gibt kein perfektes Glas

Am Ende stellt sich die Frage: welches Glas ist das richtige für mich. Es gibt kein perfektes Glas, denn jedes hat seine Vorund Nachteile. Die Kunst ist, das zur Anwendung passende Glas zu wählen, das auch zum Budget passt. Dazu muss man sich über seine Anforderungen an Bildwiedergabe, UV-Schutz und Bruchfestigkeit gewiss sein.

Möchten Sie Ihren Besuchern den ungestörten Blick auf die Bilder bieten, sind interferenzoptisch entspiegelte Gläser die klare Empfehlung. Gerade Kunstliebhaber kennen die Wirkung von entspiegelten Gläsern und erwarten in Ausstellungen reflexionsfreien Kunstgenuss. Die Gläser sind auch günstiger als man denkt. In mittleren Formaten fallen nur Mehrkos-

ten von rund 40€ gegenüber einem Normalglas an. Was im Gesamtkostenblock einer Ausstellung nur ein kleiner Faktor ist. Dafür sind auch keine komplett neuen Rahmen notwendig. Bei vielen Rahmen und bei allen HALBE-Magnetrahmen lassen sich Gläser austauschen. Das reduziert die Modernisierungskosten deutlich. Eine gute Gelegenheit dafür ist z.B. ein Ausstellungswechsel.

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“A Day in the Museum“ wurde während der XI. Moskauer Internationalen Biennale “Fashion and Style in Photography“ erstmalig in diesem Frühjahr im Multimedia Art Museum in Moskau gezeigt. Die Ausstellung wurde von Olga Swiblowa – der Gründerin und Direktorin des MAMM – kuratiert und war bei Publikum und Presse ein großer Erfolg: Über 80.000 Besucher haben die Fotos gesehen. Im Anschluss an die Vernissage hat Gérard Uféras im Museum eine Masterclass geleitet.

Gérard Uféras zählt zu den wichtigsten Fotografen Frankreichs. Seit 1984 arbeitet er mit der Zeitung Libération zusammen. Seine nahezu ausschließlich in Schwarz-Weiß aufgenommenen Fotos werden regelmäßig in renommierten Zeitschriften und Zeitungen, wie Le Monde, Time Magazine, The New York Times, L‘Express, Beaux Arts Magazine, Madame Figaro, Paris Match, Corriere della Sera, The Independent Magazine veröffentlicht. Seine Bilder sind in wichtigen Sammlungen vertreten, wie der National Gallery in London, der Maison Européenne de la Photographie, Paris, der Bibliothèque nationale de France, Paris, dem Musée de l‘Elysée, Lausanne und dem Multimedia Art Museum Moskau. Gérard Uféras wurde mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet.

Links: © Gérard Uféras, Musée du Louvre, Paris, 2017 Blick auf die Nike von Samothrake

Oben: Gérard Uféras

Rechts: © Gérard Uféras Museum Berggruen, Berlin 2018.

Alberto Giacometti, „Der Platz II“, Bronze, 1948/49

„A Day in the Museum“

Ein Portrait von Anna Blume

89 Gérard Uféras

Oben, links: © Gérard Uféras, Grand Palais, „Artistes & Robots“, Paris 2018

Installation ‘Untitled’ von Peter Kogler

Rechts: © Gérard Uféras, Jüdisches Museum Berlin, 2018 Menashe Kadishman, Installation „Shalechet“

[Gefallenes Laub] im Memory Void

Unten: © Gérard Uféras, Centre Pompidou, Paris 2017. Pablo Picasso „Harlequin“, 1923.

Der Maler Joachin Salvado

Rechte Seite: © Gérard Uféras, Jüdisches Museum

Berlin, 2018

„Garten des Exils“ von Daniel Libeskind 49 Betonstelen mit Ölweiden bepflanzt auf einem quadratischen, um 12 Grad geneigten Grundriss

Olga Swiblowa hat anlässlich der Ausstellung von “A Day in the Museum“ in ihrer Pressemitteilung geschrieben:

„Gérard Uféras ist ein leidenschaftlicher Musikliebhaber und begeistert sich besonders für Oper und Ballett. In den späten 90er Jahren begann er, an einer Buchreihe über die bedeutendsten Opernhäuser der Welt zu arbeiten, und so gehörte Gérard Uféras natürlich zu den Starfotografen [Anm.d.Ü.: Sarah Moon und Peter Lindbergh] deren Bilder in dem Buch über den Umbau des Bolschoi-Theaters zu sehen sind.

In seinem neuen Projekt beschäftigt Uféras sich mit einem wichtigen kulturellen Phänomen unserer Zeit – dem Museum. Sein Interesse für dieses Phänomen ist kein Zufall.

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich einerseits Museen zusehends verändert, andererseits gibt es ein unglaublich großes Interesse an Kunst und das Publikum wird immer jünger. Museen dienen heute zunehmend als Veranstaltungsorte für Konzerte, Performances, Filmvorführungen und Dichterlesungen. Und auch die Nutzung für Vorträge und Bildungsangebote ist keine Seltenheit mehr.

Gérard Uféras handelt in diesem Projekt als Künstler, Anthropologe und Soziologe. Er beobachtet, erfasst und analysiert das Gesehene auf subtile und gleichzeitig humorvolle Weise. Seine Studie ist weit mehr als nur ein kluges, geistreiches Narrativ über die Besucher sehr unterschiedlicher Museen, vielmehr erhalten wir als Betrachter die Möglichkeit, uns selbst mit einigem Abstand zu betrachten und über unsere Beziehung zur Kunst nachzusinnen.“

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© Gérard Uféras, Musée d’Orsay, Paris 2017 Claude Monet, „Essai de figure en plein air: Femme à l‘ombrelle tournée vers la doite“, 1886 „Essai de figure en plein air: Femme à l‘ombrelle tournée vers la gauche“, 1886
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Das Gespür für den entscheidenden Augenblick

Gérard Uféras besitzt in außergewöhnlicher Weise das Gespür für den entscheidenden Augenblick, für das Cartier-Bresson den Begriff «saisir l’instant décisif» geprägt hat.

Schon zu Beginn seiner Karriere erhielt er die Möglichkeit, in großen Modehäusern wie Dior und Givenchy Backstage zu fotografieren und die täglichen Tagesabläufe zu dokumentieren. Dort hat er gelernt, unter extremen Lichtbedingungen dramatische Szenen einzufangen.

Uféras bekam die Carte Blanche, um in der Pariser Oper, dem Bolschoi-Theater in Moskau und dem Teatro alla Scala in Mailand Behind the Scenes zu fotografieren. Die Compagnie der Scala hat er über ein Jahr begleitet. Das Ergebnis dieser intensiven Arbeit erscheint demnächst als Fotoband.

Seine ersten Fotografien hat er im Alter von acht Jahren mit den Kameras seines Vaters gemacht. Seit seinem 11. Lebensjahr hat Gérard Uféras regelmäßig die

Pariser Museen besucht. Später hat er seinen Kindheitstraum erfüllt und die bedeutenden Museen der Welt bereist.

Begonnen hat er allerdings – neben dem Fotojournalismus – als Modefotograf, der schnell internationales Ansehen erlangte. Wie Hoyningen-Huene, Horst und Munkácsi, die für die bedeutendsten Modemagazine ihrer Zeit wie die französische Vogue und Harper’s Bazaar gearbeitet haben. Sie alle haben die moderne Frau in schlichter Eleganz fotografiert: sinnlich, anmutig und selbstbewusst, zugleich geheimnisvoll und rätselhaft.

Gérard Uféras‘ Bilder sind in Ausstellungen auf der ganzen Welt zu sehen; seine Bücher erscheinen bei etablierten Verlagshäusern wie Flammarion, Terre Bleue oder Rizzoli Publications.

Uféras arbeitet in der Tradition der großen französischen Fotografen und bleibt dennoch unverwechselbar einzigartig. Es gelingt ihm, den Betrachter immer wieder zu fesseln und zu überraschen. Cartier-Bresson hat einmal gesagt, wir sind Diebe, aber wir stehlen, um zu geben. Bei Uféras kommt nun als Besonderheit hinzu, dass seine Fotos nicht selten voller Situationskomik und Humor sind.

Willy Ronis, sein Mentor und Freund, beschreibt Uféras’ Arbeit mit den Worten: « On voudrait employer un mot très fort, mais on n’ose pas, alors on dit qu’on est devant le grand mystère qui se nomme la Grâce. » (Man ist versucht, ein sehr starkes Wort zu verwenden, wagt es aber nicht, so sagt man, man befinde sich vor einem großen Geheimnis, das als Gnade bezeichnet werden kann.).

Spurensicherung in den Museen

Wie Eugène Atget Paris um die Jahrhundertwende in seinen Streifzügen akribisch erkundet hat, sichert Gérard Uféras in seinen Dokumentationen Spuren in den Museen. Er selbst macht sich in diesem Terrain gleichsam unsichtbar. So gelingen ihm aus großer Distanz überraschende Beobachtungen in größter Nähe, und er fängt intime, immer wieder komische und humorvolle Einblicke in die Seele der Museumsbesucher ein. Einen besonderen Instinkt besitzt er für den offenen Blick der Kinder auf große Kunstwerke, zeigt aber auch, wie sie unbeeindruckt, zuweilen erschöpft, auf dem Boden oder einer Bank des Museums mit ihrem Stofftier spielen

oder einschlafen. Dabei sind seine Aufnahmen von fast zärtlicher Zugewandtheit. Das Museum wird zur Kulisse des Menschlich-Allzumenschlichen. Gérard Uféras fängt diese Momente in Vollendung ein und holt das Museum, das allzu häufig ein Mausoleum geworden ist, in lebendige Gegenwart zurück. Als Junge hat er geglaubt, dass ein Fotograf erst dann Fotograf sei, wenn er alte Damen mit ihren Hunden fotografiere.

Linke Seite: © Gérard Uféras, The Metropolitan Museum of Art – The Cloisters, New York 2018. „Heavenly Bodies: Fashion and the Catholic Imagination“

Links, oben: © Gérard Uféras, Centre Pompidou, Paris 2017. Cy Twombly, Retrospektive „50 Days at Iliam Shades of Achilles, Patroclus and Hector“ (1978), Part VI

Links, unten: © Gérard Uféras, Louvre-Lens „Amour“, 2019. Émile Auguste Carolus-Duran, „Le baiser“, 1868

Rechts, oben: © Gérard Uféras, Grande Galerie de l‘Évolution du Muséum National d’Histoire Naturelle, Paris 2017

Rechts, unten: © Gérard Uféras, Muséum National d’Histoire Naturelle, Galerie de Paléontologie et Anatomie comparée, Paris 2016

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Von diesem anrührend naiven Traum hat er sich im Verlauf seiner Karriere weit entfernt – gleichwohl kann man glauben, dass in seinen Fotos im nächsten Augenblick eine alte Dame mit ihrem Hund um die Ecke des Museums kommt.

Oben: © Gérard Uféras, Palais de Tokyo, Paris 2017

Taro Izumi, „Pan“

Links: © Gérard Uféras, Institut royal des sciences naturelles de Belgique, „Ours et Nounours“, Bruxelles 2019

Rechts: Anna Blume. © Die Hoffotografen, Berlin

Bibliographie Gérard Uféras

« Mezcal », Édtions Plume, France 1993

« The Visit », Photoworks, Grand-Bretagne 1996

« Opéra », Edition Braus, Heidelberg, Allemagne 1997

« Il Piccolo Teatro di Milano », Mondadori, Milano 1997

« L’Étoffe des rêves », Éditions du Collectionneur, France 2001

« The Fabric of Dreams », Édition Stemmle, Zürich 2002

« Un Fantôme à l’Opéra », Éditons du Collectionneur, France 2003

« Les coulisses du festival », Éditions Flammarion, France 2005

« Saint Gobain PAM 150 ans », Éditions d’entreprise, France 2006

« Un pas vers les étoiles », Éditions Flammarion, France 2007

« États de grâce », Les Éditions du Fantom, France 2009

« Paris d’amour », Éditions Castor et Pollux, France 2010

« Quelque chose en eux », Édition . Tof, France 2010

« Dior, 30 avenue de Montaigne », Terre Bleue, France 2012 [ausgezeichnet mit dem Top Fedrigoni Award, 2013]

« Dés comme Dior », Terre Bleue, France 2014

« Dior by Roger Vivier », Rizzoli International Publications, New York 2018

Gérard Uféras

contact@gerarduferas.com www.gerarduferas.com

Text: Anna Blume

CAB CommunicationAnnaBlume

Friedrichsruher Str. 34

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Tel. +49 (0) 170 416 3400

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Kunst in Miniatur –Antike Gemmen aus Bayern

Sonderausstellung der Archäologischen Staatssammlung München vom 12. Oktober 2019 bis zum 24. April 2020 in der Münchner Residenz.

Autorin: Dr. Des. Aaltje Hidding

„Der Ziseleur Priscus wünscht dem Gemmenschneider Campanus alles Gute!“ Ein Graffito aus Pompeji zeigt uns die freundlichen Grüße vom Steinschneider Priscus an den Gemmenschneider Campanus. Die beiden Berufe waren eng miteinander verbunden: wir dürfen davon ausgehen, dass Campanus als Steinschneider im Gemmenschnitt spezialisiert war. Während seines Arbeitstages schnitt, formte, polierte und gravierte Campanus Gemmen zu den kleinsten Kunstwerken, die aus der Antike bekannt sind.

Unten: Zwei Frauen besuchen einen Juwelier in Pompeji. Gemälde von Ettore Forti, Dall‘Antiquario Pompei, ca. 1880-1920. © Privatbesitz/ Foto 1000museums.com Links: Münchner Residenz. © Rudi Ernst

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Als antike Kunst in Miniatur haben Gemmen immer eine große Faszination ausgeübt. In der Römerzeit waren etwa Julius Cäsar und Kaiser Hadrian begeisterte Sammler.

Später gelangten solche Kleinodien auch in den Besitz mittelalterlicher Fürsten

Unten: Teil der Gemmensammlung der Archäologischen Staatssammlung München. © Archäologische Staatssammlung München/ Foto S. Friedrich

und in die Kirchenschätze. In der Renaissance inspirierten die auf den Gemmen eingravierten antiken Bilder Sammler und Künstler. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert kamen Gemmen vor allem als Schenkungen oder Ankäufe in die Museen.

Ab 12. Oktober 2019 zeigt die Archäologische Staatssammlung München in der Münchner Residenz ausgewählte Gemmen aus ihren Beständen. Das Besondere an diesen Stücken ist, dass wir von allen die archäologischen Fundorte und Fundumstände kennen, sie also in die antiken kulthistorischen Kontexte im Gebiet des heutigen Bundeslandes Bayern einordnen können.

Im 1. Jahrhundert n. Chr. eroberten die Römer das Land südlich der Donau als Provinz Rätien, mit Augsburg als Hauptstadt. Römische Soldaten bauten neue Straßennetze und gründeten Militärlager und Siedlungen. Ihre Ankunft hat die kulturelle Entwicklung des Alpenraums stark beeinflusst. Auch auf den Darstellungen der kleinen Gemmen finden sich Zeugnisse der neuen Kultur, die die Römer mitbrachten.

Achilles, Hercules und Theseus

Zumeist waren die Gemmen in Ringe gefasst, die verloren gingen. Gelegentlich lösten sich auch die Gemmen von den Ringen – so kennen wir eine Reihe von Funden aus Thermenanlage, wo sich offenbar durch die Temperaturunterschiede Gemmen aus ihren Ringfassungen lösten. Aber auch Soldaten in Militärlagen wie Dambach und Eining oder Siedlungen wie die auf

Oben:

dem Auerberg verloren gelegentlich ihre Ringe mit Gemmen. Die Darstellungen auf den Steinen zeigen häufig Bilder, die bei Soldaten beliebt waren: so etwa, die Helden Achilles und Hercules. Man kann sich vorstellen, dass ein Ring mit der Darstellung des Athener Helden Theseus, der sein Schwert prüft, ein passendes Geschenk für einen jungen Mann gewesen sein könnte, der seine Militärkarriere beginnt.

Gemme mit Achilles, der die Amazonen-Königin Penthesilea tötet. © Archäologische Staatssammlung München. Foto S. Friedrich

Andere Gemmen zeigen Szenen aus der griechischen und römischen Mythologie, wie dieses bekannte Bild der Zwillingsbrüder Romulus und Remus, der legendären Gründer Roms. Ihre Mutter war die Tochter eines abgesetzten Königs. Der neue König befürchtete, dass die Jungen ihn absetzen würden, sobald sie erwachsen waren, und ließ sie in den Fluss Tiber werfen. Aber die Kinder ertranken nicht. Eine Wölfin fand die Jungen unter einem Feigenbaum in der Nähe des Flusses und stillte sie, als wären es ihre eigenen Jungen. Die Gemme zeigt den Moment, als sie vom Hirten Faustulus entdeckt werden. Faustulus wird als alter Mann dargestellt, der eine kurze Tunika und einen Mantel trägt und sich auf einen Stab stützt. Die Gemme wurde in der früh gegründeten Siedlung auf dem Auerberg im Alpenvorland gefunden. Auch in diesem Fall kann man sich vorstellen, dass eine Gemme mit Roms Gründungsmythos ein passendes Geschenk für einen Römer gewesen sein könnte, der aufbrach, um in der neu eroberten Provinz sein Glück zu suchen.

Oben: Gemmen mit Hercules und Theseus. Unten: Eine Wölfin säugt die Zwillingsbrüder Romulus und Remus, die mythischen Gründer der Stadt Rom, unter einem Feigenbaum. Alle Fotos: © Archäologische Staatssammlung München/ Foto S. Friedrich

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Romulus und Remus

Göttinnen und Götter

Auch die Göttinnen und Götter wurden mit ihren charakteristischen Attributen auf Gemmen gezeigt. Jupiter der Donnerer hält ein Blitzbündel in einer und sein Zepter in der anderen Hand.

Vor seinen Füßen steht der zu ihm aufblickende Adler. Die Personifikation Bonus Eventus („Gutes Ergebnis“) hält eine Schale in der linken und zwei Ähren in der rechten Hand. Äskulap, der griechischer Gott der Heilkunst, stützt sich mit beiden Armen auf seinen Schlangenstab.

Merkur hält gesenkt den Stab, der ihn als Boten der Götter kennzeichnet. Amor, der Gott der Liebe, hat kleine Flügel auf seinem Rücken. Sol Invictus („unbesiegbare Sonnengott“) treibt die Pferde des Sonnenwagens mit der Peitsche zum Galopp an.

Symbol der Liebe und Freudschaft

Gemmen können auch Symbole der Liebe und Freundschaft zeigen: So wurde das Motiv der Handreichung als Geste der Verbundenheit häufig für Eheringe ver wendet.

Flora und Fauna

Auch die Welt der Natur mit Tieren und Pflanzen wurde auf Gemmen abgebildet. Jedem Einzelnen stand es frei, eine Illus tration zu wählen, die eine persönliche Bedeutung für ihn hatte.

Oben: Götterwelt, Unten Flora und Fauna. © Archäologische Staatssammlung München / Fotos S. Friedrich

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Gemmen als Siegel

Mit ihren zahlreichen individuellen Motiven wurden die Gemmen in der Antike als Siegel verwendet, ähnlich wie eine Signatur. In Ton oder Wachs gedrückt hinterließen sie einen Abdruck, der die Echtheit von Briefen und Dokumenten sicherstellte. So konnte etwa Kaiser Trajan die Briefe des Staatsmannes Plinius des Jüngeren an seinem Siegel eines Viergespanns erkennen.

„Alle benützen den Abdruck [der Gemmen] sowohl für öffentliche als auch private Briefe“, sagte der römische Staatsmann und Anwalt Cicero vor dem römischen Gericht im ersten Jahrhundert v. Chr. Es bestand jedoch immer die Gefahr von Betrug. Sein Klient, behauptete Cicero, sei das Opfer eines gefälschten Dokuments geworden: „Sobald ich das Wachs sah, war ich sicher, dass die dreiste Fälschung des ganzen Beweismaterials augenscheinlich und nachgewiesen war.“

Gemmen dienten nicht nur als Siegel, sondern wurden wegen der Schönheit ihrer Steine und der darin eingeschnittenen Miniaturbilder als Schmuck getragen, eingesetzt in Ringen, Ohrringen und Halsketten, und als Dekoration für kostbare Möbel, Waffen und Musikinstrumente verwendet.

Die Kabinettausstellung von Gemmen aus bayerischen Fundorten ermöglicht es den Besuchern, sich den vielfältigen Aspekten der Verwendung dieser Kleinodien im Leben der antiken Menschen zu nähern.

Links: Porträt einer Frau, die eine mit Gemmen besetzte Kette trägt © Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München

Foto: M. Franke

Oben: Steuerquittung mit Siegel, geschrieben auf Papyrus © University of Michigan, Foto L. Lau-Lamb

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Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum befand sich zwischen 2016 und 2019 im Wandel: Mit der Sanierung des Museums wurde auch die Dauerausstellung neu konzipiert. Der Umbau der Museumsräume und die Umsetzung der neuen Dauerausstellung sind seit Juli 2019 erfolgreich abgeschlossen. Vier Rundgänge führen nun durch das Haus: Steinkohle, Bergbau, Bodenschätze und Kunst vermitteln damit die Bandbreite des Leibniz-Forschungsmuseums für Georessourcen.

Die Rahmenbedingungen waren klar gesteckt: gut drei Jahre Zeit, rund 350.000 Objekte, die das Haus verlassen und eingelagert werden mussten, die Entwicklung und Umsetzung einer neuen Dauerausstellung mit vier neuen Rundgängen, die Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes im Bestand, die Umsetzung in zwei Bauabschnitten, die Aufrechterhaltung des Museumsbetriebs und ein klar definierter Kostenrahmen von 34 Millionen Euro. Im Juli 2019 sind diese Ziele erreicht worden.

„Wir haben uns und unser Haus in den vergangenen drei Jahren neu kennengelernt und befinden uns jetzt in einem Zustand freudiger Erwartung, die neue Dauerausstellung gemeinsam mit unseren Besucherinnen und Besuchern zu entdecken und auszuprobieren. Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum will mit den vier Rundgängen zeigen, wie umfassend das Thema Bergbau die Menschheit begleitet hat und weiterhin begleiten wird. Wir laden dazu ein, uns als Haus zwischen Tradition und Moderne zu entdecken, mit

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Deutsches Bergbau-Museum Bochum

Deutsches Bergbau-Museum Bochum komplettiert neue Dauerausstellung: Vier Rundgänge vermitteln nun die Welten des Bergbaus. Autorin: Wiebke Büsch

Oben: 01: 180°-Leinwand mit Ressourcenspiel im Forum des Deutschen Bergbau-Museums Bochum

Hintergrund: Einschienenhängebahn im Rundgang „Steinkohle“. Beide Fotos: © Helena Grebe

uns Geschichte zu verstehen und Zukunft zu gestalten“, so Prof. Dr. Stefan Brüggerhoff, Direktor des Deutschen Bergbau-Museums Bochum.

Die neue Dauerausstellung

Ein Team aus jungen Kuratorinnen und Kuratoren erarbeitete gemeinsam mit Ausstellungsgestaltern und Museumspädagoginnen Inhalte, Vermittlungs- und Präsentationsformen für die thematischen Schwerpunkte der neuen Dauer-

ausstellung: Geschichte der deutschen Steinkohle, Mensch und Bergbau epochen- und spartenübergreifend, Georessourcen sowie Kunst und Kultur im Bergbau. Zielsetzung der neuen Dauerausstellung war zum einen, die Vermittlung der vielfältigen und faszinierenden Welten des Bergbaus in eine zeitgemäße Form zu bringen, zum anderen stellte sich das Deutsche Bergbau-Museum Bochum der Herausforderung, Inhalte und Ergebnisse aus der eigenen Forschung spannend, lehrreich und informativ zu prä-

sentieren. Die neue Dauerausstellung will nun verschiedene Zielgruppen mit passgenauen Vermittlungsangeboten ansprechen. Ob als interaktives Spiel, multimediale Vermittlungsstation, Kinderspur oder Hands-on-Exponat – nachhaltig sollen die Inhalte der Dauerausstellung vermittelt werden. Die vier Rundgänge bieten durch ihre inhaltliche Bandbreite zudem Anreize, sich themenspezifisch und interessengelagert in die Welten des Bergbaus zu begeben – ob im Rahmen eines Tagesbesuchs oder in regelmäßiger Wiederkehr.

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Die Objekte

Über 3.000 Exponate – darunter Objekte des Montanhistorischen Dokumentationszentrums des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, Neuanschaffungen, Leihgaben und Schenkungen – werden in den vier Rundgängen in neuem Licht präsentiert. Die Vielfalt ist beeindruckend und spiegelt die Bandbreite der Sammlungen des Museums wider: Von der Großmaschine im Original und erläuternden (Technik-)Modellen bis zur Grubenlampe und dem so genannten Gezähe, über Archivalien wie Plakate, Urkunden, Filme und Fotografien bis zu Mineralien, Edelsteinen, Fossilien und archäologischen Funden hin zu Skulpturen, Gemälden, Laienkunst und einer Porzellansammlung. Ergänzt werden die klassischen Ausstellungsobjekte durch Medienstationen – z. B. mit Interview-Ausschnitten aus einem eigenen Oral-History-Forschungsprojekt – und Videoinstallationen sowie einem digitalen Spiel auf einer 180°-Leinwand.

Der Umbau

Die Besonderheit des Umbaus des Deutschen Bergbau-Museums Bochum bestand zum einen in der Tatsache, dass im Bestand und unter Denkmalschutzauflagen saniert wurde. Zum anderen sollte mit dem Umbau des Museums die Funktion als Ort der Begegnung, der Vermittlung und des Austauschs unterstützt und betont werden. Die Architekten besonnen sich dabei auf die ursprünglichen Pläne von Fritz Schupp aus den 1930er-Jahren. In dieser Rückbesinnung wurde gerade im Eingangsbereich und in der Mittelachse auf Helligkeit, Licht und Klarheit gesetzt, um den Gästen des Hauses Orientierung zu bieten und Services wie Gastronomie, Kasse und Information zu zentralisieren. Der 7t schwere Kohlebrocken von der Zeche Prosper-Haniel begrüßt nun im Entree, dank einem Glasdach von Tageslicht beschienen, die Besucherinnen und Besucher. Die Ausstellungsräume hingegen ermöglichen durch ihre Raum- und Farbstruktur jeweils ein Eintauchen in die verschiedenen Erlebniswelten des Bergbaus.

Rechts: Im Rundgang „Kunst“ befindet sich auch ein Porzellankabinett

Links: Steinkohlebrocken im Eingangsbereich des Deutschen Bergbau-Museums Bochum

Fotos: © Helena Grebe

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Die Architektur wurde dafür den Bedarfen der Rundgänge moderat angepasst: Wo früher ein Sitzungszimmer war, verbindet nun zum Beispiel eine Rampe das Erdgeschoss mit dem Tiefkeller.

Die engmaschige Abstimmung zwischen Ausstellungsgestaltung und Bauprozessen war daher unabdingbar und eine besondere Herausforderung angesichts des Zeit- und Kostenrahmens.

Die Rundgänge

„Steinkohle. Motor der Industrialisierung“

Empfangen werden die Besucherinnen und Besucher von dem Stammrest eines Schuppenbaumes aus dem Karbonzeitalter (ca. 306 Mio. Jahre) und einem raumfüllenden Ölgemälde, einer Landschaft zur Steinkohlezeit (1923). Mit dem Prolog beginnt der Rundgang, der die Geschichte des deutschen Steinkohlenbergbaus vermittelt. Denn wohl kaum ein anderer Wirtschaftszweig prägte wie der Stein-

Oben: Blick auf den Stammrest eines Schuppenbaumes aus dem Karbonzeitalter (ca. 306 Mio. Jahre) im Rundgang „Steinkohle“

Unten: Vorbei an einer Kauen- und Fotoinstallation gelangt man nun in den Tiefkeller. Fotos: © Helena Grebe

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kohlenbergbau so nachhaltig Geschichte, Wirtschaft, Umwelt, Sozialleben und Kultur. Im Verlauf des Rundgangs erzählen rund 600 Objekte von technischen Entwicklungen, sozialen Errungenschaften sowie gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen rund um die Steinkohle in Deutschland. Der Rundgang mündet im Epilog mit einem Blick in Gegenwart und Zukunft der Metropole Ruhr.

„Bergbau. Steinzeit mit Zukunft“

Rohstoffe begleiten den Menschen seit jeher. Ihre Gewinnung, Verarbeitung und Nutzung haben sich und die Menschheit im Laufe der Zeit verändert.

Die Erforschung dieser Themen ist Aufgabe des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, das 1977 zum Forschungsmuseum der Leibniz-Gemeinschaft wurde. Der zweite Rundgang vermittelt dies in vielfältiger Art und Weise: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Disziplinen Archäometallurgie, Bergbaugeschichte, Materialkunde und Montanarchäologie beleuchten die Geschichte des Bergbaus von der Steinzeit über die Antike bis in das Mittelalter, der Frühen Neuzeit über die Industrialisierung bis in die Gegenwart.

Gut 1.150 Objekte verdeutlichen, dass das Verhältnis des Menschen zum Bergbau auch das Zusammenspiel von tech-

Oben: Bernsteinfunde ausgestellt im Rundgang „Bergbau“

Mitte: Blick in den Rundgang „Bodenschätze“ der neuen Dauerausstellung

Rechts: Der Flach’sche Riss, kolorierte Federzeichnung eines Erzbergwerks im Rundgang „Bergbau“ (17. Jh.).

Beide Fotos: © Helena Grebe

nischer Weiterentwicklung und Lösungskompetenz sowie von Wissenserwerb und Macht ist.

„Bodenschätze. Ressourcen der Erde“

Bodenschätze sind – mit Ausnahme von Wasser – alle festen, gasförmigen oder flüssigen mineralischen Rohstoffe, die in natürlichen Ablagerungen oder Ansammlungen, den sogenannten Lagerstätten, vorkommen. Man findet sie in oder auf der Erde, auf dem Meeresgrund, im Meeresuntergrund sowie im Meerwasser. Ihre Vorkommen sind endlich. Doch für den Menschen haben sie einen hohen Nutzen. Die heutige technikorientierte Welt wäre ohne Georessourcen nicht denkbar. Damit hat ihre bergbauliche Gewinnung über und unter Tage auch einen hohen wirtschaftlichen Wert. Der Rundgang bietet anhand von rund 950 Exponaten die Gelegenheit, Vielfalt und Einsatzmöglichkeiten von Rohstoffen zu erkunden. Er sensibilisiert auch dafür, dass die Nutzung von Georessourcen Vor- und Nachteile hat. Damit ist ihre Nutzung auch eine Frage der Nachhaltigkeit und der Verantwortung.

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Bergbau und Kunst sind eng miteinander verbunden, ohne dass die Branche je zentrales Motiv der bildenden Kunst wurde. Im 17. und 18. Jahrhundert hatte Bergbau für die Herrscherhöfe große wirtschaftliche Bedeutung, so entstand eine Fülle bergbaulicher Prunkgegenstände. Mit der Industrialisierung rückten zunehmend die Bergleute und der Industriezweig selbst in den Fokus. Kunstwerke entstanden aus eigener Verbundenheit mit der Branche oder als konkrete Auftragsarbeit. Die Bandbreite der knapp 400 Exponate reicht von Werken renommierter Kunstschaffender bis hin zur Laienkunst vom 17. bis zum beginnenden 21. Jahrhundert. Skulpturen, Gemälde und Grafiken werden durch kunstgewerbliche und -handwerkliche Objekte ergänzt. Bewusst erfolgt in diesem Rundgang keine Hierarchisierung.

Vielmehr fragt er nach der Bedeutung der Kunstwerke für bestimmte Personenkreise

und rückt damit die diversen Motivationen, Kunst zu schaffen, in Auftrag zu geben und auszustellen, in den Mittelpunkt.

Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum – Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen

Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum – gegründet 1930 – ist eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft. Erforscht, vermittelt und bewahrt wird epochenübergreifend die Geschichte der Gewinnung, Verarbeitung und Nutzung von Georessourcen. Zu den forschenden Bereichen gehören: Archäometallurgie, Bergbaugeschichte, Materialkunde, Montanarchäologie sowie das Forschungslabor und das Montanhistorische Dokumentationszentrum (montan.dok).

Die Förderer

Die Sanierung des Nordflügels und die Neugestaltung der Rundgänge „Steinkohle“ und „Bergbau“ wurden von der RAG-Stiftung im Rahmen des Projektes „Glückauf Zukunft!“ mit 15 Mio. Euro gefördert. Die Sanierung des Südflügels

und die Neugestaltung der Rundgänge „Bodenschätze“ und „Kunst“ wurden im Rahmen der Bund-Länder-Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen mit 12,6 Mio. Euro finanziert. Beide Maßnahmen wurden ferner in Höhe von jeweils 3,2 Mio. Euro durch die Träger des Hauses gefördert: die Stadt Bochum und die DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH.

Weitere Informationen:

www.bergbaumuseum.de/neu

Öffnungszeiten

Di bis Fr: 08:30 – 17:00 Uhr

Sa, So und feiertags: 10:00 – 17:00 Uhr

geschlossen: montags sowie am 01.01., 01.05., 24. bis 26.12. sowie 31.12. letzte Grubenfahrt: 15:30 Uhr

letzte Turmfahrt: 16:30 Uhr

Deutsches Bergbau-Museum Bochum

Am Bergbaumuseum 28 (Europaplatz) 44791 Bochum

www.bergbaumuseum.de/information

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„Kunst. Ideal und Wirklichkeit“
Oben: Im Rundgang „Kunst“ werden Laienkunstwerke und solche renommierter Kunstschaffender miteinander kombiniert. Foto: © Helena Grebe

BENQ PROJEKTOREN UND DISPLAYS

Museum 4.0: Unsere Lösungen für Ihr Museum

Mit BenQ Projektoren und Displays können Sie Erlebnisräume schaffen und Wissen interaktiv kommunizieren. Werden Sie Teil der digitalen Entwicklung und ermöglichen Sie Ihren Besuchern eine kreative Art des Lernens. Realisieren Sie mit BenQ eine individuelle und einzigartige Lösung, die ideal zu Ihrer Kulturinstitution passt.

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Luxus, Liebe, Blaue Schwerter

Sonderausstellung im Deutschen Keramikmuseum in Düsseldorf vom 21. September bis 19. Januar 2020.

Autorin: Valentina Meissner

Das Hetjens - Deutsches Keramikmuseum, Schulstraße 4, zeigt sich im Jubiläumsjahr seines 110-jährigen Bestehens in besonderer Pracht: Die Sonderausstellung „Luxus, Liebe, Blaue Schwerter“ veranschaulicht die Faszination des Rokoko stilgerecht im Palais Nesselrode. In einer Inszenierung mit historischen Porzellanen, Möbeln und Gemälden werden im Großen Saal des Palais Kostbarkeiten des Hetjens, der Galerie Röbbig sowie aus Privatsammlungen vom 21. September bis 19. Januar 2020 präsentiert.

Foto: © Landeshauptstadt Düsseldorf/Wilfried Meyer

Das 18. Jahrhundert ist als „das Galante“ bekannt. Keine andere Epoche wird derart mit Luxus und Raffinesse in Verbindung gebracht. Der nach dem alles dominierenden Muschelornament benannte „style rocaille“ überwindet die Schwerfälligkeit des Barock und kommt insbesondere in der angewandten Kunst zum Ausdruck. Das Repräsentativ-Pompöse des Stils Louis XIV. verschwindet unter Louis XV. zugunsten von Intimität und Leichtigkeit. Im Rokoko wird das Interieur als Gesamtkunstwerk angesehen. Dessen einzelne Elemente wie Möbel, Gemälde und Porzellan sollen sich in ihrer Wirkung gegenseitig steigern, um auf diese Weise einen Gesamteindruck von größter Eleganz und Raffinesse zu erzielen.

Der Beginn der Herrschaft Louis XV. bescherte Frankreich eine Epoche des Friedens und wachsenden Wohlstands. Frankreich mit dem Hof in Versailles war zu dieser Zeit für ganz Europa stilbildend.

Oben: Der polnische Handkuss; Modell: Johann Joachim Kändler, 1743; Ausformung und Staffierung: um 1745; Meissen; Privatsammlung, © Horst Kolberg, Düsseldorf Hintergrund: Blick in die Ausstellung © Landeshauptstadt Düsseldorf/Wilfried Meyer

Im galanten Umgang der Zeit spielten auch kostbare Geschenke eine bedeutsame Rolle und wurden als „Galanteriewaren“ bezeichnet. Glanz und Kostbarkeit standen bei den Galanteriewaren im Vordergrund. Ganz besonders im Werkstoff Porzellan haben diese verspielten Kostbarkeiten Ausdruck gefunden. Die Manufakturen wie Meissen, Nymphenburg

In der Hauptstadt Paris offerierten die „marchands merciers“, die Luxuswarenhändler, Kunstwerke, die weit über die Landesgrenzen hinaus Begehrlichkeiten weckten. Ein ganzer Wirtschaftszweig war damit beschäftigt, immer neue und raffinierte Kleinodien zu entwickeln, die

Oben: In einer Inszenierung mit historischen Porzellanen, Möbeln und Gemälden werden im Großen Saal des Palais Kostbarkeiten des Hetjens, der Galerie Röbbig sowie aus Privatsammlungen präsentiert. Linke Seite: Blick in die Ausstellung. ©Landeshauptstadt Düsseldorf/Wilfried Meyer

und Sèvres wetteiferten in der Erfindung von verspielten Dosen, Flakons und Liebesgruppen. Um den Wert des „Weißen Goldes“ zu unterstreichen, wurden die Meissener Porzellane in Paris in feuervergoldete Bronzen montiert und mit Porzellanblumen aus Vincennes geschmückt.

Prachtvolle Montierungen aus vergoldeter Bronze zieren auch die Möbel des Rokoko. Alle geraden Linien scheinen bei Kommoden und Schränken aufgelöst zu sein und werden durch wie scheinbar zufällig gewachsene Konturen ersetzt. Die Oberflächen erzählen mit feinsten Intarsien aus exotischen Hölzern oder glänzenden Lacken aus dem Fernen Osten ganze Geschichten.

In der Galerie Röbbig, München, Kooperationspartner und Hauptleihgeber, hat sich der Geist dieser Zeit bewahrt und der Besucher gewinnt einen Eindruck vom Luxus sowie von der Feinheit der Kunst des 18. Jahrhunderts.

Die Sonderausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Prinzessin Ira von Fürstenberg und Prinz Amyn Aga Khan.

Hetjens – Deutsches Keramikmuseum

Düsseldorf

Schulstraße 4

40213 Düsseldorf

Tel 0211 - 8994210

hetjensmuseum@duesseldorf.de www.duesseldorf.de/hetjens

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Pendule Dame u. Kavalier; Modell: Johann Joachim Kändler, um 1737; Ausformung/Staffierung: um 1742–44; Meissen; Uhr: Gudin le Jeune (gest. 1789), Feuervergoldete, ziselierte Bronzemontierung, Paris, 1745–49; Porzellanblüten, Vincennes; Privatsammlung, © Christian Mitko, München

Der zweite Blick: Spielarten der Liebe

Eine integrierte Ausstellungsreihe der Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst – Staatliche Museen zu Berlin in Kooperation mit dem Schwulen Museum. Von September bis März 2020. Autoren: Mechtild Kronenberg, Markus Farr

„Der zweite Blick“ ist eine neue Ausstellungsreihe, die sich anhand aktueller gesellschaftsrelevanter Themen mit der Dauerausstellung des BodeMuseums auseinandersetzt. Besucher*innen werden auf thematischen Routen angeregt, die Kunstschätze der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst neu und anders zu entdecken. „Spielarten der Liebe“, der erste Teil der Reihe, wirft einen zweiten Blick auf Werke, die sich mit der Vielfalt sexueller Identitäten befassen.

Das Bode-Museum ist mit seinen bedeutenden Skulpturbeständen vor allem ein Museum des Menschen – keine andere Kunstgattung bildet ihn in seiner physischen Erscheinung, seiner körperlichen Präsenz und seinem individuellen Aussehen so charakteristisch ab. Die Skulpturensammlung und das Museum für Byzantinische Kunst umfassen 1.500 Jahre europäischer Kunst- und Kulturgeschichte und eignen sich daher besonders für eine Reihe wie „Der zweite Blick“, die menschliche Identitäten und ihre bildnerische Darstellung thematisiert.

„Spielarten der Liebe“, der erste in Kooperation mit dem Schwulen Museum entwickelte Teil der Reihe, ermöglicht einen zweiten Blick auf Sammlungswerke, die sich mit der Vielfalt sexueller Identitäten, ihrer Wahrnehmung, Bewertung und künstlerischen Verarbeitung befassen. Fünf thematische, das Bode-Museum umspannende Routen zeigen, dass aktuelle LGBTQI*- Themen in der Kunstgeschichte stets präsent waren, wenngleich sie oftmals übersehen oder ignoriert wurden, und dass mit sexuellen Identitäten in verschiedenen Epochen und gesellschaftlichen Kontexten unterschiedlich umgegangen wurde.

* LGBTQI: Abkürzung für Lesbian, Gay, Bi, Trans, Queer und Intersex

Links: Giambologna, Mars Gradivus, um 1580, Bronze, © Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / Jörg P. Anders

Rechts: Während der Live-Performance bei der Auftaktveranstaltung – unterwegs mit Gästen des BodeMuseums. Foto: © Uwe Strauch

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Die erste Route spürt den Grenzen zwischen Männlichkeit, Heldentum und Bisexualität nach. Der Kriegsgott Mars galt in der Antike als das wichtigste Vorbild für Männlichkeit. Seine Ehe mit der schönsten aller Göttinnen hielt Mars allerdings nicht davon ab, zahlreiche Affären mit sterblichen Männern einzugehen. Auch bei der Darstellung von christlichen Soldaten, etwa den „Vierzig Märtyrern von Sebaste“ aus dem 10. Jahrhundert, finden sich Szenen der physischen Nähe und Zuneigung. Die zweite Route folgt Kunstwerken von männlichen homosexuellen Künstlern oder solchen, die homosexuellen Kreisen nahe standen oder mit

homoerotischen Sujets arbeiteten. So führt diese Route u.a. zu einer Bronzeskulptur des italienischen RenaissanceMeisters Donatello (ca. 1386–1466), der den alttestamentlichen Helden David in der Kunstgeschichte erstmalig als attraktiven, androgynen Jüngling zeigt. Männliche homosexuelle Auftraggeber stehen im Fokus der dritten Route, darunter Preußens König Friedrich II. (1712–1786), der zeitlebens vertraute Beziehungen zu Männern seines Hofstaats pflegte. Eine überlebensgroße Marmorstatue nach einem Original von Johann Gottfried Schadow zeigt Friedrich in der kleinen Kuppel des Bode-Museums.

Links: Konstantinopel, Mittelteil eines Triptychons mit den vierzig Märtyrern von Sebaste, 10. Jh., Elfenbein, © Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / Jürgen Liepe

Mitte: Donatello, David mit dem Haupt Goliaths, Mitte 15. Jh., Bronze, © Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / Antje Voigt

Rechts: Franz Tübbecke, Friedrich II. der Große, Kopie nach einem Original von Johann Gottfried Schadow, 1904, Marmor, © Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / Antje Voigt

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Die vierte Route führt zu Darstellungen von weiblicher Intimität und erotischer Liebe unter Frauen – häufig dargestellt im mythologischen Sujet der Nymphen.

Diese wurden oft nackt beim Baden, Schlafen oder in erotischer Zuneigung zueinander gezeigt, wie etwa im Relief „Der Sturz des Phaeton“ von Simone Mosca (ca. 1523–1578). Verweise auf weibliche

Homosexualität im Mittelalter sind hingegen rar. Der bewusste Verzicht auf eine heterosexuelle Beziehung war für viele Frauen Ausgangspunkt für ein Martyrium, das zur Heiligsprechung führte – so auch in der Legende der heiligen Margarete, die sich weigerte zu heiraten, um ihr Leben vollständig und selbstbestimmt Gott zu widmen.

Oben: Simone Mosca, gennant Il Moschino, Der Sturz des Phaeton, um 1560, Marmor, © Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / Jörg P. Anders

Rechts: Mitglied der Gruppe „House of Saint Laurent“ bei der Live-Performance am 5. September 2019 im Bode-Museum.

Foto: © Uwe Strauch

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Die fünfte Route setzt sich schließlich mit der Frage auseinander, inwieweit sich die Zuschreibung eines Geschlechts bei einer Person aufrechterhalten lässt.

Wandlungen und Mehrdeutigkeiten im Hinblickt auf die Geschlechtszugehörigkeit sind als Themen in den Sammlungen des Bode-Museums umfassend präsent. Unabhängig davon, ob Kunstwerke christliche oder mythologische Motive aufweisen, bezeugen sie regelmäßig den seit jeher vorhandenen Drang zur Darstellung sämtlicher Spielarten der Liebe. Der Bandbreite dieses Themas war man sich schon in der Antike bewusst, was sich etwa in der Doppelnatur der griechischen Liebesgöttin Aphrodite (lateinisch Venus) ausdrückt.

In den Erzählungen zu den antiken griechischen Göttern, der Mythologie, besaß Aphrodite eine mehrdeutige Persönlichkeit verschiedenen Ursprungs: Als Aphrodite Pandemos, Tochter des Göttervaters Zeus (lateinisch Jupiter) und der Dione, verkörperte sie die körperliche Liebe der sinnlichen Freuden. Für die emotionale Liebe mit Körper und Seele stand sie als Aphrodite Urania, die dem Meeresschaum entstiegen war, den das abgeschnittene Genital des Gottes Uranos verursacht hatte. Innerhalb dieser Doppelnatur waren beide Seiten der Aphrodite gleichrangig. Um dennoch zwischen den beiden Persönlichkeiten unterscheiden zu können, wurde Aphrodite Urania mit einem Himmelsglobus dargestellt, der ihre eher spirituelle Natur repräsentierte. Einen solchen findet man zum Beispiel zu Füßen der Urania von Giambologna (1529–1608), die ihren nackten Körper gedankenverloren und eher halbherzig mit einem Tuch bedeckt.

Dass die Aphrodite Urania ohne jegliches Zutun einer Frau, also eingeschlechtlich, entstanden war, griff mit Karl Heinrich Ulrichs (1825–1895) ein Vorkämpfer der Rechte Homosexueller auf. Im Jahr 1864, also noch bevor der Begriff »homosexuell« zum ersten Mal öffentliche Verwendung fand, entwickelte er für seine Forschungen über das Räthsel der mannmännlichen Liebe den Begriff des »Urning« (auch »Uranier«, weibl. Form: »Urninde«), der den Anspruch gleichwertiger Daseinsberechtigung zum heterosexuellen »Dioning« in sich trug. Ulrichs basierte seine Argumentation dabei unter anderem auf jene zwei Naturen der Liebe,

Links: Giambologna, Mars Gradivus, um 1580, Bronze, © Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / Jörg P. Anders

Rechte Seite, mitte: Heilige Lucia (Detail des Zamser Retabel), um 1485. © Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst der Staatlichen

Rechts: Osnabrück, Heilige Kümmernis, um 1520, © Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / Antje Voigt

die der griechische Philosoph Platon (428/427–348/347 v. Chr.) in seinem Text Symposium diskutiert hatte.

Während Aphrodite selbst zur uneingeschränkten Bewunderung der weiblichen Reize herangezogen werden konnte, gab es zugleich auch eine ebenfalls weit zurückreichende Tradition, den Körper der Frau als unrein und sündenbehaftet zu erachten. Wichtige frühchristliche Autoren wie Augustinus (354–430) und Hieronymus (347–420) eröffneten Frauen jedoch einen Ausweg aus diesem vermeintlichen Problem: Durch geistige Standhaftigkeit und Entsagung ihrer Weiblichkeit konnten sie nämlich zumindest eine Art von allegorischem Mannesstatus erlangen. Bereits der Apostel Paulus hatte in seinem Brief an die Galater ausgeführt, dass durch die Taufe nicht nur alle Grenzen der ethnischen, religiösen und sozialen Herkunft, sondern auch des Geschlechts überwunden würden: »Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.«

Im Laufe der Jahrhunderte interpretierten Gelehrte diese Worte entsprechend den Regeln ihrer jeweiligen patriarchalen Gesellschaften. So überrascht es kaum, dass die christliche Heiligsprechung von Frauen der Transformation und Auslöschung ihrer Körper gleichkam, die ihr Geschlecht gleichsam aufhob und sie gewissermaßen zu »nicht-Frauen« oder »fast-Männern« machte. Selbst wenn diese heiligen Frauen letztlich durch Enthauptung starben, wurden sie doch üblicherweise im Moment der auf ihre Sexualität abzielenden Folter dargestellt.

Andere christliche Schriften – wie die im 13. Jahrhundert entstandene Sammlung von Heiligengeschichten der Legenda aurea (Goldene Legende) – forderten hingegen beide Geschlechter dazu auf, die mystische Vereinigung mit Christus anzustreben und all seine Tugenden und Werte wie Hoffnung, Glaube, Liebe, Tapferkeit und moralische Festigkeit zu leben. Hierbei war es unerheblich, dass die ersten drei als typisch weibliche und die letzten zwei als vorwiegend männliche Eigenschaften galten. Trotz der klar definierten Rollen von Frauen und Männern gab es somit im Mittelalter also auch

eine gewisse Durchlässigkeit zwischen den Geschlechtern.

In den Genderwissenschaften wird heute üblicherweise zwischen biologischem (sex) und sozialem Geschlecht (gender) unterschieden. Eine vergleichbare Perspektive bietet auch schon das Mittelalter. Heilige Frauen wie Ursula, Katharina, Agatha und Margarete durchliefen passiv eine aufgezwungene Wandlung ihres sozialen Geschlechts. Andere frühe weibliche Märtyrerinnen übernahmen eine aktive Rolle bei diesem einschneidenden Wandel durch ihre freiwillige Transformation. Dies war der Fall bei den heiligen Lucia und Wilgefortis, die beide als Frauen geboren wurden und dann bewusst ihre Geschlechtszugehörigkeit ablegten, um ihr Leben Gott zu weihen.

Nach den verschiedenen Überlieferungen durchlitt Lucia ihr Martyrium während des 1. Jahrhunderts in der Stadt Syrakus auf Sizilien. Die bekehrte Christin wurde mit einem »Heiden« verlobt, der sie aufgrund ihres Glaubens an die Römer verriet. Zur Strafe wurde sie vergewaltigt, von einem Ochsengespann über den Boden geschleift, in siedendem Öl gebadet, mit einem Dolch in die Kehle gestochen und schließlich enthauptet. Die Legende der heiligen Lucia wurde mit der Zeit ausgebaut, und im 15. Jahrhundert fügte man eine weitere Episode hinzu: Da Lucia aufgrund ihrer wunderschönen Augen ständig von Männern umworben wurde, riss sie diese aus, um ihren Liebreiz zu vernichten und somit ihre Jungfräulichkeit zu bewahren. Seitdem symbolisieren Lucias Augen ihre Lossagung vom weiblichen Geschlecht. Auf dem rechten Flügel des Zamser Altars aus dem 15. Jahrhundert ist Lucia als attraktive, selbstbewusste Frau dargestellt, die in ihrer linken Hand einen Teller hält. Einstmals lagen ihre –heute verschollenen – Augen auf dem Teller. Sie präsentiert sie Gott und weist hierdurch dem Betrachter den Weg zur Heilsfindung.

Die Geschichte der heiligen Wilgefortis (je nach Region und Sprache entspricht sie der heiligen Kümmernis, Uncumber, Liberata oder Librada) entstand um 1400 durch die Verschmelzung verschiedener populärer religiöser Legenden mit einer ikonographischen Umdeutung.

Erstere handelten von der Verwandlung einer Frau in einen Mann, Letztere war in Umkehrung die Umwandlung eines Mannes in eine Frau. Laut der Legende wollte die Prinzessin Wilgefortis jungfräulich bleiben und ein christliches Leben führen. Um ihrer Zwangsheirat mit einem »Heiden« zu entkommen, bat sie Gott um Hilfe, der ihr einen Bart wachsen ließ.

Daraufhin löste ihr Verlobter nicht nur das Eheversprechen, Wilgefortis wurde außerdem zum Tode am Kreuz verurteilt – ein Martyrium, das eigentlich Männern vorbehalten war.

Der zweite Impuls hat seinen Ursprung im heute verlorenen Sacro Volto (heiliges Antlitz), das früher in Lucca aufbewahrt wurde. Es war ein im Mittelalter sehr bekanntes Kultbild und beliebtes Pilgerziel. Die nur selten zur Schau gestellte Holzskulptur stammte vermutlich aus dem 12. Jahrhundert und zeigte den gekreuzigten Christus mit Bart und in ein langes Gewand gekleidet, das mit kostbaren Edelsteinen geschmückt war. Der alten östlichen Bildtradition für Christus am Kreuz folgend, wurde Jesus hier als König, mit geöffneten Augen und eine purpurfarbene Tunika tragend, dargestellt. Neben einer langen Haartracht besaß er recht feminine Züge. Kopien dieser Skulptur im nördlichen Europa wurden offenbar als gekreuzigte bärtige Frau missdeutet. Im niederdeutschen Ausdruck »hilge Vartz«, der wörtlichen Übersetzung des italienischen »Sacro Volto«, könnte dabei der Ursprung des Namens Wilgefortis liegen. Mit Brüsten versehen und in ein Frauengewand gekleidet, tritt uns die als Kümmernis benannte Heilige in der im Bode-Museum verwahrten Fassung unmissverständlich als Frau gegenüber.

(5. Route: Auszug Ausstellungskatalog)

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Das im Jahr 2012 als „House of Melody“ gegründete Kollektiv ist das erste deutsche House und ein Pionier für Ballroom-Kultur in Deutschland.

Seit Juli 2019 besteht die Gruppe als Teil des 1982 in NYC gegründeten „Iconic House of Saint Laurent“, eines der fünf ältesten noch bestehenden originalen Ballroom Houses.

Unter der künstlerischen Leitung von Georgina Philp schafft das Kollektiv Räume für Ballroom und Voguing, eine Kultur, die ihren Ursprung in der afroamerikanischen / Latino- Gay- und Transgender-Szene hat.

Foto: © Uwe Strauch

Das Schwule Museum ergänzt das Projekt durch die Leihgabe von zwei Tanzmarken aus dem Berliner Tanz- und Travestie-Club „Eldorado“ aus den 1930er-Jahren. Mit diesen eigens vom Club geprägten Münzen konnten die Besucher*innen die Künstler*innen zwischen den Show-Darbietungen zum Tanz auffordern.

Die „Spielarten der Liebe“ können vor Ort anhand von Infoblättern erforscht werden und stehen als Online-Katalog zur Verfügung. Die Themen werden von September 2019 bis März 2020 im Rahmen einer Vortragsreihe vertieft, die von der Hannchen-Mehrzweck-Stiftung, dem Instituto Cervantes Berlin und der Botschaft von Spanien in Deutschland gefördert wird.

„Der zweite Blick“ wird unterstützt von Museum&Location. Termine und weitere Infos unter: www.smb.museum/derzweiteblick.

Zur Auftaktveranstaltung am 5. September 2019 zeigte das Kollektiv Iconic House of Saint Laurent – Pioniere der Ballroom-Kultur in Deutschland – die Performance „HE R E“.

Ein kostenfreier Ausstellungskatalog steht online zur Verfügung: www.smb.museum/derzweiteblick.

Unsere modularen Ausstellungswände und Wandsysteme in Leichtbauweise ermöglichen dem Besucher einen einzigartigen Blick auf Ihre Exponate und sorgen für Aufsehen –flexibel, individuell und nachhaltig.

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Das Futurium in Berlin

Am 5. September eröffnete das Futurium im Zentrum Berlins. Roboter-Menschen, grüne Hochhäuser, gemeinwohlorientiertes Wirtschaften: Es gibt unendliche Möglichkeiten, über Zukunft nachzudenken.

Fotos: © Ali Ghandtschi

Links: Foyer Futurium. Rechts: Ein Wirbelsturm stimmt als Raumbild auf die Zukünfte ein Über der Treppe zur Ausstellung befindet sich eine raumgreifende Installation. Das an einen sich nach oben drehenden Wirbelsturm erinnernde Gebilde steht symbolisch für die expotenziale Entwicklung bestimmter globaler Prozesse, die sich in den letzen 200 Jahren immer schneller vollziehen. Zu diesen Prozessen gehören z. B. das Artensterben, der Anstieg des CO²-Ausstoßes oder das Bevölkerungswachstum.

Fotos: © Uwe Strauch

Eine Gegenwart – viele Zukünfte

Das Futurium ist ein Haus der Zukünfte. Hier dreht sich alles um die Frage: Wie wollen wir leben? In der Ausstellung können Besucher viele mögliche Zukünfte entdecken, im Forum gemeinsam diskutieren und im Futurium Lab eigene Ideen ausprobieren.

Schon heute wissen wir: In der Zukunft müssen wir große Herausforderungen bewältigen. Wie können wir den Klimawandel in den Griff bekommen? Welche Technologien wollen wir künftig nutzen? Wie wollen wir als Gesellschaft zusammenleben – gibt es Alternativen zum „Höher-Schneller-Weiter“? Zukunft entsteht auch durch unsere Entscheidungen und unser Handeln in der Gegenwart. Das Futurium möchte deshalb alle Besucher dazu ermutigen, sich mit Zukunft auseinanderzusetzen und Zukunft mitzugestalten.

Im Futurium haben Interessierte viele Möglichkeiten, sich einzubringen: Die Ausstellung stellt unterschiedliche

Zukünfte vor. Besucher können in den Denkräumen Technik, Natur und Mensch spannende Zukunftsoptionen entdecken und eigene Haltungen zu umstrittenen Themen entwickeln.

Im Forum kommen Wissenschaftler, Künstler, Visionäre, Macher und ganz einfach Neugierige zusammen, um inspirierende Debatten zu führen und sich in immer neuen Formaten mit Zukunftsfragen auseinanderzusetzen.

Das Futurium Lab ist ein Ort zum Ausprobieren: In kreativen Workshops können sich Besucher aller Altersgruppen spielerisch mit Zukunftstechnologien beschäftigen und an neuen Erfindungen tüfteln. Im Showcase stellen Zukunftsmacher ihre Ideen vor.

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Drei große Denkräume

Die ungewöhnliche und umfassende Ausstellung erstreckt sich über eine Fläche von 3000qm. Der gerne auch mehrfache Besuch ist kostenfrei. In drei „Denkräumen“ werden durch große Raumbilder ganz verschiedene Atmosphären und Handlungsräume geschaffen.

In dem „Denkraum Mensch“ kann sich jeder Besucher mit der Frage auseinandersetzen, wie er durch eine Veränderung des eigenen Verhaltens eine positivere Zukunft gestalten kann. Die überall verteilten kleinen „Häuser“ und Sitzflächen sowie partizipative Angebote mit Medien wie Stiften, Papier und Kreide laden zum gemeinsamen und analogen Ausprobieren ein.

Der „Denkraum Technik“ zeigt die Möglichkeiten neuer Technologien und wie durch diese eine bessere Zukunftsgestaltung zu erreichen ist. Dieser Ausstellungsbereich unterscheidet sich schon rein optisch von den anderen Bereichen, denn er verfügt durch hinterleuchtete weiße Wände und verschiedenartige Medienstationen über eine ganz eigene „sachliche“ Ästhetik. Hier kann man verschiedene digitale Medien wie beispielsweise Augmented-Reality-Anwendungen nutzen. Außerdem gibt es intuitive Projektoren, die man mit Handgesten steuern kann.

Der dritte Ausstellungsbereich, der „Denkraum Natur“, wird dominiert durch eine organisch wirkende mehrteilige und generative Raumarchitektur aus Holz. Hier kann sich jede Besucher damit auseinander setzen, wie man ein Leben im besseren Einklang mit der Natur führen und von dieser lernen kann. Bei der Planung und Umsetzung der Ausstellung legte das Team des Futuriums gemeinsam mit den Ausstellungsgestaltern einen ganz besonderen Wert darauf, eine „Übertechnologisierung“ zu vermeiden. Es wurde vielmehr darauf geachtet, einen leichten Zugang zu dem komplexen Wissen und zu den teilweise sehr verschiedenen Ideen zum Thema Zukunft zu vermitteln. Im Futurium konnte dies durch einen Mix aus analogen und digitalen Medien erreicht werden. Dabei spielt das Alter der Besucher keine Rolle, denn jeder kann die Ausstellung speziell den eigenen Interessen nach erkunden.

Schon im Foyer sind die Besucher dazu eingeladen, ihre eigenen Zukunfts-Wünsche zu formulieren. Die Wünsche werden per Tastatur eingeben und erscheinen auf dem Grund des Wunschbrunnens. Dort tauchen außerdem Worte mit einem ähnlichen inhaltlichen Kontext auf. Ein KI-Algorithmus erkennt Wortbeziehungen und die Beziehungen der Wünsche untereinander und bildet sie nebeneinander ab. Auf diese Weise werden die individuellen Wünsche der Besucher in eine kollektive Sammlung aufgenommen und miteinander verbunden.

Foto oben links: © Uwe Strauch. Unten und Rechts: © Ali Ghandtschi

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Ausstellungsbereich „Denkraum Natur“. Foto: © Uwe Strauch

Mit dem Token-Armband über Zukunftsentwürfe abstimmen und Wissen sammeln

Bevor man die Ausstellung betritt, kann jeder Besucher ein Token-Armband mit integriertem Chip erhalten. Im Futurium gibt es verschiedene Stationen, an denen man dieses Armband einsetzen kann, beispielsweise um eine Bewertung zu Zukunftsentwürfen abzugeben oder weitere Informationen zu bestimmten Themen zu erhalten. Umso weiter man der Ausstellung folgt, umso deutlicher wird die eigene Haltung zur Zukunft und zu möglichen zukünftigen Entwicklungen. Hat man das Ende der Ausstellung erreicht, kann man durch die Rückgabe des Armbands eine „Zukunftsmaschine“ in Bewegung setzen. Dafür erhält man eine mit einem individuellen Motiv bedruckte Karte – je nachdem, wie man abgestimmt hat. Jede dieser Karten ist mit einem persönlichen Code versehen, mit dem man nach dem Besuch über ein Webinterface zusätzliche Informationen zu genau den Themen erhalten kann, die einen in der Ausstellung besonders fasziniert haben.

Futurium gGmbH

Alexanderufer 2, 10117 Berlin Tel. +49 (0)30 408 18 97 77 info@futurium.de, www.futurium.de

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Fotos: © Uwe Strauch

Koblenz – Mittelrhein-Museum

Vom Beruf zur Berufung. Die Familie Verflassen zwischen Barock und Biedermeier. Eröffnung 18.10. 19 Uhr

19. Oktober 2019 – 2. Februar 2020

Die wenigsten Künstler um 1800 arbeiteten isoliert nur für sich, meistens waren sie in verschiedene Netzwerke eingebunden, denen sie entscheidende Impulse verdankten. Bei manchen Künstlern, deren Gesamtwerk nur bruchstückhaft überliefert ist, bietet die Erkundung des sie umgebenden Netzwerkes oft die beste Möglichkeit, das Besondere ihres Schaffens überhaupt hervortreten zu lassen. Das gilt auch für die Künstlerfamilie Verflassen, deren Schaffen durch die Ungunst der Überlieferung heute nur wenig bekannt ist. Die Verflassens stammten ursprünglich aus der Gegend von Nijmegen/Niederlande. Die Familie kam im 17. Jahrhundert ins Rheinland und ist Ende des 17. Jahrhunderts in Langenschwalbach im Taunus wohnhaft. In der weit verzweigten Verwandtschaft sind seit dem 18. Jahrhundert über mehrere Generationen Maler nachzuweisen. Teile der Familie waren über Jahrzehnte im Koblenzer Raum tätig, wo ihre Malerei insbesondere in Kirchen überliefert ist. Stammvater der Koblenzer Linie ist Johann Jakob Christian Verflassen (1755-1825), der es zum Hofmaler der Herzöge von Nassau brachte. Sein Sohn Johann Jakob Ignaz Verflassen (1797-1868) entwickelte sich zum größten Talent der Familie. Zur Familie Verflassen gehörte auch Ernst Verflassen (1808-1844), der in München studierte und sich als Architekturmaler einen Namen machte. Die Ausstellung wird erstmalig die Netzwerke der gesamten Familie beleuchten und die überlieferten Gemälde und Zeichnungen in einer Ausstellung zusammenzutragen versuchen. Die Ausstellung wird sich nicht rein biografisch an den einzelnen Familienmitgliedern orientieren, sondern in Themenkreise gegliedert sein. Ein ausführlicher Blick soll auf die Künstlerausbildung des Zeitalters geworfen werden. In diesem Bezugsrahmen wird die Künstlerfamilie im Zusammenhang ihrer Zeitgenossen als Ganzes überhaupt wieder sichtbar gemacht.

Mechernich – LVR-Freilichtmuseum Kommern

Bartning.Bartning.Bartning – Architekt der Moderne

6. Oktober 2019 – 25. Oktober 2020

Die Ausstellung zeigt das Werk von Otto Bartning (1883-1959), einem der Begründer der Bauhaus-Idee und ein Protagonist des modernen Kirchenbaus. Im Zentrum der Schau steht Bartnings Beitrag zur Entwicklung des seriellen Bauens. Bis heute einzigartig ist das von ihm ab 1945 entwickelte Notkirchenprogramm.

Die Modernisierung der Architektur und der Bauproduktion ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein wichtiges Anliegen der reformorientierten Architekten. Vorbild ist die industrielle Produktion der Automobilindustrie in Amerika. Architekten übertragen die Arbeitszerlegung und serielle Fertigung auf die Bauproduktion in Europa. Es entstehen Wohnbauten nach industriellen Herstellungsmethoden.

Otto Bartning ist an dieser Entwicklung wesentlich beteiligt. Er überträgt die industrielle Produktion auch auf den Kirchenbau und entwickelt richtungsweisende Siedlungs- und Sozialbauten. Bei aller Funktionalität und Ökonomie versucht er der menschlichen und spirituellen Dimension stets Raum zu geben.

Als Teil des Notkirchenprogramms konstruiert Bartning ab 1950 den kleineren Typ Diasporakapelle. Die baulichen und konzeptionellen Besonderheiten des Notkirchenprogramms, die in der Ausstellung aufbereitet werden, können anhand eines originalen Bauwerks auf dem Museumsgelände nachempfunden werden. Denn 2018 wurde eine Diasporakapelle aus Overath in das LVR-Freilichtmuseum Kommern transloziert und im Juli 2019 eröffnet.

LVR-Freilichtmuseum Kommern, Eickser Straße, 53894 Mechernich-Kommern, www. kommern.lvr.de, kommern@lvr.de, Tel. 02443 / 99800 365 Tage im Jahr geöffnet: April – Oktober 9-19 Uhr, November bis März 10-17 Uhr

Foto: @ Otto-Bartning-Archiv TU Darmstadt

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J. J. I. Verflassen - Selbstbildnis, um 1823, Privatbesitz FFM
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Ausstellungen
Mittelrhein-Museum, Zentralplatz 1, 56068 Koblenz, www.mittelrhein-museum.de, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10:00 bis 18:00 Uhr.

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20.-22. Nov 19 in Köln

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