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20 Jahre Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

Alle für einen – einer für Alle! – Gemeinsam sind wir stark. Autorin: Anja Köhler

„Einer für Alle – Alle für einen!“, dieses Motto verbindet eigentlich niemand mit der Museumswelt. Für den 1.1.1999 ist es jedoch bezeichnend. An diesem Tag wurde die Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH im Osten Sachsens durch vier Gesellschafter mit dem Ziel gegründet, kleinen Museen im ländlichen Raum eine Möglichkeit zum Überleben zu bieten. Bis zum Jahre 2005 zählten dazu das AckerbürgerMuseum Reichenbach, das Dorfmuseum Markersdorf, das Granitabbaumuseum Königshainer Berge und das Schloss Königshain. Seit 2005 ersetzt Schloss Krobnitz nach seinem Ausscheiden das Schloss in Königshain. Sitz der gemeinnützigen Gesellschaft ist das Dorfmuseum Markersdorf, das gleichzeitig auch das älteste der vier Häuser ist. Gegründet wurde die Gesellschaft durch den damaligen Niederschlesischen Oberlausitzkreis und die Gemeinden Markersdorf, Königshain und Reichenbach.

Dorfmuseum Markersdorf

Die Gründung des Dorfmuseums in Markersdorf geht auf eine Schenkung aus dem Jahr 1988 zurück. Die Eigentümerin überließ den Vierseithof dem damaligen Kreis Görlitz mit der Auflage, ein Museum zu gründen. In der Folge konstituierte sich ein Förderverein, der schließlich im Jahr 1992 das Schlesisch-Oberlausitzer Dorfmuseum Markersdorf feierlich eröffnen konnte. In dem etwa 250 Jahre alten Vierseithof öffnet eine Kleinbauernwirtschaft mit ihrer vollständig erhaltenen Einrichtung ein Tor in die Vergangenheit. Alle Wohn- und Wirtschaftsräume sind so gestaltet, als wäre der Bauer mit dem Gesinde auf dem Acker und könne jeden Augenblick zurückkehren. Die tierischen Bewohner des Hofes verstärken mit ihrem Blöken, Grunzen und Wiehern diesen Eindruck auf ihre Weise. Der Bauerngarten mit seinen nahezu vergessenen Gemüsesorten und würzigen Kräutern erinnert sehr anschaulich an seine Aufgabe, den kärglichen Speisezettel einer kleinbäuerlichen Wirtschaft zu verbessern. In einem umgesetzten Ausgedingehaus ist eine Dorfschule aus der Zeit um 1900 eingerichtet. Hier können Schüler und Jugendliche in einer Schulstunde der besonderen Art erfahren, wie ihre Urgroßeltern schreiben und rechnen lernten. Die Einzigartigkeit des Dorf- museums Markersdorf begründet sich in der aktiven Vermittlung überlieferter Bräuche und traditioneller Arbeiten in der Landwirtschaft. Deshalb orientieren sich die Veranstaltungen vom Flegeldrusch im Winter bis zum Schlachtfest im Spätherbst am bäuerlichen Jahreslauf.

Linke Seite, oben: straßenseitige Ansicht des Wohnhauses im Dorfmuseum Markersdorf, 2006;

Unten: Internationaler Flegeldruschwettbewerb im Dorfmuseum Markersdorf, 04.03.2018; © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

Rechte Seite, links: Blick in den Bruch I in den Königshainer Bergen, 2011;

Rechts: Luftverdichter im Granitabbaumuseum Königshainer Berge, 2009; © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

Granitabbaumuseum Königshainer Berge

Drei Jahre nach dem Dorfmuseum Markersdorf wurde in der etwa 12 km entfernten Gemeinde Königshain das Granitabbaumuseum Königshainer Berge durch den Heimatverein Königshain und engagierte ehemalige Steinarbeiter gegründet.

Inmitten einer reizvollen Landschaft vermittelt das Museum Einblicke in die Arbeits- und Lebensbedingungen der Steinarbeiter in den Königshainer Bergen. In einem ehemaligen Sozial- und Schmiedengebäude kann sich der Besucher über die schwere Arbeit in den Steinbrüchen informieren.

Mit viel Liebe zum Detail eingerichtet, erfährt hier der Interessierte den gesamten Werdegang des Steins vom Bruch bis zur Verarbeitung als Pflaster. Ein zweiter Teil der Dauerausstellung widmet sich der Geologie der Königshainer Berge und erläutert die Entstehung und Besonderheiten des Königshainer Granits.

Im Außengelände des Museums sind drei so genannte „Steinmetzbuden“ zu sehen, die mit ihrer Einrichtung die Tätigkeit der Pflastersteinschläger nachvollziehbar und wirklichkeitsnah darstellen. In einem wieder errichteten Gebäude sind Maschinen zur Steinbearbeitung ausgestellt. Der tonnenschwere Luftverdichter im Kompressorenhaus ist ein imposantes technisches Denkmal und lässt den Aufwand erahnen, der für die Versorgung der Steinbrüche mit Druckluft notwendig war.

AckerbürgerMuseum Reichenbach

1998 gründete der Heimatverein Reichenbach nach 6 Jahren Arbeit das AckerbürgerMuseum Reichenbach, das eine Tradition in der Stadt wiederaufnahm, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückreicht. Auch hier bildete die Schenkung eines Gebäudes die Grundlage für die Museumsgründung.

In dem kleinen, original wieder aufgebauten Haus mit seinem Hof und Garten kann in das Leben der so genannten „Ackerbürger“ um 1900 Einblick genommen werden. Neben ihrer Arbeit in der Fabrik, in Handel und Gewerbe, betrieben die Einwohner Reichenbachs zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes eine bescheidene Landwirtschaft im Nebenerwerb. Die engen Räume lassen die einfachen Verhältnisse ihrer einstigen Bewohner wieder spürbar werden.

In den Hofgebäuden befinden sich weitere Ausstellungsteile. Dabei sollte der Werkstatt eines Glasdrückers besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden. Der kleine Garten mit Blumen, Gemüse und Kräu- tern ist als typische Anlage eines Ackerbürgergartens gestaltet und enthält eine Auswahl an Bienenweidepflanzen.

Schloss Krobnitz

Schloss Krobnitz wurde seit dem Jahr 2002 aufwendig durch die Gemeinde Reichenbach saniert und ist seit 2005 Teil der Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH. Umgeben von einem Landschaftspark erhebt sich der imposante Bau des Krobnitzer Schlosses, das ab 1873 der preußische Kriegsminister und Generalfeldmarschall Albrecht Theodor Emil Graf von Roon sein Eigen nannte. Er ließ es durch Aufstockung des Mansardgeschosses mit Flachdach und Balustrade in ein neoklassizistisches Gebäude umgestalten. Graf von Roon erweiterte den Park und legte im hinteren Parkteil eine Familiengruft an, die 1876 eingeweiht wurde. Sein Sohn Waldemar bebaute diese Gruft

Linke Seite, o.: straßenseitige Ansicht des Museums, 2018

Unten: Blick in die Küche des AckerbürgerMuseums Reichenbach, 2007;

Rechte Seite, oben: Schloss Krobnitz. Die gegliederte Putzfassade kopiert in ihrem Erscheinungsbild das Berliner Kriegsministerium, 2012;

Unten: Bis 2011 lockte die Hochzeitsmesse jährlich mehrere Tausend Besucher nach Schloss Krobnitz, die sich Anregungen für den schönsten Tag im Leben holen wollten, 2011;

Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund mit einer neogotischen Kapelle, die jedoch 1980 dem Abbruch zum Opfer fiel. Der Einbau von Wohnungen nach 1945 zerstörte die einstige Raumstruktur des Schlosses leider nahezu vollständig. Bis 1990 schritt der Verfall der Gesamtanlage trotz unterschiedlicher Nutzungen fort. Seit der Sanierung empfiehlt sich der Landsitz für alle, die das Besondere suchen. Ausstellungen, Vorträge und Ver- anstaltungen sind inzwischen längst ein fester Bestandteil des kulturellen Angebotes im Landkreis Görlitz. Längst kein Geheimtipp mehr ist das Schloss für junge Brautleute, die sich hier das Ja-Wort geben und gleichzeitig stilvoll feiern wollen. Ein Trauzimmer im Stile der Gründerzeit und der Festsaal für etwa 100 Personen bieten den geschmackvollen Rahmen für diesen besonderen Tag.

Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

Nach ihrer Gründung wurden das Dorfmuseum Markersdorf, das Granitabbaumuseum Königshainer Berge und das Ackerbürgermuseum Reichenbach rein ehrenamtlich und mit Unterstützung durch verschiedene Maßnahmen des Arbeitsamtes betrieben. Um jedoch auf dem Markt weiterhin bestehen zu können, musste die Museumsarbeit professionalisiert werden. Allen Gesellschaftern war klar, dass das allein nicht zu meistern war! Aus diesem Grund wurde die Gründung eines Museumsverbundes ins Auge gefasst, wobei anfangs über verschiedene Gesellschaftsformen nachgedacht wurde. 1999 nahm die Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH ihre Arbeit auf. Derzeit hat sie 5 festangestellte Mitarbeiter, die von einer Vielzahl Ehrenamtler sowie auch weiterhin durch Maßnahmen des Jobcenters unterstützt werden.

Neben den klassischen Museumsaufgaben widmen sich die Mitarbeiter mit Hingabe der Pflege der Parkanlagen, der Betreuung des Tierbestandes und der Vermittlung historischen Brauchtums. Aber auch die Betreuung von Brautpaaren und Festgesellschaften gehört zum Tagesgeschäft. Eine Vielzahl von Veranstaltungen und museumspädagogischen Angeboten lockt jährlich tausende Menschen an. Seit 1999 haben rund 300.000 Besucher den Weg in eines der vier Häuser gefunden. Kammerkonzerte, Gartenfeste, Wanderungen, Sommerfeste, Flegeldruschwettbewerb und Schlachtfest stellen nur einige wenige Höhepunkte dar. Mit etwa 30 ständigen museumspädagogischen Angeboten ist das Spektrum breit gestreut. MuseumsBabys kommen ebenso auf ihre Kosten wie Senioren. Der Leitsatz der Museumsarbeit in der Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH lautet „Museum macht Spaß“! Besonders die aktive Wissensvermittlung steht dabei im Vordergrund.

Links: Manfred Graf von Roon wuchs in Schloss Krobnitz auf und besucht heute noch sein einstiges Elternhaus, 2017;

Oben: Bei einem Steinmetz-Workshop mit der Bildhauerei Sauermann dürfen die Teilnehmer selbst handanlegen und lernen so die schwere Arbeit im Steinbruch kennen, 2019;

Unten: „Sauber?! – Heute wird gewaschen“ ist nur eines der zahlreichen museumspädagogischen Angebote im Dorfmuseum Markersdorf, das die mühsame Arbeit auf einem Bauernhof zu Beginn des 20. Jahrhunderts verdeutlicht, 2012;

© Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH

Etwa 4.000 Teilnehmer museumspädagogischer Angebote jährlich, vor allem Kinder und Jugendliche, können nicht irren. Der Zusammenschluss der vier Museen bedeutete jedoch nicht nur auf personeller Ebene eine Professionalisierung, sondern auch in Bezug auf die Akquirierung von Fördermitteln. Nur im Verbund konnten die Museen die deutschlandweit einmalige Förderung durch das Sächsische Kulturraumgesetz anstreben und erfolgreich beantragen.

Seit nunmehr 20 Jahren behauptet sich die Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH auf dem Kulturmarkt im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien. Immer wieder treten weitere Museen an die Gesellschaft heran und erkundigen sich nach der Möglichkeit, ebenfalls ein Teil des Museumsverbundes zu werden. Denn die Chancen eines sol- chen Zusammenschlusses kleiner Museen vor allem im ländlichen Raum sind nicht zu unterschätzen. Durch feste Zuschüsse in Form von Gesellschafteranteilen gibt es eine jährliche gesicherte finanzielle Zuwendung, die die Grundaufgaben eines derartigen Unternehmens absichern hilft. Das geschlossene Auftreten im Verbund – gleich dem Motto „Einer für Alle – Alle für Einen“ – hilft gegenüber Fördermittelgebern, aber auch bei der Vermarktung und der effektiven Ressourcennutzung. Gleichermaßen lässt sich ein größeres Zielgruppen-Spektrum erreichen, als dies als Einzelkämpfer möglich wäre. Bei näherem Hinsehen erkennt man den roten Faden, der die derzeit vier Museen thematisch verbindet: der Mensch! Und nicht nur der Mensch in der Vergangenheit steht im Mittelpunkt.

In der Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH werden durch viele engagierte und höchst motivierte Menschen Angebote für interessierte und begeisterungsfähige Menschen geschaffen!

AckerbürgerMuseum Reichenbach

Görlitzer Straße 25 02894 Reichenbach

Dorfmuseum Markersdorf

Kirschstraße 2 02829 Markersdorf

Granitabbaumuseum Königshainer Berge

Dorfstraße 163 b 02829 Königshain

Schloss Krobnitz

Am Friedenstal 5

02894 Reichenbach OT Krobnitz www.museum-oberlausitz.de

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