12x12 // Soundscapes

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SOUNDSCAPES Viviana D窶連ngelo



GERÄUSCHE FESTHALTEN?

„Was wird mit den Geräuschen passieren, denen niemand mehr lauschen wird? Stimmen und Geräusche in den Kaffeeplantagen, Zucker-Raffinerien, den Maisfeldern, in den Dschungeln und Wäldern … in Pantheons, archäologischen Stätten und in den Städten – was wird mit all diesen Kulturelementen passieren, deren Zusammenspiel eine wirkliche, kraftvoll beeindruckende Vielfalt ergibt …”1 In den sich rasant verändernden Geräuschlandschaften unserer Welt gibt es endlos viele Geräusche, die täglich aussterben – gemeinsam mit den Tieren, die sie produzieren, Kulturen und Sprachen, die sie artikulieren, niedergeschmettert von der Modernisierung und Industrialisierung und der Beschleunigung sozialer Veränderungen. Alle zehn Tage stirbt im Durchschnitt eine Sprache aus – mit ihr verschwindet die gesamte kulturelle Identität einer (sogenannten) kulturellen Minderheit, mitsamt ihrer Traditionen, Glauben, Ritualen und Lebensformen. 1 Zitat aus: Ruiz Llaven, C. E., in Archivo Sonoro, <http://www.archivosonoro.org/ documentos/?Acerca_de_nosotros>, [20.09.2010], eigene Übersetzung


Einrichtungen wie die sogenannten „Phonotheken“ gibt es schon seit der Erfindung des Radios. Ähnlich den Bibliotheken sammeln sie historisch relevante Dokumente im Audioformat, um interessierten Zuhörern den Zugang dazu zu gewährleisten. Eine relevante und wirkliche Kenntnisnahme und Wertschätzung auditiver Inhalte als Teil unseres Kulturerbes geschieht allerdings erst seit relativ kurzer Zeit: 2006 setzte die UNESCO einen großen Meilenstein in dieser Entwicklung mit der Gründung der „Convention for the safeguarding of the Intangible Cultural Heritage“. Diese fordert auf, jenen riesigen Teil des Kulturerbes zu schützen, der ungreifbar ist, ihn zu respektieren und bewusst wahrzunehmen. All diese unsichtbaren Stücke Kultur, die kollektive Erinnerungen in sich tragen und das Leben einer Kulturgruppe durchströmen und charakterisieren: Nicht nur die aussterbenden Sprachen der Eingeborenen im tiefsten Amazonas-Dschungel also, nicht nur die exotischen Klänge der Kaffeeplantagen oder der Musikinstrumente, die man kaum mehr kennt.


Auch eine Straßenkreuzung einer Großstadt, die Kasse in einem Kaufhaus, ein Kinderspielzeug, ein Traktor auf dem Hopfenfeld, das Hallen der Schritte oder das leise Surren der Seismographen im Museumssaal sowie das Plätschern des Brunnens in der Heimatstadt – all diese Töne und Klänge, an denen wir im Alltag unberührt vorbeigehen, werden in einigen Jahren ganz anders klingen. Wenn sie überhaupt noch klingen. Das Gute ist: Noch können wir sie festhalten.

AUFNEHMEN

Ton aufnehmen kann man heutzutage mit verschiedenen Endgeräten – sei es mit einem Computer, einem Smartphone, einem Tablet oder dem dazu designierten Aufnahmegerät. Möchte man ein Mikrophon benutzen, so sind omnidirektionale Mikros die bessere Wahl, da sie die Landschaft ringsum (und nicht nur aus einer Richtung) aufnehmen. Ein Windschutz (das sind diese haarigen Aufsätze, die man manchmal bei Filmteams sieht) hilft zudem, das Geräusch von einfallendem Wind zu mildern.


APPS

Für Smartphones stehen für die gängigen Betriebssysteme wie iOS (Apple) und Android (Google & div. Hersteller) viele Apps zur Verfügung, mit denen Audiodateien aufgezeichnet werden können. Grundsätzlich eignet sich jede Sprachaufzeichnungs-App, oft auch als „Diktiergeräte-App“ oder „Sprachmemo-App“ bezeichnet. Eine entsprechende Suche in den jeweiligen AppStores zeigt die ganze Bandbreite auf. Empfehlenswert ist, die Apps einfach auszuprobieren und zu schauen, in wie weit Bedienkomfort und Sound-Qualität den eigenen Ansprüchen genügen. Wichtig ist, dass sie über eine Exportfunktion (und sei es per E-Mail) verfügen, um die aufgenommenen Dateien in anderen Programmen weiter verarbeiten zu können. Es gibt allerdings auch spezielle Audio-Apps, die eine größere Funktionsvielfalt mit sich bringen. Mit diesen können beispielsweise der Eingangspegel reguliert, das Dateiformat gewählt oder auch kleinere AudioSchnittprojekte durchgeführt werden.


Hindenburg: Eine für Radiojournalisten konzipierte Software für Mac und PC. Der Hersteller hat außerdem eine App im Angebot, die sehr komfortabel und in guter Qualität Audiosignale aufnimmt. Während des Aufnehmens können Kapitelmarken gesetzt werden, was die spätere Auffindbarkeit bestimmter Stellen in der Aufnahme erleichtert. www.hindenburg.com Røde: Der Mikrofonhersteller bietet eine App an, die gut mit dem für Smartphones erhältlichen Lavalier(Ansteck-)Mikrofon von Røde harmoniert. Eine Vielzahl von Einstellmöglichkeiten sorgt dafür, dass auch bei wechselnden äußeren Rahmenbedingungen gute Ergebnisse erzielt werden können – beispielsweise durch eine Gain-Anpassung (Vorverstärkung des Mikrofons). www.rode.com Spreaker: Diese Plattform macht Podcasting einfach und schnell. Die dazu gehörende App bietet eine Auf-


nahme- und Upload-Möglichkeit. Die Dateien werden als „Episoden“ bezeichnet und können unterschiedlichen „Shows“ zugeordnet werden, was für diejenigen praktisch ist, die thematisch unterschiedliche Bereiche in ihren Podcasts abdecken möchten. Die Episoden werden direkt in der App fertig gestellt – inklusive Titel und erklärendem Text, Verschlagwortung und Episodenfoto. Einzelne Episoden und ganze Shows lassen sich in Websites oder Blogs einbinden. www.spreaker.com

SCHNEIDEN

Cutmp3.net ist eine Webseite, auf der man Ton schneiden kann. Wer also eine MP3-Datei zerteilen möchte, dabei aber nicht erst ein Programm auf dem Computer installieren will oder kann, der ist hier bestens aufgehoben: Webseite besuchen, dort die Datei angeben und schon kann man diese direkt im Browser schneiden. Die Klangqualität bleibt dabei völlig unangetastet.


Auphonic ist ein Onlinedienst, der hilft, Audiodateien (besonders mit vokalen Inhalten) akustisch zu verbessern, mit Meta-Informationen zu versehen und anschließend ins Netz oder auf die eigenen Rechner zu verteilen. Besonders im Podcasting-Bereich erfreut sich Auphonic großer Popularität. Auphonic ist für bis zu zwei Stunden Nutzung im Monat kostenfrei. Audacity ist eine kostenlose, weit verbreitet Software für die tiefgreifende Bearbeitung von Musikstücken und Klangdateien. Hier kann man sehr viele Dateiformate lesen und speichern, darunter die beliebten verlustfreien WAV und AIFF. Die Aufnahme von Stimmen und Instrumenten, die Nutzung von Klangeffekten und mehr sind damit möglich. Audacity funktioniert mit allen Betriebssystemen.

VERÖFFENTLICHEN, SAMMELN, VERNETZEN Soundcloud definiert sich als Plattform, auf der „Sound creators“ ihre eigens hergestellten Audioda-


teien hochladen, aufnehmen, verbreiten und teilen können. Allerdings können hier nicht nur Musiker, Bands und Komponisten ihre Musik der digitalen Welt vorstellen – auch Geräuschlandschaften tauchen nun vermehrt auf der beliebten Soundplattform auf. Wir haben mit „Sounds of Rembrandt“ ebenfalls einen Anfang gewagt: http://myrembrandt.de/2014/07/22/ sounds-of-rembrandt/

FORMATE

WAV ist eins der ältesten Audioformate. Man benutzt es vor allem, um unkomprimierte Audio-Tracks in CDQualität abzuspeichern. Normalerweise digitalisiert man Audiodateien von CDs als WAV-Dateien. Man kann sie dann mit einem Audio-Converter zu MP3s umwandeln. MP3 (MPEG Layer-3) ist das wohl bekannteste und am meisten verbreitete Audioformat. Beim Abspeichern einer Audiodatei als MP3 werden Frequenzen, die für das menschliche Ohr nicht hörbar sind, gekürzt. Somit



reduziert sich die Dateigröße. Auch wenn es mittlerweile mehrer Formate gibt, die MP3 im Hinblick auf das Verhältnis von Dateigröße zu Klangqualität übertreffen, wird MP3 wegen seiner weiten Verbreitung, Beliebtheit und Kompatibilität mit den meisten Geräten immer noch bevorzugt. WMA (Windows Media Audio) ist ein Format der Microsoft Corporation. Es wurde zu Beginn als Alternative zu MP3 auf den Markt gebracht. Unabhängige Tests haben jetzt allerdings die vermeintlich höhere Kompressionsrate in Frage gestellt. OGG ist ein offenes Format und unterstützt Audiokodierung durch unterschiedliche Codecs. Was die Qualität der hiermit abgespeicherten Audiodateien betrifft ist OGG mit MP3 vergleichbar - Allerdings ist das Format weniger bekannt. Ebenso ist es mit einer kleineren Bandbreite an Audiogeräten kompatibel als MP3.


AAC ist ein patentiertes Audioformat. Mit MP3 verglichen hat AAC erweiterte Eigenschaften was Kanalzahl und Diskretionsfrequenz betrifft: das bedeutet, dass es in der Regel bei gleicher Dateigröße eine höhere Klangqualität liefert. Gegenwärtig gilt AAC als einer der qualitativ hochwertigsten verlustbehafteten Kodierungsalgorithmen. Dateien, die im AAC Format kodiert sind, können folgende Dateiendungen haben: .aac, .mp4, .m4a, .m4b, .m4p, .m4r. FLAC ist ein gängiges verlustfreies Format. Die Klangdaten der Audiodatei bleiben von der Komprimierung unberührt, sodass die Datei auch nach der Kodierung identisch mit dem Original ist. Man benutzt dieses Format oft, um Titel auf hochwertigen Audioanlagen abzuspielen. Die Kehrseite der Medaille: FLAC wird von vielen Geräten nicht unterstützt. (Quelle: www.online-audio-converter.com/de/help/audio_formats)


SOUNDSCAPE COMPOSITIONS – KOMPONIEREN AUS GERÄUSCHLANDSCHAFTEN

Die Soundscape Composition ist eine Technik, die der kanadische Komponist Barry Truax entwickelte. Von den Soundscape Forschungen (die sich in den 70er Jahren an der Simon Fraser University Vancouver im Rahmen des World Soundscape Projects durchgeführt wurden) ausgehend, versucht die Soundscape Composition eine akustische Landschaft zu erstellen. Der Komponist ist dabei aktiver Teilnehmer und unternimmt eine neue Anordnung der Klangelemente.

PROJEKTE & PLATTFORMEN

www.globalsoundscapes.org/index.php ist eine Plattform für Geräuschlandschaften, die von „Soundscape ecologists“ gegründet wurde. Jeder wird aufgefordert, an der digitalen Erfassung der Geräuschlandschaften teilzunehmen und auf der Seite hochzuladen – die Audiotracks werden in die Kategorien „Anthrophonie“, „Geophonie“ und „Biophonie“ unterteilt.


www.europeanasounds.eu sammelt das Geräuscherbe Europas. Zehntausende von Audiodateien, wovon die ältesten aus der Zeit der ersten Audiorekorder datieren, werden aus den verschiedenen Museen, Archiven und Bibliotheken Europas online zusammengefügt und den Hörern zur Verfügung gestellt. Kategorien sind z.B. mündliches Kulturerbe, Musik oder Dialekte aber auch Soundscapes und Tierstimmen. www.soundcloud.com/nasa ist der Soundcloud-Stream der NASA. Hier kann man sich neben den Klassikern unter den vokalen Aufnahmen wie „Houston, we’ve had a problem” oder “The Eagle has landed“ noch viel mehr Spannendes aus dem All anhören: vom Raketengeräusch bis zu den Klängen der Satelliten, einem Blitz auf Jupiter oder dem interstellaren Plasma – es ist alles dabei, was des Spacefans Ohr begehrt.


www.tierstimmen.org Das Tierstimmenarchiv des Museums für Naturkunde Berlin ist eine in Deutschland einmalige wissenschaftliche Sammlung. Es umfasst ca. 120.000 Tonaufnahmen von: 1.800 Vogelarten, 580 Säugetierarten, mehr als 150 Arten Wirbelloser sowie zahlreichen Fisch-, Amphibien- und Reptilienarten. www.sounds.bl.uk stellt eine Auswahl aus der ausführlichen GeräuschSammlung der British Library ins Netz. In diesem Archiv findet man Audioaufnahmen aus der ganzen Welt, von Musik, Theater und Literatur bis hin zu mündlichem Kulturerbe, Geräuschlandschaften und der Tierwelt. www.archivosonoro.org sammelt hauptsächlich Geräuschlandschaften aus Mittel- und Südamerikanischen Ländern, die von mehreren Amateuren eingespeist werden. Man findet dort


Töne aus Städten und aus dem Land, Musik, Lesungen, Stimmen von Persönlichkeiten und historische Aufnahmen sowie Geräusche aus den Themenbereichen Religion, Gastronomie oder Werbung. www.escoitar.org sammelt auf einer interaktiven Karte die verschiedenen Geräuschlandschaften des Baskenlands, im Norden Spaniens. www.tesladream.org ist ein Netzwerk von Profis im Field recording. Inspiriert vom World Soundscape Project versucht Tesla’s Dream, die gesamte Landschaft Andalusiens auditiv zu erfassen. www.scrin.net hält die vom Aussterben bedrohte, ladinische Sprache fest, die in der italienischen Val di Fassa (Dolomiten) noch von etwa XXXX Menschen gesprochen wird. Das


Projekt, initiiert vom Museum für ladinische Kultur, sammelt Wörter und Begriffe die die Lebensform der Gegend ausdrücken. www.europeanasounds.eu/news/bird-songsstunningly-visualised-in-animation Ein Projekt, das das Ungreifbare wieder sichtbar macht: im Rahmen des Europeana Creative Project wandelt der Australianische Künstler Andy Thomas die Schwingungen des Gesangs zweier Vogelarten (Nachtigall und Kanarienvogel) in digitale Animation um. Das Ergebnis, als „digital sound sculpture“ bezeichnet, ist kurios und wunderschön anzusehen.


SOUNDSCAPES

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