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HEUTE

E. Plattes Briefe gegen den Mainstream« heißt das fröhlich-zerschossene Buch. Es kommt in Begleitung eines »Silver-Ager-Samplers mit Kraut, Rüben und Rübenkraut«, so der Autor. Klug verfasst nicht nur Newsletter, er ist Mitbegründer der Hanseplatte, aus deren Tagesgeschäft er sich mittlerweile zurückgezogen hat. Der Laden war und ist der Versuch, die Hamburger Musikszene ausschließlich mit »Musik von HHier« zu fördern. »Wir versuchten den Kunden von Anfang an Geschichten zu den Produkten zu erzählen, also das, was die großen obszönen Ketten nicht bieten können und was viele der kleinen Plattenläden aus Bräsigkeit und Nerdigkeit nicht tun. Das hat auch funktioniert«, sagt Klug. Er ist selbst ein Nerd und Musikfanatiker, da könnte man denken, bei Musik verstünde Gereon Klug keinen Spaß. Doch »Low Fidelity« ist zum Schreien lustig. »Irgendwann hab ich den Pfad verlassen, Musik zu besprechen. Ich konnte zu den Platten nichts mehr sagen, wollte sie mit formatierten Kulturkritik-Sentenzen nicht erniedrigen. Ich dachte, das liest eh keiner mehr. Und als ich über die handelsüblichen Grenzen hinausging, kamen tatsächlich Reaktionen.« Unter anderem von der Tagespresse, die den Aprilscherz, dass die Hanseplatte nach Berlin zieht, nicht kapierte: »Das war der größte publizistische Erfolg, den ich je hatte. Neben meinem Leserbrief im Kicker natürlich.« Weitere Erfolge: das kluge Label Nobistor, auf dem Studio Braun und die CompilationReihe »Pudel Produkte« erschienen, ein essbares Kochbuch aus Lasagneblättern, das viele Werber-Preise einheimste – und »Leider geil«. Klug war es, der Deichkind den Titel einflüsterte: »Das hab ich der Straße abgelauscht. Ich kenne drei Leute aus der Hamburger Suppe, die behaupten, das als Erstes gesagt zu haben.« Deichkind sind auch auf dem erwähnten Sampler »Low Fidelity« zu hören. »Quengelund Bückware«, nennt Klug die Raritätensammlung, im Grunde die gesetztere Variante des kürzlich ebenfalls bei Staatsakt erschienenen »Keine Bewegung«-Samplers. Dort die Jungen, hier Tocotronic, Ja König Ja, Die Sterne und so weiter. Klug hat einfach mal angeklopft. paar von meinen Favoriten fehlen, weil sie Die Hamburger Hanseplatte ist kein Plattenladen wie jeder andere, und »Ein gerade nichts hatten. Andreas Dorau zum Beiihr Mitbegründer Gereon Klug ist kein gewöhnlicher Werbetrommler. spiel, Jacques Palminger, Dendemann ... Jochen Michael Weiland fragte Klug nach der Idee hinter seinen Infomails, die musst du gar nicht erst fragen. Hab ich aber. Dabei hat der noch nicht mal E-Mail.« Das ist jetzt als Buch erscheinen. Foto: Robin Hinsch Pech. Aber ein Glück für Jochen Distelmeyer, ewsletter für einen Plattenladen zu schrei- das soll mal bitte wer anders machen. Anders dass er die Hanseplatte-Newsletter jetzt imben muss der undankbarste Job der Welt gemacht hat es Gereon Klug: Seine Infoschrei- merhin offline lesen kann. sein. Eine chronisch klamme Zielgruppe ben für die Hamburger Hanseplatte sind die — »LOW FIDELITY – HANS E. PLATTES BRIEFE GEGEN zum Geldausgeben zu bewegen, wo man heut- denkbar lustigste Postwurfsendung, die man DEN MAINSTREAM« (HAFFMANS & TOLKEMITT, 250 S., zutage umsonst Alben in die iTunes-Bibliothek im digitalen Briefkasten haben kann. Jetzt kann € 19,95) geschoben kriegt, die man gar nicht wollte – man sie gesammelt lesen. »Low Fidelity – Hans — DIVERSE »LOW FIDELITY« (STAATSAKT / INDIGO)

WER ZUM TEUFEL IST EIGENTLICH

GEREON KLUG

N


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