Intro #260

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#Pop #Kultur #Life #Style

YOUNG FATHERS

Keine Angst vor Konflikten

Lucy Dacus — Isolation Berlin — Anna von Hausswolff — Call Me By Your Name —

Rhye — iO Tillett Wright — The Breeders — Richard Russell — Florida Project —Sam Vance-Law

#260 März 2018 gratis www.intro.de


08. & 09.09.2018 OLY MPIASTADION & OLY MPIAPARK BERLIN

THE WEEKND • KRAFTWERK 3D IMAGINE DRAGONS • THE NATIONAL DAVID GUETTA • KYGO • CASPER ARMIN VAN BUUREN • LIAM GALLAGHER BEN HOWARD • DUA LIPA • FREUNDESKREIS RAF CAMORA & BONEZ MC • SCOOTER RAG’N’BONE MAN • YEARS & YEARS • SXTN RIN • THE WOMBATS • DVBBS • SHOWTEK • NERVO JONAS BLUE • FRIENDLY FIRES • SOFI TUKKER JORJA SMITH • LEWIS CAPALDI • WOLF ALICE OLIVER KOLETZKI • SAN HOLO • ALISON WONDERLAND OFENBACH • ALEXIS TAYLOR • GURR • DHANI HARRISON GIANT ROOKS • AND MORE JET ZT T ICKET S SICHERN: LOLLAPALOOZADE.COM #LOLLABERLIN •


#Intro Editorial

Illustration: Gabriel Nazoa

#Intro

Es ist nicht alles Schwarz und Weiß. Klingt nach Kalenderspruch, trifft aber auf viele komplexe Themen zu. Die Aussage passt auch zu den Young Fathers – die übrigens eins ihrer Alben »White Men Are Black Men Too« genannt haben. Das dritte Album unseres Titelacts heißt »Cocoa Sugar« und ist ein atemraubender Bastard aus Pop, Indie, R’n’B, Gospel, Rap und Soul, der lyrisch in Stücken wie »In My View« zum Einnehmen anderer Perspektiven einlädt – selbst wenn diese streitbar sind. Das ist auch nötig, wenn man sich mit den Young Fathers befasst. Ihre Absage beim Pop-Kultur-Festival in Berlin und ihre Unterstützung der BDS-Kampagne hinterließen uns ein wenig ratlos, während ihre Musik, ihre gemeinsamen Auftritte mit Massive Attack und ihre Haltung zu Brexit und Co. uns nachhaltig begeistert haben. Es gab also genug zündenden Gesprächsstoff für unsere Titelstory, die wir euch gemeinsam mit Storys über iO Tillett Wright, den Film »Call Me By Your Name«, Rhye, Anna von Hausswolff, Breeders und Everything Is Recorded, dem Bandprojekt des XL-RecordingsChefs Richard Russell, kredenzen. Viel Spaß beim Lesen! Daniel Koch (im Namen der Redaktion)

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Das Leben der Anderen

DAS LEBEN DER ANDEREN Dieser Tennisball auf dem Cover hat es uns irgendwie angetan – und uns zu den Arbeiten von Gabriel Nazoa geführt. Der in Paris lebende Grafikdesigner arbeitet überwiegend mit weichen, modernen Farben, geometrischen Formen und klaren Linien. Die für dieses Heft verwendeten Bilder stammen aus der Reihe »Sports«. Zu seinen Arbeiten gehört beispielsweise auch eine Wetter-App, der Nazoas simples Trademark-Design sehr gut steht. Ein Interview mit ihm findet ihr auf intro.de

Aus der Redaktion Für unser Special über die Newcomer des Eurosonic Noorderslag Festivals traf Leonie Becker – Praktikantin unseres Schwestermagazins Festivalguide – die Sängerin Ellis May. Die schicke Kulisse für das Gespräch lieferte das Groninger Museum, in dem wir auch einige Fotos für die Story shooten durften. Danke dafür!

Senta: »Geil! Wir haben die Meldung bewusst zurückgehalten, um dann im richtigen Moment ein bisschen zu spät damit rauszukommen?!« Frederike: »Vierstellig ist so was wie 10.000, oder?«

Das Coverfoto stammt von Mustafah Abdulaziz, der für Intro recht regelmäßig Künstlerinnen und Künstler portraitiert. Neben uns gehören auch das Wall Street Journal, die New York Times, der Guardian und die Washington Post zu seinen Kunden. Mustafah ist gebürtiger Amerikaner, lebt aber mittlerweile in Berlin und reist für sein Herzensprojekt sowieso seit vielen Jahren umher: Er dokumentiert in teils schwer verdaulichen, teils poetischen Bildern die Verbindung zwischen Mensch und Wasser – in Regionen und Ländern, wo Wasser ein kostbares Gut ist. So war er zum Beispiel schon in China, Indien, Sierra Leone und Pakistan. Für seine Reisen nimmt er sich viel Zeit, um auch den Menschen nahezukommen, die er portraitiert. Auf seiner Webseite mustafahabdulaziz.com könnt ihr euch einen Eindruck von seinen Arbeiten verschaffen.

Daniel im Telefon­ gespräch mit Martin: »Wo du gerade beim Zahnarzt sitzt: Hast du noch das Dokument geöffnet oder nur den Mund?« Wolfgang: »Gestern war ich ohne Portemonnaie hier. Hat sich angefühlt wie ohne Unterhose. Kennt ihr das?«


Inhalt

INHALT #Intro

#Pop

Bilder von Leah Schrager, Elif Küçük,

Alte Idole und Skandale: Young Fathers

Karl Blossfeldt, Nobuyoshi Araki Ein Herz für Sam Vance-Law

8 14

Nickolas Butler hadert mit der Männlichkeit 16 Zu oft im Taucheranzug? Lucy Dacus

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Auftakt mit Kim Wilde, Editors, Marlon Williams, Top 7 Bandkollektive, George FitzGerald

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Isolation Berlin: Vom Leiden und Verdrängen 46 Rhye: Defekte Sicherheitsbügel 48 Eurosonic Special mit Yungblud, Lxandra, Naaz 50 Freunde mit Vergangenheit: The Breeders

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Anna von Hausswolff: Atemberaubend angsteinflößend 58 No-Bullshit-Dude: Everything Is Recorded

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#Kultur iO Tillett Wright über »Darling Days« 66 Luca Guadagnino über »Call Me By Your Name« 68 Der Rand der Gesellschaft: »The Florida Project« 70 Neu auf DVD: »Mother!« und »The Square« 74 Neue Games: »Monster Hunter World« und »Fe« 78

#Life In den Abbey-Road-Studios 82 Popküche: »Per Anhalter durch die Galaxis« 85 First World Problems: Netflix 86

#Style Was bringt die Fashion Week (noch)? 88

Foto: Frederike Wetzels

Streetware vs. High Fashion 90 Label-Kollaborationen 92

#Review Platten vor Gericht 96 Neue Platten 98

Impressum / Dein Intro 6

#Preview

Abo 7

Intro empfiehlt 120

Katz & Goldt / Demnächst 130

Kalender 122

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Dein Intro

DEIN INTRO Und wo warst du im März 2008? Intro #158

IMPRESSUM Verlag Intro GmbH & Co. KG, Oppenheimstraße 7, 50668 Köln Fon +49 221 949930, Fax +49 221 9499399 verlag@intro.de, vorname.nachname@intro.de, www.intro.de Herausgeber & Geschäftsführer Matthias Hörstmann Director Publishing & Projektleitung Intro Martin Lippert Chefredakteur Daniel Koch (V.i.S.d.P.) Stellv. Chefredakteur Wolfgang Frömberg Artdirector Holger Risse Stellv. Artdirectorin Frederike Wetzels

Covergeschichte: Auf dem Cover geht einiges durchein-

ander: Da fliegen Hosen durch die Gegend, während ein Stapel Klamotten zusammen mit den Buchstaben M, O, D und E auf dem Boden liegt und darüber in unauffälligen Lettern das Wort »Why?« aufpoppt. Ist damit die Band gemeint – immerhin fußt das Ganze auf den Wurzeln eines Musikmagazins –, oder war Philosophie vor zehn Jahren etwa noch Introtitel-tauglich? Storys: Adam Green, The B-52’s, Hercules And Love Affair, Why?, Vampire Weekend, The Kills, Tegan And Sara Wichtige Alben: Autechre »Quaristice«, The B-52’s »Funplex«, The Breeders »Mountain Battles«, Nick Cave And The Bad Seeds »Dig, Lazarus, Dig!!!«, Hercules And Love Affair »Hercules And Love Affair«, Adam Green »Sixes & Sevens«, MIT »Coda«, The Kills »Midnight Boom«, Bob Mould »District Line«, The Mountain Goats »Heretic Pride«, Rummelsnuff »Halt durch!«, Tegan And Sara »The Con«, Vampire Weekend »Vampire Weekend« Platten vor Gericht: Sieger: Vampire Weekend – 8,00 / Letzter: Adele – 4,93 Besondere Vorkommnisse: In der Mitte des Heftes befindet sich ein Aufkleber, der bei näherer Betrachtung MGMT-Promo für das damals aktuelle Album »Oracular Spectacular« ist. Zehn Jahre später haben wir erneut mit den Typen zu tun: diesmal auf unserem Cover. Schlagzeile des Monats: Ein Wehrbericht deckt auf: Deutsche Soldaten sind zu dick und rauchen zu viel +++ No Angels gewinnen den Vorentscheid zum »Eurovision Song Contest« +++ Lidl gerät in den Abhörskandal +++

Redaktion Chiara Baluch (#Style), Senta Best (Textchefin, #Life), Frederike Ebert (#Style), Kristina Engel (Lektorat), Wolfgang Frömberg (#Kultur), Daniel Koch (#Pop), Christian Steinbrink (CvD, #Review), Sermin Usta, Frederike Wetzels (Foto) Live-Redaktion Henrike Schröder (Volontariat), Carsten Schumacher Layout Jörn C. Osenberg (osi) Online- & News-Redaktion (news@intro.de) Julia Brummert, Philip Fassing (Leitung Produktentwicklung), Bastian Küllenberg (Leitung Social Media) Terminredaktion termine@intro.de Texte Lena Ackermann, Aida Baghernejad, Hannah Bahl, Benni Bender, Kristof Beuthner, Fionn Birr, Jan Bojaryn, Annett Bonkowski, Andreas Brüning, Dominik Bruns, Lukas Diestel, Valentin Erning, Miriam Fendt, Lars Fleischmann, Lisa Forster, Nina Gierth, Steffen Greiner, Claudius Grigat, Elisabeth Haefs, Henrik Hamelmann, Dirk Hartmann, Patrick Heidmann, Paula Irmschler, Sebastian Jegorow, Madleen Kamrath, Kerstin Kratochwill, Mario Lasar, Julia Maehner, Konstantin Maier, Jan Martens, Mathias Meis, Sarah Neuhaus, Katja Peglow, Verena Reygers, Henje Richter, Philipp Röttgers, Nils Schlechtriemen, Christian Schlodder, Simone Schlosser, Kira Schneider, Leonie Scholl, Michael Schütz, Silvia Silko, Christian Steigels, Till Stoppenhagen, Thorsten Streck, Gabriele Summen, Karola Szopinski, Klaas Tigchelaar, Tobias Tißen, Stephan Uersfeld, Nisaar Ulama, Oliver Uschmann, Annette Walter, Timo Weber, Kai Wichelmann, Katrin Wiegand, Gregor Wildermann, Marius Wurth, Lena Zschirpe Cover Mustafah Abdulaziz Illustrationen Peter Hoffmann, Christine Rösch, Alexandra Ruppert Fotos Mustafah Abdulaziz, David Avazzadeh, Jörg Brüggemann, Jakob & Hannah, Alena Schmick, Meret Strauß, Svenja Trierscheid, Max Zerrahn, fotolia, Getty Images und Pressebildfreigaben Personal & Organisation Rebecca Wast (Leitung), Svenja Bender PraktikantInnen Leonie Becker, Pia Henkel, Vanessa Kolb, Anna Kravcikova, Daniel Röbling, Luca Schröder Vertrieb Dominik Raulf (Leitung – Fon +49 221 94993-41) Abo Svenja Bender (abo@intro.de) Brand & Media Cooperations Büro Köln Fon +49 221 94993-Durchwahl: Martin Lippert -17 (Musik, Film, Marken), Josipa Balić -70, Sabrina Esser -33 (Marken & Media), Simon Cappell -75 (Marken & Media), Michael Petersen -71 (Marken & Media, Musik & Film), Géraldine Schleder -19 Büro Berlin Fon +49 30 4036705-Durchwahl: Sebastian F. Dudey -11 (Live Entertainment & Kleinanzeigen) Auftragsannahme & Administration Eva Sieger (Leitung) -14, Florian Schuster -16 Fax +49 221 94993-88 Aktuelle Anzeigenpreisliste Mediadaten 2018 (Nr. 28 aus 11/2017) Download Mediaunterlagen hoerstmann.de/mediadaten Bankverbindung Volksbank Borgloh e. G., BLZ: 26 5624 90, Nr.: 406490900 Termine für Nr. 261 / April 2018: Redaktionsschluss: 02.03.2018; Termin& Anzeigenschluss: 09.03.2018; Druckunterlagenschluss: 13.03.2018;

Falls euch diese eine hohe, schmale Wand im Flur neben der Eingangstür zu trist erscheint, dann macht es doch wie dieser Leser, der kürzlich diese Wand mit Intro-Tapete und Venom-Tischchen bei Instagram postete. Da können wir nur sagen: @menschwalter, wenn wir einen Einrichtungsaward verleihen würden, du hättest ihn schon neben Venom stehen!

Diese Kuchen gab es auf einem intimen Fan-Event in England, bei dem Redakteurin Julia Brummert ein paar selige Fans begleiten durfte. Die Editors passieren noch an anderer Stelle in diesem Heft, aber den Nachbericht samt Bildergalerie findet ihr auf intro.de unter dem Hashtag #Editors. Mal schauen, ob wir auch noch das Kuchenrezept auftreiben können.

Erscheinungstermin: 26.03.2018 Druck Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen Bezugsquellen erhältlich an ausgewählten Auslagestellen im gesamten Bundesgebiet sowie im Abonnement Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier, 100% Altpapier. Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr und Verlosungen vom Rechtsweg ausgeschlossen. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages! Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos!


Abonnier uns: 10 × Intro, 1 × Festivalguide, 1 × Doppel-CD »25×25«. Für nur 30 Euro. www.intro.de/abo Abo-Preise: Inland 30 €, Ausland 35 €. Abo-Dauer: ein Jahr, danach automatische Verlängerung. Vorzeitige Abo-Kündigung berechtigt nicht zur Erstattung etwaiger Restbeträge. Bestellwiderruf bis 14 Tage nach Bestelldatum möglich. Alle Details: intro.de/abo.

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Das Internet ist an so vielem »schuld«. So auch an der relativ neuen Debatte um Sexualität und weibliche Identität. »Virtual Normality – Netzkünstlerinnen 2.0« beschäftigt sich mit dem weiblichen Blick im Zeitalter digitaler Inszenierung. Dieser Blick kann mal aggressiv und mal mädchenhaft sein und ist fast immer rosa, lila oder neonfarben – wie dieses Bild von Leah Schrager. Die Ausstellung läuft noch bis zum 8. April im Museum der bildenden Künste in Leipzig.


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Auf den ersten Blick sieht dieses Motiv aus wie ein Schaubild aus einer alten botanischen Enzyklopädie. Im Rahmen der Ausstellung »Back To The Future« im Amsterdamer Foam Fotografiemuseum gibt es einen Eindruck von der Vergangenheit der Fotografie, die so vielfältig ist wie ihre Gegenwart und Zukunft. Die Schau stellt interessante Überlegungen zu Entwicklungen und Potenzialen der Fotokunst an und ist noch bis zum 28. März zu sehen.


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Vom 4. bis 10. März findet Kölns erstes feministisches Literaturfestival namens q[lit]*clgn statt. In diesem Rahmen zeigt das »Nachbild Kollektiv« eine Kunstausstellung. Für Bilder wie das hier abgedruckte wird die Ästhetik der Mode- und Werbefotografie verwendet und Körper, die im Normalfall nicht mit dieser Ästhetik assoziiert werden, auf diese Weise inszeniert. Foto: Elif Küçük, Illustration: Tasnim Baghdadi


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In Europa ist Nobuyoshi Araki ein bekannter und mehrfach ausgestellter Künstler. Im prüden Amerika hingegen musste der Japaner 50 Jahre bis zu seiner ersten großen Retrospektive warten. Seinem Ruf als Aktfotograf entsprechend wird »The Incomplete Araki: Sex, Life And Death In The Works Of Nobuyoshi Araki« dann auch im New Yorker Museum Of Sex gezeigt, obwohl in der Ausstellung nicht nur nackte Haut zu sehen ist, wie dieses Motiv beweist.


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#Pop #Sam Vance-Law

Sam Vance-Law

MEIN NEUER FREUND #Pop — Alle mögen Sam Vance-Law. Wallis Bird will ihn Violine spielend mit auf Tour nehmen, Konstantin Gropper hat ihn so lieb, dass er sein Solodebüt produzierte, und Drangsal wollte seinem Kumpel unbedingt im »Prettyboy«-Video zur Seite stehen. Wie macht Sam das bloß? Hella Wittenberg hat nachgeforscht. Foto: Alena Schmick

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atsächlich: Es ist nicht schwer, sich Sam Vance-Law als besten Freund vorzustellen. Der in Berlin lebende Kanadier erscheint wahnsinnig pünktlich zu unserem Interviewtermin; und kaum unterhalte ich mich mit ihm, stellt sich ein wohliges Gefühl ein. Es ist die Art, wie er von seinem Innenleben erzählt und dabei einen Bezug zur Außenwelt herstellt. Seine reflektierte Offenheit lässt die Distanz der ersten Begegnung schwinden. Diese Gabe hat er auf seinem Album »Homotopia« verinnerlicht. Fluffig-leichte Popmelodien lullen ein, bis die gute Laune beim Zuhören sogar in einem breiten Grinsen gipfelt – schließlich haben seine Texte richtig Witz. »Humor in der Musik ist etwas Groß- »Humor in artiges«, sagt Sam. der Musik »Wenn Menschen ist etwas sich für ein Lachen öffnen, heißt es, dass Großartiges« sie genauso zugänglich für die berührenden Sachen sind. Ich wollte, dass man zuerst kichert und dann innehält, weil man sich fragt, was man da gerade Krasses gehört hat. Und dann laufen die Tränen, weil es einen unerwartet trifft.« Auf diese Weise verbindet Sam amüsante Alltagsgeschichten mit gesellschaftskritischen Statements. Dafür ließ sich der Dandy von The Magnetic Fields inspirieren: »Die Songs von Stephin Merritt sind lustig und brutal tragisch zugleich.« Dabei kommt Sam eigentlich aus der Klassik. Bis zum 16. Lebensjahr probte er jeden Tag mit einem englischen Knabenchor und trat dabei fünf Mal pro Woche auf. Piano- und Violinespielen im Orchester standen ebenfalls auf dem Stundenplan. Bach und Benjamin Britten prägten also seinen Musikgeschmack. »Ich mochte auch die Musik meiner Eltern, Annie Lennox und die Beatles. Aber Klassik war allein mein Ding. Dazu kann ich heute noch jederzeit losweinen.« Walzer, Flöte und Orchester haben es schließlich auch auf sein Albumdebüt geschafft. Obwohl er sich dafür ursprünglich was anderes vorgestellt hatte: »Ich wünschte, ich könnte Kendrick Lamar sein, würde mehr wie er über soziale Ungerechtigkeiten sprechen und ich hätte eine Gabe für diese unglaublichen Jazz-Arrangements.« Aber sein Background ist eben ein anderer. Erst als Teenager zog Sam aus Oxford in die Heimat Kanada zurück, entdeckte unter anderem dank Buddy Mac DeMarco Gitarrenmusik und Clubs für sich – und wollte Teil dieser Szene werden. Wenn man einen Nachmittag mit Sam verbracht hat, weiß man, warum jeder ihn zum Freund haben will. Nach unserem Gespräch in seinem Neuköllner Kiez begleitet er mich sogar zur U-Bahn und macht mir abschließend auch noch ein Kompliment zu meiner Brille – ganz der charmante Kumpel, den jeder gerne hätte. — Sam Vance-Law »Homotopia« (Caroline / Universal)


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#Kultur #Nickolas Butler

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Nickolas Butler

VON VÄTERN UND HANDGRANATEN #Kultur — Der Autor des Bestsellers »Shotgun Lovesongs« und Mitschüler von Justin Vernon hat ein Buch über Männlichkeit und das ländliche Amerika geschrieben. Klingt nach schlechtem Timing in Zeiten von Trump und #MeToo – geht im Falle von Nickolas Butlers »Die Herzen der Männer« jedoch unbedingt klar, weil er uns zeigt, wie und warum seine Charaktere mit ebendiesen Themen hadern. Daniel Koch traf Butler in Berlin. Foto: Jörg Brüggemann

s ist der gleiche Trick, den Nickolas Butler schon in seinem Debütroman »Shotgun Lovesongs« benutzte. Dort ist nicht der enigmatische Songwriter (in dem viele Züge von Justin Vernon alias Bon Iver zu erkennen glaubten) der Held, der Typ, um den die Geschichte kreist, sondern der Erzähler: ein vornehmlich simpler Farmer, den man lange bloß für einen Beobachter hält. In »Die Herzen der Männer«, das seine Charaktere über drei Generationen begleitet, sind die eigentlichen Helden die Frauen des Buches, die weit weniger »Sendezeit« bekommen und trotzdem klarmachen, dass sie hier die Starken sind. »Das ist eine perfekte Art, dieses Buch zu lesen«, lacht Butler, als ich ihn mit meiner These konfrontiere. »Die Herzen der Männer« sind schwach und unsicher. Von Zurückweisung gezeichnet, von Egoismus versteinert, nur geschützt vom guten alten Rollenbild des starken Mannes. Aber genau das kann plötzlich zerspringen, wie in Butlers eigenem Leben: »Als ich 15 war, begleitete ich meinen Vater auf eine Geschäftsreise nach Chicago. Er hatte eine Werkzeugfirma und wollte zu der Zeit, dass ich das Geschäft einmal übernehme. Wir waren in einem sehr schönen Hotel, hatten tagsüber Meetings – und eines Abends sagte er mir, ich solle ins Restaurant kommen, er wolle mir jemanden vorstellen. Dort saß eine Frau im Alter meiner Mutter. Ich dachte erst, sie sei eine Kollegin – bis er mir sagte, die beiden hätten eine Affäre. Bis dahin war mein Dad mein Held. Dieser Abend hat viel zerstört – und er hat es nicht mal gemerkt.« Die schmerzhafte Szene findet sich so ähnlich auch in diesem Buch: Ein Abendessen, bei dem man flüchten will, dank Butlers Erzähltalent aber am Tisch sitzen bleibt. Butler hat seine Geschichte wieder in seiner Heimatregion in Wisconsin verwurzelt. Mittlerweile wohnt er im eher liberalen Eau Claire, wo er einst zur Highschool ging und zusammen mit Justin Vernon bei der Schulzeitung arbeitete. Andere Teile des Staates zählen jedoch zum »Rust Belt«, in dem Trump seine Kernwählerschaft fand. »Amerika entwickelt sich gerade in zwei verschiedenen Geschwindigkeiten. In den großen Städten und an den Küsten überschlagen sich die Entwicklungen in Sachen Technik, Politik und Gesellschaft – und im Inneren des Landes herrscht Stillstand. Die Menschen fühlen sich im Stich gelassen. Natürlich schwingt beim Phänomen Trump auch ein Zuspruch für Rassismus und Misogynie mit, den ich für unentschuldbar halte, aber dass viele Menschen Trump als eine Handgranate begreifen, die man ins Herz des Establishment schleudert, wundert mich nicht.« Bleibt am Ende nur zu hoffen, dass Wisconsin mehr emphatische, freundliche Männer zu bieten hat wie Nickolas Butler. — Nickolas Butler »Die Herzen der Männer« (Klett-Cotta; 477 S.; € 22)


2LP/CD/DL

OUT NOW


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#Pop #Lucy Dacus

Lucy Dacus

NICHT GANZ DA UND DOCH DABEI #Pop — Auf ihrem ersten ­Album »No Burden« versicherte Lucy Dacus gleich im ersten Lied, dass sie nicht lustig sein möchte. Auf ihrer zweiten Platte »Historian« geht es nun um die Anwesenheit im eigenen Leben. Ist man da, wenn man nicht ganz da ist? Kann man etwas verändern, wenn man sich bloß treiben lässt? Diese und andere deepe Fragen klärte sie mit Silvia Silko in einem nächtlichen Telefonat.

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st immer so eine Sache mit der geistigen Anwesenheit im eigenen Leben. Manchmal kommt man sich vor, als wäre man über Nacht in einen dieser historischen Taucheranzüge gesteckt worden und müsse darin nun den Alltag überstehen: Es kommt schon alles bei einem an, nur eben dumpf und verzögert – als treibe man unbeteiligt in der Strömung, 20.000 Meilen unter dem Meer. Lucy Dacus erlebt dieses Gefühl als Künstlerin in allen Ausprägungen. »Es ist so, als hätte ich gar keine Macht darüber, wie ich meine Songs schreibe. Als seien sie schon da, und ich bin nur zufällig diejenige, die sie zu Papier bringt.« Dabei gab es diesmal durchaus konkrete Momente der Inspiration: Für »Historian« hat sich Dacus den »low points« ihres Seelenlebens zugewandt, wie sie es nennt: »Da waren einige Situationen und daran gekoppelte Emotionen, die ich untersuchen musste. Das war schon hart.« Ein paar Tränenausbrüche, nächtliche Spaziergänge und Stunden dezidierter Isolation später kann Dacus ihre Lieder einfach existieren lassen. »Jetzt bin ich nicht mehr Teil des Ganzen. Das Gefühl, aus dem die Stücke entstanden sind, kommt nicht mehr richtig durch.« Bei Lucy Dacus und ihren traurig-schönen Liedern geht es immer wieder um die oben genannten Fragen zum Involviert-Sein im

eigenen Leben. So singt sie in »Night Shift« komplexer, und Dacus gönnt sich immer mal über verflossene Liebschaften und bittet wieder saftige Gitarrensoli, melodiösen Grunge darum, dass sich dieser Herzschmerzsong und Details wie Bläser und kleine Chöre. »Meimöglichst bald anhören möge wie eine müde ne Band und ich sind definitiv von Wilco inCoverversion. In »The Shell« philosophiert spiriert – das hört man auch, wie ich finde. sie über die Möglichkeit, Innen- und Außen- Ansonsten sind wir echte Sensualisten: Wir leben zu trennen, um die eigene Hülle mit »Jetzt bin ich nicht mehr Teil des Ganzen. jemand anderem be- Das Gefühl, aus dem die Stücke entstanden füllen zu lassen. sind, kommt nicht mehr richtig durch.« Wie sehr die Amerikanerin nun an ihrem eigenen Leben teilnimmt oder nicht: In der machen das, was sich gut anfühlt. Wie wenn Musik von »Historian« spürt man sie über- man beide Füße vom Boden nimmt«, sagt sie all. Vor allem scheint Lucy nach ihrem er- bedeutsam. Als einem darauf ein verwirrtes folgreichen Debüt »No Burden« gezielt am »Hä?« entfährt, lacht sie und erzählt, dass Sound gefeilt zu haben. Es ist alles ein bisschen David Bowie mal auf die Frage, welchen Rat er jungen Musikerinnen und Musikern geben könne, geantwortet habe, dass man jeden Tag so loslaufen sollte, als würde man geradewegs ins Meer laufen. In dem Moment, wo man den Boden unter den Füßen verliere und von einer Welle erfasst werde, passiere etwas Besonderes. Na hoffentlich! Und wenn nicht, steckt man vielleicht ja immer noch in diesem dummen Taucheranzug. — Lucy Dacus »Historian« (Matador / Beggars / Indigo) — Live am 29.04. in Berlin


DAS NEUE ALBUM

JETZT IM HANDEL 09.04

BERLIN

COLUMBIA THEATER

17.06

MANNHEIM

MAIFELD DERBY FESTIVAL NINJATUNE.NET YOUNG-FATHERS.COM


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#Kultur

#Kultur — Forscherdrang trifft auf Illustrationskunst trifft auf tiefe Liebe zur Games-Kultur: Diese Formel brachte die in London lebende Jing Zhang zu ihrer Reihe »Level Up«, die uns das geheime Innenleben von Spielekonsolen näherbringt. Die Idee kam ihr, nachdem sie an einem Eltern-Leitfaden für die Playstation mitgewirkt hatte. Klar, dass sich alte Gamer-Nasen wie wir von so etwas schnell begeistern lassen. Diese und weitere Arbeiten findet ihr auf behance.net/mazakii.


#Life

#Kratzen & Beißen

Gegen Musikreviews

Illustration: Alexandra Ruppert

#Life — Valentin Erning steuert allmonatlich Beiträge zu unserem Review-Teil bei. Jetzt sägt er am eigenen Ast – und die Ausrottung des Rezensionsformats ist ihm jedes Menschenopfer wert. Einstellen werden wir es natürlich trotzdem nicht, aber vielleicht dient dieser Rant ja als Motivation für weitere Generationen von Review-Schreibern.

Papier, so heißt es, sei geduldig. Eine stichhaltigere Erklärung dafür, dass es im Review-Abschnitt dieses Magazins noch nicht zu fiesen Abstoßungsreaktionen kam, ist schlichtweg nicht ersichtlich. Für die Engels- beziehungsweise Teufelsgeduld der verlegenden Zunft im Umgang mit Musikrezensionen aber ist weit und breit kein Motiv auszumachen: Dieselben Menschen, die der Würde halber für die Sterbehilfe sterben würden, lassen das wohl überflüssigste Textformat des gesamten Kulturjournalismus bis zur völligen Verwesung an den Schläuchen. Und das stinkt gewaltig. Die Rezensierenden-Riege macht sich mitschuldig, indem sie immer weiter Texte abdrückt, die dem eingestrichenen Groschenhonorar in ihrer Mittelmäßigkeit voll und ganz entsprechen. Heerscharen übereifriger Amateure mischen kräftig mit – jene also, denen trotz bemühtesten Saugens immer nur dieselben schalen Phrasen aus den Fingern eitern, während die Lust an sich selbst langsam, aber sicher jene an der Musik überholt. Es ist aber auch ein geiles Privileg, sich in aller Öffentlichkeit nicht nur

gestelzt über das Werk von Künstlern erheben zu dürfen, sondern zugleich auch noch über die Meinungen zahlloser Menschen, die die ihre ungleich interessanter vertreten könnten als man selbst. Außerdem kriegt der Pöbel ja auch keine wichtige Promo-CD, mit der sich im Freundeskreis angeben ließe – geschweige denn Gästelistenplätze, um sich mit einem Hauch von Prestige zu schmücken. Ja, ihr Hobby-Journalisten und -Journalistinnen, die ihr euch zeitlebens nicht aus dem hölzernen Korsett des Schulaufsatzes befreien können werdet, ja, ihr Türsteher der musikalischen Ahnengeschichte, und ja, ihr zungenschnalzenden Feuilleton-Fatzken, die ihr in eitlen Connaisseurs-Termini wollüstig daherflatuliert – meine Verachtung ist euch allen sicher. Bar jeglicher anständiger Unterhaltung kanzelt ihr Kunst ab in dem Glauben, Wichtiges zu schaffen, und schafft dabei doch nur eines: zutiefst narzisstische Ego-Schmiere, vor der sich selbst der Weißraum ekelt. Behaltet also eure Finger bei euch, wenn ihr das nächste Mal Musik hört; kommt lieber ins Gespräch und tauscht euch aus, statt euch aufzuspielen. Es sei denn, ihr redet allen Ernstes, wie ihr schreibt: Dann haltet um Himmels willen den Rand!

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#Pop #Life #Kultur

#Life — Cover-Kitchen

Loney Dear »Loney Dear« And The Golden Choir

UNSICHERHEIT ALS EHRENGAST #Pop — Tobias Siebert hat mit »Breaking With Habits« große Songwriter-Musik geschaffen, bei der es hauptsächlich um ihn selbst geht. Das wird dadurch spannend, dass Siebert gleich einen ganzen »Chor« in sich wähnt. Im März geht er damit auf Tour. Text: Silvia Silko Für »Loney Dear« ein etwa sechs Zentimeter großes gleichschenkliges as eigene Selbst ist eine abstrakte AngeleDreieck aus einer Scheibe jungen Goudas mit einem scharfen Cuttergenheit. Vor allem, wenn es, laut Siebert, Messer ausschneiden. Wem der Käse zu natürlich aussieht, der kann gleich mehrere davon gibt und diese auch gerne mit knallgelber Lebensmittelfarbe ein wenig nachfärben. Das noch in ständiger Bewegung sind. »Ich glaube, Ganze auf einer schwarzen Marmorplatte passend arrangieren – fertig! jeder Mensch verfügt über eine große Palette Ihr habt auch Ideen für Cover, die man mit Essen nachstellen kann? Her damit! Schickt einfach eine Mail mit dem Betreff »Cover-Kitchen« und mit Versionen von sich selbst. Man ist immer eurem Vorschlag an verlosung@intro.de. Wir wählen aus, kochen nach mal jemand anders und gleichzeitig auch immer man selbst.« Aha. Was auf den ersten und versorgen den Gewinner mit einem Überraschungspaket mit aktuellen Blick nach gesunder Schizophrenie klingt, Alben und Filmen. erweist sich auch auf den zweiten Blick als genau solche. Seinen inneren »Chor« nennt Siebert das eher liebevoll als psychologisch bedenklich. Diese unterschiedlichen Versionen von ihm haben ein Eigenleben und eine und lud stattdessen lieber die Unsicherheit als Wirkung und schleichen sich hin und wieder Ehrengast ins Studio. »Anders als bei meinem Solodebüt habe ich mich gezwungen, Songs in seine Musik – wenn er sie denn lässt. Aber so eine Reise ins Ich kostet Zeit. Und liegen zu lassen, bei denen ich mich unwohl die ist gar nicht so leicht abzuzwacken, wenn fühlte. Mit etwas Distanz habe ich diese dann man als ausgebuchter Produzent von Enno noch mal bearbeitet. Am Ende waren es die Bunger oder Me And My Drummer hinter Stücke, die sich am stärksten entfaltet haben.« den Reglern steht. Außerdem gibt es ja noch Sieberts stetiges Austarieren immer wieder Sieberts deutschsprachige Band Klez.e, die mit neuer Produktionsprozesse ist Teil seiner Perihrem letzten Album »Desintegration« zum sönlichkeit. Vor allem aber ist es seiner MeiKritikerliebling wurde. An seinem Solodebüt nung nach eine politische und gesellschaftliche »Another Half Life« arbeitete er deshalb fast Grundhaltung, die uns allen guttun würde: fünf Jahre. »Dieses Mal hatte ich mir Tage im »Ich glaube, dass Unsicherheiten überwunden Kalender geblockt, die nur für And The Golden werden müssen. Wenn man das tut und schaut, Choir vorgesehen waren.« Zwei Jahre voller was passiert, kann es nur gut werden.« Die Seelenklempnerei und Songwriting reichten vielzitierte Komfort-Zone ist deshalb möglichst diesmal aus, um »Breaking With Habits« zu zu vermeiden. »Außerdem langweile ich mich einfach sehr schnell. Also müssen immer neue vollenden. Beim Komponieren der Stücke verfolgte er Herausforderungen her.« eine Formel: keine Macht der Gewohnheit! — And The Golden Choir »Breaking With Habits« Alle Regeln, die Siebert fürs erste Album aufge(Caroline / Universal) stellt hatte, brach er für die neuen Stücke — Auf Tour vom 10.03. bis 03.05.

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Foto: Meret Strauß

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11. – 14. 4. 2018 Frankfurt am Main »Die cops ham mein handy«

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SSZ

#Kultur — Ab jetzt schwingt beim Smartphone-Klau immer ein Funken Hoffnung mit. Denn je nach Doofheit, Lifestyle und Dreistigkeit der Diebe kann am Ende Launiges dabei herauskommen – etwas wie »die cops ham mein handy« beispielsweise. Das »Reklame«-Heft im Reclam-Style beinhaltet 1-a-SMS-Dialoge, die mit der Diebesware geführt wurden. Zum Glück tauchte das Gerät nach ein paar Wochen bei der Polizei wieder auf, sonst wäre dieses Stück Hochliteratur der Nachwelt vorenthalten geblieben. Hier ein Auszug aus dem absoluten Lektoren-Horror:

Anne: »DubistSoSüßBebi...Ich-

Marco: »Wir sind zwar nicht zu-

Moe: »Ey hir ist moe du ich wollte

sammen...aber ich bin so froh dich zu haben. Du bist das was ich immer gesucht habe. Du bist die frau die meine träume schön machen. Schreib mir bitte zurück...ich liebe DICH. Achso...magst du morgen zu mir kommen? Kuss ssz«

WeißNieWasIchSagenSollBinEinfachGernBeiDirUndIchLiebeEsMitDirZuKuscheln... LiebDichBebi<33 ssz«

Marco: »Wie süß du bist...ich will

und kann nicht mehr ohne dich...! Ich liebe DICH...nur dich. Man ich denke einfach jede Sekunde an dich.ild<3 ssz« blau.de: »Warnung: Ihr Gutha-

ben ist fast leer. Laden Sie jetzt auf! blau.de-Aufladekarten gibt es z.B. an 30.000 Kiosken und Tankstellen (ARAL, Shell, Esso, JET, OMV, ...)« mal fragen ob du dvd s oder so hast weil unsrer fernseher in denn scheis betreuten wohn geht nicht? Mfg Moe«

Tom: »Wem zum geier hab

ich jetzt deine neue Nummer gegeben?«

Marco an Tom: »N spasst aus eis-

leben. XD«

Text: Senta Best

PS: »ssz« heißt übrigens »Schreib schnell zurück« — lukasadolphi.de

Let’s jam! Wenn Musik den Augenblick zum perfekten Moment macht. Instrumente, Equipment, Noten & Events aus allen Stilrichtungen. Einmalig in Europa! Musiker aus der ganzen Welt treffen, Instrumente entdecken und direkt ausprobieren. +++ Internationale Top-Acts im Guitar & Drum Camp +++ Piano Salon Europe mit Präsentations- und Vortragsbühne +++ NEU: Audio, DJ & Recording-Plattform in Halle 4.1 +++ Acoustic Stage: Live-Musik von Klassik über Jazz bis Pop +++ Street Food Trucks & Festivalatmosphäre +++ und vieles mehr +++

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#Style

Modelabel des Monats

LIAM HODGES #Style — Eine Luxusmarke für Freunde des Straßenlooks: Der Londoner Liam Hodges verbindet in seinem Modelabel lässige Streetwear mit einer gehörigen Portion Punk.

O

b HipHopper, Skater oder Punk – Liam Hodges lässt sich bei seinen Kollektionen stets von der Uniform jugendlicher Subkulturen inspirieren und kombiniert diese zu einem neuen aufregenden Mix. Breite Silhouetten sind sein Markenzeichen und unterstützen den »Straßen-Look« seiner Designs. In seinen Mustern greift Hodges gerne tief in den Fundus und kombiniert kontrastreiche Grafiken auch mal wild durcheinander. Für die Herbst/Winter-Saison 2018 stehen vor allem Karos im Fokus, wie man sie noch immer in den Gassen des Londoner Bezirks Camden Town findet. Gebatiktes Denim unterstreicht den Punk-Aspekt und findet sich auf weiten Jeans genauso wie auf Oversize-Jacken wieder. Dazu brechen plakative Graffiti-Prints auf Shirts und Sweatern den Stil und erschaffen einen ganz neuen Look für den Streetstyler von heute. — liamhodges.co.uk


#Pop

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Marlon Williams

NACH DER LIEBE IST VOR DER LIEBE #Pop — Marlon Williams thematisiert auf seinem zweiten Album »Make Way For Love« die Trennung von seiner großen Liebe. Dennoch hofft er, dass der Schmerz nicht seine einzige Muse bleiben wird, wie er Silvia Silko bei einem morgendlichen Telefonat verriet. verleihen seinen Stücken eine gewisse Dramatik – und es scheint ihm zu gefallen, so richtig in die Vollen zu gehen: Er schmettert Verse wie »I feel like a snowman in the spring« und klingt dabei ganz und gar nach einem ratlosen Elvis Presley. »Ich weiß auch nicht so genau, wo der King auf einmal herkam. Plötzlich klang er aus mir heraus.« Was Williams’ Ausdruck des authentischen Gefühls zu sein scheint, markiert eine Neuerung im Sound des Songwriters – weg von Americana, hin zu DramaPop, mit dem er auch »Licht in die dunkleren Themen« bringe, wie er sagt. »Ich wollte keine ganze Platte lang nur jammern oder gleich elf Diss-Tracks schreiben«, sagt er und lacht. Viel zu dissen gibt es scheinbar auch gar nicht: Harding und Williams verhalten sich nach ihrer Trennung ähnlich harmonisch wie Gwyneth Paltrow und Chris Martin – gemeinsam hört man sie auf dem bezeichnenden

und bezaubernden Track »Nobody Gets What They Want Anymore«. Auch sonst glimmt auf »Make Way For Love« nicht nur im Albumnamen immer wieder etwas Hoffnung auf. »Irgendwann kommt schon wieder eine neue Liebe. Ob man will oder nicht.« Drama-Button, ick hör dir trapsen. — Marlon Williams »Make Way For Love« (Dead Oceans / Cargo) — Auf Tour vom 11. bis 22.04.

Zwei wie ihr, die dürfen sich nie verlieren

Lorde

Lynn Tanner

aus »Alf«

(Dank an Carolin Mothes und Linus Volkmann für die Inspiration)

G

ar nicht lange ist es her, da tollte das Künstler-Pärchen Aldous Harding und Marlon Williams noch möglichst eigentümlich durch Williams’ Musikvideos. Nun ist alles vorbei, und die Trennung des neuseeländischen Powercouples der alternativen Neofolk-Strömung wurde zum Thema seiner aktuellen Platte. »Make Way For Love« beschäftigt sich elf Songs lang mit jeder Facette des Separierens – und das auf wahnsinnig intime Art und Weise. »Es gab früher immer ziemlich viel Distanz zwischen mir und meiner Musik. Bei meiner neuen Platte war das komplett anders. Ich brauchte die Arbeit daran, um diese Trennung zu überleben«, sagt Marlon und sinniert anschließend darüber, welchen »DramaButton« er wohl fürs nächste Album betätigen müsse. »Nicht dass ich jetzt immer so etwas erleben muss, um ein Album zu machen.« Marlons ehrlicher Schmerz, aber auch seine tiefe Stimmfarbe


#Pop #Life

Kids In America Looking out a dirty old window Down below the cars in the city go rushing by I sit here alone and I wonder why Friday night and everyone’s moving I can feel the heat but it’s soothing, heading down I search for the beat in this dirty town (downtown) The young ones are going (Downtown) the young ones are growing We’re the kids in America (whoa) We’re the kids in America (whoa) Everybody live for the music-go-round

KIM WILDE »KIDS IN AMERICA«

Bright lights, the music gets faster Look, boy, don’t check on your watch, not another glance I’m not leaving now, honey, not a chance Hot-shot, give me no problems Much later, baby, you’ll be saying nevermind You know life is cruel, life is never kind (kind hearts) Don’t make a new story (Kind hearts) don’t grab any glory We’re the kids in America (whoa) We’re the kids in America (whoa) Everybody live for the music-go-round La la la la-la la-a La la la la-la la, sing! La la la la-la la-a La la la la-la la Come closer, honey, that’s better Got to get a brand-new experience, feeling right Oh, don’t try to stop, baby, hold me tight Outside a new day is dawning Outside suburbia’s sprawling everywhere I don’t want to go, baby New York to east California There’s a new wave coming, I warn ya We’re the kids in America (whoa) We’re the kids in America (whoa) Everybody lives for the music-go-round La la la la-la la-a La la la la-la la, sing! La la la la-la la-a La la la la-la la We’re the kids We’re the kids We’re the kids in America (3x)

Mein Song

#Pop — »I searched for the beat in this dirty town« – wer kann sich mit dieser Zeile nicht identifizieren? Julia Brummert traf Kim Wilde und hat sich die Geschichte hinter ihrem mittlerweile 37 Jahre alten Hit »Kids In America« erzählen lassen. Außerdem verriet Wilde, welche der zig Coverversionen ihre liebste ist.

D

er Song wurde 1980 aufgenommen, ich war 18, mein Bruder Ricky 17. Er hatte die Schule verlassen und begonnen, ein paar Demos von einigen seiner Songs zu produzieren. Damit wandte er sich an verschiedene Labels und landete bei RAK Records, das von Mickie Most betrieben wurde. Der war an vielen Klassikern beteiligt und hat unter anderem mit den Animals gearbeitet. Mickie erkannte, dass Rickys Demos etwas ganz Besonderes waren, und lud ihn erneut ein. Da habe auch ich mich eingeklinkt und Ricky gefragt, ob ich vielleicht die Backing-Vocals machen könne. Das schien mir damals eine gute Möglichkeit, Geld zu verdienen. Zum nächsten Termin mit Mickie ging ich mit – und sah großartig aus. Ricky stellte mich vor und fragte, ob es okay sei, wenn ich den Background-Gesang übernähme. Mickie schlug vor, dass wir lieber eigene Songs für mich entwickeln sollten, wenn ich so gut singen könne. Damals schrieben Leute wie Nicky Chinn und Mike Chapman viele Hits, zum Beispiel für Suzi Quatro. Mickie wollte mich mit ihnen zusammenbringen und weckte damit den Ehrgeiz meines Bruders. Ricky fuhr mit dem Plan nach Hause, den größten Popsong aller Zeiten zu schreiben. Er saß das ganze Wochenende in seinem Zimmer und machte all diese Sounds mit seinem WaspSynthesizer. Das war sehr nervig, ich konnte ja nicht ahnen, dass er an »Kids In America« arbeitet und einen solchen Hit schreiben würde. Ricky wollte all die Sounds, die er liebte, zusammenbringen, die Synthies von Ultravox, den Punk von The Clash und natürlich Pop. Ricky fragte meinen Vater, ob er einen Text für seinen Song schreiben könne. Ich ärgere

mich bis heute, dass er mich nicht gefragt hat. Es dauerte dann noch ein Jahr, bis »Kids In America« endlich veröffentlicht wurde. Es verkaufte sich 60.000 Mal an nur einem Tag. Die Leute, die für die britischen Charts zuständig waren, nahmen den Song aus der Zählung, weil sie dachten, Mickie, der damals wirklich reich war, hätte all die Singles gekauft. Es brach uns das Herz, denn die Single lief ja tatsächlich so fantastisch. Am Ende sahen sie das aber ein, und wir landeten auf Platz zwei der Charts, hinter Shakin’ Stevens’ »Green Door«. Mein Verhältnis zu dem Song ähnelt einer Liebesbeziehung. Nach 20 Jahren war ich müde, ich hatte »Kids In America« zu oft gesungen. Mit Mitte 30 habe ich mich aus dem Geschäft zurückgezogen und eine Familie gegründet. Eines Tages sollte ich bei einem Benefiz-Konzert auftreten und dort gemeinsam mit anderen Musikern ABBA-Songs covern. Sie flehten mich an, auch »Kids In America« zu spielen, und ich habe mich überreden lassen. Die Resonanz war unglaublich, und ich habe mich neu in das Stück verliebt. Ich freue mich über die zahlreichen Coverversionen. Meine liebste ist die von Lawnmower Deth, einer Thrash-Metal-Band. Sie haben den Spaß, den wir bei den Aufnahmen in den Achtzigern hatten, perfekt eingefangen. Viele Bands covern den Song, weil sie hoffen, dass sie damit Geld verdienen. Bei Lawnmower ist das anders, und ich liebe es, »Kids In America« mit ihnen zu spielen. Auch, dass das Stück auf verschiedenen Soundtracks wie dem von »Clueless« zu hören ist, freut mich. Es ist einfach so ein ikonischer Song geworden – und er ist meiner! — Kim Wilde »Here Come The Aliens« (Earmusic / Edel / VÖ 16.03.18) — Auf Tour vom 02. bis 19.10.

Foto: Jorgan Angel / Getty Images

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PRESENTS

DAS UNBEHAGEN IN DEN STÄDTEN

PAROV STELAR

FUTURE ISLANDS

JUNGLE

04.06. WIESBADEN 09.06. BERLIN

16.05. BERLIN 17.05. KÖLN

SUNFLOWER BEAN

XAVIER RUDD

FAT FREDDY`S DROP

12.04. HAMBURG 14.04. BERLIN 19.04. KÖLN

21.09. KÖLN 26.09. FRANKFURT 27.09. DRESDEN

THE BURNING SPIDER TOUR 16.03. LINGEN 17.03. MÜNCHEN 21.03. KÖLN

23.03. HAMBURG

#Life — Der Illustrator Peter Hoffmann hält absurde Szenen fest, die wahrscheinlich in jeder Großstadt vorkommen.

GENGAHR

Fritz Kalkbrenner bei »Platten vor Gericht« (Seite 96)

24.08. BERLIN 23.10. HAMBURG 26.10. KÖLN

27.10. MÜNCHEN

AMY SHARK

THE WOMBATS

24.03. BERLIN 26.03. HAMBURG 28.03. MÜNCHEN

06.04. MÜNSTER 07.04. KÖLN 10.04. MÜNCHEN

HINDS

ROSTAM

HIPPIE SABOTAGE

26.04. HAMBURG 27.04. BERLIN

05.06. KÖLN 06.06. HAMBURG

26.03. KÖLN 27.03. HAMBURG 29.03. BERLIN

31.03. HAMBURG 03.04. KÖLN 10.04. MÜNCHEN

»Für mich sind Isolation Berlin nur schwer erträglich. Vor der Wende gab es bei uns das sogenannte ›Hauptstadtverbot‹ – das wird ja leider nicht mehr angewandt.«

28.09. BERLIN 29.09. HAMBURG

12.04. BERLIN

COSMO SHELDRAKE VETO 10.04. MÜNCHEN 11.04. KÖLN 12.04. HAMBURG

13.04. BERLIN

15.04. BERLIN 16.04. HAMBURG

ORCHESTRA BAOBAB

17.03. HAMBURG 21.03. BERLIN 22.03. KÖLN

02.05. HAMBURG 03.05. BERLN a division of FKP Scorpio

Kat Frankie Bad Behaviour 2018

FRANK TURNER

& THE SLEEPING SOULS BE MORE KIND WORLD TOUR 23.10. WÜRZBURG 24.10. STUTTGART 10.11. LINGEN 11.11. HANNOVER 13.11. BREMEN 14.11. LEIPZIG

16.11. HAMBURG 17.11. WIESBADEN 20.11. MÜNCHEN 22.11. BERLIN 23.11. DÜSSELDORF

THE CAT EMPIRE 04.07. LEIPZIG 05.07. MÜNCHEN 02.11. STUTTGART 04.11. WIESBADEN

06.11. BERLIN 07.11. HAMBURG 10.11. KÖLN

04.03. DRESDEN 05.03. FRANKFURT 06.03. STUTTGART 07.03. CH-ZÜRICH 09.03. A-WIEN 11.03. MÜNCHEN 13.03. WÜRZBURG 14.03. LEIPZIG 15.03. GÖTTINGEN 16.03. ERFURT

17.03. MÜNSTER 20.03. KÖLN 21.03. HANNOVER 22.03. HAMBURG 23.03. BREMEN 24.03. ROSTOCK 27.03. BERLIN 28.03. BERLIN ZUSATZSHOW 17.04. ERFURT 18.04. NL-AMSTERDAM

TICKETS UNTER: FKPSCORPIO.COM & EVENTIM.DE · SERVICE-HOTLINE: 01806-853 653 (0,20 € / Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 0,60 € / Anruf)


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#Pop

Editors

ZWISCHEN DEN POLEN #Pop — Gut zweieinhalb Jahre nach »In Dream« veröffentlichen die Editors ihr sechstes Album. Sänger Tom Smith und Gitarrist Justin Lockey erklärten Dirk Hartmann, warum sie mal wieder ihren Sound verändern wollten und warum es ihnen trotz des harschen Titels »Violence« doch vor allem um zwischenmenschliche Nähe geht.

N

icht selten geschieht es, dass Produzenten großen Einfluss auf den Sound einer Band haben. So verhält es sich auch beim neuen Album der Editors. Hatte sich das Birminghamer Quintett für die Arbeit an seiner letzten Platte »In Dream« nach Schottland zurückgezogen, entschied man sich dieses Mal für zusätzliche Unterstützung, wie Gitarrist Justin Lockey verriet. »Wir haben überlegt, uns für die Aufnahmen der Songs vielleicht Hilfe von außen zu holen. Deswegen haben wir eine Menge Musik gehört, vor allem die des elektronischen Musikers Blanck Mass. Dann haben wir ihn angerufen.« Wie wichtig es für

die Editors war, Blanck Mass als Produzenten für »Violence« zu gewinnen, erklärt Sänger Tom Smith: »Das Wichtigste für ihn war, sicherzustellen, dass wir nicht verlieren, was uns als Band ausmacht. Im Laufe der Jahre haben wir gitarrenbasierte und elektronischere Alben gemacht. Ich denke, dass uns mit der Hilfe von Blanck Mass bei ›Violence‹ die Balance zwischen diesen beiden Polen möglicherweise am besten gelungen ist.« Ungeachtet aller neu erreichten Balance ist »Violence« eine klassische Editors-Platte. Das liegt nicht zuletzt an den Texten von Smith. »In gewisser Hinsicht habe ich über die üblichen Themen geschrieben. Ich versuche immer Worte zu finden, die für den Hörer etwas auf einem emotionalen Level konstruieren.« Jedoch zieht sich ein bestimmtes Thema wie ein roter Faden durch die Platte, wie Smith erläutert. »Ich habe das Gefühl, dass es auf dem

Album viele Momente gibt, die vom Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Verbindung handeln. Das steht immer in Beziehung zu dem, was da draußen vor deiner Haustüre passiert. Der Begriff ›Violence‹ drückt das heutzutage für mich aus.« Auch in der ersten Single-Auskopplung »Magazine« befassen sich die Editors mit der angsteinflößenden Außenwelt. Zwar richtet sich das Stück nicht gegen konkrete Personen, Smith kritisiert darin aber trotzdem ganz bestimmte Gesellschaftsgruppen. »Es geht um eine Machtfigur, einen Politiker oder Großunternehmer, eine Art korrupten Charakter. Es geht darin um hohle Gesten. Der Song macht sich über die Leute lustig, die sich so verhalten.« Obwohl das Stück schon älter ist – es wurde bereits nach dem dritten Album geschrieben –, ist es aktueller denn je. Selbst wenn Smith betont, dass »Magazine« auch ein Popsong sei, räumt er ein: »Das war eine Art Vorhersehung.« Vielleicht sollte man die Editors bereits jetzt nach unserer Zukunft befragen. Sie scheinen mehr als wir alle zu wissen. — Editors »Violence« (PIAS / Rough Trade / VÖ 09.03.18) — Wir verlosen 2 VIP-Tickets für das Juicy Beats am 27. und 28.07. in Dortmund, bei dem die Editors Headliner sind. Mehr auf intro.de unter #Juicy Beats


#Pop #Kultur #Life

Songzeile des Monats

»Der Warteraum zum Glück bleibt im Haus das größte Zimmer«. aus »Wachsen (Im Speisesaal des Lebens)« von Olli Schulz

Clever & Smart

Willkommen zurück! #Kultur — Bereits 60 Jahre ist es her, seit diese zwei Cartoonfiguren ihr erstes gemeinsames Abenteuer erlebten. 1958 zeichnete der Spanier Francisco Ibáñez die ersten Geschichten der aberwitzigen Geheimagenten »Mortadelo y Filemón«, die hierzulande etwas später unter dem Namen »Clever & Smart« Karriere machten. Den Geburtstag nimmt Carlsen zum Anlass, die erfolgreiche Heftreihe, die von 1973 bis 2004 erschien, in einer modernisierten Übersetzung noch einmal zu veröffentlichen. Auch wenn klar ist, dass nicht jeder Witz und jede Karikatur gleich gut gealtert ist, lohnen sich die Wiederveröffentlichungen. Jüngere Generationen bekommen so die Möglichkeit, einen Klassiker des humoristischen Comics zu entdecken, während sich besonders Kinder der 80er-Jahre über eine Extraportion Nostalgie freuen.

#Life — Kann man Chips Bösartigkeit unterstellen? Wir finden: ja! Sie rufen Pickel, Fettleibigkeit sowie Fettflecken auf Kleidung und Bettlaken hervor, noch dazu befeuern sie derzeit auch noch die sowieso schon fette #MetooDebatte. Wobei in dem Fall eher einer der Hersteller schuld ist: Das Unternehmen PepsiCo plant die Produktion von ganz besonderen Chips – extra für Frauen. Das Besondere? Sie sind nicht etwa günstiger (#Gender-Gap). Nein, es geht um etwas, das bisher völlig an uns vorbeigegangen ist: unterschiedliches Essverhalten bei Frauen und Männern. Frauen kauen leiser, lecken ihre Finger nicht ab und schütten sich auch keine Krümelreste aus der Tüte in den Mund! Das jedenfalls behauptet Indra Nooyi, die internationale CEO des Unternehmens. Wtf?? Bei uns jedenfalls kann sie diese Beobachtung nicht gemacht haben.

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#Kultur

Für immer in Pop

BERNSTEIN UND HAMSTERRAD #Kultur — Die in »Für immer in Pop« versammelten Texte Martin Büssers handeln von Platten, die sein Leben verändert haben, der Gesellschaft, in der sie produziert wurden, und von den Künstlern, die sie gemacht haben – und wenn du genau liest, auch von dir. Text: Wolfgang Frömberg

D

er Tag, an dem sich die Nachricht von Martin Büssers Tod in der IntroRedaktion verbreitete, war ein verdammt trauriger. Einer dieser Anlässe, bei denen man feststellt, welch große Bedeutung bestimmte Persönlichkeiten für andere durch ihre Gedanken, Worte und Taten bekommen haben. Eine Bedeutung, die sich in Tränen oder Worten nicht ausdrücken lässt. Dieser von Jonas Engelmann edierte Sammelband mit Texten, die der 1968 geborene Journalist, Autor, Verleger und Musiker von 1990 bis 2010 unter anderem für Zap, Jungle World, Konkret, Fabrikzeitung, Stadtrevue, Junge Welt, Intro, Opak, Spokk, Edition Text und Kritik sowie für die von ihm gegründete Testcard verfasste, vermittelt einen starken Eindruck seiner Interessen – und welche Haltung er damit verband. »Für immer in Pop« zeigt, weshalb Büsser für seine Leser, Kollegen und Freunde so wichtig war. Geschrieben hat Martin Büsser noch viel mehr, denn der Titel des Buches kommt nicht von ungefähr: Das

Zitat »Für immer in Pop« stammt aus einem Song seiner Band Pechsaftha – die Worte stehen im Kontext dieses Stücks in genialer Weise für eine Position zwischen Hingabe, Selbstaufgabe, (Selbst-)Kritik und feinem Humor: »Für immer in Pop / Wie die Fliege im Bernstein / Für immer in Pop / Der Hamster im Rad / Für immer in Pop.« Alleine für sich erscheint die Zeile wiederum unglaublich passend als Inschrift – und als Erinnerung an Martin Büssers Art, Pop rund um die Uhr zu leben. Schon im ersten Text, einem Positionspapier zur Lage der Dinge beim Hardcore-Magazin Zap im Jahr 1994, formuliert Martin Büsser eine Programmatik, der er offensichtlich treu blieb – und die sich auf die heutigen Bedingungen der schönen neuen Medienwelt weiterhin anwenden ließe: »Sich Zeit lassen. Das scheint mir immer wichtiger, als mit der SchnellpfiffMethode auf all diesen vergänglichen Scheiß zu reagieren, der um uns herum abgeknattert wird.« Und so bohrte sich Büsser tief hinein in die Musik, in die Kunst, in die Literatur, in

die Comics, die er spannend fand, und setzte sie in Bezug zu den gesellschaftlichen Verhältnissen und natürlich zum eigenen Leben. Darum bietet »Für immer in Pop« nicht nur Einblick in den Fortgang künstlerischer Szenen und einen Überblick zur Entwicklung der Popkritik in den letzten zwei Jahrzehnten, sondern beschreibt auch ein Stück weit den Weg Deutschlands vom Land, in dem Asylbewerberheime brennen, zum Land, das neben der AfD im Bundestag ganz dringend ein Heimatministerium braucht. Sowohl in der Popkritik als auch in Germany fehlt der kluge und kämpferische Linke Martin Büsser heute sehr. Es ist so richtig scheiße, dass er nicht mehr Zeit hatte, sich Zeit zu lassen. — Martin Büsser »Für immer in Pop« (Ventil Verlag, 240 S., € 15)


#Pop

TOP 7

BANDKOLLEKTIVE #Pop — Mit Superorganism mischt gerade eine Band mit acht Mitgliedern die Blogs und Musikmedien auf. Eine gute Gelegenheit, hier Acts vorzustellen, bei denen sich ähnlich große oder gar größere Rudel zum kollektiven Austausch treffen.

01 Superorganism

Eine Bandgründung läuft heute folgendermaßen ab: Man lernt sich über Youtube-Kommentare kennen und freundet sich über seine Liebe zu Internet-Memes an. Die Musik der Truppe um Sängerin Orono Noguchi klingt dann auch genauso modern, quirlig und bunt, wie man sich das vorstellt, während Clips wie der zu »Everybody Wants To Be Famous« das Meme-Game souverän durchspielt.

02 Godspeed You! Black Emperor

03 Sun Ra Arkestra

04 Reykjavíkurdætur

Wenn wir richtig gezählt haben, sind bei den Kanadiern gerade zehn Musiker am Werk, die sich um die Gründer Efrim Menuck, Mauro Pezzente und Mike Moya scharen. GYBE stammen aus der Künstler- und Hausbesetzer-Szene Montreals. Die Band betreibt ihr eigenes Label Constellation, bewegt sich gern im Halbdunkeln, redet so gut wie nie über ihre Musik und drückt sich auf den monumentalen Instrumentalalben dennoch immer hochpolitisch aus.

Martin Büsser nannte die Gruppe in einem Intro-Artikel einmal »die Mutter aller Kollektive«. Im Mittelpunkt stand der 1914 geborene Herman Blount a.k.a. Sun Ra, der sich für einen Gesandten des Saturns hielt und Jazz aus der Zukunft spielte. Sun Ra stand der »Black Power«-Bewegung nahe und prägte den Afrofuturismus mit seinen Lyrics. Sein Sun Ra Arkestra lebte unter einem Dach und wurde von ihm eher diktatorisch als kollektiv geführt.

»Nimm als Frau einfach mehr Raum ein. Und als Mann halt einfach mal den Mund.« Diesen guten Rat gab uns Kolfinna Nikulásdóttir im Interview mit ihr und ihren »Töchtern Reykjavíks« mit auf den Weg. Die 18 Rapperinnen klingen wie eine Girl-Gang irgendwo zwischen Peaches und den Spice Girls. Vor allem ihre hierzulande leider sehr seltenen Live-Shows sind ein Angriff auf die Sinne. Als Einstiegstrack empfehlen wir »Kalla Mig Hvað?«.

05 Polyphonic Spree

06 Broken Social Scene

07 AKB48

Mehr Musikerinnen und Musiker als auf dem Cover der November-Ausgabe 2004 gab es bei Intro nie: 23 Gestalten in bunten Roben schmiegten sich aneinander. In ihrer Mitte, gottgleich in Weiß: Tim DeLaughter, der nach dem Ende seiner Band Tripping Daisy die Idee zu Polyphonic Spree hatte. Damit brachte er einen obskuren, aber charmanten Sektenspirit auf die Bühne und landete mit »Soldier Girl« und »Light And Day« auch ein paar Hits.

Als wir das Kollektiv aus Toronto 2017 trafen, war es gerade zu elft unterwegs. Amy Milan und Feist waren leider nicht dabei, dafür aber Emily Haines sowie Kevin Drew und Brendan Canning, die der Kern von BSS sind. Ihr aktuelles Album »Hug Of Thunder« mit seinen hymnischen, euphorischen und abwechslungsreichen Liedern ist ein gutes Beispiel dafür, wie toll es klingen kann, wenn viele spannende Charaktere gemeinsam Musik machen.

Zum Schluss noch was zur Erweiterung des Horizonts. AKB48 stammen aus Japan und gelten als die größte Popband der Welt: mit aktuell 322 Sängerinnen. Das Projekt entsprang dem – sagen wir mal: marketingaffinen – Hirn des TV-Produzenten Yasushi Akimoto. AKB48 haben seit ihrem Gründungsjahr 2005 über 50 Millionen Alben verkauft und treten momentan in einer Art Vier-Schichten-Besetzung im eigenen Theater in Tokio auf.

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#Pop

3 Fragen an

GEORGE E FITZGERALD

s heißt, als Künstler müsse man sein Leben ab und zu umkrempeln, um wieder neue Einflüsse zuzulassen. War das der Grund, wieso du nach zehn Jahren im Berliner Exil zurück nach London gegangen bist?

#Pop — Eineinhalb Jahre ist es her, dass George FitzGerald Berlin den Rücken gekehrt hat und für seine Familie nach London gezogen ist. Sein neues Album »All That Must Be« mit Gastmusikern wie Bonobo und Tracey Thorne erzählt davon. Sermin Usta sprach mit dem britischen Produzenten und DJ über den Rhythmus eines neuen Lebensabschnitts.

Der Grund, weshalb ich nach London bin, hatte nichts mit Berlin zu tun. Im Gegenteil: Die deutsche und auch die britische Musikszene beeinflussen mich bis heute am stärksten. Als kurz nach meinem Debüt »Fading Love« meine erste Tochter zur Welt kam, haben meine Frau und ich eine Weile versucht zu pendeln, aber das war auf Dauer nicht das Richtige. Jedes Mal, wenn ich nach Berlin kam, fühlte es sich falsch an, nicht bei den beiden zu sein. Es war also keine kreative, aber eine leichte Entscheidung. Ich nehme an, zurück in London hat sich nicht nur die Stadt fremd angefühlt. Auch dein Leben als Familienvater wird einen ganz neuen Rhythmus gehabt haben, oder?

Das erste Mal Vater zu sein und damit zu hadern, dass sich alles auf einen Schlag verändert, ist für viele junge Eltern keine leichte Sache. Ich hatte vorher ein sehr flexibles

Leben, bin viel gereist und ständig an anderen Orten aufgetreten. Plötzlich drehte sich nicht mehr alles nur um mich, sondern um zwei kleine Menschen, für die ich verantwortlich war. Am Anfang habe ich noch versucht, mein Ding durchzuziehen, aber das hat nicht funktioniert. Ich musste die Art, wie ich arbeite, ändern. Die Zeit, in der ich heute kreativ sein kann, ist wesentlich kürzer, dafür aber effektiver. Es findet alles in einem gewissen Rahmen statt, der auch durch meine Mädchen geprägt ist. Beispielsweise war ich früher kein besonders emotionaler Typ. Nur durch sie wurde ich mit der Zeit dazu. Und wie ist dein heutiges Verhältnis zu London?

Nun, London hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert. Wie auch in Berlin hat die Gentrifizierung großen Einfluss auf den kulturellen Teil der Stadt. London war in den 1990er-Jahren die europäische Metropole mit den meisten Live-Venues und Clubs. Heute haben knapp 50 Prozent der Clubs geschlossen. Es ist also immer noch eine aufregende Stadt, die ständig voller und teurer wird, die aber sehr viel multikultureller ist als Berlin. Ich wohne heute im Londoner Süden, der vor allem für seine afrikanische Community bekannt ist. Das habe ich tatsächlich sehr vermisst, wie ich später merkte. — George FitzGerald »All That Must Be« (Domino / GoodToGo / VÖ 09.03.18) — Auf Tour vom 19. bis 21.03.


#Pop

Herzensläden

SILVER DISC #Pop — Jeden Monat stellen wir an dieser Stelle einen Laden vor, der uns am Herzen liegt. Bisher ging es eher um Live-Clubs, ab sofort richten wir unseren Blick aber auch auf Plattenläden und Auslagestellen. Los geht es mit Silver Disc in Kreuzberg, der dieser Tage sein 30. Jubiläum feiert.

Die direkteste Heftkritik bekomme ich jeden Monat nur drei Straßen vom Berliner Intro-Büro entfernt. »Zugezogen Maskulin geht ganz gut weg«, höre ich dann von Silver-Disc-Inhaber Ralf oder seinem Kollegen. Oder aber: »Haiyti,

ernsthaft?« Silver Disc sind seit Jahrzehnten Intro-Auslagestelle und seit ungefähr zehn Jahren für mich ein fixer Anlaufpunkt, wenn ich ausrangierte CDs und DVDs verkaufen und in ein paar neue Platten investieren will. Dieser Tage feiert der Laden in der Wrangelstraße 84 sein 30. Jubiläum und hat dafür extra einen Vinyl-Sampler mit befreundeten Acts produziert. Unter anderem von Songwriterin Dota. Als die

Haiyti Montenegro Zero

ihre Platten noch ohne Label im Eigenvertrieb unters Volk brachte, gab es sie zuerst bei Silver Disc. Das hat sich – trotz Label – bis heute nicht geändert. Für mich ist das Geschäft ein gutes Beispiel für die Verbindung zweier Welten: Hier findet man oft ziemlich abgefahrene Alben für sehr schmales Geld, verquatscht sich jedes Mal an der Ladentheke, bekommt also genau den leicht nostalgischen Nerd-Flair, den man im Plattenladen finden will – und zugleich hat sich Ralf früh im Internet platziert und betreibt über die eigene Website silverdisc.de und die gängigen Plattformen einen regen An- und Verkauf. So konnte er sich in diesem harten Geschäft halten und musste auch den Standort im Gentrifizierungs-Kiez bisher nicht aufgeben. Ich hoffe, das ändert sich auch in den nächsten zehn Jahren nicht! Daniel Koch

Wird oft zusammen gekauft:

+

Haiyti »Montenegro Zero«

Trettmann »#diy«

Nike Air Max 97 QS GS (Metallic Silver / Varsity Red – White)

Moët & Chandon Brut Impérial Champagner mit Geschenkverpackung (1× 0,75 l)

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#Pop

#Pop #Wer Wir Sind

#Pop #Wer Wir Sind

I SALUTE

A TALE OF GOLDEN KEYS Herkunft Nürnberg Genre Melodien liebender

Indie-Pop

Mitglieder 3 Besondere Vorkommnisse Der

Bandname wurde von Charles Dickens’ Roman »A Tale Of Two Cities« inspiriert. Aktuelles Album »Shrimp« (Listenrecords / Broken Silence) Herkunft Berlin Genre Deutsch-englischer

Crossover

Mitglieder 2 Besondere Vorkommnisse

schon eine deutliche Entwicklung statt. Warum also dieses Release? Wo seht ihr euch jetzt in eurer Karriere?

Stagnation wäre unser Ende. Wir sind kontinuierlich im Songwriting-Prozess, entdecken Neues und probieren uns fast spielerisch von Release zu Release aus. »Her Confidence« war bereits ein Jahr vor Veröffentlichung fertiggestellt. Wir sind also der Aktualität wegen diesmal mit dem Wunsch zu Four, die neue EP alsbald zu Da wir das Debütalbum »Her veröffentlichen. Einen KarriConfidence« verpennt haben, ereplan gibt es nicht.

Sören Geißenhöner sang mal in der Band Empty Guns, und Magnus Wichmann trommelt noch immer für die ScreamoPunk-Gruppe Paan. Aktuelle EP »How You Like Me Now« (Four Music / Sony / VÖ 09.03.18)

würde ich mal grundlegend anfangen: Wie kommt man auf diesen Sound, wenn man vorher klassisch mit Gitarre und Schlagzeug musiziert hat? Sören: So richtig klassisch waren

die anderen Projekte gar nicht. Wir haben schon immer experimentiert und versucht, neue Pfade zu trampeln. Auch spielen Schlagzeug und Gitarre, vor allem auf »How You Like Me Now«, eine tragende Rolle. Wir können uns aber gerne auf Kanyes »Yeezus« als Ausgangspunkt der Zusammenarbeit und ersten gemeinsamen Nenner einigen. Die geballte Dreistigkeit dieser Platte hat uns ermutigt, einfach laufen zu lassen. Zudem haben Magnus und ich vor I Salute eine sehr unterschiedliche musikalische Sozialisation erfahren.

Wenn ich eure Musik höre, denke ich das Wort »Crossover«, obwohl es dank D-Base 5, Mr. Ed Jumps The Gun oder H-Blockx ein böses Wort ist – durch solchen Scheiß vergisst man ja, dass das Ganze mit dem »Judgement Night«-Soundtrack losging und uns Downset und Rage Against The Machine gebracht hat. Also: Was fühlt ihr, wenn ich euch das hier so gestehe, dass ich an Crossover denken muss?

Ich fühle mit dir. Wir betrachten unser Schaffen daher auch als Collage. Oder Flickenteppich?! Auch hier können wir die MutDebatte fortführen: Crossover als Vermischung von HipHop und Rock – zweier MainstreamGenres – ist kalkulierbares Risiko. Wir hingegen, das habe ich mal über uns gelesen, haben »HipHop Es kommt mir schon so vor, als kaputtgemacht und viel schöner wäre die EP etwas mehr als ein wieder zusammengesetzt«. bloßer Zwischenruf. Da fand

Interview: Daniel Koch

Auf dem Cover eures neuen Albums »Shrimp« ist eine Taube zu sehen. Ist das ein Insider, oder was ist die Geschichte dahinter? Hannes Neunhoeffer: Während

der Albumproduktion ist uns immer klarer geworden, wie ähnlich sich Tauben und Shrimps sind. Man könnte fast sagen, Shrimps sind die Tauben der Meere oder Tauben die Shrimps der Lüfte. Diese Erkenntnis ist für uns jetzt natürlich unwiderruflich mit dieser Zeit im Studio verbunden, und es liegt nahe, dass wir das mit den Menschen da draußen teilen wollen. Was war der prägendste Moment, den ihr als Band erlebt habt?

Gute Frage, vor allem, weil wir die noch nie beantworten mussten und jetzt natürlich keine Standardantwort auf Lager haben. Aber man könnte sagen, dass tatsächlich die Produktion zu »Shrimp« sehr prägend für uns war. Wir haben da festgestellt, dass man einfach mal machen kann und sollte. Letztendlich haben wir dieses Album in

zwei Wochen geschrieben und aufgenommen. Jetzt müssen wir das nur noch selbst ein bisschen einordnen und uns freuen!

Man hört aus euren Songs die Einflüsse der Indie-Szene der Nullerjahre heraus. Was waren eure größten Inspirationen?

Klar ist, dass wir in den Nullerjahren alle angefangen haben, uns mit Gitarrenmusik zu beschäftigen. Jetzt einzelne Künstler als größte Inspirationen herauszustellen ist aber nicht so einfach, da sich unsere Geschmäcker hier und da dann doch unterscheiden, was auch gut ist. Die größten Überschneidungen gibt es da auf jeden Fall im Bereich der Melancholie. Wenn ihr zehn Jahre in die Zukunft schaut: Was für eine Band möchtet ihr gewesen sein?

Impliziert diese Frage, dass wir in zehn Jahren keine Band mehr sind? Wenn es nach uns geht, sollte sich eigentlich gar nicht so viel verändern. Zusammen Musik machen, Platten aufnehmen, Konzerte spielen und am Ende sogar ein paar fremde Menschen glücklich machen. Wenn das in zehn Jahren immer noch so ist, wären wir damit ziemlich glücklich! Interview: Anna Kravcikova


#Pop

#Pop #Wer Wir Sind

CHARLIE BARNES Herkunft GB-Lichfield Genre Morbider, schöner

Großgestenpop Mitglieder 1

Besondere Vorkommnisse

Charlie ist aktuell auch als LiveGitarrist von Bastille auf der Bühne zu sehen.

Aktuelles Album

»Oceanography« (Superball / Sony / VÖ 09.03.18)

#Pop #Wer Wir Sind

BRETT

Ein Traum, der wahr wird! Manchmal muss ich mich kneifen, dass ich mit einem meiner größten Vorbilder so eng zusammenarbeiten kann. Wir haben uns gegenseitig die Bälle zugespielt. Ich habe Songs geschrieben und als Demo aufgenommen, er hat die Arrangements ausgetüftelt, mir geschickt, ich habe sie ergänzt. Ich habe mich gefreut wie ein kleines Kind, wenn wie-

Herkunft Hamburg Genre Deutschsprachiger

Stoner-Pop-Blues-Rock Mitglieder 4

Besondere Vorkommnisse

Brett haben um ihr Studio in Ottensen – die Hebebühne – eine Art soziokulturelles Zentrum aufgebaut. Aktuelles Album »Wutkitsch« (Chimperator / Rough Trade) Mir gefällt der Titel deiner zweiten LP sehr gut. »Oceanography« ist ein sehr reichhaltiges Wort. Was bedeutet es für dich?

Zwei Dinge, leider haben beide nix mit klassischer Ozeanografie zu tun. Zum einen ist es eine Referenz an meine Helden Oceansize. Zum anderen ist es eine Metapher dafür, wie es ist, heute Musiker zu sein. Streaming, Internet, Social Media, eine ums Überleben kämpfende Branche – da fühle ich mich manchmal so verloren wie ein Tropfen Wasser im Ozean. Alles dreht sich um Plays, Likes, Kommentare, Retweets – manchmal frage ich mich fast, ob ich noch ein Kreativer bin oder eher fürs Marketing zuständig. Das fraß mich eine Weile auf, und ich musste mich erst darauf besinnen, warum ich das alles mache: Weil ich Musik liebe. Oceansize ist ein gutes Stichwort: Deren Steve Durose produzierte das Album und spielte darauf auch einige Instrumente ein. Wie war das für dich?

der eine Mail kam und ich hören konnte, was er aus meinen Demos gemacht hat. Das Wort Produzent greift viel zu kurz.

Wann hast du denn überhaupt Zeit zum Songschreiben und Aufnehmen gefunden? Bastille haben ja einen ziemlich prall gefüllten Tourkalender.

Die Welt eines Tourmusikers ist voller toter Zeit, die es zu füllen gilt zwischen all den Reisen und Soundchecks und Shows. Ich bin inzwischen gut darin, das zu nutzen. Dan Smith von Bastille ist sehr diszipliniert: Er hat auf Tour immer einen Raum, in den er sich zum Songschreiben zurückziehen kann. Immer, wenn er dort war, fühlte ich mich motiviert, an meiner Musik zu arbeiten. Ich habe stets ein wenig Equipment dabei und in manchen Städten in kleinen Studios ein paar Lieder eingesungen. Das war gleichzeitig eine schöne Erfahrung, weil ich so viele spannende Leute kennengelernt habe. Interview: Daniel Koch

Ich habe ein wenig Schwierigkeiten, euch musikalisch zu greifen. Wie entstand dieses Soundgemisch, und was sind die ungefähren Zutaten? Max Reckleben: Wir alle brin-

gen unsere musikalischen Helden ein: Zeppelin, Hendrix, The Strokes, QOTSA oder Tedeschi Trucks Band. Unser Anspruch war aber schon immer, zu adaptieren und nicht zu kopieren. Da wir alle zusammen schreiben und jeder seine musikalische Identität einbringt, klingen die Dinge am Ende eben so. Anfangs habt ihr auf Englisch gesungen, euch dann aber recht schnell umentschieden. Wie kam es dazu?

Weil auf Deutsch texten so schwierig ist, haben wir es erst mal auf Englisch versucht – und weil unsere Helden alle englischsprachig sind. Mit der Zeit wurde der Wunsch, auch auf sprachlicher Ebene mehr ausdrücken zu können, allerdings immer größer, und wir sind um unsere Muttersprache nicht mehr

herumgekommen. Aber jetzt sind wir superglücklich damit.

Ich fand es spannend, dass ihr euch nicht nur ein Studio gebaut habt, sondern sozusagen in eurer »Hebebühne« auch eine soziale und kulturelle Funktion erfüllt. Wie kam es dazu? Und wie würdet ihr die Hebebühne für Außenstehende beschreiben?

Die Hebebühne ist unser kleiner Leuchtturm. Wir geben hier unserer eigenen kleinen Szene ein Zuhause. Inzwischen haben sich knapp 25 Parteien in unsere Räume eingemietet – es gibt Werkstätten, Büros, Probe- und Workshopräume sowie eine kleine Kneipe und einen Live-Club. Die Idee war, kreativen Menschen einen Ort zu geben und so ein Netzwerk zu erschaffen, das sich gegenseitig hilft und unterstützt. Das funktioniert super. Interview: Daniel Koch

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Photo by James Barkman from Off the Road Š Gestalten, 2017

March 9-11, 2018, Arena Berlin


3 DAYS 100 EXHIBITORS 80 SPEAKERS Adventures Big and Small • Astrophotography Auf dem Landweg nach New York Backpack Stories • Build your own Skateboard Building the World‘s Greatest Hiking Trail Canna-Tourism • Conflictfood • Couchsurfing im Iran • Handpicked Paradise • Hit the Road Run a Company from a Land Rover Travel the World in Style on a Budget Leben in Papua-Neuguinea • Nomads for LGBT Visibility • Off the Beaten Path Travel Professional Photography with Small Cameras Ranger Workshops • Sabbatical Shape your own Surfboard • Slow Travel The Biggest Family Travel Blog in Europe The Great Outdoors • Thoughts about Regional Food • Traumberuf Reiseblogger • #Vanlife Traveling with Disabilities • Zero-Waste Travel Um die Welt ohne Geld + many more

KETS m C I T & INFO elfestival.co

trav berlin


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#Das Quiz

Jeden Monat neu

DAS QUIZ Das Titelthema des Heftes ist gleichzeitig immer auch Hauptthema unseres monatlichen Quiz-Spaßes. Diesmal dreht sich natürlich alles um die schottischen HipHopper Young Fathers. Los geht’s …

Die Gewinne Twin Peaks paramount.de

»We’ll see each other again in 25 years« – nach über 27 Jahren macht David Lynch Laura Palmers Versprechen wahr. Die »Limited Event Series« gibt’s ab 29.3. als DVD & Blu-ray – wir verlosen je zwei Blu-ray-Boxen, dazu jeweils noch die Box »Das ganze Geheimnis« inkl. Staffel 1–2 & »Fire Walk With Me«.

Universal Rock International Vinyl-Paket universal-music.de

1 Warum heißen die so? K

Weil es drei junge Väter sind

L

Weil alle den Namen ihrer Väter tragen

F

Weil junge Väter ein gesellschaftliches Problem darstellen

2 Und wie heißen die Väter? O

Alloysious, Graham und Kayus

R

Ambrosius, Groko und Kyuss

B

Albert, Gerd und Klaus

3 Mit welcher Band werden sie verglichen? M

Monster Magnet

O

Mercury Rev

R

Massive Attack

4 Name des neuen Albums? I

»Coke Zero«

D

»Cocao Sugar«

M

»Coca Suger«

Die Buchstaben der richtigen Antworten ergeben das Lösungswort. Teilnehmen könnt ihr unter intro.de/quiz, per Mail mit dem Betreff »Das Quiz #260« an verlosung@intro.de oder per Post an Intro GmbH & Co. KG, Das Quiz, Oppenheimstr. 7, 50668 Köln. Teilnahme ab 18 Jahren, Einsendeschluss ist der 26. März 2018. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Wir verlosen ein Vinyl-Paket bestehend aus folgenden Schätzen: Brian Fallon »Sleepwalkers«, Fall Out Boy »Mania« und Frank Turner »Be More Kind« (VÖ 04.05.) Man kann sich jetzt schon auf die bald kommenden Tourneen zu den Alben freuen, die Termine findet ihr natürlich wie immer hier: intro.de/ termine.

Kapten & Son Campus Black Midnight Woven kapten-son.com

Das Design der Uhr ist schwarz wie die Nacht. Mit ihrem schwarzen Ziffernblatt, dem gewobenen schwarzen Echtlederarmband und dem matt anthrazit-schwarzen Edelstahlgehäuse wird die Uhr zum absoluten Blickfang an deinem Handgelenk. Wir verlosen eine »Campus Black Midnight Woven« von Kapten & Son!

Falco Falco 60 sonymusic.de

Am 6. Februar 1998, verstarb Österreichs erfolgreichster Popstar bei einem Unfall in der Dominikanischen Republik. Als wäre es gestern gewesen, klingt seine Musik heute aktueller denn je. Dank dem Re-release, ist »Falco 60« wieder auf Platz 30. der Albumcharts geklettert. Wir verlosen drei Vinyl.

Fatboy Slim You've Come A Long Way, Baby — 20th Anniversary fatboyslim.net

Mit u.a. »Rockafeller Skank« und »Praise You« eroberte Fatboy Slim 1998 Tanzflächen und Wohnzimmer zugleich. Zum Re-Release des Albums am 16.3. verlosen wir eines von nur 100 »20th Anniversary Deluxe Edition Meal Deal«-Boxsets, inkl. 180g Vinyl, Booklet, »Art Card« & T-Shirt.


Illustration: Gabriel Nazoa

#Pop

#Pop 39


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#Pop #Young Fathers

Young Fathers

BITTERSÜSSER GESCHMACK

Ihr Debüt »Dead« wurde mit dem renommierten Mercury Music Prize ausgezeichnet. Der Nachfolger »White Men Are Black Men Too« geriet zum Kritikerliebling. Nun kehren die Young Fathers nach einer Auszeit mit »Cocoa Sugar« zurück, das den experimentellen Sound der Schotten konsequent weiterführt. Sermin Usta traf Alloysious Massaquoi, Kayus Bankole und Graham »G« Hastings zum Gespräch über neue Perspektiven, alte Idole und hausgemachte Skandale. Foto: Mustafah Abdulaziz


#Pop #Young Fathers

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#Pop #Young Fathers

E Massive Attack ... feiern in diesem Jahr ihr 30. Bandjubiläum. 1988 gründeten Robert Del Naja und Daddy G die Band in Bristol – damals noch mit Andrew Vowles – und erfanden wenig später eine eigene Musikrichtung, den Trip-Hop oder Bristol Sound. Was diese Band noch heute so besonders macht, sind ihre Beständigkeit, ihre zeitlose Musik sowie ihr Blick für frische Kollaborationen. Auf ihrer diesjährigen Jubiläumstour werden sie unter anderem von den Young Fathers begleitet.

Perspektivismus Es fällt schwer, eine Theorie zu kritisieren, die einem pragmatisch gesehen sehr sympathisch erscheint. Auf die unverbindliche Behauptung, dass alles im Leben eine Frage der Perspektive sei, können sich sicher die meisten von uns verständigen. Aber was ist, wenn man diesen Gedanken radikaler spinnt und damit Positionen oder auch die Geschichte abhängig vom Betrachter macht? Nietzsche war überzeugt von diesem Gedanken, was ihm schon zu Lebzeiten viel Kritik einbrachte.

ine Geschichte, wie sie das Leben schreibt: Eine arbeitslose alleinerziehende Mutter, die zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird und keinen Babysitter findet, nimmt ihre zwei Kinder mit zu ihrem Termin. Die Kids warten während des Gesprächs geduldig in der brütenden Mittagshitze im Auto. Bald darauf bildet sich eine Traube um den Wagen, zwei Passanten rufen besorgt die Polizei, was später dazu führen wird, dass der jungen Frau die Kinder entzogen werden. »Zwei Blickwinkel, aber ein und dieselbe Sache«, erklärt mir Alloysious Massaquoi kopfschüttelnd. Sein Blick verrät sein überschäumendes Temperament. »Den der Mutter und den der Leute, die glaubten, die Kinder seien in Gefahr.« Ein überzogenes Szenario, das nicht in Edinburgh oder Berlin, sondern in einer südafrikanischen Kleinstadt im Urlaub des Young-Fathers-Sängers geschehen ist. G Hastings und Kayus Bankole sitzen neben ihrem Bandkollegen in einem Berliner Café und hören geduldig zu, den Blick auf den Boden gerichtet. Umgeben von Kreuzberger Kreativen, Cappuccino-Müttern und Touristenscharen, die Probleme wie diese vermutlich nicht kennen. Höchstens aus einer dieser TV-Shows mit Fremdscham-Faktor einhundert, wo geistig Verarmte gesucht, gefunden oder getauscht werden. Was diese–– Geschichte mit dem Trio selbst und seinem neuen Album »Cocoa Sugar« zu tun hat, wird mir erst im Laufe des Nachmittags einleuchten. Eins ist aber schon zu Beginn unseres Interviews klar: Diese drei sind selbstbewusst im Umgang mit ihren Überzeugungen, was auch auf den neuen Songs deutlich heraussticht. Mittelpunkt ihres aktuellen Albums »Cocoa Sugar« ist der Versuch, die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Die Welt einmal mit den Augen eines anderen zu sehen und zu verstehen. Egal, ob Chauvinist, drittes Geschlecht oder alleinerziehende Mutter. Jener Perspektivismus eben, der die Young Fathers derzeit zu einer der ambivalentesten Bands des (noch) vereinten Königreichs macht. Kreativ betrachtet sensationeller als Massive Attack und Motown zusammen und stets mit dem Anspruch, den Zeitgeist zu bezwingen, halten sie auch mal an politisch fragwürdigen Standpunkten fest, bei denen es uns schwerfällt, ihre Perspektive einzunehmen. Mit der beiderseitigen Ansage, auch Unangenehmes ansprechen zu dürfen, gehen wir ins Gespräch.

G Hastings: Im Grunde haben wir uns das ganze letzte Jahr

Zeit genommen, um musikalisch wieder etwas Neues zu machen, das wir selbst auch aufregend finden.

Was hat den Schreib- und Aufnahmeprozess angefeuert? Alloysious: Drei Typen mit unterschiedlichen Erfahrun-

gen und Problemen, die sich treffen und Geschichten darüber erzählen, was sie gelesen oder erlebt haben. Im Grunde lief alles sehr organisch ab. Eher wie eine Art Selbsterfahrungstrip. G: Als Künstler sollte man sich für ein größeres Spektrum an Themen und Blickwinkeln interessieren. Damit meine ich auch gesellschaftliche Probleme, die nicht so klar und linear zu beantworten sind, wie manch ein Popsong es vermuten lässt. Die Songzeile »What A Time To Be Alive« ist natürlich rhetorisch gemeint, ich weiß, aber habt ihr euch trotzdem mal gefragt, ob es gerade eine gute Zeit ist, um am Leben zu sein? Alloysious: Nun, es ist rhetorisch gemeint, weil es keine

zufriedenstellende Antwort geben kann. Man kann die heutige Zeit positiv und negativ bewerten. Wichtig ist nur, dass man einen Weg findet, mit seinem Standpunkt verantwortungsvoll zu leben. G: Außerdem hat es mit Sicherheit in jedem Zeitalter der Menschheitsgeschichte Leute gegeben, die das auch gedacht haben. Unsere sehr persönliche und ironische Interpretation kommt eher daher, dass wir teils f––rustriert darüber sind, wie egoistisch die Welt manchmal zu sein scheint. Gemeint sind Menschen, die sich ständig selbst optimieren müssen, immer mehr besitzen wollen und dabei nur an sich denken. »What a time to be alive« ist also eher ein bissiger Kommentar auf diesen radikalen Individualismus, der auch Schattenseiten hat. Nietzsche sagte mal: »Das absolute Wissen führt zum Pessimismus. Die Kunst allein ist das Heilmittel dagegen.« Ihr scheint davon nicht überzeugt zu sein, denn in eurer Kunst geht es immer wieder um Themen wie Religionen, Hautfarbe, konstruierte Geschlechterrollen. Auch auf »Cocoa Sugar« lasst ihr keinen Konflikt unberührt. Alloysious: Wo auch immer du hingehst: Liebe, Sex und

Politik sind überall und für jeden Gesprächsthemen, nicht nur für uns. G: Es sind Themen, die uns bewegen. Auch wenn ich weiß, dass ich mir den Weltfrieden noch so sehr wünsche, er wird Was hat es mit eurem Albumtitel »Cocoa Sugar« auf deswegen nicht schneller kommen. Wir können nur hoffen, sich? dass die, die nach uns kommen, es besser machen werden. Alloysious Massaquoi: Es ist eine Anspielung auf den Glaubt ihr, ihr könntet als Künstler Einfluss nehmen? bittersüßen Geschmack, den das Leben an manchen Ta- G: Es geht nicht immer darum, etwas zu verändern. Manchgen hinterlässt. Es geht um eine Welt, die oft nicht fair mal wollen wir uns einfach nur ausdrücken, zeigen, wie und schon gar nicht perfekt ist, aber trotzdem extrem wir denken, was uns aufrüttelt. Wir wollen als Popband lebenswert. verstanden werden, die Musik macht und nicht die Welt Fast drei Jahre habt ihr nichts von euch hören lassen, verändert. mal abgesehen vom »T2«-Soundtrack und einem Fea- Kayus Bankole: Für mich persönlich wäre es auch eine ture mit Massive Attack. Wann in dieser Zeit sind eure zu große Bürde, ständig positiven Einfluss auf andere zu haben. Was nicht heißt, dass ich nicht will, dass Gutes neuen Songs entstanden? Alloysious: Wir hatten einige der Ideen bereits auf Tour passiert. Nur ist unsere Musik nicht der richtige Ort dafür. entwickelt und außerdem noch Sachen in Edinburgh lie- Denn seien wir ehrlich: Die meiste Zeit würden wir gegen gen. Das meiste hat sich allerdings später ergeben, als wir einen Strom aus Scheiße anschwimmen, in dem es extrem hart ist, vorwärtszukommen. zurück waren und gemeinsam gechillt haben.


#Pop #Young Fathers

»KONFLIKTE GEHÖREN ZUM LEBEN DAZU. ES DARF NUR NICHT DARUM GEHEN, WER VON UNS DEN STREIT GEWINNT, SONDERN WIE WIR IHN INHALTLICH ZU ENDE FÜHREN. DAS BEDEUTET, UNSERE MEINUNGEN SOLLTEN KOEXISTIEREN DÜRFEN.«

Euch verbindet eine enge Freundschaft mit Massive Attack, die euch auch musikalisch geprägt haben. Habt ihr auf der gemeinsamen Tour viel von ihnen gelernt? Alloysious: Es ist schwer, ihren Einfluss an bestimmten

Punkten festzumachen. Sie haben uns gezeigt, wie man eine Karriere managt. Damit meine ich nichts Organisatorisches, denn das haben wir besser im Blick. Eher, dass man sich nicht anpassen muss und trotzdem erfolgreich sein kann. Noch heute entwickeln sie sich in ihren Möglichkeiten weiter, probieren Neues aus, ohne sich dem Zeitgeist zu unterwerfen. Das ist inspirierend. Der Mensch braucht Vorbilder wie diese, die einem zeigen, dass es in Ordnung ist, man selbst zu sein. G: Sie haben uns keine Ratschläge erteilt. Die Jungs sind ganz normale, nette Typen wie du und ich, die eine wahnsinnige Kraft und Leidenschaft in ihre Arbeit stecken. Ihnen zuzusehen, wie sie das machen und wie verbunden sie miteinander sind, reicht schon aus, um etwas Wichtiges fürs Leben mitzunehmen. Kayus: Davon mal abgesehen haben sie diesen bestimmten Sound, den sie selbst geprägt haben. Genau das wollen wir auch. Nicht klingen wie andere, sondern etwas Neues schaffen. Seht ihr euch als kreative Hardliner? Alloysious: Als Hardliner würde ich uns nicht bezeichnen,

denn dann würden wir die Dinge ja nur Schwarz-Weiß sehen und könnten keine Kompromisse eingehen. Wir haben das Glück, etwas experimenteller und mutiger als andere sein zu können, keine Hilfe zu benötigen und trotzdem viele Menschen zu erreichen. G: Manchmal verstehen wir erst, was wir getan haben, wenn wir in einem Interview sitzen und unsere Musik besprechen müssen, so wie jetzt. Wenn du im Studio sitzt, machst du dir über all diese Dinge keine Gedanken. Entweder es klingt gut und hat eine gewisse Relevanz oder nicht. Wie bemisst sich die Relevanz eines neuen Albums? Kayus: Manchmal sitzt du im Studio, bastelst an einem

Song, und plötzlich überkommt dich eine Art Euphorie, und du fängst an zu tanzen. Dann weißt du: Dieser Song hat Potenzial. Ein anderes Mal entfaltet ein Track erst live vor Publikum seine Wirkung. Das passiert häufig bei eher düsteren Stücken, zu denen die Leute dann plötzlich zu tanzen beginnen. Nur so bekommen unsere Lieder auch für uns eine andere Bedeutung und Tiefe. Ihr sagt, innerhalb der Band sei es einfach, Kompromisse einzugehen. Gibt es denn überhaupt Gründe, die zum Streit führen? Kayus: Wir streiten oder diskutieren ständig über irgend-

welche Dinge. G: Aber es ist ja nichts Schlimmes daran, Konflikte gehören zum Leben dazu. Es darf nur nicht darum gehen, wer von uns den Streit gewinnt, sondern wie wir ihn inhaltlich zu Ende führen. Das bedeutet, unsere Meinungen sollten koexistieren dürfen. Alloysious: Manchmal hat das eigene Ego eben mal Pause. Erst recht, wenn es zu einem besseren Ergebnis führt. Spätestens dann muss man bereit für einen Kompromiss sein. Lasst uns über eure zweite Single »In My View« sprechen. Worum geht es in dem Song? Kayus: Wir glauben, dass vieles im Leben eine Sache der

Perspektive ist.

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#Pop #Young Fathers

Alloysious: Deshalb lassen wir in den Geschichten mehrere

Charaktere ineinanderfließen. Es geht um verschiedene Ängste, Gedanken und Sorgen. Und um diese zu verstehen, muss der Kontext um sie herum klar sein – er ist der Schlüssel zum Verständnis. BDS ... steht für »Boycott, Divestment and Sanctions«. Unter diesem Namen haben sich 2015 verschiedene Gruppen zusammengeschlossen, die im Detail durchaus unterschiedliche Positionen haben, aber einen gemeinsamen Nenner vertreten: ihre anti-israelische Haltung. Das Aktivisten-Netzwerk versucht seit 2005, den kulturellen und institutionellen Einfluss Israels auf der Welt zu boykottieren. Vor allem in Großbritannien hat die BDS-Kampagne sehr viele prominente Unterstützer wie beispielsweise PinkFloyd-Gründer Roger Waters, Kate Tempest und The-Verve-Sänger Richard Ashcroft. Zuletzt machte die BDS-Bewegung hierzulande mit einer Kampagne gegen das Berliner Pop-Kultur-Festival auf sich aufmerksam.

Nun, es ist vielleicht keine Sache der Perspektive, aber ein Thema, zu dem es unterschiedliche Positionen gibt: Eure Unterstützung des BDS hat hierzulande für viel Gesprächsstoff gesorgt. Den Staat Israel wirtschaftlich und kulturell zu isolieren – also keine Konzerte mehr zu spielen, keine Reisen mehr dorthin zu machen – kann aus der Sicht eines Palästinensers in Gaza als Heldentat verstanden werden, aber aus Sicht eines Israelis in Tel Aviv, der nichts für die Politik seines Landes kann, muss es sich anfühlen wie ein Schlag ins Gesicht. Denkt ihr, dass ein Kulturboykott der richtige Weg ist, um eine Lösung in einem jahrzehntelangen Konflikt herbeizuführen? G: Manche Situationen erfordern besondere Maßnahmen.

Die Boykott-Bewegung in Palästina ist so eine. Wir haben uns dazu entschieden, sie zu unterstützten, weil wir der aktuellen israelischen Regierung kritisch gegenüberstehen und den Menschen in Palästina eine Stimme geben wollen. Die momentane Situation und die Ausgangslage in Palästina und Israel sind historisch gesehen mit wenig vergleichbar. Allerhöchstens vielleicht mit der Zeit der Apartheid in Südafrika, wo Menschen ebenfalls grundlos unterdrückt wurden. Für uns ist es wichtig, dass wir einen gewaltvollen Konflikt friedlich angehen. Alloysious: Für uns Außenstehende gibt es nicht viel, was wir machen können, um zu helfen und ein Bewusstsein für die Lage der Menschen dort zu schaffen. Wir wollen mit unserer Unterstützung und mit unserer Musik einen Dialog ermöglichen. G: Und dafür nehmen wir momentan einiges in Kauf, denn diese Entscheidung hat unserer Karriere sicher nicht geholfen. Worüber unser Umfeld geradezu besorgt ist. Aber wir sprechen offen drüber. Man kann die Kampagne zweifellos als antisemitisch bezeichnen, auch wenn nicht alle Unterstützer Antisemiten sind, so wie ihr. Hierzulande ist man aber dennoch schockiert darüber, wie weit eure Solidarisierung geht. Als ihr dem Berliner Pop-Kultur-Festival eure Teilnahme aufgrund einer Reisebezuschussung kurzfristig abgesagt habt, war ich irritiert. G: Für uns als Band ist es ein ständiger Konflikt, wo wir

die Linie ziehen, wie wir uns zu Dingen positionieren und sie bewerten. Das ist uns in diesem Fall sicher nicht leicht gefallen. Alloysious: Was wir fordern, ist doch nur menschlich. Man darf die Dinge nicht nur Schwarz-Weiß sehen, schließlich ist der Nahost-Konflikt ein solch komplexes Thema, das kann man nicht mit einem Interview oder einer BoykottInitiative lösen. Aber wir sind Individuen und nicht nur eine Band. Außerhalb der Gruppe müssen wir schauen, ob wir gewisse Dinge mit unserem Gewissen vereinen können. Wir haben uns gefragt: Wollen wir auf dieses Festival gehen? Ein Festival, das Künstler verschiedener Kulturen, geprägt von unterschiedlichen Konflikten, zusammenbringen möchte, aber keinerlei Dialog organisiert, kein Panel, nichts. Nur dabei zu sein und zu hoffen, dass die Leute sich

für dieses Thema zufällig sensibilisieren, reicht uns nicht aus. Ich möchte den Besuchern nicht unterstellen, ein Teil des Ganzen zu sein, schließlich wollten sie einfach ihren Spaß haben, auf einem großartigen Festival. G: Außerdem ging es damals um mehr als nur das Sponsoring. Wir fanden auch den Umgang mit dem Thema nicht gut. Uns wurde ein Poster mit allen Logos außer dem der israelischen Botschaft vorgelegt. Offensichtlich wusste der Promoter, dass dies ein sensibles Thema ist. Wenn du ein multikulturelles Festival machen möchtest und Bands aus dem Mittleren und Nahen Osten einlädst, solltest du auch in der Lage sein, diesen Konflikt angemessen zu thematisieren. Damit meine ich, dass den Künstlerinnen und Künstlern beider Seiten die Chance gegeben wird, ihre Geschichten zu erzählen. Ich meine, was geht ab auf beiden Seiten? Was bedeutet dieser Zustand für die einzelnen Musiker? Das wäre ein echter Dialog und einem Kulturfestival angemessen. Die Besucher würden Informationen aus erster Hand bekommen, und die Acts, die es tagtäglich betrifft, könnten ihre Lösungsansätze vortragen. Aber ohne diesen offenen Dialog kommen wir einer friedlichen Lösung keinen Schritt näher. Aber ein Boykott ist doch kein offener Dialog. Und habt ihr denn im Vorfeld um Panels zu diesem Thema gebeten, oder wurde dies erst ein Thema, als ihr das Logo gesehen habt? Denn nun werfen euch Kritiker vor, dass eure einseitige Parteinahme antisemitische Stereotype reaktiviere. G: Für uns, die wir nun hier in Berlin sind und gefragt

werden, ob wir Antisemiten seien, ist das einfach unglaublich unverständlich und hart. Diese Behauptung ist widersprüchlich zu allem, wofür wir als Band stehen. Sind denn die Teile der jüdischen Community und die Israelis, die die Boykott-Bewegung von Anfang an unterstützt haben, etwa auch antisemitisch? Für uns ist es verdammt schmerzhaft, diese Meinungen über uns zu hören. Das ist ein friedlicher Protest, der keine Menschenleben fordert. Ich wünsche mir, dass die Leute zumindest versuchen, unsere Haltung zu diesem Thema zu verstehen, oder uns direkt drauf ansprechen, so wie du es getan hast. Wir sind keine Antisemiten. Kritik an einer Regierung bedeutet nicht Kritik an einem Volk oder an einer Religionsgemeinschaft. Wenn ich den Brexit und damit auch das britische Parlament und die Regierung kritisiere, stelle ich ja auch nicht das Christentum in Frage. Es geht um eine bestimmte Politik, die jeden Tag Menschenleben fordert und die nicht auf eine friedliche Lösung des Problems aus ist. Kayus: Es ist ein komplexes Thema, bei dem es viele Sichtweisen und Meinungen gibt. Wir können ausschließlich das tun, was wir gemeinsam oder getrennt voneinander als richtig und menschlich erachten. — Young Fathers »Cocoa Sugar«

(Ninja Tune / Rough Trade / VÖ 09.03.18)

— Live am 09.04. in Berlin


YOU’VE COME A LONG WAY, BABY

20TH ANNIVERSARY DELUXE EDITION CD MEDIABOOK

OUT 16/03/18

CONTAINS EXTENSIVE SLEEVE NOTES EXPLORING THE TIMES, THE PRODUCTION, THE IMPACT AND THE LEGACY OF THIS CLASSIC ALBUM.

180G 2LP WITH 6 PAGE 12” ROLL FOLD BOOKLET INCLUDES THE SEMINAL DANCE ANTHEMS PRAISE Y O U , R I G H T H E R E R I G H T N O W, T H E R O C K A F E L L E R SKANK AND GANGSTER TRIPPING.


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#Pop #Isolation Berlin

Isolation Berlin

GIFT FÜR DIE GEMEINSCHAFT

»Der Wahnsinn krabbelt mir den Rücken hoch und beißt sich im Gehirnlappen fest.« Willkommen in der Welt von Isolation Berlin! Auf »Vergifte dich« lädt die Band wieder zum gemeinsamen Leiden und Verdrängen ein. Der Albumtitel impliziert vor allem Letzteres. Nicht von ungefähr steht auf dem Wohnzimmertisch eine Armada halb geleerter Schnapsflaschen, als unser Autor Mathis Raabe in einer Berliner WG mit den Jungs in den emotionalen Tiefstand abtaucht. Foto: Max Zerrahn


#Pop #Isolation Berlin

D

ass beide bisherigen Alben von Isolation Berlin im Februar erschienen, sei laut Sänger, Gitarrist, Dichter und Songwriter Tobias Bamborschke reiner Zufall. Dabei scheint die sonnenarme Tristesse des Berliner Winters gut zur gepeinigten Stimmung seiner Texte zu passen. »Wenn ich eins liebe, dann ist das der Regen«, haucht er auf »Wenn ich eins hasse, dann ist das mein Leben«. Eine dunkle Wetterfront fegt aber nicht nur durch Berlin, sondern auch durch die deutschsprachige Pop-Landschaft, seit Bands wie Der Ringer, Messer, Die Nerven oder Die Heiterkeit die Post-Party-Depression zum Politikum erheben. Allen voran: Isolation Berlin. Doch das Post-Punk-Revival ist schon eine Weile verebbt, und auch mit »jung und wütend«-Klischees lässt sich die Band nicht greifen. Dass sie mehr sind als ein Joy-Division-Abziehbild, vermittelt schon der Name. Ein eingedeutschtes Cover von »Isolation« aus Ian Curtis’ posthumem Meilenstein »Closer« war eines der ersten Lebenszeichen der Band, gleichzeitig ist die Traurigkeit aber nicht nur musikalische Referenz, sondern ein präzises Lebensgefühl bei der ersten Katerkippe. Ein Gefühl, das man nicht nur in Berlin, sondern auch in Stuttgart versteht. Als Teil einer Szene sehen sich Isolation Berlin aber nicht, wie Schlagzeuger Simeon erklärt: »Das gibt es nicht mehr, dass man sich mit seinen Revoluzzer-Freunden in der Kneipe trifft, und der eine hat eine Punk-Band, und dann ist das eine Szene. Die Leute jagen einem Ideal hinterher, das seit 20 Jahren nicht mehr existiert.« Vielleicht, seitdem das letzte greifbare Verständnis von Indierock – diese Sonnenbrillen, Hüte und Krawatten tragende männliche Coolness – Mitte der 2000er gestorben ist. Seitdem ist Gitarren-Musik weniger kommerziell erfolgreich, aber es ist Raum entstanden für ganz unterschiedliche Identitäten. Im Zuge der großen Freude über den Seelen-Striptease auf dem Debütalbum wurden Tobias’ Texte mitunter missverstanden oder für einen Diskurs über Depressionen in der Popmusik instrumentalisiert. »Viele haben das für offene Tagebuch-Einträge gehalten. Ich schreibe auch Songs, die wichtig für mich sind und die ich in meinem Zustand gerade brauche. Ich möchte aber keine Antworten geben, sondern es ist immer eine Figur, die einer bestimmten Person etwas erzählt.« Auch die Arbeitsweise Hölderlin’schen beinhaltet keinen Hölderlin’schen Turm: »Ich Turm habe mich nicht in mein Kämmerlein eingeDies ist nicht nur eine schlossen und versucht, möglichst traurig zu Metapher: Den Turm kann sein, sondern mir die Welt angeschaut und mit man in der Bursagasse 6 in Tübingen tatsächlich be- Leuten gesprochen. Und dann sind mir Sachen sichtigen. Nachdem er als eingefallen, und die habe ich aufgeschrieben.« unheilbar geisteskrank aus Im Tracklisting scheinen die Geschichten einem Tübinger Klinikum entlassen worden war, lebte dieser Menschen aufeinander zu antworten der Dichter Friedrich Höl- und ergeben eine vielseitige Auseinanderderlin dort vom 3. Mai 1807 setzung mit Weltschmerzen. Ist das lyrische bis zu seinem Tod im Jahr 1843. Die oft unter seinem Ich auf »Serotonin« noch hilflos ob des allPseudonym Scardanelli täglichen Trotts, der nur um den Pfandflaveröffentlichten Texte und schenautomat und die Parkbank kreist, so Gedichte sind von Wahn und Depression gezeichnet, regt im Anschluss »Vergifte dich« schon zur haben aber dennoch (oder Verdrängung an. Melancholie stiftet Gemeingerade deshalb) eine ganz schaft. »Ein gemeinsamer Rausch bewirkt eigene lyrische Qualität. immer auch eine Öffnung«, erklärt Tobias. »Auch dieser Text ist eher beobachtend. Ich habe in Berlin viele Menschen kennengelernt, die sich permanent wegballern. Ich interessiere mich für bestimmte Momente und Gefühle

und versuche, die mit meinen Texten einzufangen, ohne wirklich zu werten.« Der Selbstzerstörung kann etwas Schönes innewohnen, wenn man nach dem zehnten Bier die Hüllen fallen lässt und es zu menscheln beginnt. Giftige Arten wachsen oft am besten im Geflecht. »So haben wir uns wahrscheinlich alle kennengelernt«, vermutet Gitarrist Max und erntet Gelächter. »Es kann helfen, zusammenzukommen. Es ist aber natürlich traurig, wenn das das einzig Verbindende ist.« Der Titeltrack »Vergifte dich« ist einer der ersten Songs, die Isolation Berlin zusammen geschrieben haben. »Oft muss man lange warten, bis es ›klick‹ macht und sich ein Song vervollständigt«, erzählt Tobias. »Manche Sätze liegen bei mir bis zu sieben Jahre rum.« Nach diesem Prinzip entstehen dann mal Songs, die lyrisch sehr dicht sind, fast nach Chanson klingen, und solche, die zentrale Zeilen manisch wiederholen. »Ich bin nicht schlecht / Das Fleisch ist schwach«, zetert Tobias wieder und wieder auf »Melchiors Traum«, als würde er sich mit den Sätzen geißeln. Die Inspiration stammt aus Frank Wedekinds Drama »Frühlings Erwachen«. Auch dafür, wie »Frühlings Tobias Bamborschke Geschichten verarbeitet, Erwachen« die nicht seine eigenen sind, ist der Song also Der von 1864 bis 1918 ein Paradebeispiel, obwohl der Sänger zugibt, lebende Autor und Dramatiker Frank Wedekind dass es ein großer Schritt gewesen sei, sich so veröffentlichte sein weit zurückzunehmen. gesellschaftskritisches Die Gemeinschaft schaffenden Momente Drama im Jahr 1891. Die von seiner eigenen Jugend und die Lust am Rausch waren auf dem Debüt- inspirierte Geschichte um album »Und aus den Wolken tropft die Zeit« das sexuelle Erwachen noch besser versteckt. Das könnte damit zu einer Gruppe Jugendlicher nimmt vor allem die im Wiltun haben, dass Tobias’ Schreibprozess damals helminischen Kaiserreich von einer Trennung geprägt war. Er fasst zu- herrschende bürgerliche sammen: »Der Mensch kann nicht ohne Liebe Sexualmoral aufs Korn, die von Tabuisierung geprägt leben, und in der Liebe geht es immer auf und war. Wedekind veröffentab, so wie im Leben. Den Rausch braucht man lichte die Erstausgabe auf auch, ob es nun das Bier ist oder Bergsteigen. eigene Kosten, nachdem ein Münchner Verlag zuvor Rausch und Liebe sind für jeden Menschen aus Angst vor rechtlichen wichtige Dinge.« Damit sind die zwei gro- Problemen davon abgeseßen Gifte, die die Musik von Isolation Berlin hen hatte. Einst verboten, ist »Frühlings Erwachen« prägen, benannt. Welches davon gefährlicher heute Schul-Lektüre. ist, ist schwer zu beantworten. Höhe- wie Tiefpunkte, die beschriebene Berg- und Talfahrt des Lebens, versprechen sie beide. — Isolation Berlin »Vergifte dich« (Staatsakt / Caroline / Universal) — Auf Tour vom 15.03. bis 26.05.

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#Pop #Rhye

Rhye

ALLES IN BEWEGUNG Fünf Jahre nach ihrem geheimnisvollen Debüt »Woman« erscheint das zweite Album von Rhye. Es heißt »Blood« und klingt qualitativ ähnlich hochwertig wie das erste, kommt aber ohne die Geheimniskrämerei von damals daher. Sänger Mike Milosh zeigt sich mittlerweile sogar in der Öffentlichkeit und in den eigenen Musikvideos. Auch sonst hat sich vieles verändert, wie er Silvia Silko erzählt. Foto: Genvieve Medow


#Pop #Rhye

W

er ist eigentlich Rhye? Vor fünf Jahren durfte noch lustiges Rätselraten betrieben werden: Durch die Debütplatte »Woman« mit dem ästhetisch gereckten Damenhals auf dem Cover schwebte eine dieser eleganten R’n’B-Stimmen, die zwar an Sade erinnert, aber einen Hauch androgyner wirkt. Dazu gab es wohltemperierte Kompositionen aus Funk, Soul, Electro und Pop und Musikvideos voller unkitschiger Zweisamkeiten. Indizien, die bei der Frage nach den Köpfen hinter der Musik nicht unbedingt weiterhalfen. Zumal Fans und Presse im wahrsten Sinne des Wortes ganz mysteriös im Dunkeln gehalten wurden: Auf den ersten Konzerten war es so duster, dass man kaum erkennen konnte, wer auf der Bühne stand, Bilder gab es keine, und Interviews wurden lieber am Telefon als persönlich erledigt. Auch die vollständigen Namen der beteiligten Musiker blieben ein Geheimnis. Jetzt, zum Erscheinen des zweiten Albums »Blood«, sitzt Mike Milosh leibhaftig im Interview – ­ bei Tageslicht. Er hält einen wenig geheimnisvollen Smoothie in der Hand und lächelt milde. Bei der Frage nach der Aufstellung seiner Band wird er allerdings wieder vage: »Sagen wir es mal so: Rhye gäbe es nicht ohne mich. Ich singe, schreibe, arrangiere und produziere. Alles andere und alle anderen sind in Bewegung, aber genauso wichtig.« Stillstand scheint für Milosh ein zu vermeidender Zustand. Dementsprechend ging es auch rund, seit Rhye 2013 ins Halbdunkel der Musiklandschaft getreten waren: Sie spielten beinahe 500 Konzerte – die Milosh aus Kostengründen selbst organisierte, und bei denen er sich nebenbei als Tourbusfahrer und Soundmann betätigte. Mit Rhye und ihrem Major-Label lief es aufgrund falscher Absprachen eher suboptimal, der Bruch war unausweichlich. Produzent und damaliges Bandmitglied Robin Hannibal war schon kurz nach Veröffentlichung der Platte nicht mehr dabei. Und zu allem Überfluss musste Milosh die Scheidung von seiner Ehefrau verarbeiten, deren schicker Hals besagtes Debüt-Cover dekoriert. Das alles klingt eher nach Achterbahnfahrt mit defekten Sicherheitsbügeln als nach Stillstand oder wenigstens wohlbedachter Bewegung. Milosh gibt sich allerdings wenig beeindruckt. Er wirkt, als befände er sich in einer immerwährenden Achtsamkeitsübung und fasst mit sanfter Stimme zusammen: »Ich würde schon sagen, dass ich in Balance bin.« Wut, so findet er, sei sowieso eine der überflüssigsten Empfindungen des Menschen: »Klar, du bekommst durch Wut Energie: Wenn du dich von jemandem falsch behandelt fühlst, hast du den Antrieb, denjenigen darauf anzusprechen. Aber wenn das erledigt ist, brauchst du nicht mehr wütend zu sein. Es bringt dir nichts.« Miloshs grundlegendstes Talent ist, Spannungen in die richtigen Bahnen zu lenken. Nicht nur seine Emotionen unterwirft er einer reflektierten Kontrolle, auch die von ihm ausgehenden Arrangements bestechen durch Struktur – Emotionen und die für Rhye typische Sinnlichkeit der Musik dürfen sich in ebendieser Ordnung ausbreiten. Zwar ist »Blood« das Ergebnis von Trennungen und Enttäuschung, es dokumentiert aber Hoffnung und Läuterung, stets in geschmackvollem Ambiente. Dieses hinreißende Spannungsfeld ist für Rhye nicht neu. Und auch der Sound überrascht seit »Woman« nicht, überzeugt aber bei jedem Takt. Dabei wurde bei

Rätselraten In unserer damaligen Story zum Debüt verneinten Rhye ein geplantes Verwirrspiel: »Wir wollten nie geheimnisvoll wirken oder uns verstecken. Für uns war wichtig, dass die Musik für sich spricht und sich die Wirkung nicht durch unsere Personen oder das, was wir bisher gemacht haben, verändert. Die Leute sollten sich ihr eigenes Bild machen.«

den Aufnahmen von »Blood« anders gearbeitet als beim Debüt: »Wir hatten bei der letzten Tour ein Studio-Album, das wir auf die Bühne übersetzen mussten. Dieses Mal haben wir andersherum gedacht: Wir wollten ein Album machen, von dem wir davon ausgehen können, dass es live funktioniert.« Milosh betont, dass gewisse Geräusche die erwähnte Aufgeräumtheit brechen. Unbeabsichtigtes Knacken der Robin Hannibal Instrumente etwa wurde nicht beseitigt. »Ich Zum Debüt bestritt Hanwollte einen erdigeren Sound, es sollte alles nibal noch einen Großteil der Interviews. Mittlerweile unordentlicher sein.« »Mal so richtig ausras- ist er auch wieder sehr ten« lautete scheinbar die Devise. Aus Miloshs gefragt: als Teil des Duos Mund klingt dieses Durcheinander jedoch Quadron und vor allem als professioneller Songschreinach der Flippigkeit von jemandem, der sich ber und Produzent zum zu seinem Mineralwasser heute mal die XXL- Beispiel für Kimbra, Little Packung Vollkorn-Salzstangen gönnt. Aber Dragon, Calvin Harris und Jamie Woon. Außerdem begut, soll uns recht sein, wenn dabei derartiger kam er Co-Writing-Credits Luxus-Pop herauskommt. für Kendrick Lamars Hit Ob es nun an dem anfänglichen Versteck- »Bitch Don’t Kill My Vibe«, weil dies in Teilen auf spiel oder der Besonderheit seiner sanften einem Sample des Stücks Stimme liegt: Miloshs Männlichkeit wird auch »Tiden Flyver« seiner ehein Rezensionen zum zweiten Album immer maligen Band Boom Clap Bachelors basiert. wieder diskutiert. Gender-Etiketten haben scheinbar immer noch stärkeren Einfluss auf uns, als wir bei aller Genderfluidität und Diskussionen um Wahrnehmungen und Emanzipation gerne zugeben möchten. »Männlichkeit und Weiblichkeit sind doch eigentlich nur noch wichtig, wenn es um Reproduktion geht, oder?« lautet Miloshs steile These. Er führt weiter aus: »Biologisch betrachtet bin ich ein heterosexueller Mann. Schaut man sich unser westliches Verständnis von Geschlechterrollen an, war es das aber auch schon mit der Männlichkeit.« Milosh sang bereits im Kinderchor höher als jedes Mädchen. Bis er 20 war, musste er sich nicht rasieren, zudem hat er eine androgyne Statur. »Wir sollten alle damit aufhören, in diesen langweiligen Kategorien zu denken. Warum ist es wichtig, in männlich und weiblich einzuteilen?« Ja – warum eigentlich? Weil dann alles so schön geordnet ist? Weil sich ein hübsches Ballett voller Strukturen ergibt? Oder weil es bei allen Dualismen und Freiheiten, denen wir uns als westliche Menschen derzeit konfrontiert sehen, zumindest etwas gibt, woran wir uns festhalten können? »Wir sind alle besonders, keiner ist gleich, alles ist in Bewegung, und jeder ist wichtig«, schließt Milosh. Ob das nun die Frage nach Geschlechtlichkeiten beantworten soll oder die Frage danach, wer Rhye ist, sei mal dahingestellt. — Rhye »Blood« (Caroline / Universal) — Live am 30.03. in Berlin

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#Pop #Eurosonic Noorderslag Festival

Die Newcomer des Eurosonic Noorderslag Festival

HEISSER SCHEISS UND GEILE FRITTEN

Jedes Jahr im Januar trifft sich die Musikbranche im holländischen Studentenstädtchen Groningen zum Schaulaufen der spannendsten Newcomer-Acts. Klingt ein wenig trocken, ist aber ein rauschendes Wochenende für alle, die Interesse an unverbrauchter Musik haben. Wie schon in den letzten Jahren waren wir vor Ort und haben neben einer Menge Konzerten auch etliche Portionen holländischer Fritten verdrückt. Die für uns spannendsten Acts haben wir zum Interview getroffen. Fotos: Frederike Wetzels


#Pop #Eurosonic Noorderslag Festival

Yungblud

WIE WIR LEBEN WOLLEN Dominic Harrison alias Yungblud ist ein übersprudelndes Energiebündel. Er steht nicht still. Wer Fotos machen will, bekommt ihn nicht scharf. Und Fotos wollen gerade viele, denn es läuft bei ihm. Kein Wunder, sein Mix aus Arctic Monkeys, HipHop, Punk und Ska macht Bock und hat noch dazu Hooks. Alles ist, wie er es sagen würde, »fucking mental«!

Es musste ja so kommen. Kaum war Dominic Harrison oder Yungblud geboren, hatte schon jemand eine Beatles-Ukulele und ein Mikrofon in seinen Kinderwagen gelegt: Sein Opa war Musiker in den 60ern und 70ern und hat schon mit T-Rex auf der Bühne gestanden. Als Kind hat der kleine Dominic in Opas Sammlung gekramt und »Revolver« von den Beatles aufgelegt. Der Sechsjährige ging erst nach dem letzten Song ins Bett. Sein Onkel liebte The Clash, sein Vater stand auf Squeeze und Madness. »Mir wurde schon als Kind eingetrichtert: Diese Musik ist gut, denn sie sagt etwas aus.« Yungblud nahm das als Leitspruch. Seit dieser Zeit weiß er, dass er Musik machen will und die Message der Ausgangspunkt dafür sein muss. »Unsere heutige Welt ist so ein verwirrender Ort, speziell für junge Leute. Wir sind so eine aufgeklärte Generation. Wir haben die Welt vor Augen, in der wir leben wollen. Wir haben Zugang zu so vielen Informationen. Wir leben mit dem Internet. Wir wollen eine liberale, eine offene Welt, aber werden aufgehalten von Leuten, die da nicht mitziehen wollen oder uns nicht verstehen. Und das macht uns wütend. Denn wir haben das Gefühl, dass uns nicht

zugehört wird. Dass wir übersehen werden. Dass keiner hört, was wir für unsere Zukunft wollen.« Um die Message zu unterstreichen, gönnt er seinem aufgedrehten Körper dann doch kurz eine Pause. Plötzlich sind die pinken Socken und die leicht einstudierten Posen bedeutungslos. Innerlich ist Yungblud voll auf Adrenalin. Gestern hat er erfahren, dass ihn der NME auf den Titel nimmt, heute Morgen hat ihn seine Mutter aufgeregt angerufen und zum Erscheinen seiner ersten EP gratuliert. »Meine Mutter ist so eine meinungsstarke Persönlichkeit, was auch mein Management manchmal in den Wahnsinn treibt.« Sie sei eine »Northern Woman«, eine Frau aus dem nördlichen, ländlichen England. »Die sind stark«, sagt er. »Sag, was du denkst, sonst sagt es wer anders«, habe sie ihm immer erklärt. Am Abend läuft vor seinem Set im Huize Maas zunächst Northern Soul, dann fegt Yungblud wie ein Wirbelwind über die Bühne. Die wenigsten Fotos werden scharf. Carsten Schumacher — Yungblud »Yungblud« (Geffen / Universal)

Ellis May

INTUITION IST ALLES Vor elf Monaten entschied Sophia Maj, zu Ellis May zu werden, und legte mit ihrer Debüt-Single »Old Love« gleich einen kleinen Hit hin. Seitdem wird sie – nicht nur beim Eurosonic 2018 – als einer der verheißungsvollsten Acts angepriesen. Sogar Vergleiche mit den großen Portishead werden ihr angehängt.

Wenn der technische Aspekt einer Tätigkeit erlernt wird, können die Leidenschaft und die Impulsivität, mit der die Sache ausgeübt wird, schon mal verloren gehen. Das war auch die Sorge von Ellis May, bevor sie beschloss, ein Studium in Sound Design anzutreten. Letztlich stach die Erkenntnis, niemals von anderen Produzenten abhängig sein zu wollen, ihre Sorgen aus. »Ich habe oft gemerkt, dass meine Musik sich erst in eine authentische Richtung bewegt, wenn ich mich unabhängig gemacht habe«, erzählt Ellis May besonnen. »Die Ausbildung hat mir das nötige Wissen und Selbstbewusstsein gegeben, nur das zu tun, was ich auch wirklich möchte.« Ellis May beschreibt ihr Projekt nicht als ein rein musikalisches. Priorität habe für sie die

Gefühlswelt. Sie wolle die Emotionen einfangen, die das Musizieren bei ihr auslöst, und diese erfolgreich ihrem Publikum vermitteln. Nicht nur in dem Aspekt ähnelt sie ihrem Lieblingsmaler William Turner, auch die Motive teilt sie mit ihm: Ihre Musik malt Bilder, die Sehnsucht auslösen, Trost und Unbehagen zugleich wecken. Dass ihre Videos sich in einem visuellen Universum zwischen künstlerischen Kurzaufnahmen und minimalistischen Animationen bewegen, beruht auch nur auf einer natürlichen Entwicklung. »Ich plane oder erzwinge gar nichts. Bei allem, was ich tue, ist meine Intuition mein einziger Leitfaden«, erklärt sie. Wenn man sich ihren bisherigen Karrierestart so anschaut, muss man feststellen, dass ebendiese Intuition eine verlässliche Kraft zu sein scheint. Mal schauen, wo sie diese noch hinführen wird. Leonie Becker — Ellis May »River Of Doubt« (Mayday)

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#Pop #Eurosonic Noorderslag Festival

Naaz

EIN GEDICHT, EINE MELODIE


#Pop #Eurosonic Noorderslag Festival

Unter »Bits of Naaz« versteht die junge Niederländerin ihre Musik als Potpourri aus verschiedenen Einflüssen, Soundelementen und Perspektiven, die sie alleine in ihrem heimischen Schlafzimmer zu Songs zusammenschustert.

»Ich habe als Kind sehr viel geredet, auch wenn niemand mir zugehört hat«, erklärt Naaz. »Irgendwann dachte ich, ich fange einfach an zu schreiben. Wenn niemand mit mir reden will, rede ich einfach mit mir selbst.« Und weil sie feststellen muss, wie mühsam es ist, ganze Geschichten zu schreiben, verfasst sie Gedichte. Damals ist sie etwa sechs Jahre alt. »Fast automatisch fing ich an, die Gedichte mit Melodien zu versehen. Schließlich ist ein Gedicht in der Art und Weise, wie man es liest, fast schon so etwas wie eine Melodie.« Die mittlerweile 19-jährige Niederländerin Naaz wächst in einem konservativ kurdischen Haushalt auf. Ihre Laufbahn als Ärztin oder Anwältin ist eigentlich schon beschlossen, als ihre Brüder ihr zum 15. Geburtstag ein Keyboard schenken. Sie fängt an, Melodien und Texte mit Einflüssen aus R’n’B und Pop zusammenzubringen. »Words«, eines ihrer ersten selbst produzierten Lieder, entsteht fast komplett in ihrem Schlafzimmer mit eigenen Samples von Löffelgetrommel gegen die Tischplatte. Selbst das Artwork wurde hier aufgenommen: Naaz an ihrem Schreibtisch, im Hintergrund alte Fotos, ihr Keyboard und ein Computer – fotografiert von ihrem Bruder. Aber warum macht sie das alles im Alleingang? »Ich finde, man muss immer unterscheiden zwischen Musik und Musikindustrie«, erläutert sie. »Letztere beinhaltet nur das Wort Musik, weil es um dessen Verkauf geht. Und viele Studio-Sessions sind zu sehr von der Musikindustrie beeinflusst. Es geht immer darum, Songs irgendwie aufzubauschen. An diese Perspektive gewöhnt man sich viel zu schnell. Die verliert man erst wieder, wenn man anfängt, alles selbst zu machen.« Henrike Schröder — Naaz »Loving Love« (Virgin / Universal)

Isaac Gracie

FLUCH UND SEGEN Ein paar Demos und Live-Aufnahmen haben Isaac Gracie in den Fokus der Öffentlichkeit katapultiert. Die ersten Songs seiner EP »The Death Of You & I« bestätigen nun alle Vorschusslorbeeren – genau wie sein Auftritt in einer kleinen Kirche in Groningen.

Mit gesenktem Blick und unsicherem Gesichtsausdruck steht Isaac Gracie auf der kaum 20 Zentimeter hohen Bühne in der kleinen Lutherse Kerk. Seine blonden, zotteligen Haare fallen ihm immer wieder ins Gesicht. Ein bisschen erinnert sein Äußeres an eine bemühte Cobain-Kopie. Das soll also der neue, strahlende Londoner Songwriter sein, der für den Folk-Playlisten-Hit »Reverie« verantwortlich ist und der sich genauso gut auf Folk wie auf Pop versteht? Zweifel solcherart verflüchtigen sich aber, sobald er seine ersten Songs anstimmt. Tatsächlich haben seine Lieder aus drei bisherigen, teilweise nur als Demos aufgenommenen EPs eine außerordentliche Kraft: die Tiefe von Folksongs, aber oft auch die Breite, um als sehnsüchtige Popsongs zu funktionieren.

»Fluch und Segen zugleich«, nennt Gracie diese Doppelbegabung später. Im Gespräch merkt man, dass der introvertierte ExChorknabe mit der sinnlichen Soul-Stimme durchaus damit zu kämpfen hat, keine stilistische Heimat zu haben: »Wenn ich zur Gitarre greife, weiß ich nie genau, was dabei herauskommt, welches Genre ich mit dem neuen Stück bedienen werde. Ich sollte es wohl als Luxus begreifen, ein Songwriter zu sein, der verschiedene Genres kann. Aber ich hätte auch gerne ein stilistisches ›Zuhause‹.« Dafür hat er aber Talent. Sowohl live als auch auf seinen bislang bekannten Aufnahmen und sicher auch dem Debütalbum, das bereits fertig ist und im April erscheinen soll. Mittlerweile verfügt Gracie über eine zweiköpfige Backing-Band – zum ersten Mal überhaupt in seiner Karriere: »Musik war für mich nie eine gemeinschaftliche Angelegenheit. Ich hatte auch nie ein Umfeld, in dem das möglich gewesen wäre. Meine Passion habe ich immer für mich allein ausgelebt. Ich wollte aber eigentlich immer in einer Band spielen und bin sehr glücklich, die richtigen Musiker dafür gefunden zu haben. Ich habe schließlich 23 Jahre warten müssen, um dieses Gefühl zu erleben.« Trotzdem ist Gracies Performance immer dann besonders beeindruckend, wenn er alleine seine Songs zur Gitarre spielt. Dann bekommt man eine Ahnung, dass er durchaus in der Lage ist, zu den großen Folk- und IndieSongwritern aufzuschließen. Um das abschließend zu beurteilen, mag es noch viel zu früh sein. Aber die bislang bekannten Songs sowie seine Live-Shows sind ein markanter Wert, der allein schon von wenigen anderen Künstlern erreicht wird. Christian Steinbrink — Isaac Gracie »The Death Of You & I« (Virgin / Universal)

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#Pop #Eurosonic Noorderslag Festival

Nilüfer Yanya

SAG NICHT: »ICH LIEBE DICH«


#Pop #Eurosonic Noorderslag Festival Sie hat im Vorprogramm von Broken Social Scene gespielt und war auf der »Sound of 2018«-Longlist der BBC. Beste Voraussetzungen für Nilüfer Yanya, voll durchzustarten. Vorab mussten wir ihr aber erst mal jedes Wort aus der Nase ziehen.

Ist sie cool oder schüchtern? Schwer zu sagen. Fakt ist: Nilüfer Yanya ist wortkarg. Ob sie sich über die Nennung in der BBC-Liste »Sound of 2018« gefreut habe? »Ich wusste vorher nicht so viel darüber, aber es ist die BBC und damit eine offizielle Organisation. Es ist schön, Aufmerksamkeit zu bekommen«, sagt sie knapp. Aufgewachsen ist Nilüfer Yanya in London, ihre Familie hat Wurzeln in der Türkei, Irland und auf Barbados. Ihre Eltern sind selbst Künstler. So wuchs auch in Nilüfer früh der Wunsch, Künstlerin zu werden. »Meine Mutter mag meine Musik, bei meinem Vater bin ich nicht so sicher«, sagt sie und lächelt. Auch ihre Schwester Molly ist Künstlerin. Gemeinsam mit ihr hat Nilüfer das Video zu »Baby Luv« gedreht, einen pastellfarbenen Zusammenschnitt mit Bildern von Nilüfer, die aussehen wie einem Hipster-Traum entsprungen. Dem gegenüber steht ein Sound, der sie viel älter wirken lässt. Ihre Pop-Songs sind geprägt von Jazz, Funk und R’n’B. Nilüfer sagt, ihre Musik sei »romantisch«: »Nicht in diesem ›Ich liebe dich‹-Sinne. Meine Lieder sind offener, so, als wäre man auf der Suche nach etwas. Die Musik hat viel Energie, aber sie ist trotzdem minimalistisch.« Nilüfers tiefe, dunkle Stimme wird von einem Saxofon umgarnt. Eine etwas altmodische Wahl, oder nicht? »Ich habe ein Cover von ›Hey‹ von den Pixies gemacht und wollte dafür gern jemanden haben, der Saxofon spielt«, erklärt sie. »Kurz vor der Aufnahme traf ich auf Jezebel, eine alte Schulfreundin. Sie spielt Saxofon, hatte Lust, und seitdem ist sie in meiner Band.« Freundinnen und Freunde und ihre Band seien für Nilüfer wichtig, allerdings schreibe sie zunächst die Songs allein, »die anderen kommen erst später dazu«. Am Ende sei Nilüfer Yanya trotz der vielen Unterstützung eben doch ein Solo-Projekt. Julia Brummert — Nilüfer Yanya »Thanks 4 Nothing« (Blue Flowers) — Auf Tour vom 12. bis 13.04.

Lxandra

ALLES AUF ORANGE »Entzückend« ist wohl das passendste Wort für Lxandra. Ihr breites Lächeln, die hübschen Songs, die Wahl ihres Outfits, ihre Nervosität: All das macht die Finnin überaus, nun ja, entzückend.

Orange ist Lxandras Hosenanzug – ein Knaller, gefunden in ihrem Lieblings-Secondhandladen in Berlin. Orange ist der Teppich der Musikschule, in der sie beim Eurosonic auftritt. Und orange ist auch die Limo-Dose, die sie in der Hand hält. »Ich trinke das sonst nie, aber ich bin so nervös, und mein Magen spielt verrückt!« erzählt sie aufgedreht. Ob Limo da wirklich die beste Wahl ist? »Keine Ahnung, aber ich glaube, dass es hilft.« Lxandra macht lupenreinen Pop. Ihr Vater ist Musiker, und so bekam sie als Kind früh Klavierunterricht: »Das lag mir aber gar nicht so.« Sie ging auf eine höhere Schule mit Musik-Schwerpunkt, wo man ihr Talent fürs Singen entdeckte. Für die Musik zog sie schließlich nach Berlin, wo es erst schleppend lief – mittlerweile hat sie aber einen Deal mit Universal

in der Tasche, außerdem war ihr Song »Hush Hush Baby« in der Weihnachtszeit in einer SaturnReklame zu hören. Ein merkwürdiges Schicksal für einen Song, der eine so hübsche Geschichte hat, denn eigentlich hat Lxandra ihn für ihre Mutter zum Geburtstag geschrieben: »Sie wurde 50, und es sollte etwas Besonderes sein. Alle Mütter lieben es doch, wenn ihre Kinder etwas selber machen.« Eigentlich kommt Lxandra von der finnischen Insel Suomenlinna, nahe Helsinki. Schön war es dort, sagt sie: »Wenn ich zurückblicke, fühlt es sich an, als hätte ich in einer Blase gelebt. Ich konnte viel länger Kind sein als manche Gleichaltrige aus der Stadt. Ich habe bis in der fünften Klasse noch mit Puppen gespielt.« Die etwas verspielte Ader ist ihr geblieben, sie lacht viel und macht jeden Blödsinn mit. Als wir sie bitten, sich für unser Foto in ihrem orangefarbenen Anzug auf den orangefarbenen Teppich zu legen, zögert sie keine Sekunde. Vielleicht war’s aber auch der Zucker aus der Limo, wer weiß. Julia Brummert — Lxandra »Flicker« (Vertigo Berlin / Universal)

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#Pop #The Breeders

The Breeders

»WIR SIND NICHT THE FALL« Zehn Jahre nach der Veröffentlichung von »Mountain Battles« gibt es mit »All Nerve« nun ein neues Album von The Breeders. Dirk Hartmann sprach mit Sängerin und Rhythmus-Gitarristin Kim Deal, Lead-Gitarristin Kelley Deal, Bassistin Josephine Wiggs und Drummer Jim MacPherson über Produktivität, die Pixies und Kurt Cobain. Illustration: Christine Rösch

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ehn Jahre sind eine lange Zeit. Was ist passiert, dass ihr wieder ins Studio wolltet? Josephine Wiggs: Wir haben 2013 anlässlich des

20-jährigen Album-Jubiläums die »Last Splash«Songs live gespielt und dabei gespürt, wie super aufgeregt die Leute waren, uns mal wieder auf der Bühne zu sehen. Außerdem waren unser Label 4AD, unsere europäische Booking-Agentur und unser Manager nach der Show in London der Meinung, dass es sich wirklich um etwas Besonderes handelt und dass wir vielleicht darüber nachdenken sollten, ein weiteres Album aufzunehmen. Das war die Basis. Kim Deal: Außerdem sind wir richtige Freunde. Wir haben alle dieselbe Vergangenheit, wir wollten wieder gemeinsam kreativ werden. Warum hat es von da an trotzdem noch über vier Jahre bis zur Veröffentlichung von »All Nerve« gedauert? Josephine: Es hat nicht wirklich so lange gedauert, denn die

Aufnahmen des Albums waren im September 2016 beendet. Kim: Jim hat einen Vollzeitjob, und Josephine lebt in New York. Deswegen haben wir etwa dreimal in der Woche nach der Arbeit im Keller geprobt. Josephine: Um ehrlich zu sein, ist Kim im Vergleich zu manch anderen Künstlern nicht so produktiv. Sie braucht lange, um einen Song zu schreiben. Kim: Wir sind nicht The Fall. Josephine: Das ist das fünfte The-Breeders-Album. The Fall haben 32 Alben veröffentlicht. Kim: Jeder von uns könnte jetzt in sein Zimmer gehen und in etwa einer halben Stunde mit einem kompletten

Song wieder rauskommen. Ob man die Songs aber hören will? Ich weiß nicht. Josephine: Wenn etwas gut werden soll, braucht es seine Zeit. Manchmal ist das frustrierend. Aber wenn dabei ein wirklich großartiger Song entsteht, spielt Zeit keine Rolle. Kim: Ich habe zwischendurch auch Solo-Material veröffentlicht. Und der Rest von uns war in anderen Bands aktiv. Wir haben vier prall gefüllte Musikerleben. Wie ist die aktuelle Bandbesetzung zustande gekommen? Ihr seid mit den »Last Splash«-Songs zusammen getourt, aber ihr hattet ja über die Jahre auch verschiedene andere Mitglieder, zu denen auch Gründungsmitglied Tanya Donelly zählt. Gab es jemals die Diskussion, andere ehemalige Bandmitglieder einzubeziehen? Kim: Tanya hat mit uns in Boston gespielt.

Pixies

Die Auseinandersetzungen zwischen Frank Black und Kim Deal sind bis heute legendär. Angeblich soll Black nach Kims erneutem Rauswurf bei den Pixies gesagt haben, er sei froh, dass sie weg sei. Mittlerweile sind die Wogen zumindest geglättet, und Black hat für das letzte Pixies-Album gar eine Art Versöhnungssong geschrieben. In »All I Think About Now« heißt es: »If I could go to the beginning / I would be another way / Make it better for today.«

Sie hat »Happiness Is A Warm Gun« ganz wunderbar massakriert. Das hat wirklich Spaß gemacht. Es ist jedes Mal großartig, sie zu sehen, wenn wir in Boston sind. Aber wenn wir andere Mitglieder wie Richard Presley, Mando Lopez oder Britt Walford gefragt hätten, hätte sich das merkwürdig angefühlt ... Josephine: ... Der Clou an der Sache war doch, dass wir vier »Last Splash« gemacht haben und gefragt worden sind, ob wir ein weiteres Album aufnehmen wollen, weil das so gut ankam. Kim, bedauerst du es, nicht Teil der letzten Pixies-Alben gewesen zu sein?


#Pop #The Breeders

Kim: Das würde implizieren, dass ich denken würde, dass

ich Teil der letzten Alben von den Pixies hätte sein können. Dem war nicht so. Ich habe 2012 und 2013 eigene Songs veröffentlicht, und dann sind wir wieder zusammengekommen. Deswegen wäre es merkwürdig, das zu bedauern.

Jim, stimmt es, dass Kim sich nicht mehr daran erinnern kann, dass du ihr vor den Aufnahmen von »Title TK« deinen Ausstieg mitgeteilt hast? Kurt Cobain am Jim MacPherson: Ich habe ihr das am TeleBühnenrand fon gesagt. Cobain war großer Fan von Kim: Wirklich? Mein Gott, ich erinnere mich

Kim: Ich habe mit dem Gitarrespielen begonnen, als ich 13

war. Wir haben auf Bällen gesungen und an Orten gespielt, wo man Erdnüsse isst und Bier trinkt. Ihr habt also im Hintergrund performt. Kim: Genau. Wir haben The-Everly-Brothers- und Hank-

Williams-Songs zum Besten gegeben. Kelley: Wir haben aber auch erste eigene Songs gespielt.

In den 90er-Jahren wart ihr zusammen mit Nirvana auf Tour. Habt ihr daran besondere Erinnerungen? Jim: Als wir Nirvana auf der »Nevermind«-Tour in Dublin

supportet haben, habe ich bei unserem Auftritt zur Seite geschaut und Kurt Cobain am Bühnenrand entdeckt. Er hat uns sitzend zugeschaut. Plötzlich hat ein SecurityMitarbeiter einfach angefangen, auf Kurt einzuschlagen. Er wusste nicht, wer Kurt war. Er hat gedacht, dass er ein Zuschauer wäre. Kurt hat daraufhin gesagt, dass er so lange nicht auftreten würde, bis alle Security-Mitglieder gefeuert und neue eingestellt worden wären. Das haben sie dann auch gemacht. Josephine: Ich erinnere mich noch an eine andere Sache: Die Zuschauer haben immer ihre T-Shirts und Schuhe auf die Bühne geworfen, wenn es ihnen zu warm wurde. Am Ende des Abends lagen Aberdutzende T-Shirts und Schuhe auf der Bühne. Wir mussten uns nie wieder KleiKelley und Kim, ihr habt früher in einer Lounge-Band dung kaufen.

Kim Deal und The Breeders, aber auch von den Pixies. »Als ich sie das erste Mal hörte, fühlte ich mich so verbunden, dass ich mir wünschte, ich sei Teil dieser Band – oder zumindest einer Pixies-Coverband.« Er sagte außerdem einmal, er habe mit seinen Songs bloß probiert, die Pixies zu kopieren. Black meinte Jahre später trocken: »Das hat er ganz gut hinbekommen.«

nicht daran. Ich habe zu dem Zeitpunkt bei The Amps gespielt. Ich habe damals ziemlich viel Alkohol getrunken. Jim aber auch. Ich bin dann von der The-Amps-Tour zurück nach Hause gekommen, und sein Schlagzeug war nicht mehr in meinem Keller. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Aufgrund unserer emotionalen Unreife und unserer Unfähigkeit, uns schwierigen Situationen zu stellen, haben wir sichergestellt, für 15 Jahre nicht mehr miteinander zu sprechen. Aber letztendlich gab es dafür überhaupt keinen Grund. Ich weiß immer noch nicht, was uns da geritten hat. gespielt und dort ab und zu Disco-Songs gecovert. Gibt es diesbezüglich neue Pläne? Kelley Deal: Wir waren Teenager und noch auf der High-

school. Das ist lange her.

Ihr habt wirklich früh angefangen, Musik zu machen.

— The Breeders »All Nerve« (4AD / Beggars / Indigo / VÖ 02.03.18)

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#Pop #Anna von Hausswolff

Ob man Kunst und Kunstschaffende so strikt trennen kann, ist eine große und komplexe Debatte, die im Lichte jüngster politischer Entwicklungen wie der #MeTooBewegung an Fahrt aufgenommen hat. Für von Hausswolff von Hausswolff ist klar, auf welcher Seite des Musik, Kunst und Kultur Diskurses sie steht: »Ich werde die Kunst und sind im Hause von den Menschen dahinter immer trennen. Dafür Hausswolff Familiensache. Annas Vater Carl ziehen mich zu viele Themen an, die extrem Michael ist ein bekannter sind – und von extremen Menschen gemacht Avantgarde-Soundkünstler, werden«, sagt die zierliche Blonde mit den ihre Schwester Maria Filmemacherin, sie zeichnet hellblauen Augen. Das Shirt besitzt sie immer noch, nur trägt sich für Annas Videos verantwortlich. Die beiden sie es nicht mehr öffentlich. Die Lektion ist gesind für sie sowohl kreative Kontrollinstanz als auch lernt, schließlich hatte die Reaktion sie damals Ratgeber, wenn es um schockiert und überfordert, sagt sie heute. Bald Geschäftliches geht. möchte von Hausswolff den Sweater auf eBay versteigern und den Erlös einer Organisation spenden, die sich gegen Rassismus stark macht. So will sie Wiedergutmachung leisten, aber auch die Komik der Situation untermauern: »Dann muss jemand dieses Shirt besitzen, um etwas Gutes zu tun.« Eine Pointe rund um diesen Sweater zu landen hat sie, auch fünf Jahre nach dem Skandal, wohl immer noch nicht aufgegeben. Ihre finsteren Geschichten und morbiden Auch für von Hausswolffs eigene künstlerische Arbeit hat die Trennung zwischen ihr und ihrem Werk besondeThemen trägt sie mit Orgelpfeife und re Symbolik. »Die meisten Menschen sind in Interviews glasklarer Stimme vor. Nun ist die überrascht, dass ich so freundlich bin«, sagt die Frau, die Sängerin aus Schweden mit ihrem über Themen wie Kindestod und das Totenreich singt und die Düsterkeit der menschlichen Erfahrung oft bis vierten Album »Dead Magic« zurück. Osia an den Rand erkundet. So was habe sie schon immer fasKatsidou sprach mit der Songschreiberin ziniert: »Ich hab schon von klein auf ganz wirre Sachen und Organistin über skandalöse Shirts, gesehen«. Sie erinnert sich, dass, als sie etwa zwölf Jahre verbotene Filme und Kindheitsprägungen. alt war und mit ihrer Schwester eine Freundin besuchte, diese den beiden eine VHS-Kassette mit dem Titel »ErdFoto: Jakob & Hannah beere« gezeigt habe. »Minutenlang sah man eine Vulva in Nahaufnahme«, sagt von Hausswolff. »Plötzlich kam eine Erdbeere aus ihr raus und plumpste auf den Boden«, erzählt sie weiter. Sie weiß noch, wie angsteinjagend das Gefühl für sie war, etwas Verbotenes zu sehen – und gleichzeitig wie atemberaubend und sinnlich. Ein ähnliches Erlebnis hatte sie, ebenfalls in jungen Jahren, bei einem Konzert igentlich war es als Scherz gedacht: Vor einigen ihres Vaters, dem bekannten Avantgarde-Soundkünstler Jahren trug Anna von Hausswolff beim Interview Carl Michael von Hausswolff. Sie besuchte einen seiner mit der größten schwedischen Tageszeitung einen Auftritte, bei dem er in einer mit Wasser gefüllten WanBurzum-Sweater, schließlich ging es in dem Arti- ne musizierte, die mit einer Klappe zugedeckt war. Über kel darum, welche Bedeutung die Kirche für ihre diese Klappe wurde Benzin gegossen und das Ganze mit orgellastige Musik habe, die sie gelegentlich sogar in Got- einem Streichholz in Brand gesetzt. »Ich weiß noch, wie teshäusern spielt. Bei Burzum allerdings handelte es sich erschrocken ich darüber war, dass mein Vater in dieser um das Black-Metal-Projekt des norwegischen brennenden Wanne saß. Alle schauten reglos in Richtung Varg Vikernes Künstlers Varg Vikernes, der die Schlagzeilen Bühne. Dieses Gefühl der unsäglichen Angst war schlimm Nach seiner Freilassung weniger mit seiner Musik füllte als mit der und gleichzeitig faszinierend«, so von Hausswolff. aus einer 15-jährigen Haft Tatsache, dass er einen Menschen ermordet Es geht bei ihr oft um das Morbide, weil es, genau wie entwickelte Vikernes sich zu einer Art Hate-Speech- und mehrere Kirchen in Brand gesetzt hatte. grenzgängerische Kindheitserlebnisse, ihre Instinkte wachZuerst ging die Zeitung gar nicht auf das rüttelt. Als von Hausswolff ihr aktuelles Album »Dead Influencer und kreiert nun YouTube-Videos mit anti- Burzum-Shirt ein, machte bloß Bilder und Magic« schrieb, befürchtete sie, genau das verloren zu hasemitischen, islamophoben, rassistischen und ver- veröffentlichte sie kommentarlos neben dem ben. »Es war eine sehr passive Phase, ich konnte plötzlich schwörungstheoretischen Interview mit von Hausswolff. Doch dann nicht mehr mit meinem kreativen Ich kommunizieren«, Inhalten. Ihr Burzum-Shirt ging der Scherz mächtig nach hinten los. Denn sagt sie. Für ihr 2015 erschienenes Album »The Miracuwill Anna übrigens bald versteigern und den Erlös nach Veröffentlichung des Artikels wurde ihr lous« hatte sie den menschlichen Geist und seine Reisen einer Gesellschaft zukom- vorgeworfen, sie wäre eine Rassistin und würde ins Fantastische thematisiert – aber nach dem Album und men lassen, die sich gegen Mörder und Extremisten unterstützen. Wo- der passenden Tour fühlte es sich an, als habe sie ihre Rassismus engagiert. chenlang brauchte sie bei ihren Konzerten Si- Vorstellungskraft verloren, mit einem besonderen Effekt cherheitspersonal und musste öffentlich kund- auf ihre Selbstwahrnehmung. Denn ihre düstere Seite, tun, dass sie selbstverständlich nicht Vikernes’ Ideologien die sonst für so viel Fantasie sorgte, arbeitete plötzlich befürworte, sondern ausschließlich Fan seiner Musik sei. gegen sie: »Ich dachte zu dem Zeitpunkt, ich wäre eine

Anna von Hausswolff

KINDESTOD UND ERDBEEREN

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#Pop #Anna von Hausswolff

künstliche Person mit aufgesetzten Ideen, und hatte mit ganz großen Unsicherheiten zu kämpfen.« Doch plötzlich erkannte sie, dass dieser Prozess ebenfalls kreativ war, dass sie einfach nur keine Kontrolle darüber hatte, wohin er sie führte. Diese Orientierungslosigkeit nutzte sie für die neuen Songs, die sie heute ganz anders interpretiert und deswegen für besonders spannend hält. Fünf überlange Lieder bilden das 47-minütige neue Album. Laut Pressetext bewegen sie sich zwischen Licht und

»Ich dachte zu dem Zeitpunkt, ich wäre eine künstliche Person mit aufgesetzten Ideen und hatte mit ganz großen Unsicherheiten zu kämpfen.«

Dunkelheit, wirken aber eigentlich immer eher dämmrig. Sie sind, wie so vieles in der heutigen Musik, nicht richtig kategorisierbar. Wenn man es trotzdem versucht, denkt man an Doom-, Gothic- und Art-Rock, aber auch an Folk und Black Metal. Bei den Arbeiten zum Album hat sie viel mehr Körperlichkeit reingebracht. »Ich habe viel physischer gearbeitet, meine Stimme viel extremer eingesetzt«, sagt sie. Dementsprechend bietet das Album einige hohe Töne. Das rotgefärbte Titelbild von »Dead Magic« ist gespenstisch und mysteriös, es sieht aus wie das Gesicht eines toten Kindes aus einer längst vergangenen Zeit. Was es genau darstellt, will von Hausswolff irgendwann mal verraten, heute allerdings sagt sie bloß, dass ihre Schwester das Foto einst geschossen habe. Mit ihrer Schwester, der Filmemacherin Maria von Hausswolff, scheint sie eine besondere Beziehung zu pflegen und eine Vorliebe für Düsteres zu teilen. Maria führt Regie bei Annas außerordentlich gruseligen und oft trübsinnigen Musikvideos. Die Schwestern fungieren füreinander wie eine kreative Kontrollinstanz. »Fischauge« nennen sie diese Instanz – aus irgendeinem Grund, der Anna nicht mehr einfällt –, die immer überprüft, ob die Idee der anderen auch wirklich rund ist. Auch ihr Vater darf Tipps geben, vor allem dafür, wie man mit dem Business und den Menschen umgeht, die in diesem Umfeld arbeiten. Auf die Frage, ob die Kunst bei den von Hausswolffs immer eine Familienangelenheit sei, antwortet Anna bloß mit einem überraschten Lachen. Irgendwie wirkt diese enge Zusammenarbeit mit Vater und Schwester auch ein wenig wie ein Rückzug in den sicheren familiären Schoß, weg von der düsteren Welt, der sie sich vielleicht lieber mit ihrer Fantasie nähert als in der Realität. Für sie hatte die Doom-Kategorie, der sie gerne zugeschrieben wird, jedoch nie einen sozialen Bezug. Es ginge ihr nicht darum, einer Community anzugehören oder Teil einer Subkultur zu sein. »Musik ist für mich einfach die freieste Form des Ausdrucks. Ich kann darin sein, wer auch immer ich sein will, und kann sagen, was auch immer ich sagen will«, meint von Hausswolff. Man kauft ihr das ab. Teil einer klar zu definierenden kulturellen Gruppierung zu sein, scheint heutzutage ja sowieso irgendwie überholt. Und diese Dichotomie zwischen der zarten, blonden, freundlichen Schwedin und ihren schaurigen, dunklen Fantasien hat ihren ganz besonderen Appeal. Zum Interview erscheint sie ganz in Schwarz, ihre Kleidung ist ordentlich und akkurat: eine hochgeknöpfte Strickjacke, ein Faltenrock, blickdichte Strumpfhosen und flaches Schuhwerk. Wären ihre Klamotten blau oder grün, könnte man den Aufzug fast als niedlich bezeichnen. Irgendwie wirkt Anna von Hausswolff fast kindlich, so klein und zierlich und mit ihrer leicht scheuen Art zu reden. Und das nicht trotz, sondern im Kontext all des Düsteren. Dass Kindlichkeit auch viel Gruselpotenzial hat, weiß man schließlich schon seit »Herr der Fliegen« oder »Dorf der Verdammten«. Und dass menschliche Gedanken dahin reisen dürfen, wo es ungemütlich und finster ist, ist im Grunde schon die ursächliche Daseinsberechtigung für jegliche Kunst. Ganz gleich, ob man die Trennung von Kunst und Kunstschaffenden sieht wie Anna von Hausswolff, oder ob man denkt, dass Kunst immer auch von den Ideologien derer beeinflusst wird, die sie kreieren – dass die Gedanken frei sind, dem dürften wohl wenige widersprechen. — Anna Von Hausswolff »Dead Magic« (City Slang / Universal / VÖ 02.03.18)


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#Pop #Richard Russell #Everything Is Recorded

Richard Russell

TOTALE FREIHEIT Der Mann, der Adele und The Prodigy zu Millionensellern aufbaute, bringt seine eigene Stimme zum Klingen. In Samples und der irrsten Supergroup, die die zeitgenรถssische Pop-Musik in letzter Zeit gesehen hat: Everything Is Recorded. Steffen Greiner traf den Produzenten, Musiker und Chef von XL Recordings im Soho House in Berlin. Foto: Svenja Trierscheid


#Pop #Richard Russell #Everything Is Recorded

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ichard Russell redet wie ein No-Bullshit-Dude und hat dabei die Ausstrahlung eines Yogi. Das ist also einer der einflussreichsten Männer im Musikbusiness? Diese scheinbaren Widersprüche sind jedoch spannender als die Geschichten, die er erzählen will. Und hierbei handelt es sich immerhin um unterhaltsame Musik-Nerd-Reflexionen zur Lage des Pop, abseitige Details der Musikgeschichte und Anekdoten darüber, wie sich Peter Gabriel und Ghostface Killas Sohn, der noch kaum bekannte Soulsänger Infinite, im Studio verstanden haben. Oder: Sampha, Ibeyi und Kamasi Washington. Oder: Scritti Polittis Green Gartside und Major Lazers Partnerin in Crime Mela Murder. All diese Künstlerinnen und Künstler kamen im Rahmen des Projekts Everything Is Recorded in Russells Studio zusammen. Das Album ist zwar ein Debüt, doch eingegliedert in eine Reihe von EPs, die ebenfalls dem strikten Konzept unterstellt sind, dass alles, was gemeinsam beim Jammen entsteht, aufgenommen und von Russell zusammengesetzt wird. »Ich war immer im Studio. Ich wollte etwas machen wie bei Africa Express, wo alles improvisiert war. Totale Freiheit. Wir trafen uns immer freitags. Man konnte kommen und gehen, einfach spielen. Die Leute waren begeistert. Es entstand eine wundervolle Energie.« Wer das Aufnehmen mit Africa Express, ein Projekt von Blurs Damon Albarn, als Vorbild anführt, hat seine Lehrjahre natürlich hinter sich gelassen. Und zwar schon lange: Richard Russell ist im Gegenteil als Gründer und Leiter des britischen Labels XL Recordings durchaus mitverantwortlich für den Sound, der regelmäßig die Seiten dieses Heftes füllt. Russell wuchs in einer fast schon orthodox zu nennenden jüdischen Community auf – ein Außenseiter zu sein, gehört zu seinem Selbstverständnis. »Ich glaube, David Bowie hat da ähnlich gedacht. Bowie hat dafür gesorgt, dass ich mich als Außenseiter gut fühlte, weil ich spürte, dass das ein wichtiger Teil dessen war, was er darstellte. Manche Menschen senden die Botschaft, man solle sich anpassen, und andere die, dass man bloß nicht konform gehen soll. Als ich jung war, war ich immer ein Stückchen außerhalb von dem, was gerade los war. Irgendwann wusste ich, dass das meine Stärke ist und dass ich damit arbeiten musste, wenn ich einen Platz in der Welt finden wollte.« Noch als Jugendlicher gründete er Ende der 80er sein Label. Damals steckte er tief in der englischen Rave-Szene. 1992 hatte er sogar einen Untergrund-Hit mit seinem Duo Kicks Like A Mule. »Dann habe ich gemerkt: Die Party geht zu Ende. Manchmal ist es ja besser, wenn man um sechs Uhr geht statt um sieben«, sagt Russell. Daraufhin konzentrierte er sich auf die Arbeit als Kurator seines Labels. Auf der Liste der Künstlerinnen und Künstler, die

hier schließlich aufgebaut wurden, stehen beispielsweise Adele, King Krule, The xx, The Prodigy, M.I.A., Vampire Weekend. Im Roster befinden sich heute außerdem Acts wie Radiohead und Jack White. Ganze 75 Millionen Pfund soll der Privatbesitz des Mannes betragen, der sich da im Sessel fläzt. Dafür verantwortlich, dass Russell seine musikalische Stimme wiederentdeckte, war seine Erfahrung als Produzent des Comeback-Albums von Gil Scott-Heron, des RapPoeten und Pioniers der Black Music, im Jahr 2010: »Das Album, das ich mit Gil machte, war der Start der Phase meines Lebens, in der ich nun stecke. Gil gab mir damals viel Raum. Die Alben, die ich produzierte, waren immer die Alben der Künstler. Ich wollte sie nicht erschlagen. Ich habe meinen Künstlern immer möglichst viele Freiheiten gegeben, sich auszudrücken. Diesmal war ich bereit, sie mir selbst zu geben.« Der Produzent als Künstler: ein Gedanke, Africa Express den Russell auf Lee »Scratch« Perry zurück- 2015 konnten wir den führt, den legendären Producer der gesammel- Africa Express bei den Proben für ihren Auftritt ten jamaikanischen Reggae-Szene der 70er, beim Roskilde Festival der in seinem Black Ark Studio den Dub fast besuchen, der erst beendet im Alleingang erfand. Und der ihm zur Seite war, als sich Damon Albarn nach viereinhalb Stunden stand, als Russell im vorletzten Jahr am Guil- von der Bühne tragen ließ. lain-Barré-Syndrom erkrankte, das bei schlim- Die malische Songwritemem Verlauf zu einer zeitweiligen Lähmung rin Fatoumata Diawara beschrieb den Spirit führen kann. Russell war für zwei Wochen damals so: »Man denkt, es bei vollem Bewusstsein in einem komplett müsste ein Culture Clash tauben Körper eingeschlossen. Der Besuch sein, wenn so viele Künstler, Nationen und Stile aufvon Perry nach seiner Genesung, bei dem beide einandertreffen. Aber die tagelang malten, gab ihm neue Energie. Ohne Freude an der Musik und die Erfahrung dieser Krankheit würde das der Kollaboration ist stärker als Sprachbarrieren.« Album vermutlich nicht existieren. Zumindest nicht mit seiner spirituellen Schlagseite: Timothy Leary »Dieses Einfangen-Wollen von Momenten, Der 1996 verstorbene das hat viel mit dieser Krankheit zu tun. Ich amerikanische Psychoerinnerte mich an eine Aufnahme von Timo- loge galt als Guru der thy Leary. Er beschreibt einen Trip und sagt: Hippie-Bewegung, weil er den freien Zugang zu ›Das ist eine vielversprechende Situation, seid psychedelischen Drogen wachsam mit den Fotos, die ihr da aufnehmt!‹ propagierte. Als Dozent der Als ich krank war, sah ich viele solcher Bilder, Harvard University führte er Experimente mit Psilocybin solcher Erinnerungsfotografien. Das ist auch und LSD durch. Nach eine Ebene von Everything Is Recorded: dass seinem Rauswurf verbüßte Leary diverse mehrjähjeder Moment abgespeichert wird.« rige Haftstrafen wegen Viele Tracks haben solche doppelten Ebe- Marihuana-Besitzes und nen in den Samples oder Texten, auch wenn flüchtete 1970 gar mit Hilfe Russell klar ist, dass sie kaum zu entschlüsseln der linken Untergrundorganisation Weatherman sein werden. »Ich wollte, dass alles auf diesem aus seinem kalifornischen Album magisch ist. Ich wollte die magischen Gefängnis. Momente sammeln und das andere wegschneiden. Es geht darum, dass mich etwas fühlen macht, dass es besonders ist, eine Qualität von Andersartigkeit hat«, sagt der Produzent, der sich bei diesen Aufnahmen als Regisseur verstanden hat, während die Musikerinnen und Musiker eher das Ensemble waren – so entstand das Album wie ein Film erst im Schnitt. Es ist ein Album, das alte und neue Musikszenen zusammenbringt, dessen Sound aber doch klar dominiert wird durch die zeitgenössische Avantgarde der Black Music. »Multikulturell« nennt Russell das und sagt: »Als Kamasi Washington dazukam, war der Kreis geschlossen. Es hatte immer diesen Jazz-Ansatz, aber auf einmal war es wirklich Jazz.« Das kann man durchaus unterschreiben. Bloß: Besonders zwingend ist der Sound leider nicht. Daran ändern auch Charisma und Leidenschaft des Masterminds dahinter wenig: Die Geschichte bleibt hier faszinierender als ihr Epilog. — Everything Is Recorded »Everything Is Recorded« (XL / Beggars / Indigo)

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#Kultur #Literatur #iO Tillett Wright #Darling Days

besteht wiederum aus Porträts von Leuten, die ihre Sexualität als von der Norm abweichend betrachten. Eine offene Definition, die dazu führt, dass iO schon lange nicht mehr in das extra dafür eingerichtete E-Mail-Postfach geschaut hat, denn es ist verstopft mit Nachrichten von Bewerberinnen und Bewerbern, die sich im Rahmen des Projekts ablichten lassen möchten. Das Kind iO, das man in den ersten Kapiteln des Buches kennenlernt, sehnt sich aber schon ein wenig nach Normalität. Die »Darling Days«, jene Tage, in denen zu Hause alles gut ist, sind rar. Die gesellschaftlichen Verhältnisse in den 1980ern und 90ern, die Obdachlose, Gentrifizierung und Vorurteile gegen Migranten hervorbringen und die sich allein schon wegen des mangelhaften US-Gesundheitssystems jederzeit zuspitzen können, bilden den Hintergrund für die Schilderung des zentralen Mutter-KindKonflikts. Anders gesagt: »Darling Days« ist auch ein Porträt von iOs Mutter. Die leidet unter aggressiven Schüben mit pathologischen Zügen. Das lässt sich zum Beispiel beobachten, als die beiden gezwungen werden, die von ihr geliebte Wohnung zu verlassen. Erst viel später findet iO Tillett Wright heriO Tillett Wright ist Schauspieler, Künstler, TV-Moderator aus, dass die Mutter medikamentensüchtig ist – und auch die Heroinabhängigkeit des in und Autor. iOs Autobiografie »Darling Days« handelt vom Deutschland lebenden Vaters kommt nach Aufwachsen in Manhattan und von einem Jungen, den die Eltern vielen Jahren ans Licht. Wenn iOs Mutter und der Rest der Welt für ein Mädchen halten. Text: Wolfgang heute Probleme mit der Lektüre von »Darling Days« hat, wie iO Tillett Wright im Frömberg / Foto: Frederike Wetzels Anschluss an die Lesung erklärt, mag das am wunden Punkt der Geschichte liegen: O Tillett Wright hat schon einen außergewöhnlich Während iO mit sechs Jahren den Mut hatte, eine schwieklingenden Vornamen. Den aber haben sich wirklich rige Wahrheit offen auszusprechen – »Ich bin ein Junge« die Eltern ausgedacht, es ist also keine Eigenkreation –, hüteten die Eltern ihre Geheimnisse sorgsam vor dem einer exzentrischen Type, die unbedingt den gleichen Kind. Eine Situation, die einigen von euch aus euren FaNamen wie ein Jupitermond tragen wollte. Nur ein milien bekannt vorkommen könnte. Detail hat iO Tillett Wright selbst bestimmt: »Ich habe Wobei iOs Leben natürlich außergewöhnlich abenteuirgendwann angefangen, das i kleinzuschreiben«, erklärt erlich erscheint: Die berühmte Fotografin Nan Goldin ist iO bei der Vorstellung der im vergangenen Herbst auf iOs Patentante – neben Schnappschüssen aus iOs Alltag Deutsch erschienenen Autobiografie »Darling Days« im ist im Buch auch ein Foto von Goldin abgebildet –, iO geht Januar in Köln, »weil viele Leute glaubten, ich heiße ›Ten‹«. eine Zeit lang auf dieselbe Schule wie Macaulay Culkin io Tillett Wright wurde 1985 in New York geboren. und spielt außerdem als Nebendarsteller in »Sex And The »Darling Days« erzählt die Geschichte einer Kindheit und City«. Für die Handlung von »Darling Days« sind das nur Nan Goldin Pubertät in der Lower East Side Manhattans – mit AbsteRandnotizen. Aber die Story ist immer unterhaltsam, selbst Die 1953 in Washington, chern nach Karlsruhe, Budapest und Südengland. Auf dem D.C. geborene Fotografin ist an den Stellen, an denen es wehtut. Etwa, wenn iO von den Umschlag des Buches ist ein Zitat aus der New York Times mit der zwischen 1980 und Schwierigkeiten erzählt, auf der Schultoilette zu pinkeln. Es abgedruckt. Das verspricht, es sei »unmöglich, sich von 1986 entstandenen Fotose- gibt halt falsche Toiletten im echten Leben, und man spürt, rie/Dia-Show »The Ballad wie unwohl iO sich in dieser Situation fühlt. Die Kunst der dieser Suche nach sexueller Identität nicht mitreißen zu Of Sexual Dependency« lassen«. Mitreißend ist die Erzählung wirklich, allerdings bekannt geworden. Im Vor- Vermittlung von Gefühlen bekommt in »Darling Days« handelt sie von mehr als der Suche nach sexueller Identität, wort erläutert sie die Rolle sowieso ein Extra-Kapitel mit der Überschrift »Orangender Foto-Kamera als festen auch wenn da eine Sache schon ganz schön wichtig ist. saft«. Darin heißt es: »Gefühle sind wie Orangensaft. Ein Bestandteil ihres Alltags. schmerzliches Erlebnis fühlt sich so an, als würdest du ein Wann hat iO Tillett Wright entschieden, ein Junge zu Sie suche sich demnach sein? Okay, das ist falsch formuliert. »Ich habe mich nicht keine Objekte für ihre großes randvolles Glas Orangensaft trinken ... Wenn du Fotografien aus, sondern mit sechs Jahren entschieden, ein Junge zu sein«, stellt fotografiere ihr Leben. Das versuchst, anderen deine Gefühle zu beschreiben, ist das iO im Rahmen der Lesung klar. Während die Eltern und führt zu ihrem intensiven für sie ein Glas Orangensaft, allerdings ganz schön lasch ... Meine Lösung ist, ihnen einfach zwei Gläser Orangensaft der Rest der Welt iO als Mädchen betrachteten, »war ich und polarisierenden Werk, in dem sie auch Drogenzu geben.« Manche Kapitel lesen sich so intensiv wie drei immer ein Junge, habe es aber erst mit sechs laut ausge- trips und das Sterben von Gläser Orangensaft, einige hinterlassen einen bitteren sprochen«. Das ist ein wichtiger Unterschied. Im ersten Freunden abbildete. Radio-Interview kam dann gleich die Frage nach chirurgiBeigeschmack, andere machen Lust auf mehr. Und dabei schen Eingriffen auf, obwohl die im Buch gar keine Rolle handeln sie nicht nur von der Ich-erzählenden Hauptfispielen. Es ist auch nie vom Leben im falschen Körper die gur, die den gleichen Namen trägt wie der Jupitermond, Rede. iO hat öffentlich bereits deutlich gemacht, dass der sondern kreisen beständig um jene Gesellschaft, die eine Begriff Transgender auf die eigene Vita nicht unbedingt eigene Identität erst erforderlich macht. anwendbar ist – das ist Teil des Vortrags »Fifty Shades Of Gay«. Und iOs Kunstaktion »Self Evident Truths Project« — iO Tillett Wright »Darling Days« (Suhrkamp, 436 S., € 15,95)

iO Tillett Wright und »Darling Days«

ABOUT A MOON

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#Kultur #Literatur #iO Tillett Wright #Darling Days

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#Kultur #Kino #Luca Guadagnino #Call Me By Your Name

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rinnerst du dich daran, wann du erstmals André Acimans Roman »Call Me By Your Name« in den Händen hieltst?

Als ich vor etwas mehr als zehn Jahren damit beschäftigt war, meinen Film »I Am Love« vorzubereiten, schickte mir Produzent Peter Spears das Buch, weil er vorhatte, einen Film daraus zu machen. Er dachte, ich könnte ihm helfen, denn er wollte wissen, wo in Italien die Geschichte spielt. Das schreibt Aciman nämlich nicht. Mein Freund James Ivory schrieb das Drehbuch. Aber der Prozess zog sich hin, auch weil es in der Geschichte um zwei Männer geht, die sich ineinander verlieben. So eine Story ist schwer zu finanzieren. Die Handlung spielt 1983. Was bedeutet dir dieses Jahr persönlich?

Reagan und Thatcher

Wenn ich an 1983 denke, kommt mir zuerst die Musik in den Sinn: »Paris Latino« von Bandolero und all die italienischen Popsongs, die jetzt auch im Film zu hören sind. Weltgeschichtlich war es ein furchtbares Jahr, dank Reagan und Thatcher. Für den Backlash, der damals wütete, zahlen wir heute noch. Aber meine Erinnerungen sind die an eine wunderbare Zeit. Ich war damals zwölf Jahre alt und habe von der Politik nichts mitbekommen.

Ronald Reagan war der 40. Präsident der USA. Der Republikaner steht bis heute für scharfe Rhetorik und Wettrüsten im letzten Jahrzehnt des Kalten Kriegs, während die britische Premierministerin Margaret Thatcher von 1979 bis 1990 die Politik der Privatisierung und sozialen Ungerechtigkeit als sogenannte Eiserne Lady vorantrieb.

Luca Guadagnino über »Call Me By Your Name«

HEISSER SOMMER IM KALTEN KRIEG

Die Verfilmung der Love Story von Oliver und Elio dürfte eines der emotional intensivsten Kino-Erlebnisse des Jahres sein. Patrick Heidmann sprach mit dem italienischen Regisseur Luca Guadagnino über dessen ersten »Familienfilm«, den Oscar-nominierten Darsteller Timothée Chalamet und Sufjan Stevens.

Welche Motivation steckte für dich hinter der Arbeit an »Call Me By Your Name«?

Das ist kein Film, den man für den Gehaltsscheck macht. Ich wollte diese Geschichte erzählen, weil sie von der Zeit meiner Kindheit und dem Land erzählt, in dem ich aufgewachsen bin – und die in puncto Auseinandersetzung mit Themen wie Leidenschaft und Begehren ganz meinen Vorstellungen entspricht. Außerdem verneige ich mich damit vor meinem Vater. Was hat dein Vater mit der Geschichte zu tun?

Er ist ein sehr liebenswürdiger und exzentrischer Mann. Von ihm habe ich gelernt, dass ein Vater auch eine Mutter sein kann – und andersherum. Ich habe bei meinem Vater eine Zartheit und Herzlichkeit gespürt, die man gemeinhin als feminin bezeichnet, weil es oft die Frauen sind, die sich emotional mehr öffnen. Aber mein Vater kann das eben auch – und ich habe ihn und mich in der Beziehung von Mr. Perlman und Elio in dem Roman wiedererkannt. In gewisser Weise ist »Call Me By Your Name« mein erster Familienfilm. Selbst wenn ihn in den USA Jugendliche nicht ohne erwachsene Begleitung sehen dürfen. Was unterscheidet ihn deiner Meinung nach vom Gros der Filme mit schwulen Protagonisten?

Mir war es wichtig, dass es nicht um einen typischen Konflikt geht. Dies ist weder ein Coming-out-Film, noch geht es um die Geschichte von jemandem, dessen Identität durch die Gesellschaft bedroht ist. Ich erzähle von zwei Männern, die sich einander hingeben. Nicht mehr und nicht weniger. Keine Ahnung, was aus Elio und Oliver wird. Aber für einen Sommer öffnen sie ihre Herzen. So einfach ist das.


#Kultur #Kino #Luca Guadagnino #Call Me By Your Name Wie bist du auf die beiden Hauptdarsteller gekommen?

Mit Armie Hammer wollte ich drehen, seit ich ihn in »The Social Network« gesehen habe. Ein toller Schauspieler, aber man hat ihn auf der Leinwand noch nie sinnlich erlebt. Das wollte ich aus ihm herausholen. Timothée lernte ich vor etlichen Jahren über seinen Agenten kennen. Obwohl er damals erst 17 war, begeisterte er mich mit seinem Enthusiasmus, seiner Intelligenz und seiner Entschlossenheit. Von seiner Mehrsprachigkeit und seinem Klavierspiel ganz zu schweigen. Altersmäßig passten die beiden gut zusammen. Genau wie ihre Figuren Oliver und Elio sind sie acht Jahre auseinander. War es schwierig, die bemerkenswerte Intimität von »Call Me By Your Name« auf die Leinwand zu bringen?

Ich wusste, dass es nicht so wichtig sein würde, sexuell explizit zu werden. Ich wollte Sinnlichkeit, nicht Erotik. Das Geheimnis, wie man so etwas filmt? Offenheit ist das Wichtigste. Als ich 1998 meinen ersten Film drehte, war ich vollkommen gehemmt, aus Angst, jemand könnte mitbekommen, ich sei schwul. Damals habe ich gelernt, wie wichtig es als Künstler ist, ganz du selbst zu sein. Peinlichkeit und Scham muss man loslassen. Dadurch fand ich zu einer Leichtigkeit in meinem künstlerischen Ausdruck, die auch dazu führt, dass alle anderen entspannen und sich bei der Arbeit wohlfühlen.

Nach welchen Kriterien hast du die Musik des Soundtracks ausgewählt, und wie kamst du auf Sufjan Stevens?

In meinen Filmen ist Musik meist eine eigene Figur, die sich mit den anderen Figuren reibt. In »Call Me By Your Name« sollte sie lediglich eine Art zarter Begleiter des Protagonisten Elio sein. Ich habe also nicht den Kontrast gesucht, sondern das, was am besten zu diesem jungen Mann passt. Er spielt Klavier. Das brachte mich zu Ravel, Debussy, Schönberg und Sakamoto. Der bereits erwähnte Pop der 1980er durfte nicht fehlen. Und schließlich habe ich mich an Sufjan Stevens gewandt. Einfach, weil ich ein riesiger Fan von ihm bin und seine Songs unglaublich poetisch finde. Dass er eigens zwei Lieder für den Film geschrieben hat, ist ein großes Geschenk. — »Call Me By Your Name« (USA 2018; R: Luca Guadagnino; D: Armie Hammer, Timothée Chalamet, Michael Stuhlbarg; Kinostart: 01.03.18; Sony)

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#Kultur #Kino #The Florida Project

The Florida Project

DER PASTELL­FARBENE RAND

Vinaite) eine letzte Zuflucht. Durch Spenden einer kirchlichen Einrichtung und kleine Betrügereien hangelt sich Halley von Woche zu Woche. Die Kluft ist ungeheuerlich: hier der 15.000 Hektar große Freizeitpark, dort die Motelzimmer, in der Menschen auf wenigen Quadratmetern zusammengepfercht sind. Bei anderen Filmemachern hätte diese Gegenüberstellung wahrscheinlich eine zynische SchlagseiDie alltäglichen Abenteuer te. Bakers Kino aber kennt nichts eines kleinen Mädchens aus der als Empathie: Der Indie-Regisseur Parallelgesellschaft im bonbonbunten interessiert sich aufrichtig für die Schatten von Disney World. Regisseur Abgehängten und Übersehenen, für den sogenannten Rand der GesellSean Baker erzählt federleicht von schaft. Und er macht Filme, die sich prekären Verhältnissen. federleicht anfühlen und – das ist das Erstaunliche – den komplexen he Florida Project – so lautete der Ar- Verwerfungen dennoch gerecht werden. Nie beitstitel des Disney-Themenparks in behandelt Baker seine Figuren als bloße StellOrlando, bevor er 1971 als Walt Disney vertreter ihrer Lebensrealitäten. World Resort eröffnet wurde. Aber dass Mit dem gleichen humanistischen Selbstaus der angrenzenden Motel-Anlage verständnis, mit dem er in »Tangerine« einer Magic Castle, in der Sean Bakers sechster Spiel- transsexuellen Prostituierten durch Los Anfilm angesiedelt ist, jemals mehr erwachsen geles folgte, begegnet er den Protagonistinkönnte als Luftschlösser, ist unwahrscheinlich: nen von »The Florida Project«: Der Film ist Wie für viele weitere Bewohnerinnen und Be- durchweg aus der kindlichen Perspektive von wohner ist der einst für Touristen errichtete Moonee erzählt, für die Disney World eben und deshalb in satte Pastelltöne getauchte keine gigantische Geldmaschine ist, sondern Wohnkomplex heute für die kleine Moonee ein utopischer Sehnsuchtsort. Die Tragweite (Broklynn Prince) und ihre Mutter Halley (Bria ihrer prekären Situation kann die Sechsjährige

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ohnehin noch nicht einschätzen, und gerade deshalb hängt sie wie ein Damoklesschwert über der Unbekümmertheit, mit der Moonee und die anderen Kinder durch ihre Sommerferien driften – und mit ihnen der Film: Streiche spielen, mit geschnorrtem Eis den Boden des Hausmeister-Büros vollkleckern, mit schier unerschöpflicher destruktiver Energie auf Zerstörungstour gehen, einfach nur, um zu sehen, was passiert. Währenddessen versucht der von Willem Dafoe gespielte, zwischen Sympathie und Strenge zerriebene Motel-Manager zu retten, was noch zu retten sein könnte. Nachdem Baker den ähnlich bewegten und bewegenden »Tangerine« auf einem iPhone gedreht hatte – eine Entscheidung aus der Not heraus, die sich aufmerksamkeitsökonomisch aber als geschickter Schachzug erwies –, erstrahlt die bonbonfarbene Tristesse von »Florida Project« nun von analogem 35mmFilmmaterial. Bis auf die letzte Szene, die auch ansonsten einen gewagten ästhetischen Bruch darstellt, die lose Erzählung aber ihrem vielleicht einzig folgerichtigen Schlusspunkt zuführt. Siegfried Bendix — »The Florida Project« (USA 2017; R: Sean Baker; D: Bria Vinaite, Broklynn Prince, Willem Dafoe; Kinostart: 15.03.18; Prokino) — Intro Previews 12. März 2018 in Berlin, Hamburg, München, Köln (OmU, jeweils 20 Uhr) und Frankfurt (OmU, 20.30 Uhr). www.intro.de/previews


#Kultur #Kino #Thelma

Thelma

BÖSES ERWACHEN Brian de Palmas Stephen-King-Verfilmung »Carrie« stand Pate für Joachim Triers kühlen Fantasy-Body-Horror-Schocker. »Thelma« ist mehr als eine Coming-of-Age- und Coming-out-Geschichte.

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enkt man an Stanley Kubricks »The Shining« oder Brian de Palmas »Carrie«, ist es wohl nicht zu viel gesagt, dass in jedem guten Horrorfilm auch eine abgründige Traumaerzählung steckt. Oft allerdings muss man diese ziemlich lange suchen, hinter all den Blutfontänen und herumfliegenden Körperteilen. Etwas anders verhält es sich mit Joachim Triers vierten Spielfilm »Thelma«: Hier rückt das Psychodrama in den Vordergrund, während sich der Horror auf leisen Sohlen anschleicht. Mal abgesehen von der verstörenden Eingangsszene, in der ein Mann in einem verschneiten Wald mit einem Jagdgewehr auf den Kopf seiner kleinen Tochter zielt, scheinen wir es zunächst mit einer in gediegenem Tempo erzählten Coming-of-Age-Story zu tun zu haben. Hauptfigur Thelma (Eili Harboe) zieht zum Studium nach Oslo. Überbehütet und isoliert in einem streng christlichen Haushalt an der Küste Norwegens aufgewachsen, fällt es ihr schwer, Anschluss zu finden. Zuneigung findet sie einzig bei ihrer Kommilitonin Anja (Kaya Wilkins). Als sich aus der Freundschaft ein heftiger Flirt entwickelt, bekommt das, was in ein Coming-out auf verschiedenen Ebenen münden könnte, einen dunklen

Twist. Denn parallel zu ihrem erwachenden Begehren wird Thelma von unkontrollierbarem Zittern und immer heftiger werdenden »epileptischen« Anfällen heimgesucht. Und es wird noch weirder: Straßenlaternen beginnen zu flackern, wenn Thelma sich intensiv auf das Objekt ihrer Begierde konzentriert, und als Anja während einer Tanzperformance zum ersten Mal ihre Hand ergreift, gerät gar das gesamte Opernhaus ins Schwanken. Ob übernatürliche Kräfte am Werk sind oder sich eine verwirrte Heranwachsende in megalomane Fantasien hineinsteigert, lässt Trier lange offen. Ziemlich deutlich wird hingegen, dass mit Thelmas Eltern etwas ganz und gar nicht stimmt. Dass sie ihre Tochter allabendlich über deren Schlaf- und Essgewohnheiten und

neue Facebook-Freundschaften ausfragen, geht kaum noch als »normale« Helikoptereltern-Paranoia durch. Vielmehr scheint hinter ihrem Kontrollwahn ein dunkles Familiengeheimnis zu stecken, das sich bereits durch mehrere Generationen zieht. Damit stellt sich »Thelma« in eine lange filmische Tradition, mittels Fantastik und Bodyhorror von der Emanzipation weiblichen Begehrens zu erzählen, in der auch de Palmas »Carrie« sowie John Fawcetts Teenie-WerwolfTrash »Ginger Snaps« oder Julia Ducournaus feministischer Zombie-Horror »Raw« stehen. Nicht so allerdings in ästhetischer Hinsicht. Triers Film ist – bis auf das mit christlicher Symbolik allzu überladene Ende – in einer skandinavisch-unterkühlten Optik gehalten, die eher an »So finster die Nacht« erinnert. Und die kann einem, bei aller Subtilität, durchaus das Blut in den Adern gefrieren lassen. Anja Kümmel — »Thelma« (N 2017; R: Joachim Trier; D: Eili Harboe, Kaya Wilkins; Kinostart: 22.03.18; Koch)

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#Kultur #Kino #Jane

Jane

SCHIMPANSEN ALS GESELLSCHAFT

mit Nummern bezeichnen? Neben den liebenswerten Seiten der Affen bekam sie ja auch tragische Aspekte ihres Lebens und die dunklen Seiten ihres Handelns mit. Man kann die Entwicklungen im Mit viel Geduld näherte sich Jane Goodall in den 1960er-Jahren Film durchaus als dramatisch beSchimpansen in Tansania und fand viel über deren Leben heraus. Brett zeichnen, weshalb Morgen nicht auf eine spektakuläre Dramaturgie Morgens Dokumentarfilm lässt die Geschichte ihrer Entdeckungen angewiesen ist, um eine spannende anhand von Archivaufnahmen Revue passieren. Geschichte zu erzählen. Die entfaltet sich quasi von selbst. Zwar steckt ie Überzeugung, dass es sich bei Tieren Dokumentarfilm »Jane« des Regisseurs Brett im Titel nahezu unvermeidlich eine Anspieum intelligente Wesen handelt, die Morgen (»Montage Of Heck« über Kurt Co- lung auf die Figur aus Edgar Rice Burroughs sogar Gefühle haben, kann in ihrem bain) greift nun auf umfangreiches Filmmate- Tarzan-Geschichten, allerdings gibt er auch die Wachstum wohl nicht mithalten mit rial zurück, das über die Jahre ihres Aufenthalts Nähe des Films zu seiner Hauptfigur wieder. dem Ausmaß des permanenten Raub- entstand und dann in der Mottenkiste lag. »Jane« handelt nicht einfach von einer heute baus an ihrem Lebensraum. Doch vor gut 50 Er zeigt die junge Frau bei ihrer Arbeit in der berühmten Forscherin, die sich weiter für das Jahren machten sich noch weitaus weniger Wildnis, wo sie sich den Primaten behutsam Leben von Tieren auf einem von dem weißen Leute Gedanken über die Persönlichkeit von als stille Beobachterin nähert. Da sie noch Kolonialismus geprägten und der Logik des KaTieren, während heute immerhin kontrovers lebt, kann sie die Bilder kommentieren, dazu pitalismus beherrschten Globus einsetzt; oder darüber diskutiert wird. Wer wissen möchte, untermalt Musik von Philip Glass die faszi- von einer Feministin unter Alphamännchen, wie lange etwa die menschliche Ignoranz ge- nierenden Aufnahmen. Goodalls Forschung die Wissenschaft mit Empathie verbindet und genüber dem Verhalten und den Fähigkeiten erwies sich als bahnbrechend, aber umstritten. ohne Romantik auskommt. Er handelt von ihvon Walen anhielt, sollte Carl Safinas Buch Sie fand zum Beispiel heraus, dass Schimpan- rem Glauben an eine beseelte Welt der Tiere, »Die Intelligenz der Tiere« lesen. sen Werkzeuge benutzen und wie ihre soziale dem sie sich als ausgewiesene Realistin hingibt. 1960 reiste die 26-jährige Britin Jane Goodall Hackordnung funktioniert. Um die Individuen Wolfgang Frömberg nach Tansania. Sie war von einem ehrgeizigen auseinanderzuhalten, gab sie ihnen Namen. Forscher ausgewählt worden, das Treiben der Das galt als unwissenschaftlich, doch Goodall — »Jane« (USA 2017; R: Brett Morgen; Kinostart: 08.03.18; Mindjazz) dort lebenden Schimpansen, über das bis da- bemerkte schnell, dass die einzelnen Schimhin so gut wie nichts bekannt war, mit ihrer pansen jeweils typische Verhaltensweisen entungeschulten Perspektive zu erkunden. Der wickelten. Warum sollte sie die Charakterköpfe

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#Kultur #Kino

Lucky

DER LANGE ABSCHIED Der große Harry Dean Stanton in einer seiner letzten Rollen. Ein alter Griesgram, der noch keinen Bock auf den Tod hat.

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ie unendliche Weite der Prärie Arizonas und eine Schildkröte – mehr braucht der Film »Lucky« nicht, um den Zuschauer in die richtige Stimmung zu bringen. Die weiteren 88 Minuten werden in gewisser Weise davon bestimmt, denn für den Rest der Zeit begleiten wir Titelheld Lucky, einen alten Redneck-Kriegsveteran, der sich für Kreuzworträtsel, Zigarettenrauchen, Philosophie und Streitgespräche interessiert. Niemand anderes als Harry Dean Stanton spielt den exzentrischen Griesgram, der nichts fürchtet außer nun mal den Tod. Der jüngst im hohen Alter von 91 Jahren verstorbene Charakterdarsteller verkörpert Luckys Melancholie, Einsamkeit und Furcht sowie seinen Überlebenswillen und das Schöne am Leben selbst herzzerbrechend grandios. Hier wartet eine spanische Gesangseinlage, dort ein gemeinsames Abhängen

mit der Kellnerin des örtlichen Diners. Aber keine Szene vermag die großen und kleinen Erzählungen des Films um Endlife-Crisis und Abschied besser einzufangen als der Monolog, den Lucky des Nachts führt, musikalisch begleitet von Johnny Cashs Interpretation des Bonníe-»Prince«-Billy-Klassikers »I See A Darkness«. Spätestens in dieser Szene knackt er auch den »härtesten« Zuschauer, denn Lucky ist jemand, der alles gesehen und alles überlebt hat und doch einfach noch mehr sehen möchte – der die Gespräche in der Bar mit seinen Freunden schätzt, auch wenn es um die verlorene Landschildkröte seines Freundes Howard geht, der sehr warmherzig von David Lynch gespielt wird. Regisseur John Carroll Lynch, den man als Schauspieler aus »Fargo« kennt, schafft den schwierigen Ritt durch die Landschaft mit Kamera, Skript und Cast. Sein

Film wird nie weinerlich und zieht genau daraus seine große Kraft und Menschlichkeit – bis in die letzte Rolle und kleinste Requisite hinein mitreißend –, und man verlässt ihn wie Lucky selbst: ein letzter Blick in die Kamera, ein leiser, gemütlicher Abgang, ein Abschied auf Dauer oder für die Ewigkeit. And now you see the darkness too, my friend. Lars Fleischmann — »Lucky« (USA 2017; R: John Carroll Lynch; D: Harry Dean Stanton, David Lynch; Kinostart: 08.03.18; Alamode)

Furusato – Wunde Heimat

Verwurzelt und verstrahlt Für »Atomkraft, nein danke!« ist es dort zu spät: Filmemacher Thorsten Trimpop dokumentiert das Leben rund um Fukushima.

Für seinen Dokumentarfilm »Furusato« reiste Thorsten Trimpop in die heute zweigeteilte Stadt Minamisoma: Teilweise liegt sie in einer 20 Kilometer reichenden Sperrzone um das 2011 havarierte Kernkraftwerk Fukushima Daiichi, teilweise wurde sie aber auch für bewohnbar erklärt. Dort begegnet er Menschen, die ihr altes Leben nicht aufgeben wollen. Es sind feinfühlige Porträts, in denen die Realität politischen Versagens auf fatalistischen Trotz trifft. Und man staunt wahrlich nicht schlecht: Ein ehemaliger

Verantwortlicher des BetreiberUnternehmens TEPCO isst rohen, in der Nähe des stillgelegten Kraftwerks gefangenen Fisch – eine Portion Sushi, die den Geigerzähler in Wallung bringen dürfte –, schwärmt von der Zeit, in der die Blöcke in freundliche Farben getüncht wurden, und fragt sich ernsthaft, wann sie wohl wieder

Strom erzeugen werden. Die junge Pferdezüchterin Miwa dagegen mag sich die Zukunft lieber nicht so genau ausmalen und versucht auf dem Familienhof unter Einsatz ihrer Gesundheit zu retten, was nicht zu retten ist. Pferdeliebhaber, aufgepasst! Schockierend sind aber nicht nur die Kadaver der schönen Tiere, unglaublich ist auch der Kampf des Aktivisten Bansho gegen die behördlichen Windmühlen sowie die tauben

Ohren seiner Mitmenschen. Der Umgang mit der Katastrophe erscheint in »Furusato« (das japanische Wort für Heimat) allmählich als die eigentliche Katastrophe. Weil der staatliche Verdrängungsapparat so gut funktioniert, wirkt die Krebs erregende Heimatverbundenheit der verbliebenen Bewohner von Minamisoma umso tragischer, auch wenn man jene für ihre sture Haltung mitunter bewundert. Ein Film, der Fragen nach dem Menschen als vernünftiges Wesen aufwirft. Und eine Geschichte über Heimat, die nicht nur in Japan möglich ist. Wolfgang Frömberg — »Furusato – Wunde Heimat« (D/J/USA 2016; R: Thorsten Trimpop; Kinostart: 08.03.18; Imfilm)

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#Kultur #DVD

Mother!

DIE KRONE DER SCHÖPFUNG Darren Aronofsky freestylt über die Bibelgeschichte und bringt einen allegorischen Horrorfilm zur Welt. Seine Testamentsvollstreckung fesselt bis zum letzten Blutstropfen.

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orrorfilme werden zunehmend in einer metaphorischen Landschaft statt in einer Blockhütte an einem Waldsee angesiedelt. Noch vor zehn Jahren waren die meisten Streifen, die an Halloween ins Kino kamen, grenzdebile Slasher. Dann kamen Meta-Twists wie in »It Follows« oder »Cabin In The Woods« ins Spiel. Regisseure wagten es, mit der etablierten Genre-Formel frei genug umzugehen, um auch gestandene Fantasy-Filmfest-Veteranen noch einmal

zu verblüffen. Es folgten die Arthaus-Werke, die Lars von Triers sprödem »Melancholia« nacheiferten. Darren Aronofsky geht seinen eigenen Weg. »Pi«, »Requiem For A Dream« und »Black Swan« waren bereits so hypnotisch fesselnd wie hinterhältig unangenehm. Mit »Mother!« legt er ein abgründiges Meisterwerk nach, das in die Kategorie von Horror gehört, bei dem das Aufwachen nicht mehr hilft. »Mother!« spielt an einem jener Orte, die man nicht bei Google Earth findet: ein hübsches Herrenhaus auf einer Lichtung ohne erkennbare Zufahrtswege. Dort leben ein schreibblockierter Autor (Javier Bardem) und seine junge Frau (Jennifer Lawrence). Die ohnehin schon verdächtige häusliche Idylle gerät nachhaltig in Schieflage, als ein Fremder vor der Tür steht, der wie ein alter Bekannter begrüßt wird, obwohl es ihm definitiv an Manieren fehlt. Auch seine am nächsten Tag

erscheinende Gattin legt eine irritierende Attitüde an den Tag, wie die Dame des Hauses bemerkt. Aus einem nicht näher definierten Umland strömt so nach und nach allerhand Volk zusammen, dessen furchteinflößende Anspruchshaltung Zeit und Nerven kostet. Nach dieser Einleitung eskaliert »Mother!« – aber richtig! Alle fünf Minuten kommt es zu einem immer grotesker anmutenden Exzess, der einer halluzinogenen Albtraumlogik zu folgen scheint. Aronofsky schreckt auch nicht vor der Inszenierung drastischster Szenen zurück. Einen Schlüssel zum blutigen Geschehen lieferte der Regisseur bereits selbst, indem er »Mother!« als eine Version der Schöpfungsgeschichte aus der Sicht von Mutter Natur beschrieb. Nicht dass solche Interpretationen notwendig oder hilfreich wären. Gerade in seiner ergebnisoffenen Erzählweise verstört der kunstvoll brutale und ästhetisch zwingende Film am meisten. Die Frage, die er aufwirft und die einen womöglich am allermeisten verstört, betrifft religiöse Menschen und Agnostiker letzten Endes gleichermaßen: Wenn die ganze Welt und all ihre Kulturen nur auf Geschichten beruhen, woher kommt dann die ihnen innewohnende Grausamkeit? Alexander Dahas — Intro empfiehlt: »Mother!« (USA 2017; R: Darren Aronofsky; D: Jennifer Lawrence, Javier Bardem, Michelle Pfeiffer; VÖ 25.01.18; Universal)


#Kultur #DVD

The Handmaid’s Tale

MÄNNER SIND AUF DIESER WELT EINFACH UNERTRÄGLICH Im Gottesstaat Gilead werden Frauen als Sklavinnen gehalten, bis das riskante Handeln einer Magd Veränderungen ankündigt.

Dystopische Filme kommen im Zeitalter der alternativen Fakten besonders gut an. Doch Margaret Atwoods feministischer Roman »Der Report der Magd«, auf dem die Serie »The Handmaid’s Tale« basiert, stammt aus dem Jahr 1985. The future is female? In den 1980ern sah die Zukunft noch anders aus.

Atwood beschreibt im Buch eine totalitäre Gesellschaft, in der das Patriarchat seinen Herrschaftsanspruch verabsolutiert hat. Die entrechteten Frauen werden in Klassen und Stände eingeteilt, um als Hörige und Sklavinnen zu dienen – oder als Gebärmaschinen. Eine von ihnen ist die Magd Offred (Elisabeth Moss), die sich noch an die Zeit erinnern kann, bevor sich der Gottesstaat Gilead in den USA breitmachte. Weil die Fertilitätsrate seitdem stark zurückgegangen ist, besteht Offreds Aufgabe darin, einem mächtigen Kommandanten und seiner unfruchtbaren Frau ein Kind

zu schenken. Als das nicht funktioniert, verfällt sie auf eine gefährliche Idee. Durch diese kongeniale Adaption versinkt man für zehn unbarmherzig spannende Folgen in einem unheimlichen Universum, das auf irritierende Art mit unserer Realität verschwimmt, in der die vollkommene Gleichstellung der Frauen bis heute eine Utopie geblieben ist. Eine der wichtigsten Serien zurzeit. Alexander Dahas — Intro empfiehlt: »The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd« (USA 2017; R: Reed Morano; D: Elisabeth Moss, Joseph Fiennes, Yvonne Strahovski; VÖ 15.03.18; MGM)

Die Box »Twin Peaks – A Limited Event Series Special Edition« (USA 2017; R: David Lynch; D: Kyle MacLachlan; VÖ 22.03.18; Universal) gehört ins Regal eines jeden Fans, wie die Redwood-Bäume in die Wälder rund um den Ort jenes mythischen Verbrechens gehören, das der Geschichte zugrunde liegt. 25 Jahre nach dem Mord an Laura Palmer und den Ermittlungen des FBI-Agenten Dale Cooper geht es in der dritten Staffel weiter mysteriös zu. Die Provinz ist halt ein Moloch. Diese limitierte Edition enthält nicht nur sämtliche 18 Folgen der Fortsetzung, sondern noch dazu sechs Stunden Bonusmaterial, die einen Einblick in den Entstehungsprozess geben. Ideal zum nächsten Verdammt-guterKaffee-Kränzchen mit Cherry Pie.

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#Kultur #DVD

The Square

KUNST KOMMT NICHT VON GÖNNEN

»The Square« in eine surreale Filmsatire, die ihrem überschäumenden Ideenreichtum die Zügel überlässt. Für den Zuschauer ist Im Museum ist die Hölle los. Regisseur Ruben Östlund karikiert das das ein Glücksfall, denn von nun an wechseln sich haarsträubende Kunstmilieu in seiner preisgekrönten Satire mit bösem Humor. Szenen von grellem Humor und doppelbödiger Gemeinheit mituseumsdirektor Christian um die Schnapsidee eines Koka- Kindskopf, ein gestohlenes Han- einander ab – als hätte Lars von (Claes Bang) ist die Verkörpe- inabhängigen? Privat ist Christian dy kitzelt seine aggressive Seite Trier J.G. Ballard verfilmt. rung des kultivierten Erfolgs- eh etwas anders drauf: Ein One- wach. Allmählich verwandelt sich Alexander Dahas menschen, dem der postmoder- Night-Stand mit einer amerika— Intro empfiehlt: »The Square« ne Kulturbegriff nichts anhaben nischen Journalistin entlarvt ihn (S 2017; R: Ruben Östlund; D: Claes kann. Für seine neue Ausstellung genüsslich als bindungsunwilligen Bang, Elisabeth Moss, Dominic West; schwebt ihm ein radikales, konVÖ 23.03.18, Alamode) troverses und möglichst brillantes Multimediastück vor. Es soll brandaktuelle Kunst mit lukrativer Publicity verbinden. »The Square« verspricht genau das: Die viereckige Licht­konstruktion mit ordentlich konzeptionellem Überbau könnte das Abbild einer experimentellen Mikrogesellschaft aus purer Abstraktion sein. Oder handelt es sich bloß

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Fargo – Staffel 3

Some like it cold Schuld und Söhne – und eine coole Ermittlerin in der kalten Provinz. Auch diesmal bekommen die »Fargo«-Fans warme Füße.

Auch die dritte in sich abgeschlossene Staffel der Serien-Adaption des modernen Kino-Klassikers bietet eine Tragikomödie von Dostojewski’schen Proportionen. Natürlich spielt sie sich in der verschneiten Provinz ab, wenn auch diesmal nicht im Ort Fargo – und der schicksalhafte Zufall sowie die verbrecherische Dummheit spielen einmal mehr die heimlichen Hauptrollen. Dabei ist kein Qualitätsunterschied zu den hervorragenden Seasons 1 und 2 zu beklagen. Das Brüderpaar Ray und Emmit Stussy (jeweils Ewan McGregor) hat sich über einen Erbstreit entfremdet,

und nun wittert der prollige Bewährungshelfer Ray eine windige Chance, es dem selbsternannten »Parkplatzkönig« Emmit heimzuzahlen. Dem einen sitzt noch ein attraktiver Jailbird (Mary Elizabeth Winstead) im Nacken, dem anderen ein zwielichtiger britischer Ganove (David Thewlis). Und alle haben sie die Rechnung ohne die Frances-McDormand-mäßige Polizeichefin Burgle (Carrie Coon) gemacht. »Fargo« ist und bleibt eine intelligente Serie für Erwachsene jeden Alters, die zum Glück den schwarzen Humor der CoenBrüder teilt. Roman Jansen — »Fargo – Staffel 3« (USA 2017; R: Noah Hawley u. a.; D: Ewan McGregor, Carrie Coon, Mary Elizabeth Winstead; VÖ 15.03.18; Fox)


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#Kultur #Games

Monster Hunter World

AUF DER LAUER Capcom bringt seine »Monster Hunter«-Serie nach einigen Jahren wieder zurück auf die großen Konsolen und lädt mit neuer Zugänglichkeit auch Anfänger zur Jagd ein.

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ls Direktor von »Monster Hunter World« trägt Yuya Tokuda eine große Verantwortung: Während die bevorzugt auf mobilen Handheld-Geräten veröffentlichten Vorgänger in seinem Heimatland Japan für Millionenumsätze sorgten, wirft die

aktuelle Umsetzung für stationäre Konsolen viele Fragen auf und schürt zugleich große Erwartungen. Vor allem die Anpassung an westliche Geschmäcker birgt willkommene Vereinfachungen, die der Spielbarkeit durchweg gutgetan haben. Geblieben ist eine Mischung aus »Jurassic Park«,

Rollenspiel und etwas »Dschungelcamp« – für Menschen mit einem ausgeprägten Sammeltrieb ist das die perfekte Realitätsflucht, die nun auch optisch ansprechend daherkommt. Eine Art Handlung gibt es auch: Nach der extrem detaillierten Charakter-Erstellung landet

Fe

DER MIT DEM WILD SINGT Mit »Fe« haben die Naturburschen vom schwedischen Studio Zoink einen wundersamen Digital-Wildpark geschaffen, in dessen Unterholz man sich nur zu gerne verkriecht.

Der Wald lebt: An allen Ecken kreucht und fleucht es, und auch die Vegetation präsentiert sich als komplex verzweigter Organismus. Kaum ist man in der Spielwelt von »Fe« angekommen, möchte man auch bleiben – und erst dann wieder gehen, wenn man den örtlichen Artenreichtum eingehend studiert und jede Schwingung des beseelten Fantasy-Biotops in sich aufgesogen hat. Fe, das fuchsartige Wesen, das man durch die Wildnis steuert, wirkt nur so lange unheimlich, bis man es zum ersten Mal singen lässt – dann hat man es augenblicklich ins Herz geschlossen. Die Balance zwischen Meditation

und Abenteuer ist perfekt austariert, die Story bestenfalls skizziert: Alles kann, nichts muss. Dass man dem Wald aber hilft, sich gegen die schabenartigen »Silent Ones« zu wehren, die in ihm ihr Unwesen treiben, ist Ehrensache. Abseits der Ungeziefer-Konfrontationen steht die Entspannung im Vordergrund. Insbesondere dank der brillant orchestrierten Geräuschkulisse aus vertrauten und surrealen Sounds fällt es leicht, die Wirklichkeit hinter sich zu lassen und auch mal eine Weile als reiner Beobachter durch die Wildnis zu streifen, sollte eines der vielen feinsinnig implementierten Rätsel nicht auf Anhieb zu schaffen sein. Oft braucht es diesen Spaziergang sogar, denn um weiterzukommen, ist Fe regelmäßig auf die Hilfe der Waldbewohner angewiesen – deren Vertrauen er sich erst mal ersingen muss. Dabei ist Feingefühl gefragt, denn die Geschöpfe sind

man auf einem Schiff in Richtung »Neue Welt«, auf der »Topauswahlleute« mit Jagdaufträgen über eine Insel geschickt werden. Die etwas hölzernen Begriffe werden von Monsternamen begleitet, die jede Textkorrektur kollabieren lassen. Mehr oder minder große Viecher wie Jagrass, Puki-Puki oder Jyuratodus sind nicht nur Zungenbrecher, sondern mit ihren hektischen Bewegungsmustern auch keine leichte Beute. Da sind Geduld, Beobachtungsgabe und viel Zeit gefragt, bis man sich durch alle Möglichkeiten der 14 Waffenarten und deren entsprechende Fähigkeiten gearbeitet hat. Schwerter oder Bögen haben absurde Größen und wirken oft nur auf bestimmte Entfernungen. Gejagt wird alleine oder online im Team, was eine gewisse Absprache nötig macht. Die Entwickler verzichteten bewusst auf einen Lebensbalken für Spieler oder Kreaturen, und auch die Figuren selbst müssen nicht mühsam hochgelevelt werden. Die Steampunk-Optik der Charaktere könnte dem einen oder anderen etwas zu kindlich sein, wer aber mithilfe seiner Mitspieler den Drachentöter in sich entdeckt, wird in der neuen Welt bestimmt seine Heimat finden. Gregor Wildermann — »Monster Hunter World« für Microsoft Windows, PlayStation 4, Xbox One (Capcom)

scheu, und eine zu forsche Annäherung löst schnell Fluchtreflexe aus. Mit etwas Einsingen jedoch ist der richtige Ton schnell getroffen und ein treuer Freund gewonnen. Vorausgesetzt, man hat sich ebenso vorsichtig in Hörweite des jeweiligen Tieres begeben. Auf die Gefahr hin, zweckoptimistisch zu klingen: Vielleicht braucht die ersehnte Rückbesinnung zur Natur ja genau diesen Umweg über Computer und Konsole. Valentin Erning — »Fe« für Microsoft Windows, Nintendo Switch, PlayStation 4, Xbox One (Electronic Arts / Zoink)


#Kultur #Games

Keine Skills am Controller aber La Paloma pfeifen Wie »Street Fighter«, nur mit Manieren: In »Oh ... Sir!! The Insult Simulator« werden aus ruppigen Keilereien kultivierte Wortgefechte in britischer Manier. Videospiel-Laie Carsten Schumacher hat sich unter die feine Gesellschaft gemischt und steht nun mit dem Fehdehandschuh für seinen Sitzplatz in der ersten Klasse ein.

Worten zu lösen? Die Beleidigungen rekrutieren sich übrigens in einem gerüttelten Maße aus dem Fundus der britischen Komödiantengesellschaft Monty Python. Frauenunterwäsche tragende Holzfäller, tote Papageien – warum spielt das im kontemporären Rap eigentlich gar keine Rolle mehr?!? Denn der Rest stimmt ja: Monokel, Schnauzbärte und Taschenuhren – all das hätte auch Kim Kardashian für ihren Gentleman Kanye West eingekauft, jedenfalls, wenn sie von der Existenz dieser Dinge wüsste. Und dazu ein Battlerap dieser Couleur am Hofe des Königs Louis Vuitton? Dann wären auch die MTV Video Awards wieder herzeigbar, möchte ich meinen. Doch Gott sei es geklagt, ist dies wohl nicht unsere Kragenweite, dennoch aber ein exquisites Trainingsmodul, um sich für den Schlagabtausch am Service-Schalter der Deutschen Bahn in Form zu halten.

Illustration: Alexandra Ruppert

Engländer streiten sich um einen Sitzplatz im Zug – ist das dieses Grime, von dem immer alle reden? So muss Battlerap im viktorianischen London ausgesehen haben: Manners maketh man! Hier dreht sich mal nicht alles um Mütter und Artverwandtes aus dem Schattenreich des Ödipus, sondern auch um Kommunisten und ... frische Früchte?!? Nun ja, dass die Satzschöpfungen nur bedingt Sinn ergeben müssen, vereinfacht die Sache jedenfalls ungemein. Der Wortschatz, aus dem man hier wählen darf, würde einen Jay-Z vor Neid erblassen lassen, selbst wenn er manchmal nah an Haftis Fantasie-Kauderwelsch rückt. Wie meinen, Sir?! Ich und die Socken einer obdachlosen Person haben schlimmere Haare als dieser Zug??? Ob meine Eltern das meinten, wenn sie anmahnten, Konflikte doch lieber mit

— »Oh ... Sir!! The Insult Simulator« für Microsoft Windows, Mac, iOS, Android, PlayStation 4, Linux, Xbox One (Good Shepherd Ent. / Gambitious)

PRASENTIERT VON:

09.-11. MAI 2018

MOGLI 14.04. 17.04. 18.04. 20.04. 21.04. 23.04.

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11.04. 12.04. 13.04. 14.04.

14.03. 16.03. 17.03. 21.04.

HAMBURG BERLIN KÖLN HALDERN

OLDENBURG LÜNEBURG JENA POTSDAM

10. mai 2018

Selah Sue

wallis bird

11. mai 2018

09. mai 2018

DOTA & band

morcheeba

VÖK

21.02. 01.03. 02.03. 05.03. 08.03. 09.03.

KLAN 17.04. 18.04. 19.04. 20.04. 21.04.

09. mai 2018

15.05. 16.05. 17.05. 18.05.

MÜNCHEN DÜSSELDORF HAMBURG BERLIN

HAUX

17.05.18 BERLIN 22.05.18 HAMBURG 23.05.18 KÖLN

03.05.2018 / ute lemper . 09.05.2018 / mariza 09.05.2018 / anna Depenbusch . 10.05.2018 / lisa stansfield 11.05.2018 / Christina Stürmer IN DIVERSEN 11.05.2018 / Alin coen band VENUES! TICKETS UNTER: WWW.FRANKFURT-TICKET.DE

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Illustration: Gabriel Nazoa

#Life

#Life 81


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#Life #Abbey Road Studios

Abbey Road Studios

UND AUS DEN WÄNDEN TROPFT MUSIK Die Abbey Road Studios sind Touristenattraktion, Weltmarke und mystisch verklärter Sehnsuchtsort – aber auch ein permanent genutzter Studiokomplex samt Ausbildungs-Institut für Musikproduktion und Sound Engineering. Daniel Koch hat sich durch die heiligen Hallen führen lassen und mit dem Produzenten und BeatlesVertrauten Giles Martin geklärt, ob die Aura der Studios tatsächlich auf den dort entstandenen Aufnahmen zu hören ist.

E

in strahlender, klirrend kalter Wintermorgen in Westminster, London. Ich stehe vor den Abbey Road Studios auf der namensgebenden Straße. Es ist gerade mal halb neun in der Früh und trotzdem laufen hier schon die ersten Touristengruppen auf und ab, bekritzeln die Mauer vor dem Haus oder suchen den »richtigen« Zebrastreifen – den, auf dem die Beatles das berühmte »Abbey Road«-Cover schossen. Giles Martin – Sohn des Beatles-Hausproduzenten George Martin

– wird mir später erzählen: »Manchmal ruf ich den Leuten zu: ›Falscher Zebrastreifen!‹« Es ist übrigens der an der Ecke zur Grove End Road. An der Mauer stehen Liebesbekundungen wie »I miss you, John!«, aber auch Komisches und/ oder gefährliches Unwissen: »Brian Wilson – best Beatle ever! Fuck you, Ringo!« Aha. Von außen betrachtet erkennt man noch das 1831 im gregorianischen Stil gebaute Townhouse, das erst zu einem Mietkomplex und ab 1931 zu einem Studio umgebaut wurde.

Damals musste der große Garten hinter dem Haus weichen. Von der Straße aus sieht man deshalb auch nicht, wie groß die Abbey Road Studios tatsächlich sind. Ich bin Teil einer kleinen Gruppe von Journalistinnen und Journalisten, die von der Firma Sonos eingeladen wurde, an einer exklusiven Führung samt Interviewrunde teilzunehmen. Sonos kooperiert mit dem Studio, hat im Nebengebäude über dem Souvenier-Shop Büros bezogen und Giles Martin als »Head of Sound«


#Life #Abbey Road Studios

eingestellt. In dieser Funktion ist er in die Entwicklung und Verbesserung neuer Lautsprechersysteme involviert. Mich interessiert bei dieser Reise vor allem, wie viel Verklärung bei dem Thema Abbey Road im Spiel ist, schließlich schwärmen immer wieder Musiker, wie sehr dieses Studio sie bei ihren Aufnahmen inspiriert hätte. Etliche Alben werden außerdem zum Mastering in die Abbey Road geschickt. Machen Musiker das bloß, damit am Ende »Mixed at Abbey Road Studios« auf der Platte

steht? Oder klingen die Aufnahmen, die aus den heiligen Hallen kommen wirklich besser? Erster Stopp unserer Tour ist das Studio 1. Das zerkratzte Parkett und die Größe erinnern an eine alte Sporthalle, die gestapelten roten Stühle verströmen den Charme einer Hochzeit in den 70ern. Ein eher trister, unaufgeräumter Anblick. Und trotzdem spüre ich eine gewisse Euphorie: In dieser Halle wurden immerhin zahlreiche Orchesterwerke eingespielt. Angefangen vom London Symphony Orchestra,

das im November 1931 unter Leitung von Sir Edward Elgar »The Land Of Hope And Glory« eingespielt hatte – die erste Tonaufnahme des Studios überhaupt – über die letzten Aufnahmen von Glenn Miller bis zu den Scores großer Hollywood-Produktionen wie »Indiana Jones: Jäger des verlorenen Schatzes«, die »Herr der Ringe«- und »Harry Potter«-Filme, beide »Guardians Of The Galaxy«-Teile und »Shape Of Water«. Pink Floyd nutzten es gelegentlich, wenn sie mit Instrumenten und Haushaltsgegenständen experimentierten, um extravagante Sounds für ihr Meisterwerk »The Dark Side Of The Moon« zu finden. Im Kontrollraum bestaune ich das Neve 88 RS Mischpult mit 72 Kanälen – eines der besten analogen Mischpulte der Welt. Und damit finde ich vielleicht eine erste Antwort auf meine Frage, ob eine Aufnahme in den Abbey Road Studios tatsächlich so besonders ist: Könnte sein, denn die Technik ist es schon mal. Und auch das Personal, das es bedient. Gerade unter den Toningenieuren sind viele alteingesessene und preisgekrönte Mitarbeiter. Den Nachwuchs bildet man gleich im angegliederten Abbey Road Institute mit aus. Weiter geht es ins Studio 2. Es ist unmöglich, hier nicht an die Beatles zu denken. Sie machten diesen Raum ab 1962 zu ihrem kreativen Wohnzimmer. Die Erinnerung überstrahlt bis heute alle anderen Künstlerinnen und Künstler, die hier Musik erschaffen haben. Der Tourguide zeigt mir auf seinem iPad ein Foto von den Aufnahmen zu » Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band« und sagt: »Hier hat Ringo meistens sein Schlagzeug platziert.« Nächstes Bild: Alle vier Beatles auf Hockern - ungefähr drei Meter und 50 Jahre von dem Punkt entfernt, an dem ich gerade stehe. Der Raum sieht heute nicht viel anders aus als damals: verschranztes, erhabenes Parkett und senfgelbe Stoffbanner an den Wänden. In einer Ecke stehen zwei Artefakte der jüngeren Musikgeschichte: Ein Steinway-Klavier in Rotbraun, auf dem McCartney einst die vergnügliche Melodie von »Lady Madonna« gespielt hat. Daneben eine Celesta, ein Tasteninstrument, das weltweit nur von der deutschen Firma Schiedmayer produziert wird: Ihren Klang hört man nicht nur auf dem weißen Album der Beatles, sondern auch im geisterhaften Kernmotiv des »Harry Potter«-Themes. In diesem Raum ist es vielleicht auch an der Zeit, sich über die Idee der Aura eines Studios Gedanken zu machen. Giles Martin ist der perfekte Gesprächspartner dafür. Seit er 15 ist, verbringt er einen großen Teil seiner Zeit in diesen Räumen. Sein Vater George war Hausproduzent der Abbey Road Studios und wurde oft als fünfter Beatle bezeichnet. »Als ich 16 war, wurde mein Vater langsam taub. Er konnte gewisse Frequenzen nicht mehr hören. Aber das erzählte er keinem außer mir. Also musste ich für ihn hören und ihm die Sounds irgendwie vermitteln, damit er

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#Life #Abbey Road Studios

daraus seine Schlüsse ziehen konnte«, erinnert sich Giles an diese Zeit. Kein Wunder, dass Giles diese Fähigkeit später nutzte und auch Produzent wurde. Aber zurück zu meiner wichtigsten Frage, bei deren Antwort Martin seinen britischen Humor zeigt – der ein perfektes Gegenmittel zum Mythos dieser Räume ist: »Ja, ich glaube, dieses Studio hat eine Wirkung auf die Künstlerinnen und Künstler, die hier aufnehmen. Ich vergleiche das gerne mit einer Salatschüssel.« Wie bitte? »Ja, wenn du die nicht richtig auswäschst, bleibt immer etwas Öl vom Dressing am Rand. Und wenn du die Schale dann für – sagen wir – einen Tee benutzt, schmeckst du das noch raus. Hier ist das ähnlich: Diese Wände haben über die Jahre so viel Musik aufgesaugt, sie tropft förmlich aus ihnen heraus. Der Sound selbst ist eine physikalische Angelegenheit: Wir hören Klangwellen. Aber es gibt eben noch andere Komponenten, die wir entweder hören oder fühlen: Eine Kunstfertigkeit in der Musik und auch ein Element der Geschichte. Mal abgesehen davon, dass diese Räume Musiker zusätzlich anspornen. Man misst sich ein Stück weit mit den Großen.« Mit dem dritten Studio, das ich gezeigt bekomme, nähere ich mich der aktuelleren Musikgeschichte. Es ist das kleinste der drei und strahlt eine zeitlose Intimität aus. In Studio 3 entstanden große Teile von »Dark Side Of The Moon«, hier zieht Florence Welch gern für ein paar Wochen ein, Frank Ocean sang Songs für »Blonde« ein und Liam Gallagher nahm hier sein Solodebüt auf. Im Kontrollraum steht ein gemütliches graues Sofa, »auf dem sich Kanye West gerne breitmacht«, wenn er mal hier aufschlägt, wie unser Guide zu berichten weiß. Auf einem Schreibtisch stehen zwei noch verpackte Flaschen Schampus. Vermutlich für den heutigen Gast. Wer das ist? Kein Kommentar. Aber die Gruppe muss sich ein wenig sputen – denn der Grund, warum wir so früh durch die Räume geführt werden, ist natürlich der laufende Betrieb, der hier mit der nötigen Diskretion gemanagt wird. Ich trete kurz in den Aufnahmeraum und schaue mir das Mikrofon in der Mitte des Raumes an. Hier sang Amy Winehouse die letzte Aufnahme vor ihrem Tod: »Body And Soul«, ein Duett

mit Tony Bennett. Ein Gerät, das andere in ein Museum stellen würden, das hier aber im täglichen Einsatz ist. Es ist ein Neumann U47, eines der berühmtesten Studiomikrofone der Welt. »Mikrofone wie dieses sind gute Beispiele dafür, dass das Hörgefühl nicht eindeutig zu vermessen ist«, erklärt Giles später. »Auf dem Papier ist das ein schlechtes Mikrofon.« Die Frequenzlinien seien »das reinste Chaos«. Und trotzdem: Alle Welt schwört auf diesen Klang. Für das Ende unseres Rundgangs hat sich Giles Martin ein besonderes Finale überlegt: Eine Listening Session mit Songs von »Sergeant Pepper«, die Giles auf Wunsch von Paul McCartney zum 50. Jubiläum des Albums geremixt hat – mit dem klaren Arbeitsauftrag, diese Musik einer jüngeren Hörergeneration näherzubringen. Klingt nach einem harten Job, bei dem Hardcore-Fans und Puristen »Kulturschändung« rufen würden. Giles verneint: »Eigentlich war der Job sehr einfach. Viele Menschen denken, Musik werde alt. Doch das stimmt nicht. Ein Album ist wie eine Momentaufnahme. Zu der Zeit waren die Beatles 25 und 26 – eine erfolgreiche Band auf der Höhe ihres Schaffens. Und ob sie das mögen oder nicht: Sie werden auf dieser Platte immer in diesem Alter sein. Mein Aufgabe bestand also nur darin, in die Zeit zurückzureisen und den Mix den heutigen Hörgewohnheiten anzupassen. Ich

hatte Zugang zu den Originalaufnahmen, und da die sehr gut sind, musste ich gar nicht so viel machen.« Das nennt man wohl britisches Understatement. »Das einzig Unheimliche daran war, dass es wirklich nur positive Kritiken gab.« Dann lacht er und sagt: »Das hat mich viel Schmiergeld und viele Gefälligkeiten gekostet.« Weil man die Möglichkeiten und gerade Bock drauf hatte, passte man die Aufnahme, die ich zu hören bekomme, extra an diesen besonderen Raum an: Dolby Surround aus über 50 Boxen – ein Ort, der normalerweise zur Vorführung von Filmscores genutzt wird. Ich darf mir ein letztes Lied wünschen und nehme – natürlich – »A Day In The Life«. Vielleicht liegt es daran, dass ich gerade frisch für die Beatles sensibilisiert wurde oder an der technischen Aufrüstung dieses Raumes oder an der einlullenden Abbey-Road-Aura oder an Giles Martins Remix oder schlicht und ergreifend daran, dass dieses eines der großartigsten Lieder der Popgeschichte ist, aber es kommt mir vor wie der perfekteste Hörmoment, den ich jemals hatte. Ich sitze die knapp sechs Minuten wie elektrisiert im Dunkeln – von dem Moment an, in dem Paul »I read the news today, oh boy« singt, über das schräge Orchestercrescendo auf halber Strecke, den Break zur »Woke up, fell out of bed«-Strophe bis zum verstörenden Finale, in dem das missmutige Orchester den Raum auseinanderzunehmen scheint, bevor alles in einem letzten geradezu bedrohlichen Klavierakkord ausdröhnt. So klingt also dieses Abbey Road Studio, denke ich. So wirkt es. So fühlt es sich an. Und obwohl ich mich eigentlich nicht beeindrucken lassen wollte, komme ich doch zu dem Schluss, dass Giles Martin natürlich Recht hat: Diese Räume haben eine Wirkung, die zumindest für Popmusikliebhaber weit über den bloßen physikalischen Klang hinausgeht. Meine Euphorie habe ich erst wieder im Griff, als ich im Andenkenladen stehe und Devotionalien für rund 80 Euro in den Händen halten. Gerade noch rechtzeitig kehre ich zur journalistischen Professionalität zurück – und kaufe nur einen Kühlschrankmagneten.


#Life #Rezepte der Popküche

Rezepte der Popküche: »Per Anhalter durch die Galaxis«

Der pangalaktische Donnergurgler

Illustration: Alexandra Ruppert

Er ist das Lieblingsgetränk des liederlichen Zaphod Beeblebrox aus Douglas Adams’ »Per Anhalter durch die Galaxis«: der pangalaktische Donnergurgler. Das Rezept stellt uns zwar vor ein gewisses Beschaffungsproblem, aber da der Roman nur auf die Wirkung des Tranks eingeht, bleibt die Herausforderung eine rein kreative ... Der pangalaktische Donnergurgler (engl. »Pan Galactic Gargle Blaster«) ist laut dem bekannten Reiseführer »Per Anhalter durch die Galaxis« wahlweise der stärkste oder der beste Drink überhaupt. Die Wirkung wird beschrieben, als werde einem mit einem riesigen in Zitronenscheiben gehüllten Goldbarren das Hirn aus dem Kopf gedroschen. Ferner, heißt es dort, solle man sich darüber im Klaren sein, dass man nach der Einnahme nur mit Unterstützung mehrerer Hilfsorganisationen wieder auf die Beine komme. Hand aufs Herz: Manche schaffen das schon mit Jägermeister, doch der Selbstmord der Synapsen soll hier schon etwas lyrischer vonstattengehen. Wir alle kennen die Situation, dass die Eltern fahrlässig Haus und Sprösslinge (= uns) alleine lassen, die Freunde mit haufenweise Flaschen anrücken und man gemeinsam nach Rezept Cocktails mischt. Irgendwann kommt dann die unstillbare Neugier, wie wohl alles zusammen schmeckt, und kurz darauf ist die Party dann auch schon (zumindest für die Pioniere unter

den Flüssigkeitsfanatikern) vorbei. Das wäre im Ansatz die gewünschte Wirkung, es geht hier vielleicht noch um eine zu erhaltende Würde, mit der man den Abschied aus der Welt gemeinschaftlich erlebbar einleitet, um mit einem letzten Triumphgeheul ins Nirwana zu rutschen. Immer daran denken: Hier geht es um Literatur! Man muss also an der Leitplanke der Wirkungsmaxime entlangrutschen, hin zu einer Alchemie absurd-exotischer Zutaten, um letztlich – und zwar mit Stil! – auch noch bei zumindest nicht hinderlichem Geschmack zu landen. Das Rezept ist überliefert, jedoch verlangt es der Poesie des Substituts. Was könnte Meerwasser von Santraginus V sein? Badet gerade jemand? Beherbergt das Etablissement ein Guppy-Aquarium? Sabbert die Katze? Man muss den Anlauf als Gesellschaftsspiel betrachten, denn nimmt man das Ziel des Getränks ernst, bleibt nach der Einnahme kaum noch Zeit für das gegenseitige Abklatschen. Carsten Schumacher

Das Rezept Zutaten für eine starke Leber: 1 Flasche alten Janx-Geist 1 Teil Meerwasser von Santraginus V 3 Würfel arkturanischen Mega-Gin 4 Liter fallianisches Sumpfgas 1 Teil qualaktinisches HyperminzExtrakt 1 Zahn des algolianischen Sonnentigers 1 Spritzer Zamphuor 1 Olive Und so geht’s: Zum Janx-Geist füge man einen Teil Wasser aus den Meeren von Santraginus V hinzu. Man lasse die drei Würfel arkturanischen Mega-Gin in der Mischung zergehen (sie muss gut gefroren sein, sonst verfliegt das Benzin darin!). Nun vier Liter fallianisches Sumpfgas hindurchperlen lassen. Über einen umgedrehten Silberlöffel lasse man ein Teil qualaktinischen Hyperminz-Extrakts tröpfeln, »der nach allen dunklen, zu Kopf steigenden qualaktinischen Zonen duftet: zart, süß und mystisch«. Jetzt nur noch den Zahn des algolianischen Sonnentigers, einen Spritzer Zamphuor und zum Schluss eine Olive hinzufügen, umrühren, fertig.

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#Life #Kolumne

First World Problems – Netflix Einmal im Leben umgehört, und schnell wird klar: selbiges ist kein Zuckerschlecken! Es folgt eine neue Ausgabe viel diskutierter First World Problems. Irgendwas ist doch immer, findet Jonathan Löffelbein, der gemeinsam mit Lukas Diestel diese Kolumne und den Blog Worst Of Chefkoch betreibt.

Es sind doch nur drei Euro im Monat, ist das Mantra, das mich derzeit begleitet. Du teilst es dir ja, da lohnt es sich doppelt, sage ich mir. Du hast doch überall Internet, grummele ich in mich hinein. Und doch: Etwas in mir zweifelt, etwas in mir weiß, unsere Beziehung zueinander, unser Ineinandergewobensein, es ist falsch. Oh, Netflix. Was soll ich tun? Unser Anfang, es war ein Rausch! Ich erinnere mich, wie ich vor knapp zwei Jahren mit dir die erste Nacht in meinem Zimmer lag und wir nicht einmal Pause machten, die ganze Nacht nicht. Nichts konnte uns stoppen, ich fiel über dich her wie »Bojack« über Kokain. Alles an dir, dein »Narcos«, »Master Of None«, »House Of Cards«, das alles putschte mich auf. Die Sonne kroch durch das Fenster in meine Einzimmerwohnung mit den verschimmelten Spaghetti im Sieb, und ich schwöre es dir: In diesem Moment wäre mir die Pracht des Petersdoms schmutzig vorgekommen ohne dich! Und jetzt schau, was aus uns geworden ist, Netflix. Die Energie, die du mir anfangs gabst: Als könnte ich alles umsetzen! Alle Projekte, alles in mir gierte danach, auch so Großes zu erschaffen wie du. Doch jetzt? Du bist mein größter Störfaktor geworden. Als Kreativitätstöter bist du noch effektiver als Glück und Zufriedenheit. Verbringe ich Zeit mit dir, wird mein Kopf so seicht wie eine Episode von »Love«. Noch schlimmer ist, dass ich nicht mehr schlafen kann. Immer bietest du dich mir an, immer noch eine schnelle Nummer, komm schon,

nur fünf Sekunden, rufst du in roten Lettern, dann geht’s wieder und weiter. Wenn ich meine Reflexion in deinem schwarzen Ladebildschirm sehe, erschrecke ich. Bin das noch ich? So ein Schlafdefizit hatte ich das letzte Mal mit 14 angehäuft, als ich gerade Sportclips auf DSF entdeckt hatte. Und mein Schlafverhalten ist wie Sportclips selbst, Netflix, das ist nicht gesund! Und unsere Verbindung, sie ist kompliziert. Du hast mich süchtig gemacht, du Heroin des kleinen Mannes. Und es wird schlimmer. Obwohl ich versuche, dich auf Abstand zu halten, kann ich noch immer nichts essen, wenn du mir nicht gegenübersitzt. Stundenlang suche ich das Gute in dir, nur, um vor dir in Ruhe essen zu können. Erst gestern habe ich mir Spaghetti gekocht. Wie damals, Netflix. Doch als ich das Gute in dir gefunden hatte, da waren die Nudeln erkaltet. Ach, was ist es denn, was wir zusammen haben? Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob du noch etwas dabei empfindest, wenn wir miteinander Zeit verbringen. Und die Qualität hat nachgelassen. Was für ein Unfall ist denn bitte schön »Iron Fist«, was für Filme schlägst du mir vor? Mir regelmäßig »Grace And Frankie« anzubieten ... Als würden deine Algorithmen mich überhaupt nicht kennen! Und dann bezahle ich auch noch für deine Dienste! Ich fühle mich schmutzig, Netflix, so furchtbar schmutzig. Und müde. Vor allem sehr müde. Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns eine Weile – wenn ich dich eine Weile nicht mehr sehe.

Illustration: Alexandra Ruppert

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Illustration: Gabriel Nazoa

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#Style #Fashion Week

Fashion Week Berlin

Zaubershow oder Modezirkus? Zweimal im Jahr verwandelt sich Berlin zur Modehauptstadt Europas – oder versucht es zumindest: Die Berliner Fashion Week ist ein Pflichttermin für jede Style-Redaktion. Zu Recht? Chiara Baluch begab sich im Januar in die Fashion-Week-Blase. Nach einer Woche voller modischer Highlights und unnötiger HighSociety-Prahlerei entscheidet sie sich für ein klares »Jein!«. Illustration: Alexandra Ruppert


S

eit letztem Jahr hat sich einiges getan bei der Berliner Modewoche: Mercedes Benz hat sich als Hauptsponsor verabschiedet und zeigt nur noch eine Handvoll Shows im EWerk. Die Auswahl punktet jedoch weniger durch Kreativität und Design-Esprit als durch ihren kommerziellen Stand in der Branche. Marken wie Riani, Bogner oder Sportalm sind wohl nicht gerade das, was junge Modejournalistinnen als den neuen heißen Scheiß bezeichnen würden. Hier liegt der Fokus eher auf den Leuten, die bei den Shows in den ersten Reihen sitzen. Geladen wird alles, was RTL an W- bis Z-Prominenten zu bieten hat oder vor zig Jahren als Kandidatin bei »Germany’s Next Topmodel« über den Bildschirm gegeistert ist – die »Bussi-Bussi-Gesellschaft«, die mit Mode herzlich wenig am Hut hat und es trotzdem schafft, gestandene Mode-Chefredakteurinnen in die zweite Reihe zu verbannen. Glücklicherweise gibt es aber auch Shows, deren Fokus tatsächlich auf der Mode liegt. Der Berliner Salon beispielsweise organisiert unter anderem im opulenten Ambiente des Kronprinzenpalais Präsentationen deutscher Designer. Hier trifft sich das wirklich interessierte Modevolk. Menschen, denen es tatsächlich um die neuen Kollektionen geht statt darum, vor der Linse eines Fotografen zu landen. Ironischerweise bewegt man sich dabei oft zwischen Influencern, die die Linsen ihrer Smartphone-Kameras gleich auf sich selbst richten und fleißig ihre Storys auf Instagram posten, um ihre Community auf den neuesten Stand zu bringen. Manch einem mag dies auf die Nerven gehen, mittlerweile kann aber wohl kaum ein Journalist den Bloggern ihre Daseinsberechtigung im Mode-Kosmos abstreiten. Wem der Zirkus dennoch zu viel des Guten ist, der ist vielleicht besser auf den parallel stattfindenden Messen aufgehoben. Die Seek und Bright bieten Streetwear- und Newcomer-Labels en masse. Hier herrscht zwar eine nicht weniger wuselige, aber durchaus lässigere Atmosphäre. Stellt sich nur die Frage, wie diese Veranstaltungen neben der klassischen Fashion Week überhaupt existieren können. »Auch wenn es zwei modische Seiten in Berlin gibt – einmal die Messelandschaft und auf der anderen Seite die Schauen –, kann man grundsätzlich sagen, dass beide Seiten sich im Idealfall gegenseitig befruchten«, erklärt Andrea Greuner, Chefredakteurin des Magazins TextilMitteilung. Auf den Messen werden vor allem Mitarbeiter aus dem Marketingund PR-Bereich bedient, auch Einkäufer kommen hier auf ihre Kosten und erspähen vielleicht das nächste coole Label, das schon morgen in den Läden hängen könnte. Während sich die Kreativen und Redakteure eher nach dem klassischen Ambiente einer Modenschau sehnen und diese Inszenierungen als eine Form von Kunst begreifen, verstehen andere nicht den Sinn dahinter. Für sie wird auf Schauen nichts anderes als untragbarer Humbug präsentiert, wie beispielsweise bei der Präsentation von William Fan. Ginge es nach ihm, würden wir nämlich bald alle Schuhe tragen, die sich nur als »Fisch-Slipper« bezeichnen lassen. Natürlich lässt sich Mode vom Laufsteg selten eins zu eins in den Alltag integrieren, darf in diesem Fall

aber auch nicht einfach als simpler Gebrauchsgegenstand gewertet werden. »Die modische Inszenierung ist wichtig, um die Bedeutung und Begehrlichkeit der Mode insgesamt hochzuhalten«, argumentiert Greuner und bringt so den Sinn der Fashion Week auf den Punkt. Einige Designer haben diese Diskrepanz verstanden. Jungdesigner Damir Doma beispielsweise präsentiert seine sehr straßentaugliche Kollektion in der Halle am Berghain und spricht damit in jeglicher Hinsicht junge Szenemenschen an: Tief ins Gesicht gezogene Fischerhüte, Mäntel in Oversize-Passformen und lange Kleider ergeben einen interessanten Mix irgendwo zwischen GrungeLook und lässigem HipHop-Stil. Auch bei Atelier About begegnet man den Models im wahrsten Sinne des Wortes auf Augenhöhe: Sie laufen einfach durch die Massen von Menschen, statt auf einem Catwalk unantastbar dahinzuschweben. Letzten Endes können selbst die größten Kritiker nicht den Zauber leugnen, den die eine oder andere Fashionshow versprüht. Wenn man zum Beispiel wie bei der Designerin Lena Hoschek im Botanischen Garten am Rande Berlins sitzt, aus den Lautsprechern die Vögel zwitschern und Models in traumhaften Roben an einem vorbeischreiten. In solchen Momenten ist Mode eben mehr als Kleidung – vielleicht ist sie dann sogar wirklich ein bisschen Kunst.

#Style #Fashion Week

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#Style #Streetwear #Haute Couture

S Streetwear

VON HERMÈS

chon bevor sich die Türen um neun Uhr morgens öffneten, reichten die Schlangen bis zum nächsten Häuserblock. In acht Metropolen der Welt warteten Fans im Juni 2017 auf ihr ultimatives Fashion-Highlight: Die Streetwear-Marke Supreme kollaborierte zum ersten Mal mit dem Luxusgiganten Louis Vuitton. Dafür war den Stilbewussten keine Temperatur zu niedrig und keine Nacht zu lang – bis zu 20 Stunden harrten manche Teenager in Tokio, London oder Paris aus, um sich dann auf T-Shirts, Sonnenbrillen und Sneaker zu stürzen, die allesamt mit typischen Louis-Vuitton-Emblemen auf schreiendem Supreme-Rot versehen waren. »Die Kooperation war ein ziemlich cleverer Schachzug beider Marken«, findet Nicolas Jacobi von Fucking Early aus Berlin, einem Label, das Bomberjacken und Caps in einer Wohnung in Kreuzberg designt. »Durch die LV× Supreme-Kooperation wurde nur noch einmal öffentlich ein Statement gesetzt, dass Bereiche von Streetwear jetzt locker auch mit Luxusmarken mithalten können«, sagt der Creative Director. Die Trennung von Streetwear und hochpreisig sei kaum noch vorhanden, betont er. Streetwear ist jetzt Luxus. Oder doch eher andersherum? Es ist auffällig, wie eine Branche, die sonst nur Glanz und Glamour zeigt, plötzlich um Hoodies und Baseball-Caps buhlt. Givenchy produziert nun 500-DollarT-Shirts mit Rottweiler-Köpfen,

vs. Haute Couture

ZU HOODIES Kapuzenpullover von Gucci? Graue Jogginghosen von Thom Browne, der sonst feine, spießige Herrenanzüge designt? Sündhaft teure Kiffer-Bauchtaschen von Hermès? Die Haute Couture hat offensichtlich den legeren Look der Streetwear für sich entdeckt. Franziska Knupper ist der Frage auf den Grund gegangen, warum viele High-Fashion-Labels auf einmal den Drang nach ein bisschen Street Cred verspüren.


#Style #Streetwear #Haute Couture

Gucci druckt Donald Duck auf Kapuzenpullis, und Hermès designt Bauchtaschen, in denen der urbane Hipster seinen Tabakbeutel verstauen kann. Sogar Thom Browne, der König grauer Herrenanzüge, macht graue Turnschuhe und noch grauere Jogginghosen. So verwunderte es auch nicht, als Jil Sander im April 2017 verkündete, dass von nun an Luke und Lucie Meier die Köpfe des Kreativteams seien – Luke ist der Gründer der Streetwear-Marke OAMC und ehemaliger Designer bei Supreme. Währenddessen ließ Ralph Lauren seine legendäre »Polo 1992 Stadium«-Kollektion vom Stapel – inklusive Hoodies und XL-Shirts. Um den Hype noch zusätzlich anzustacheln, erschien die Reihe in limitierter Edition und nur in bestimmten Locations, für die man sich im Vorfeld registrieren musste. Diese Strategie scheint sich Ralph Lauren bei niemand anderem als – Überraschung – Supreme abgeschaut zu haben. Seit Anbeginn nutzt die Marke das sogenannte Drop Model, bei dem Produkte nur für kurze Zeit und in geringer Auflage vorhanden sind. Online sind die Stücke innerhalb von Sekunden ausverkauft; für rund 150 Euro kann man mittlerweile sogar einen Bot erstehen, der in Windeseile zugreift, sobald ein neues Teil in den Online-Store kommt. Was weg ist, ist weg – und löst dadurch eine SammlerManie aus, bei der manch ein Shopper seine 200-Euro-Jacke für 3000 Euro weiterverkaufen kann. Protzten reiche Kinder einst mit Playstations und Stereo-Sound-Systemen, flanieren sie heute stolz in 300-Euro-Pullovern, die nach Secondhand aussehen. Für Nico Jacobi ist das Modell eine geniale Maßnahme: »Was für eine geile kostenlose Werbung ist es für eine Marke, wenn sich die Kids für ein paar Sneaker mit Schlafsäcken drei Tage vor deinem Store einnisten? Hype ist das, was jede Marke gerne haben möchte.« Und Hype ist das, was den altbewährten, bisher unangefochtenen Moderiesen mittlerweile zu fehlen scheint. 2017 war das erste Jahr, in dem laut Forbes der Markt für Luxusgüter nicht wuchs, sondern stagnierte. Millennials kaufen nicht, was die Elite mag; diese Generation lebt vom Retro-Schick der 80er und 90er und dem Wunsch nach Normcore – und ist dabei trotzdem kaufstark. Demna Gvasalia von Vetements sieht einen Wechsel im Konsumverhalten der Modeverrückten. In den letzten Jahrzehnten habe man sich daran gewöhnt, dass die Mode, die man auf dem Laufsteg sieht, eigentlich für den Normalmenschen nicht tragbar ist, sagte der Designer in einem Interview mit Hypebeast. Das ändere sich jedoch derzeit: »Jetzt sieht man auf dem Laufsteg Dinge, die man bisher nur auf der Straße antreffen konnte.« Hat Streetwear also endlich den wohlverdienten Platz am Tisch der Großen erhalten? Oder verliert sie damit ihre Authentizität? Laut Malu Hegeman ist Letzteres der Fall. Für die Designerin des Berliner Streetwear-Labels

Ästhetika geht bei der derzeitigen Entwicklung eine große Portion Echtheit flöten: »Die großen Marken wie Supreme oder Off White haben für uns an Authentizität verloren, da sie Modetrends schaffen, die es ein paar Tage später auch bei H&M zu kaufen gibt – womit das Ganze dann im Mainstream angekommen ist.« Aber landet nicht alles, was genügend Menschen mögen, irgendwann bei der Masse? Auch Grenzgänger wie Supreme haben einst im Underground angefangen. Gegründet von Skatern in New York, funktionierten ihre Klamotten im Mikrokosmos der Szene und nicht, weil sie für ein breites Publikum trendy sein sollten. Für Nico Jacobi ist der MainstreamTrend deswegen ein ganz natürlicher Prozess

Millennials die Modebranche weg von Saus und Braus, Pracht und Pelz. Die Zeiten, in denen Sportsocken und Jogginghose den Rappern und Skatern vorbehalten blieben, sind jedenfalls lange vorbei. Vielleicht sucht sich die Straße schon bald ihren neuen Trend fern

»Es ist klar, dass sich mittlerweile nicht mehr nur abgefuckte Skater Supreme-Klamotten kaufen, sondern auch die Kids aus der Oberschicht mit der Kohle von Mama und Papa. Und das kann auch keine Marke verhindern.«

und unausweichlich: Liegt die Kritik also nicht bei der Streetwear selbst, sondern bei den Luxusmarken? Kaufen sie kulturelle Artefakte ein, um ihre Coolness zu erhöhen? Immerhin scheint das zu funktionieren: Laut einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company aus Boston halfen Sneaker und Sweatpants, den Umsatz der Luxusmarken 2017 um fünf Prozent zu steigern – und bei Zahlen dieser Größenordnung geht es hier um ganze 1,2 Billionen Euro. Die Generationen Y und Z (geboren zwischen 1995 und 2010) lieben Shopping – im Vorjahr verantworteten sie ganze 30 Prozent des Wachstums von persönlichen Luxusgütern. Kein Wunder, dass Platzhirsche wie Prada und Cartier es darauf anlegen, an diese Käufer heranzukommen – und dabei von den jüngeren Kollegen lernen. Es geht um digitales Storytelling und Influencer sowie um Instagram- und Facebook-Kampagnen. Hochglanzwerbungen in der Vogue und Champagnergläser auf Tabletts kommen bei Turnschuhträgern nicht gut an, obwohl diese jedoch bereit sind, für ein Baumwoll-Shirt über 200 Euro auszugeben. Ein Preis, der laut Malu Hegeman weit über dem angesiedelt ist, was so ein Produkt eigentlich kosten dürfte – sogar, wenn es unter streng nachhaltigen und fairen Bedingungen erstellt wurde (was hier in den wenigsten Fällen zutreffen dürfte). Ein hochwertiges T-Shirt, so die Berlinerin, dürfe auch dann nur zwischen 30 und 50 Euro kosten. Vielleicht wird der Street-Hype ganz in Dior und Burberry übergehen, vielleicht drängen

vom Laufsteg. Dann singen wir das Abschiedslied auf die letzten zehn Jahre Turnschuhe. Möglicherweise ist das aber wirklich alles einfach nur der Lauf der Dinge. Wer kann den Designern da schon böse sein? Oder, wie die Jungs von Fucking Early sagen: »Bleibe deinen Roots treu und vergiss nicht, wo du herkommst. Wenn man das beachtet, nimmt es einem auch keiner krumm, wenn man eine Nike-Kollabo macht. Schließlich träumen wir ja alle davon.«

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#Style

DOPPELT STYLT BESSER In kaum einer Branche ist der Konkurrenzkampf so groß wie in der Modewelt. Trotzdem passiert es immer häufiger, dass große Labels miteinander kooperieren, um gemeinsam interessante Kollektionen zu entwerfen. Hier kommen unsere liebsten Doppelpacks für die nächste Saison.

Asos × Soko Kenya

FAIR PLAY Die Kollaboration »Asos Made In Kenya« gewährleistet eine nachhaltige Verbesserung der Lebensumstände in Kenia und produziert Kleidung nach fairen Prinzipien. Asos gehört ohne Zweifel zu den »Big Playern« im Online-Modegeschäft. Schon 2010 kollaborierte der Onlineshop mit der Textilmanufaktur Soko Kenya und schuf Arbeitsplätze für die ärmsten Gemeinden des Landes. In den letzten acht Jahren ist so aus einem Vier-Mann-Betrieb eine Manufaktur mit 50 Mitarbeiten geworden. Auch in der kommenden Kollektion ist der kenianische Einfluss unverkennbar und äußert sich besonders in den kräftigen Mustern und Farben. Nicht nur der Ananas-Print ist ein absoluter Hingucker für die kommende Saison. Ab April sind die ersten Teile der »Asos Made In Kenya«-Kollektion online erhältlich.

Raf Simons × Fred Perry

GANZ GROSSES TENNIS Wenn spießige Poloshirts auf rebellische Jugendkultur treffen. Raf Simons verpasst dem TennisKlassiker ein punkiges Update. Das Ducktape wird’s schon richten. So oder jedenfalls ähnlich dachte wohl Raf Simons, als er dieser Kollaboration seinen klebrigen Stempel aufdrückte. Wir feiern diesen unkonventionellen Mix aus biederem Retro-Chic und plakativen Punk-Elementen. Durch farblich abgesetzte Kragen und Knopfleisten entstehen Kontraste, die man als Sinnbild für diese Kollaboration verstehen kann. Dem schlichten Hoodie mit dem glänzenden Klebestreifen auf der Brust prophezeien wir, der nächste große Liebling der Streetwear-Szene zu werden.


#Style

Uniqlo × Marimekko

BUNTES TREIBEN

Treffen sich ein Japaner und ein Finne. Kein Witz: Das japanische Modelabel Uniqlo und das finnische Unternehmen Marimekko launchen Ende März ihre erste gemeinsame Kollektion. Zwar liegen die Marken rein geografisch ein gutes Stück voneinander entfernt, doch in ihren Werten sind sie sich umso näher. Mit der gemeinsamen Kollektion wollen sie nun Freude in den grauen Alltag bringen. Deshalb dominieren auffällige Prints und kräftige Farben die neunteilige Kollektion. Die Macherin hinter den Mustern ist Maija Louekari, eine weltweit renommierte PrintDesignerin von Marimekko. Auf den typisch zeitlosen und vor allem komfortablen Schnitten von Uniqlo kommen ihre Designs besonders gut zur Geltung. Shirts, Kleider, Hosen, Taschen und Sneaker – wer mag, kann sich komplett in den Gute-LauneLook der Kollaboration hüllen. Bis zum 30. März ist allerdings noch Geduld angesagt.

Levi’s × Peanuts

AUF DEN HUND GEKOMMEN Whaaat? Unser Lieblingshund Snoopy macht jetzt in Mode?? Keine Angst: Er lässt sich in keine knallenge 501 stecken, sondern hängt nur auf oder neben einem der berühmtesten Logos der Welt herum. Ein bisschen naheliegend ist diese Kollaboration schon – schließlich sieht das Dach von Snoopys Hundehütte bei näherer Betrachtung ein wenig aus wie das Levi’s-Logo. Nun haben die alte Arbeitermarke und der coolste Hund der Welt ernst gemacht: Snoopy liegt faul auf dem knallroten Levi’s-Logo herum statt auf dem eigenen Dach, oder sein Alter Ego Joe Cool lehnt sich lässig dagegen. Und mal wieder wird klar: Wenn zwei Klassiker sich zusammentun, kann das in den seltensten Fällen ganz verkehrt sein.

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Magazine for Sneakers & Streetwear


#Review

# Review Spalter Superorganism Superorganism Domino / GoodToGo / VÖ 02.03.18

Wo Superorganism sich in den letzten Monaten ihren Weg bahnten, stießen sie auf Superlative und euphorische Faszination ob ihrer stilistischen Ungreifbarkeit. Aber kann diese Koalition der internationalen Musik-Nerds mit ihrem Albumdebüt diesen Ruf auch festigen? Noch mehr battle unter: www.intro.de/spezial/spalter

Unsere liebsten Platten 01 Everything Is Recorded Everything Is Recorded 02 Anna von Hausswolff Dead Magic 03 Young Fathers Cocoa Sugar 04 Sam Vance-Law Homotopia 05 Isolation Berlin Vergifte dich 06 Car Seat Headrest Twin Fantasy 07 Rhye Blood

Die Begriffe Nerd und Weirdo machen in den letzten Jahren eine Umdeutung durch. Wer einst als verschroben und eigenbrötlerisch galt, nimmt diese Zuschreibung heute genüsslich hin, stellt sie auf ein Podest und freut sich mit anderen darüber, dass nicht alle gleich ticken. Betrachtet man die acht Mitglieder von Superorganism, hat man das Gefühl, einem Künstlerkollektiv gegenüberzustehen, das eben nicht dem Normierungsdrang der Industrie zum Opfer fiel. Mit dem Song »Something For Your M.I.N.D.« fütterten sie 2017 die HypeMaschine im Netz, sodass sich bereits früh Gerüchte über eine Supergroup bekannter Musiker breitmachten. Bei den sympathischen Musik-Nerds handelt es sich aber doch um ganz einfache Menschen, die durch ihre Liebe zur Musik und ihre eigenwillige Interpretation des PopBegriffs zueinanderfanden. Das Ergebnis ist so facettenreich oszillierend wie Beim Konzert des Electro-Pop-Kollektivs Superorganism ein LSD-Traum. Jeder Song auf dem Eurosonic Festival steht eine von bunten Musikern eröffnet eine ganze Welt, übervolle Bühne vor einer großen Video-Leinwand. Es riecht klingt fresh und bleibt nach Kunsthochschule. Die einen tragen poppig-bunte Retrotz aller Weirdness Pop. genjacken, die kindgroße Sängerin eine 3D-Brille. In der Berliner VolksAber Supergruppen sind bühne wären sicher alle von so viel Installation begeistert, das Konzert ja sowieso langweilig, die hier hangelt sich indes am Rande des Playbacks ins Feld der erschöpften Überlebenschancen eines Erwartungen. Am nächsten Tag ruft ein grauhaariger Kollege vom DIY Organismus’ wie dem Magazine aufgrund dieser Band die »Zukunft der Pop-Musik« aus. LSD? hier vorliegenden sind da Wo Rauch ist, ist auch Feuer, heißt es. Dem Hype steht leider nur wenig Entflammendes gegenüber. Die besseren Teile des Albums klingen wie deutlich größer. Konstantin Maier eine niedliche Version des Go! Team, anderes wirkt, als hätte Frank Zappa gelangweilt mäßigen Electro-Pop neu sortiert, während Stefan Raab unkontrolliert auf die Tasten seines Samplers haut. Darin liegt dann auch der Psychedelic-Faktor und die letzte der ach so vielen Facetten des Band-Stils. Stünde Brian Eno hinter diesem »frechen« »Künstlerkollektiv« »ohne Bock auf irgendwelche Grenzen«, wäre der Name des Albums wahrscheinlich »Music For Internet Commercials«. Ist das wirklich ein Superorganismus? Eigentlich ist es eine klassische Band mit einem Visual Artist und drei Leuten, deren Tätigkeitsbereich grundsätzlich mit »Background-« beginnt. Sie sind international wie die Les Humphries Singers, aber was hilft es, wenn man sich für ein Effektboard hält und vergessen hat, die Musik im Blick zu behalten? Carsten Schumacher

08 Superorganism Superorganism 09 Lucy Dacus Historian 10 Ought Room Inside The World

Eure liebsten Platten 01 Tocotronic Die Unendlichkeit 02 Olli Schulz Scheiß Leben, gut erzählt 03 Calexico The Thread That Keeps Us 04 Franz Ferdinand Always Ascending 05 Joan As Police Woman Damned Devotion 06 Justin Timberlake Man Of The Woods 07 Feine Sahne Fischfilet Sturm & Dreck 08 Brian Fallon Sleepwalkers 09 Machine Head Catharsis 10 Donots Lauter als Bomben

Schickt eure Top 10 an charts@intro.de. Alle Einsender nehmen an unseren Ver­losungen teil!

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#Review #Platten vor Gericht

Platten vor Gericht Intro-Leserinnen und -Leser: Mittippen und via intro.de Juror werden!

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Nils Frahm All Melody Erased Tapes / Indigo

2

Everything Is Recorded Everything Is Recorded

Fatma Aydemir

Fritz Kalkbrenner

Kat Frankie

Woman

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Kelis Wanderland

J Dilla Welcome To Detroit

PJ Harvey To Bring You My Love

Oasis Familiar To Millions

Danger Doom The Mouse And The Mask

David Axelrod Songs Of Innocence

Solange Knowles A Seat At The Table

Grizzly Bear Veckatimest

Robert Glasper Black Radio

Ennio Morricone La Donna Invisibile – OST

Rufus Wainwright Poses

Stevie Wonder Songs In The Key Of Life

Moderne Konzentrationsklassik, ideal zum Verfassen von Masterarbeiten oder zur Vorbereitung von einfühlsamen Schlussmachgesprächen. Kamasi, Ibeyi, Sampha, Obongjayar ... eine Platte voller B-Seiten-Songs der interessantesten KünstlerInnen unserer Zeit. Macht Spaß.

XL / Beggars / Indigo

3

Rhye Blood Loma Vista / Caroline / Universal

4

Son Lux Brighter Wounds City Slang / Universal

5

Isolation Berlin Vergifte dich Staatsakt / Caroline / Universal

6

The Wombats Beautiful People Will Ruin Your Life Kobalt / Rough Trade

7

Franz Ferdinand Always Ascending Domino / GoodToGo

8

Dita von Teese Dita von Teese Record Makers / Al!ve

9

Moby Everything Was Beautiful, And Nothing Hurt

Kuschelpop für SadeFans. Das US-Indie-Duo legt ein zartes zweites Album vor, das wenig überrascht und doch verlässlich gut groovt.

Drama, Baby. Das ist der genrelose Soundtrack deiner absurdesten Träume. Zu originell, um es zu verdrängen.

Sympathisch gefühliger Jungsrock, etwas aus der Zeit gefallener Sound. Die Poesie glänzt vor allem auf den düsteren Stücken.

Klingt nach tausend anderen britischen Bands, die ich nicht auseinanderhalten kann. Fünf von elf Songs könnten Opel-Werbejingles sein. Bisschen trashy, bisschen camp, aber immer sauber genug für die NichtraucherEckkneipe. Diese Band hat kein Interesse an Fortschritt.

Laszive Fahrstuhlmusik für retrofuturistische Verführungsfantasien: Dita von Teese performt gewohnt glatt. Kein Geniestreich, kein Desaster. Weckt mich, wenn es vorbei ist. Ein Album, das Schlafprobleme heilt. Hätte in den 1990ern vielleicht gereizt. Heute nur laaangweilig.

Little Idiot / Embassy Of Music / Warner

10

Justin Timberlake Man Of The Woods Columbia / Sony

All Time Faves

Justin sitzt im Holzfällerhemd am Lagerfeuer und singt über Verschwörungstheorien. Etwas beängstigend, dieser Country-Hype unter Trump.

Electronica, Neo-Klassik und Ambient bilden die Schnittmenge. Für mich ganz weit vorn, aber man muss es mögen.

Produzenten-Album mit simpler 808, verträglich angeschrägter Soundwelt und dem Konzept Jazzmatazz. Darunter missversteht man heute HipHop. Frischer, süßlich-schwerer Beat-Pop. Selbstbewusst schaumgebremst und dadurch erst recht wirksam. Nice.

Steh ich ziemlich unverwandt gegenüber. Generisches Geklöppel mit melodramatischem Falsett und einem Hang zum Bombast. Brauch ich nicht. Für mich ist das nur schwer erträglich. Vor der Wende gab es ja bei uns das sogenannte »Hauptstadtverbot«. Wird ja leider nicht mehr angewandt. Klarer Fall von Alternative-Rock-Band. Vermutlich Briten. Gitarren sind vorhanden. Nur unter Zwang.

Lustig, dass sich bei denen mal so gar nichts verändert hat. Sound ist mir immer noch zu hektisch — der Gesang immer noch zu pathetisch.

Die Gute ist stimmlich limitiert. Im Stil von 1980er-Balladen streckenweise gut kaschiert und auch sonst von einem rechten Maß an Eigensinn. Ein seltsam unausgegorenes Potpourri. Düsterer Trip-Hop mit spirituellen Texten. Der war doch schon in der entspannten Phase des Spätwerks? Nicht sein größter Wurf. Nach fünf Jahren hätte ich mehr eigene Signatur erwartet. Eine Platte nah am Radio-Zeitgeist, die charten muss und soll.

Elegant and nicely produced. The ambient techno vibe started to irritate me a bit after a while (it’s a long album!) but that’s just me.

Some familiar voices on here. Very nicely made. Probably will be played in every Urban Outfitters.

It’s at this point I realised Dita is the only female act on your list. Bummer. Rhye sounds fine but not life-changing.

Drama! Dynamic! Hooray! Somehow not enjoying the very dense production though.

Wish it was still the 90s so we could go see them play »Die Leute« in a squat house filled with old couches and piles of empty Sterni bottles on the floor. I didn’t listen to this because I was listening to the new albums from First Aid Kit, Tune-Yards and Dream Wife.

Some of these songs remind me of the new Tocotronic album ...

Holy shit. I love it. Sex in the 80s.

Love the trip-hop. Feeling very uncertain about Moby’s spoken word though.

Justin Timberlake proves once again that no matter how good the production is, you can’t polish a turd. 3 points for Alicia Keys.

Verspielt.

Alles, was Sampha singt, bricht mir das Herz. »Close But Not Quite« ist dazu noch eine wunderschöne Hommage an Curtis Mayfield. Groß! Mike Milosh nimmt für seine neue Frau noch mal »Woman« auf. Endlich wieder Sade hören, ohne Sade zu hören.

Mir etwas zu dramatisch. Erinnert mich gerade auch vor dem Hintergrund der Thematik sehr an The Antlers.

Schwächer als »Berliner Schule Protopop«, in guten Momenten trifft es aber mein Gefühl.

Mit zunehmendem Alter werden Bands schlechter. Trifft hier zu. Klingt auch nach zehn Jahren immer noch nach FIFA-Soundtrack. Glückwunsch! Mehr als feucht-fröhliche Erinnerungen an unschuldige Indie-Partys der 2000er kommen da beim Hören nicht hoch. War eine geile Zeit!

5

Krass, dass die auch Musik macht. Hat das Marilyn Manson produziert? Sebastien Tellier, so so. Für den ElitePartner-SwingerAbend ideal! Das ist Moby? Wow. Ich weiß nicht. Dave Gahan, ohne sexy. Mobys wohl depressivste Platte. Nur für eingefleischte Fans!

Klingt, wie wenn deine Eltern anfangen, Wörter wie »lit« zu sagen. Du zuckst zusammen und versuchst, sie weiterhin lieb zu haben. Schwierig.


#Review #Platten vor Gericht

Stimming × Lambert

Erdmöbel

Ekki, Christian, Markus, Wolfgang

Brett

A Tale Of Golden Keys

Eva Spangenberg

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Daniel Koch Intro

Leserin

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3,80

DJ Krush Kakusei

Andy Shauf The Party

The Strokes First Impressions Of Earth

Fall Out Boy Take This To Your Grave

The xx Coexist

Rilo Kiley The Execution Of All Things

Amon Tobin Chaos Theory

The Beach Boys Holland

Jimi Hendrix Axis: Bold As Love

The Notwist Neon Golden

Fatima Yamaha A Girl Between Two Worlds

The God Machine One Last Laugh In A Place Of Dying

Mary Halvorson Meltframe

Marvin Gaye What’s Going On

Queens Of The Stone Age Songs For The Deaf

Death Cab For Cutie Transatlanticism

Jamiroquai A Funk Odyssey

Nick Cave And The Bad Seeds Murder Ballads

S: Danke für die schöne und ehrliche Musik! Sie hat mir geholfen. L: Fantastisch! »A Place« ist ein Hit, mega Chöre, dem Jazz ein Liebesgeständnis. S: Abgeklärter alter Herr macht würdevoll junge Musik. Find ich sehr gut! L: Wahrscheinlich ist das genial und ich zu doof. Irgendwo fühl ich was! S: Fand’s so lange toll, bis ich merkte, dass er immer exakt gleich singt. L: Ungreifbare Songs, aber das ist egal. Tolle Atmo, toller Sound! S: Alles total oberkönnermäßig überproduziert. Nervt. Entspannt euch. L: Wunderbar verrückt! Crazy but Pop. Hat mir mal den Weg zum Klo erklärt. S: Mehr Mut bei der Instrumentierung würde den Texten gut stehen. L: Toll! In diesem Wurstsalat der Emotionen trotzdem mit Witz und Melodien! S: »I wanna love you but it hurts hurts hurts« — berührt mich Null. L: Ungekünstelte, knackige Songs, leicht asiger Sound. Altbacken, aber gut. S: Zwar nicht meins, aber super gemacht! Klingt frisch und alt zugleich. L: Lahme Songs, schlecht produziert. An manchen Stellen trotzdem kurz gut. S: Das ist so ein fluffigpuffiges rosa Träumchen — ist das ernst gemeint? L: Ist das ein nicht zeitgemäßes Frauenbild mit nicht zeitgemäßer Musik? S: Ich sträube mich, Mobys bedeutungszitternd-depressiver Stimme zuzuhören. L: Ich glaube, das könnten wir deutlich besser, wenn wir nur wollten. S: Ein großes trashiges Kuddelmuddel ist dieses Album. Popschrott vom Feinsten. L: Wer’s glaubt? Freie Fahrt für die Journaille. Albern, aber solide.

W: Nils, ich liebe die Nebengeräusche und das Klackern bei deinen Improvisationen. Die Chöre hauen mich total raus. Kleiner bist du feiner. E: Aufnahmen, die die Ohren kitzeln. Englisch, krass und raumfüllend. Was Justin Timberlake zu wenig hat, hat diese Musik vielleicht zu viel: Charakter und Originalität. M: So eine Art kühler Lovers Rock. Die plastikmäßigen Streicher- und Klarinettenarrangements sind toll. Klasse Hintergrundmusik fürs vegetarische Restaurant.

M: Androgynes Vibrato, Hohohoho-Chöre und »Sunday Bloody Sunday«Schlagzeug sind in Mode. Mir reicht meist eins dieser Ingredienzien, und ich bin raus. E: Ein Wunder, dass die Band die stumpfen Depressionen des Sängers in etwas verwandelt, das romantischen Schmelz verströmt. Mir macht das Album Spaß. W: Warum gibt es diese Musik nur aus England? Gefällt mir gut, manchmal zu viel große Geste, sprich Rock.

M: »Der singt doch fast wie Neil Hannon, wieso magst du ihn nicht?« frage ich mich. Zum Vergleich mal in die letzte Divine Comedy reingehört. Nicht zurückgekehrt. C: New-Burlesque-Künstlerin haucht zu gefälligem Electro-Pop. Klingt, als hätte Thomas Dolby sich mit modernen Mitteln alter Zeiten erinnert. E: Ich hasse Moby.

E: Mir gefallen die Songs »Man Of The Woods« und »Flannel«. Für den Rest möchte ich das altmodische und überstrapazierte Wort »überproduziert« bemühen.

Ein atmosphärisches, klangschwangeres Werk mit erfrischender Elektronik. Experimentiert viel, aber nicht immer auf den Punkt. Wenn’s dunkel wird, wird’s besser. Der Soul der Stimme, ein Mix aus Sufjan Stevens und Benjamin Clementine, die Unaufdringlichkeit der Produktion und die Entspanntheit des Sounds - wirklich gut. Wow, »Waste« ist mal ein Album-Opener. Leider kann nicht alles, was dann kommt, mithalten. Aber gezielt und gerichtet arrangierte Songs. Passt zu einem Merlot. Interessante Arrange­ m e n t s m i t g ro ß e n Sounds. Teilweise etwas zu lang­­atmig, streckenweise allerdings sehr mutig. Ein Paradoxon in sich. Das »Kartenhaus aus Serotonin, mitten in Berlin« erhebt schon einen lyrischen Anspruch. Dabei möchte das Album gar nichts sein und ist, was es ist: textlich relevant.

Die perfekte FIFA-Menümusik. Das sind Briten, ‘ne? Klingt manchmal ein bisschen nach einer neuen Take-That-Platte. Wo ist denn die 1/16-Hi-Hat geblieben? Fällt dem altbekannten Problem der sich »weiterdrehenden Uhr« zum Opfer. Hat sich einfach selbst überlebt, ist wenig überraschend, weder klanglich noch textlich. Gleich der Opener ist erschreckend 1980erhooky. Gefällt! Allerdings ist spätestens nach der dritten Nummer (vor allem klanglich) alles gesagt. Erinnert ein bisschen an Unkle und Massive Attack. Nicht die schlechteste Kombi. Gutes Ding, da wird er bestimmt auch von Obie Trice in Ruhe gelassen. Wie sein Superbowl-Auftritt: gut, aber ohne Highlights. Klanglich zwar noch Weltklasse, aber Bruno Mars hat ihm einfach komplett den Rang abgelaufen.

Und wer denkt sich da jetzt eine wissenschaftlich anerkannte Genre-Zuschreibung aus? Ziemlich dolle, ziemlich abwechslungsreiche Traumreise. Irgendwo z wischen Hintergrundmusik und Streben nach Chartserfolg. Relativ belanglos und langweilig. Nicht unser Ding.

Schon die Bassline im Opener überzeugt einen, dass es hier ziemlich aufdringlich, anrüchig und shrimpig zur Sache geht. Und das ist gut. Starkes Stück, hat alles, was ein gutes Album so braucht, und außerdem die gewisse Prise an Taubheit. Kann man mal machen. Chanson-Punk-Musik für verlorene Teens. Zelebrierte Melancholie und Selbstzerstörung, muss man mögen. Auf Dauer anstrengend. Startet vielversprechend, endet versöhnlich, alles dazwischen eher gähn.

Zeitloses, überladenes Indie-Disco-Gedudel. Braucht das denn noch jemand? Absolutely overshrimped.

Grauenhafte Produktion, grauenhaftes Dahin­­­­­­­­ gehauche.

Erinnert mit seiner kaum vorhersehbaren Kombination aus Hooks, Versen und Streichern fast ein bisschen an gute alte Bravo-Hits-B-Seiten. Abwechslungsreich und ambitioniert. Hat ein paar vielversprechende Stellen, alles in allem aber leider eher enttäuschend.

Super beruhigendes Album mit wunderbaren Kompositionen von Klängen und Melodien. Die perfekte Hintergrundmusik für ungefähr alles. Cooles Album mit ganz unterschiedlichen Einflüssen. Macht Spaß zu hören.

Beim ersten Hören eher langweilig. Beim zweiten Mal eigentlich ganz cool.

Schönes Album, das aber live bestimmt viel viel besser wirkt.

Leider gar nicht meins.

Solider englischer IndiePop, den sie auch schon mal besser hinbekommen haben. Trotzdem ganz cool.

Klassischer Franz-Ferdinand-Sound trotz neuer Besetzung. Im Vergleich zu den älteren Alben nicht besonders anders.

Eigentlich ein echt witziges Album, viel Synth, viel Französisch, ein bisschen funky. Trotzdem nichts, was jeden Tag bei mir laufen würde.

Gute Platte, die sich perfekt zu den vorigen Alben einreiht.

Die Zeiten des Justin der frühen 2000er sind (leider) definitiv vorbei. Trotz der klassischen »Timberlake Tunes« nicht besonders aufregend.

Frahm ist’n Guter. Aber seine LPs haben für mich nie den Sog, den ein Konzert von ihm hat. Ich will sehen, wie diese Musik entsteht. Klingt komisch, ist aber so ... Perfektes Mixtape für den Heimweg nachts um vier. Die Ibeyi-Stücke sind die besten, aber dank Richard Russell habe ich nun auch Infinite und Giggs auf dem Zettel. Immer noch das, was mein Punk-Kumpel beim Debüt »Fickmusik« nannte. Mike Milosh könnte auch das Telefonbuch singen, und die Luft würde knistern. Ich mag es, wenn sie ihre eigenen Songs zerschießen — wie in »The Fool You Need« — und nicht ins Bastille-Vorprogramm wollen wie in »Dream State«. Höre ich am liebsten am Pfandflaschenautomaten. Die Attitüde strengt nach einer Weile an, aber einzeln genommen sind Songs wie »Serotonin« perfekt. Ich dachte immer, ich wachse mal aus ihrer Musik raus, aber kleine Hymnen wie »Turn«, »Lethal Combination« oder »Ice Cream« kriegen mich doch immer wieder. Schlagen sich wacker, die elektronischen Elemente klingen aber nach Ü-40-Disse. Dann lieber mehr Balladen wie »The Academy Award«. Altern in Würde und so ... Mehr gehaucht als gesungen, aber ich mag ihre Stimme. Tellier ist für mich das Problem: Bei seinem wohlklingenden Funzen und Fiepen penn ich weg. Ach. So ein netter Kerl. So talentiert. So intelligent. Aber diese verschmockte Theatralik hier nervt. Wut steht Moby besser, wenn er was zur Weltlage sagen will. Klingt, als würde sich Justin in einem Flanellhemd mit nix drunter bei einem Waldspaziergang an eine junge Frau ranwanzen, die gerade ihren Hund ausführt.


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#Review schleppendem Beginn nehmen die Stücke meist zum Ende hin an Intensität und Lautstärke zu. Der monotone, etwas zu vordergründige Gesang verstärkt diesen Eindruck noch. Auch nach mehrmaligem Durchlauf hält sich so der Wiedererkennungswert einzelner Stücke in Grenzen. Das ist schade, denn einen Mangel an Potenzial kann man den Jungs kaum vorwerfen, den fehlenden Mut zu etwas mehr Variabilität allerdings schon. Thorsten Streck

Spektakel

Everything Is Recorded Everything Is Recorded XL / Beggars / Indigo

Noch nie hat eine Zusammenstellung von lose verbundenen Jam-Sessions solch überzeugende Ergebnisse hervorgebracht wie Richard Russells Everything-Is-Recorded-Studioeinladungen.

Allein schon die Urheber-Struktur dieses Albums ist für Pop-Konventionen reichlich ungewöhnlich: Wer ist hier Boss, und wer steckt dahinter? XL-Recordings-Chef Richard Russell ist sich dieser Problemstellung bewusst, lässt die Hörer aber zunächst zappeln. Er gibt sich vordergründig nicht als der Initiator dieser LP zu erkennen, schlüsselt im Booklet aber in einem großformatigen Raster alle Beteiligungen auf und hinterlegt wie zum Beweis auch noch Studiofotografien. Das Bild klärt sich auf: Russell hat in den letzten Jahren eine Unzahl an Künstlern zu Sessions in das Londoner Studio The Copper House geladen und die Ergebnisse nach und nach zu diesem Album kompiliert. Das mag zunächst wie ein inhaltlich unzusammenhängender Ego-Trip wirken, diese Befürchtung wird aber von den insgesamt zwölf Tracks widerlegt. Denn die sind ausnahmslos von herausragender Klasse: Sie fußen zumeist auf Dub und reichen in die Felder von Trip- und HipHop, Electro-Pop, Soul und Ambient, sind mehrheitlich von gezügeltem Tempo und ausgesucht fein ausgestalteten Arrangements. Die letztendliche Gästeliste allein würde den Rahmen dieser Kritik sprengen, herausgehoben seien aber neben Russell selbst die XL-Label-Künstler Sampha und Ibeyi, die den Tracks mit ihren Stimmen Seele und Bindung verleihen und als genreübergreifende Acts sinnbildlich für den Anspruch und die Ergebnisse von »Everything Is Recorded« stehen. Wie gesagt: Es wird zweifelsohne ein wenig Anstrengung brauchen, dieses Album zu durchsteigen. Dann aber wird man es lieben. Christian Steinbrink

Federico Albanese By The Deep Sea Neue Meister / Edel

Der elegische Sound Federico Albaneses lebt von seiner Suggestion: Auch das dritte Album des italienischen Pianisten öffnet wieder Seelen. 682 Schritte geht man vom Haus von Federico Albaneses Mutter hinab, bis man einen kleinen Felsen am Meeresufer erreicht. Dort bietet sich ein Ausblick, der den Pianisten bis heute tief inspiriert. Der ihn im übertragenen Sinne immer wieder zum tiefen, ungreifbaren Meer führt, das in ihm und uns selbst wohnt. Die Suggestion bleibt Albaneses Stärke, auch auf seinem zweiten Album beim Contemporary-Label Neue Meister und seinem dritten insgesamt. Stilistisch breitet er die Flügel dieses Mal deutlich weiter aus und öffnet sich noch mehr der Elektronik. Auch Streicher nehmen einen größeren Platz ein, um seine Träumereien zu illustrieren. Das klingt in den stillen Momenten nach Ólafur Arnalds, in den ausladenden gar nach Hans Zimmers »Interstellar«-Soundtrack und ist gewohnt wunderschön und feinfühlig inszeniert. Es gelingt Albanese abermals, die Aussage seiner Musik als für ihn und die Hörer individuell deutbar zu präsentieren: Die tiefe See steht sinnbildlich für die Wünsche und Träume eines jeden, für Ängste, Sorgen und Momente inniger Liebe. Kaum jemand bebildert diese Gefühle ergreifender als Federico Albanese. Kristof Beuthner

All The Luck In The World A Blind Arcade All The Luck In The World / Rough Trade

A Tale Of Golden Keys Shrimp Listenrecords / Broken Silence

A Tale Of Golden Keys machen etwas aus der Zeit gefallenen Indie-Pop mit deutlichen 2000er-Emobezügen. Etwas mehr Abwechslung hätte dem Album allerdings nicht geschadet.

Das Nürnberger Trio A Tale Of Golden Keys platziert wie selbstverständlich eine Taube auf dem Cover ihrer zweiten LP »Shrimp«. Dieser Humor erschließt sich vermutlich nicht jedem Betrachter auf Anhieb. Anders die musikalische Ausrichtung: Die zehn oftmals vom Piano getriebenen Popperlen des Albums schmiegen sich wohlig an und bewegen sich durchaus auch mal in lautere Gitarrengefilde mit munter drauflos scheppernden Drums. Am besten agiert die Band dann, wenn es richtig kracht, wie in »Will I Be The Last«. Man fühlt sich dann in die Hochzeit des Emo zurückversetzt – Death Cab For Cutie, The Weakerthans oder auch Jimmy Eat World dürften Pate gestanden haben. Ein offenkundiger Makel ist jedoch die oftmals ähnliche Songstruktur: Nach etwas

dem Gestaltungswillen der drei in ihre Akustikgitarren zu fließen scheint. Hier geht es offenbar nicht um das Zurschaustellen von Kompositionshandwerk, sondern um das Erzeugen von Stimmungen und das Geschichtenerzählen in assoziativen Stichworten, wie es bei den Red House Painters einst der Fall war. Die Songs wirken dabei durchaus konventionell, bei genauerem Hinhören offenbaren sie jedoch eine Fülle an Ideen und vertrackten Arrangement-Elementen, die für eine erstaunliche atmosphärische Dichte sorgen. So hat die Band zum Beispiel rund um ihr Heimstudio, ein verlassener Holzschuppen in den Bergen ihres Heimatorts im Osten Irlands, organische Geräusche gesampelt und in den Sound eingeflochten. Das Ganze klingt plausibel, aber überhaupt nicht abgeklärt – frisch, sehnsüchtig und tieftraurig. Wahrscheinlich kann man solche Songs nur hervorbringen, wenn man ausschließlich dann nach draußen geht, wenn es regnet. Claudius Grigat

Der Nachfolger zum selbstbetitelten Überraschungserfolgsdebüt der Iren ist zart und ungestüm – leise, folkbasierte Musik für schwarze Nächte und lange Regentage. Man stelle sich die Situation vor, in der man zu jemandem sagt: »Ich wünsche dir alles Glück der Welt!« Dieser verdammte Kloß im Hals ... Schon beim Debüt vor knapp vier Jahren war das der Eindruck: Dass dieser Bandname perfekt die Stimmung beschreibt, die diese drei jungen Kerle mit ihrer Musik hervorrufen. Der Gedanke drängt sich geradezu auf, dass sie trotz ihres Alters schon einige Narben auf der Seele mit sich herumtragen müssen. Das Schöne dabei ist, dass das nicht weinerlich kommt, keine teenage angst, kein Young-white-middleclass-boyGejammer, kein Emocore, sondern eine Art hermetisches Songwriting, das direkt aus

Andrew W.K. You’re Not Alone Sony / VÖ 02.03.18

Das Leben ist eine Party – zumindest für Andrew W.K., ganz seinem Motto »Party Hard« entsprechend. »You’re Not Alone« könnte dementsprechend als »Du feierst nicht allein« verstanden werden. Die Presseversion des neuen Albums von Andrew W.K. wird stilecht im Müllsack geliefert. Darin befindlich: frische Stage-Kleidung (braucht jemand ein weißes T-Shirt in M? Oder gar eine Unterhose?), Aufkleber, eine Armbanduhr und eine Postkarte vom Meister selbst. Das Album jedoch sucht man vergeblich. Zumindest, bis man die Postkarte liest: Es befindet sich auf der zum Player mit Audioausgang umfunktionierten Uhr. Ob Andrew damit eine Marktlücke entdeckt hat? Und wird das Album so auch in den Regalen stehen, oder bleibt diese virtuose Verpackung nur ein nettes Gimmick für die elitäre Riege der Musikpresse? Und wie lange hält diese Uhr? Apropos virtuos: Die Verpackung verspricht mehr, als man von dem Album zu erwarten hat. Böse Zungen könnten sogar behaupten, sie sei das einzig Spannende an der Veröffentlichung. Aber ganz stimmt das nicht. Andrews Uhr spielt uns den typischen humorvollen aufgedrehten Rock, den wir von ihm kennen. Da wird euphorisch und wie immer übertrieben episch über das Leben als nie endendes dionysisches Fest sinniert. »To exist to party«, heißt es bei Andrew. Und frische Kleider zum Wechseln für den Morgen danach werden direkt mitgeliefert. Philipp Röttgers

Answer Code Request Gens Ostgut Ton / Rough Trade

Berghain-Resident Patrick Gräser alias Answer Code Request macht auf seiner zweiten LP alles richtig, was ein DJ im Berghain richtig machen kann. »Gens« zeigt aber wieder, dass, wer Techno hören will, in einen Club gehen sollte.


#Review Dichte Produktion? Check. Langsame, düstere Klangentwicklung? Check. Wumms? Abwechslung? Immersion? Check, check, check. Der auch nicht mehr ganz junge Patrick Gräser versteht sein Handwerk, keine Frage. Dräuend lauernd eröffnet der Titeltrack das Album, dann klackern die Breakbeats im zweiten Track, und im dritten wabert eine Melodie hinter dem Rhythmus herum. Und gerade dann, wenn man denkt, nun ist aber auch gut mit der vornehmen Zurückhaltung, schwingt sich das Album-Highlight »Knbn2« in luftige, fast schon heitere Höhen. Was folgt, sind ein variantenreiches Plateau und letztlich ein Outro zum Runterkommen. Gräser baut auf seinem Album das auf, was er am besten kann: ein Set. Und auch wenn die Songs nicht ineinander übergehen, so verweisen sie doch aufeinander und haben ihre Funktion in der Spannung des Albums. So richtig zünden will es allerdings nicht – und das liegt einfach nur daran, dass das eigene Wohnzimmer ohne schwitzende Körper, repetitive Bewegungen und vielleicht die eine oder andere Helfersubstanz nicht für diese Musik taugt. I am so sorry. It’s not you. It’s me. Henje Richter

Barbagallo Danse Danse Les Ailleurs Arista / Sony / VÖ 02.03.18

Wenn er nicht gerade als Schlagzeuger für Tame Impala um die Welt tourt, macht Barbagallo süßlichen, aber nicht klebrigen Romantik-Pop, der sich seiner leicht eskapistischen Qualität nicht zu schämen braucht. »Danse Danse Les Ailleurs« ist insofern sehr französisch, als dass die Musik immer mal wieder den süßlichen Romantik-Pop von Air oder dem »La Boum«-Soundtrack streift. Man weiß nicht, ob Träume die Realität des Herrn Barbagallo darstellen, aber die Lieder auf seinem dritten Soloalbum legen diesen Verdacht nahe. Schon Tahiti 80, die Band, in der Barbagallo einst spielte, war vom Flair eines sehnsuchtsvollen Strebens hin zum Schöngeistigen umweht. Wie seine ehemalige Gruppe versteht es Barbagallo, Songs zu schreiben, die so markant und clever komponiert sind, dass sie hängen bleiben, ohne sich festzusetzen. »Süßlich« meint in diesem Fall nicht unbedingt »klebrig«, stattdessen bestimmt eine angenehme Flüchtigkeit die Lieder. Beim Hören entsteht an keiner Stelle der Gedanke, dass es schwere Arbeit war, diese Platte aufzunehmen, weil alles so leicht wirkt. Es geht hier nicht darum, Brüche zu zeigen und den Entstehungsprozess der Songs zu reflektieren, denn dies ist offensiv zur Schau gestellte, sich selbst vorführende Popmusik. Die Arrangements erweisen sich obendrein als sehr ausgeklügelt. Verträumte Synthesizer, anscheinend unmittelbar einem 1970er-Al-Stewart-Album entnommen, ergänzen sich mit schwerelos klingenden, zarten Akustikgitarren. In »Les Mains Lentes« zeigt sich plötzlich ein Saxofon, das sich bestens in seine musikalische Umgebung einfügt. Natürlich ist das alles über die Maßen eskapistisch, aber was soll’s: An einem langweiligen Sonntag kann diese Platte in ihren gelungensten Momenten schon mal unerwartetes Wohlgefallen hervorbringen. Wer mehr sozialen Realismus aus Frankreich will, kann ja den Roman »Das Leben des Vernon Subutex« von Virginie Despentes lesen, er ist sehr gut. Mario Lasar

treibenden Gitarren hörbar, sondern auch in der authentischen Produktion, bei der Gesang und Instrumente live und bei fast identischer Lautstärke ineinanderfließen. »Hyper Focus« schafft es, den Glauben an eine Band aus Zeitreisenden zu wecken. Lena Zschirpe

Belle And Sebastian How To Solve Our Human Problems

und Kanten, mehr Feinschliff. Die im Übermaß vorhandene Energie wird manchmal durch die etwas zu glatte Produktion von OasisProduzent Owen Morris ausgebremst, man wünscht den Liedern etwas mehr Raum zum Atmen, etwas mehr Rotzigkeit. HighlightSongs wie »Violent People Disco« kann aber auch das nichts anhaben. »Anybody Have A Lighter?« ist ein vielversprechendes Debüt, das vor allem Lust auf Live-Shows von The Bongo Club macht. Dominik Bruns

Matador / Beggars / Indigo

Auf drei zusammengefassten EPs gelingen den schottischen Regenbogenreitern Belle And Sebastian Buddha-Kult, Befreiungsschlag, Brotkrümelpfad und Bogenschluss zugleich. Mit nostalgischer Rührung blinzeln TweeJünger auf das autotherapeutische Oeuvre von Belle And Sebastian: UV-strahlender Kammer-Pop versteckt sich hinter schattigen, fragilen Außenseiter-Hymnen, während postadoleszente Wiegenlieder über auenländliche Soundbeete stolpern. Und auch »How To Solve Our Human Problems« begegnet Prä- wie Post-Millenniumsskepsis wieder mit unbekümmerter Naivität. Die hektische Abrissbirne des Weiter/Schneller/Besser wird erbarmungslos ins Lavendelkissen gedrückt. Konsequent, wenn man bedenkt, dass Stuart Murdoch für die mittlerweile zehnte Veröffentlichung auf LP-Länge Kelsang Gyatsos titelgebende Achtsamkeitsbroschüre zu Rate zog. So wird jeder Teenie mal erwachsen, lediglich die Selbstzweifel bleiben. Umso erquicklicher, dass sich die Band auch noch einen Brotkrümelpfad zurechtgelegt hat, der sie gleichermaßen zu ursprünglicher Jugendlichkeit leitet: »Sweet Dew Lee« steht scheu wie ein Reh im Lichtkegel aus Disco-Dance und Synthie-Lasern. Sarah Martins Stimme tänzelt in »Fickle Season« auf rotbelaubten Xylofonen. Psychedelische Riffs in »Show Me The Sun« geben das Kontrastprogramm zum Folk-Pop von »I’ll Be Your Pilot«, während von Bass geschwängerter Electro-Funk selbst dem armseligsten aller »Poor Boys« ein Lächeln über die Kinnlade zaubert. »How To Solve Our Human Problems« – da darf man sich sicher sein – wird nicht bloß in den Jahresbestenlisten wieder auftauchen, sondern ist auch die gelungene Fortschreibung des bandeigenen Kanons. Benni Bender

Birth Of Joy Hyper Focus Glitterhouse / Indigo

Psychedelic-Rock is not dead! Das beweisen nicht nur Kadavar oder Motorpsycho regelmäßig, auch Birth Of Joy gelingt es seit mehr als zwölf Jahren, den Sound authentisch wiederzubeleben. Mit ihrer Passion für Psych-Rock geht die niederländische Band Birth Of Joy in ihren Songs alles andere als subtil um. Wieso auch? Enthusiastisches Shouting findet auf »Hyper Focus« seinen Platz, außerdem gibt es genügend Freiraum für Gitarren, deren akzentuierte Ausschweifungen auch mal an die Türen von Stoner und Grunge klopfen. Ein bisschen Schwund ist aber bekanntlich immer, daher müssen lyrische Feinheiten oder clevere Textzeilen zurückstecken. Die Konzentration des Trios scheint voll und ganz auf musikalischen Raffinessen zu liegen, die dieses fünfte Studioalbum nahezu unverfälscht in die 1960er und 70er versetzen. Das ist nicht nur in den

Timo Blunck Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern? Tapete / Indigo / VÖ 02.03.18

Wenn nicht schon Georges Brassens der »Schelm des Chansons« wäre, würde dieser Titel Timo Blunck gebühren. Dessen neuer Solo-Ausflug ist jetzt schon die schlüpfrigste und souligste Autobiografie des Jahres. Bassist bei Palais Schaumburg, Werbejingle-Komponist, Artdirector — bei einer solchen Vita sollte es eigentlich keiner Nahtoderfahrung bedürfen, um eine Bilanz seines Lebens zu ziehen. Timo Blunck musste dafür dennoch erst mal mit Darmverschluss von der Bühne kippen und sich vier Wochen im Krankenhaus langweilen. Die Stimmung von »Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?« spiegelt allerdings nicht seine tragische Entstehungsgeschichte, sondern die entspannten Vibes von Bluncks langjähriger Wahlheimat New Orleans wider. Funk, Soul und Yacht-Rock sind die Laken, zwischen denen der Hamburger sich lasziv räkelt und wie eine Mischung aus Hörbuchsprecher und Telefonsex-Arbeiter Geschichten von Liebe und Drogen erzählt und allem, was da sonst noch so dazugehört. Diese sprudeln nicht nur vor smarten Wendungen und Sprachspielen über, sondern sind im Falle der AntiEx-Freundin-Tirade »Da kann ich mich auch gleich mit Benzin übergießen« auch noch schreiend komisch. Die 470 Seiten lange Romanversion dieser Geschichten erscheint parallel zum Album im Heyne Verlag. Bei einem Tausendsassa wie Blunck kann das kaum verwundern. Jan Martens

The Bongo Club Anybody Have A Lighter? Motor / Edel

Das Debütalbum der Schweden The Bongo Club belebt den Sound des 2005er-IndieHypes neu. Die vier Mitglieder von The Bongo Club sind knapp zu jung, um den 2005er-IndieHype bewusst miterlebt zu haben, ihr Sound wirkt aber wie direkt aus dieser Zeit gefallen. Als klare Sound-Parallele drängen sich die Arctic Monkeys auf, kaum ein Artikel über die Newcomer kommt ohne Verweis darauf aus. Dabei unterscheiden sich die Schweden in einem Punkt besonders deutlich: Das Arctic-Monkeys-Debüt klang damals, als sei die Band nach der Pub-Sperrstunde direkt ins Studio geschubst worden, um Geschichten der vergangenen Nacht zu erzählen. The Bongo Club hingegen klingen, als seien sie gut ausgeschlafen und nach intensiver Arbeit ins Studio gekommen. Weniger Unmittelbarkeit

Born Ruffians Uncle, Duke & The Chief Paperbag / Membran

»Uncle, Duke & The Chief« ist rückwärtsgewandter Indie-Rock ohne Schnörkel. Aber was stimmt eigentlich an Schnörkeln nicht? Rockmusik ist wie ein Steak. Isst man es pur, ohne Soße oder Marinade, muss die Fleischqualität schon einwandfrei sein, damit’s schmeckt. Schreibt man wiederum einen auf das Wesentliche beschränkten RockSong, müssen Melodie und Text den Hörer schon aus den Latschen kippen lassen. Die Born Ruffians konzentrieren auf ihrem fünften Album zwar große Themen wie Tod, Verlust und Antriebslosigkeit smart auf griffige Titel und Textzeilen, darüber hinaus bleibt »Uncle, Duke & The Chief« allerdings zu oft fad und zäh: Böse Zungen könnten behaupten, der auf Akustikgitarre, ein paar Handclaps und mit ordentlich Hall abgemischten Gesang reduzierte Opener »Forget Me« liefere seine Rezeptionsanleitung gleich im Titel mit. Wenn im weiteren Verlauf immer wieder den Byrds, den Everly Brothers und den frühen Beatles zugezwinkert wird, verursacht dies zwar sicherlich den einen oder anderen juckenden Fuß, bewirkt danach jedoch eher ein Shufflen durch eine 1960er-Playlist als einen Druck auf den Repeat-Knopf. Das von den Kanadiern selbst formulierte Ziel, sich entgegen aller Trends nicht an EDM oder R’n’B anzubiedern, ist in seiner Authentizität sicher löblich – ein bisschen exotischer hätten sie »Uncle, Duke & The Chief« aber schon würzen können. Jan Martens

Borusiade A Body Cómeme / VÖ 02.03.18

Die rumänische Ausnahme-DJ Borusiade bringt auf ihrer ersten LP Neo-Industrial mit Wave zusammen. Miruna Boruzescu aus Bukarest ist der Name, den man sich merken darf, wenn man in den nächsten Monaten mitreden will. Nach einigen Jahren des Umherschweifens durch Clubs, meist hinter dem DJ-Pult, veröffentlicht die Rumänin als Borusiade nun ihre erste LP. Die darauf enthaltenen Klangwelten sind für niemanden neu, der schon mal eines ihrer Sets gehört hat: deeper, transzendenter Neo-Industrial-House-Techno, der Depeche Mode, Cocteau Twins und Throbbing Gristle näher ist als klassischem Techno. Musik für die Stunden, in denen die Nacht am tiefsten ist. Auf »A Body« beweist Borusiade aber auch ihren Willen zum Pop und bringt ihre

99


100

#Review

The Breeders All Nerve 4AD / Beggars / Indigo / VÖ 02.03.18

Spektakel

Car Seat Headrest Twin Fantasy Matador / Beggars / Indigo

»Twin Fantasy« ist ein musikalisches Update des gleichnamigen Car-Seat-Headrest-Albums aus dem Jahr 2011. Was damals schon gut war, ist nunmehr formvollendet.

Will Toledo wird seit seinem 2016er-Album »Teens Of Denial« als Messias des Indie-Rock gefeiert. Dabei hat er sein Frühwerk immer schon als unvollendet angesehen. Folgerichtig gönnt er diesem nun ein moderates Update. »Twin Fantasy« erzählt die Geschichte einer tragischen Liebesbeziehung in allen Etappen bis zu der Erkenntnis, dass die Beziehung nur in Toledos Fantasie perfekt schien. Das Album war schon damals ein Gesamtkunstwerk mit zahlreichen inhaltlichen Querverweisen. Hinreißend, wie Toledo beispielsweise in »Stop Smoking« das Rauchen zunächst verteufelt, um es in »Cute Thing« doch der Liebe wegen zu akzeptieren. Die 2018er-Version lässt den schrammeligen Slacker-Indie-Sound à la Guided By Voices im Kern zwar bestehen, Toledo nimmt jedoch inhaltliche Anpassungen vor: Während er sich in »Cute Thing« ursprünglich noch Dan Bejars Stimme und John Entwistles Bühnenpräsenz wünschte, werden diese nun durch Frank Ocean und James Brown ersetzt. Das hat in seinem Falle zwar nicht ganz geklappt, geht aber als Hommage an den Zeitgeist durch. Entscheidend bei der Neuauflage ist die klangliche Aufhübschung der Stücke, so wie in »Nervous Young Inhumans«, das nun mit Synthie-Spielereien aufwartet. »Twin Fantasy« wird so gewissermaßen zu Toledos persönlicher Katharsis. Manchem Fan der ersten Stunde dürfte die stilprägende Lo-Fi/DIY-Attitüde zwar etwas zu kurz kommen, insgesamt erscheint das Album in seiner upgedateten Form jedoch formvollendet. Der junge Mann hat endlich seinen Frieden mit der Vergangenheit gemacht und legt nebenbei mal eben mit quasi recyceltem Material eines der Indie-Rock-Alben des Jahres vor. So könnte der Gitarrenrock 2018 seine Renaissance erleben. Thorsten Streck

Fans mit ihrer Stimme in Kontakt, die auf den sieben Stücken immer wieder aufflackert. Es sind diese Fetzen, die das Gefühl vermitteln, dass man doch nur einen unvollständigen Blick auf die Künstlerin erhält. Unterstützt wird dieser Eindruck durch das Cover der Platte. Dort schaut Borusiade in die Zukunft oder die Vergangenheit, zu einem Ort, den die Hörer selbst nicht erkennen können. Ihnen bleibt nur der Hinterkopf der Produzentin. Erst am Ende baut sich das musikalische Puzzle vollständig auf: Der Closer »A Body« ist ein grandioser Abschluss dieser Platte, weil seine übereinandergelegten Gesangsspuren aufdecken, was man sich beim Tanzen schon

die ganze Zeit gedacht hat: Hier geht es nicht um einen Körper, sondern um viele. Tanzen als Kommunikation auf der körperlichen Ebene. Um das mal wieder zu entdecken, braucht es diesen Disco-not-Disco-Hammer. Lars Fleischmann

Nun ist auch die zeitweilig erstarrte Band der Deal-Zwillinge mit einem neuen Album zurück. Fast in Originalbesetzung eifern sie dem Alternative-Rock-Glück der 1990er nach – mit mäßigem Resultat. Ach, Sentiment, du verklärtes Glücksgefühl: Die Breeders sind wieder da! Die Band der Schwestern Kim und Kelley Deal, deren Hit »Cannonball« aus dem Jahr 1993 nach wie vor in so mancher Indie-DJ-Plattentasche locker sitzt. Bloß, dass die Disco-Playlist heute zwölfmal auf ein altes Smartphone passt und die Profession des Indie-DJs eine beinahe archaische Freizeitbeschäftigung geworden ist. Zuletzt wurde 2013 das 20-jährige Jubiläum des Breeders-Hitalbums »Last Splash« gefeiert. Dazu gab es ein paar kleine Tourneen und nun eben ein Album mit neuen Songs – vielleicht auch, um auf Festivals nicht immer die alten Kamellen spielen zu müssen. Kim und Kelley klingen zusammen mit Josephine Wiggs und Jim MacPherson immer noch genau wie damals. Bratende Gitarrenakkorde, Lo-Fi-Gesänge und elfenhafte Chöre ziehen sich durch insgesamt elf Songs, von denen lediglich die Single »Wait In The Car« als wirklich catchy im Gedächtnis bleibt und dabei trotzdem wie ein Teile-Monster aus dem eigenen Best-of-Band-Baukasten wirkt. Das reicht wie so oft in letzter Zeit jenseits der schönen Erinnerungen für ein fulminantes Comeback leider nicht aus. Die alten Kamellen und Lieblinge der Fans dürften auf der begleitenden Tour also weiterhin im Fokus stehen. Klaas Tigchelaar

Brett Wutkitsch Chimperator / Rough Trade

Vier verschrobene Könner legen das charakterstarke Fundament für eine lange Laufbahn im wuchtigen Art-Pop. Beim literarischen Schreiben unterscheidet man üblicherweise zwischen »Plotten« und »Discovery Writing«. Im ersteren Fall plant man die Handlung bis zum Schluss durch. Im letzteren folgt man der Intuition. Das Hamburger Quartett Brett zeigt auf diesem entwaffnend guten Debüt, was dabei herauskommt, wenn man beide Methoden kombiniert. Auf der einen Seite wissen sie ganz genau, was sie tun: Niemand spielt sich so präzise durch eine Mischung aus PostWave, Postcore, Stoner Rock und Art-Pop und komponiert derlei spröde betörende Harmonien, wenn er als Musiker noch grün hinter den Ohren ist. Die Qualität alleine wird dafür sorgen, dass »Wutkitsch« seine gebührende Aufmerksamkeit bekommt. Auf der anderen Seite spielen kalkulatorische Überlegungen zu Zielgruppen oder Hörgewohnheiten in ihrem Sound offensichtlich keine Rolle. Was in der ersten Hälfte des Albums musikalisch so griffig beginnt, dass junge Radiosender es mit ein bisschen Mut in die Heavy Rotation aufnehmen könnten, entwickelt sich in der zweiten zu einer schroffen Riff-Abfahrt, welche die Platte in den 1990ern sogar für ein Kunstkrach-Label wie bluNoise interessant gemacht hätte. Lyrisch bietet Sänger Max das Originellste, was abseits guten Raps derweil in Deutschland zu hören ist. Dabei erinnert seine Intonation und Stimmfarbe den kundigen und tabulosen Historiker deutschsprachiger Popmusik manchmal sogar an Hartmut

Engler auf den ersten beiden Alben von Pur. Keine Häme, denn das galt früher sogar für sperrige Künstler wie Pendikel! Pur haben schließlich in ihrer vergessenen Frühphase einen seltsam am Kunstpop kratzenden NerdSchlager gespielt, dessen durch die Zähne gepresste Gesellschaftskritik im Gegensatz zu diesem stilsicheren Ritt hier tatsächlich »Wutkitsch« war. Oliver Uschmann

Buffalo Tom Quiet & Peace Schoolkids / H’art / VÖ 02.03.18

30 Jahre im Dienst und kaum Abnutzungserscheinungen! Das Bostoner Trio überzeugt mehr denn je mit Gitarren, Melodien und schlauen Betrachtungen. Als sie vor drei Jahrzehnten begannen, machten Buffalo Tom so etwas wie ProtoAlternative. J Mascis produzierte damals die ersten beiden Alben, die wie Grunge klangen, aber ziemlich melancholischer Pop mit krachenden Gitarren und einem hohen Energielevel waren. Dann kam »Let Me Come Over«, das »Pet Sounds« Buffalo Toms mit der Hit-Ballade »Taillights Fade« – und die hart arbeitenden Bostoner waren fortan globale Indie-Darlings, freilich, ohne schön, reich und berühmt zu werden. Deshalb widmete man sich irgendwann auch anderen, privaten Dingen, und nun liegen schon mal fünf bis zehn Jahre zwischen den Veröffentlichungen, aktuell waren es sieben. In solchen Zeiträumen werden aus Kindern Leute, und so kann inzwischen die Tochter von Frontmann Bill Janovitz auf dem Album mitsingen. Das Sympathische daran: Die Songs, allem voran die Texte, reflektieren genau das: Älterwerden und was es mit sich bringt. Ein Song wie »Overtime« spielt kongenial mit der Doppeldeutigkeit des Wortes und macht das Spannungsfeld auf, in dem sich die Musiker kurz nach der MidlifeCrisis selbst sehen. Das ist durchaus bedrückend, auch augenzwinkernd, aber niemals auch nur ansatzweise peinlich. Auch die erste Single »All Be Gone« benennt die Verluste, geht aber zu den für Buffalo Tom typischen, verschlungen-rhythmischen Fuzz-Gitarren fröhlich vorwärts in den Sonnenuntergang. Die Musik hat sich weiterentwickelt, es ist noch mehr Soul und Gospel in den Alternative Rock und -Folk eingezogen. Und immer, wenn man denkt, dass es jetzt aber doch sehr konventionell wird, wird man eines Besseren belehrt: Musik und Lyrics verstehen sich auf die perfekte Gratwanderung zwischen Storytelling und abstrakter Poesie. Es ist diese eigenartige Mischung aus Townes van Zandt und Hüsker Dü, die immer noch schlicht überwältigen kann. Claudius Grigat

S. Carey Hundred Acres Jagjaguwar / Cargo

Irgendwo da draußen gibt es einen schönen Ort, den kennt nur S. Carey. Das verheißt zumindest die ungemein idyllische Musik, die uns der sanfte Bon-Iver-Sozius mitgebracht hat.


Allein dieses Cover: Man möchte sich in ihm verlieren. Einfach hineinspazieren, sich umsehen, den sanften Wind spüren, einen Kiesel ins Wasser werfen, sich erst im langen Gras ausstrecken und dann an diesen Baum gelehnt die Zeit vertrödeln. Unwillkürlich filzt man die Aufnahme nach Spuren menschlichen Raubbaus und findet: nichts. Außer einem Strommast, doch der ist unbedingt zu dulden, denn ohne elektrische Speisung hätte diese Musik niemals verewigt und vom Paradies in die weite Welt hinausgereicht werden können. Es wäre jammerschade gewesen: S. Carey, der stille Bandleader Bon Ivers, hat mit »Hundred Acres« eine herzerwärmende Liedersammlung geschnürt, die als Statement für die Ästhetik des Einfachen verstanden werden darf, zugleich aber auch durch eine kristallklare Produktion überzeugt. Dass das eine das andere nicht ausschließen muss, ist nach diesen knapp 40 Minuten hinlänglich bewiesen – wenngleich man zugeben muss, dass ein paar Field Recordings dieser fast schon penetrant behaglichen Platte durchaus gut zu Gesicht gestanden hätten. Gelangt es in die falschen Hände, hat »Hundred Acres« das Potenzial, beispiellose Langeweile freizusetzen. So viel Ruhe, so viel Einkehr, so viel Idyll – nicht jeder wird genügend Achtsamkeit aufbringen, die »Hundred Acres« bis zum Ende abzuflanieren. Grobe Gemüter wird es abperlen lassen; anderen wird es den Geist klären, wie es sonst nur ein Spaziergang durch die Natur vermag. Es ist Zeit, S. Carey an der eigenen Musik zu messen – und nicht an der Gunst, die ihm durch Justin Vernon zuteil wird. Valentin Erning

Curse Die Farbe von Wasser Indie Neue Welt / Groove Attack

Wortfutter für Monate. Sprachlust bis zum Verbalorgasmus. Wer Curse keinen Respekt zollt, hat Rap nie geliebt. Als ein populäres Massenmagazin für junge Erwachsene kürzlich die Frage stellte, wieso HipHop trotz seines Erfolgs in Deutschland immer noch kaum Radiothema sei, machte der Berliner Straßenrapper Fler im Interview die alte Frontlinie auf. Es liege daran, dass die Journaille abseits der Fachpresse seit ihrer verwöhnten Jugend mit HipHop nicht die Straße, sondern allen Ernstes Fettes Brot oder die Fantas verbände. Dabei weiß die AggroLegende, die heute den Sound eines Drake oder Future in deutschen HipHop transferiert und sich Rick Ross aufs Album holt, ganz genau, dass es zwischen den Pop-Rappern auf der einen und der Straße auf der anderen Seite Wortvirtuosen gibt, vor denen alle den Hut ziehen. An deren Spitze: Curse, Samy Deluxe und Kool Savas, die auf diesem Album in »Manuskript« gemeinsam auspacken, um die »Nesthäkchen wie Essstäbchen mit rapästhetischen Querschlägern« daran zu erinnern, wer bei 250 Sachen immer noch fehlerfrei die Reimkurven nehmen kann. Curse selbst sorgt beim Hören seiner siebten Platte für einen Freudensprung nach dem anderen. Eine klangliche oder inhaltliche Pointe folgt der nächsten, dargeboten in seinem unverkennbar eigenen Flow, der Zeilensprünge so flüssig nimmt wie ein Parcours-Meister seine Hindernisse. Dieser Mann braucht kein Doubletime, um König zu sein, und schon gar nicht hängt er sich wie andere alte Hasen halbherzig an den Trap-Zug, ohne ihn ursprünglich befeuert zu haben. Die auch für B-Tight oder Olexesh tätigen Hitmasterz basteln ihm klassische Beats mit hübschen

Pianofiguren, die auf Refrains hinauslaufen, die man sich merkt, gerade weil sie ohne erzwungenen Gesang auskommen. Als kleines Leitmotiv des Albums nimmt Curse ironisch die Selbstgerechtigkeit und (vorgetäuschte) Perfektion moderner Influencer und 24 Stunden wacher Aktionisten auseinander, die sich als Weltverbesserer inszenieren, aber eigentlich eitle Egomanen sind. Man möchte 80 Prozent des Albums zitieren, so dicht ist es geschrieben, doch möge dieses als Wort zur Gegenwart reichen: »Ständig starten wir den Tag damit uns zu vergleichen statt uns zu begreifen, doch nur eins von beiden ist bereichernd.« Ohne viele Kommas auf den Punkt. Oliver Uschmann

Dabrye Three/Three Ghostly International / Cargo

Der Abschluss von Dabryes Trilogie setzt verstärkt auf HipHop-Einflüsse und zahlreiche Features. Als solide Schnittstelle zwischen Elektronik und HipHop ist das aber nach wie vor überzeugend. Ein dreiteiliges Kunstwerk im verschrobenen Segment der elektronischen Musik, mit HipHop-Schwerpunkt und ganzen 19 Tracks für den abschließenden dritten Teil – das kann man ruhig künstlerisch anspruchsvoll nennen. Der aus Michigan stammende Produzent (der auch als James T. Cotton, SK-1 oder unter seinem schrägen bürgerlichen Namen Tadd Mullinix in Erscheinung tritt) wird dabei allein schon für seine Feature-Liste Aufmerksamkeit einsammeln: Ghostface Killah, Danny Brown, Doom, Roc Marciano und Jonwayne sind nur einige der beteiligten Stars, die den verrückt zirpenden Sound von Dabrye mit Oldschool-Rhymes versorgen. Während Teil eins »One/Three« noch rein instrumental daherkam, ist hier fast jeder Track betextet. Und nicht nur die Rap-Styles sind weit jenseits des Mainstreams, auch die Hintergrund-Sounds zwischen Arcade-Soundtrack und deepem Electro sorgen dafür, dass der Mainstream hier lieber fernbleibt. Genrefremde Abenteurer werden von diesem cleveren Mash-up aber sicherlich angelockt. Glück übrigens für VinylSammler: Das limitierte Vinyl-Box-Set enthält zusätzlich die Reissues von »One/Three«, »Instrmntl« und eine Nachpressung des raren, weil lange nicht erhältlichen »Two/Three«. Klaas Tigchelaar

» WER VIKINGS NOCH NICHT GESEHEN HAT, SOLLTE DAS DRINGEND NACHHOLEN. « – GIGA.DE

David Byrne American Utopia Nonesuch / Warner / VÖ 09.03.18

Im fortgeschrittenen Alter zeigt der einstige Sänger der Talking Heads und seit eh und je leidenschaftliche Exzentriker, wie intelligente, hakenschlagende Popmusik 2018 aussehen kann: nicht mehr ganz so überdreht wie früher. Die Talking Heads funktionierten bei mir immer eher auf der Verstands- als auf der Gefühlsebene. Tolle Popsongs wie »Psycho Killer« schrieben sie zweifelsohne, aber spätestens an dem Punkt, als die Platten die New-Wave-Ästhetik gänzlich verließen und düsterste 1980er-Produktionsmechanismen alles überstrahlten, wollte ich nicht mehr

SEASON 4 | VOLUME 2

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TM

VIKINGS Season 4 © 2016-2017 TM Productions Limited / T5 Vikings IV Productions Inc. Eine Ireland-Canada Co-Produktion. Das Vikings “V” Logo © 2013 A&E Television Networks, LLC. Alle Rechte vorbehalten. VIKINGS ist eine Handelsmarke von TM Productions Limited. © 2018 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. Alle Rechte vorbehalten. TWENTIETH CENTURY FOX HOME ENTERTAINMENT, FOX und deren Logos sind Warenzeichen von Twentieth Century Fox Film Corporation und ihrer zugehörigen Unternehmen.


SLEAFORD MODS 03.05. Berlin, Columbiahalle 11.05. Hamburg, Uebel & Gefährlich 17.05. Dresden, Beatpol 18.05. Köln, Live Music Hall

BONOBO + VERY SPECIAL GUESTS 26.05. Berlin, Ufo im Velodrom

TOM MISCH

16.03. Hamburg, Mojo Club 20.03. Berlin, Kesselhaus 21.03. Köln, Gloria (sold out)

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BEARCUBS

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24.03. Dortmund, Sissikingkong 11.04. Hamburg, Prinzenbar 12.04. Frankfurt, Zoom 13.04. Chemnitz, Atomino 14.04. Wien, Grelle Forelle 19.04. Berlin, Prince Charles 11.05. Karlsruhe, Kohi 12.06. Mainz, Schon Schön 13.06. Stuttgart, Cafe Galao

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DAMIAN LAZARUS & THE ANCIENT MOONS 04.04. SchwuZ

mitgehen. Doch es gibt dennoch diesen einen Song, bei dem für mich Gefühl und Verstand zusammengekommen sind: »This Must Be The Place«. Ein Stück, das so intelligent wie emotional berührend ist, vielleicht, weil es eines der wenigen expliziten Liebeslieder ist, die David Byrne geschrieben hat. Nun stellt sich die Frage, ob er auch auf seinem neuen Soloalbum die Ironie des Artifiziellen hinter sich lassen kann. »American Utopia« klingt in jedem Fall nach einem groß gedachten Konzeptwerk, was es glücklicherweise nicht geworden ist. Statt seine Form eines idealen Amerikas zu entwerfen, bildet Byrne den IstZustand ab. Die Reflexion über moralische Fragen, über das Gute und Schlechte einer modernen Welt, bleibt dem Hörer überlassen. Durch diesen assoziativen Spielraum ist die Platte nicht dogmatisch. Als Kernthema ist gerade noch die Perversion des neoliberalen Kapitalismus auszumachen, indem Byrne Charaktere erfindet, deren Geld auf Bäumen wächst. Musikalisch ist der Funk der Talking Heads spürbar, nur ohne die Hektik von früher. Gerade zu Beginn fliegen dem Amerikaner die Melodien zu: »Gasoline And Dirty Sheets« sowie »Everyday Is A Miracle« werden dem Anspruch abwechslungsreicher und melodieseliger Popmusik absolut gerecht. Der Hit der Platte, das von Brian Eno mitproduzierte Stück »Everybody’s Coming To My House«, wurde schon vorab veröffentlicht. Zwischendurch gibt es immer wieder Sollbruchstellen, ruhige und auch melancholische Passagen wie in »This Is That« inklusive toller Orientalismen. So kommen wie erhofft doch beide Rezeptionsebenen zusammen: Verstand und Gefühl. Kai Wichelmann

THE ORIELLES

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KELE OKEREKE 02.05. Köln, Luxor 04.05. Berlin, Silent Green 05.05. Hamburg, Molotow

NITS

04.05. Karlsruhe, Tollhaus 15.05. Hamburg, Gruenspan 16.05. Berlin, Heimathafen 17.05. Köln, Kulturkirche

KAMASI WASHINGTON 18.05. München, Theaterfabrik 25.05. Berlin, Astra 27.05. Köln, Live Music Hall

East Man Red, White & Zero

als musikalische Milieustudie von Londons abgehängter Jugend, ist »Red, White & Zero« sicher ein interessantes Zeitdokument. Hinter dem rostig-reduzierten Tenor lässt sich auf diesem Album allerdings nach dem zweiten Hören kaum noch irgendein Moment ausmachen, der nicht schon in Hunderten GrimeProduktionen auf SoundCloud zu finden ist. Nils Schlechtriemen

Lucy Dacus Historian Matador / Beggars / Indigo / VÖ 02.03.18

Lucy Dacus blickt in die Vergangenheit und singt mit bedächtiger Folk-Stimme über einen Indie-Rock von besonders sehnsüchtiger Qualität. »Historian« ist allein schon aufgrund von Lucy Dacus’ Stimme ein passender Albumtitel. Tatsächlich klingt ihr zurückhaltender, bedächtig wirkender Folk-Gesang fast historisierend. Doch anstatt sich ganz dem Songwriting an der Akustikgitarre hinzugeben, entschied sich die Musikerin aus Virginia mit ihrem zweiten Album für einen Indie-Rock, der oft gemächlich und ernst wirkt, hin und wieder jedoch auch an Tempo gewinnt. Aber selbst in solchen Momenten wirkt die LP reflektiert und auseinandersetzungsstark. Die zehn Songs werden von gekonnt ausgestalteten, selten ein wenig zu routiniert klingenden Arrangements umrahmt, die aber immer genügend Platz für Dacus’ eigene harmonische Note lassen. Besonders gut scheint »Historian« dann, wenn es schmissig wird, aber auch sonst ordnet es sich gleichberechtigt auf dem hohen Level von Größen wie Wye Oak, Sharon Van Etten oder Courtney Barnett ein und darf insbesondere auch mal live getestet werden. Christian Steinbrink

Planet Mu / Cargo / VÖ 02.03.18

Mit »Red, White & Zero« kann der Londoner East Man den Grime kaum weiter in die Zukunft pushen. Gleich mehrere Eisen hat Anthoney Hart im Feuer: Als Imaginary Forces verschränkt er Techno, Noise und Ansätze von Musique concrète miteinander; als Basic Rhythm tüftelt er an industriellem UK Bass, der gerne extra sperrig daherkommt. Mit dem Projekt East Man zollt der umtriebige Produzent nun den alten Piratensendern der 1990er Tribut und schneidert seinen MCs aufs Wesentliche reduzierte, ruppige Beats aus einem urbanen Sample-Baukasten auf den Leib. Den Ghettos Londons entsprungen, bringt Hart für die lyrische Verzierung von »Red, White & Zero« eine Vielzahl eher semibekannter Namen zusammen, die seit Jahren im Untergrund der quasi durchgentrifizierten Finanzmetropole ums berufliche Überleben ringen. Darkos Strife und Saint P sind dabei, Eklipse und Dancehall-Newcomer Irah ebenso. Ach, und ein Typ namens Lyrical Strally, der Doubletime im 140-bpm-Bereich rappen kann – die typische Geschwindigkeit, wenn es um Grime geht. Virtuos möchte man meinen, doch im knöchernen Beat-Skelett von Tracks wie »Can’t Tell Me Bout Nothing« oder »Tear Down« wirken auch souveräne Raps dröge und ausdruckslos. Selbst unter puristischen Gesichtspunkten muss sich Hart den Vorwurf inspirationsarmen Samplings und inhaltlicher Seichtheit gefallen lassen – da hilft es auch nicht, die Freundschaft mit dem Kulturwissenschaftler Paul Gilroy an die große Glocke zu hängen. Unter soziologischen Gesichtspunkten, sozusagen

Darling West While I Was Asleep Jansen / Membran

First Aid Kit lebten es gerade vor: Americana muss nicht unangenehm und die Leidenschaft dafür nicht peinlich sein. Ein Grund mehr für Darling West, diesen Sound konsequent durchzuziehen. Dass Darling Wests Heimat Norwegen eher bodenständiger, verträumter Folk zugeordnet wird, sei geschenkt. Den europäischen Einfluss auf ihre Musik nutzt die Band allenfalls, um ihren typischen Americana-Strukturen etwas Ernsthaftigkeit zu verleihen. Das klappt so gut, dass sogar der engagierteste Banjo-Kritiker nicht nur überzeugt sein dürfte, sondern an »While I Was Asleep« sogar Gefallen finden könnte. Der meist mehrstimmige Gesang um die zarte Stimme von Mari Kreken zieht sich wie ein roter Faden durch das dritte Album der Band und wird entweder von virtuoser Mundharmonika oder subtil gezupften Saiteninstrumenten begleitet. »Don’t I Know You« schwächt die countryesken Elemente ausnahmsweise mit eingängigen Popmelodien ab, »Better Than Gold« wiederum lässt dem Banjo Raum für ein Solo, bleibt dank seiner eher unaufdringlichen Instrumentierung aber authentisch. Darling West gelingt es, Americana durch nordisches Flair eine


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PÜT TLING

IMMER NOCH INDIE? MIT CHRISTIAN STEINBRINK

Ohne böse Absicht, nur aufgrund der hohen Qualität bedient Indie hier elendige Geschlechter-Klischees: mysteriöse Schwedinnen vs. schräge Einsiedler-Hipster.

Ein komisches, dennoch verführerisches Gebräu ist der Pop auf »Enigmatical« (Lab259) von der Schwedin Femme Equation: Spiritueller, fast schon hippiesker Westküsten-Folk mischt sich mit Electro- und Dream-Pop und wird mit Psychedelic gestreckt. Natürlich birgt so eine Versuchsanordnung Fehlerpotenzial, ist dabei aber so ambitioniert und aufregend, dass man das verschmerzen kann. Ähnlich schwierig ist die Suche nach Referenzen für die elf Songs dieser LP: Die Idee, dass eine schwedische Nico hier über poppigere Stücke von wahlweise Bat For Lashes oder Dillon singt, ist dabei eine bloße Annäherung an den Kern. Die düstere, abstrakte Seite stellt in diesem Gegensatzpaar die schon seit Jahren großartige El Perro Del Mar mit ihrer neuen EP »We Are History« (Ging Ging) dar. Mit ihren letzten Veröffentlichungen hat sich die Schwedin immer mehr einem zwar träumerischen, aber dennoch kritischen Ansatz genähert, der gar nicht mehr so weit von Björk entfernt ist. Dementsprechend muss man sich ihren sechs neuen Songs mit großer Aufmerksamkeit widmen, erhält dadurch aber Eindrücke, die im zeitgenössischen europäischen Pop recht einmalig sind. Das verdienstvolle New Yorker Label RVNG Intl. hat mit der Compilation »Few Traces« (RVNG Intl.) des US-Musikers und -Malers Mark Renner wieder einmal ein lange vergrabenes Schätzchen gehoben. Nämlich eine Sammlung wunderschöner Lo-Fi-Songs aus dem Spannungsfeld von DIY, Postpunk, Shoegaze und Avantgarde der 1980er, die ganz schlichte Elemente zu erhebenden Momenten verbindet. Manchmal erinnert das an The Cure, manchmal an The Chills oder an Brian Eno, aber die fehlende Kohärenz macht Renner mit einem naiven und verträumten Gestus wett, dessen Reize nur ansteckend wirken können. Man kann Ryan Driver wohl als Jazzer bezeichnen. Als jemanden, der klassisch geschult ist, selbst Instrumente baut, in der Avantgarde zu Hause ist und trotzdem ein wundervoll beseeltes Album aus tief gehendem, pechschwarzem Barjazz und Swing aufnehmen kann. Gepaart mit seiner sinnlich-leichten Soul-Stimme, klingt sein drittes Album »Careless Thoughts« (Tin Angel), als würde Karates Geoff Farina am Piano lehnen und über dezente Jazz-Miniaturen singen. Wer diese Platte hat, braucht nachts an der Hotelbar keinen einsamen Klavierspieler mehr. Am Morgen danach hilft nur noch Noise-Core. Und die beste Walze aus diesem Warenregal heißt aktuell »Ere« (Moment Of Collapse) und ist von den Italienern Storm{o} gegossen worden: 30 Minuten nahezu ununterbrochener Lärm mit engagiertem, nur leicht melodischem landessprachlichem Gebrüll. Das mag allein noch keine Empfehlung darstellen, aber der Dynamik dieser Songs ist kaum zu widerstehen.

Als ähnliche Überzeugungstäter erweisen sich die Ducking Punches auf ihrem neuen Album »Alamort« (Xtra Mile) im Bereich von Emopunk britischer Prägung: astreine, eingängige Songs mit Haltung und Würde kurz vor der nächsten Ochsentour durch die Juzes der Republik. Interessant ist dabei die entgegengesetzte Wegstrecke, die die Band gegangen ist: Während sich andere alte Emo-Helden irgendwann akustischen Soloprojekten zuwenden, ist diese Band aus einem ebensolchen entstanden. Und es war die richtige Entscheidung, diese Songs mit Nachdruck zu elektrifizieren und zu einer einwandfreien Genre-LP zu koppeln. Es gibt heute nur noch wenige Gründe, FolkPunk zu hören. Aber wenn, dann sollte es Jeff Rosenstock sein. Noch bevor die Sonne im neuen Jahr das erste Mal aufgegangen war, hatte der Troubadour der US-DIY-Szene seine Chronik der letzten zwölf Monate in Form von »Post-« (Polyvinyl) ans Licht gebracht: zehn kurze oder lange Stücke voll von gerechtem, gewitztem Aufbegehren, zu lesen als Trost, als Abrechnung oder als Anstachelung. Unnötig zu erwähnen, dass sein Songwriting sogar Queen vor Neid platzen lassen würde. Mit Dick Stusso wagt sich das eigentlich eher für artifizielle Ansätze bekannte Sub-PopSublabel Hardly Art in die uramerikanischen Musiktraditionen von Blues und Rock’n’Roll. Aber natürlich dekonstruiert der Kalifornier Stusso diese Musik konsequent und genüsslich – mit kenntnisreicher Verehrung sowie einem durchdringenden Humor. Hie und da tritt auch ein Songwriter-Talent zutage, das sich durchaus noch zu Großtaten entwickeln kann. Aber auch als hinterlistiges Genre-Album taugt »In Heaven« (Hardly Art) vorzüglich. Einen ähnlich gewitzten Ansatz hat Ben Montero für sein wegweisend »Performer« (Chapter Music) betiteltes Album gewählt, nur im Kontext von sonnigem Westküsten-Pop, der manchmal sogar in Beatles-Sphären hineinreicht. Die zehn Songs quellen vor Harmonien schier über und zeigen keine Angst vor großformatigen Arrangements, sie bemühen sich aber auch nicht, ihren Lo-Fi-Ansatz zu verbergen. »Performer« lässt träumen und schwelgen, verunsichert seine Hörer in deren gedankenfaulen Hingebung aber mit Lust. Zuletzt war der Australier mit Mac DeMarco auf Tour – dank ähnlich reizender Kontraste passt das. Der Abschluss sei dem Folk-Pionier Bert Jansch und einem Mammutprojekt gewidmet: Die beiden 4-LP-Boxen »A Man I’d Rather Be (Part I+II)« (Fire) umfassen das Werk des Briten aus den 1960ern bis in die frühen 1970er hinein und stellen die perfekte Gelegenheit dar, diesen 2011 verstorbenen Gitarren- und SongwritingVirtuosen in der Hochphase seines Schaffens zu entdecken. Lasst euch versichern: Es ist ein purer, wahrhaftiger Genuss.

9. - 11.08.18

bisher bestätigt

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FIL BO RIVA

andere Bedeutung zu geben. Und was gäbe es bei dem trüben Wetter Besseres, als zur Abwechslung mal heiterem Folk zu lauschen? Lena Zschirpe

im Live-Bereich, wo man die Wut gezielt und mit Spaß abfeiern kann. Bei den Aufnahmen im Heimstudio ging es dagegen um das Vermischen von vermeintlich unvereinbaren Klängen. Momente mit Wettbewerbscharakter gibt es reichlich, Ministry, Melt Banana oder Dead Kennedys fliegen vorbei, eher mit humorvoller Provokation als mit der Vorgabe, einen relevanten Teil zur Musikgeschichte beizutragen. Klaas Tigchelaar

Darlingside Extralife »TOUR NO.3 2018« 10.04. HANNOVER • 11.04. ESSEN • 12.04. KÖLN (AUSVERKAUFT) 13.04. KÖLN • 20.04. AACHEN • 21.04. OFFENBACH AM MAIN 22.04. TRIER • 28.04. ZÜRICH (CH) 29.04. MÜNCHEN (AUSVERKAUFT) 01.05. WIEN (AT) • 02.05. NÜRNBERG (AUSVERKAUFT) • 03.05. LEIPZIG 12.05. BREMEN • 14.05. HAMBURG • 15.05. ROSTOCK 17.05. JENA • 18.05. BERLIN

CASPER »Lang Lebe Der Tod« Tour 2018 09.03. Würzburg 10.03. Erfurt FINDLAY 05.04. Köln 06.04. Wiesbaden GARDEN CITY MOVEMENT 19.03. Hamburg 21.03. Berlin 23.03. Lörrach 24.03. Heidelberg 25.03. München KRAFTKLUB »Keine Nacht für Niemand« Tour 2018 02.03. Magdeburg 03.03. Bielefeld 09.03. Saarbrücken 10.03. Mannheim 11.03. Zwickau 14.03. Wetzlar 16.03. Düsseldorf (AUSVERKAUFT) 17.03. Kiel 18.03. Lingen 21.03. Göttingen 22.03. Köln 23.03. Köln (AUSVERKAUFT) 24.03. Freiburg 28.02. Zürich (AUSVERKAUFT) Open Airs 2018 04.08. Berlin 25.08. Dresden (AUSVERKAUFT) MILKY CHANCE & FRIENDS OPEN AIR 2018 17.08. Kassel 18.08. Berlin

PRINZ PI »Nichts War UmsonST« Tour 2018 01.03. Saarbrücken 02.03. Zürich (CH) 03.03. Bern (CH) 08.03. Dortmund 09.03. Hannover (AUSVERKAUFT) 10.03. Berlin 22.03. Frankfurt/Main 23.03. Frankfurt/Main (AUSVERKAUFT) 24.03. München (AUSVERKAUFT) 25.03. München 11.04. Köln 12.04. Herford 13.04. Bremen WOMAN »Happy 07.03. 08.03. 09.03. 10.03. 13.03. 14.03. 15.03. 16.03. 17.03.

Freedom« Tour 2018 Würzburg Karlsruhe Mainz Erfurt Hannover Dresden Magdeburg Chemnitz Göttingen

YUKNO »Ich kenne kein Weekend« Tour 2018 10.04. Mainz 11.04. Köln 12.04. Hamburg 16.04. Berlin 25.04. Wien (AT) 27.04. Graz (AT)

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FABER

»SEI EIN FABER IM WIND« TOUR 2018 05.02. MÜNCHEN (AUSVERKAUFT) • 07.02. WIEN (AUSVERKAUFT) 09.02. COTTBUS (AUSVERKAUFT) •10.02. ANNABERG-BUCHHOLZ (AUSVERKAUFT) 11.02. DRESDEN (AUSVERKAUFT) • 14.02. INNSBRUCK (AUSVERKAUFT) 15.02. LINZ (AT) 16.02. ULM (AUSVERKAUFT) • 17.02. REGENSBURG 18.02. PASSAU (AUSVERKAUFT)

20.02. ERLANGEN (AUSVERKAUFT)

21.02. TÜBINGEN (AUSVERKAUFT) 22.02. HEIDELBERG • 23.02. LUXEMBOURG (LU) 24.02. OSNABRÜCK • 27.02. BERLIN (AUSVERKAUFT) • 28.02. HAMBURG (AUSVERKAUFT) 01.03. KIEL • 02.03. DORTMUND (AUSVERKAUFT) • 03.03. DÜSSELDORF (AUSVERKAUFT) 29.03. ZÜRICH (AUSVERKAUFT) • 30.03. BERN (AUSVERKAUFT)

More Doug / Al!ve

Schöner spielen mit Darlingside. Ihr grundguter Folk mit Satzgesang ist genau das richtige Mittel für diejenigen, denen die letzte Fleet-Foxes-LP zu abseitig war. Die freilich nicht zu beweisende Behauptung, dass ein qualitativer Ansatz im Pop immer seine Hörerschaft finden wird, schien ihre Entsprechung in der stetig größer werdenden Aufmerksamkeit zu finden, die Darlingside zuteil wurde. Fortschritt war nie der Ansatz dieser geschmackvollen Folkmusiker, eher war es die Konservierung des Guten. Mit ihrem dritten Album »Birds Say« fanden sie erstmals Anschluss an ein größeres Publikum. Die Songs waren einfach gut, schlossen an die zugänglichen Momente der Fleet Foxes an, ohne deren Sound-Ansatz bloß zu kopieren. Die zwar tolle, aber auch fordernde letzte Platte der Fleet Foxes hinterließ eine Lücke. Dem Wunsch nach Eingängigkeit wird im Folk meist mit Gefälligkeit entsprochen, die Ästhetik dieser Musik ist oft ein Sammelsurium aus ausgelatschten Klischees. Darlingside sind bereit, den Königsweg zu bestreiten, denn bei ihnen steht die Kraft der Songs selbstbewusst im Vordergrund. Wunderschöne Streicherarrangements und Satzgesänge bilden das Fundament für ungefilterte Schönheit. Vor allem in der ersten Hälfte, die mit dem hymnisch-erhabenen »Eschaton« ihren krönenden Abschluss findet, spielt die Band aus Boston ihre Stärken aus. Gegen Ende agiert sie fragmentierter, bleibt auch mal skizzenhaft. Interessant ist die Platte aber bis zum Schluss. Kai Wichelmann

Dead Kittens Pet Obituaries Noisolution / Soulfood

Dead Kittens sind ein niederländischisraelisches Dada-Krach-Projekt, das die Referenz-Kiste ordentlich durchschüttelt. Sie passen zielgenau in keine Schublade – oder ist das etwa schon wieder Punk? Der niederländische Comiczeichner Dirk Verschure und der aus Israel stammende und in Berlin lebende Produzent Oded K.dar trafen sich in der deutschen Hauptstadt und beschlossen spontan, ihre Wut in einem Musikprojekt zu kanalisieren. Schlagzeug, Bass, Samples und rotzig gesprochene oder gebrüllte Texte holen zwar nicht direkt den Innovationspokal ab, trotzdem sind Dead Kittens schon bei diesem Debüt durchaus eigensinnig. Bass und Schlagzeug dröhnen wie bei der 1990er-Crossover-Band Clawfinger, während die textliche Ebene und auch die zusätzlichen Sounds eher an die niederländischen Anarcho-Punks The Ex erinnern. Es ist inzwischen genug Zeit vergangen, um diese weit voneinander entfernten Assoziationen frech und neu zusammenzufügen. Der Fokus dieses Duos liegt ohnehin wohl eher

DJ Taye Still Trippin Hyperdub / Cargo / VÖ 02.03.18

Auf seiner ersten regulären LP zeigt der Teklife-Rapper DJ Taye, wie viel Leben noch im Chicagoer Footwork steckt. Auch wenn nicht mehr so viel eigentliches Footwork übrig bleibt. Jlin erweiterte letztes Jahr das – vor allem um den mittlerweile verstorbenen DJ Rashad in Chicago entstandene – Footwork mit Rhythmen aus aller Welt. DJ Taye, der zur zweiten Generation der Teklife-Crew gehört und bisher vor allem mit selbstveröffentlichten LPs, Mixtapes und einigen EPs auffiel, bringt auf seinem offiziellen Debüt auf Hyperdub nun eine Vielzahl an neuen Sounds in das schnelle, Drum-Machine-geprägte Footwork ein. Er und seine Kollaborateure, von denen DJ Paypal vielleicht der bekannteste ist, legen auf jedem der Tracks entweder Rap oder Gesang, Synthie-Melodien oder an PC-Music erinnernde, überzuckerte DIY-Piepser über die Beats oder lassen diese auch komplett aussetzen. Nicht immer ist das Ergebnis angenehm zu hören, aber das musikalische Chaos gewinnt doch ständig neue kreative Formen. Wie der Albumtitel nahelegt, ist das Album ein ziemlicher Trip – allerdings einer, bei dem man nicht unbedingt mitreisen möchte, weil sich das alles ziemlich anstrengend anhört. Aus sicherer Distanz beobachtet, übt »Still Trippin« aber eine nicht zu leugnende Faszination aus. Henje Richter

Erdmöbel Hinweise zum Gebrauch Jippie! / Rough Trade

Neue Großtaten für ihre wertvolle Diskografie bringen Erdmöbel auf »Hinweise zum Gebrauch« zwar nicht zustande, sie unterstreichen aber souverän ihre besondere Qualität. Für die Rheinmetropole Köln scheint die Gruppe Erdmöbel ebenso allgegenwärtig kleinster gemeinsamer Nenner zu sein wie im Osten DJ-Sets von Lars Eidinger oder Die Sterne in Hamburg. Schlimm hat man es dort also nicht erwischt. Das neue Album der Band ist ungefähr das Gegenteil von einem mutigen Schritt nach vorne: »Hinweise zum Gebrauch« ist schön komplex und verästelt betexteter Burt-Bacharach-EasyListening-Pop mit himmelöffnenden Bläsersätzen und Bossa-Nova-Flair, der aus dem Sprachgebrauch von YouTube-Tutorials und Pressemitteilungen kleine Songwunder zum Drin-Hängenbleiben baut. Ist nicht mehr zum Heulen schön, wie es frühere Großwerke wie


LOVE ATTACK MIT FIONN BIRR

Dieses Mal wartet der Groove mit postkapitalistischem Endzeit-Rap, halsbrecherischem Tourette-Trap aus Hamburg und süddeutschem Now-School-Schlager auf.

Nach 13 Karrierejahren ist Black Milk mit Endzeitstimmung quasi per Du: Seine Heimatstadt Detroit muss regelmäßig als Beispiel für gescheiterte Wirtschaftsstandorte herhalten, sein Ziehvater J Dilla verstarb vor zwölf Jahren an Lupus, und auch sein eigenes Schaffen konnte abseits von Urvater-Props nie die Aufmerksamkeit des heimlichen Bürgermeisters der 8 Mile Road, Eminem, erreichen. Sein apokalyptischer Solo-Wurf »If There’s A Hell Below« aus dem Jahr 2015 zeugte bereits von diesen postkapitalistischen Erkenntnissen. Das neue Album »Fever« (Mass Appeal), natürlich eine Metapher auf die erhitzten Gesellschaftsgemüter im Trump-Amerika dieser Tage, fokussiert jenen Ansatz nun, wenn auch zugänglicher. Mit humorvollem Reflexionsvermögen, intimem Storytelling und philosophischen Alltagsbeobachtungen schreitet der rappende Producer über seine von einer LiveBand unterstützten Soul-Sample-Symphonien aus dem Drum-Computer vom Keller zurück auf die Straße. Er rappt, singt und slammt über Social-Media-Achterbahnfahrten, die Ambivalenz des menschlichen Wesens und andere Alltagsabsurditäten. Immer conscious, immer clear – doch auch immer mit einem Zwinkern in der Subdominanten.

Eigentlich hätte Dave East vor 20 Jahren schon 30 Jahre alt werden müssen. Denn was die Performance- und Songwriting-Herangehensweise angeht, triumphiert »P 2« (Def Jam) als authentischer, kaltschnäuziger und vor allem latent wutschnaubender New-York-Rap, wie man ihn vorher nur in der Mobb-Deep-Hochphase hinrotzen konnte. Doch Dave East ist Jahrgang 1988, Zögling von HipHop-Ikone Nas und mit seiner ungeschönten Straßen-Schroffheit, aber eben auch juveniler Offenherzigkeit ein idealer Vermittler zwischen Golden- und Auto-TuneÄra. Denn auch wenn er seinen Idolen Jay Z, Noreaga oder eben Nas einen ganzen Song widmet, kann der ehemalige Basketballer auch morphine Atlanta-Beats nebst Native-Trapper wie T.I. als eigenes Terrain ausmachen und sogar Hooks von Chef-Schmalzlocke Tory Lanze in diese Welt aus Hood, Hoffnungslosigkeit und Habgier integrieren. New-York-Rap 2.0? Mindestens. »P 2« entpuppt sich als HipHopHybrid zwischen der komplexen Lyrik des 1990er-Rap und der verspielten Musikalität der 2010er. Wer sagt, es gäbe keine echten Rapper mehr?

Mit einer Verwandtschaft zu Straßenrap-Fürst Bonez MC und einem freundschaftlichen Verhältnis zur Intro-Titelheldin Hayiti müsste Joey Bargeld eigentlich Vollblutrapper sein. Ist er aber nicht. Auch sein zweites Zwischenspiel mit den Trettmann-Tastemakern KitschKrieg, die EP »1.1« (SoulForce), besticht nicht durch die performative Eleganz eines wortverspielten Top-Spitters auf Jetztzeit-Viervierteltakten, sondern durch Emotionen. Die ausufernde

Wucht von Bargelds dunkelbuntem Lagerhallen-Trap kann sich auf Raver-Proll-Abfahrten wie »Kamikaze« oder der melancholischen Afterhour-Hymne »Hau ab« erst durch seine halsbrecherische, manchmal sogar atonale Schieflage im Vortrag entfalten. Mehr Shouter als Crooner, balanciert Joey oft so nahe am Rand der Verzweiflung, dass KitschKriegs Garagen-Grime zuweilen wie ein SynthieSicherheitsnetz funktioniert. Die Geburtsstunde des Tourette-Trap? Vielleicht.

Als Kind einer Sängerin, die mit Michael Jackson gearbeitet hat, und auch als einstiger Songwriter für zum Beispiel Anita Baker ist Sir auf seinem Albumdebüt »November« (Top Dawg) vor allem ein Maestro des Oldschool-Soul. Die Referenzen sind, ähnlich wie bei Genosse Anderson.Paak, das organische Neo-SoulErbe der Soulquarians, die Ende der 1990er mit D’Angelo oder Erykah Badu den zweiten R’n’B-Frühling eingeläutet hatten. Zartbesaitet und behutsam schlängelt sich Sir auf organischen Drum-Breaks und EckkneipenBlues-Sonetten, flächigen Retro-Streichern der Philly-Soul-Schule und der Geschmeidigkeit des Sample-HipHop durch die Irrungen zwischenmenschlicher Beziehungen. Ein Album voller Realtalk-R’n’B über die Liebe, umrahmt mit jenen Nebenerkenntnissen, die nur das kummergeplagte Herz zu resümieren vermag: »Life is so much better when you live in slow motion.« Stimmt! »November« ist keine Musik, in der man sich wiederfindet. Man verliert sich in ihr.

Mit seinem »Sukkel Voor De Liefde«-Cover, dem EP-Vorboten »König in der Disko«, spaltete Kaas wie schon so oft in seiner mittlerweile zehnjährigen Rap-Laufbahn Szene-Meinungen und YouTube-Kommentarspalten. Nachdem sich das Orsons-Viertel noch vor rund anderthalb Jahren auf seiner EP »Jamaika« in leichtfüßigen, in Ragga und Dancehall getränkten Afrobeats endlich im passgenauen Kunsthabitat über sein positivistisches Weltbild aus freier Liebe, legalisierten Rauschmitteln und allgemeiner Höflichkeitssehnsucht singsangen konnte, steht er mit der EP »Zucker« (Vertigo Berlin) zwischen den Pop-Trap-Momenten eines Lil Uzi Vert (»Gift«) und nerdigen »Twin Peaks«-Samples wieder vor einer Identitätsfrage. Dieses Mal ist es das urzeitliche Thema der Versuchung. Doch der Teenager-Kitsch um die brunftigen Auto-Tune-Ansagen und synthetischen Now-School-Beats, die metaphorische Ausrichtung aus Arthur-Schnitzler-Verweisen (»Maskenball«) oder besoffenen Selbstreflexionen (»Der Pastor«) brillieren nur in Ansätzen. Die Grenze zwischen Rap und Schlager wurde hier nicht subtil, sondern oft einfach komplett aufgehoben. Somit bleibt »Zucker« am Ende leicht übersüßt kleben.

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ROTHENBURG OB DER TAUBER

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#Review »Altes Gasthaus Love« und »Für die nicht wissen wie« waren, nicht mal mehr einen Überhit wie »Kung Fu Fighting« vom gleichnamigen letzten Album schütteln sich die alten Herren aus dem Cordanzug-Ärmel. Dafür lernen wir beim ein wenig zu souligen Gastbeitrag von Judith Holofernes: Erdmöbel-Texte kann nur der gleichzeitig empathisch wie distanziert augenzwinkernd singende Markus Berges vortragen, die sind hochseilaktiger, als man denkt. Der kann dann allerdings auch »Stadtverwaltung« auf »ich bleibe jung« reimen, ohne dass man zuckt. Steffen Greiner

George FitzGerald All That Must Be Domino / GoodToGo / VÖ 09.03.18

Schluss mit Geheimtipp: Spätestens auf seinem zweiten Album beweist George FitzGerald, dass seine elektronische PopMusik in die allererste Liga gehört. Wenn es etwas gibt, woran man einen Song von George FitzGerald direkt erkennt, dann sind es seine Arpeggios. Verblüffend einfach gehaltene Synthesizer-Figuren, die aber irgendwann derart präzise und effektiv in die smart aufgebauten Arrangements greifen, dass sie den gesamten Titel plötzlich über mehrere Minuten alleine tragen. Ein Kunstgriff, der schon auf seinem 2015 erschienenen Debütalbum kleine Hits wie »Full Circle« hervorbrachte und nun immer noch keine Abnutzungserscheinungen zeigt. Im Gegenteil: Es sind Details wie diese, die mehr und mehr zum Trademark dieser melancholischen und in sich gekehrten HouseInterpretationen werden. Einst mit dem kurzlebigen Garage-House-Revival um Acts wie Disclosure oder Julio Bashmore assoziiert, hat der in London lebende Brite spätestens mit diesem Album eine ganz eigene Handschrift gefunden, die sich kaum noch mit irgendwelchen zeitgeistigen Phänomenen umschreiben lässt. Gäste wie Bonobo, Lil Silva oder Tracey Thorn treten nur ausgesprochen diskret in Erscheinung und bremsen den schönen Flow dieses Albums dementsprechend fast gar nicht aus. Bleibt eigentlich nur noch die Frage, wann FitzGerald endlich das Etikett des ewigen Geheimtipps abschütteln kann und auf den Mainstages spielt. Das hätte er nämlich längst verdient. Philip Fassing

befindet sich kein einziger schlechter Song. Sonnendurchflutete, luftige Stücke wie der potenzielle Hit »I’ll Be Waiting« oder das mit Ellie Rowsell aufgenommene »Is This How« kündigen im ersten Drittel des Albums bereits den Frühling an. Im Anschluss reduzieren Gengahr zwar das Tempo, ohne dabei jedoch an Qualität zu verlieren. Nachdem die dringliche Intensität von »Blind Truth« einem fast den Atem verschlägt, vermag auch das verschachtelte »Rising Tides« zunehmend zu vereinnahmen. Allerdings bleibt es dem weltumarmenden »Pull Over (Now)« vorbehalten, den Höhepunkt des durchgehend guten »Where Wildness Grows« zu bilden. Dirk Hartmann

Geowulf Great Big Blue 37 Adventures / PIAS / Rough Trade

Wenn man von der Sunshine Coast kommt, spiegelt sich das wohl unweigerlich in der Musik wider: Geowulf spielen einen sonnentrunkenen und von Synthies betupften Pop zwischen Faulheit und Lässigkeit. Bereits auf dem Cover ihres Debütalbums planschen Star Kendrick und Toma Banhanin von Geowulf irritierenderweise komplett angezogen im Pool und zeigen damit optisch auf, was inhaltlich folgt: gedrosselter und gelangweilter Indie-Pop in den Strand-Spuren von Lana Del Rey, Mazzy Star oder Beach House. Diesen Vorbildern folgen Geowulf mit softem und sanftem Beach-Pop, der leichte Gitarrenklänge mit atmosphärischen Synthies verbindet. Was dem Duo jedoch zu den genannten Acts fehlt, ist deren Lust an der Melancholie und am Tiefgang. Vielmehr wirken die Songs phlegmatisch, stets in leichten Gewässern cruisend, was wie bei dem eigenwillig vor sich hin schlurfenden Track »Hideaway« aber auch einen eigentümlich faszinierenden Sog entwickeln kann. Die Musik von Geowulf folgt damit den Gesetzen eines endlosen Sommers mit immerblauem Himmel – nach einer Weile stellt sich die berühmte Summertime Sadness ein, und man wünscht sich einen reinigenden Sommerregen statt des ewigen Geplätschers von Poolwasser. Kerstin Kratochwill

des Kornischen heute noch mächtig sind. Auf »Le Kov« erkundet sie ihre eigene Identität und zeigt ihre Verbundenheit mit diesen in Vergessenheit geratenen Traditionen. Ähnlich wie auch Björk bewegt sie sich dabei in ihrer ganz individuellen, vernebelten Sphäre. In einem wunderbar variantenreichen Soundgeflecht verarbeitet Gwenno futuristische Synthie-Klänge, psychedelische KrautrockElemente und exotische Instrumente. Es darf dann auch etwas entrückter und verschrobener sein, wenn Gwenno keltische Mythen vertont oder die walisische Landschaft besingt. Damit schließt sie an die Weite ihres Debüts an und liefert ein weiteres Zeitzeugnis, das tiefer geht als jede Geschichtsstunde. Miriam Fendt

Anna von Hausswolff Dead Magic City Slang / Universal / VÖ 02.03.18

Kompromisslos wie der Tod: Anna von Hausswolff verbindet düsteren GothicFolk-Pop mit verstörenden Noise-Ausbrüchen, um in einer schwarzen Musik-Messe die dunkle Seite des Ichs auszuräuchern. Gleich zu Beginn von »Dead Magic« fühlt man sich in einen zugigen katholischen Andachtsraum bei einem deutschen Begräbnis katapultiert. Doch wenn Anna von Hausswolffs sublime Stimme erklingt, entwickelt man eine Ahnung, wie Trauernde wirklich zu trösten wären. Die Schwedin, die tatsächlich Anna Michaela Ebba Electra von Hausswolff heißt, hat ihre Musik selbst als »Funeral Pop« bezeichnet und zwischen Kammermusik, Neo-Klassik, Noise-Experimenten, Art-Pop und Drone angesiedelt. Ihr erstes Album hieß »Ceremony« und war eine musikalische Totenmesse für ihren verstorbenen Großvater, das neue Werk heißt nun »Dead Magic« und ist eine sakrale Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichen. Die Stücke sind Epen in ausufernder Länge, das ambiente Kirchenorgel-Stück »Ugly And Vengeful« erstreckt sich gar über 16 Minuten. Auf »The Mysterious Vanishing Of Electra« spielt sie dann mit ihrer Stimme, so jauchzend, jammernd und exaltiert wie Kate Bush oder Diamanda Galas, dass den Hörern ein Schauer nach dem anderen über den Rücken gejagt wird. Eher ängstliche Menschen, die gerne verdrängen, werden dieses Album kaum ertragen können – neugierige Zuhörer, die gerne verarbeiten, werden jeden Ton darauf aufsaugen. Kerstin Kratochwill

Gwenno Le Kov Gengahr Where Wildness Grows Transgressive / PIAS / Rough Trade / VÖ 09.03.18

Das melodieverliebte zweite Album des Londoner Indie-Pop-Quartetts bestätigt nicht nur die positiven Kritiken des Debüts, sondern hält auch ein Feature mit Wolf-Alice-Sängerin Ellie Rowsell bereit. Als Gengahr vor fast drei Jahren ihr Debütalbum »A Dream Outside« veröffentlichten, überschlug sich die britische Musikpresse beinahe mit Lobeshymnen. Das wird sich auch mit der neuen LP der Band um Sänger Felix Bushe nicht ändern. Denn auf dem von Neil Comber (Glass Animals, M.I.A., Songhoy Blues) produzierten »Where Wildness Grows«

Heavenly / PIAS / Rough Trade / VÖ 02.03.18

Auf ihrem neuen Album »Le Kov« verleiht die walisische Sängerin Gwenno Saunders der fast ausgestorbenen Sprache Kornisch ein fantasievolles Pop-Update. Wie spannend es klingen kann, die eigenen kulturellen Wurzeln (ihr Vater stammt aus Cornwall) einer musikalischen Neuinterpretation zu unterziehen, zeigt die Waliserin Gwenno Saunders aufs Neue. Nachdem die ehemalige Pipettes-Frontfrau bereits ihre erste Soloplatte »Y Dydd Olaf« dem Kulturtransfer der keltischen Sprachen (damals vor allem des Walisischen) widmete, lädt sie nun zum »Le Kov«, zum wörtlich übersetzten »Ort der Erinnerungen«. Die in Cardiff geborene Sängerin gehört zu den wenigen Einheimischen, die sowohl des Walisischen als auch

The Herbaliser Bring Out The Sound BBE / Indigo / VÖ 02.03.18

Mit einer unheimlich wirksamen Melange aus runden Trip-Hop-Produktionen und Features aller Geschmacksrichtungen läuten zwei Legenden aus London den Frühling ein. Einmal im Leben The Herbaliser live sehen – das stand in den frühen 2000ern ganz oben auf meiner Liste. Die ultraseltenen Deutschland-Gigs von Ollie Teeba und Jake Wherry waren damals aber bereits nach einem Tag ausverkauft und ernteten überschwängliche

Kritiken. Vor ins Jahr 2018: Das Duo beschert mit seinem Tross aus Multiinstrumentalisten bis heute immer noch Konzerterfahrungen sondergleichen und hat seine Einflüsse aus HipHop, Jazz und Funk noch mal enger miteinander verwoben. Alben wie das organische Breakbeat-Kunstwerk »Blow Your Headphones« von 1997 oder das völlig unterschätzte »Take London« funktionieren heute wie damals auf der Bühne noch besser als im Studio. »Bring Out The Sound« erweitert nun das Tableau, das den beiden künftig live zur Verfügung stehen wird. Wieder finden die lässig, aber präzise taktierten Live-Beats von Drummer Mikey Moody ihre Ergänzung in der fünfköpfigen Bläsersektion, die den Sound der Herbaliser seit jeher auszeichnete. In »Out There« schmiegen sich sphärische Gitarren und pfiffige elektronische Intermezzi an den pompösen Sound, den Trompete und Bariton erzeugen. Kurz darauf wird der Teenie-Schlafzimmer-Soundtrack »Over & Over« von der relativ unbekannten britischen Sängerin Stac zu einem überraschend angenehmen Ohrwurm veredelt, während »Hearts Of Men« und »EMT« instrumentale Szenarien mit Soundtrack-Charakter malen. Das ist alles nicht herausfordernd, neu oder gewagt – aber dennoch Track für Track virtuos und dynamisch realisiert. Für den einen oder anderen Joint im Garten reicht es allemal. Nils Schlechtriemen

Hexadic Soundsystem Hexadic III Drag City / H’art

Ein drittes Mal alles auf sechs gebaut: Ben Chasnys hexadischer Kompositions- und Spielansatz erfährt diverse Deutungen von Untergrundgrößen des New Weird America. Mit einem Buch und den ersten beiden Teilen der »Hexadic«-Serie hat der Free Folker Ben Chasny alias Six Organs Of Admittance sein eigens entwickeltes Kompositionssystem in der nordamerikanischen Heavy-PsychSzene bisher beworben. Er entwickelte formbare Schablonen für die Gitarre, ob akustisch oder verzerrt, die alle einen kryptisch-rituellen Tenor verfolgen, sich aber immer wieder von neuen Warten aus betrachten lassen. So die Theorie. Auf »I« und »II« nahm sich Chasny dieser Aufgabe des Aufschlüsselns selbst an und zog Keiji Haino, Earth und Sightings hinzu, mit gemischten Ergebnissen. Hier prallte Noise-Rock auf experimentellen Folk und brutzelte psychedelisch vor sich hin – in seiner ganzen Ästhetik völlig dem Rauschen von zeitgenössischen Bands wie Sunburned Hand Of The Man oder frühen Animal Collective verpflichtet. Der dritte Teil geht nun deutlich ruhiger zu Werke und holt neben dem sphärischen Hall vom Moon Duo (»Square Of The Sun«) auch das reduzierte Gezupfe des bhutanischen Gitarristen Tashi Dorji (»KO«) an Bord. Vom Trio Stephen O‘Malley (Sunn O)))), Tim Wyskida (Blind Idiot God) und ToningenieurLegende Marc Urselli wird an Bohren & Der Club Of Gore erinnerndes Dröhn-Potenzial aus Chasnys hexadischem System gekitzelt (»Solastalgia«). Das klingt beim Lesen leider alles viel aufregender als beim Hören. Denn auch wenn man sich einiges bei diesem kompositorischen System gedacht hat, wird am Ende wenig transportiert. »Hexadic III« mäandert, grummelt und wirkt verhalten experimentell, bleibt damit aber deutlich hinter den vorigen Teilen und einem wirklich interessanten kompositorischen Ansatz zurück. Nils Schlechtriemen


MASCHINENRAUM MIT PHILIP FASSING

Kaum neue Namen, dafür aber viele geschätzte Weggefährten: Dies sind die spannendsten Techno- und House-Releases des Monats.

Dass Matt Cutler alias Lone derzeit zu den spannendsten Protagonisten der europäischen Club-Szene gehört, konnte man an dieser Stelle schon des Öfteren lesen. Daran ändert sich auch mit »Ambivert Tools Volume Three« (R&S) nichts, denn der Engländer führt hier seine einfallsreiche Vision von geschmackvoller House-Musik konsequent fort. Dass sich hier und da ein paar auffällige Breaks zwischen die Taktschläge mischen, dürfte niemanden mehr überraschen, schließlich hat Lone diesem Teil der britischen Club-Geschichte mit »Levitate« einst sogar ein ganzes Album gewidmet. Umso schöner, dass hier noch einmal subtil darauf angespielt wird.

Als Nathan Fake im vergangenen Jahr mit »Providence« seinen Einstand bei Ninja Tune gab, ging damit eine interessante Entwicklung einher: weg von der MDMA-geschwängerten Melancholie, hin zur experimentellen Distanz. Ein Album, das nicht unbedingt zu Fakes stärksten Veröffentlichungen zählt, aber sicher notwendig war. Notwendig, um wie jetzt mit »Sundered« (Ninja Tune) wieder ein Stück zu seinen Wurzeln zurückzukehren und die Leute darüber staunen zu lassen, wie gut sein sperrig-emotionaler Trance-Entwurf auch mehr als zehn Jahre nach den großen Zeiten von Border Community noch funktioniert. Mit »Winona« ist DJ Boring vor zwei Jahren ein veritabler Hit gelungen, der inzwischen nicht nur mehr als drei Millionen Aufrufe auf YouTube hat, sondern auch seinen Teil zum anhaltenden 1990er- und Lo-Fi-Revival beigetragen haben dürfte. Genau dort möchte der Londoner DJ nun zusammen mit Stanley Schmidt anknüpfen, das gemeinsame Label Vienna soll dafür die Plattform bieten. Auf der ersten, schlicht nach der Katalognummer »Vienna001« (Vienna) betitelten Platte klingt das schon ganz ordentlich, wenn auch weit entfernt von den Qualitäten des eingangs erwähnten Hits: Breaks, Nostalgie und verwaschene Synthie-Pads in Hülle und Fülle.

Mit »Trébucher« (Houndstooth) startet Ross Tones alias Throwing Snow eine neue EP-Serie, die mit drei weiteren Teilen im Sommer gesammelt auf Vinyl erscheinen soll. Eine Praxis, die schon 2016 zu der fantastischen »Axioms«Compilation führte und auch hier wieder äußerst vielversprechend beginnt. Vor allem der Titelsong macht mit seinem mächtigen, sich immer wieder in neue Dimensionen dehnenden Arpeggio einiges her und tröstet problemlos über die etwas schwächere B-Seite hinweg. Die versinkt ein wenig zu sehr in ihrem sumpfigen Basslauf und kommt trotz interessanter BreakKonstruktion nicht recht vom Fleck.

Niemand liebt es so sehr wie Clarian North, statt abgenutzter Promo-Floskeln einfach mal ein paar bizarre Anekdoten zum Besten zu geben, die ganz klar dem Reich der Fantasie entstammen. Sein Debütalbum soll demnach entstanden sein, nachdem ihn ein mexikanischer Kult aus seinen Reihen verbannt hatte. In diesem Fall ist die Wahrheit allerdings weitaus spannender – in der ist »Television Days« (Balance Music) nämlich schlichtweg genial. Ein erwartungsgemäß exzentrischer Blick auf Synthie-Pop und Shoegaze, ItaloDisco und Low Fidelity. Kurzum: Ein Album, das unbedingt noch einmal im Sommer aufgelegt werden sollte – auch wenn es bis dahin noch ein bisschen dauert.

Martin Enkes Affinität zum Electro(-Funk) der 1980er konnte man auf seinen Veröffentlichungen für Labels wie Permanent Vacation oder zuletzt Mule Musiq immer wieder raushören. Dass sich der Leipziger Produzent, eigentlich unter dem Namen Lake People aktiv, mit Amrint Keen nun sogar ein eigenes Alter Ego für diese Schlagseite zugelegt hat, ist da nur konsequent. Wie elegant diese Aspekte auf »AK OK« (Uncanny Valley / Clone) wiederum mit Enkes ausgeprägter Vorliebe für klare AcidBekenntnisse zusammengehen, ist hier das eigentliche Kunststück. Eine Hybrid-Form, die vor allem auf »Dancing In The Parking Lot« zu Höchstform aufläuft.

Terranova kehren nach ihrem letztjährigen Gastspiel für die Speicher-Serie zurück ins Mutterschiff, um dort die »Cosmo EP« (Kompakt) auf den Weg zu bringen. Zunächst muss man feststellen, dass das ganz schön viel Holz für so eine fast schon beiläufige Veröffentlichung ist: Vier neue Tracks sind das, von denen einer in drei verschiedenen Variationen kommt. Abwechslung ist dementsprechend garantiert, kaufen tut man sich das Ding aber vor allem für den Eröffnungstitel »Cosmochord« (feat. Flashmob), der mit seinem mächtigen Groove und stoischen Funk garantiert für volle Tanzflächen sorgt. Mit »Universal Rhythm« (R&S) ist Negghead und Lex Wolf alias Acid Mondays derweil ein prunkvolles Percussion-Epos gelungen, das mit seinen unheilvollen Rhodes-Akzenten und einer eindringlichen Spoken-Word-Perfomance wie aus einer anderen Welt klingt. Schön, dass Techno manchmal auch so surreal sein kann. Im Remix von The Maghreban klingt das dann noch ein wenig aufgeräumter, zugleich aber auch schmutziger und roher. Geheimtipp!


108

#Review

Kendrick Lamar Black Panther: The Album Interscope / Universal

Marvel goes Afrofuturismus goes zeitgenössischer HipHop: Der kongeniale Soundtrack zum aktuellen Comic-Blockbuster wurde von Kendrick Lamar himself kuratiert. T’Challa ist der neue König von Wakanda, weil sein Vater in »Avengers: Civil War« einem Anschlag zum Opfer fiel. Er ist aber auch Black Panther, ein Superheld, der in Nordamerika kämpft. Wakanda wiederum liegt – versteckt – auf dem afrikanischen Kontinent und ist aufgrund seiner geheim gehaltenen Vibranium-Vorkommen so etwas wie das Paradies der Zukunft: ein technologisch und kulturell so hoch entwickeltes Land, dass es dem Rest der Welt um Jahrhunderte voraus ist. Das ist die Basis für die Probleme und Abenteuer des 1966 erstmals auf der Bildfläche erschienenen Comic-Helden Black Panther. Und in der inspirierten Verfilmung von Ryan Coogler ist das außerdem ein spannender, Mainstream-kompatibler Entwurf des Afrofuturismus-Konzepts, das verschiedene Black-Empowerment-Strömungen seit Jahrzehnten beackern: nicht um Emanzipation, Vorherrschaft oder gar Integration vor Ort kämpfen, sondern anderswo, außerhalb dieser Welt, mit einer eigenen Black Community neu anfangen. In der Musik formulierte Sun Ra bereits »Space Is The Place«, und George Clinton setzte das Ganze direkt in Kostümen, Texten und Space-Funk um. Von da aus ist es eigentlich nur noch ein kleiner Schritt zu einer kontemporären Version im »Future Sound of HipHop« eines Kendrick Lamar. Der hat keinen klassischen Soundtrack kreiert, sondern Tracks geschrieben und zusammengestellt, die »Black Panther« quasi auf musikalischer Ebene weiterführen. Dabei hat er sich von Promi-Kollaborateuren wie James Blake und The Weeknd oder alten Buddies aus Black-Hippy-Zeiten wie Ab-Soul, Jay Rock und Schoolboy Q helfen lassen. Er hat aber auch Newcomern wie SZA, Jorja Smith und Khalid ein Forum gegeben. So bildet sich die im Film gelungene stylishe und

farbenfrohe Mischung aus Science-Fiction und traditionellen afrikanischen Kultur-Versatzstücken in der Musik auf einer anderen Ebene ab. Das ist aufregend, ohne anstrengend zu sein, emotional, ohne kitschig zu sein, und politisch, ohne phrasenhaft zu werden. Schließlich wird auf einer Ebene des »Black Panther«-Stoffs das Problem Abschottung versus Integration verhandelt, während es auf einer anderen Ebene um Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von berechtigten Anliegen geht. Angeblich geht die Benennung der Black Panther Party in den USA nicht zuletzt auf den Comic-Helden zurück. Dieser Soundtrack jedenfalls ist über weite Strecken nicht weniger als ein weiterer Geniestreich von Kendrick Lamar, mit etlichen Killer-Tracks und einem Spotlight auf das, was heute möglich ist. Direkt und im übertragenen Sinn. Claudius Grigat

dritten Album vorrangig der Unvereinbarkeit von Kunst und Entertainment, dem Zwiespalt zwischen dem Ausdrücken ehrlicher Gefühle und dem Versuch, die Ansprüche eines Publikums zu befriedigen – und natürlich der Liebe, dem Thema, das alle anderen überschattet. Das berührt und kann nicht nur als atmosphärisches Rock-Album, sondern auch als Hörbuch funktionieren. Höchstens die deutlichen christlichen Untertöne mögen manchen verstören. Aber es ist ja nicht so, dass man nicht wüsste, welches Buch normalerweise in Hotelzimmern ausliegt. Jan Martens

City Slang / Universal

Hassle / Rough Trade

Cam Smiths Spoken-Word-Projekt bleibt ergreifender, als man es von Musik erwarten würde, die man mit »Emo« genauso wie mit »Christian Music« taggen kann. Die gerne auch als »The Wave« zusammengefassten Hardcore-Bands von La Dispute bis Defeater werden nicht zuletzt aufgrund der zerbrechlichen Poetik ihrer Texte gerühmt. Cam Smith ging mit Letzteren nicht nur unter dem Projektnamen Hotel Books auf Tour, sondern auch einen weiteren Schritt in Richtung einer Fusion von Emo und Poetry Slam, indem er die Musik – auf »Equivalency« mehr als je zuvor – in den Hintergrund drängt: Während sich die Refrains mancher Songs noch abwechslungsreich zwischen Ambient, Emo-Rock der frühen 2000er und simplen akustischen Gitarrenmelodien bewegen, wird der Sound in den Strophen auf unaufdringliche ambiente Gitarrenflächen oder einzelne Klaviernoten reduziert. Andere Stücke gehören komplett der mal gequält schreienden, mal kontemplativ murmelnden, manchmal verzweifelt brechenden Stimme Smiths. Dessen Gedankenströme widmen sich auf seinem

Isolation Berlin Vergifte dich Staatsakt / Caroline / Universal

Imarhan Temet

Hotel Books Equivalency

simplen Feststellung belassen: Gute Musik ist manchmal einfach gute Musik. Lars Fleischmann

Angesichts ihres neuen Albums »Temet« merkt man, dass Imarhan in den vergangenen Monaten die westliche Welt kennengelernt haben. Imarhan sind sozusagen die kleinen Brüder von Tinariwen. Tatsächlich gibt es auch ein verwandtschaftliches Verhältnis: Tinariwens Eyadou Ag Leche ist der Cousin von Sadam, den man als den musikalischen Kopf von Imarhan bezeichnen darf. Gemein ist ihnen die Heimat in der Wüstenoase Tamanrasset in Süd-Algerien, die mit knapp 100.000 Einwohnern eine der größeren Oasen der Sahara ist. Musikalisch kann man natürlich auch Gemeinsamkeiten erkennen: E-Gitarren und von Percussion getragene Songs, die auf Tuareq gesungen werden. Moderne afrikanische Musik von »nicht modern« lebenden Nomaden also. Auf »Temet« kommen aber auch viele andere Einflüsse zusammen. UpTempo-Nummern wie »Azzaman« oder »Ehad Wa Dagh« versprühen discoiden Charme und sind gar nicht mehr so leicht in der »Wüste« zu verorten. Auch afrikanische Kulturen wachsen immer weiter zusammen, werden immer mehr globalisiert. Bei »Imuhagh« denkt man zum Beispiel eher an Steppen und US-amerikanische Freiheitsgefühle: Wer dort Kurt Vile oder The War On Drugs heraushört, liegt nicht ganz falsch. Sicherlich wecken die zehn Stücke noch andere Assoziationen rund um Wüstenstaub, doch man kann es auch bei der

Obacht, ihr Erstis, Selbstfinder und Cool Kids: Berlin ist richtig scheiße. Serotoninhemmung, Spelunken-Romantik und Bamborschkes verkaterte Aphorismen auf »Vergifte dich« geben das unverblümte Manifest der Anti-Hipness. Bereits sein Gedichtband war ein lyrischer Magen-Reflux – Tobi Bamborschkes Kotzkragen platzte. Und auch »Vergifte dich«, das zweite Album seiner Band Isolation Berlin, gleicht nicht weniger einem Hassgelübde – zu großen Teilen wieder an die selbstverschwenderische Hipness der Hauptstadt. Das Credo ist frustrierend wie die Sonne, wenn sie dir halt mal nicht ins Gesicht scheint: Besoffene Gedankenspiele, dionysischer Wahnsinn und hedonistische Kompensation bestimmen das Metrum in jeder Zeile dieser unprätentiösen Spoken-Word-Psychose. Wenn das nun Spelunken-Pop (»In deinen Armen«) oder gar Berliner Schule ist, dann passt das entweder besser nach Hamburg oder hat schon jetzt die meisten Klassenbucheinträge. Aufmüpfiger Noise (»Vergifte dich«), melodiöse PianoLiebelei (»In deinen Armen«) und schlaftrunkene Synthies kippen dem Imperativ des Albumtitels schizophrene, aber immerhin klare Sounddestillate ins Schnapsglas. Von schwelgerischer Melancholie bleibt eigentlich nur Tristesse übrig, die Traditionslinie tagebuchtauglicher Poesie findet dennoch ihr Plätzchen. Für »Marie« trotzdem blöd: Sie ist mit Sicherheit die letzte Germanistik-Kommilitonin, die auf den romantischen Nihilismus Bamborschkes reinfällt. Mit »Die Leute«, ganz sicher aber mit »Kicks«, einer Ode irgendwo zwischen Electro-Punk und selbstzerstörerischer Individualitätstheorie, gelingt Isolation Berlin dann auch noch der Hit, den diese bewusstseinsströmenden Notizen nicht mal gebraucht hätten. Benni Bender


Infos & Tickets: www.concertteam.de

02.03.2018 | Köln | Stereo Wonderland

Lanikai

ZIEGENBLUT IM DOSENBIER MIT FRIESE UND HÖLLE

Den Plattenladen schmücken Cover von Tocotronic bis Nils Frahm, doch wenn diese Kolumne geschrieben wird, müssen Kundeninteressen mal kurz zurückstehen ...

Hölle betritt den Underdog Recordstore, erstarrt, fällt auf die Knie und dankt Satan dafür, dass er wieder jemanden hat gehen lassen. Genau versteht man ihn nicht, denn er spricht wie gewöhnlich in solchen Situationen rückwärts. Friese: Wah? Hölle [glücklich stammelnd]: Lemmy! Motörhead! Wieder da! F: Akklimatisier dich mal, du Spacken, das ist die »Pounding The Pavement« (Steamhammer) von Anvil. Warte einen Moment, und du wirst das obligatorische Stampfen eines typischen AnvilSongs hören. Doch unrecht hast du nicht, diese Platte atmet so viel Motörhead, dass es nicht mehr verwundert, dass dem Original-Line-up mittlerweile die Luft ausgegangen ist. H: Blasphemie! Gefällt mir. Trotzdem ungewohnt von Lips, Robb und dem, äh, Dritten. Der Sound klingt frisch, aber nicht anbiedernd. F: Friesisch herb, denn in meiner Heimat wurde sie aufgenommen. Von einigen Ausfällen abgesehen ist dieses 16. Album insgesamt eine starke Platte.

Apropos Motörhead und Ostfriesland: Ich war gerade auf Heimaturlaub und bin dort auf dem zu kleinen Fahrrad (mit Elektro-Unterstützung) meiner Mutter gefahren, als ich mir die neue Phil Campbell And The Bastard Sons namens »The Age Of Absurdity« (Nuclear Blast) angehört habe. H: Gut, dass du’s sagst, ich wollte bei meinem Treppenlift unbedingt noch den Auspuff absägen. Aber mal im Ernst: Ist das hier nicht wie Queen mit Adam Lambert? F: Wer?!? Verstehe aber, was du meinst. Glaube ich zumindest. Die besten Momente dieses Albums, und davon gibt es nicht wenige, sind dummerweise die, bei denen man Lemmy am meisten vermisst. Ansonsten gibt es viel soliden Rock. Aber bei weitem besser als die erste EP.

H: Und wo’s gerade bluesig wird: Wollen wir nicht mal auf Doom umschwenken? Ich hätt hier die »Horsepower« (Argonauta / Atypeek) von Greyfell. Zweites Album, schön spacigpsychedelisch, entsprungen aus dem SozaCollective von Rouen. Mumpft etwas gegenüber der Hochglanz-Produktion von eben, aber das macht der Okkult-Hall wieder wett. F: Die Stärken dieser Herrschaften liegen definitiv eher im Doom. Sobald sie rumpsychedelieren, klingt es eher bemüht. Lieber die Dampfwalze mit Benzin tanken statt LSD, dann fährt es sich besser. H: Kann man, glaube ich, schlecht generalisieren, aber wir geraten hier metaphorisch noch ins Fledermausland.

Magst du lieber Thulsa Doom? Ich hätte die »A Keen Eye For The Obvious« (Dupley) dabei. Aber Obacht, Papa Doom klingt streckenweise bis zum Betrugsverdacht nach Phil Lynott! H: Die ersten beiden Platten hatten einen weit höheren Stoner-Einschlag. Aber hier wird in der Tat Thin Lizzy in einer Art gehuldigt, wie man es selten hört. Sie lassen nämlich die Twin-Lead-Gitarren weg, die sonst als Referenz herhalten müssen, stattdessen bedienen sie sich am Gesang und den Melodiebögen.

H: Dann lass uns doch die Doom-Trilogie vollmachen und trotzdem ganz arg den Sound wechseln. Wir haben doch diesen Brief von Berliner Doom bekommen, in dem sie uns »Tränenpalast« (berlinerdoom.de) geschickt haben. F: Wäre es doch nur ein Brief gewesen, denn die 17 Titel umfassende Tracklist dieser halbminütigen Ausbrüche ist das Unterhaltsamste daran. H: Hab doch ein Herz für mein Herz für das bekennend Antikommerzielle! Es rumpelt, zuckt, brodelt, spuckt und holzt, und eh sich etwas Ähnliches wie Groove auch nur einstellen kann, ist alles vorbei. Titel wie »Schlafmohn in der Uckermark« sind noch die griffigsten. Und in der CD-Hülle ist sogar eine Handy-Nummer aufgedruckt, unter der man das Duo (oder die Gast-Sängerin?) erreicht. F: Das hier ist Kunst für den Moment. Kann man sich beim Durchhören amüsieren? Aber natürlich. Trotzdem wird es bei mir wohl keinen zweiten Durchlauf geben. H: Faschist! F: Ich kann keinen Fasching leiden, also nenn mich nicht so.

Was ich aber leiden kann, ist die neue Deadheads-Platte. H: »This One Goes To 11« (High Roller)? Darf man die letzten Punk’n’Roll-Riffs der 1990er aufbrauchen und die Platte mit einem Spinal-Tap-Zitat betiteln, ohne von der Gegenwart Hausverbot zu bekommen? Das alles kommt mir schwedisch vor. F: Was heißt denn hier aufbrauchen? Solange die Jungs aufs Gaspedal steigen, treten sie mit Hard Action das legitime Erbe der Hellacopters/GlueciferSchule an. Schwachbrüstig wird es jedoch immer, wenn sie die Bremse anziehen. Wie soll man denn bei dem Tempo sein Bier leeren? H: Meh, da bin ich doch klar Team Hard Action. Aber Schluss mit der Räude, bring me some Düsternis! F: Dann lass ich dich von Tribulation und »Down Below« (Century Media) dahin bringen, wo kein Licht mehr scheint. Den Vorgänger habe ich ja sehr gemocht, und am Konzept wurde nur wenig geändert: HeavyGoth-Rock mit gekeiften Vocals und immer wieder herrlichem Lead-Gesang. Wenn man etwas beklagen könnte, dann vielleicht, dass »Down Below« nicht mehr so sehr überrascht oder beeindruckt, weil man das Rezept jetzt eben schon kennt. H: Ist einfach nicht »street« genug (sofern Goth-Rock das überhaupt kann). Was ist mit der »Split« (Relapse) von Iron Reagan & Gatecreeper? F: Good ol’ new Thrash-School. Iron Reagan moshen sich in bester Anthrax-Manier auf Steroiden durch ihre Hälfte. I love it. H: Da bang ich mit ein, das lässt keine Haarwurzel kalt! F: Gatecreeper streicheln dafür meine Liebe für 1990er-DeathMetal wund. Hat hier irgendwer Dismember gegrölt? H: Keine Ahnung, warum sich die Band für ihre zwei Songs noch ein Intro von 1:50 Minuten gegönnt hat. Aber was soll’s. Wenn Nostalgie so klingt, fällt jeder Staub von ihr ab. Sollen eben andere hinterherswiffern.

03.03.2018 | Köln | Palladium

at the Drive in 07.03.2018 | Köln | Gloria Theater

DiLLOn

08.03.2018 | Köln | Luxor

the BOxer reBeLLiOn 17.03.2018 | Köln | Stereo Wonderland

faiD

20.03.2018 | Köln | Artheater

typhOOn

08.04.2018 | Köln | Artheater

aLL the Luck in the WOrLD 08.04.2018 | Düsseldorf | The Tube

Bruckner

18.04.2018 | Köln | Stadtgarten

her

19.04.2018 | Köln | Kulturkirche

LeOn Buche & BanD 19.04. | Bochum | Rotunde · 20.04. | Düsseldorf | Stone im Ratinger Hof 27.04. | Aachen | Musikbunker

tiM vantOL 23.04.2018 | Köln | YUCA

Otzeki

26.04.2018 | Köln | YUCA am CBE

BLauDzun 26.04.2018 | Köln | CBE

pOrticO Quartett 27.04.2018 | Düsseldorf | The Tube

BenDer & SchiLLinger 28.04.2018 | Düsseldorf | The Tube · 29.04.2018 | Köln | YUCA

MainfeLt

29.04.2018 | Köln | Essigfabrik

guSguS

04.05.2018 | Köln | Studio 672

JOSin

07.05.2018 | Köln | YUCA am CBE

Bette SMith

Verlegt!

10.05.2018 | Köln | YUCA

BryDe

22.05.2018 | Köln | YUCA

gunDeLach 30.05.2018 | Köln | Gebäude 9

We are ScientiStS 26.06.2018 | Köln | E-Werk

eeLS

05.11. | Köln | YUCA · 06.11. | Dortmund | FZW Club · 18.11. | Frankfurt | Nachtleben

körner

27.11. | Frankfurt | Zoom · 29.11. | Dortmund | FZW · 30.11. | Köln | CBE

LiOnS heaD


110

#Review die sich dann als folgerichtige Tatsachen entpuppen. Die Versuchsanordnung aus zurückhaltender Electronica und seinem erzählerischen Timbre glückt. Sein Labor war dabei dieses Mal nur der heimische Dachboden in Dublin. Daher danke für diese feinen Home Recordings! Mathias Meis

Fritz Kalkbrenner Drown Different Spring / Rough Trade

Endlich instrumental! Doch Fritz Kalkbrenners Entscheidung, gänzlich auf Vocals zu verzichten, ändert nichts an der durchschimmernden Konstruiertheit seiner Produktionen. Beinahe Spur für Spur lassen sich die Claps und Snaps, Drum-Loops und Premium Kicks heraushören, die Fritz Kalkbrenner auf seinem fünften Album »Drown« zusammengebaut hat. Eigentlich wollte sich der Produzent, der in den letzten Jahren mit radiotauglichem Vocal House berühmt wurde, vom »endlosen Editieren am Bildschirm« verabschieden. Funktioniert hat das nicht so richtig: Ähnlich im Aufbau, aber auch in puncto Klangfarben und melodischer KlimaxVerweigerung, dümpeln die zwölf Tracks phasenweise ziemlich vor sich hin, bieten kaum Abwechslung und nur selten so etwas wie Textur – alles klingt vorgekaut, aufgereiht, abgespult. Nicht dass sich House irgendwie permanent neu erfinden müsste oder könnte, aber geht da nicht doch etwas mehr, als einfach nur atmosphärisch-melodische Hooks aus dem Ofen zu holen und die Sache nach Schema F durchzuexerzieren? Doch vielleicht möchte Kalkbrenner ja genau das. Schwelgen in Sounds, die den jungen DJ vor mehr als 20 Jahren zur elektronischen Musik zogen und dort bannten. Spielerisch Erinnerungen an Vergangenes mit modernen Mitteln wiedererwecken – das klingt in den seltensten Fällen schneidig oder unartig. Und so lassen sich Tracks wie »Bleed« oder »Play« als Hintergrundbeschallung gut verkraften, evozieren manchmal sogar Momente, die Atmosphäre aufkommen lassen. Doch darüber hinaus wirkt dieser Sound auf Dauer etwas verbraucht und kraftlos. So wie das schöne impressionistische Landschaftsgemälde von Fritz’ Opa, das als Cover für »Drown« dient, kann man sich das Album reinziehen, ohne danach irgendetwas behalten zu haben. Nils Schlechtriemen

Legend Of The Seagullmen Legend Of The Seagullmen Dine Alone / Caroline / Universal

Supergroups hat der Prog-Metal eigentlich mehr als genug – aber keine, die einem solch bescheuert-absurden Konzept folgt und trotzdem noch solchen Spaß macht wie diese Seemöwenmänner. Wenn eine Band neben Jimmy Hayward (Regisseur von Kinderbuch- und Comicverfilmungen wie »Horton hört ein Hu«) noch aus einem früheren Bassisten der weltgrößten Zappa-Coverband besteht, der dazu auch noch wie der Protagonist aus »Family Guy« heißt, sowie Tool-Drummer Drew Carey, der die Musikwelt nun schon seit zwölf Jahren hinsichtlich eines neuen Albums seiner Hauptband trollt, kann eigentlich wenig schockieren. Überraschend ist dann nicht einmal, dass es sich beim Ergebnis ihrer Zusammenarbeit um eine Symbiose aus einem Spaghetti-Western über Seemonster und psychedelischem Metal handelt, sondern vielmehr, wie gut diese auch in ihren überzogensten Momenten funktioniert. Während sich das Soundgerüst gerade zu Beginn noch recht bodenständig an Bands wie Mastodon (dessen Gitarrist Brent Hinds ebenfalls mitwirkt) orientiert, lassen Songs wie »Curse Of The Red Tide« oder »The Orca« das absurde Gedankenspiel zu, Ennio Morricone habe sich mal einem Teil der »Sharknado«-Reihe widmen wollen. Der finalen »Ballad Of The Deep Sea Diver« wiederum wurde im Produktionsstudio Hans Zimmers der letzte Schliff verliehen. Völlig bekloppt das alles – und wohl gerade deswegen so spaßig. Jan Martens

Der charmante irische Songwriter David Kitt, der doch partout kein Songwriter sein möchte, meldet sich nach acht Jahren mit einem angenehm eindimensionalen Ambient/Folk/Pop-Album zurück. Noch immer sind es schöne, kleine Melodien, geradezu elegische Meisterwerke, die David Kitt scheinbar mühelos aus seinem begabten Ärmel schüttelt. In ihrer Reduktion erinnern seine wohltuenden Arrangements an die großen Momente der Tindersticks, deren Tour-Support er im Jahr 2001 war, damals lediglich mit Akustikgitarre ausgestattet und durch ein Keyboard und ein Saxofon begleitet. Danach heuerte er zeitweise bei den Schotten an, tourte, reiste und arbeitete nebenbei an eigenen Kompositionen. Aus dem Jüngling mit der Gitarre ist mit der Zeit ein findiger Tüftler geworden, der mit außerordentlicher Ruhe, viel Liebe zum Detail und Gespür für den Augenblick kleine Experimente wagt,

Liza Anne Fine But Dying Arts & Crafts / Caroline / Universal / VÖ 09.03.18

Nicht nur Emil Kraepelin und Erich Fromm hätten ihre pure Freude an Liza Annes eingängigen Songs, die von Bindungsängsten und Paranoia handeln. »As of right now, I’m losing it, as if I had it in the first place«: Selten haben zwei Textzeilen ein ganzes Album thematisch so gut auf den Punkt gebracht wie dieses Eingeständnis einer Musikerin aus Georgia. Auf ihrem dritten Studioalbum arbeitet sich Liza Anne Odachowski an ihren psychischen Problemen ab und singt von Angstattacken (»Panic Attack«), Bindungsängsten (»Closest To Me«) und sozialen Phobien (»Small Talks«), ohne dabei auch nur im Geringsten der für Songwriter so verführerischen Rührseligkeit zu verfallen. In dem Gewand aus verträumten Folk-Tracks,

Album zugrunde. Als die Arbeiten an dem Album begannen, waren Cross und Duszynski ein verheiratetes Paar, ihre Beziehung endete während der Sessions. Aufgenommen haben sie das selbstbetitelte Debüt in einem Haus auf dem Land in Texas, über mehrere Monate, umgeben von kaum etwas als Natur. Letztere ist auch auf dem Album omnipräsent, Field Recordings bestimmen das Bild. Der Höhepunkt kommt am Ende: Die monolithische Single »Black Willow« ist ultraverdichet, hypnotisch, getragen von den Stimmen von Meiburg und Cross. »The life I lived is dead.« Christian Steigels

Lo Moon Lo Moon Columbia / Sony

Tränen süß wie Schmerz und Liebe, so hoffnungslos wie Schnee im Juli. Auf dem Debütalbum von Lo Moon bemüht sich die Band, die Lücke zwischen Coldplay und Rhye zu schließen. Täglich begegnet uns im Alltag die unbarmherzige Härte der Welt. Weil niemand unser neues Instagram-Foto mag oder in der Bahn schon wieder kein Sitzplatz frei ist. Manchmal brauchen wir einfach Streicheleinheiten. Eine solche ist diese aalglatte Scheibe von Lo Moon. Matt Lowell, Crisanta Baker und Samuel Stewart formen dieses slicke Trio und füllen perfekt die Lücke zwischen den Kuschelrockern Coldplay und Rhye. Um es auf den Punkt zu bringen: »Lo Moon« tut nicht weh, höchstens gibt es ab und an kleine Stiche ins Herz ab. Bei Songs wie dem dramatischen »Loveless« oder »TTMYMO« erinnert Matt Lowell an die Zerbrechlichkeit Talk Talks, um dann im Refrain den Chris Martin zu geben. Alles richtig gemacht, könnte man sagen. Wenn man weiß, wie man sein schwermütiges Pathos durch den Alltag trägt, dann findet man sich in diesem Debüt sicher wieder. Und wenn man mal wieder an die zitternde Fensterscheibe im Bus lehnt, die Regentropfen beobachtet und über Versäumnisse im Liebesleben nachdenkt, dann ist das ein guter Soundtrack dafür. Konstantin Maier

Loma Loma

David Kitt Yous All City / Rough Trade / VÖ 09.03.18

durchaus kantigen E-Gitarren und UptempoStücken bekommt diese reife Selbstanalyse eine ansprechende und vor allem abwechslungsreiche Verpackung. Bis dato war Liza Annes Musik so unscheinbar wie ihr Künstlername. Auf das vielversprechende Debüt im Alter von 19 Jahren, das noch stark von ihren Nashville-Wurzeln geprägt war, folgte die zaghafte Indie-Annäherung »Two«. Mit »Fine But Dying« gewinnt sie nun deutlich an Profil und ist die Entdeckung auf jeden Fall wert. Sebastian Jegorow

Sub Pop / Cargo

Ein Haus in Texas, ein Paar, das sich trennt, viel Natur. Das selbstbetitelte Debüt von Loma kommt aus der Dunkelheit. »I fell in love with their music and I wanted to know how they did it«, sagt Jonathan Meiburg über seine Mitstreiter Emily Cross und Dan Duszynski. Meiburg ist Sänger der US-amerikanischen Indie-Rock-Band Shearwater, Cross und Duszynski bilden in ihrem anderen Leben das Duo Cross Record. 2016 tourten sie gemeinsam, und als Folge der gegenseitigen Wertschätzung haben sie nun als Loma gemeinsam ein Album aufgenommen. »What does the night have to do with the day«, lauten die ersten Zeilen im Opener »Who Is Speaking?«. Das passt, wohnt dem ballastlosen und atmosphärischen Indie-Pop des Trios doch ein träumerischer Charakter inne. Tag-, Nacht- und Datumsgrenzen wirken aufgehoben. Eine latente Bedrohung, eine düstere Stimmung und Trauer liegen dem

Love Machine Times To Come Unique / Groove Attack / VÖ 02.03.18

Bald 50 Jahre nach Woodstock lädt die Düsseldorfer Formation Love Machine zu einer Zeitreise zurück in die blumigen 1960er ein und predigt äußerst generös von Love, Peace and Happiness. Ein bisschen mehr Liebe und Zusammenrücken in diesen Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Kälte kann doch nicht schaden, dachten sich die fünf bärtigen Männer von Love Machine und machten sich daran, den passenden Soundtrack zu dieser nicht falschen Devise zu komponieren. Entstanden sind sieben durchweg souveräne Tracks, die sich nicht in den üblichen banjolastigen Americana-Melodien verlieren und stattdessen satte Konvolute aus Krautrock, Blues und Folk drapieren. Das ist ebenso Freude wie Herausforderung, denn mit der Zeit zerfließt »Times To Come« zunehmend zu einer in Trance versetzenden und psychedelischen Tinktur, die wohldosiert zu genießen ist. Denn was in einem Moment noch hypnotisch erscheint, schlägt im nächsten Augenblick in Monotonie um: »Times To Come« fehlt die Dramaturgie. Und doch ist die Band die notwendige Antwort auf den Vorwurf, dass es in Düsseldorf zwischen der avantgardistischen Electronica des Salon des Amateurs und dem breitbeinigen, schweißgebadeten Rock weißer Männer keine musikalische Nische gebe. Mathias Meis

The Low Anthem The Salt Doll Went To Measure The Depth Of The Sea Joyful Noise / Cargo

Das fünfte Album von The Low Anthem hat wie auch schon der Vorgänger nicht mehr viel mit der Folk-Feierlichkeit des Frühwerks gemein. Nach einem Unfall auf Tour stand bei The Low Anthem erst mal alles auf Null. Jetzt kehren sie mit einer sehr introspektiven Platte zurück, deren Reiz in den elektronischen Texturen liegt, die sie zart in ihre leisen Songs einbauen. Die hymnischen Chöre, die zu Beginn der Karriere der Gruppe aus Rhode Island noch ein gern eingesetztes Stilmittel waren, sind endgültig verschwunden. Und so mutet die Platte tatsächlich eher wie das Werk eines Solokünstlers an. Als Referenzpunkte


HEIMSPIEL MIT KRISTOF BEUTHNER

Ist das Punk oder Poser-Rock? Alternative oder Experimental? Ist das Blues? Ist das gut? Manchmal ist man sich nicht so sicher. Nur so viel: Das ist das neue Heimspiel.

Nach Maria Taylor ist Dorit Jakobs innerhalb kurzer Zeit schon das zweite tolle weibliche Signing beim Grand Hotel Van Cleef. Und »Im Aufruhr der Lethargie« (Grand Hotel Van Cleef) ist ein richtig tolles Album, das von Jakobs’ glasklarer Stimme, den dezenten Folk-Arrangements und der großen Wahrhaftigkeit ihrer Texte zwischen Leichtigkeit und Melancholie lebt. Man darf sagen: Dorit Jakobs ist die beste deutschsprachige Interpretin seit Desiree Klaeukens. Und das will was heißen. Eine ganz wundervolle Fünf-Track-EP präsentiert der gebürtige Däne Lasse Matthiessen, der auf »When We Collided« (Zpektakel) mit dunkler Stimme weidwunde Weisen zur akustischen Gitarre singt und damit sicherlich nichts neu, aber vieles richtig macht. So fragil die Arrangements, so kraftvoll steht Matthiessens Gesang an ihrer Seite, und er schreibt Melodien, die auf betörende Weise tief sind. Das gefällt Leuten, die Glen Hansard und Midlake mögen und alles ein wenig reduzierter wollen. Das können auch Thom And The Wolves, die eigentlich nur aus ihrem Sänger bestehen. Für die Songs auf »The Gold In Everything« (Solaris Empire) hat Thom im Berliner Mauerpark fleißig geübt und abends viel guten kanadischen Songwriter-Pop gehört. Zur Gitarre und einem die Musik stark bereichernden Cello klagt er sein Leid über das Leben und die Liebe, was insgesamt sehr herzerwärmend und nur ganz selten nach Passengers Radio-Pop klingt. Vorhersehbar sein? Wollen The View Electrical auf keinen Fall. Die Schweizer jonglieren auch auf ihrem zweiten Album »Heiligenstadt« (No Sun) wieder mit Zutaten aus 1990er-Alternative, HipHop und Folk, was die Platte auf ähnlich herrliche Weise unberechenbar macht wie bei Why? zu ihren besten Zeiten. Dargebracht wird das Ganze mit zunächst befremdlichem, dann aber sympathischem Englisch mit schweizerischem Akzent. Ja, das geht! »Words From The Wilderness«? Diesen Titel seines vierten Albums (String Commander) glaubt man Marius Tilly glatt. Die zwölf neuen Stücke des Bochumers klingen bodenständig und nach staubigem Blues, den er auf der Straße eingesammelt und auf Indie-Rock gebürstet hat. Tillys sehnsüchtig-kratzige Vocals stehen den knackigen Riffs und den wüstentrockenen Drums ausgezeichnet, und man freut sich jetzt schon auf die Songs, die der Mann von seiner nächsten Reise mitbringt. Sönke Torpus, Sänger von Torpus & The Art Directors, wollte das dritte Album seiner Band namens »We Both Need To Accept That I Have Changed« (Grand Hotel Van Cleef) ursprünglich als Konzeptalbum über Hunde schreiben, weil die nun mal die besseren Menschen sind. Weil die Ideen dafür dann doch nicht reichten, ist einfach nur ein wieder brillantes

Americana-Prachtwerk entstanden, das seinen beiden Vorgängern ein gutes Stück Rauheit voraushat und dem man deutlich anhört, wie viel Spaß es der Band gemacht hat, es einzuspielen. Mit dem Konzeptalbum klappt’s dann vielleicht das nächste Mal.

Der Berliner Liedermacher Sebastian Block ist einer dieser Typen, denen man gern zuhört, weil sie sympathischen Songwriter-Pop machen und zweifelsfrei zu den Guten gehören, deren Texte aber kaum nachhaltigen Tiefgang aufweisen. Es ist immer nett, Zeit mit ihnen zu verbringen, und beim gemeinsamen Bier nach der Show lässt sich ein entspannter Schnack halten – aber im Gedächtnis bleibt da eben wenig. Und damit ist über Sebastian Blocks drittes Album »Wo alles begann« (Timezone) auch schon alles erzählt. Mit ihrem inzwischen siebten Album wandeln die Düsseldorfer Massendefekt auf dem schmalen Grat zwischen Punk und breitärschigem Poser-Rock. Auf »Pazifik« (MD Records) reimen die Jungs immer noch »gehen« auf »sehen«, und die Sozialkritik kommt zum überfetten Riff mit Mitsinggarantie (»Willkommen in der Eiszeit, wir nehmen Abschied von der Menschlichkeit«). Das ist nach wie vor alles andere als subversiv oder provokant, aber für die alternative Dorfjugend immer noch ein guter Türöffner zu wirklich relevanter Punk-Musik. Schon deutlich länger dabei sind Soliloquy aus Hessen. Ihr erstes Album erschien vor über 20 Jahren, damit sind die Jungs natürlich keine Mittzwanziger mehr, aber ihre Band ist es, und darum heißt die erste LP nach 14 Jahren auch »Twenty-Something« (soliloquy.de). Ihr Mix aus Emo, Alternative und Postpunk wird heute gar nicht mehr gebastelt, ist vermutlich gar komplett irrelevant geworden. Für alle, die in den 1990ern in Jugendzentren gegangen sind, ist die Platte aber eine tolle Zeitreise. Understatement geht anders: How To Loot Brazil aus Soest bezeichnen sich mit dem Titel ihres auch schon sechsten Albums recht unverblümt als »Gods Of Disco Hand Claps« (Look! Mum! No Hit!), und auch der Name des eigenen Labels ist herrlich. Klar, das ist alles nicht allzu ernst zu nehmen, aber bei DIYElectro-Trashcore-Indie-Rock-Punk macht es im besten Fall eh einfach nur Spaß. Man hat diese Platte beim Verklingen des letzten Tons schon wieder vergessen, wurde aber davor bestens unterhalten.

Ghostpoet

01.03.18 München, Feierwerk

The Go! Team

02.03.18 Köln, Gebäude 9

Vök

05.03.18 Köln, Studio 672

And The Golden Choir 10.03.18 11.03.18 12.03.18 13.03.18 14.03.18 15.03.18 17.03.18 18.03.18 19.03.18 20.03.18 24.04.18 26.04.18 27.04.18 28.04.18 30.04.18

Magdeburg, Moritzhof Leipzig, UT Connewitz Hannover, Lux Club DD, Societaetstheater HH, Nochtspeicher Berlin, Lido München, Milla Heidelberg, Halle 02 Köln, Stadtgarten Frankfurt, Brotfabrik Nürnberg, Club Stereo Bremen, Lila Eule Karlsruhe, Tempel FR, Räng Teng Teng Reutlingen, franz.K

Editors

18.03.18 Wiesbaden 24.03.18 Münster 25.03.18 Köln 31.03.18 Hamburg 01.04.18 Berlin 02.04.18 Leipzig 20.04.18 München

Noel Gallagher´s High Flying Birds 08.04.18 Hamburg 09.04.18 Düsseldorf 12.04.18 München 16.04.18 Berlin 17.04.18 Wiesbaden

Matt Woods

13.03.18 B, Kantine Berghain

Bahamas

22.03.18 Berlin, Privatclub 23.03.18 Erfurt, Franz Mehlhose 24.03.18 Köln, Artheater

Chilly Gonzales

29.03.18 Düsseldorf, Tonhalle

Joan As Police Woman 09.04.18 Berlin 10.04.18 Hamburg

J. Bernardt

08.04.18 HH, Nochtspeicher 12.04.18 München, Rote Sonne

Courtney Marie Andrews 13.04.18 Berlin, Privatclub 15.04.18 Köln, Studio 672

Amusement Parks On Fire 14.04.18 15.04.18 16.04.18 17.04.18 18.04.18

Mainz, SchonSchön Dresden, Beatpol Berlin, Privat Club Hamburg, Molotow Köln, Blue Shell

Gaz Coombes

09.04.18 Hamburg 10.04.18 Berlin

Rhys Lewis

16.04.17 Köln, Kulturkirche 26.04.17 Hamburg, Knust 27.04.17 Berlin, Frannz Club

Shout Out Louds

Island

20.04.18 Berlin, Musik & Frieden 21.04.18 DD, Polimagie Festival 23.04.18 Heidelberg, Karlstorbhf.

Yo La Tengo 07.05.18 08.05.18 09.05.18 17.05.18

18.04.18 Magdeburg 19.04.18 Münster 20.04.18 Karlsruhe 27.04.18 Frankfurt 28.04.18 Dresden 29.04.18 Bremen

Berlin, Heimathafen Köln, Gloria München, Kammerspiele Schorndorf, Manufaktur

Max Richter

05.06.18 Frankfurt, Alte Oper 06.06.18 Bremen, Die Glocke

Spoon

07.06.18 Schorndorf, Manufaktur 08.06.18 Berlin, Funkhaus 09.06.18 Leipzig, Täubchenthal

Fenne Lily

23.04.18 Köln 25.04.18 Hamburg 26.04.18 Mainz 27.04.18 München 29.04.18 Berlin

And You Will Know Us By The Trail Of Dead 09.06.18 10.06.18 11.06.18 12.06.18 13.06.18

Münster, Gleis 22 Hamburg,Knust Berlin, Bi Nuu München,Ampere Köln, Gebäude 9

The War On Drugs

21.08.18 Hannover, Capitol

Scott Matthew

09.05. - 20.05.18 Köln - Dresden Mannheim - Hamburg Berlin - Leipzig Münster - Frankfurt Schorndorf - München

Tickets & Infos: www.schoneberg.de


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#Review dienen hier vor allem das letzte, todtraurige Album von Mount Eerie sowie Sufjan Stevens mit seinem 2015er-Meisterstück »Carrie & Lowell«. The Low Anthem reihen sich in diese Referenzliste ein, da sie genau wie die beiden oben genannten Bezugspunkte nun Musik machen, der die Folk-Grundierung noch anzuhören ist, welche aber durch elektronische Texturen deutlich abstrahiert wird. Die ambienten Electronic-Flächen ziehen sich durch jeden Song, was das Album in der Summe sehr homogen wirken lässt. Eine starke emotionale Kraft steckt in diesen Stücken, die vor allem dann zur Geltung kommt, wenn nicht nur die Kultivierung eines Sounddesigns im Vordergrund steht. »River Brine« und »Give My Body Back«, zeigen, dass das neue Soundgewand funktioniert und die Amerikaner nach wie vor ihre Daseinsberechtigung besitzen. Es wird interessant sein, wie diese KopfhörerPlatte live funktioniert. Kai Wichelmann

Moby Everything Was Beautiful, And Nothing Hurt Little Idiot / Embassy Of Music / Warner / VÖ 02.03.18

Nach dem brettharten Electro-Punk seiner vergangenen beiden Alben wendet sich Moby wieder ruhigeren Tönen zu und wühlt dabei ausgiebig im eigenen Backkatalog. »The Ceremony Of Innocence« erinnert an die majestätischen Synthie-Streicher-Flächen

von »Porcelain«, genau wie »The Sorrow Tree«, bei dem noch getragene Vocals hinzukommen. Auch das gospelige »This Wild Darkness« könnte fast vom 1999erMillionenseller »Play« stammen, erreicht aber nicht ganz dessen Qualität. »Falling Rain And Light« ist eine Ballade, wie man sie von Moby schon oft gehört hat. Der Opener »Mere Anarchy« klingt, als wäre Moby beim Hören eines Depeche-Mode-Albums aus den 1990ern oder 2000ern eingeschlafen und hätte deren elegischen Düster-Synthie-Rock am nächsten Morgen unbewusst in seinen eigenen Sound eingebaut. Mehrere Songs wie »The Waste Of Suns« und »Welcome To Hard Times« lassen den Trip-Hop der 1990er wiederauferstehen. Alles in allem blickt Moby auf »Everything Was Beautiful ...« deutlich in die Vergangenheit und betreibt viel IdeenRecycling. Schlecht macht das diese SongSammlung nicht, aber vorhersehbar — und über weite Strecken auch verzichtbar. Till Stoppenhagen

Mulatu Astatke war in seiner mysteriösen Beschwingtheit Offenbarung und Spaß zugleich. Im Schlagschatten dieses Gottvaters des nord-ost-afrikanischen Jazz hat sich in den letzten Jahren ein weiterer Star am Firmament abgezeichnet. Die Reissues von Hailu Mergia und seiner Walias Band wurden begeistert aufgenommen und machten aus ihm nach jahrzehntelangem Dümpeln in der Vergessenheit einen gefragten Musiker, der auf großen Bühnen in Europa und den Staaten auftrat. Auf seiner neuen LP »Lala Belu« ist sein Ethio-Jazz zwar noch allgegenwärtig – da Mergia seit über 35 Jahren in den USA lebt, spielt diese Spielart nordafrikanischer Populärmusik aber keine so große Rolle wie zuvor. Stattdessen groovt er sich durch eine Melange aus verschiedenen Substilen. Akkordeon, Orgel und Synthesizer werden vom wohltemperierten Schlagzeugspiel Tony Bucks und den wärmenden Klängen des Bassisten Mike Majkowski umgarnt. Schon der Opener umfasst in zehn Minuten alle Klangwelten des Albums – sei es gediegener Folk-Jazz, getriebener Synthie-Funk oder ekstatischer (Hard-) Bop. Mergia und Band können und spielen das alles. So ist »Lala Belu« zu einem weiteren Meilenstein seiner Diskografie geworden. Lars Fleischmann

Hailu Mergia Lala Belu Awesome Tapes From Africa / Cargo

Nach über einem Jahrzehnt und ein paar Reissues gibt es endlich neues Material aus der Feder Hailu Mergias. Ein Blick nach vorne, nicht mehr zurück. Für viele Zuschauer von Jim Jarmuschs Film »Broken Flowers« war dessen Soundtrack der wahre Star. Der darauf enthaltene Jazz des äthiopischen Musikers

CHARLIE BARNES

Ministry AmeriKKKant Nuclear Blast / Warner / VÖ 09.03.18

»AmeriKKKant« ist ein plumpes und plakatives Pamphlet, dessen gestriger Industrial-Metal nur zu Bekehrten predigt. Geht es um Weltverbesserung, gibt es zwei Menschentypen. Dem einen geht es wirklich um die Sache. Ihn interessiert nur die Wirkung. Der andere möchte sich vor allem selbst inszenieren und sein Rollenbild als Rebell aufrechterhalten. Qualität und Angemessenheit der Methoden sind ihm in Wahrheit gleichgültig. Dieses platte, aufdringliche und zugleich wirkungsarme Pamphlet von Album belegt, dass Al Jourgensen zur letzteren Kategorie gehört. Wäre ihm tatsächlich daran gelegen, ein paar Red Necks davon zu überzeugen, welch historischer Fehler es war, Trump zu wählen, müsste er andere Musik machen. Es gibt ja tatsächlich viele Konservative unter den Metallern. Erst kürzlich zeigte sich Dave Mustaine in einem Interview bei Fox als Trump-Freund. Der spröde stampfende und unnahbare Industrial-Metal von Ministry gewinnt niemanden außerhalb einer Nische für sich, in der sich ohnehin nur Bekehrte bewegen, zu denen zu predigen sich nicht lohnt. Doch selbst denen schenkt Jourgensen keinen echten Mehrwert. Selbstgerecht und faul mäandern die Stücke auf Riffs herum, die mit »minimalistisch« freundlich beschrieben wären. Man verlässt sich auf Produktion, Effekt, O-Ton-Samples und den Inhalt, dessen kunstarme Offensichtlichkeit schon durch das plakative Cover auf den Punkt gebracht wird. Als ob eine Attitüde allein für ein Album ausreichen würde. Formal waren Ministry 1992 mit dem überwältigenden »Psalm 69« im Grunde schon auserzählt. Wie man unentschlossene und intuitive Metaller, die Trump das Märchen vom Arbeiterfreund geglaubt haben, mit großem Kino für sich gewinnt, haben kürzlich Machine Head vorgemacht. Ministry, deren aktuelle Single »Antifa« heißt, bleiben eine reine politische Autosuggestion. Oliver Uschmann

x-why-z Konzertagentur GmbH & Co. KG

Oceanography

PLUS SPECIAL GUEST

DOG BYRON

21.04. BERLIN 22.04. HAMBURG 24.04. MÜNCHEN 26.04. KÖLN

VÖ: 09. März 2018 Dieses Album wurde an verschiedenen Orten auf der ganzen Welt aufgenommen, während Charlie als festes Mitglied der Live-Besetzung der britischen Pop-Größe BASTILLE auf Tour war und in jeder Menge ausverkauften Arenen und bei den großen Europäischen Festivals gespielt hat. Produziert von Steve Durose (Oceansize, Amplifier) Auch erhältlich als Special Edition CD Digipak und als 180g Vinyl Edition (inkl. Album auf CD)

18.04. WIESBADEN 28.04. DORTMUND 07.05. BERLIN 08.05. HAMBURG

plus special guest ISAIAH

14.03. FRANKFURT 15.03. KÖLN 17.03. HAMBURG

18.04. BERLIN BI NUU 19.04. KÖLN LUXOR 21.04. HAMBURG KNUST


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Moaning Moaning

New Native Asleep

Sub Pop / Cargo / VÖ 02.03.18

Midsummer / Cargo

Eine eigentlich vielversprechende DIYBand entscheidet sich für diesen einen Sound, den man heutzutage wie einen nervigen Verwandten bei der Familienfeier scheinbar immer dabeihaben muss. Schon wieder etwas Noise und ein verhallter Grundton: So manch ein Sexfilmchen aus den 1970ern hatte vermutlich mehr Überraschungsmomente als dieses Album von Moaning in der Musiklandschaft des Jahres 2018. Die brachiale Basis der Tracks, die ein wenig an ihre herrlichen Sub-Pop-Label-Kollegen Metz erinnert und ständig lautstark gegen die hörbar suboptimale Produktion anzukämpfen scheint, holt in Zusammenarbeit mit dem guten Grundmaterial wie »Don’t Go« oder »Closer« dennoch einiges heraus. Sie zeigt, was hier möglich gewesen wäre, wenn man den rohen DIY-Charme der Band gewahrt und nicht einen missglückten PreoccupationsKlangfilter über die LP gelegt hätte. Da ist es kein Wunder, dass Moaning mit »For Me«, bei dem sie sich am Ende mit wuchtigen Gitarren aus dem Hamsterrad katapultieren, für den größten Hingucker auf diesem Debütalbum sorgen. Negativ fällt wiederum ins Gewicht, dass die von Produzent Alex Newport polierte Neuaufnahme des Songs »The Same« deutlich zahnloser wirkt als das Original, das 2015 für den ersten kleinen Hype um die Band sorgte. Sebastian Jegorow

Nach Tourneen mit diversen Helden der Emo-Szene haben New Native aus Berlin und Wien endlich auch ihr Debütalbum fertig und können damit jede noch so hoch gesteckte Erwartungshaltung erfüllen. Da dürfen sich New Native selbst auf die Schulter klopfen: Das Quartett war schon mit Pianos Become The Teeth und Seahaven auf Tour und hat dabei offenbar einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Weil Emo aber eben nicht gleich Emo ist und er im Fall dieser Band durch Zutaten aus zurückgelehntem DreamPop à la Turnover und den spröden Indie-Träumereien der frühen Death Cab For Cutie auf Höhe von »The Photo Album« (auf Songs wie »By Design« wäre Ben Gibbard stolz) deutlich an Klasse gewinnt, dürfte New Native eine hoffnungsvolle Zukunft bevorstehen. »Asleep« verliert über seine gesamte Spielzeit nie den roten Faden aus andächtig-nachdenklichem Songwriting und gemächlichem Tempo mit unaufdringlicher Instrumentierung und der dezent nöligen Stimme Michael Hansers aus den Augen und besticht mehr durch seinen feinfühligen, melancholischen, in weiten Teilen tatsächlich elegischen Grundton als durch laute Ausbrüche. Das führt dazu, dass man zu keinem Zeitpunkt die x-ten Emo-Wiederkäuer im Ohr wähnt, sondern sich liebend gerne in der Grandezza dieser elf Preziosen verliert. Kristof Beuthner

Nap Eyes I’m Bad Now Jagjaguwar / Cargo / VÖ 09.03.18

Nap Eyes präsentieren auf ihrem neuen Album Americana und Folk nach altmodischer Machart, aber auch stoischen Storyteller-Indie. Wie unterschiedlich man im Pop die Zeile »I’m bad« interpretieren kann, zeigen die Beispiele von Michael Jackson und Nap Eyes: Während der King of Pop mit einem anzüglicheren und aggressiveren Image kokettieren wollte, verbindet das kanadische Quintett mit »bad« offenbar eine introvertierte Suche nach Weisheit. Das passt zu dem Albumtitel »I’m Bad Now«, entliehen von einem Kinderspiel, bei dem man sich entscheiden muss, ob man Held oder Schurke sein will: Für Nap Eyes sind diese Rollen also austauschbar. So sympathisch diese Gedankenspiele auch sind – musikalisch würde man sich bei Nap Eyes’ Songs zuweilen eine frechere BadBoy-Attitüde wünschen: Zu gleich klingen die Indie-Singer/Songwriter-Songs mit leichtem Country-Blues-Touch. Die Stimme von Sänger Nigel Chapman ist meistens klagend, nur bei Songs wie »Roses« oder »Follow Me Down« werden Erinnerungen an Lou Reed wach – eine Stimme, die sich auch dem lyrischen Ich in der Musik nähern wollte. Im Endeffekt geht es also sowohl beim verstorbenen Jackson als auch bei dem zeitgenössischen Indie-Act Nap Eyes um das Ego, das in unterschiedlichen Inszenierungen nach dem Sinn des Daseins fragt. Kerstin Kratochwill

The Orielles Silver Dollar Moment Heavenly / PIAS / Rough Trade

Spielerisch erklären The Orielles Nerdism zur Coolness. Ihre ambitionierte Stil-Palette aus Indie, Funk, Garage und Noise-Pop will eine ganze Menge und erweist sich tatsächlich als nahezu komplett. Erstaunlich, was so alles an den Nordseestrand gespült wird. Erst Goat Girl, zuletzt Dream Wife und nun The Orielles: Die britische Indie-Rock-Renaissance ist weiblich. Auch wenn sich die Geschwister Sidonie und Esmé Hand-Halford mit Henry Wade ein pubertierendes Y-Chromosom an die Gitarre geholt haben, vertrauen er und HighschoolFreundin Esmé zumeist dem, was Sid im Filmstudium aufsaugt und als nerdige Exegese ins Studio schleppt. Zwischen Easy Listening und reißender Distortion, schroffem DIY-Paradigma und Muße liefern die Newcomer ein gestandenes Debüt, das sein IndieFundament um einen auf den Punkt arrangierten Anbau aus Noise-Pop, Dub und vor allem Funk ausdehnt. Das klingt im groovenden Boogie-Bossa-Nova von »Blue Suitcase« so, als hätten die Brothers Johnson ein Zimmer bei Rita Lee gemietet, während Songs wie »Liminal Spaces« und »Sunflower Seeds« mit sorglosen Glöckchen und postnarkotischem Ambiente auch mal an den Dream-Pop von Air erinnern. Und dennoch wissen The Orielles genau, wann sie die Regler höher stellen müssen: »Let Your Dog Tooth Grow« liegt irgendwo zwischen Veronica Falls und The Cure, balanciert kinderleicht entlang der bis zum Anschlag gezerrten Bassläufe, um sich

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#Review dann wieder in psychedelischen Funkadelic-Ekstasen zu verirren. »Silver Dollar Moment« ist definitiv einer der formidabelsten Beiträge zum aktuellen Indie-Revival. Benni Bender

Prism Tats Mamba Anti- / Indigo / VÖ 02.03.18

Grant-Lee Phillips Widdershins Yep Roc / H’art

»Widdershins« ist ein weiteres kluges Spätwerk des ExBuffalo Grant-Lee Philipps. Es sagt, dass noch Hoffnung für die Menschheit besteht – vielleicht. Auf seinem neunten Soloalbum seit dem Ende von Grant Lee Buffalo seziert deren ehemaliger Frontmann die angespannten, von sozialer Kälte geprägten gesellschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart. »We never left the wilderness«, heißt es etwa in »The Wilderness«, einem klassischen Southern-Rock-Track, der Ausgrenzung und Ablehnung aus Angst thematisiert. Ein Song, der gerade im Kontext der globalen Flüchtlingsdebatte an Bedeutung gewinnt. Im Verlauf der Platte spannt der seit einer Weile in Nashville beheimatete Songwriter Grant-Lee Phillips einen weiten historischen Bogen und warnt eindringlich davor, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Thematisch gibt es hierbei keine Grenzen, sei es der Berliner Mauerbau oder Kinderarbeit wie im countryesken »Miss Betsy«. Musikalisch ist »Widdershins« schlicht ein live eingespieltes Americana-Meisterwerk, das in seiner Dringlichkeit Maßstäbe setzt. Von kraftvollem Roots-Country bis zu Mainstream-affinerem Southern Rock mit britischen Popbezügen werden alle Geschmäcker bedient. Verzweiflung sucht man darin allerdings vergeblich, denn Phillips bewahrt sich trotz allem immer einen humorigen Funken Hoffnung. Der Mann möchte halt einfach nur in Frieden und Einklang mit der Natur leben. Wie schön wäre es, gäbe es in America(-na) mehr besonnene Vertreter seiner Art. Thorsten Streck

Umringt von der außerordentlich miesen politischen Situation der USA, reagiert Prism Tats auf seinem zweiten Album mit trotzig-resigniertem Postpunk. Reaktion oder Resignation, Auflehnung oder Ignoranz, entweder oder – als in den USA lebender Musiker sieht man sich automatisch mit der Erwartung konfrontiert, sich dem politischen Übel zu stellen, es musikalisch aufzugreifen und zu werten. Der gebürtige Südafrikaner Garret van der Spek bewegt sich mit seinem Solo-Projekt Prism Tats und der neuen Platte »Mamba« irgendwo dazwischen. Ähnlich wie schon beim 2016 erschienenen Debüt greift er Geschehnisse und Lebensrealität in den Staaten auf. Den Regierungswechsel und die damit einhergehenden weltweiten Veränderungen versteht Prism Tats als flächendeckende Bedrohung, die im metaphorischen Titel zur Giftschlange wird. Doch wie geht man damit um? In seinem emotional aufgeladenen Postpunk schwankt der Musiker zwischen der Wut über aktuelle Geschehnisse und der Angst vor der Zukunft. Das musikalische Spektrum der »Mamba« wirkt ähnlich zerrissen. Dem schleppenden Sound, der mit vielen Gitarren und einer betont düsteren Weichheit zwischen 2000er-Britrock und 1980erNew-Wave festhängt, fehlt es an Mut zum Experiment und letztlich auch an Willen zur Entscheidung. So klingt sogar die zentrale Zeile »Just give me the mamba« im Titelsong mehr nach resignierter Hingabe als nach einer Kampfansage. Miriam Fendt

Gordon Raphael Sleep On The Radio Zero Hour

Pianos Become The Teeth Wait For Love Epitaph / Indigo

Mit »Wait For Love« lassen Pianos Become The Teeth noch mehr Gras über ihre stilistische Vergangenheit im Post-Hardcore wachsen. Wer erinnert sich noch an The Wave, diesen missgestimmten Progressiv-Stoßtrupp, der zu Beginn dieses Jahrzehnts unter dem Banner des Post-Hardcore neue Gefilde erschloss? Pianos Become The Teeth werden ihren Enkeln erzählen können, Teil dieser Abordnung gewesen zu sein. Dann jedoch sollten sie der Vollständigkeit halber auch gleich mit auftischen, wie sie sich 2014 zurückfallen und schließlich niederließen – als eine andere, geläuterte, aufgeräumte Band, die freien Blick auf jeden Akkord und jedes gesungene Wort gewährt. Mit »Wait For Love« geht das Quintett aus Baltimore den Weg des brav gescheitelten Emo-Postrock weiter; Kyle Durfeys blankpolierte Stimme schultert den gesamten Melodieanteil, während die Gitarren ungestört verhallende Akkorde in den Raum wehen lassen und die Dunkelheit auflösen. Für eine Nuance von Aufruhr sorgt einzig Drummer David Haik, der vom ersten Takt an sportlicher auftritt, als ihm dieses Album abverlangt. Auch seinetwegen klingt es immer mal wieder so, als stünde die Eskalation kurz bevor und als könnte diese Band mit einem einzigen gepfefferten Schreianfall alles wieder auf Anfang stellen. Doch nein: Durfey bleibt auf dem Teppich und Pianos Become The Teeth auf dem Holzweg, der gar keiner ist. Denn so sehr man auf »Keep You« noch die Werkseinstellungen herbeiwünschte, so eindrucksvoll weiß einen früher oder später »Wait For Love« mit seinen schillernden Melodie-Silberstreifen zu berühren – und das, ohne jemals platt, matt, glatt oder auf irgendeine Art berechnend zu wirken. Das titelgebende Warten auf die Liebe (lies: die Einwirkzeit) erweist sich also im Nachklang nicht nur als programmatisch, sondern wird auch noch belohnt. Valentin Erning

Der Strokes-Produzent gibt mit seinem Debütalbum einen Einblick in seine musikalische Prägung aus Glam- und Prog-Rock. Bisher ist Gordon Raphael eher hinter den Kulissen tätig gewesen, verhalf als Produzent unter anderem The Strokes, Regina Spektor und den Beatsteaks zum Erfolg. Mit »Sleep On The Radio« gibt Raphael nun Einblick in sein eigenes musikalisches Schaffen. Auch wenn der Begriff Debütalbum faktisch richtig ist, greift er dennoch etwas ins Leere, handelt es sich doch um eine Auswahl aus Jahrzehnten des SongSchreibens. Ein Schubladen-Best-of quasi. Gordon Raphael wurde zwar oft als der sechste Stroke bezeichnet, seine Songs unterscheiden sich aber stark vom knochentrockenen Lo-Fi-Sound der New Yorker. Glam-Rock und Prog-Einflüsse prägen das Album, der Einfluss von David Bowie lässt sich kaum leugnen. Ein roter Faden fehlt dabei, eher probiert sich jeder Song in neue Richtungen aus. So folgen breitflächig mäandernde Prog-Gitarren wie in »Savage« auf überdrehten Synthie-Pop in der titelgebenden Single, nur um mit dem stur groovenden »WDWSWT« noch mal komplett die Richtung zu wechseln. »Sleep On The Radio« liefert einen holprigen, aber lohnenswerten Ritt durch die musikalische Sozialisation dieses einflussreichen Produzenten. Dominik Bruns

Nathaniel Rateliff & The Night Sweats Tearing At The Seams Caroline / Universal / VÖ 09.03.18

Auf seinem zweiten Album mit The Night Sweats verschmilzt Nathaniel Rateliff mit seiner Band endgültig zu einer unzerstörbaren Einheit. Kaum zu glauben, dass Nathaniel Rateliff, der nach zwei Soloalben und einer Kollabo-LP mit The Wheel seit 2015 mit den Night Sweats verbandelt ist, nicht schon seit den 1960ern Musik macht. Der Typ mit Bart und Hut strahlt auf Platte und erst recht auf der Bühne die Erdigkeit und Versiertheit der ganz Großen aus, so, als gehöre er schon immer dazu. Auf »Tearing At The Seams«, dem zweiten Album mit The Night Sweats, öffnet sich Rateliff noch weiter dem klassischen Rhythm and Blues. Folk, Country und Americana treten deutlich in den Hintergrund, Stücke wie »Hey Mama« bleiben die Ausnahme. Rateliff selbst gibt mit gewohnter Leidenschaft und jeder Menge Soul den Crooner mit der Erfahrung von vielen gereisten Kilometern in der Stimme. Seine Band, die dieses Mal gleichberechtigt in den Entstehungsprozess der Platte eingebunden war, spielt einen hochklassigen, bläserschwangeren Soundtrack dazu. »Tearing At The Seams« ist eine vollkommen zeitlose Platte, geradeheraus, selbstbewusst und gleichzeitig voller Fernweh und Sehnsucht. Besser kann man das kaum machen. Kristof Beuthner

Recondite Dämmerlicht Plangent

Weg sind die Beats, weg sind die Synthie-Bleeps, weg ist die Tanzbarkeit. »Dämmerlicht« ist Recondites AmbientAlbum geworden. Es heimelt sehr auf Lorenz Brunners fünftem Album als Recondite. »Durch den Hohlweg«, »Von der Kanzel« oder »Am Grund« heißen die Tracks, ganz so, als hätte sich der Bayer in die unwegsame Provinz zurückgezogen und dann zwischen Nebel, Kirche und Wald versucht, die deutsche Seele einzufangen. Ob das für den Hörer funktioniert, hängt natürlich davon ab, ob dieser die ganze Idee einer deutschen Seele annimmt. Tut er das, dann kann er sich in dieses Dutzend Songs versenken und sich von ihnen mal wohlig, oft auch schaurig umschlingen lassen. Die deutsche Seele ist eben schwermütig zwischen Heidegger, Katholizismus und Grimm’schen Märchen verklemmt, unfähig, vor all dem Weltschmerz und innigen Selbstbezug auch nur ein Fünkchen Freude zu verströmen. Ist man kein Glaubender, so klingt »Dämmerlicht« aber bestenfalls nach Konzeptkunst oder gar nach pseudo-tiefsinniger Angeberei. Dann schüttelt es einen in manchen Momenten unwillkürlich, ganz so, als würde der eigene Körper selbstständig versuchen, aus dem grauen Morast dieser Tristesse freizukommen. In jedem Falle muss man Brunner Respekt dafür zollen, eine neue Facette seines Schaffens zu erproben. Auch wenn diese Facette ziemlich zwielichtig ist, um nicht zu sagen: dämmerlichtig. Henje Richter

Poliça & Stargaze Music For The Long Emergency Transgressive / PIAS / Rough Trade

Komplementäre Kollaboration zweier unorthodoxer Projekte: Mit dem Berliner Kollektiv Stargaze finden Poliça ihre musikalischen Seelenverwandten. Die Stilpalette des deutschen Dirigenten André de Ridder kennt keine Grenzen. Kooperationen mit namhaften Ensembles wie dem BBC Symphony Orchestra oder dem Orchestre de Paris festigten seinen Ruf als einer der tollkühnsten Dirigenten unserer Zeit. Die von ihm arrangierte furiose Darbietung des Soundtracks von Stanley Kubricks »2001: A Space Odyssey« im Opernhaus Sydney wurde 2013 zu einem viel beachteten Erfolg. Daneben stehen Arbeiten mit Mouse On Mars, These New Puritans, Uri Caine oder Damon Albarn, für den de Ridder die animierte Oper »Monkey: Journey To The West« dirigierte. Auch sein Kollektiv Stargaze transzendiert seit mittlerweile sechs Jahren Grenzen zwischen Klassik, Pop,


MEHR INFOS UND TICKETS UNTER FOURARTISTS.COM Folk und elektronischer Musik. Die Zusammenarbeit mit der eigenwilligen Indie-R’n’B-Combo Poliça drängte sich also förmlich auf, als man sich in Berlin kennenlernte. 18 Monate in der Mache, ist »Music For The Long Emergency« dementsprechend auch ein Album geworden, das alle beteiligten Musiker auf der Höhe ihres Schaffens zeigt. Im Opener »Fake Like« stiehlt sich Channy Leaneagh mit samtener Leichtigkeit Zeile um Zeile ins Ohr des Hörers, bis sie wie eine gute Freundin klingt, die einem ihr Herz ausschüttet. Doch schon in »Marrow« übersteuert die Stimme und wirkt zwischen den Arrangements aus mehreren Schlagzeugen, Streichern und sparsam integrierter Electronica fast schon anklagend. »Cursed« demonstriert die dabei entstehende Intensität mittels Drum-Stakkatos, rasender Celli und verzerrter Spoken-Word-Passagen nachdrücklich, bevor es abrupt endet. »How Is This Happening« und das Titelstück schließen das Album dann als in sich gekehrte, subtil politische IndieElegien ab, die zwar düster klingen, aber trotzdem irgendwie Trost in diesen unwirtlichen Zeiten spenden. Nils Schlechtriemen

Reggie And The Full Effect 41 Pure Noise / Al!ve

Emo-Rock und grenzdebiler Spaß gehen immer noch zusammen: Reggie And The Full Effect machen da weiter, wo sie nie aufgehört haben. Um Reggie And The Full Effect zu verstehen, reicht ein Blick auf das Cover von »41«. In offensichtlicher Adele-Imitation hat Sänger James Dewees den Kopf nachdenklich in die Hände gestützt. In seinen Augen kann man aber den Schalk sehen – und der wird bei dem Get-Up-Kids-Spin-off seit jeher in Großbuchstaben geschrieben. Die Poppunk-Emos mit temporärer Synthie-Vorliebe hatten vor allem zu Beginn des Jahrtausends sogenannten Kultstatus in der sonst eher ernsten und maximal semispaßigen Emo- und Hardcore-Szene (»Girl Why’d You Run Away« ist immer noch ein wahnsinniger Hit). Der große Enthusiasmus ist zumindest auf Fanseite aber abgeebbt. Dewees und seine Buddys machen unbeirrt weiter, »41« ist bereits das siebte Album. Wer Überraschendes sucht, ist hier falsch: Tränke man einen Schnaps bei jedem erwartbaren Break, jeder vorhersehbaren Bridge und jeder leicht zu antizipierenden Hook, man wäre in kürzester Zeit betrunken. Das wäre nicht das Schlechteste, klingen die Songs doch nach alkoholgeschwängerter College-Party, nach Spring Break mit Gitarren und Tätowierungen. »The Horrible Year« oder »Karate School« sind tolle Pop-Punk-Songs, das kann man in dem Genre kaum besser machen. Außerdem ist Dewees ALF-Fan – und ALF-Fans können bekanntlich keine schlechten Menschen sein. Christian Steigels

Rolo Tomassi Time Will Die And Love Will Bury It Holy Roar / Al!ve / VÖ 02.03.18

Tiefsinnig, durchdacht und ein wenig zurückgenommener als sonst: Mit ihrem fünften Album schafft es die Mathcore-Band Rolo Tomassi, im Kopf des Hörers einen Film entstehen zu lassen. Schon »Towards Dawn« kündigt mit untypischen sphärischen Klängen und entferntem Gesäusel den Neuanfang Rolo Tomassis an. Es könnte durchaus das Intro eines epischen Films sein. Im progig vertrackten, aber sehr melodischen »Aftermath« herrscht danach noch gute Stimmung, erst in der Single »Rituals« kommt die bekannte Härte der fünf Briten wieder zum Vorschein, und der Hörer sieht sich ernsten Gefahren ausgesetzt. Aber ob gewollt oder nicht, der optimistische und vielschichtige Nachfolger von »Grievances« erschafft in dessen Kopf einen apokalyptischen Film. Allein die Titel könnten eine abenteuerliche Reise beschreiben, wie etwa »Balancing The Dark«, »A Flood Of Light« und der Closer »Risen«, in dem der Friede wiederhergestellt wird.

Sängerin Eva Spence fungiert als Prophetin, deren bedeutungsschwere, aber mit Zartheit vorgetragene Weissagungen den unwissenden Helden zum erfolgreichen Ende seiner Reise führen. Die harten Passagen sind dann die Schlachten, die er zu kämpfen hat, auch wenn diese weniger brutal und blutig als auf den letzten Bandalben ausfallen. Philipp Röttgers

Olli Schulz Scheiß Leben, gut erzählt Trocadero / Indigo

It’s Showtime! Olli Schulz will sein neues Album wie ein Mixtape verstanden wissen, und genauso funktioniert es auch. Abwechslungsreicher und mit mehr Rhythmus schimmert vor allem die HipHop-Sozialisation des Hamburgers deutlich durch. Womöglich ist Olli Schulz’ fünftes Soloalbum das erste, auf dem sich die vielschichtige Persönlichkeit des Musikers nahezu passgenau in der Musik widerspiegelt. Die Melancholie war natürlich immer schon seine treue Begleiterin, aber es gibt eben auch die zuweilen aufbrausende Exaltiertheit seines Charakters, die seine Ausflüge fürs Fernsehen so unterhaltsam machen. Und so ist es nur folgerichtig, dass der Swag-Faktor in dem neuen 30-minütigen Mixtape »Scheiß Leben, gut erzählt« nach oben geschraubt wurde. Mit seinem Freund Ali As setzt Schulz sich rappend mit seiner ambivalenten Persönlichkeit auseinander, im Hintergrund gibt es schwere Beats. Nachdem die letzte Platte »Feelings aus der Asche« von der Sonne in den Regen führte und mit dem Titelsong eines der traurigsten Trennungsstücke seiner Karriere enthielt, ist sein neues Werk in seiner Wirkung lebensbejahender und erzählperspektivisch offener. Unnahbar gewordene Künstler in der Sinnkrise und dysfunktionale Beziehungen, die auf Geld gebaut sind, sind Teil seiner Beobachtungen. Zweifelsohne ist nicht jedes Stück ein Treffer, aber schwer erträglichen postpubertären Quatsch wie »Sportboot« muss es auf einer Platte von Olli Schulz eben auch geben. Das Prinzip der totalen Offenheit zeigt sich nicht nur musikalisch, sondern auch in der Besetzung der Gästeliste. So darf neben langjährigen Wegbegleiterinnen wie Kat Frankie auch der Schauspieler Bjarne Mädel ein paar lustige Einlagen zum Besten geben. Einer der herausragenden Songs des Albums ist das hymnische »Schmeiß alles rein«, ein Stück, das die Paranoia seines späten Erfolgs (falsche Freunde und neue Probleme) kritisch und klug durchleuchtet. Die schönste Textzeile gibt es schon zuvor, in der Country-Pastiche »Wachsen (Im Speisesaal des Lebens)«: »Der Warteraum zum Glück bleibt im Haus das größte Zimmer«. Kai Wichelmann

01.03. 04.03. 06.03. 11.03. 15.03. 18.03. 20.03. 23.03.

JENA • 02.03. CHEMNITZ LUXEMBOURG • 05.03. SAARBRÜCKEN WIESBADEN • 10.03. FLENSBURG DORTMUND • 13.03. MANNHEIM KOBLENZ • 16.03. ULM WÜRZBURG • 19.03. ERFURT HANNOVER • 21.03. FREIBURG LEIPZIG • 24.03. MAGDEBURG

05.04. BOCHUM • 06.04. LINGEN • 07.04. DRESDEN • 09.04. AUGSBURG 10.04. ASCHAFFENBURG • 12.04. ULM • 13.04. WIESBADEN 14.04. WARENDORF • 15.04. KREFELD • 17.04. SAARBRÜCKEN 18.04. GRAZ • 19.04. DORNBIRN • 21.04. POTSDAM 22.04. HAMBURG

09.04. HAMBURG - MOJO CLUB 10.04. KÖLN - KULTURKIRCHE 11.04. BERLIN - COLUMBIA THEATER 12.04. MÜNCHEN - MUFFATHALLE 15.04. FRANKFURT A. M. - GIBSON

Screaming Females All At Once

RELATIVES IN DESCENT TOUR 2018

21.04. MÜNCHEN - STROM 22.04. KÖLN - GEBÄUDE 9 24.04. MÜNSTER - GLEIS 22

Don Giovanni / H’art

Rockmusik, Gitarrensoli, Virtuosität – so weit die langweiligen Showdisziplinen. Die Screaming Females beweisen trotz ihrer unverblümten Lagerzugehörigkeit, dass auch in diesem Segment noch Goldstücke zu schürfen sind. Im ollen, nimmermüden Lederjacken-Zirkus Rock sind Alleinstellungsmerkmale längst die wichtigste Visitenkarte. Wie will man sich sonst von den anderen 400.000 Bands unterscheiden, die eine speckige Stromgitarre geradehalten können, während die Bartfratze im Hintergrund auf die Trommeln prügelt? Screaming-Females-Frontfrau Marissa Paternoster hat dafür nicht nur einen peppigen bürgerlichen Namen zu bieten, sondern auch ein wuschelig-introvertiertes Erscheinungsbild, das solche Stereotypen konterkariert. Dazu verfügt sie noch über ein äußerst flinkes Gitarrenspiel (Platz 77 in der Rangliste »Greatest Guitarist« des Spin-Magazins) und eine einnehmende Stimme. Irgendwo zwischen Gwen Stefani und PJ Harvey schimmert ihr Gesang prägnant aus der Wall of Soul ihrer Band hervor. Trotz ganzer 15 neuer Songs (inklusive des bedeutungsschwangeren Zweiteilers »Chamber

07.03. MÜNCHEN 08.03. LEIPZIG 09.03. HAMBURG 10.03. KÖLN 11.03. SAARBRÜCKEN

THE PAINS OF BEING PURE AT HEART SUPPORT: LAURA CARBONE

07.03. LEIPZIG CONNE ISLAND 08.03. BERLIN PRIVATCLUB 10.03. MÜNSTER GLEIS 22 11.03. KÖLN GEBÄUDE 9


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#Review For Sleep«) wirkt ihr von Matt Bayles (Pearl Jam, Mastodon) produziertes Album »All At Once« erstaunlich kurzweilig. Die wenigen Genre-Klischees werden zu ironischen Randnotizen, die mit starken Melodiebögen eine größere Welle auftürmen, als es der Gitarrenrock dieser Tage sonst meist hinkriegt. Klaas Tigchelaar

Shred Kelly Archipelago DevilDuck / Indigo

Durch ihre Öffnung zu strahlendem Indie verlassen Shred Kelly den mächtigen Schatten der großen Folk-Bands. Es ist kaum zu glauben, dass Shred Kelly aus British Columbia zu Hause schon seit drei Alben die großen Hallen füllen, hierzulande aber nach wie vor reichlich unbekannt sind. Während das Quintett bisher stilistisch im Dunstkreis von Acts wie Mumford & Sons operierte, nehmen auf »Archipelago« elektrische Gitarren, Synthies und pulsierende Beats neben den typischen Banjo-Riffs einen größeren Platz ein. Das lässt Shred Kelly auch wegen des wechselnden Lead-Gesangs von Tim Newton und Sage McBride eher in die Nähe der ebenfalls kanadischen Band Stars rücken. So spielen sie nicht mehr nur ziemlich schönen Indie-Folk, sondern inzwischen auch strahlend exaltierten Pop, der in seiner vielschichtigen Inszenierung eine unglaublich einnehmende Aura besitzt. Die Arrangements sind satt und voll, die Stimmen glasklar, und die Melodien schmeicheln sich auf Anhieb ins Ohr. »Stay Gold« oder der Titeltrack sind sogar kleine Hits, sodass Shred Kelly mit »Archipelago« endlich auch außerhalb ihrer Heimat zu größerer Aufmerksamkeit kommen könnten. Kristof Beuthner

Station 17 Blick Bureau B / Indigo / VÖ 09.03.18

Station 17s zehntes Album kombiniert freie Improvisation und Krautrock-Elemente zu treibender Musik jenseits jeglicher Retro-Verklärungen. Das neue Station-17-Album ist bereits das zehnte des 1990 gegründeten Kollektivs aus Musikern mit und ohne Behinderung. Die Band ließ sich in dieser Zeit nie wirklich auf Stile oder Genres festlegen und experimentierte stattdessen stets ohne einengende Grenzen. War der Vorgänger »Alles für alle« ein wirkliches Pop-Album, verzichten Station 17 für »Blick« nun nicht nur auf vorher festgelegte musikalische Gerüste, sondern erfinden auch die dazugehörigen Texte direkt beim Spielen. Repetitiv und kraftvoll klingen diese neuen Tracks, treibend und an Drone erinnernd. Schnell fällt eine starke Affinität zu Krautrock auf, die Beats unter den größtenteils elektronischen Arrangements könnten durchaus von Neu!Trommler Klaus Dinger stammen. Kein Wunder, haben doch fast alle nicht behinderten Akteure wie Jean-Hervé Péron und Zappi Diermaier von Faust sowie Günter Schickert, Harald Grosskopf und Eberhard Kranemann eine Krautrock-Vergangenheit. Und auch der Pyrolator oder Ulrich Schnauss fühlen sich in diesem Klang-Kosmos hörbar zu Hause. Andreas Brüning

Die Kombination aus klassischem Pianisten und Elektronik-Pionier ist wahrlich nicht neu. Doch die Hamburger Martin Stimming und Lambert (ohne Vornamen, dafür mit Maske) stechen mit ihrer Kollaboration hervor, indem sie sich musikalisch extra bescheiden geben: Nur sieben Tracks und nur 20 Minuten hat »Exodus« inklusive Intro und Outro, eigenartige naturnahe Titel wie »Edelweiss« und »Der blaue Fels« und ein völlig alltägliches Artwork. Die Erwartungen sind also minimal, wenn das kurze, klassische Intro abebbt. Und auch der erste Track »Morsches Holz« macht mit Geklopfe und Geklacker zum Klavier am Anfang noch nicht sehr viel her. Doch die Magie setzt ein, wenn der Song zum Ende hin ein wenig aus dem Gleichgewicht gerät und zu stottern anfängt. Der nächste Track überrascht dann mit einem sehr zurückhaltenden Gesangs-Sample, das Mittelstück verzückt mit einem sehr schönen Kontrapunkt zwischen Klaviergeklimper und Beatgeplucker, und dann ist »Exodus« auch schon fast um. Das an Bon Iver erinnernde »Wuu-uuu-huu« im Ausklang hätten sie sich vielleicht sparen können, aber wenn der letzte Ton verflogen ist, bleibt tiefste Entspannung zurück – und die Erkenntnis, gerade für 20 magische Minuten dem grauen Alltag ganz fern gewesen zu sein. Henje Richter

Suuns Felt Secretly Canadian / Cargo / VÖ 02.03.18

Soccer Mommy Clean Fat Possum / Al!ve / VÖ 02.03.18

Die 20-jährige Sophie Allison gilt als Wunderkind der US-Indie-Szene und veröffentlicht nun nach einer Compilation von DIY-Wohnzimmer-Songs aus dem letzten Jahr ihr erstes Studioalbum mit Band. Sophie Allison aus Nashville macht Musik, seit sie sechs Jahre alt ist. Sie hat es mit ihren im Schlafzimmer aufgenommenen Songs schon geschafft, Bestandteil eines groß angelegten Musik-Features der New York Times über aktuelle Frontfrauen im Indie-Rock mit dem reißerischen, aber zutreffenden Titel »Rock’s Not Dead, It’s Ruled by Women« zu sein. So viel Vorschusslorbeeren, man kennt die Gefahren. Für Allison allerdings kein Problem, sie hat offensichtlich gar keine Angst, ihren Bedroom-Pop-Charme im Studio zu verlieren. Im Gegenteil, das Studio wird zum nützlichen Werkzeug, um ihre Songs atmosphärisch zu verdichten, ohne ihnen die Unmittelbarkeit zu nehmen. Die surfpoppigen Songs »Last Girl«, »Skin« und »Cool« profitieren von den neuen Produktionsmöglichkeiten, und auch die melancholischen Indie-RockBalladen wie »Still Clean« und »Blossom Wasting My Time« gewinnen dadurch an Tiefe. Allisons Stimme ist zwar nicht außergewöhnlich, durch ihre gekonnte Gesangsphrasierung und den gechillt-gelangweilten Vortrag entstehen aber immer wieder memorable Hooks. Ihre Texte, die sich hauptsächlich mit dem Auf und Ab von zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigen, sind dabei weder unangebracht altklug noch selbstgerechtes Teenage-Drama. Wenn sie wie in »Your Dog« mit ihrem Ex-Lover milde abrechnet und Respekt einfordert, dann hat das universelle Gültigkeit und ist dabei witzig und melancholisch zugleich. »Clean« ist ein selbstbewusstes und lebensbejahendes Studiodebütalbum von einer talentierten Songwriterin, der die Vorschusslorbeeren komplett egal sein können. Timo Weber

Record Makers / Al!ve

Merge / Cargo

Kryptox / Embassy Of Music / Warner / VÖ 09.03.18

Für dieses Album wurde der Begriff »Kleinod« geschaffen: Unaufgeregt, behutsam und kompakt zaubern Stimming und Lambert aus Klavier und Synthesizer Momente der Schönheit herbei.

Suuns machen auf ihrem vierten Album vieles anders und bleiben sich dabei trotzdem treu. »Felt« ist eine rastlose Tour de Force durch grandiose Klangwelten und bedrohliche Geräuschkulissen. Es beginnt ganz sachte mit Kirchenglockenläuten und Vogelgezwitscher. Nach sechs Sekunden ist mit diesem Wohlklang Schluss, und ein staubtrockenes Schlagzeug, eine saftige Bassline und eine stechende Gitarre setzen ein: Der Opener »Look No Further« setzt den Ton für das vierte Album der Suuns. Und dieser ist insofern anders, als dass sich das Quartett aus Montreal erstaunlich weit von seinem angestammten Sound entfernt. Elektronisch-aggressive Beat-Eskapaden und tosende Drone-Anleihen wie auf den vorigen Alben »Images Du Futur« und »Hold/Still« werden links liegen gelassen. Stattdessen bildet sich die großartige Aggressivität und einnehmende Düsternis, die der Musik von Suuns auch auf »Felt« noch innewohnt, aus unterschiedlichen Faktoren: Zum einen ist da Ben Shemies verstörender Crooner-Gesang, der mit den zuckenden Drums eine unheilvolle Symbiose eingeht. Zum anderen bauen sich auf »Felt« im Gegensatz zu den Vorgängern die Synthies und Gitarren zu einer immer bedrohlicher werdenden Wall of Sound auf, die immer näher an den Hörer zu rücken scheint. Suuns sind auf »Felt« nicht mehr punktuell aggressiv, sondern durchgängig bedrohlich. Und das macht ganz eindeutig viel mehr Spaß als Kirchenglocken und Vogelgezwitscher. Marius Wurth

Dita von Teese Dita von Teese

Superchunk What A Time To Be Alive Stimming × Lambert Exodus

den verschiedenen Abstufungen der politischen und sozialen Entwicklungen, die derzeit weltweit für Fragezeichen sorgen. Und obwohl Superchunk ihre Pause nach dem Album »I Hate Music« aus dem Jahr 2013 eigentlich länger angedacht hatten, brannte es ihnen plötzlich auf der Seele, die Stimme zu erheben. Den derzeitigen Zustand der Welt, in dem auch die Kinder der Bandmitglieder aufwachsen, könne man nicht einfach ignorieren, so McCaughan. Was nicht nur für einige gute Textzeilen sorgt, sondern der Band kurz vor dem 30-jährigen Bandjubiläum auch noch mal musikalisches Feuer unterm Hintern macht. Dieses mittlerweile elfte Album ist nicht nur voll mit schnellen Indie-Rock-Songs voller SchrammelHarmonien, sondern auch reich an Gastauftritten: Es enthält Beiträge von Sabrina Ellis (A Giant Dog), Katie Crutchfield (Waxahatchee), Stephin Merritt (The Magnetic Fields) und dem allzeit charmanten David Bazan. »Part of that was wanting a feeling of community«, begründet McCaughan diese reiche Auswahl. Die Guten halten eben auch in schlechten Zeiten zuverlässig zusammen. Klaas Tigchelaar

Natürlich ahnten Fans schon vorher, dass Superchunk sich auf ihrem neuen Album über Trump und andere Katastrophen aufregen würden. In ihrem klassischen Soundkostüm ist dieses wütende Statement trotzdem relevant. »To see the rot in no disguise, oh what a time to be alive, the scum, the shame, the fucking lies, oh what a time to be alive«, singt Mac McCaughan im Opener und Titelsong. Die Welt ist gerade scheiße. Nicht im Punkrock-Sinne, sondern in

Schon mal in der Badewanne eingenickt? Nach dem Hören der LP der von Teese fühlt man sich ganz ähnlich. Sebastien Tellier ist ganz aus dem Häuschen. Der Grund: In Dita von Teese, New-Burlesque-Ikone und ihrerseits TellierFan, scheint der französische Liedermacher das gefunden zu haben, was manche eine Muse nennen. Die Muse wiederum macht keinen Hehl daraus, ihre Finger arttypisch aus dem Spiel gehalten zu haben. Ohnehin hätte sie sich niemals so verletzlich gezeigt, wenn nicht er sie in diese Rolle hineingeschrieben hätte. Insofern ist dieses Album Schauplatz einer künstlerischen Symbiose: Tellier bekommt Projektionsfläche für seine sinnlichsten Songwriter-Gelüste, von Teese die Gelegenheit, eine weitere Facette an ihr Profil zu schleifen, indem sie in einem Musikalbum mitspielt wie in einem Film – und dafür mit ihrem Namen auf dem Cover belohnt wird. Das war’s dann aber auch, denn das Resultat des Ganzen ist ein sich im Beliebigen verlierendes, soft-pornöses BeischlafGrundrauschen mit 1980er-Vibe, das prickelt wie schaler Dosen-Prosecco. Stimmlich ist die schneewittchenhafte


KRAFTKLUB Tänzerin dank günstiger Produktion zwar präsent, durch die flach ins Mikro gehauchten bis genuschelten Texte wirkt der Gesang aber so verwässert, dass man Englisch genauso wenig für von Teeses Muttersprache halten möchte wie Französisch (»J’ay quelquay showse à tay montray!«). Und die Musik? Schwül, dösig und ohne Substanz – wie ein unfreiwilliger Badewannenschlummer. Die laszive JaneBirkin-Tiefenatmung und das weinselige Gelächter kommen da fast schon recht, um die Hirnströme aus dem Stand-by zu reißen. Es bleibt die eilige Flucht übers Parkett von »The Lunar Dance« – Klamotten einsammeln nicht vergessen. Valentin Erning

gehört, bemerkt man außerdem, dass die Briten hier und da tricksen und fremde Federn als eigene ausgeben. Der Riff von »Black Hearts« etwa recycelt »Punk Rock Song« von Bad Religion mit dreistem Charme. Insofern ist der Name der Band gut gewählt, haben sie sich doch mit »Faceman« den charmanten Blender des A-Teams ausgesucht. Mit Murdock als Pate müsste man unberechenbarer vorgehen. Oliver Uschmann

16.03.18 LINGEN

KRAFTKLUB –Landstreicher Booking präsentiert–

Robert Earl Thomas Another Age Captured Tracks / Cargo

John Tejada Dead Start Program Kompakt / Rough Trade

Das Alte hinter sich lassen, die Hoffnung im Neuen entwickeln: Mit dieser Prämisse entwickelt John Tejada elf etwas zu unterkühlte Tracks zwischen Techno und Trance. Ein »Dead Start Program« gab es früher bei CDC6600-Computern, das man aus einem sogenannten »toten Anfang« heraus booten konnte. Für den Techno-Produzenten John Tejada steht diese Technik metaphorisch dafür, einen Neustart angesichts der Herausforderungen des täglichen Lebens zu beginnen. Aus dieser Prämisse heraus bastelt der Amerikaner, der mit seinem neuen Werk zum Kölner Label Kompakt zurückgekehrt ist, elf brodelnd-pulsierende Soundscapes, die sich in der Mitte zwischen Tejadas SoulTechno-Phase und seinen hypnotischen Trance-Grooves einfinden und wie eine Reise durch sein bisheriges Schaffen wirken. Aus der Stärke und den Erfahrungen des Bewährten kristallisiert sich ein mit vertrauten Elementen spielender und trotzdem neue Wege findender Sound heraus. Das entfaltet einen durchaus mitreißenden Flow: Die elf Tracks sind durch ihren melancholisch-nachdenklichen Grundton weniger im Club als in den eigenen vier Wänden daheim. Allerdings ist »Dead Start Program« auch eine recht steril-technoide Angelegenheit geworden, der für ihre menschelnd-lebensnahe Ausgangssituation in vielen Momenten die Wärme fehlt. Kristof Beuthner

Auf seinem Solodebüt schlägt der Widowspeak-Gitarrist nur vermeintlich unspektakuläre Töne an. Obwohl Widowspeak mit »Expect The Best« erst vor einem knappen halben Jahr ihre vierte LP veröffentlicht haben, legt Gründungsmitglied und Gitarrist Robert Earl Thomas nun schon sein erstes Soloalbum vor. Auf »Another Age« entwirft der New Yorker anschmiegsam fließenden IndiePop, der melancholische Gitarren mit gefühlvoll-verhalltem Gesang verknüpft. Was zunächst unscheinbar anmutet, zieht mit jedem Hören mehr in seinen Bann. Dazu zählt auch das schwelgerisch federnde Titelstück, das jeder The-SmithsBest-of gut zu Gesicht stehen würde. Aber auch der infektiös-beschwingte Single-Kandidat »The Weather« und die in dunkleren Farben gemalte Molly-Hamilton-Kollaboration »Word Of Mouth« ragen aus dem ungemein homogenen »Another Age« hervor. Nur das eine Spur zu kitschige »My Fault« ist etwas überladen geraten. Jedoch kann dieser kleine Makel einem geradezu anrührend schönen Werk kaum etwas anhaben, das an so manch kaltem Winterabend wie eine wärmende Decke wirken dürfte. Dirk Hartmann

KEINE NACHT FÜR

LINGEN

18|03|2018 EmslandArena Tickets: www.krasserstoff.com

18.03.18 LINGEN

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LINGEN LINGEN 23.03.18 18|03|2018 EmslandArena Tickets: www.krasserstoff.com

Tracey Thorn Record Caroline / Universal / VÖ 02.03.18

Templeton Pek Watching The World Come Undone Drakkar / Soulfood

Templeton Pek spielen breit angelegten Harmonie-Punkrock, dessen Könnerschaft stellenweise zu souverän wirkt. Melodycore steht nicht immer für das Gleiche. Man kann ihn sportlich spielen und unprätentiös, wie einen ParcoursLauf in Dreiviertelhose durch die Hinterhöfe von Santa Monica, wo die Fliesen in den leeren Swimmingpools schon Risse haben. Man kann mit sakralem Pathos gegen die Kirchen ansingen. Man kann knüppeln und stechen, die »Melodie« im Genre-Begriff nur noch in geringster Dosis verwenden. Oder man packt das ganz große Besteck aus. Wie Templeton Pek. Das Trio aus Birmingham klingt mindestens nach fünf Instrumentalisten und hat sich von Davey Warsop einen Sound produzieren lassen, der so warm und wohlig puncht wie ein Boxhandschuh mit Innenfutter aus Angorawolle. Das Songwriting und der Vortrag der Stücke orientieren sich an dem, was in der Regel eigentlich nicht als cool gilt, gerade deshalb aber sehr souverän ist – am Spätwerk. Jeder berechtigte »Wie«-Vergleich müsste lauten: »Wie späte Offspring. Wie späte Ignite. Wie Rise Against zu Zeiten von ›Endgame‹.« Im Kommentar zu der Platte äußert Sänger Neil Mitchell etwas, das heutzutage sonst nur Rapper mit großem Ego sagen: »Jeder einzelne Song soll gut genug für eine Single sein.« Qualitativ gelingt ihnen dieses Vorhaben. »Watching The World Come Undone« malocht sich ohne Abstürze durch sein angenehm auf zehn Songs reduziertes Repertoire. Die ganz großen, unvergesslichen Hooklines, die sich auf ewig in das kollektive Gedächtnis der Gemeinde fräsen, finden sich allerdings nicht. Hat man bereits viel Musik dieser Gattung

Jenseits allzu festgelegter Kategorien etabliert Tracey Thorn einen im Spannungsfeld zwischen Piano-Ballade und Electro-Pop angesiedelten Stil, der stets im Zeichen der Poetisierung von Wirklichkeit steht. Auf dem Cover-Foto von »Record« legen sich inkongruent arrangierte Fotos von Tracey Thorn übereinander, so, als wolle sie sich einer festgelegten Identität verweigern. Auf dem Album selbst ist dann auch vieles in Bewegung: Schon der Opener »Queen«, an dem Jenny und Stella von Warpaint beteiligt sind, geht mit treibendem Rhythmus und einem geschmackvollen Gitarre/Keyboard-Motiv gut los. Textlich stellt das Stück die Frage, wie sich die Gegenwart darstellen würde, hätte man in der Vergangenheit andere Entscheidungen getroffen. Das eröffnet einen Raum für Erzählungen, die auf faszinierende Weise zwischen biografischen Details und Fiktionalisierung changieren. So variiert »Air«, musikalisch eine Annäherung an Ace Of Base in gut, ihr schon in früheren Songs und auch in ihrer sehr empfehlenswerten Autobiografie »Bedsit Disco Queen« thematisiertes leicht kriselndes Verhältnis zum anderen Geschlecht: »I liked the boys, but they liked the girly girls.« Indem »Air« durch Verweise auf andere Songs geprägt ist, wirkt sein eigentlicher Gegenstand bereits stark vermittelt. Daraus resultiert aber eine angenehm maßvolle Qualität, die das Realistische durch eingeführte Muster filtert. Wir können Anteil nehmen, müssen uns aber nicht bis zur Selbstaufgabe mit den Liedern identifizieren. Dabei gibt es hier durchaus unmittelbar rührende Momente. Etwa, wenn es in der romantisch-neurotischen Facebook-Ballade »Face« heißt: »I’m closing your page now. Are you looking at mine? Do you scroll through my fotos just to check that I’m fine with a casual disinterest or a trace of regret or a stab through your heart when you think how we met.« Entsprechend dem Prinzip der Bewegung befindet sich die Protagonistin im nächsten Stück »Dancefloor« aber schon wieder auf der Tanzfläche, wo sie gern »Good Times«, »Shame«, »Golden Years« und »Let The Music Play« hören würde. Tracey Thorns Stimme klingt insgesamt ein wenig tiefer, das Album tendiert in

19.04.18 LINGEN

07.10.18 LINGEN FRANK turner & the sleeping souls

10.11.18 LINGEN Tickets an allen bekannten Vorverkaufsstellen, unter der Ticket-Hotline 0591 912950 oder 0591 9144144 sowie auf www.eventim.de und www.emslandarena.com


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#Review

Spektakel

Ought Room Inside The World

Groove seiner Musik besitzen neben der eröffnenden Single »Filthy« höchstens noch zwei bis drei weitere Songs dieses wieder langen, vielleicht viel zu langen Albums. Stattdessen ist es gekennzeichnet von seichter Weichheit, die alles konterkariert, was an Folk, Country und Rock’n’Roll kantig und substanziell ist. Da kann auch Alicia Keys als einziger hoffnungsvoller Feature-Gast nicht mehr helfen. Den Höhepunkt des Übels bilden vollkommen unambitionierte Pop-Balladen wie »Flannel«, aber auch der größte Teil des Restes lässt jedes Tempo und jeden Witz vermissen. Überhaupt ist die Behauptung, dass hier ein Mann aus den Wäldern musiziere, ein schlechter Witz. Wie auch dieses Album – zumindest im Vergleich zu seiner bisherigen, absolut respektablen Solo-Diskografie. Christian Steinbrink

Merge / Cargo

my voice, when I have something to say«, beklagt einmal eine heisere Stimme, aber das scheint hier nicht der Normalzustand zu sein. Remy singt wie ein Love-Child von Kate Bush und Cockney Rebels Steve Harley: schief, süßlich, kraftvoll und charismatisch – während das Kollektiv The Cosmic Range aus Toronto, eine der besten kanadischen AvantFunk-Jazz-Combos, dahinter immer andere traditionelle Pop-Sprachen auslotet. Denen allen ist gemeinsam, dass sie eine Balance zwischen episch und groovy austarieren, wie man sie vielleicht Ende des letzten Jahrzehnts bei den Yeah Yeah Yeahs fand. Das mag weniger experimentell sein, weniger mutig als die ersten Alben, vor allem ist es viel größer produziert, als es 2008 das Debüt »Gravel Days« gewesen ist. Diese Musikerin zu einer solchen künstlerischen Reife gewachsen zu erleben, souverän zwischen Stilen springend, macht dieses Album zu einem großen Vergnügen. Steffen Greiner

More Talking Heads, less Sonic Youth! Die PostpunkStreber aus Montreal präsentieren sich auf ihrem dritten Album farbenfroher, offener und nuanciert elektronischer.

Auf das gegenläufig schrammelnde Gitarrenspiel von Frontmann Tim Darcy sowie die vertrackte Rhythmusarbeit von Drummer Tim Keen und Bassist Ben Stidworthy muss man auf »Room Inside The World« zwar keineswegs verzichten. Allerdings scheint sich der Tastenfuhrpark von Keyboarder Matt May vergrößert zu haben, oder aber die Band hat sich einfach insgesamt mehr mit Synthesizern, Drum-Machines und elektronischen Stilmitteln beschäftigt als vorher. Klar ist, dass Album Nummer drei bei vielen Indie-Bands oftmals mit mehr Mut zum Experiment oder zu mehr Geschlossenheit und Reife einhergeht. Im Idealfall klappt sogar beides, und den Kanadiern kann man attestieren, dass ihnen das mit »Room Inside The World« gelungen ist. Der exaltierte Gesangsstil Darcys tritt noch klarer hervor – wie zum Beispiel bei der Single »These 3 Things«, die sich tänzelnd zwischen den Vorbildern Talk Talk und Talking Heads ihr Plätzchen sucht. Im sich langsam steigernden »Desire« ist dezent ein 70-köpfiger Chor versteckt (jedenfalls bemerkt man diesen erst richtig beim mehrmaligen Hören), bis das Lied in einem frei fließenden Saxofon endgültig zerfällt. Mit ihren so komplexen wie präzisen Songstrukturen und ihren wellenartigen Steigerungen und Senkungen erschaffen Ought für den aufmerksamen Hörer einen großen Raum zum Entdecken. Und ihren krachenden Sonic-Youth-Moment haben sie sich für das großartige »Take Everything« auch noch aufgehoben. Warum auch mit weniger zufriedengeben? Timo Weber

Richtung Electro-Pop, ohne sich genrehaft oder formalisiert anzuhören. Dafür sind die Lieder viel zu sehr mit Thorns geistreicher Präsenz und ihrer einnehmenden Gabe zur Poetisierung der Wirklichkeit aufgeladen. Mario Lasar

Justin Timberlake Man Of The Woods RCA / Sony

Justin ist vor die Tür gegangen und hat gemerkt, wie schön es dort ist. Seiner Musik hat die Landluft aber nicht gutgetan. Justin im Gras kniend, in Lederjacke über Jeans-Weste, mit flehendem Blick in den Himmel, hinter ihm die schneebedeckten Rocky Mountains und eine Herde Mustangs: Schon der Anblick des Album-Trailers musste kritische Fans des Popstars misstrauisch werden lassen. Anstatt seine Wochenenden in der Wildnis privat zu halten, machte er sie zum erklärten Konzept seines neuen, vierten Soloalbums: die Suche nach dem urtypischen Amerika und dessen traditionellen Musikstilen. Das Ergebnis, das nun als »Man Of The Woods« veröffentlicht wird, offenbart seine Konsequenz bei dieser Suche als höchstens halbgar und lässt zu allem Überfluss all die Elemente zurück, die Timberlake zuvor so gut machten. Den schneidigen, zwingenden

Turbowolf The Free Life So Recordings / Rough Trade / VÖ 09.03.18

Die überkandidelten Stoner-Psychedeliker aus Bristol legen auf ihrer dritten LP in puncto Campness eine Schippe drauf. Konnte man die beiden Vorgängeralben Turbowolfs beim beiläufigen Durchhören und mit viel Ignoranz noch mit ernsthaftem Kiffer- beziehungsweise Macker-Rock verwechseln, ist dieses Missverständnis auf »The Free Life« so gut wie ausgeschlossen. Bei »Up & Atom« gönnen sich die vier nach ein paar versponnen-psychedelischen Minuten eine große Portion absurden Bombasts, sofern das bei ihrem rohmixartigen Rumpel-Sound überhaupt möglich ist. Der Titelsong zitiert mit seinem monströsen, pompösen Intro die für Stoner-Rock typische Überwältigungsästhetik, um dann in eine besonders herzerfrischende Form der für diese Band bezeichnenden, ironisch-albernen Herangehensweise an harte Gitarrenmusik abzudrehen. Damit – und mit ihrem derben Sound – sind Turbowolf nicht weit entfernt von ihren Freunden Death From Above, deren Sänger Sebastien Grainger auf »Cheap Magic« mitmacht. Ausreißer aus diesem Konzept: »Halfsecret« erinnert an schwermütigen Spät-1970er-Postpunk und ist tatsächlich das am wenigsten witzige (aber vielleicht beste) Stück des Albums. Auch wenn sich Turbowolf von konventionellem Rock noch weiter entfernt haben als zuvor, hat man nie das Gefühl, hier einer bloßen Parodie zuzuhören, sondern einer liebevollen Weiterentwicklung, die die genreüblichen Klischees souverän und humorvoll aufzugreifen weiß. Till Stoppenhagen

Vance Joy Nation Of Two Atlantic / Warner

Ein zweites »Riptide« hat auf Vance Joys Zweitwerk niemand erwarten können. »Nation Of Two« ist dennoch wieder schönster Folk-Pop für all jene, denen Mumford & Sons schon zu heavy sind. Längste Verweildauer aller Zeiten in den australischen Single-Charts – da muss schon mehr als ein schnöder Blitz zweimal einschlagen, um einen Erfolg wie »Riptide« zu wiederholen. Auch ohne diesen unmöglichen Versuch zu starten, liefert James Keogh alias Vance Joy auf seinem zweiten Album mit in ihrem Kern simplen, unschuldig schönen Songs allerdings wieder viel Futter für Gitarren- und (im Falle des schamlosen Sommerboten »Saturday Sun«) Ukulelen-Schüler, die schon im ersten Lehrjahr mit ihrem Instrument Mädels verzaubern wollen: »Nation Of Two« beschreibt ein Paar, das nur sich selbst zum Leben und zum Glücklich-Sein braucht. Das klingt zwar so aufgeblasen-kitschig wie die fulminante Bläser-Unterstützung mancher Songs, wird aber durchgängig so charmant, sympathisch und leichtfüßig umgesetzt, dass eigentlich jeder Song auf »Nation Of Two« eine potenzielle Oase in der Wüstenlandschaft der Formatradiosender darstellt. Längste Verweildauer in den Album-Charts wäre ja ein neues erstrebenswertes Ziel, und schlecht stehen die Chancen dafür nicht. Jan Martens

U.S. Girls In A Poem Unlimited

Sam Vance-Law Homotopia

4AD / Beggars / Indigo

Caroline / Universal / VÖ 02.03.18

Groove statt akustische Störfeuer: Mit ihrem sechsten Album macht Meg Remy den Schritt zum Jazz, ohne die Melodien zu vergessen. Und auch nicht die Wut. Im Januar erschien mit dem neuen Album der Experimental-Pop-Künstlerin Tune-Yards ein wütendes Werk über Privilegien und Zustände, im März ergänzt Meg Remy alias U.S. Girls – wesentlich poppiger und melodiöser, aber nicht weniger machtvoll. »Why do I lose

Der smarte Kanadier Sam VanceLaw präsentiert einen homosexuellen Mikrokosmos als unwiderstehliche Kammerpop-Revue. Drei Jahre lang hat Sam Vance-Law in Berlin an dieser Utopie des homosexuellen Lebens gewerkelt. Das Album ist dabei definitiv mehr der geglückte Versuch, diverse Facetten der Homosexualität in einem Mikrokosmos zu bündeln, als ein LGBTQ-Klischeefest


#Review Wenn Jonathan Wilson sein Mitteilungsbedürfnis im weiteren Verlauf seiner Karriere nicht überreizt, ist er mit seinem Bombast-Prog-Pop in Überlänge immer herzlich willkommen. »Fanfare« hieß das letzte Album von Jonathan Wilson, und das nicht zu Unrecht. So maximal wie damals blies sich Pop zuvor in den 1970ern auf: Wilson klang wie exakt die Musik, die man nur kennt, weil sie seit Jahrzehnten alle Listen der besten Alben aller Zeiten verstopft. Musik, der man also nur vorurteilsfrei begegnet, wenn wieder einer ihrer Protagonisten hops geht, was gerade immerhin so regelmäßig passiert, dass man, wie es etwa für mich im Herbst bei Tom Petty der Fall war, alle paar Monate etwas eigentlich Altbekanntes neu entdecken kann. Wilson ist hingegen jung und klug und mit ausreichend Pop-Wassern gewaschen, sodass er hier mehr als einen Nachbau vorstellt. Er produzierte das letzte Album von Father John Misty, tourte mit Pink Floyds früherem Frontmann Roger Waters, und zwischen diesen Polen von bräsigem Stadion-Prog und Tongue-InCheek-Pop scheint sich Wilson gut eingerichtet zu haben. »Rare Birds« klingt nach 1980er-Prog der Marken Genesis oder Trevor Horn, hat herrlich lasziv-verschwitzte Rockhymnen und brodelnde Balladen und auch die genretypischen Filler. Mit 80 Minuten ist es viel zu lang geraten, aber das war »The Wall« schließlich auch. Steffen Greiner

Marlon Williams Make Way For Love

Jonathan Wilson Rare Birds Bella Union / PIAS / Rough Trade / VÖ 02.03.18

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...UND VIELE MEHR

ROSKILDE-FESTIVAL.DK

Dead Oceans / Cargo

Der Folk-Barde aus Neuseeland geht mit seinem zweiten Album aufs Ganze und croont sich in bester Elvis-Manier durch zahlreiche Schmachtfetzen. Eines steht fest: Authentizitätsdebatten wird es über diese Platte nicht geben. Das hier Gebotene ist in seiner Gesamtästhetik und in seinem Kunstanspruch knietief in die späten 1950er eingebettet, eine klassische Herzschmerzplatte, die ihren Inszenierungsansatz zu keiner Zeit verleugnet. »Make Way For Love« schmeckt nach spät in der Nacht bestelltem Whiskey, riecht nach Haarspray und lässt jene Zeiten wieder aufleben, in denen Frank Sinatra in frühen Morgenstunden einsame Liebeslieder einsang und Elvis langsam erkannte, dass nach dem erfüllten Kulturauftrag als Erfinder des Rock’n’Roll die ewige Ballade folgen kann. Williams zeichnet die Musik dieser Zeit sehr beflissen nach und hat ein paar schöne Stücke geschrieben. Lieder wie »Come To Me« oder »Beautiful Dress« besitzen etwas ungemein Flehendes, der Sänger ordnet sich der Angebeteten unter und kann nichts machen, als sich in Geduld zu üben. Die Arrangements sind mitunter großartig, immer wieder erweitern Streicher das Klangdesign, reichlich Hall unterstützt die nostalgische Grundstimmung. Die Rolle des Kulturboten ist Marlon Williams nicht vorzuwerfen. Dass er nach dem vielversprechenden Debüt jedoch nichts weiter als seichte Liebeslieder anzubieten hat, darf man kritisieren. Dennoch eine Platte, die in der richtigen Stimmung einen Reiz besitzt. Kai Wichelmann

US EMINEM US UK BRUNO MARS GORILLAZ CARDI BUSUS DAVID BYRNEUSUS KHALID FLEET FOXES

NON-PROFIT SEIT 1972

Young Fathers Cocoa Sugar Ninja Tune / Rough Trade / VÖ 09.03.18

»Cocoa Sugar« folgt klassischen Marketing-Regeln. Zum Glück steht dabei etwas anderes als schlichtes Verkaufen im Vordergrund: nämlich Mitgefühl und der typische fordernde Young-Fathers-Sound. Um das neue Young-Fathers-Album zu verstehen, sollte man sich das Video zur Single »In My View« anschauen. Das wird nach einer Folge von gefühligen Videoclips unvermittelt zum Lehrvideo: »The Art Of Making People Care«. Dazu gibt’s dann Regeln, die schrecklicher Marketing-Sprech, Regisseur-Weisheit und Aktivisten-Agenda zugleich sind. Dieser Ambivalenz ist sich das Trio natürlich bewusst, auch wenn die Schotten diese Regeln auf »Cocoa Sugar« par excellence durchexerzieren. Der Opener »See How« gibt durch eine Mischung aus Horrorfilm-Sound und HipHop-Beat die erste Regel vor: »Hook Me In The First 5-Seconds«. Auch der Wechsel zwischen emotionalen Höhenflügen und Tiefschlägen (»Give Me Emotional Highs & Lows«) wird befolgt: Euphorischen Songs wie »In My View« folgt das düstere »Turn«, nur um direkt wieder in einen erhellenden Duktus (»Lord«) zu verfallen. Auch die dritte Regel »Use Shock & Surprise« ziehen die drei durch: Vor allem die unvorhersehbare Instrumentierung und Beat-Produktion überraschen immer wieder durch Brüche und Wendungen. Und auch die letzte Regel »Show Me Your Softer Side« wird brav befolgt, denn auch auf »Cocoa Sugar« geht es darum, mit Kapitalismus- und Globalisierungsverlierern und Betroffenen von Rassismus, Sexismus und anderen widerwärtigen -ismen mitzufühlen und für sie zu kämpfen, anstatt nur die übliche HipHop-Pose aus Money, Bitches, Kriminalität zu wiederholen. Durch sein neues, wieder großartiges Album arbeitet das Trio weiter an seinem Lebenswerk: »Making People Care«. Marius Wurth

PRÄSENTIERT VON: SPEX, INTRO, KULTURNEWS, DIFFUS MAGAZIN, PRO ASYL

06.03.18 07.03.18 08.03.18 09.03.18 11.03.18 12.03.18 13.03.18 14.03.18 16.03.18 17.03.18 18.03.18 06.04.18 07.04.18 08.04.18 09.04.18

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abzufeiern. Das »Homotopia« besiedeln androgyn aussehende Jungs voller Unsicherheit, Familienväter, Dandys, glückliche Liebespaare und mittendrin Sam Vance-Law selbst, der das Album mit seinen Erzählungen im Ganzen betrachtet zu einem persönlichen Comingof-Age-Narrativ gestaltet. Das Glanzstück »Isle Of Man« fußt auf einem kleinen »I Love Men«-Wortspiel und entwickelt sich in nur wenigen Zeilen zu der rührenden Geschichte eines Mannes, der seine Familie liebt und sich zugleich heimlich nach Männern sehnt. Kurz darauf erleben wir mit »Gayby« lockere PopoWackler und spannende Finten, denen man unabhängig von der eigenen sexuellen Ausrichtung einfach nicht widerstehen kann. Der klassisch ausgebildete Pianist und Chorknabe Vance-Law und sein Förderer Konstantin Gropper (Get Well Soon) sorgen mit ihren breiten Arrangements, die sich vor Andrew Bird oder Rufus Wainwright keinesfalls verstecken müssen, für die perfekte Vertonung dieser Welt. Und dass Vance-Law mit seinen leichtfüßigen und zugleich tiefgründigen Popsongs die Herzen erobern wird, ist so sicher wie die Homophobie in der Kirche. Sebastian Jegorow

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#Intro empfiehlt

A Tale Of Golden Keys

Ace Tee

Karl Blau

Blond

Im Video zum Song »In The Far Distance« steckten A Tale Of Golden Keys ihren Protagonisten in ein Shrimp-Kostüm und kündigten damit ihr gleichnamiges Album an. Mit besagtem Cocktail aus frischem Pop und feinem Indie kommt das Trio nun auf Tour.

Mit ihrem Hit »Bist du down« hat Ace Tee nicht nur den entspannten R’n’B-Flow der 1990er zurückgebracht – sie hat auch USRapper Future von sich überzeugt. Mit Wegbegleiter Kam.e bricht die Hamburgerin nun auf »Tee Time«-Tour auf.

— 21.03. Dresden — 22.03. Berlin — 23.03. Nürnberg — 24.03. Würzburg — Geht weiter!

— 20.03. Berlin — 21.03. Leipzig — 22.03. A-Wien — 23.03. München — 26.03. Frankfurt a. M. — 27.03. Stuttgart — 28.03. Köln — Geht weiter!

Nach zwei Jahrzehnten im Studio und auf Bühnen gilt Karl Blau zweifellos als einer der wichtigsten Einflussgeber der amerikanischen Indie-Szene. Das zeigt der geschmackssichere Singer/Songwriter auch auf seinem neuen Album »Out Her Space«, auf dem er sich von Folk bis Afro-Pop an allem bedient, was er mag.

Wer Blond schon einmal live gesehen hat, weiß, dass Nina und Lotta Kummer keinesfalls im Schatten ihrer Kraftklub-Brüder stehen. Ganz im Gegenteil: Die schlagfertigen Chemnitzerinnen schrecken im Grunde vor nichts zurück – nicht einmal vor einer live performten ABBA-Coverversion.

— 02.03. Hamburg — 03.03. Berlin

— 15.03. Regensburg — 16.03. München — 17.03. Würzburg — 21.03. Hamburg — 23.03. Rostock — Geht weiter!

Hope

The Go! Team

INTRO EMPFIEHLT Und wenn man denkt, es gibt nichts Neues mehr, kommen plötzlich sechs verrückte Kids daher. So ähnlich fühlte es sich an, das erste Mal The Go! Team live zu sehen. Mit ihrem zuckersüßen Indie-Pop, der auf Cheerleading, Marching Band und HipHop setzt, treffen sie jedes verdorrte Herz.

Für alle von uns empfohlenen Touren verlosen wir jeweils 3×2 Tickets. Mail an tickets@intro.de Mehr Tour-Präsentationen unter intro.de/termine #intro empfiehlt

— 02.03. Köln — 03.03. Hamburg — 04.03. Berlin

Mit melancholisch-brüchigem Postpunk und akzentuiertem Gesang fließt das Debüt der Berliner Hope einfach und wunderbar dahin. Ihr Spiel mit Genres und Gefühlen brachte die Band besonders auf dem diesjährigen Eurosonic Noorderslag überzeugend rüber. Auf ihrer kommenden Tour darf man dasselbe erwarten. — 23.03. Augsburg — 24.03. Karlsruhe — Geht weiter!

Marteria

Tom Misch

Monumental Men

The Soft Moon

In Sachen Live-Qualität ist Marteria der Beste seiner Klasse. Wer noch nie erlebt hat, wie der Rapper seine Konzerte in eine Party münden lässt, sollte das nachholen.

Sein 2014 veröffentlichtes »Beat Tape 1« war der Startschuss. Seitdem wirbelt Tom Misch die Musikszene nicht nur auf, sondern bewegt sich zwischen all ihren Genres. Nachdem er Studioalben bislang mied, erscheint im April endlich die erste LP »Geography«.

Der hypnotische Sound des Schweizer Trios geht ins Ohr und schaltet dort direkt das Kopfkino an. Und das, obwohl die Band erst 2017 in Erscheinung getreten ist. Die Produzenten Biru und Melvyn Buss kennt man allerdings schon durch Projekte wie Round Table Knights und Mercury.

Sowohl künstlerisch als auch emotional gelingt Luis Vasquez ein Quantensprung. Mit seiner experimentellen Mischung aus Darkwave, Postpunk und Krautrock geht es für den gebürtigen Kalifornier und heutigen Wahlberliner im März auf Tour.

— 01.03. Jena — 02.03. Chemnitz — 05.03. Saarbrücken — 06.03. Wiesbaden — 10.03. Flensburg — 11.03. Dortmund — 13.03. Mannheim — 15.03. Koblenz — 16.03. Neu-Ulm — 18.03. Würzburg — 19.03. Erfurt — 20.03. Hannover — 21.03. Freiburg — Geht weiter!

— 15.03. Hamburg — 20.03. Berlin — 21.03. Köln

— 28.03. Berlin

— 07.03. München — 08.03. Leipzig — 09.03. Hamburg — 10.03. Köln — 11.03. Saarbrücken


#Intro empfiehlt

The Boxer Rebellion

Dream Wife

George FitzGerald

The Garden

Die Geschichte von The Boxer Rebellion begann mit einer nächtlichen Zecherei in einem Londoner Pub und führte bei Nathan Nicholson und Todd Howe zu einer engen Freundschaft. Seitdem sind 15 Jahre vergangen. Mit ihrem sechsten Album »Ghost Alive« geht die britische Indie-Rock-Band erneut auf Tour.

Eigentlich sollten Dream Wife nur eine Kunstausstellung lang existieren. Doch dann realisierte das Londoner Trio, dass sich ihre FakePerformance richtig gut anfühlt. Bald darauf erschien auch schon das erste Album, gefolgt von einer Tour durch Europa und Kanada. Nun sind die Pop-Punkerinnen auch hierzulande zu sehen.

Obwohl er fast jeden namhaften Club Europas von innen kennt, fühlt sich George FitzGerald in seinem Londoner Studio am wohlsten. Nirgendwo sonst kann der britische Produzent und DJ seine musikalische Gratwanderung aus clubbigem Electro und verträumten Vocal-Songs so entspannt vereinen.

Abgesehen vom Namen ihrer ersten Single »No Destination« scheinen die Shears-Zwillinge nie wirklich vom Weg abzukommen. Zwar kann bei einer The-GardenShow trotz tiefer Punk-Wurzeln jederzeit auch mal Golden-EraHipHop laufen, aber das auch nur, um ihren selbst ernannten »VADA VADA«-Stil auszugestalten.

— 06.03. Hamburg — 07.03. Berlin — 08.03. Köln

— 09.03. Berlin — 14.03. Hamburg — 15.03. Köln

— 19.03. München — 20.03. Berlin — 21.03. Köln

— 07.03. Berlin — 10.03. München — 23.03. Hamburg

Imarhan

Isolation Berlin

Max Richard Leßmann

Love Machine

Übersetzt bedeutet Imarhan »die, die mir etwas bedeuten«. Getreu dem Motto wurde die TuaregBand 2008 nicht mit fester Besetzung, sondern eher als loser Freundeskreis, der miteinander musiziert, gegründet. Mit vertracktem Feingefühl mischen sie trockene Gitarrenriffs mit Pop und panafrikanischen Rhythmen.

Schwarzseherisch war die Band um Tobias Bamborschke ja schon immer, sodass auch ihr neuer Albumtitel »Vergifte dich« nicht überrascht. Ihre rotzige Attitüde wird mit dem Postpunk-Flair der neuen Songs gespritzt und verspricht für ihre Tour einiges.

Nach seinem Job bei Vierkanttretlager und Songwriting-Aushilfen bei Casper und Prinz Pi erschien zuletzt endlich Leßmanns erstes Soloalbum, das bald live gebührend abgefeiert werden darf.

Diese Band lässt bereits optisch wenig Zweifel daran, was ihre Hörer musikalisch erwartet: krautige Rockmusik und psychedelischen Pop, der endlich aus der Geheimtipp-Ecke weg und auf die großen Bühnen gehört.

— 15.03. Potsdam — 16.03. Hannover — 17.03. Bremen — 21.03. Weinheim — 22.03. Frankfurt a. M. — 24.03. Erfurt

— 07.03. Bielefeld — 08.03. Hannover — 09.03. Braunschweig — 10.03. Husum — 14.03. Ulm — 16.03. Nürnberg — 17.03. Mainz — 18.03. Mannheim — 21.03. Dresden — 22.03. Bremen — 23.03. Düsseldorf — 24.03. Stuttgart

Tocotronic

Trettmann

Tuys

D’Angelo

Wie herausfordernd es ist, sich als Band immer wieder neu zu erfinden, zeigt keine Band so gut wie Tocotronic. Ihr neues Werk »Die Unendlichkeit« befasst sich mit Dirk von Lowtzows Autobiografie.

Niemandem gelang ein steiler Genrewechsel so elegant wie ExReggae-Sternchen Trettmann. Sein »#DIY« wurde eins der besten Deutschrap-Alben 2107.

Tuys gründeten ihre Indie-Band, bevor sie überhaupt ein Instrument beherrschten. Bei der Zuteilung wurde ganz einfach eine Münze geworfen. Wie unglaublich gut die Geschichte des Luxemburger Quartetts dann doch ausging, kann man während ihrer Shows sehen.

Seit dem Release von »Black Messiah« wartet die Welt auf ein neues Album von D’Angelo, dem maßgeblichen R’n’B-Erneuerer der 1990er. Doch anstatt nennenswerte Ergebnisse aus dem Studio mitzubringen, kommt er lieber in regelmäßigen Abständen in Europa auf Tour.

— 29.03. Göttingen — Geht weiter!

— 14.03. Hamburg — 15.03. Berlin

— 26.03. Bremen — 27.03. Berlin — 28.03. Düsseldorf

— 06.03. Bremen — 07.03. Münster — 08.03. Heidelberg — 09.03. Erlangen — 11.03. Erfurt — 12.03. Wiesbaden — 13.03. Köln — 14.03. Hannover — 17.03. Hamburg — Geht weiter!

— 09.03. Bonn — 13.03. Hamburg — 14.03. Bremen — 15.03. Köln — 16.03. Jena — 18.03. Frankfurt — 19.03. Düsseldorf — 21.03. Bielefeld — 22.03. Erlangen — 23.03. Stuttgart — 26.03. Heidelberg — 27.03. Saarbrücken — 28.03. Friedrichshafen — Geht weiter!

— 01.03. Hamburg — 02.03. Berlin — 03.03. Dresden — 21.03. Mannheim — 22.03. München — 24.03. Pfarrkirchen — 29.03. Düsseldorf — 31.03. Frankfurt

121


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#Termine

TOURDATEN 10cc

01.03. Bochum 02.03. Mannheim 04.03. Hamburg 05.03. Berlin 06.03. Oldenburg

Intro empfiehlt

Ace Tee

Termine – Seite 120

Afrob

01.03. Berlin 02.03. Hamburg 03.03. Köln 09.03. Frankfurt a. M. 10.03. München 11.03. Stuttgart

All Tvvins

02.03. Köln 05.03. Hamburg 07.03. Berlin 09.03. München

Intro empfiehlt

Alvvays

28.02. Berlin 01.03. München

And The Golden Choir

10.03. Magdeburg 11.03. Leipzig 12.03. Hannover 13.03. Dresden 14.03. Hamburg 15.03. Berlin 17.03. München 18.03. Heidelberg 19.03. Köln 20.03. Frankfurt a. M. Geht weiter!

Antilopen Gang 28.02. Münster 01.03. Karlsruhe 02.03. Köln 03.03. Bremen

Antje Schomaker 28.02. Köln 01.03. Dortmund 02.03. Stuttgart 03.03. Heidelberg 04.03. Wiesbaden 06.03. München 07.03. A-Wien 08.03. Leipzig 09.03. Berlin 10.03. Hamburg

Arcane Roots

12.03. Wiesbaden 13.03. Karlsruhe 14.03. Dortmund

Intro empfiehlt

Bahamas

22.03. Berlin 23.03. Erfurt 24.03. Köln

Balbina

14.03. Oldenburg 16.03. Lüneburg 17.03. Jena

Banfi

13.03. Hamburg 14.03. Berlin

Baths

03.03. A-Wien 06.03. München 07.03. Köln 08.03. Jena

Bearcubs

23.03. Hamburg 24.03. Köln

Beranger

11.03. Berlin

Big Thief

26.03. Münster

Bilal

06.03. Hamburg

Intro empfiehlt

Blond

Termine – Seite 120

Bluestaeb

10.03. Wiesbaden

Bohren & Der Club Of Gore 25.03. Hamburg

Brett

23.03. Berlin 24.03. Hamburg 25.03. Köln 26.03. München 27.03. Stuttgart

Brian Fallon & The Howling Weather 28.02. Köln 01.03. Berlin 03.03. Nürnberg 04.03. München

Calexico

09.03. Hamburg 10.03. Berlin 11.03. München 21.03. Stuttgart 23.03. Köln

Carla Bruni

16.03. Berlin 18.03. Hamburg

A Tale Of Golden Keys

Intro empfiehlt

At The Drive-In mit Death From Above

Celo & Abdi

Termine – Seite 120

Casper mit Fatoni

09.03. Würzburg 10.03. Erfurt

02.03. Hamburg 03.03. Köln

01.03. München 02.03. A-Wien 10.03. Frankfurt a. M. 11.03. Münster

Audio88 & Yassin

Chain And The Gang

01.03. Magdeburg 02.03. Saarbrücken 03.03. Dortmund

01.03. Köln 02.03. Würzburg 03.03. Leipzig

Charlotte Gainsbourg

21.03. Hamburg 22.03. Berlin

Chilly Gonzales 29.03. Düsseldorf

Intro empfiehlt

Cro

01.03. Stuttgart 04.03. München

Intro empfiehlt D’Angelo 14.03. Hamburg 15.03. Berlin

Damien Jurado 09.03. Berlin

Death By Chocolate 28.02. München 01.03. Hamburg 02.03. Berlin 03.03. Köln 05.03. Mannheim

Intro empfiehlt

Dent May 28.02. Berlin 12.03. München

Dillon

28.02. Leipzig 02.03. Hamburg 07.03. Köln 09.03. München

Django Django 13.03. München 16.03. Hamburg 17.03. Berlin

Donots

06.03. Dresden 08.03. München 09.03. Karlsruhe 20.03. Dortmund 21.03. Hamburg 22.03. Köln 23.03. Erlangen 24.03. Wiesbaden

Intro empfiehlt

Dream Wife

Termine – Seite 121

Editors

18.03. Wiesbaden 24.03. Münster 25.03. Köln 31.03. Hamburg

Elif

01.03. Bremen 02.03. Berlin 03.03. Potsdam 04.03. Rostock 07.03. Hannover 08.03. Lüneburg 09.03. Münster 10.03. Düsseldorf 11.03. Köln 13.03. Karlsruhe 14.03. Darmstadt 15.03. Osnabrück 17.03. Reutlingen 18.03. Heidelberg 20.03. München 21.03. Erlangen 22.03. Dresden 23.03. Hamburg

Erasure

28.02. Hamburg 01.03. Berlin 03.03. Leipzig 04.03. München 05.03. Frankfurt a. M. 07.03. Hannover

Intro empfiehlt

Faber

mit Neufundland 28.02. Hamburg 01.03. Kiel 02.03. Dortmund 03.03. Düsseldorf

Faid

08.03. Karlsruhe 09.03. Alfeld 10.03. Magdeburg 16.03. Hamburg 17.03. Köln 19.03. München 20.03. Frankfurt a. M. 25.03. Berlin 26.03. Dresden

Feine Sahne Fischfilet

01.03. Magdeburg 02.03. Saarbrücken 03.03. Dortmund 08.03. Stuttgart 09.03. Köln 10.03. Erfurt 17.03. Berlin 23.03. Rostock

Fever Ray

28.02. Berlin 13.03. Hamburg 17.03. Köln Geht weiter!

First Aid Kit

08.03. Berlin 10.03. Hamburg

Fishbach

28.02. Hamburg 03.03. Frankfurt a. M. 04.03. Karlsruhe 05.03. München

Fortuna Ehrenfeld 02.03. München 18.03. Köln

Frank Carter & The Rattlesnakes mit Demob Happy 16.03. Hamburg 24.03. Köln 26.03. Berlin 27.03. München 28.03. Wiesbaden

Franz Ferdinand mit Leoniden 01.03. Hamburg 05.03. Köln 07.03. Berlin 12.03. München

Garden City Movement

19.03. Hamburg 21.03. Berlin 23.03. Lörrach 24.03. Heidelberg 25.03. München

Gengahr

31.03. Hamburg

Intro empfiehlt

George FitzGerald Termine – Seite 121

Ghostpoet

01.03. München

Grandbrothers 28.02. Dresden 01.03. Leipzig

Greta Van Fleet 22.03. Köln 24.03. Hamburg 25.03. Berlin

Intro empfiehlt

Haiyti

Intro empfiehlt

James Vincent McMorrow 28.02. Erlangen

Jamie Lawson

19.03. Hamburg 20.03. Köln 22.03. Berlin 25.03. München 26.03. Frankfurt a. M.

02.03. Köln 04.03. Stuttgart 09.03. München 10.03. A-Wien 11.03. Leipzig 18.03. Hamburg

Jesper Munk

Harry Styles

01.03. Köln 07.03. Berlin 08.03. Hamburg

24.03. Oberhausen 25.03. Hamburg 27.03. München Geht weiter!

11.03. München 12.03. Berlin 13.03. Hamburg 14.03. Köln

23.03. Essen 24.03. Bremen

Kid Francescoli 01.03. Hannover 02.03. Berlin

14.03. Leipzig 15.03. Magdeburg 16.03. Regensburg 17.03. Bayreuth

20.-21.03. Frankfurt a. M. 22.03. A-Wien 25.03. Chemnitz 26.03. Nürnberg 28.03. Köln 30.-31.03. Berlin

H.E.R.

Jonathan Wilson

Heinz Strunk

14.03. Köln 15.03. München 17.03. Frankfurt a. M.

High Valley mit American Young, Jarrod Dickenson 06.03. Berlin 07.03. Köln

Hippie Sabotage 26.03. Köln 27.03. Hamburg 29.03. Berlin

Intro empfiehlt

Hope

Termine – Seite 120

IAMX

06.03. Hamburg 07.03. Berlin 08.03. Köln

Ibeyi mit Ider

21.03. München

Ilgen-Nur

06.03. Bremen 07.03. Münster 08.03. Heidelberg 09.03. Erlangen 10.03. Erfurt 12.03. Köln 13.03. Wiesbaden 14.03. Hannover 17.03. Hamburg Geht weiter!

Intro empfiehlt

Imarhan

Termine – Seite 121

Intro empfiehlt

Isolation Berlin

Termine – Seite 121

Jacob Banks

13.03. Köln 14.03. Berlin 15.03. Hamburg

27.03. Köln 28.03. Berlin 29.03. Hamburg

Jools Holland mit Ruby Turner, Louise Marshall 05.03. Hamburg 06.03. Berlin

Intro empfiehlt

Karl Blau

Termine – Seite 120

Kelvyn Colt 28.02. Berlin

Kendrick Lamar mit James Blake 05.03. Berlin

Kent Coda

03.03. Köln 22.03. Bremen

04.03. Dresden 05.03. Frankfurt a. M. 06.03. Stuttgart 09.03. A-Wien 11.03. München 13.03. Würzburg 14.03. Leipzig 15.03. Göttingen 16.03. Erfurt 17.03. Münster 20.03. Köln 21.03. Hannover 22.03. Hamburg 23.03. Bremen 24.03. Rostock 27.-28.03. Berlin

Kettcar

Jessie Ware

Joe Bonamassa

Kat Frankie

King Gizzard & The Lizard Wizard mit Mild High Club 07.03. Berlin 09.03. Hamburg 10.03. Leipzig 11.03. München

K.I.Z

28.02. München 01.03. A-Wien 02.03. Wiesbaden 03.03. Hamburg 05.03. Köln 07.03. Leipzig 08.03. Berlin

Kraftklub

02.03. Magdeburg 03.03. Bielefeld 09.03. Saarbrücken 10.03. Mannheim 11.03. Zwickau 14.03. Wetzlar 16.03. Düsseldorf 17.03. Kiel 18.03. Lingen 21.03. Göttingen 22.-23.03. Köln 24.03. Freiburg

Kylie Minogue 20.03. Berlin

Da gehen wir hin

Tipps der Redaktion #260 Und wo geht ihr hin? intro.de #konzerte

Bastian Küllenberg Tour Of Tours Kent Coda The Rad Trads Love Machine Entertainment For The Braindead

Holger Risse Anna von Hausswolff 10cc Tocotronic Laibach Fever Ray

Carsten Schumacher Bruce Dickinson (Lesung) Greta Van Fleet Tocotronic Turbowolf Anna von Hausswolff


#Termine Laibach

04.03. München 06.03. Mannheim 07.03. Dortmund 08.03. Hamburg 17.03. Rostock 18.03. Köln 20.03. Leipzig

Lea W. Frey

23.03. Leipzig 24.03. Stuttgart 25.03. Nürnberg 25.03. Ludwigsburg

Le Butcherettes 06.03. Münster 17.03. Nürnberg 18.03. Dresden 19.03. Hannover 22.03. Stuttgart

Leoniden

02.03. Berlin

Lee Ranaldo Band 02.03. Hamburg 03.03. Berlin 04.03. Heidelberg

Liam Gallagher mit The Sherlocks

MC Fitti

14.03. Nürnberg 15.03. Leipzig 16.03. Berlin 17.03. Essen 21.03. Hannover 22.03. Wiesbaden 23.03. Stuttgart 24.03. Köln 25.03. Hamburg

Me And Reas

22.03. München 23.03. Köln 27.03. Mainz 28.03. Hamburg 29.03. Berlin

Metallica mit Kvelertak 29.03. Hamburg 31.03. A-Wien

Milk Teeth mit Fangclub

27.03. Köln 28.03. München 29.03. Hamburg 30.03. Berlin

Mint Field

04.03. Köln 05.03. Berlin

06.03. Jena 08.03. Berlin 09.03. Schorndorf

Intro empfiehlt

Mister Me

Liima

05.03. Leipzig

Long Distance Calling

28.02. Hannover 01.03. Berlin 02.03. Hamburg 03.03. Kiel 04.03. Bremen 05.03. Köln 06.03. Wiesbaden 07.03. Stuttgart 08.03. München 09.03. A-Wien 11.03. Dresden 12.03. Nürnberg

Intro empfiehlt

Love Machine

Termine – Seite 121

Mädness & Döll

07.03. A-Wien 10.03. Kaiserslautern 14.03. Oberhausen 15.03. Hildesheim 16.03. Lübeck 17.03. Lingen 19.03. Reutlingen 20.03. Düsseldorf 21.03. Koblenz 22.03. Erfurt 23.03. Bayreuth 24.03. Chemnitz 25.03. Cottbus

Montreal

09.03. Kiel 10.03. Lingen 16.03. Koblenz 17.03. Bochum 24.03. Kassel

Intro empfiehlt

Monumental Men

10.03. Wiesbaden

28.03. Berlin

Mammal Hands

Mynth

02.03. Berlin 14.03. Dortmund 15.03. Hannover 17.03. Wiesbaden 18.03. Köln 20.03. Erlangen 22.03. München 23.03. Altenburg 25.03. Schöppingen

Marc Almond 30.03. Berlin

Intro empfiehlt

Marteria

Termine – Seite 120

Matt Woods 13.03. Berlin

Intro empfiehlt

Max Richard Leßmann

Termine – Seite 121

16.03. Hamburg 17.03. Berlin 18.03. Offenbach 19.03. Dresden 20.03. Bayreuth 22.03. Karlsruhe 23.03. München

Nathaniel Rateliff And The Nightsweats

21.03. München 24.03. Köln 25.03. Frankfurt a. M. 27.03. Berlin Geht weiter!

Neufundland

08.03. Berlin 09.03. Hamburg 10.03. Bremen 22.03. Tübingen

No Age

21.03. Hamburg 22.03. Berlin 23.03. Köln

Nimo

15.-17.03. Stuttgart 18.03. München 20.03. Nürnberg 21.03. Frankfurt a. M. 22.03. Dortmund 23.03. Kaiserslautern 24.03. Hamburg 25.03. Bielefeld 27.03. Bremen 28.03. Kassel 29.03. Frankfurt a. M. 31.03. Berlin

Olli Schulz

14.03. Leipzig 15.03. Erfurt 16.03. Hameln 18.03. Weinheim 19.03. Mannheim 20.03. Wiesbaden 21.03. Minden 23.03. Karlsruhe 24.03. Dresden 27.03. Nürnberg 28.-29.03. München

Piano Battle

06.03. Coesfeld 11.03. Neunkirchen 16.03. Reutlingen 17.03. Mannheim 19.03. Berlin 21.03. Bielefeld 23.03. Lippstadt

Parov Stelar

16.03. Lingen 17.03. München 21.03. Köln 23.03. Hamburg

Playboi Carti

06.03. Frankfurt a. M.

Prinz Pi

01.03. Saarbrücken 08.03. Dortmund 09.03. Hannover 10.03. Berlin 22.-23.03. Frankfurt a. M. 24.-25.03. München

Rag’n’Bone Man 05.03. München 06.03. Köln

Rejjie Snow

18.03. Köln 20.03. Hamburg 26.03. Berlin Geht weiter!

Rex Orange County 01.03. Berlin

Sin Fang, Sóley & Örvar Smárason 12.03. Hamburg 13.03. Berlin 14.03. Köln 17.03. München

Ski Mask The Slump God

27.03. Berlin 28.03. Frankfurt a. M.

Snoh Aalegra 19.03. Berlin 25.03. Köln

Steven Wilson 05.-06.03. Essen

Stimming x Lambert

21.03. Berlin 22.03. München 23.03. Hamburg

Terrorgruppe 02.03. Leipzig 03.03. Berlin

Intro empfiehlt

The Boxer Rebellion Termine – Seite 121

Intro empfiehlt

Rolo Tomassi

30.03. Berlin 31.03. Hamburg

SDP

01.03. Mannheim 02.03. Saarbrücken 03.03. Neu-Ulm

18.03. München 24.03. Berlin 25.03. Hamburg 27.03. Köln

The World Is A Beautiful Place And I Am No Longer Afraid To Die 15.03. Hamburg 18.03. Darmstadt 21.03. Köln 22.03. Berlin 26.03. München 29.03. A-Wien

Intro empfiehlt

Tocotronic Termine – Seite 121

To Kill A King

03.03. München 04.03. Köln 05.03. Hamburg 06.03. Berlin

Tom Liwa

Veto

17.03. Hamburg 21.03. Berlin 22.03. Köln

VÖK

01.03. Berlin 02.03. Frankfurt a. M. 05.03. Köln 08.03. Bremen 09.03. Hamburg

Waka Flocka Flame

17.03. Köln 20.03. München 23.03. Berlin 24.03. Hamburg

Wanda

12.03. Würzburg 13.03. Wiesbaden 15.03. Hannover 16.03. Köln 17.03. Berlin 20.03. München 21.03. Dortmund 23.03. Lingen 24.03. Hamburg Geht weiter!

09.03. Köln 10.03. Essen

The Glorious Sons

Termine – Seite 120

Wankelmut

Termine – Seite 121

28.02. Köln

Intro empfiehlt

The Go! Team

Termine – Seite 120

The James Hunter Six 13.03. München 14.03. Köln 15.03. Hannover 16.03. Hamburg 17.03. Berlin

The Killers mit Juanita Stein 05.03. Köln

The Pains Of Being Pure At Heart mit Laura Carbone

The Rad Trads

07.03. Regensburg 08.03. München 15.03. Mainz 16.03. Darmstadt 17.03. Heidelberg 18.03. Siegen 31.03. Lübeck

The Temperance Movement

13.03. Köln 14.03. München 16.03. Hamburg 17.03. Berlin

Intro empfiehlt

Robert Rotifer

Rocko Schamoni

Termine – Seite 120

Vance Joy

10.03. Münster 11.03. Hamburg

31.03. Hamburg

06.03. Frankfurt a. M. 07.03. Berlin

The Soft Moon

The Garden

07.03. Leipzig 08.03. Berlin 10.03. Münster 11.03. Köln

Rhye

Intro empfiehlt

22.03. Wuppertal 23.03. Schwäbisch Hall 24.03. Obergurig 25.03. Zwickau 27.03. Norderstedt 28.03. Leipzig 29.03. Hamburg

The Rural Alberta Advantage 28.02. Berlin 01.03. Dresden 05.03. München 08.03. Köln

The Script

28.02. Frankfurt a. M. 01.03. Köln 07.03. Hamburg 19.03. München

Tom Misch Tom Rogerson 20.03. Berlin

Toto

13.03. Stuttgart 20.03. Offenbach

Tour Of Tours 28.02. München 01.03. Köln 02.03. Berlin 03.03. Hamburg

Intro empfiehlt

Trettmann Termine – Seite 121

Tune-Yards

24.03. Köln 27.03. Berlin 28.03. Hamburg

Turbowolf

27.03. Köln 28.03. München

Intro empfiehlt

Tuys

Termine – Seite 121

Twit One

10.03. Stuttgart

Typhoon

10.03. Hamburg 14.03. Berlin 20.03. Köln

Intro empfiehlt

Unter Meinem Bett 3 mit Tele, Spaceman Spiff, Suzie Kerstgens 17.03. Wiesbaden 18.03. Erlangen

Wandl

17.03. Wiesbaden

Intro empfiehlt

We Invented Paris 01.03. Karlsruhe

Intro empfiehlt

WhoMadeWho 28.02. München 01.03. Nürnberg 02.03. Berlin 03.03. Hamburg

Wolf Maahn

10.03. Schwerin 11.03. Göttingen 17.03. Düsseldorf Geht weiter!

Wolf Mountains 10.03. Reutlingen 23.03. Karlsruhe 24.03. Kassel 25.03. Bielefeld 26.03. Hannover 27.03. Berlin 28.03. Dresden 29.03. München Geht weiter!

Woman

07.03. Würzburg 08.03. Karlsruhe 09.03. Mainz 10.03. Erfurt 13.03. Hannover 14.03. Dresden 15.03. Magdeburg 16.03. Chemnitz 17.03. Göttingen

Wyvern Lingo 24.03. Hamburg 26.03. Berlin 27.03. Köln

Yann Tiersen

05.03. Wiesbaden 07.03. Hamburg

Intro empfiehlt

Yeah But No 24.03. Dortmund

Intro empfiehlt

Zugezogen Maskulin 28.02. Heidelberg 01.03. Erlangen 03.03. A-Wien 05.03. Konstanz 06.03. Reutlingen 07.03. Karlsruhe 08.03. Trier 22.03. Berlin

Die kommen, die Touren Joan As Police Woman (09.–10.04.) All The Luck In The World (08.–14.04.) The Wombats (06.–16.04.) Fil Bo Riva (10.04.–18.05.) Young Fathers (09.04.) Odd Couple (02.–15.04.) Desperate Journalist (08.–14.04.) Holly Miranda (08.–13.04.) Mo Kenney (11.–17.04.) Nilüfer Yanya (12.–13.04.) Marlon Williams (12.–22.04.) Sunflower Bean (12.–19.04.) Macklemore (17.04.–03.05.) Puma Blue (17.–20.04.) Her (17.–18.04.) Arcade Fire (18.04.) Porches (18.–20.04.) Shout Out Louds (18.–29.04.) Lucy Rose (21.–27.04.) RIN (20.04.–02.05.) L.A. Salami (23.–27.04.) Bender & Schillinger (24.04.–18.05.) Portico Quartet (26.04.–11.05.) Lucy Dacus (29.04.–03.05.) Shame (08.05.–26.05.)

Die kommen, die Festivals Wallis Bird beim PopAbo (13.04.) Popsalon Osnabrück (12.–14.04.) Mayday (30.04.) Snowbombing (05.–09.04.) Showcase#5 Zoom Frankfurt (12.04.) Unter einem DachFestival (27.04.)

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#Live #Festival

auf der Rechnung statt »Freiware« übrigens mal »Eigenverzehr« vermerkt. Ich glaub nicht, dass die angegebenen sieben Fässer gereicht haben, aber da musste ich schon schmunzeln. Das ist dann auch der wichtigste Punkt: Hinter unseren Hauptbrauereien stecken Leute, die für ihre Sache genauso brennen wie wir für unsere. Das sorgt für tolle Produkte und einen einzigartigen Vibe. Man gewinnt das Gefühl, dass ihr das Festival vom »Geheimtipp« zum Musikmedientreff entwickeln konntet. Ist allein das Booking dafür verantwortlich?

Intern bezeichne ich uns gerne mal als Festival »von Nerds für Nerds«. So hat es sich auch ergeben, dass viele Medien und Musikbusiness-Vertreter im Laufe der Jahre den Weg zu uns gefunden haben. Diese Entwicklung führe ich zu 90% auf das Programm zurück und zu 10% auf die offenen Bierhähne nach Feierabend.

Interview mit Timo Kumpf

MAIFELD DERBY

Kaum ein Festival hat sich in den letzten Jahren so fix aus eigener Kraft zu einer Landmarke der Festivallandschaft entwickelt wie das Maifeld Derby. Auch 2018 wird es zu den wichtigen Openern der Freiluftsaison zählen. Ein guter Grund, mit Veranstalter Timo Kumpf zu sprechen, solange er noch die Ruhe dafür hat. Timo, seit 2011 veranstaltest du das Maifeld Derby, das von dir mit anderen Absolventen der Mannheimer Popakademie ins Leben gerufen wurde. Wo hat die Praxiserfahrung mittlerweile die Akademie-Theorie relativiert?

Calling, The Hirsch Effekt und anderen). Das Studium hatte neben etwas fundierterem Wissen vor allem einen großen Einfluss auf mein heutiges Netzwerk inklusive meinen Geschäftspartnern, Freunden und auch meiner Band.

Timo Kumpf (rechts)

Quersubventionen. Aktuell noch vor allem durch unsere eigenen Veranstaltungen (2018 kommen nach dem Derby noch Limp Bizkit und Judas Priest ins Zelt), aber langfristig hoffe ich auf einen Ausbau der Kulturförderung in unserem Bereich. Hier gibt es zwar durchaus positive Entwicklungen bei uns in Mannheim, aber für viele Entscheider ist Pop = Pop = Kommerz, egal, ob James Blake oder Andreas Gabalier. Das fördert weiter die Kluft zwischen E- und U-Musik, die wir mit dem Maifeld Derby zu überbrücken versuchen. Du betreibst das Festival mit Ökostrom, LED-Lampen, CO2neutralen Druckerzeugnissen und lokalen Produkten. Gibt es in dem Bereich noch Ziele?

Wir setzen noch alle Punkte um, aber wir kommunizieren es nicht mehr so offensiv. Letztlich geht es ja vor allem darum: Tue Gutes und erzähle davon. Aber hier ist es in der Tat so, dass wir nix mehr zu erzählen haben. Die wichtigsten Also, ich bin schon immer Prakti- Apropos Geschäft: Inwieweit Punkte à la Regionalität sieht man ker. Mein erstes Festival habe ich kämst du nur mit dem Festival aber noch an allen Ecken und Enmit 16 veranstaltet, und vor dem allein und ohne deine Arbeit als den des Festivals, das ist wichtig. Maifeld Derby hab ich in meinem Booker und Konzertveranstalter Essen und Bier von regionalen Heimatdorf zwölf Jahre lang das finanziell über die Runden? Anbietern – ist das »nur« NachNoisepollution Festival gemacht Keine Chance. Das Maifeld Der- haltigkeit oder auch Eigennutz? (damals auch immerhin schon by funktioniert in dieser konse- Spielst du damit auf meinen Durst mit Antitainment, Long Distance quenten Ausrichtung nur durch an? Eine unserer Brauereien hatte

Ein anderer Trend ist die Entwicklung von Großveranstaltern zu Aktiengesellschaften. Spürt ihr so was im Booking, oder taucht ihr in eurem Segment darunter durch?

Wir spüren die steigende Konkurrenz schon enorm. Insbesondere die Gagenentwicklung der internationalen Festivals ist absurd. Die meisten unserer Bands sind im Ausland wesentlich erfolgreicher – ein Fakt, den man auch mal untersuchen müsste –, und finanziell kann man hier kaum Anreize liefern. So etwas wie die sensationelle Verpflichtung einer Band wie The National im Jahr 2014 halte ich nicht mehr für möglich. Und ferner noch eine Entwicklung: Festivalgängern widerstrebt es immer mehr, aus Altergründen zu Hause zu bleiben. Werdet ihr mit euren Fans zusammen altern oder das Programm ewig jung halten?

Och, da versuche ich schon die Waage zu halten. Unser Programm soll weiterhin alte Helden und neuen heißen Scheiß vereinen. Ich hoffe halt, dass sich weiterhin ausreichend junge Menschen so intensiv mit Musik beschäftigen und die VerRTL2isierung nicht weiter fortschreitet. Carsten Schumacher — Maifeld Derby — 15.-17.06. Mannheim — Aldous Harding, Alex Cameron, All Them Witches, Dälek, Deerhunter, Eels, Ibeyi, Kreisky, Lasse Matthiessen, Lirr, Sam Vance-Law, Young Fathers u. v. a.


#Live #Festival

Tapefabrik Als Festival für alle »HipHop-Liebhaber und Rapnerds, für Vinyljunkies und Beatfanatics« versammelt die Tapefabrik 40 Künstler der Rap- und Beatkultur im Schlachthof Wiesbaden. Dazu gibt es eine Neuerung.

Ebow

Festivalgelände im Schlachthof Wiesbaden. Neben einer neuen Halle mit Beatstage wird es eine neue Area für Food- und StreetwareStände geben. Beim Line-up bleibt die Tapefabrik jedoch beim bekannten Erfolgskonzept: Nach einer Zwangspause 2016 verkünde- deutscher HipHop-Untergrund statt internaten die Veranstalter: »Es war ein Stück harte tionale Superstars. Arbeit, aber das Tapefabrik Festival ist zu- Henrike Schröder rück!« Mithilfe eines zumeist ehrenamtlichen Teams brachten sie das Festival wieder auf die — 10.03. Wiesbaden — Bluestaeb, Dexter, Disarstar, Ebow, Figub Brazlevic und MC Rene, Hiob & Morlockk DilemBeine. Ein Jahr später macht die Tapefabrik ma, Retrogott, Kutmasta-Kurt & Motion Man, Lakmann, nun bereits große Sprünge und erweitert das Mädness & Döll, Veedel Kaztro, Waving The Guns u. a.

Telekom Electronic Beats Clubnight Spätestens beim Einsetzen der Bassdrum zeigen die Telekom Electronic Beats Clubnights, dass nur wenige Events sich so gut darauf verstehen, eine pulsierende Einheit zwischen DJ und Publikum zu schaffen.

das Nachtleben der jeweiligen Stadt in den vergangenen Jahren geprägt haben. Nach einer kurzen Verschnaufpause wurde die Party-Reihe im Februar von Dominik Eulberg und David Jach erneut eingeleitet. 2018 stehen neben Wahrscheinlich würden die Veranstalter der den bereits bekannten Locations außerdem Telekom Electronic Beats Clubnights sogar noch der Essener Studioclub und Oma Doris eine Tiefgarage mit Besuchern gefüllt bekom- in Dortmund auf dem Plan. men, angesichts der hochkarätigen Acts der Leonie Becker elektronischen Musikszene, die sich bei ihren Events zusammenfinden. Als Locations dienen — 16.03. Köln — Asquith, Nthng, Bas Grossfeld, Shumi — Geht weiter! allerdings immer die legendärsten Clubs, die

Paaspop Seit mittlerweile 40 Jahren begeistert das als »Las Vegas von Brabant« bekannte Paaspop die niederländische Festivallandschaft. 200 Acts spielen hier auf 14 Bühnen, denen schlechtes Wetter nichts anhaben kann ...

»Paas« ist Niederländisch für Ostern und liegt damit nicht im Hochsommer. Macht aber nichts, denn sämtliche Zeltbühnen sind nicht nur auf verschiedene Genres ausgerichtet dekoriert, sondern auch beheizt. Die Bandbreite der Stile reicht von Rock, Pop und Metal über Urban, HipHop und Electronic bis zu Singer/ Songwriter und Country. Neben der Musik gibt es hier aber noch Cabaret und Varieté, eine Wannenachterbahn, Krokettenwettrennen und den Schönheitssalon des Schorem Barbier. 42 Food Trucks fahren ein Angebot von Hamburger bis Hummer auf, und für Craftbeer-Freunde gibt’s die Brand Speciaalbier Bar. Fehlt noch was? Ein Snob, wer hier noch offene Wünsche hätte! Carsten Schumacher — 30.03.–01.04. NL-Schijndel — Bastille, Black Label Society, Boys Noize, Dotan, Fatboy Slim, Fritz Kalkbrenner, Iggy Pop, Kadavar, Kensington, Lil’ Kleine, Nothing But Thieves, Omar Souleyman, Rico & Sticks, The Bloody Beetroots, Tony Banks, Triggerfinger u. v. a.

Asquith

125



127

intro 03.18.qxp_Layout 1 13.02.1

CLUB CULTURE / SLAMS KONZERTE / WORT+

U Do. 01.03.2018 | Live Music Hall, Köln

Fr 02.03.

GLASHAUS Sa 03.03.

ELIF

Mi 07.03.

DRUM KLUB Fr 09.03.

KINGA GLYK

JESSIE WARE

08.03.2018 / DO Jakob Heymann

Fr. 02.03.2018 | E-Werk, Köln

ANTILOPEN GANG

Tour 2018

Sa. 10.03.2018 | Live Music Hall, Köln

14.03.2018 / MI Che Sudaka

CALLEJON + special guest

Tour 2018

TOCOTRONIC special guest: Ilgen-Nur Mi. 14.03.2018 | Live Music Hall, Köln

BLUE OCTOBER special guest: Broken Witt Rebels Mi. 21.03.2018 | E-Werk, Köln

SCOTT BRADLEE‘S POSTMODERN JUKEBOX

"The Road Ahead Is Golden" Tour 2018

CARL-EINAR HÄCKNER Do 15.03.

ISOLATION BERLIN Do 22.03.

MAX GOLDT GOL Fr 23.03.

NIGHTWASH LIVE Fr 23.03.

ROCKHAUS Fr 06.04.

MONTERAL Sa 07.04. 0

A

So. 25.03.2018 | Bürgerh. Stollwerck, Köln

CARPENTER BRUT + guest

Di. 27.03.2018 | Bürgerh. Stollwerck, Köln

THE TEMPERANCE MOVEMENT special guest: Mo. 02.04.2018 | Live Music Hall, Köln

WALK THE MOON

Di. 10.04.2018 | Bürgerh. Stollwerck, Köln

NADA SURF

Mi. 11.04.2018 | Live Music Hall, Köln

BEN HARPER & CHARLIE MUSSELWHITE Sa. 14.04.2018 | Bürgerh. Stollwerck, Köln

JEREMY LOOPS

12.04.2018 / DO Simon & Jan

KRAFTKLUB

THE DEAD DAISIES special guest: The New Roses

Fr. 23.03.2018 | Die Kantine, Köln (Verlegt vom Luxor)

Di. 08.05.2018 | Live Music Hall, Köln Mi. 16.05.2018 | Zeche, Bochum

DONOTS special guest: Leoniden

Mo. 23.04.2018 | Gloria, Köln

Do. 22.03.2018 | Palladium, Köln (Zusatztermin)

"Halleluja!"

X AMBASSADORS

18.04.2018 / MI Billy Walton Band

Sa. 24.03.2018 | E-Werk, Köln

NATHANIEL RATELIFF

"Soul of a Man" Tour 2018

& THE NIGHT SWEATS support: Slim Cessna’s Auto Club

21.04.2018 / SA CARROUSEL

Sa. 24.03.2018 | Bürgerh. Stollwerck, Köln (Verlegt vom Luxor)

FU MANCHU

"Filigrane' Tour 2018"

THE WHITE BUFFALO Sa. 05.05.2018 | Live Music Hall, Köln

MONSTER MAGNET special guest: ¡PENDEJO!

Do. 17.05.2018 | Live Music Hall, Köln

JUNGLE

Fr. 18.05.2018 | Live Music Hall, Köln

SLEAFORD MODS

Do. 01.03.2018 | Palladium, Köln

26.04.2018 / DO España Circo Este Tour 2018

+ special guest: Ella Eyre Mo. 05.03.2018 | Lanxess Arena, Köln

www.waschhaus.de

special guest: Juanita Stein Mo. 05.03.2018 | Palladium, Köln

schallplatten-boersen.de

FRANZ FERDINAND special guest: Leoniden

Do. 15.03.2018 | CGM Arena, Koblenz

M M R R Z Z 20

18

HAFEN 2

KONZERTE

SO 04 Daniel Freitag, Balto SO 11 Marta Collica SO 18 Mynth, Matt Brown, JD Eicher FR 23 Loch Lomond, Anna Hoone SO 25 Kashka, Selina Martin, Tom Holliston HAFENKINO

DO 08 FR 09 DO 15 FR 16

Get Out (OmU) The Square (OmU) Surf Film Nacht Wann wird es endlich wieder Sommer?

HAFEN 2 Nordring 129, D 63067 Offenbach

E

27.03.2018 / DI Gypsy Ska Orquesta

DŸSE

www.hafen2.net

T

Do. 22.03.2018 | E-Werk, Köln

"La Malévola" Tour 2018 Sa 10.03.

D

Thomas Wynn & The Believers

Di. 13.03.2018 | E-Werk, Köln

15.03.2018 / DO Quadro Nuevo meets Cairo Steps & Gäste aus Ägypten 17.03.2018 / SA Jon and Roy

P

25.2. DÜSSELDORF WBZ am Hbf

Sa. 17.03.2018 | Palladium, Köln

4.3. DORTMUND Westfalenhalle

11.3. BONN Brückenforum

18.3. BOCHUM RuhrCongress

25.3. BIELEFELD Stadthalle

Mi. 21.03.2018 | Palladium, Köln

special guest: Dyrtbyte Sa. 14.04.2018 | Westfalenhalle 1, Dortmund

Mi. 18.04.2018 | Palladium, Köln (Verlegt vom E-Werk)

Fr. 20.04.2018 | Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf

22.4. OSNABRÜCK OsnabrückHalle

special guest: Blackout Problems

1.5. SAARBRÜCKEN

Mi. 23.05.2018 | Palladium, Köln

1.5. KÖLN

Mi. 06.06.2018 | Palladium, Köln

Congresshalle

Stadthalle Mülheim

6.5. DÜSSELDORF WBZ am Hbf

27.5. LUXEMBOURG

Fr. 07.09.2018 | Palladium, Köln (Zusatztermin)

special guest: Pierce Brothers Fr. 23.11.2018 | Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf

Rockhal Esch/Alzette

10.6. BONN Brückenforum

17.6. OBERHAUSEN Revierpark Vonderort

geöffnet 11–16 Uhr Weitere Termine folgen

prime entertainment www.prime-entertainment.de


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TUNES

SCHLACHTHOF WIESBADEN MURNAUSTR.1 65189 WIESBADEN

KA MP NA GE L.D

E

M ÄR /A PR 20 18

Di. 13.3.18 | Universum Stuttgart

IAMX

Do. 15.3.18 | Universum Stuttgart

SOLÉY, SIN FANG & Ö RVAR SMÁ RASON

04.03. SO

ANTJE SCHOMAKER / DENIZ JASPERSEN

08.03. DO

I AM OAK

10.03. SA

TAPEFABRIK 2018

12.03. MO

ARCANE ROOTS / JAMIE LENMAN

12.03. MO

TOCOTRONIC / ILGEN-NUR

13.03. DI

WANDA

MAX RICHARD LESSMANN

17.03. SA

UNTER MEINEM BETT - IN DEINER STADT

Mi. 28.3.18 | Im Wizemann Stuttgart

17.03. SA

ERIK COHEN

So. 8.4.18 | Theaterhaus Stuttgart

17.03. SA

MAMMAL HANDS (MUSEUM WIESBADEN)

18.03. SO

EDITORS

22.03. DO

MC FITTI / GUEST: FCKSHT SQUAD

23.03. FR

MAECKES & DIE KATASTROPHEN

24.03. SA

DONOTS / LEONIDEN

25.03. SO

47SOUL

10.04. DI

THE HEMPOLICS

12.04. DO

GRANDBROTHERS (RINGKIRCHE)

05.03.

15.04. SO

WILL VARLEY / SÉAN MCGOWAN

17.04. DI

NOEL GALLAGHER‘S HIGH FLYING BIRDS

LAIBACH 08.03.

02.05. MI

THE BLACK LIPS

06.05. SO

HYPNOTIC BRASS ENSEMBLE

SIN FANG / SOLÉY / ÖRVAR SMÁRASON 12.03.

14.05. MO

SEUN KUTI & EGYPT 80

47SOUL 24.03.

20.05. SO

SKNINY LISTER

24.05. DO

ISOLATION BERLIN

29.05. DI

WE ARE SCIENTISTS

FRIEDRICH LIECHTENSTEIN TRIO 28.03.

04.06. MO

FUTURE ISLANDS

04.08. SA

BEGINNER / SAMY DELUXE & DLX BND (OPEN AIR)

08.09. SA

FREUNDESKREIS FEAT. JOY DENALANE (OPEN AIR)

Unser komplettes Programm findet ihr im Internet unter

schlachthof-wiesbaden.de

Sa. 17.3.18 | Schleyer-Halle Stuttgart

HEAVEN SHALL BURN

+ guests: AUGUST BURNS RED, WHITECHAPEL, IN HEARTS WAKE Sa. 24.3.18 | Merlin Stuttgart

CURSE

TOCOTRONIC

LEE RANALDO BAND 02.03. NOISEXISTANCE FESTIVAL 02.–04.03. ANNA VON HAUSSWOLFF

TONY CONRAD TRIBUTE

Mo. 9.4.18 | Im Wizemann Stuttgart MOSES PELHAM & BAND Mi. 18.4.18 | Goldmarks Stuttgart

BLACK RIVER DELTA

Do. 19.4.18 | Im Wizemann Stuttgart

ALINA

Do. 19.4.18 | Schräglage Stuttgart

RUFFICTION

So. 22.4.18 | Stuttgart Keller Klub

PLANET OF ZEUS & LIONIZE

Di. 24.4.18 | Goldmarks Stuttgart

BIRTH OF JOY

Sa. 5.5.18 | LKA Longhorn Stuttgart

GOGOL BORDELLO

Do. 10.5.18 | clubCANN Stuttgart

STEAMING SATELLITES

So. 13.5.18 | Im Wizemann Stuttgart

SOHN

Mi. 16.5.18 | Goldmarks Stuttgart

TEX

Fr. 18.5.18 | Im Wizemann Stuttgart

VEGA & BOSCA

05.04.

Sa. 19.5.18 | Theaterhaus Stuttgart

STATION 17 06.04.

Do. 7.6.18 | Goldmarks Stuttgart

K AMPNAGEL HAMBURG TICKETS 040 270 949 49 Foto: Anna von Hausswolff

KATRIN BAUERFEIND THE BUILDERS & THE BUTCHERS

Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

Kartentelefon 0711 221105 www.musiccircus.de musiccircus.stuttgart

märz 18 Do. 01.03. 20:00 Uhr

ANTILOPEN GANG Mi. 07.03. ZUGEZOGEN MASKULIN Di. 13.03. ARCANE ROOTS 19:30 Uhr

OPEN AIR 2018

Kele oKereKe

DO 28.06. TOM JONES SA 30.06. LABRASSBANDA & QUERBEAT DO 05.07. STEVE WINWOOD DO 12.07. WINCENT WEISS & LEA + STEAL A TAXI DI 17.07. STEVEN WILSON MI 18.07. ALANIS MORISSETTE MI 25.07. SIMPLE MINDS & FISCHER-Z DO 16.08. MOOP MAMA & BUKAHARA SA 18.08. JOHANNES OERDING SO 19.08. FREUNDESKREIS MO 20.08. ROGER HODGSON

Heidelberg – Am Karlstor 1 www.karlstorbahnhof.de

INFOS: NOISENOW.DE KUNSTRASEN-BONN.DE

eliF

FR 02.03.18

Silje Nergaard

SO 04.03.18

lee raNaldo BaNd

FR 09.03.18

PiPPo PolliNa

MO 12.03.18

KiNga glyK

SA 17.03.18

rocKo SchamoNi

SO 18.03.18

eliF

DO 22.03.18

marcel Brell

SA 24.03.18

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MO 26.03.18

trettmaNN

MO 09.04.18

Baloji

Mi 18.04.18

PorcheS

Di 01.05.18

18:00 Uhr

Special guest: JAMIE LENMAN | Im Substage Café

Do. 15.03. 18:00 Uhr

STEASY Fr. 16.03. KUULT Fr. 13.04. YONAS

Im Substage Café

18:30 Uhr

18:00 Uhr

Special guest: ABSTRACT | Im Substage Café

Do. 19.04. 19:00 Uhr

BILDERBUCH Fr. 20.04. SHOUT OUT LOUDS Mo. 30.04. THE YAWPERS 19:30 Uhr

18:00 Uhr

Im Substage Café

Do. 03.05. 19:00 Uhr

MADCHILD OF SWOLLEN MEMBERS Fr. 11.05. STEAMING SATELLITES 18:00 Uhr

& Special guest

Do. 17.05. 18:00 Uhr

TEX Mi. 23.05. SKINNY LISTER Im Substage Café 19:00 Uhr

Alter Schlachthof 19

76131 Karlsruhe

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129

U 03.03. ZOOM 20:00 FISHBACH

08.03 | Amanda 10.03 | Eisenpimmel, Zwakkelmann mit Band & Operation Semtex 17.03 | MC Fitti 21.03 | Christian Steiffen 22.03 | Favorite 24.03 | Jan Plewka singt Rio Reiser 27.03 | General Elektriks 29.03 | PA Sports x Kianush x Mosh36 31.03 | Melting Sounds Festival IV 11.04 | Fil Bo Riva 12.04 | An Evening with Jordan Rudess 13.04 | Vega 14.04 | Mark Gillespie 21.04 | On stage – The Blues Poets feat. Marcus Deml 24.04 | Estikay

06.03. GIBSON 20:00 PLAYBOI CARTI 17.03. BATSCHKAPP 19:00 SCOTT BRADLEE´S POSTMODERN JUKEBOX 18.03. BATSCHKAPP 20:00 TRETTMANN 25.03. BATSCHKAPP 20:00 NATHANIEL RATELIFF

21.03.

WANDA

- PHOENIXHALLE -

~~~~~~~~~~~~~~~~~ 01/03 ANTJE SCHOMAKER ! SOLD OUT 02/03 FABER ! SOLD OUT 03/03 FEINE SAHNE FISCHFILET @ PHOENIXHALLE 03/03 DAS PACK ! OUT D 08/03 PRINZ PI SOL ! SOLD OUT 11/03 MARTERIA 03.05 | Isolation Berlin @ PHOENIXHALLE 09.05 | Arena 11/03 ROCKIN THE 13.05 | Andy McKee BLUES FESTIVAL 24.05 | Pippo Pollina 13/03 LISTENER 14/03 ARCANE ROOTS 15/03 THE O´REILLYS & VVK unter www.zechecarl.de und an allen bekannten VVK-Stellen Stand: THE PADDYHATS 05.02.2018 (Änderungen vorbehalten!) 18/03 SCOTT BRADLEYS www.zechecarl.de POSTMODERN JUKEBOX zechecarlessen ! SOLD OUT 20/03 DONOTS 20/03 LINA @ PHOENIXHALLE 21/03 WANDA 2018 @ PHOENIXHALLE 22/03 NIMO zc_anzeige_intro_März_2018.indd 1 08.02.18 14:01 3.3. Faber Folk, Songwriting 05/04 MOSES PELHAM & Punk & BAND 07/04 KICKS IN THE 10.3. Elif Doppelleben-Tour HALL - SNEAKER19.3. Trettmann #DIY Tour CONVENTION 10/04 FZW INDIENIGHT: 27.3. 5K HD Jazz, Dubstep & SURMA, TUYS Progrock from Austria 12/04 HANY SIAM 28.3. Imarhan Tuareg Rock 13/04 EMIL BULLS aus Algerien 17/04 LOTTE ! SOLD OUT 20/04 THE BASEBALLS 29.3. Love Machine 21/04 B-TIGHT Psychedelic Rock - made in 25/04 ERRDEKA Düsseldorf! 28/04 A PLACE TO BURY STRANGERS 7.4. Dame Outoftime Tour 29/04 WIRTZ @ PHOENIXHALLE 9.4. Yonas Independent Hip06/05 GOGOL Hop from New York City BORDELLO 10.4. Balojim Rap & Electro08/05 OLEXESH nic Beats aus Belgien 11/05 ETEPETETE

14.4. The Selecter / The Beat feat. Ranking Roger Die Ska-Legenden aus U.K.

16.4. Lotte Querfeldein Tour 17.4. Bilderbuch Magic Life

Tour

24.4. Moglebaum Future Pop aus Düsseldorf und Köln 29.4. Die Krupps „V½“ Tour

2017 - Nachholtermin

17.5. Skinny Lister Folkpunk & Indierock from London

26.7. Motorpsycho Psychedelic Rock from Norway

Tickets unter www.zakk.de Fichtenstraße 40, D´dorf

12/05 16/05 18/05 30/06

21/09 28/0930/09 10/10 15/10

INDIE MUSIC FESTIVAL MOZES AND THE FIRSTBORN (NL), GIRL RAY (UK), MALLORCA, FÙGÙ MANGO (BE)

GRAILS NISSE BATOMAE

MONSTERS OF LIEDERMACHING LIEDFETT,KAPELLE PETRA, TANTE MAYER

TANKSCAPDA WAY BACK WHEN FESTIVAL LEA THE RASMUS

INFOS & TICKETS WWW.FZW.DE

WWW.FACEBOOK.DE/FZWEVENT

FZW | RITTERSTR. 20 | 44137 DORTMUND

28.03. ZOOM 21:00 SKI MASK THE SLUMP GOD 05.04. ZOOM 21:00 JAMES HOLDEN & THE ANIMAL SPIRITS

Fr. 02.03.2018 | MTC, Köln

ALL TVVINS Sa. 03.03.2018 | MTC, Köln

DEATH BY CHOCOLATE So. 04.03.2018 | Artheater, Köln

TO KILL A KING

Do. 08.03.2018 | YUCA, Köln

COSBY

P

HIPPIE SABOTAGE

Di. 27.03.2018 | Stadtgarten, Köln

JONATHAN WILSON

Di. 27.03.2018 | MTC, Köln

Do. 08.03.2018 | Blue Shell, Köln

OTIS

TURBOWOLF special guest: Puppy Di. 27.03.2018 | Studio 672, Köln

So. 11.03.2018 | Luxor, Köln

ELIF

WYVERN LINGO

Di. 10.04.2018 | Kulturkirche, Köln

special guest: Fayzen Mo. 12.03.2018 | Luxor, Köln

AYO.

Mi. 11.04.2018 | Kulturkirche, Köln

Di. 13.03.2018 | YUCA, Köln

24.04. ALTE OPER 20:00 NILS FRAHM

Di. 13.03.2018 | Blue Shell, Köln

29.04. GIBSON 20:00 SOHN 02.05. BATSCHKAPP 20:00 RIN 09.05. ZOOM 20:00 JOSEPH J.JONES 17.05. MOUSONTURM 20:00 SCOTT MATTHEW

AQUILO

HOLY MOLY & THE CRACKERS

TERNHEIM Fr. 13.04.2018 | Gebäude 9, Köln

ISOLATION BERLIN support: Erregung Öffentlicher Erregung

Mi. 14.03.2018 | Luxor, Köln

Di. 17.04.2018 | Gebäude 9, Köln

THE JAMES HUNTER SIX

EVERYTHING EVERYTHING

Mi. 14.03.2018 | Gebäude 9, Köln

Mi. 18.04.2018 | Club Bahnhof Ehrenfeld, Köln

SIN FANG, SOLEY & ÖRVAR SMARASON Do. 15.03.2018 | Luxor, Köln

TONIGHT ALIVE special guests:

Roam & The Gospel Youth Do. 15.03.2018 | Artheater, Köln

NOAH GUNDERSEN special guest: Isaiah

FLO MEGA

Mi. 18.04.2018 | Jungle, Köln

MR. WOODNOTE & ANDY V Do. 19.04.2018 | Luxor, Köln

THEORY OF A DEADMAN

So. 20.04.2018 | Luxor, Köln

ZOLA JESUS

24.05. ZOOM 21:00 TY SEGALL

Do. 15.03.2018 | Blue Shell, Köln

Do. 26.04.2018 | Luxor, Köln

DREAM WIFE

24.07. ZOOM 19:30 RUFUS WAINWRIGHT

TURIN BRAKES + special guest

Fr. 16.03.2018 | YUCA, Köln

So. 29.04.2018 | Luxor, Köln

31.07. PALMENGARTEN 19:30 ORLANDO JULIUS & THE HELIOCENTRICS

Di. 20.03.2018 | Blue Shell, Köln

14.08. PALMENGARTEN 19:30 DAARA J. FAMILY

Do. 22.03.2018 | Luxor, Köln

21.08. PALMENGARTEN 19:30 MOGLI 17.01. FESTHALLE 19:00 2019 DIE FANTASTISCHEN VIER 08.04. CAPITOL 2019 OFFENBACH 20:00 BILDERBUCH TICKETS MOUSONTURM: TEL 069.405.895-20 WWW.MOUSONTURM.DE INFOS BROTFABRIK: WWW.BROTFABRIK.INFO

WEITERE VERANSTALTUNGEN: WWW.MARKUSGARDIAN.DE

E

Mo. 26.03.2018 | YUCA, Köln

17.04. BROTFABRIK 20:00 ALELA DIANE

28.04. BROTFABRIK 20:00 FIL

T

EMMA BLACKERY

WATERPARKS ANNA special guest: Dead!

27.04. BATSCHKAPP 19:00 SHOUT OUT LOUDS

A

Mo. 26.03.2018 | Luxor, Köln

15.04. GIBSON 20:00 AYO.

24.04. BATSCHKAPP 20:00 GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR

D

AREN & CHIMA BROTHERS OF SANTA CLAUS

DANCE GAVIN DANCE & VEIL OF MAYA

special guest: Thousand Below Do. 22.03.2018 | Gebäude 9, Köln

VETO

JOACHIM WITT Mi. 02.05.2018 | Kulturkirche, Köln

BERND BEGEMANN & KAI DORENKAMP Mi. 02.05.2018 | Luxor, Köln

KELE OKEREKE Mi. 23.05.2018 | Die Kantine, Köln

KYARY PAMYU PAMYU

Di. 29.05.2018 | Die Kantine, Köln

So. 25.03.2018 | YUCA, Köln

SNOH AALEGRA

CAR SEAT HEADREST special guest: Naked Giants

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#Preview #Demnächst #Katz und Goldt

Demnächst: Intro #261 — 26.03.2018

Eels, Superorganism, Juse Ju, Frankie Cosmos, Goat Girl, Rejjie Snow, George Ezra, The Decemberists



FR 13.04.18

FR 04.05.18

SA 17.11.18

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