Intro #181

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Probefahrt

Heimspiel

TARNGO »HORMAN«

Ein dynamisches Noise-Gewitter aus Bass und Drums, das an die besten Phasen des bedeutenden Labels bluNoise und US-Helden wie Unsane anknüpft. Mit dabei Jörg Schneider von Gaffa und den seligen Les Hommes Qui Wear Espandrillos. Trotz dieser bestechenden Historie ist das hier sein bisher bestes Werk. HEMDEN »NIMM DAS GELD UND LAUF!«

Nicht leicht, traditionsreiche uramerikanische Stile mit deutschen Texten überzeugend zusammen darzubieten. Genau das schaffen die Hemden aus Hannover. Sie nehmen Surf, alten Rock’n’Roll und Country und positionieren sich in der ersten Reihe der hiesigen Bands aus dieser Riege, direkt neben Fink und Element Of Crime. Wer die mag, darf die Hemden gern beachten. SANKT OTTEN »MORGEN WIEDER LUSTIG«

DER ELEGANTE REST »NEBEL AUF DEM KONTINENT« CD / Problembär / Hoanzl

D

er Elegante Rest gibt sich traditionsbewusst und beweist, dass kultivierte Musiker nicht hip sein müssen, um große Kunst zu fabrizieren. Am besten, man macht es einfach wie die Vögel ... »Belvedere, du fehlst mir so sehr, Bruder und Schwester, Goldfischteich« – na, ein wenig gestelzt kommt er schon rüber, Der Elegante Rest. Und da sind ja nicht nur die aristokratisch anmutenden Texte, nein, auch die Musik atmet den Geist des Altehrwürdigen. Die Genres, in denen sich die Band aus Leipzig und Berlin aufhält, sind jedenfalls allesamt im untersten Bereich der aktuellen Hipness-Skala angesiedelt. »Belvedere«, das Eröffnungsstück der Platte, ist ein gemächlich schwofendes Wehmuts-Chanson mit dramatisch-cineastischem Finish, »La Dolce Vita« ist Oldschool-Indie ohne jeglichen Dance-Appeal, bei »Fernfahrer« handelt es sich tatsächlich um ehrlichen Bluesrock, und bei »Schlechte Erziehung« wird herrlich altmodisch mit dem Varieté kokettiert. Man mag sich diese Band gar nicht auf den gängigen Indierock-Bühnen der Nation vorstellen, eher denkt man an Kleinkunst oder Theater. Wobei das mit der Kleinkunst von Sänger und Songschreiber Jörg Wolschina nicht so gern gehört wird: »Denk ich an Kunst – denk ich an große Kunst. Wir gehen nicht so viel ins Theater, weil das Geld immer so schnell weg ist, aber wenn – gefällt uns das viel besser.« Ein akademischer Geist weht aber in jedem Fall durch die Musik, schließlich handelt es sich bei den fünf Bandmitgliedern nicht um Drei-Akkorde-Punks, sondern um Musikstudenten. »Uncool ist im Grunde nur, wenn du alles machst, was du weißt«, entkräftet Wolschina den Mucker-Verdacht. »Bei fast jedem Konzert gibt’s Verspieler und Probleme mit der Intonation.« In den lyrischen Texten inszeniert sich Wolschina allerdings schon eher als Dichter und Denker denn als verständnisvoller Kumpel von nebenan. Als vertonte Gedichte möchte er die Songs aber nicht verstanden wissen: »Ich mag die Verbindung von Sprache und Musik. Das ist ein bisschen wie bei den Vögeln – die singen auch, wenn sie sich unterhalten.« Irgendwie passend ist jedenfalls, dass Der Elegante Rest zuallererst in Österreich auf offene Ohren gestoßen ist und »Nebel auf dem Kontinent« nun auf einem Wiener Label erscheint. In Wien – da versteht man halt noch was von Tradition. Chanson / Listig / Punk Oliver Minck

Stephan Otten ist ein alter Bekannter und mit seinem Langzeitprojekt schon auf stilistisch vielfältige Weise positiv aufgefallen. Sein hohes Niveau hält er auch in den Welten von Synthesizer und Krautrock, die er auf dem neuen Album nachempfindet. Das klingt nicht mehr so warm wie früher einmal, dafür ausgefeilt und kosmisch. THANK YOU GOOD NIGHT »TOO HUMAN TO BE GOOD«

Eine Gitarrenpop-Platte gestandener Bremer Männer, unaufgeregt, vielseitig und dezent schön. Mit leichten Verweisen auf Phoenix und andere zeitlose Klassiker. Keine Trendsetter, aber eine Entdeckung durchaus wert. CAPOTE »SHAME OF THE NEIGHBORHOOD«

Erdige Singer/Songwriter-Entwürfe mit chilligem Groove gehen weiterhin, man schaue nur auf den ausdauernden Erfolg von Clueso und Jack Johnson. Ähnlich hippiesk ist auch Capote aus Bayreuth drauf, mit deutlichen Verweisen auf den White Soul eines Everlast. Gekonnt, aber eher für Sonnyboys und -girls. Christian Steinbrink


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