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Film

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Ein Jubiläum überschattet in diesem Jahr alles. 40 Jahre Woodstock Music & Art Festival, das einer erwarteten Menge von 60.000 Menschen »3 Days Of Peace And Music« versprach und mit einer tatsächlichen Besucherzahl von einer halben Million im August 1969 zum Mythos wurde. Autor Marc Krebs besuchte den Pilgerort und mischte sich eine Woche lang unter die Hippies. Eine Spurensuche. Ein Trip. Pünktlich zum Geburtstag träumt sich auch Regisseur Ang Lee (»Tiger & Dragon«) mit der Komödie »Taking Woddstock« auf amüsante Weise in eine Gesellschaft, in der der Geist der Hippies überlebte. Der lichtscheue Alexander Dahas ließ sich bekehren (Seite 69). Elliot Tiber, auf dessen Lebensgeschichte Lees Film basiert, öffnete für uns sein privates Fotoarchiv.

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illkommen in Woodstock – es hat ein wenig gedauert, aber schließlich haben Sie es doch noch geschafft«. Wade Lawrence grinst verschmitzt. Und drückt zur Begrüßung kräftig die Hand. Lawrence ist Direktor von Bethel Woods. Ein Museum, das den Geist von Woodstock einzufangen versucht. 2008 wurde es eröffnet, lockte schon im ersten Sommer über 200.000 Besucher an und unsereiner fragt sich, warum es ausgerechnet in einem Land wie den USA 39 Jahre dauerte, ehe man daraus Kapital schlug. Lawrence kennt die Antwort: »Die Gemeinde Bethel hat ein zwiespältiges Verhältnis zu Woodstock. Vor allem die späteren Landeigentümer, die Pilger stets verscheuchten, wehrten sich mit Händen und Füßen dagegen, dass hier mehr als ein kleines Steinmonument errichtet würde.« Der Hügel, auf dem sich vom 15. bis 18. August 1969 rund 500 000 Hippies tummelten, wurde 1996 von Alan Gerry erworben. Ein Kabel-TV-Pionier mit Stammplatz in der jährlichen »Forbes«-Liste. Er wuchs in der Region auf, wollte für dringend benötigten wirtschaftlichen Aufschwung sorgen, gründete eine Stiftung und errichtete für satte 100 Millionen Dollar ein Museum und ein Amphitheater. Unter argwöhnischen Blicken mancher Aussteiger, die sich in und um Bethel niedergelassen haben. »Ich war skeptisch«, sagt Duke Devlin, ein Bart von einem Mann. »Ich fürchtete wie viele meiner Bekannten, dass er die Stätte mit einem Disneyland überbauen würde.« Das Gegenteil ist der Fall: Mit seinen multimedialen Features, der historischen Einbettung und kritischen Aufarbeitung gibt das Museum eindrücklich Einblicke in Zeit und Traum. »Sie kommen von überall her«, sagt der Anwohner Duke Devlin, »from jail to Yale«. So war es schon damals. Devlin lebte in einer Kommune in Texas, reiste mit seinem Kumpel zum Festival, verlor ihn im Gewühl und im Rausch aus den Augen. Und hat seither nie mehr etwas von ihm gehört. Als ihn Jimi Hendrix’ Interpretation der Landeshymne am Montagvormittag aus dem Schlaf riss, da entschied Devlin, noch ein bisschen hier zu bleiben. Er arbeitete beim Farmer, der den Jugendlichen sein Grundstück gegen 50 000 Dollar - zur Verfügung gestellt hatte und blieb bis heute in Bethel hängen. Devlin ist »Site-Inter-

preter«, Chronist, tauscht mit den Pilgern Erinnerungen aus. Und erzählt den Erstbesuchern, die einen Hauch des Mythos inhalieren wollen, was sie verpasst haben. Es kämen auffällig viele Europäer, sagt er. «Mir scheint, als habe Woodstock für euch eine magischere Bedeutung als für viele Amerikaner.« Gut möglich. Zwar wird Woodstock im Geschichtsunterricht an den High-Schools erwähnt, als Kulminationshappening der Friedens-, Bürgerrechtsund Frauenbewegung. Woodstock als Symbol für das Gemeinschaftsgefühl einer Generation. Aber wurde damit auch eine große amerikanische Rockfestival-Tradition ins Leben gerufen? Berühmte Open-Airs wie Lollapalooza (Chicago, Illinois) Coachella (Kalifornien) oder Bonnaroo (Tennessee) entstanden erst in jüngerer Zeit. »Amerika hat es verpennt«, meint Myles Mangino. Zufällig treffen wir ihn auf der Durchreise, beim Woodstock-Gedenkstein, dort wo einst die Bühne stand. Myles arbeitet als Licht- und Tondesigner für die Pixies, tourt mit Frank Black um die Welt. Und kommt zum Schluss: »In den USA leben vierzig Mal so viele Menschen wie in der beschaulichen Schweiz, aber in Sachen Festivaldichte- und kultur kann mein Land nicht mit Europa mithalten.« Warum das so ist, hat gerade auch mit Woodstock zu tun. Wie 1969 das beschauliche Bauerndorf Bethel geradezu überfallen wurde, wie der Verkehr zusammenbrach, und die Nahrungsmittel am zweiten Tag allmählich ausgingen, schreckte die Behörden dermaßen auf, dass sie dicke Gesetzeskataloge erstellten. »Wer heute in den USA auf einem Acker ein größeres Festival durchführen will, der ackert zuerst mal ein ganzes Buch voller Auflagen durch. Und überlegt es sich dann gut, ob das Festival unter diesen Bedingungen durchführbar ist«, klärt uns Woodstock-Gründer Michael Lang auf. Davon kann Museumsdirektor Wade Lawrence ein Lied singen. Gerne hätte er zum 40-jährigen Jubiläum ein mehrtägiges Happening auf die Beine gestellt. Aber die Sicherheitsvorkehrungen, die er treffen müsste, wären allzu massiv. Zudem hätte er es sich mit einigen Einwohnern verscherzt, die sich daran erinnern, wie 1999 das letzte Woodstock-Happening 200 000 Jugendliche ins nördlich gelegene Städtchen Rome lockte und in einem Fiasko endete. Vergewaltigungen, Brandstiftungen und Prüge- ≥

Zum Anziehen: Replika-Shirts von »Worn by«. Das T-Shirt Label »Worn By« präsentiert Replikas von original T-Shirts der Stars. Eben »Worn By«. Zum Woodstock-Jubiläum gibt’s diverse Motive, wir verlosen 5. Und zwar für Jungs in Größe L: je 1 x »Set List Jimi Hendrix«, »Naked Crowd«, und »The Woodstock in Europe 1979«, sowie für Mädels in Größe M: »Saturday Ticket« und »Backstage«. Siehe auch www.wornby.co.uk

Zum Lesen: Elliot Tiber – »Taking Woodstock« Die Vorlage zum Ang Lee-Film: Elliott Tibers »Taking Woodstock«. Wir verlosen je 5 x das Buch und das Hörbuch (jeweils Edel Verlag) » www.intro.de/gewinne


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