Intro #175

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Songcheck mit 2raumwohnung »Alles aus« – Heißt ein Stück auf dem neuen Album »Lasso« von 2raumwohnung. Pars pro toto: Erkläre mir einen Song, ich erklär dir die Welt. Inga Humpe gibt gleich mal die Richtung vor: »Das Stück handelt von Momenten, in denen man erkennt, hier geht’s echt nicht weiter. Und einsieht, ›ich muss endlich woandershin.‹«

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er Sommer fiel mit kleinen, grellen Stük­ ken Wüste in die Stadt ein. Und ich bin high, ohne Droge, und ohne Drohung. High nur vom neuen 2raumwohnung-Al­ bum »Lasso«. Es fängt mich ein: Ja, ich will Menschen mit himbeerfrischen Gefühlen, ich will Großstadtbusch­ trommeln, ich will aussteigen aus der Hölle. Der Sound, die Stimme und die Texte von »Lasso« stärken mein Rückgrat. Ich denke an den Song »Alles aus« und sei­ ne Zeilen: »Mit ein paar Grüßen aus der Hölle, ein Ne­ bel aus der dunklen Welt, an einer großen kalten Welle hab ich mein schönstes Ziel verfehlt.« Ein Song wie eine Trauerminute, weiter geht’s: »Der Fluss hört kurz auf zu fließen. Soldaten hören kurz auf zu schießen. Eltern hö­ ren kurz auf zu schlagen. Der Nachrichtensprecher hat kurz nichts zu sagen, alles aus. Schmetterlinge liegen am Boden, und ich tret’ drauf, alles aus.« Hmm, muss man den Fluss des Lebens erst unterbrechen, damit

die Soldaten nicht mehr schießen? Tut der Depressive das nicht sowieso ohne Unterlass? Und wenn der Nach­ richtensprecher kurz nichts zu sagen hätte, was wäre dann wirklich? Das Unvorstellbare bleibt weiterhin das Gute, und nicht das Böse. Aber 2raumwohnung, also Inga Humpe und Tommi Eckart, wissen, dass man die positiven Gefühle nicht nur aus dem Positiven schöp­ fen kann. Es gibt mehr Dagegenhalten und süße Provo­ kation auf diesem Album, mehr Nebel und Düsternis als früher; kleine, offene, aber nie spitze bösartige Sarkas­ men. Und zum ersten Mal Bläser und Klarinetten und einen Groove, der hauptsächlich von großen Trommeln kommt und zum Voodoo-Sommertanz lädt. Wie immer gelingt es dem Duo, Elektronisches mit Handgemach­ tem so zu verbinden, dass es organisch klingt. Nur eins gibt es nicht: Gefangenschaft. Trotz Lasso! T: Wir hatten uns vorgenommen: keine Impulskontrolle, nur nach den Impulsen spielen.

I: Wir hatten das Gefühl, dass die Ideen alle schon im Raum sind. Man muss nur ein Gefühl dafür entwickeln, diese wahrzunehmen. Das geht natürlich nur mit Leuten, die nicht frustriert sind und die das zulassen können. T: Depression ist meistens eine Verknüpfung von un­ terdrückten Gefühlen. Weil man die negativen Gefühle nicht fühlen möchte, kapselt man auch die positiven ab. Denn diese Ausgewogenheit hängt zusammen, und dann geht man in die Depression. So viel zum Opener »Alles aus«. Die anderen zwölf Tracks sind genauso schön. Kerstin Grether

2raumwohnung »Lasso« (CD // EMI) Auf Tour am 26. und 28.09. und vom 01. bis 04.10.


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