Fine Ein Magazin für Wein und Genuss 2|2011

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E I N M AGA Z I N F Ü R W E I N U N D G E N U S S

Delikate s sen Online: G ourmondo

Hausschlachtung

Marc Haeberlin

Joselito und Dom Pérignon

Spätburgunder von der Ahr

H e n r i Jay e r

Geheimrat »J«

C H Â T E A U

H A U T - B R I O N


DIE GEHEIMNISSE DER GROßEN KÖCHE ZU ERFAHREN, IST GAR NICHT SO SCHWER. ES GENÜGT, AN IHREM TISCH THE FINE DINING WATERS

PLATZ ZU NEHMEN.


E I N M AGA Z I N F Ü R W E I N U N D G E N U S S

Verleger und Herausgeber Ralf Frenzel ralf.frenzel@fine-magazines.de Chefredakteur Thomas Schröder thomas.schroeder@fine-magazines.de Redaktion Carola Hauck Art Direction Guido Bittner

Verehrte Leserin, lieber Leser,

Mitarbeiter dieser Ausgabe Armin Diel, Jürgen Dollase, Till Ehrlich, Michael Freitag, Anton Hunger, Stefan Quante, Stephan Reinhardt

Regen, Hagel, Sturm, wieder Regen und Dauergrau am Himmel: Der Sommer unseres Missvergnügens ist, gottlob, vorüber. Der Herbst ist da, und ob er uns einen goldenen Oktober beschert oder die Stürme weiter an unseren Fensterscheiben rütteln werden, soll uns nun ­weiter nicht bekümmern. Jetzt will uns – wenn es denn, wie der Dichter sagt, das »liebe Himmels­licht« schon nicht selber sein kann – eine andere Sonne scheinen und mit ihren willkommenen Strahlen das Gemüt erwärmen. Wenn nämlich ahnungsvoll die wunder­barsten Düfte aus den Küchen wehen und verheißungsvoll feine Flaschen aus den Kellern geholt werden, wenn das Beste, seien es ausgesuchte Delikatessen, seien es deftige hausgemachte Gerichte, aufgetischt und die Korken gezogen werden, auf dass der Wein im Familien­kreis und in der Freundesrunde fließe: dann ist die hohe Zeit des Genießens gekommen.

Fotografen Guido Bittner, Johannes Grau, Alex Habermehl, Peter Schulte Titel-Foto: Château La Mission Haut-Brion, fotografiert von Johannes Grau Editorial-Fotos: Johannes Grau und Pekka Nuikki Verlag Tre Torri Verlag GmbH Sonnenberger Straße 43 65191 Wiesbaden www.tretorri.de Geschäftsführer: Ralf Frenzel

Mit dieser Beilage wollen wir vor allem den Appetit und die Lust auf diese Zeit wecken, die wie keine andere dem häuslichen Behagen gewidmet ist – und zugleich das Interesse für eine außergewöhnliche Zeitschrift, der viele Geschichten dieses Magazins in leicht ver­änderter Form entnommen sind: für Fine Das Weinmagazin, das viermal im Jahr mit ex­klusiven ­Reportagen und aufwendigen Verkostungen seinen Lesern die Welt der großen Weine und der Gourmandise nahebringt. Sollte uns dies gelingen, können Sie sich schon jetzt auf die Festtags-Ausgabe im Dezember freuen: Unter anderem wird Fine Das Weinmagazin aus­führlich über ein historisches Tasting von einhundert Jahrgängen Riesling Auslese der ­Hessischen Staatsweingüter Kloster Eberbach berichten, es wird den 2009er Blaufränkisch, den ParadeRotwein Österreichs von den besten Winzern des Landes, beschreiben, dabei zudem – rare Gelegenheit! – gereifte Blaufränkisch verkosten. Fine Das Weinmagazin wird die Sehnsucht nach der in Europa fast verschwundenen Rebsorte Malbec schüren, die glanzvollen (und noch immer bezahlbaren) Weine Siziliens entdecken, die fünfzig erlesensten C ­ hampagner und das Champagne-Haus Jacquesson vorstellen und die schönsten Kombi­nationen von weißen Trüffeln und Weinen erproben. So will Fine der vertiefenden K ­ enntnis großer Winzerkunst und der Lust an vollendeten Tafelfreuden dienen.

Anzeigen Ann-Kathrin Grauel Tre Torri Verlag GmbH +49 (o) 611-57 990 info@fine-magazines.de Druck Societäts-Druck WVD GmbH, Mörfelden-Walldorf Fine Ein Magazin für Wein und Genuss ist eine Sonder­beilage des Tre Torri Verlags und erscheint im Verbund mit Fine Das Wein­magazin viermal im Jahr

Denn eines scheint uns sicher: In diesen ernsten Zeiten kann man an fast allem sparen. Nur nicht am Genuss!

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingereichte Manus­kripte, Dateien, Datenträger und Bilder. Alle in diesem Magazin veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt.

Ralf Frenzel Thomas Schröder Herausgeber Chefredakteur

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Der Heimat verbunden, der Welt vertraut Marc Haeberlin

Treue Dienste, hohe Ziele Château Haut-Brion

Versprechen und Erfüllung Geheimrat »J«

»Von Rotwein war ich nicht begeistert« Corinne Mentzelopoulos und ihr Château Margaux

Eine überirdische Delikatesse

Joselito & Dom Pérignon

Botschafter deutscher Weinkultur Der Spätburgunder von der Ahr

Sinn und Sinnlichkeit Zalto

Riese unter Zwergen Gourmondo

Annäherung an einen Mythos Henri Jayer

Schweinebauch und Metzelsupp Das Schlachtfest

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Marc Haeberlin von der Auberge de l’Ill in Illhäusern im Elsass entstammt einer der wichtigsten Familien der französischen Spitzenküche. Das Haus, das nach dem Krieg von seinem Vater Paul (Koch) und seinem Onkel Jean-Pierre Haeberlin (Gastgeber) zu einem der ­besten französischen Restaurants gemacht wurde, besitzt seit mehr als vierzig Jahren drei Michelin-Sterne. Als im Jahr 2008 Paul Haeberlin im Alter von fünfundachtzig ­Jahren starb, war die Übergabe längst in jeder Beziehung perfekt geregelt. Der heute siebenundfünfzig­jährige Marc Haeberlin ist ein Großer aus eigener Kraft, der längst seinen beeindruckenden Weg zwischen den Traditionen der Auberge und seinen eigenen Ideen gefunden hat. Ein kleines Indiz: Es gibt eine neue, vom französischen Koch-Superstar Alain Ducasse herausgegebene Buchreihe mit den zehn besten Rezepten seiner besten Kollegen. Band 1 war Paul Bocuse gewidmet. Es f­ olgten Alain Ducasse, Marc Haeberlin und Joël Robuchon.

DER HEIMAT V ­ ERBUNDEN, DER WELT VERTRAUT Marc Haeberlin blickt über den Tellerrand

Ein Porträt-Puzzle von JÜRGEN DOLLASE Fotos: GUIDO BITTNER

Ein Klassiker, seine Modernisierung und seine Optimierung Der Saumon soufflé ist eine der ganz großen Spezialitäten der A ­ uberge de l’Ill. Er besteht aus einem Stück Lachs, das unter einer zwei bis drei Zentimeter dicken Soufflé-Schicht kaum zu erkennen ist. Das ­Soufflé selbst hat auf der Oberseite eine ganz leichte Kolorierung. Auf dem Teller befindet sich ein klassischer Spiegel von einer Sahne­sauce, ­darauf ein Blätterteigtörtchen in Blattform und eine Nocke Tomatenconcassée. Dieses Gericht geht auf einen ganz alten Klassiker zurück, den Lachs im Blätterteig in Pastetenform, der zu Zeiten, als der Lachs noch in Massen gefischt wurde, sehr weit verbreitet war. Eine dicke Blätterteigkruste, ein meist völlig übergarter Fisch und eine dicke Farce zwischen Fisch und Kruste produzierten ein eher grobes, in den Proportionen fast immer unausgewogenes Geschmacksbild, bei dem der Lachs glatt unterging. Vom alles dominierenden Blätterteig ist in der Fassung der Haeberlins eine kleine Reminiszenz geblieben. Der Lachs ist nicht durchgegart, sondern à point, hat also eine Kern­temperatur von etwa 38 Grad. Auf diese Weise behält er seine Farbe und wird butterweich. Im Lauf der Jahre ist die bei Paul Haeberlin noch recht dicke Souffléschicht deutlich dünner geworden und zeigt sich nun in ausgewogener Proportion zum Fisch. Ihre Textur ist etwas schmelzender als die des Lachses. Die Schicht, die übrigens mit Hechtfleisch hergestellt wird, reichert ihn dezent aromatisch an. Eine weitere Veränderung betrifft die Sauce, die, statt auf klassische Art den kompletten Tellerboden zu füllen, in Marc Haeberlins Fassung kein Ausbund an Sahne mehr ist, sondern deutlich schlanker (und dünnflüssiger) und in ihrem Fett-Säure-Verhältnis eine geradezu elegante Begleitung. Die Nocke Tomatenconcassée ergänzt den leichten, frischen Gesamteindruck, der unzweifelhaft beste französische Traditionen repräsentiert, aber überhaupt nichts mehr von der Schwere des alten Klassikers hat.

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Marc Haeberlin, Details Als Sohn eines berühmten Kochs hat Marc Haeberlin eine exquisite Ausbildung genossen. Nach der Hotelfachschule in Straßburg ging er nach Paris ins Lasserre, zu Paul Bocuse nach Lyon, zu Jean und Pierre Troisgros nach Roanne, zu Gaston Lenôtre in Paris und – eine Seltenheit – nach Deutschland zu Helmuth Gietz in den Erbprinz in Ettlingen, eine der Wiegen der hiesigen Spitzenküche. Der freundliche und sehr umgängliche Koch spricht deutsch mit einer wunderbaren, elsässischen Melodie. Der Vorsitzende von Traditions et Qualité, der kulinarisch anspruchsvollsten internationalen Vereini­gung von Spitzenköchen, gilt als bodenständig und un­prätentiös. Neben dem Stammhaus, das idyllisch an der Ill liegt, besitzt die F ­ amilie Haeberlin auch Filialen in Nagoya (eröffnet 2007) und Tokyo (eröffnet 2008), die in Kooperation mit dem bekannten japanischen Koch Hiroyuki Hiramatsu betrieben werden. Marc Haeberlin hat sich mit seinem aktualisierten Großmeister-Stil einen festen Platz in der Kochkunst und nicht zuletzt bei dem nach wie vor sehr zahlreichen internationalen Publikum der Auberge de l’Ill gesichert. Kennzeichnend für diesen Stil ist die feste Einbindung in die kulinarischen Traditionen des Elsass (von der Maßstäbe setzenden Foie gras bis zur Mousseline de grenouilles), die Perfektionierung vieler klassisch französischer Geschmacksbilder (Matelote de poissons d’eau douce), die deutliche Fettreduzierung und damit aromatische Konzentration (wie etwa beim Feuilleté d’asperges aux morilles fraîches) und immer wieder überraschende Inspirationen aus vielen Teilen der Welt – von Asien (Le filet de bar sur risotto de pastèque à la crème de Wasabi) über die mediterrane bis zur südamerikanischen Küche. Auch seine Nachfolge scheint übrigens schon ge­sichert: Haeberlins Schwiegersohn Dirck Gieselmann firmiert bereits als Co-Küchenchef.


Fünf Köche, die Marc Haeberlin hervorragend findet › Eckart Witzigmann › Nadia Santini › Paul Bocuse › Jacques Maximin › Frédéric Anton Eine Auswahl, die bezeichnend für Marc Haeberlin ist. Witzigmann war ein Schüler von Paul Haeberlin und hat durch seine Einstellung und seine Leistungen die Freundschaft der Haeberlins gewonnen. Nadia Santini ist Drei-Sterne-Köchin im Dal Pescatore in Canneto Sull’Oglio zwischen Mantua und Cremona und steht für optimierte und behutsam modernisierte regionale Klassiker (also ein Stil, der dem Haeberlins nicht unähnlich ist). Paul ­Bocuse muss jeder ­Franzose nennen. Jacques Maximin, ein Monument der f­ranzösischen mediterranen Küche, arbeitet im Moment für ­Ducasse, unter anderem im Rech in Paris. Frédéric Anton vom Pré Catelan in Paris ist ein Meisterschüler von Joël Robuchon und der vielleicht beste Koch der jüngeren Generation in Frankreich, wenn es um die Verbindung von Klassik und Moderne geht.

Fünf Kreationen, die Marc Haeberlin für seine besten hält › Salat von Kutteln mit Saubohnen und Foie gras › Ragout von Hummer und Kalbskopf mit Graupen ›  Taube im Blätterteig mit Kohl und Trüffeln › Sardinendose mit Aromaten › Croustillant von Birnen mit konfiertem Chicorée Bis auf einen Grenzfall sind dies ausschließlich Kreationen, die Marc und nicht Paul Haeberlin geschaffen hat. Die Taube im Blätterteig mit Kohl und Trüffeln hat natürlich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Rebhuhn Romanov, das lange als Klassiker der Auberge angeboten wurde. Bei der Sardinendose ­handelt es sich tatsächlich um eine Porzelladose, die wegen einer Deckschicht aus Sardinen so aussieht, als sei sie ausschließlich mit Sardinen gefüllt. Darunter befindet sich eine Füllung aus diversen Muscheln und Aromaten, was die Sardinen noch frischer und geradezu elegant wirken lässt.

Fünf sehr gute Lieferanten, die Marc Haeberlin empfehlen kann Drei Restaurants, die Marc Haeberlin im letzten Jahr ­besonders gut gefallen haben

› Der Bauer Uhl in Illhäusern (für Gemüse) › Die Metzgerei Herrscher in Colmar

› Dal Pescatore, Nadia Santini

› Peybere in Cahors (für Trüffel)

› Le Pré Catelan, Frédéric Anton

› Greffeuille Aveyron in Grignac für Agneau Allaiton d’Aveyron

› Traube Tonbach, Harald Wohlfahrt

› Die Mühle Herzog in Illhäusern (für Mehl)

Siehe oben. Marc Haeberlin hat ausgezeichnete Kontakte zur Familie Finkbeiner von der Traube Tonbach und zu Harald Wohlfahrt. Mit Wohlfahrt verbindet ihn künstlerisch das ständige Ringen um eine zeitgemäße Form von Spitzenküche, die moderne Impulse und klassische Qualitäten miteinander verbindet.

Die Liste ist ebenfalls typisch Marc Haeberlin, der eben in erster Linie aus der Region stammt und enge Verbindungen zu den Genusshandwerkern der Gegend hat. Nicht nur in der Boucherie-Charcuterie Herrscher, auch in anderen guten französischen Metzgereien kann man – was ausländische Kunden oft nicht wissen – nach ganz bestimmten Stücken und Cuts fragen und erstaunlich hervorragende Qualitäten finden.

Tarte Tatin von Elsässer Mirabellen mit einer Crème von Muscat-Trauben Ein wesentlicher Punkt in der französischen Spitzenküche ist der enge Zusammenhang zwischen landes­weit bekannten Klassikern und den Küchen der Regionen. Die findet man in optimierter Form gerade in Restaurants in der Provinz. Das hat klare Folgen. Die Zubereitungen werden zum Maßstab für Qualität und helfen auch bei der kulinarischen Orientierung außerhalb der Haute Cuisine. Dass Marc Haeberlin diese Tarte Tatin in seinem Drei-Sterne-Restaurant anbietet, zeugt von dem Wissen um d ­ iese Zusammenhänge und dem Bewusstsein, dass auch ein einfaches Dessert so optimiert werden kann, dass es zum Programm eines Spitzenrestaurants passt. Diese Tarte also hat als Basis hervor­ragend gereifte Mirabellen, die die richtige Mischung aus fruchtiger Süße und einem leichten Säuregerüst besitzen. Der Blätterteigboden ist natürlich perfekt und weit entfernt von industriellen ConvenienceProdukten, wie sie heutzutage selbst von Bäckern benutzt werden. Die Proportionen zwischen Teig und Früchten sind bestens ausgewogen, und vor allem gibt es eine wunderbare – und nicht gerade einfach herzustellenden – Balance zwischen den Röstnoten des Gebäcks und den Karamellnoten auf der Oberseite der Tarte. Die dicke Creme von Muscat-Trauben ist natürlich auch gut. Aber im Grunde kann man auf sie auch verzichten. So grandios schmeckt diese Tarte Tatin.

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Telleranalyse: Lammcarré aus dem Aveyron, begleitet von einer Trüffel in Kartoffelkruste und Trüffelsauce Bei diesem Gericht verwendet Marc Haeberlin drei seiner Lieblingsprodukte: die Kartoffel, die Trüffel und ein Lamm vom Allaiton d’Aveyron (siehe Fragebogen). Die Elemente sind: Stücke vom Lammcarré (1, 2), eine klassisch angelegte Trüffelsauce (3) und eine ganze Trüffel (4), die in einen leichten Kartoffelmantel aus frittierten Kartoffelstreifen (5) eingepackt ist. Das vordere Stück des Lammcarrés (1) ist – wie häufig in der Spitzenküche – aus der Mitte des ­ arrés geschnitten, die Seiten zeigen also präzise den Gargrad. Eines der Endstücke mit einem C höheren Anteil von Röstnoten liegt daneben (2). Durch das Garen am Stück und das Belassen der Fettschicht und deren Röstung wird ein wesentlich intensiveres Aroma erzielt, als beim schieren Muskel. Das Fleisch des Agneau Allaiton d’Aveyron, das fast ausgewachsen ist und auf der Weide schon Gräser und Kräuter verzehrt hat, schmeckt deutlich aromatischer als das von extrem jungen Milchlämmern, weshalb es von vielen Köchen bevorzugt wird. Die Röstnoten der Kruste sind vor allem im Gesamtbild von Bedeutung. Bei einem gut proportionierten Akkord aus einem Stück Fleisch mit Kruste, Sauce, einem Stück Trüffel und einer begrenzten Menge der frittierten Kar­ toffeln verbinden sich die aromatisch intensiveren Röstnoten des Lamms mit denen der krossen Kartoffel und geben einen tieferen aromatischen Hintergrund ab. Aber die Mechanik dieser schwierigen Komposition ist noch sehr viel komplexer. Das Fleischaroma erschließt sich erst beim ­Kauen, also etwas verzögert. Die Kruste nimmt man früher wahr, und wenn man etwas frittierte Kartoffeln dazunimmt, dominieren diese mit ihrer krossen Textur den Beginn. Die verborgene Trüffel schließt sich im Zusammenhang noch später auf als das Lamm. Es ergibt sich also ein Ablauf von den ­krossen Elementen und/oder der Kruste über das Lamm- bis zum Trüffelaroma. Dabei sind die Übergänge jeweils fließend. Das Lammaroma wird quasi durchgeblendet und bekommt wenig später eine Aromatisierung von der Trüffel, die schließlich allein den Abschluss bildet – mit einem leichten Hintergrund der anderen Aromen. Ein solcher Ablauf ist schwierig zu realisieren und verlangt in der Küche höchste Präzision. Am heikelsten sind die Röstnoten der Kartoffelstreifen. Wenn sie auch nur einen Hauch zu kräftig sind, dominieren sie mit ihren Bitternoten den ganzen Zusammenhang und das Gericht wirkt zu r­ ustikal oder einfach nur banal. Nur wenn – wie hier – Röstung und Proportionen perfekt sind, entsteht das wunderbar bodenständige und für Marc Haeberlins Kochkunst so typische Geschmacksbild mit der Erdigkeit, die dem Luxusprodukt Trüffel eine dienende Rolle zuweist.

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Der Fragebogen von Marc Haeberlin trifft zu

Ein Spitzenkoch sollte:

1 grundsätzlich selber kochen · alle klassischen Techniken beherrschen × alle neuen Techniken ausprobieren · möglichst originell kochen · immer die Wünsche der Gäste beachten × Kritik nicht zu ernst nehmen · wissen, was in der Szene los ist · alle wichtigen Kollegen besuchen · nur das kochen, was er auch am liebsten isst × kein weiteres Restaurant betreiben ·

trifft nicht zu

2 × · · × · × · · · ·

3 · · · · · · · · ·

4 · · × · · · × · · ×

5 · · · · · · · × · ·

Eine ganze Reihe französischer Maîtres de Cuisine hat nach wie vor ein ziemlich gut entwickeltes Selbstbewusstsein. Auf die Moderne reagiert man gelassen, auch deshalb, weil man sehr treue Gäste hat. Interessant ist, dass Marc Haeberlin konsequent das kocht, was er auch selber am liebsten isst. Das ist – gerade in Deutschland – nicht überall so. Dass Marc Haeberlin die letzte Frage nach einem weiteren Restaurant nicht kategorisch verneint, ist verständlich: die Auberge de l’Ill gibt es nicht nur in Illhäusern, sondern auch in Japan – gleich zweimal.

Fünf Lieblingsprodukte von Marc Haeberlin Kartoffeln | Schwarze Trüffel | Kalbsbries | Süßwasserfische | Lamm Die Kartoffel an erster Stelle! Das meint Marc Haeberlin absolut unprätentiös. Unter Süßwasserfisch fällt natürlich auch der Z ­ ander aus der Ill. Das Lamm, das Marc Haeberlin verarbeitet, ist ein sogenanntes Allaiton d’Aveyron und stammt aus einer Kooperative, die gezielt für die Spitzenküche und dort vor allem für einige b ­ ekannte Köche produziert, unter deren Einfluss die überragende ­Qualität entwickelt wurde. Es gibt aber auch Privatverkauf.


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Löwen für Extravaganz: Gelassen und un­bestechlich wie die steinerne Raubkatze im Hof des Châteaus wachten Vater JeanBernard Delmas und Sohn Jean-Philippe über den einzigartigen Stil von Haut-Brion. Heute führt allein Jean-Philippe als Gutsverwalter einfühlsam Regie.

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ie lange Geschichte von Château Haut-­Brion begann im Jahr 1533, als Jean de ­Pontac das Herrschaftshaus von dem Basken Jean D ­ uhalde kaufte und 1549 mit dem Bau des ­heutigen Schlosses begann. Jean de Pontac war insgesamt drei Mal verheiratet und hatte aus seinen beiden e­ rsten Ehen fünfzehn Kinder. Das letzte Mal heiratete er im Alter von sechsundsiebzig Jahren und verstarb 1589 in dem für damalige Verhältnisse geradezu biblischen Alter von einhundertundein Jahren! In seinen letzten Tagen hatte er den Schwestern des Karmeliterordens fünf H ­ ektar Wein­berge geschenkt, wofür die Damen jeden Tag nach Haut-Brion gekommen sein sollen, um für seinen Aufstieg ins Paradies zu beten. Nach der Revolution kamen diese Weinberge in den Besitz der Familie Chantecaille, woraus später Château Les Carmes Haut-Brion hervorgegangen ist. Etwa hundert Jahre nach der Gutsgründung wurde ­Arnaud III. de Pontac 1649 Besitzer von Haut-Brion. Mit seinem Aufstieg zum ersten Präsidenten am Gerichtshof von Bordeaux erreichte das gesellschaftliche Ansehen der Pontacs seinen Höhepunkt. Von ihm wurden Konservierungsmaßnahmen entwickelt, etwa im Zusammenhang mit dem Auffüllen der Fässer und dem Abstechen, wodurch seine Weine besser reifen konnten. Nach mehreren Eigentümerwechseln kam Haut-Brion 1801 für kurze Zeit in den Besitz des bekannten Staatsmanns Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord. Der ­spätere Außen­minister Napoleons I. verkaufte das Gut aber schon drei Jahre später an einen Bankier, der es dann an einen Weinhändler weitergab. Als der aus der B ­ retagne stammende Bankier Joseph-Eugène Larrieu den Großteil von Haut-Brion im Jahr 1836 ersteigerte, begann eine ­wichtige Epoche, die ­später den Ausschlag dafür gab, dass das Château in die ­erste Kategorie der Spitzenweingüter der Gironde aufgenommen wurde. Als Larrieus Enkel Eugène 1896 kinderlos starb, versuchten mehrere Neffen erfolglos, Haut-Brion aus der vor allem von der Reblausseuche verursachten Krise herauszuführen.

Alles wendete sich erst 1935 zum Besseren, als der amerikanische Bankier Clarence Dillon das Gut kaufte, in ­dessen Familie sich Haut-Brion bis zum heutigen Tag befindet. ­Dillons Sohn Douglas war amerikanischer Botschafter in Paris und ­später Finanzminister unter Präsident John F. Kennedy. Als er Paris im Februar 1957 verließ, blieb seine Tochter Joan in Frankreich zurück und heiratete zehn Jahre später Prinz Charles von Luxemburg; ihr Sohn Robert übernahm 2008 den Vorsitz der Geschäftsführung von seiner Mutter. Ein bedeutender Schritt war im Jahr 1983 der Kauf des Nachbarweinguts La Mission Haut-Brion, das – obwohl gemeinsam mit Haut-Brion geführt – bis heute seine eigene Stilistik bewahrt. Bereits beim Kauf von Haut-Brion konnten sich die Dillons auf die treuen Dienste der F ­ amilie Delmas verlassen: Georges Delmas war dort seit 1923 als Gutsverwalter tätig. Ihm folgte 1961 sein Sohn Jean-Bernard, der Ende des Jahres 2003 seinen Abschied nahm, nicht ohne zuvor seinen Sohn Jean-Philippe sehr sorgfältig in die Nachfolge einzuarbeiten. Weil Besuche auf Château Haut-Brion wegen umfangreicher Umbaumaßnahmen nicht möglich sind, treffe ich Jean-Philippe Delmas im vergangenen Juni auf Château La Mission Haut-Brion zum Interview. Wir durchschreiten den wunderschön restaurierten Innenhof der alten Abtei und setzen uns in einen mit schweren Möbeln ausstaffierten Salon. Delmas berichtet von ­seinem Oenologie­studium an der Universität in Bordeaux und seinen Lehr- und Wander­jahren, die ihn unter anderem zu Moët & Chandon in ­Epernay und Far Niente im Napa Valley führten. Zum guten Schluss folgte noch ein Praktikum in der Provence. »Ich wollte alle möglichen Weintypen kennen­lernen,« sagt der smarte Anfangvierziger und ergänzt leicht schmunzelnd, dass es vielleicht am schwierigsten sei, einen sehr guten Roséwein zu machen. Ich will wissen, wie sich die immerhin neun Jahre währende Zusammen­arbeit mit ­seinem durchaus für sein ausgeprägtes Ego bekannten Vater


Treue Dienste,

hohe Ziele

Au f C h â t e a u H a u t - B r i o n i s t d i e Verwalterfamilie Delmas seit fast hundert Jahren Garant für Qualität Text: Armin Diel Fotos: Johannes Grau

Château Haut-Brion zählt zu den ältesten Wein­gütern des Bordelais, obendrein ist es das ­einzige doppelt klassifizierte Château. Es wurde geprägt von drei Besitzer­ familien, den de Pontacs, den ­Larrieus und schliesslich den Dillons. ­Letztere haben nicht nur Haut-Brion seit 1935 zu ­neuer ­Blüte gebracht, sondern durch den Kauf des Nachbar­gutes La Mission Haut-Brion im Jahr 1983 ein einzigartiges Ensemble geschaffen. Garant für die Qualität der Weine ist seit beinahe hundert Jahren die Verwalterfamilie Delmas, deren dritte Generation nun am Ruder ist.

darstellte? »Am Anfang war es völlig unproblematisch, da ich drei Monate mit der Verkaufsmannschaft von Châteaux & ­Estates in Amerika unterwegs war, um Kunden zu besuchen. Später musste ich allerdings gut zuhören, weil mein Vater nie viel aufgeschrieben hat. Langweilig ist es jedenfalls nie gewesen!« Das ist es für den unermüdlichen Vater Delmas übrigens bis zum heutigen Tag nicht. Nach seinem Ausscheiden bei Haut-Brion war er e­ inige Zeit Berater von C ­ hâteau HautBailly in Léo­gnan, seit 2006 ist der mittlerweile Sechsundsiebzigjährige nun Verwalter von Château Montrose in Saint-Estèphe, also just dort, wo Jean-Bernard Delmas’ Tante einst im Keller gearbeitet hatte. Und wie sieht es

mit den Aussichten für eine vierte Delmas-Generation auf Haut-Brion aus? »Nichts ist unmöglich,« sagt JeanPhilippe Delmas, »aber die Beantwortung dieser delikaten Frage wird in jedem Fall noch geraume Zeit in Anspruch ­nehmen, da meine Söhne Maxime und Adrien erst sechs und vier Jahre alt sind!« Wir wechseln das Thema. Ich will wissen, ­wieso ­Château Haut-Brion bei der Klassifikation von 1855 als einziges Rotweingut ­außerhalb des Médoc Berücksichtigung fand? »Die Klassifikation von 1855 bezog sich keineswegs nur auf das Médoc,« erläutert Delmas, »vielmehr erging anlässlich der Weltausstellung in Paris der Auftrag an die ­Handels­kammer von Bordeaux, die besten Wein­güter der g­ esamten Gironde in einer Liste zu erfassen, wobei allerdings eine gewisse Mindestgröße der Châteaux Voraussetzung war.« Bekanntermaßen gab die Handelskammer den undankbaren Auftrag an die bis zum heutigen Tag sehr mächtige Vereinigung der Weinhandels­ makler (Courtiers) weiter, die diese knifflige Aufgabe auf recht simple Weise erledigte: Sie ermittelte die Verkaufs­ preise der letzten zehn Jahre, woraus sich eine fünf­stufige Klassifikationsliste ergab, in der ­Château Haut-Brion als eines von vier Güteren in der ­ersten Kategorie figurierte. Neben den Rotweinen des Médoc waren damals offenbar die edelsüßen Weißweine der Sauternesregion sehr geschätzt, deren Güter

in ein zwei­stufiges Klassement von Premiers und Deuxiè­ mes Grands Crus C ­ lassés eingeteilt w ­ urden, mit C ­ hâteau d’Yquem als ­Primus inter Pares. Es fiel auf, dass die Handels­ kammer von Libourne geflissentlich ignoriert wurde und kein einziges Weingut von der rechten Seite der Garonne damals Berücksichtigung fand. Die meisten dortigen Güter wären ohnehin aufgrund ihrer g­ eringen Größe nicht in ­Frage gekommen. Es ist D ­ elmas allerdings ein R ­ ätsel, wieso das ebenfalls im Graves-Gebiet gelegene ­Château Carbonnieux 1855 keine Berücksichtigung fand, obschon d ­ ieses große Weingut damals schon sehr bedeutend war. Über hundert Jahre blieb diese Klassifikation unverändert. Eine für das Jahr 1962 geplante Über­arbeitung s­ cheiterte, weil vorab Einzelheiten des Revirements in der großen Regional­ zeitung Sud Ouest öffentlich gemacht w ­ urden, was zu einem riesigen Aufschrei führte. Damit waren alle Reformpläne zunächst verflogen. Gut zehn Jahre danach kam es dann doch noch zu einer Änderung, einer einzigen, als Château ­Mouton-Rothschild von der zweiten Kategorie in die erste aufstieg. »Damals kursierten Gerüchte, dass es im Gegenzug auch einen Absteiger aus der Eliteklasse geben sollte, wozu es am Ende aber doch nicht gekommen ist. Alle Premiers mussten aber ausführliche Dossiers abgeben!« Wir kommen auf die Klassifikation in der GravesRegion zu sprechen, die 1953 erstellt und sechs Jahre s­ päter überarbeitet wurde. Zu den Besonderheiten zählt, dass in keiner anderen Region sowohl Weiß- als auch Rotweine klassifiziert wurden und dass es obendrein nur eine einstufige Klassifikation ohne Hierarchie gibt. Im Vergleich zu Pauillac und Saint-Emilion erschien den Mitgliedern der Vereinigung der klassifizierten Güter die Bezeichnung »Grand Cru Classé de Graves« zu beliebig, und sie voll­zogen mit dem Segen des Instituts für nationalen Herkunftsbezeichnungen (I.N.A.O) im Jahr 1987 die Umbenennung der Appellation in »Pessac-Léognan« – die einzige klassifizierte Herkunftsbezeichnung im Bordelais, die aus zwei Ortsnamen besteht. Das Begehren anderer Graves-Weingüter, die B ordeau x

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Traum eines Ensembles: 1983 erwarb C ­ hâteau Haut-Brion das Nachbargut La Mission Haut-Brion. So entstand eine ­unvergleichliche Einheit für großen Wein.

seiner­zeit frei gewordene Klassifikation »Grand Cru Classé de Graves« für ihre Betriebe nutzen zu w ­ ollen, scheiterte am Veto von Haut-Brion & Co. Ganz unwillkürlich kommt irgendwann die Diskussion auf die Entwicklung der Markt­preise für die berühmtesten Bordeauxweine, die seit dem Jahrgang 2005 h ­ orrend ge­stiegen sind und spätestens mit dem Jahrgang 2009 schwindel­erregende Höhen erreicht haben: Gegenüber dem Vorjahr kostete der 2009er Haut-Brion glatt das Vier­ fache! Wehmütig denkt man an selige ­Zeiten zurück, als man den 1982er von Haut-­Brion für umgerechnet fünfundzwanzig Euro kaufen ­konnte. Delmas erklärt die Preis­ entwicklung mit der Erschließung neuer Märkte: »Vor zwanzig ­Jahren gingen neunzig Prozent unserer Jahresproduktion in die so genannten G-7-Staaten, h ­ eute sind fünfzig Länder dazu­gekommen, die es früher als Kunden nicht gab. Allein fünfundzwanzig Prozent gehen heute nach China, Singapur und Hongkong – Tendenz steigend! Hinzu kommen noch ­etliche Partien, die zunächst nach Groß­britannien verkauft, aber am Ende auch Richtung Fernost v­ erschifft werden.« Wie fast überall im Médoc und in den Graves ist der Cabernet Sauvignon auch bei Haut-Brion die wichtigste Rebsorte. Fünfundvierzig Prozent der insgesamt achtundvierzig Hektar umfassenden Rotweinfläche sind damit bepflanzt, vierzig Prozent mit Merlot und fünfzehn P ­ rozent mit Cabernet Franc. Die alkoholische Gärung erfolgt in Edelstahltanks, der zwanzig Monate dauernde Ausbau in jährlich komplett neuen Barriques. Unverzichtbares Merkmal eines großen Rotweins ist die Fähigkeit zur Flaschenreife, in deren Verlauf sich die Aromatik und die geschmackliche Komplexität verfeinern. Eine Jahrhundertverkostung mit achtzig Jahrgängen bewies 2002 in Zürich, dass Château Haut-Brion gerade in dieser Hinsicht zu den beständigsten Schlössern des Bordelais zählt. Den zweitägigen Probemarathon moderierte Serena Sutcliffe, englische Weinautorin und Chefin der Weinabteilung von Sotheby’s, gemeinsam mit Jean-Bernard Delmas. Dieser bot interessante Einblicke in seine Arbeit auf Château Haut-­Brion, zeigte sich bei dem einen oder anderen Sutcliffe-­Kommentar aber auch leicht pikiert, als es um so manchen schwachen Wein aus den sechziger und siebziger Jahren ging: »Vous êtes bien sévère, Madame!« Die Einführung des Edelstahltanks bezeichnete Delmas als »Riesenfortschritt für die Vinifikation in Bordeaux«, und der Concentrateur ermögliche nun auch in feuchten Jahren 10

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die Herstellung besserer Weine. Hin­gegen betrachte er die Interessanterweise wird in der guts­internen Statistik wieder zunehmende Verwendung von Holzgärbottichen als von Château Haut-Brion als einzigem Jahrgang des zwangroßen Rückschritt. C ­ hâteau Haut-Brion war 1961 eines der zigsten Jahrhunderts lediglich dem 1989er das höchste ersten großen Weingüter in Bordeaux, das auf Stahltanks ­Prädikat »ganz außergewöhnlich« zuteil, welches später umgestellt hatte. Jean-Philippe ­Delmas will die Äußerungen allerdings auch die Jahrgänge 2000 und 2005 erhielten. Es seines Vaters nicht weiter kommentieren, allerdings legt er dürfte keine allzu waghalsige Prognose sein, dass demnächst Wert auf die Feststellung, dass es auf Château Haut-Brion auch die beiden Ausnahme­jahrgänge 2009 und 2010 in der nie eine Konzentrierungsanlage gegeben habe. Hall of Fame von Château Haut-Brion auftauchen w ­ erden. Bei der Züricher Degustation tauchten übrigens drei ­Andere berühmte Jahrgänge wie 1900, 1929, 1945, 1947, Jahrgänge eines interessanten Weins auf, den man nicht 1949, 1959, 1961, 1982 und 1990, die in der internationalen so häufig zu verkosten bekommt: Domaine de Passion Weinkritik mit Super­lativen bedacht wurden, ­gelten hin­ Haut-Brion. Hierbei ­handelt es sich um eine 1,3 Hektar gegen nur als »außer­gewöhnlich«. Zu dieser selbst­kritischen ­große ­Parzelle, die ­zwischen 1954 und 1978 im Wege der Betrachtung des ­Hauses passt, dass exzellente Jahrgänge Natural­pacht von Haut-Brion bewirtschaftet wurde. Den wie 1953, 1966, 1985, 1995, 1998 und aus jüngerer Zeit der Verpächtern René Allary und Jean B ­ ardinon stand jeweils grandiose 2006er nur in der ­dritten Kategorie mit »sehr ein Drittel des Ertrages zu, der Rest verblieb beim Wein- gut« wegkommen und äußerst mäßige Millésimes wie 1956, gut. In Zürich über­zeugte mich der zartsüßliche 1966er 1957, 1958, 1963, 1965, 1968, 1969 und 1972 schonungs­ der ­Domaine de P ­ assion Haut-Brion etwas mehr als das los als »klein« beschrieben werden. Solch vernichtende ­Pendant von Château Haut-Brion, ebenso der 1959er, der Urteile gibt es auf Haut-Brion seit beinahe vierzig Jahren voll­mundig, geradezu burgundisch erstrahlte, w ­ ährend die nicht mehr, was zweifellos mit der globalen Erderwärmung Flasche von Château Haut-­Brion eher enttäuschte. zusammenhängt und den damit einher­gehenden günstigeAls Anfang der achtziger Jahre neue gesetzliche Rege- ren Witterungsbedingungen.  > lungen den Ausbau fremder Weine in den Mauern eines Versprechen auf Entrückung: Jede Flasche Château H ­ aut-Brion, Weinguts untersagten, verpachtete Michel Allary den Blanc wie Rouge, trägt den Weinfreund aus dem Alltag. Weinberg seines Groß­vaters an Haut-Brion, und der Wein wurde damit Bestandteil des Grand Vin. Als Ersatz verlangte Allary dafür pro Jahr die Überlassung von zwölfhundert Flaschen des ­Premier Grand Cru Classé, was ihm zunächst auch gewährt wurde, später aber zum Streit führte. Ein Gericht entschied am Ende, dass Allary nur das Äquivalent eines einfachen Graves verlangen könne und er sogar noch Geld zurückzahlen müsse. Das Pachtverhältnis endete im Jahr 2004, der nun in Alleinregie hergestellte Wein firmiert seitdem als Domaine A ­ llary Haut-Brion.


Fine Tasting

Armin Diel verkostet die letzten zehn Jahrgänge von Château Haut-Brion und die besten des letzten Jahrhunderts  2009 Château Haut-Brion

98–100 P

Tiefdunkles Rubinrot mit Lilareflexen. Sehr eindrucksvolles Bukett, reife dunkelrote Früchte, Brombeere, Schwarzkirsche, Blaubeere, perfekt eingebundenes Tannin, ein grandioser Wein. Idealer Trinkzeitraum von 2020 bis 2050.  2008 Château Haut-Brion

93 P

Sehr guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit leichten Lilareflexen, f­ einer Kirschduft, sehr ansprechende Frucht, gut balancierte Tanninstruktur, s­ chöner Nachhall. Idealer Trinkzeitaum von 2015 bis 2030.  2007 Château Haut-Brion

91 P

Guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot, duftet nach Zigarrenkiste und roten Früchten, ausgewogene Tannine, mittelgewichtiger Körper, passables Entwicklungspotential, feinwürziger Nachhall. Idealer Trinkzeitraum von 2015 bis 2030.  2006 Château Haut-Brion

99 P

Sehr guter Jahrgang. Gut gedecktes Rubinrot, im Duft ein Hauch von Wildleder, Orangenzeste und Herzkirsche, feinstes Fruchtspiel, die satten ­Tannine fügen sich geradezu samtig in das formidable Geschmacksbild dieses großen Weins ein. Idealer Trinkzeitraum von 2020 bis 2045.  2005 Château Haut-Brion

98 P

Ganz außergewöhnlicher Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot, im Duft der pure Klassizismus im besten Sinne des Wortes, Zigarrenkiste, Schwarzkirsche und geröstete Kaffeebohne, vollmundig und erfrischend zugleich, ­enormes Fruchtspiel, edler Nachhall. Idealer Trinkzeitraum von 2020 bis 2050.  2004 Château Haut-Brion

90 P

Sehr guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot, im Duft ein Anflug von Pflaume und roter Kirsche, mittelgewichtiger Körper, feinherbe Tanninstruktur, recht gelungen für das an sich nur passable Jahr. Idealer Trinkzeitraum bis 2025.  2003 Château Haut-Brion

96 P

Außergewöhnlicher Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot, äußerst sublimes Bukett, feine Röstaromen, Walderdbeere, perfekt eingebundene Tannine, süßliche Fruchtfülle, phänomenal gelungener Wein aus einem der heißesten und trocken­ sten Jahre der Bordeaux-Geschichte. Idealer Trinkzeitraum bis 2040.  2002 Château Haut-Brion

91 P

Guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit zartem Gelbrand, im Bukett ein Hauch von Orangenschale, Zimt und Minze, ansprechende Frucht, ausge­wogene Tannine, eine positive Überraschung in einem durchwachsenen Jahrgang. Idealer Trinkzeitraum bis 2025.  2001 Château Haut-Brion

93 P

Sehr guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit zartem Gelbrand, äußerst ansprechendes Bukett, ein Hauch von Maltwhisky, Zedernholz und Vanille, fein strukturierter Körper, geradezu tänzerischer Nachhall. Idealer Trinkzeitraum bis 2025.  2000 Château Haut-Brion

97 P

Ganz außergewöhnlicher Jahrgang. Gut gedecktes Rubinrot, sehr ele­gantes Bukett geprägt von Brombeere, schwarzer Kirsche und Cassis, saftiger K ­ örper, fein ziselierte Tannine, perfekte Balance von Frucht und Frische, alles in Samt und Seide, ein großer Wein! Idealer Trinkzeitraum bis 2040.

1996 Château Haut-Brion

93 P

Guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit zartem Gelbrand, duftet nach Zedernholz und Tabak, rote Früchte, recht gute Struktur, ausgeprägte T ­ annine, im Nachhall vermittelt sich eine leichte Unreife, braucht noch Entwicklungszeit. Idealer Trinkzeitraum bis 2020.  1995 Château Haut-Brion

92 P

Sehr guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit zartem Orangerand, feine Fruchtkomponenten im Duft, Anklänge von Tabak und Vanille, würzige Fruchtfülle, gute Konzentration, feinherbe Note im Abgang. Idealer Trinkzeitraum bis 2020.  1993 Château Haut-Brion

93 P

Guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit zartem Orangerand, d ­ elikater Kräuterduft, rauchige Note, feinwürzige Frucht, präsentiert sich über­raschend saftig, Anklänge von Haselnusscreme, harmonische Tannine. ­Idealer Trinkzeitraum bis 2020.  1990 Château Haut-Brion

95 P

Außergewöhnlicher Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit zartem Orangerand, überwältigender Duft von Schokoladencreme und Haselnuss, sehr eleganter Körper, seidige Fruchtfülle, rund und generös im Nachhall. Idealer Trinkzeitraum bis 2035.  1989 Château Haut-Brion

100 P

Ganz außergewöhnlicher Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit zartem Orange­rand, ausgeprägter Duft von Portwein und Schokolade, generöse Fruchtfülle, exotischer Charakter, markante Würze und beeindruckende Länge, der vielleicht beste Haut-Brion aller Zeiten. Idealer Trinkzeitraum bis 2040+.  1988 Château Haut-Brion

93 P

Sehr guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit zartem Orangerand, duftet nach Nelke, Schokolade und Veilchen, feste Struktur, kräftige Tannine, ein Graves-Klassiker, braucht noch Zeit. Idealer Trinkzeitraum bis 2030.  1986 Château Haut-Brion

90 P

Guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit deutlichem Orangerand, recht rustikales Bukett, ein Hauch von Kuhstall, saftige Fruchtsüße, etwas grüne Tannine im Ansatz, die durchgängig fest sind. Idealer Trinkzeitraum bis 2020.  1985 Château Haut-Brion

94 P

Sehr guter Jahrgang. Mitteltiefes Rubinrot mit deutlichem Orangerand, edler Duft von Zedernholz, Minze und schwarzer Johannisbeere, elegante Fruchtfülle, feine Beerenwürze, ein durch und durch exzellenter Vertreter des Gutes. Idealer Trinkzeitraum bis 2020.  1983 Château Haut-Brion

92 P

Guter Jahrgang. Mitteltiefes Ziegelrot mit deutlichem Orangerand, feine Beerennote im Duft, geschmeidige Frucht, ausgewogene Tanninstruktur, würzig und rund. Idealer Trinkzeitraum bis 2020.  1982 Château Haut-Brion

94 P

Außergewöhnlicher Jahrgang. Gedecktes Ziegelrot mit deutlichem Orange­rand, verschwenderisches Bukett, ausgeprägte Beerensüße, ausgewogene Tannine, zeigt bereits Reife, edler Nachhall. Idealer Trinkzeitraum bis 2020.

91 P

1981 Château Haut-Brion

Guter Jahrgang. Mitteltiefes Ziegelrot mit deutlichem Orangerand, im Duft deutliche Einflüsse von Tabak, Zedernholz und Lakritze, recht feine Frucht, eher pikant als vollmundig, ein sehr klassischer Haut-Brion. Idealer Trinkzeitraum bis 2015.

91 P

1970 Château Haut-Brion

Guter Jahrgang. Blasses Ziegelrot mit breitem Orangerand, duftet nach Vanille und Tabak, seidige Fruchtfülle, gut balancierte Tannine, edler Nachhall. Jetzt zu trinken.

92 P

1962 Château Haut-Brion

Guter Jahrgang. Blasses Ziegelrot mit breitem Orangerand, überaus elegantes Bukett, feine Frucht, seidige Tannine, eine sehr positive Überraschung! Jetzt zu trinken.

96 P

1961 Château Haut-Brion

Außergewöhnlicher Jahrgang. Gut gedecktes Ziegelrot mit feinem Orange­rand, sehr nobles Bukett, HavannaZigarre, Sandelholz, Vanille, edle Geschmacksfülle, sanfte Tanninstruktur, ein zeitloser Klassiker. Jetzt zu trinken.

92 P

1955 Château Haut-Brion

Sehr guter Jahrgang. Gut gedecktes Ziegelrot mit breitem Orangerand, fein gegliedertes Bukett, ein Hauch von Tabak und Kardamom, gereifte Frucht, elegant und filigran, eher leicht am Ende. Jetzt zu trinken.

95 P

1953 Château Haut-Brion

Sehr guter Jahrgang. Gut gedecktes Ziegelrot mit breitem Orangerand, sehr feines Bukett, Süßholz, Tabak, Vanille, prächtig gereifte Frucht, seidige ­Tannine, alles in Finesse, edler Nachhall. Jetzt zu trinken.

93 P

1947 Château Haut-Brion

Außergewöhnlicher Jahrgang. Gut gedecktes Ziegelrot mit breitem Orangerand, extrem jugendlich anmutendes Bukett, belebende Tannine, fein und elegant im Abgang. Jetzt zu trinken.

98 P

1945 Château Haut-Brion

Außergewöhnlicher Jahrgang. Gut gedecktes Ziegelrot mit breitem Orange­rand, ausdrucksstarkes Bukett, Portwein, Tabak, Röstnoten, ungeheure Fruchtfülle, großartig eingebundene Tannine, süßlicher Nachhall. Grandioser Wein! Jetzt zu trinken.

91 P

1934 Château Haut-Brion

Sehr guter Jahrgang. Blasses Ziegelrot mit breitem Orangerand, Haselnussschokolade und Portwein im Duft, zartsüßliche Frucht, die Tannine ­trocknen die Zunge im Abgang. Sollte getrunken sein.

90 P

1928 Château Haut-Brion

Sehr guter Jahrgang. Blasses Ziegelrot mit breitem Orangerand, duftet nach Haselnussschokolade und Portwein, hat noch beachtlichen Stoff und Süße, in Ehren gereifter Wein. Sollte getrunken sein. Die jüngeren Weine ab Jahrgang 2000 wurden zuletzt im Juli 2011 auf Château La Mission Haut-Brion verkostet, die älteren bei einer zurückliegenden, achtzig Jahrgänge umfassenden Jahrhundertprobe von Château Haut-Brion in Zürich. In der aktuellen Ausgabe von Fine Das Weinmagazin 3/2011 finden Sie außerdem die letzten zehn Jahr­gänge von Château La Mission Haut-Brion.

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Versprechen und Erfüllung: Die Vergangenheit beginnt mit der Zukunft

Text: Till Ehrlich  Fotos: Johannes Grau

Nicht nur Bücher, auch Weingläser haben ihr ­Schicksal. Sie nehmen geduldig, ja klaglos all das auf, was man in sie hineingiesst, gleich, ob es nun edle oder banale, teure oder billige Weine sind. Und sie werden an jedwede Lippe geführt, gleich, ob es die einer ­schönen Frau oder eines ent­täuschten Lieb­habers, eines verlorenen ­Trinkers oder eines ­K enners ist. Später wird über die B ­ egegnung mit dem Glas etwas erzählt werden. Anekdoten, ­Geschichten, Legenden. Aber die Gläser ­schweigen und tragen die Spuren der Zeit.

Nicht nur altes Kristall: Aus dem Original dieses Glases trank ­Johannes Brahms einst dem Geheim­ rat Julius Wegeler zu – allerdings noch nicht mit Geheimrat »J«. Da musste erst Keller­meister Norbert Holderrieth kommen.

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och das Aussehen eines Glases ist gesprächig. So bewahrt das Brahmsglas wie ein Gral das Geheimnis einer Tradition im Weingut der Familie Wegeler in Oestrich. Rolf Wegeler zeigt dem interessierten Besucher eine Kopie des Originals; ein Glas mit gewölbt geschliffenem Fuß, der in einen mehrteiligen Balusterschaft übergeht mit kantigem Nodus im Facettenschliff und leicht konisch geformter Kelchkuppa. Auch sie ist facettiert; ihre Wandung zeigt eine ornamentale Gravur als stilisierte Krone, in die gekreuztes Blattwerk eingelassen ist. Die Krone wirkt nicht erhaben, ihr fehlt Raum – vermutlich brach das Original­glas an seinem oberen Rand und wurde s­päter abgeschliffen, was zu unterschiedlichen Proportionen führte. Ihre ursprüngliche Großzügigkeit deutet d ­ ieses Artefakt darin an, dass die Facettierungen des Fußes und der Kuppa sich gegenseitig spiegeln. Die Legende, die sich um das Brahmsglas rankt, besagt, dass aus dem Originalglas Johannes Brahms Rheingauer Riesling kredenzt wurde, als er in Koblenz als Gast im Hause des Weingutsbesitzers, SektkellereiMitinhabers, Musikliebhabers und Mäzens Julius Wegeler weilte. Der Hausherr b ­ ietet ihm, der gekommen ist, um in Koblenz eines seiner Werke zu dirigieren, den besten Rüdesheimer Riesling an und sagt: »Dieser Wein ist unter den Weinen, was Brahms ist unter den Komponisten.« Worauf Brahms

erwidert haben soll: »Dann bitte ich doch um ein Glas Beethoven«. So soll es am 25. Februar des Jahres 1876 geschehen sein. Jenseits des Anekdotenhaften kommt hier etwas Essentielles über die Geschichte zweier Figuren zum Vorschein: ­Johannes Brahms wirkte in der Nachfolge Ludwig van Beethovens, und Julius Wegeler war der Nachfolger seines Großvaters Franz ­Gerhard Wegeler. Wer in der Nachfolge handelt, hat die Chance, etwas erneuern und antizipieren zu können. Er verpasst dem absterbenden Ast der Tradition eine Kur im Sinne von cura, wodurch ein neuer Zweig wachsen und aufblühen kann. Misslingt das, so wird der in der Nachfolge Handelnde zum Traditionalisten, wie der zu seiner Lebenszeit hoch geachtete und sehr gefeierte Brahms. Auf der anderen Seite steht der Geheime Kommerzienrat Julius Wegeler; er hat einen neuen Zweig zum ­Blühen gebracht. Und deshalb ist wohl gerade er zum Namens­geber des Weines Geheimrat »J« geworden, einer trockenen Rheingauer Riesling Spätlese, die in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren zum Symbol für die Besinnung auf eine nachhaltige Wein-Tradition und ihre Erneuerung geworden ist. Julius’ Großvater war Beethovens Lebensfreund, Arzt und Biograph. Franz Gerhard Wegeler stammte wie Ludwig van Beethoven aus Bonn. Beide hatten engste Beziehung zum Hause Breuning. Beethoven

lebte dort nach dem Tod seiner Mutter und unterrichtete die Töchter im Klavierspiel, von denen eine, Eleonore, später Franz Gerhard heiratete. Wegeler war einer der wenigen, die Beethoven in seine sich früh anbahnende Taubheit einweihte.

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eethovens Freund Franz Gerhard Wegeler (1765 bis 1848) hatte noch die Identität eines Arztes beibehalten und die fast lebenslange Beziehung mit dem ­großen Komponisten zu seiner Herzenssache gemacht. Sein Enkel Julius Wegeler (1836 bis 1913) aber war der Erste in seiner Familie, der mutig das Schicksal eines Wein­ herstellers annahm und in seinem von den Künsten angereicherten Leben mit Muße entfaltete. Julius vereinte in sich den Weinhändler, den Wein- und Sektproduzenten und den Repräsentanten als Präsident des deutschen Weinbauverbandes. Zugleich war er Mäzen, kümmerte sich um künstlerische und musikalische Projekte der Stadt ­Koblenz, stiftete sein Geld für Fürsorgeeinrichtungen und die Kirche. Dies tat er mit einem Elan, als hätte der Heilige Kaiser Heinrich II. ihm Pate gestanden. Die Basis seines erfolgreichen Wirtschaftens war die frühe Bindung an die 1794 gegründete Weinhandelsfirma Deinhard & Jordan. Julius begann seine Laufbahn als Angestellter im Exportgeschäft zu einer Zeit, als Deinhard sich auch zu einer Sekt­kellerei von Rang entwickelte und expandierte. Bald


Nicht nur Spuren im Sand: Kraftvoll hat Dr. Tom Drieseberg, Chef im Hause Wegeler, das wichtigste Signet seines Weinguts mit dem Spaten in den Kies gezogen – das »J« steht für seinen Jubiläumswein, den trockenen Rheingauer Riesling Geheimrat »J«.

wurde er in die Geschäfts­leitung aufgenommen, heiratete in die Familie Deinhard ein, übernahm später mit ­seinem Freund und späteren Schwager Hasslacher das Unternehmen und errichtete weltweit Dependancen. 1882 gründete Julius die noch heute bestehende Gutsverwaltung ­Wegeler, erwarb Weingüter und erstklassige Lagen im Rheingau, in der Pfalz und an der Mosel. Julius Wegeler hatte für sich erkannt, dass das Wesen der Weinbranche auf der Weinherstellung fußt, was bedeutet, dass ein erstklassiger Weinhersteller einerseits gut verkäufliche modische Weine benötigt, mit denen er Geld verdienen und Bekanntheit erlangen kann. Andererseits braucht er hochwertigen Wein aus sehr guten Lagen, der von Kennern geschätzt wird und die Konkurrenz das Fürchten lehrt. Das Folgejahrhundert erging sich im Glück, dass man der Vergangenheit in der Zukunft begegnen konnte und den Ruhm alter Zeiten immer wieder aufleuchten sah.

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undert Jahre später, zu Beginn der 1980er Jahre, befand sich der Rheingauer Riesling im freien Fall. Es schien viel von dem verspielt zu sein, was M ­ änner wie Julius Wegeler einst aufgebaut ­hatten: die Geschmackskultur des Rieslings, seine Wertschätzung und damit auch die er­zielten Preise. Die Beliebigkeit billigsüßer Rieslinge dominierte; das Wertversprechen der Lagen war durch das Weingesetz von

1971 gebrochen worden. Nunmehr hing der Wert eines Weins von seinem in Öchsle ge­messenen Zuckergrad ab und nicht mehr von der Klasse und Geschichte seiner Lage. Die Anstrengung des technischen Zeit­ alters, ein Wahr­zeichen zu einem Standard zu ­binden, führte dazu, dass in Rebanlagen minderer Qualität nun auch Spät- und Auslesen hergestellt wurden, die die Namen berühmter Weinberge trugen. Kleine Weine schmückten sich mit großen Namen. Die Hoch­stapelei verspielte in wenigen Jahren das Ansehen des Rieslings in der Welt. Man stand vor einem Dilemma: Ist der Riesling ein banaler Durstlöscher, den man mit Soda noch spritziger machen kann, oder besinnt man sich auf etwas anderes? ­Letzteres bedeutet: man nimmt die eigene Gier zurück und achtet den Wein, auf dass er Jahr für Jahr anders hervorkomme. Rolf Wegeler, Großneffe vom Geheimen Kommerzienrat, trug damals die Verantwortung für die Firma Deinhard und die Wegelerschen Weingüter. Er und sein Gutsverwalter Norbert Holderrieth waren Teil jener Generation, unter der der deutsche Weinbau seinen größten Traditionsbruch erlebte und sein inhaltvolles Erbe, die Wertschätzung, binnen weniger Jahrzehnte verloren hatte und in eine ernste Lage g­ eraten war. Das Verdienst von Holder­rieth und Wegeler besteht darin, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst ge­worden sein ­müssen und darauf eine Antwort gesucht

haben. Norbert Holderrieth fand sie im Jahr 1983 mit dem Geheimrat »J«. Er war schon als junger Mann in die Guts­ver­ waltung Wegeler in Oestrich eingetreten und hatte noch die letzten Atemzüge der alten Rheingauer Riesling-Ära erlebt. Noch heute zeigt sich der Riesling Kabinett aus Holder­rieths erstem Jahrgang 1959 mit kraft­voller Struktur, geschmacklicher Entschiedenheit und Stil. Doch sein Meisterstück sollte der Geheimrat »J« werden, den er bis heute schlicht »Jot« nennt.

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elegentlich wird diese trockene Rheingauer Spätlese auch als »Marken­ wein« bezeichnet. Dies führt zunächst in die Irre, da unter Markenweinen meist standardisierte Industrieweine verstanden ­werden, die keine Weine im agrikulturellen Sinne sind, sondern Getränke, welche nach einem technologischen Verständnis produziert werden. Sie haben einen Einheitsgeschmack, unabhängig von ­Herkunft oder Jahrgang. Doch der »Jot« ist eine Marke und steht für sich, im Sinne der großen Gewächse der Champagne oder des Borde­lais, die ein Wertversprechen erfüllen ­sollen, das gerade im Eigensinn des unaustauschbaren Ausdrucks zum Vorschein kommen kann. 1983 wurde der erste Jahrgang vom Geheimrat geerntet. Der Wein kam erst 1985 auf den Markt und war für die damalige Zeit radikal: Ein trockener Riesling

mit Ausdruck und Stil. Kein Blender, sondern einer, der hält, was er verspricht. Dennoch ist der »Jot« nicht vom Himmel gefallen. Hinter seinem Erfolg steht die Potenz des Geschichtlichen, nämlich dass es in der Familie Wegeler ein Gespür für die Wirkkraft historischer Ereignisse gibt, bei dem die Tradition als Last und Chance begriffen wird. In den achtziger Jahren bot die Krise des deutschen Weinbaus die Gelegen­heit zu erkennen, dass etwas zu Ende gegangen und in dieser Form nicht mehr zu ­halten war. In jeder Krise scheidet sich die Zeit. Wer in ihr bestehen will, muss etwas Wesentliches parat haben: die Erkenntnis, was der Wesenskern der Vergangenheit in der Zukunft ist. Die deutsche Riesling­kultur, die Ende des 19. Jahrhunderts aufblühte und bis weit ins vergangene Jahrhundert leuchtete, war auch deshalb niedergegangen, weil sie im eigenen Land nicht mehr genug geschätzt wurde und es an Sorge, Pflege und neuen Ideen mangelte. Mit dieser illusionslosen Erkenntnis konnte man versuchen, die Tradition in der Gegenwart zu erneuern, ohne sie nur zu renovieren, zu restaurieren oder zu konservieren. Rolf Wegeler wollte nicht modische Weintypen herstellen, denn diese sind nachahmbar. Wegeler wollte auf ein Wesensmerkmal des trockenen Rieslings zurückgreifen: ein Hauch Restsüße balanciert die feinen komplexen Säuren des Rieslings – im trockenen Geschmacksbild. Dadurch R heingau

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Nicht nur ein einziger Kellermeister: Michael Burgdorf ist der dritte, der in fünfundzwanzig Jahren die Verantwortung für den Rheingauer »Jot« trägt. Sein junger Kollege Andreas Holderrieth und sein Chef Tom Drieseberg haben da gut lachen. kann der Riesling auch nach Jahrzehnten noch seine Grazilität entfalten. Die Frankfurter Degustation der fünfundzwanzig Jahrgänge Geheimrat »J« zeigt, dass jeder Jahrgang ein eigenes Gesicht hat. Dennoch gibt es eine Gemeinsamkeit, die jedoch nicht Ergebnis einer standardisierenden Gleichmacherei ist. Es ist die Weinidentität, die von der Eigenheit des Binnenlebens eines Jahrgangs als Ereignisgeschichte bestimmt wird. Bei der Ver­ kostung dieser Jahrgänge zeigt sich die Kontinuität des Eigensinns.

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er »Jot« wird zwar aus einer Sorte, Riesling, komponiert, aber nicht nur aus einer Lage, sondern aus den besten Rheingauer Lagen wie Rüdesheimer Berg Schlossberg, Berg Roseneck und Berg Rottland oder Geisenheimer Rothenberg und Oestricher Lenchen. Die Weine werden getrennt nach Lagen vergoren und ausgebaut und im Frühling nach der Ernte zusammengeführt, komponiert zum Geheimrat »J«. Er besteht im Wesentlichen aus drei boden­prägenden Elementen seiner Lagen, die diesen Riesling strukturell wie auch geschmacklich bestimmen: Schiefer,

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Quarzit und ­lehmiger Löss. Die Rüdesheimer Berglagen sind von ­Schiefer mit hohem Eisenoxidanteil geprägt, die Geisenheimer Lagen sind überwiegend von TaunusQuarzit bestimmt, beides trägt zu seinem steinigen Charakter bei, der den Eindruck von Festigkeit hervorruft. Da­gegen geben die Oestricher Lagen mit ihren fruchtbaren Löss- und Lehm­böden diesem Riesling eine weiche und füllige, doch vollcharmante Note. Der »J« ist nicht nur mineralisch und stahlig, es schwingt in ihm auch etwas Duftiges und Versöhnliches mit. Die Komposition einer Lagen-Cuvée ist nie gleich, sie divergiert je nach Jahrgang. Die Kunst der Cuvée folgt hier nicht dem Gedanken der Homogenisierung, sondern der Herausarbeitung des Besonderen. Das Château-Prinzip war damals in Deutschland bei hochwertigen ­Weinen nicht üblich, Holderrieth hat sich hier von den französischen Winzern inspirieren lassen, die etwa in der Champagne oder in Bordeaux aus den besten Trauben ihrer besten Lagen einen Geschmack komponieren, der für die Lage als auch den Hersteller steht. Trotz jahrgangsbedingter Divergenzen kann sich so ein geschmacklicher Stil herausbilden, der

einen Wiedererkennungswert besitzt. Beim »J« bestand nun das Neue darin, dass Holderrieth nach diesem Verfahren einen trockenen Riesling herstellte, der – das bewies das Frankfurter Tasting – ein lebendiges Geschmacksbild hat, das sich in jedem Jahrgang individuell entwickelt, aber darüber hinaus einen wiedererkenn­baren Stil besitzt. Auch ein Wein kann – wie ein Glas – einen Ausdruck entfalten, der in einer Tradition von mehreren Generationen hervorgebracht, verfeinert und weiter­gegeben wird. Zu der Entschiedenheit des Geheimrat »J« gehört auch, dass es nur eine einzige Abfüllung gibt, im Spät­sommer. Die momentane Mode der verschiedenen Abfüllungen eines einzigen Weines bedeutet ja immer, dass ein Teil des Weins zu früh gefüllt und vermarktet wird. Der Qualität dient das nicht, weswegen man im Hause Wegeler davon Abstand nimmt. Mit dem Wein ist es wie mit der Musik, die eine Zeitkunst par excellence ist: sie wird zwar vorgeschrieben als Note und Takt, aber gespielt wird sie in einem Rhythmus und in einer Auffassung, wie der Interpret sie heute und zu der gegebenen Stunde hervorbringen kann. Auch die Musik lebt nach dem Abklang der Note im Genießer als Nachhall weiter. In den kühlen Achtzigern ließ Holderrieth den »J« meist sehr spät ernten, vorwiegend im November. 1984, 1987 und 1991 waren schwierige Jahrgänge, es w ­ urden keine »Jots« abgefüllt – die Qualität reichte nicht aus. Seit 1997 beeinflusst der allgemeine Wetterwechsel auch die Reifung der Trauben im Rheingau. Man hat sich darauf eingestellt und liest schon im Oktober. Selbst in kühlen Jahren, wenn die Säure des Rieslings höher ausfällt, wird nie ein for­cierter Säureabbau durchgeführt. Der ­Ausbau des Weins erfolgt dann im g­ roßen Holzfass. In säurefrischen Jahren rundet sich so die Säure des Weins auf natürlichem Wege. 1998 entschlossen sich Rolfs älteste Tochter Anja und ihr Mann Dr. Tom Drieseberg, das Staffelholz im Lauf der Familien­ geschichte in die Hand zu ­nehmen. Beide hatten zuvor erfolgreiche Karrieren in der freien Wirtschaft absolviert. Tom Driese­ berg war Marketing-Vorstand im Electro­ lux-Konzern gewesen. Doch wenige Monate zuvor hatten die Wegelers die Sektkellerei Deinhard an Henkell verkauft – eine Zäsur in der Geschichte des Familienunternehmens. Die Industrialisierung

der Sektherstellung und der Preisdruck der Handelskonzerne waren mit dem Ethos eines Familienunternehmens nicht mehr in Einklang zu bringen. Die wertvollen Weingüter wurden herausgelöst und blieben im Besitz der Wegelers. Nun war der Geheimrat »J« die Marke, ja Zugpferd des Weinguts. Nachdem Deinhard weg war, musste Tom Drieseberg den Vertrieb vollkommen neu strukturieren und aufbauen. Die Jahre waren hart, denn die Weingüter waren hundertzwanzig Jahre lang mit Deinhard verknüpft gewesen. Doch die Umstellung glückte, der Generationswechsel ist gelungen. Die Spur, die Norbert Holderrieth gefunden hat, setzt heute Michael Burgdorf als Gutsverwalter fort. Er kam vom rheinhessischen Spitzengut Heyl zu Herrnsheim nach Oestrich und kann eindrucksvolle Jahrgangskollektionen im Hause ­Wegeler vorweisen. Tom Drieseberg führt als Geschäftsführer der Gutsverwaltung Wegeler die Weingüter im Rheingau und an der Mosel mit Augenmaß und Weitsicht. Bei ihm spürt man, wie fruchtbringend seine Erfahrungen sind, die er außerhalb der oft allzu selbstbezüglichen Wein­branche gemacht hat. »Freiheit der Ideen und des Geistes«, sagt Drieseberg, » das müssen wir uns leisten können, denn mit ökonomischem Zwang kann man nicht gestalten.« Den »Jot«, sagt Tom Drieseberg, »wird es auch in fünfundzwanzig Jahren noch geben«. Und Rolf Wegeler, der Senior im Weingut, kann mit Gelassenheit die neue Generation walten lassen und sich ganz auf sein vielfältiges Engagement im kulturellen Leben der Stadt Koblenz konzentrieren.

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eute ist der »Jot« ein Symbol für deutsche Rieslingkultur geworden, das für Stil und Kontinuität steht. So wird dieser Wein bei höchsten Anlässen kredenzt, etwa in Berlin beim Staatsbankett des Bundes­präsidenten für die Königin der Niederlande Beatrix im Schloss Bellevue im April 2011. Zugleich wagt sich Familie Wegeler-­Drieseberg auf Neuland. So wird der »Jot« bei Vapiano glasweise ausgeschenkt. ­Vapiano ist eine moderne, urbane Schnellgastronomie mit italienischem Flair, die ein sehr junges Publikum anzieht, das normaler­weise dem Geheimrat »J« nicht begegnen würde. Hätte dem alten Julius Wegeler dieses Wagnis mit Vapiano gefallen? »Ja«, sagt Drieseberg, »er war jemand, der neue Wege gegangen und sich dabei treu geblieben ist.« Weinidentitäten mit Valeur ­tauchen nicht aus dem Nichts auf. Sie brauchen einen Ort, an dem sie sich entfalten ­können, an dem sie gepflegt und weitergegeben ­werden. Tradition muss wohl immer wieder in Frage gestellt werden, damit sie sich erneuern kann. Sie ist ein Projekt, das sich im Wettstreit mehrerer Generationen entwickelt. Dabei kann sich etwas bilden, das man guten Gewissens anspruchsvolle Weinkultur ­nennen darf. Doch allein die Dauer einer einzigen Generation reicht aus, um eine Weintradition zu zerstören. 1983, in einer Zeit, als man dringend Ideen brauchte, besann sich Rolf Wegeler auf das Ethos ­seines Vorfahren Julius Wegeler. Auch die heute in der Verantwortung stehende Generation um Tom Drieseberg will nicht nur die Zukunft eines bereits hundert Jahre zuvor angelegten Zweiges sein. Man will aus dem Wurzel­werk heraus einen eigenen Zweig zum Blühen bringen – nicht modisch, aber zeitgemäß, denn die Vergangenheit fängt mit der Zukunft an.  >


Fine Tasting

25 Jahrgänge Geheimrat »J« Till Ehrlich verkostet die Vertikale von 1983 bis 2010 1983 Geheimrat »J« Riesling

91 P

1996 Geheimrat »J« Riesling

90 P

2004 Geheimrat »J« Riesling

89 P

Leuchtendes Altgold mit schönen Reflexen. Der Duft schwingt wie ein Pendel von gereiften honigartigen, ­nussigen Tönen hin zu rauchigen und wieder zurück. Schwerelos, doch entschieden. Am Gaumen scheint sein transparenter Körper auf, wobei die Frucht in ihrer Feinstofflichkeit von kühler Seide bedeckt scheint. Hier zeigt sich die Lebendigkeit, aber auch die Endlichkeit eines in Würde gealterten Weins, der ohne laute Reize auskommt.

Heller Goldton. Vielschichtiges Bukett mit entschiedener Frische und eleganter Mineralität. Am Gaumen ansprechender Geschmack. Saftig, druckvoll und dabei fein ausbalanciert. Die Frucht hat sich ihre geschmeidige Jugendlichkeit bewahren können. Ein delikater »Jot«, der in sich absolut stimmig ist.

Strohgelb; im Duft dezente Mineralnoten und fruchtige Frische. Zeigt sich im Mund mit saftiger Textur und einem erotischen Spiel von Säure und Fruchtigkeit. Wirkt betörend und dabei stilvoll. Klingt langsam und anhaltend aus.

1997 Geheimrat »J« Riesling

1986 Geheimrat »J« Riesling

Gelber Beryll mit schönen Reflexen. Im Bukett ein zurückhaltender, leicht diffuser Duft mit metallischen Anklängen. Am Gaumen zunächst saftig und druckvoll, später kommt die Frucht stämmig zum Vorschein. Ihre A ­ romatik wirkt jedoch etwas unentschieden. Nachklang von mittlerer Länge.

Glanzhelle Farbe mit schönen Reflexen. Intensiver mineralischer Duft, lebhaft und mit Anklängen von Honig. Am Gaumen überraschende Intensität, in deren Mittelpunkt ein entschiedener stahliger Geschmack steht. ­Körper zeigt etwas unstimmige Proportionen, trotzdem saftig und appetit­anregend. Kurz.

87 P

Mittlerer Goldton mit brillantem Glanz. Präsentes Bukett mit intensiven Gelbfruchtnoten und einladenden Honig­ tönen. Am Gaumen dominiert ein feinnerviger, säure­ frischer Ton. Das wirkt kühl und geschliffen, aber auch schon etwas ausgezehrt, denn der Wein ist im Alter angekommen, was ihn wohl selbst ein wenig überrascht.

1989 Geheimrat »J« Riesling

85 P

Gleichmäßiges Goldgelb. Das Bukett hat eine diffuse Anmutung, wobei die starke Frische nicht mit den feinen Honignoten zusammenkommt. Am Gaumen klingen gut abgestimmte Reifenoten an, wobei sein gealterter Körper schon sehr mager geworden ist, was sich auch darin zeigt, dass der immer noch präsenten Frische ein Gegenüber fehlt.

1990 Geheimrat »J« Riesling

92 P

Reiches Zitronen-Goldgelb. Das Bukett wirkt sophisti­ cated: reife, intensive Gelbfruchtaromen treffen auf einen Hauch Biskuit. In der Ferne ist Salzigkeit, ja Steinigkeit zu spüren. Am Gaumen präsentiert sich dieser »Jot« aus dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung mit unverbrauchter Frische und geschmeidigem Körper. Zeigt geschmackliche ­Spannung und ein stimmiges Spiel von Frucht- und Säure. Ein immer noch ausdrucksvoller Wein mit Konturen, der mit schöner Länge am Gaumen ausklingt.

1992 Geheimrat »J« Riesling

87 P

Glanzhelles Gold; im Duft reife Gelbfruchtaromatik (Mirabellen), ein ätherischer Hauch wilder Kräuter – darüber schwebt ein herber salziger Ton. Am Gaumen zeigt dieser »Jot« eine sanfte reife Frucht und vitale Säure, die immer noch kraftvoll ist. Das hat Anmut und hinterlässt einen Eindruck von fruchtiger Frische.

1993 Geheimrat »J« Riesling

91 P

Goldgelb mit feinem Glanz. Duftet üppig, doch fokussiert, dabei von subtilen Honigtönen und von frischen Noten umspielt. Am Gaumen herrliche Saftigkeit; lebhaft, reich und fest. Eine klassische Schönheit, die noch immer andauert.

1994 Geheimrat »J« Riesling

88 P

Gesättigtes Zitronengelb; wirkt bereits im Duft dicht mit ausgeprägter Gelbfruchtaromatik, herber Frische und Noten von ätherischer Süße. Am Gaumen steht eine entschiedene Saftigkeit im Mittelpunkt, die eine gute Abstimmung zeigt. Das Fruchtspiel wirkt feinstofflich und ent­ wickelt eine gute Dichte. Klingt mit mittlerer Länge aus.

1995 Geheimrat »J« Riesling

89 P

Helles Goldgelb mit grünen Reflexen. Sofort entgegenkommender Duft mit mineralischer Strenge, schöner Frische und süßer reifer Fruchtigkeit. Am Gaumen tiefgründig mit guten Proportionen. Das Säure-Süße-Spiel ist subtil ausbalanciert. Die Säure wirkt dabei eindringlich, doch rund. Ausdrucksvoller »Jot« mit grazilem Schliff.

1998 Geheimrat »J« Riesling

87 P

90 P

Helles Topasgelb mit grünem Schimmer. Im Duft spürbare Mineralität, taufrische Mirabelle und ein Hauch m ­ inziger Süße. Am Gaumen kaum Reifenoten, aber erstaun­liche Jugendlichkeit und Dichte. Perfekt proportioniertes Spiel zwischen Säure und Fruchtigkeit. Gleichgewicht und Abgang schön.

1999 Geheimrat »J« Riesling

89 P

Weißgelb; im Duft stahlig und frisch, dahinter kommt eine köstliche Gelbfruchtaromatik zum Vorschein. Am Gaumen präsentiert er sich mit dichter Frucht, die mit einer feingliedrigen Säure verwoben ist. Komplexer, transparenter Geschmack mit mittellangem Nachspiel.

2000 Geheimrat »J« Riesling

91 P

Sattes Zitronen-Gold. Wohlriechendes Bukett mit warmen betörenden Noten (Macadamia-Nüsse, Biskuit, Honig), aber auch aufstörender Frische. Im Mund baut sich rasch Intensität auf; komplexe Fruchtigkeit liefert sich ein Têteà-Tête mit guter Säure. Wirkt dicht, tief und immer noch charmant.

2001 Geheimrat »J« Riesling

87 P

Strohgelb mit grünen Reflexen. Zurückhaltend ausgeprägter reifer Duft mit Anklängen von Honig, Fenchel und Gelbfrucht. Im Mund stahlig und duftig zugleich, wobei die appetitanregende Säure den Geschmack bestimmt. Die würzige Frucht tritt eher im Hintergrund in Erscheinung und ist nicht ganz verwoben, was auch im Finish spürbar wird.

2002 Geheimrat »J« Riesling

90 P

Strohgelb; im Duft herbe Töne, die an nasse Steine und wilde Kräuter denken lassen. Am Gaumen ist die köstliche Frucht gleich präsent. Sie entfaltet mit der Säure ein Spiel, das am hinteren Gaumen eine schöne Intensität erzeugt. Langer Nachhall.

2003 Geheimrat »J« Riesling

91 P

Helles Topasgelb; ausdrucksreicher stahliger Duft mit vollreifen Pfirsichen und Mirabellen. Die Früchte treten auch auf der Zunge spürbar in Erscheinung; die Säure ist stimmig eingebunden. Ein Wein mit perfekter Balance, guten Proportionen und langem Finish. Entwickelt sich zu einem intensiven Geschmackserleben.

2005 Geheimrat »J« Riesling

88 P

2006 Geheimrat »J« Riesling

91 P

Beryll mit grüngelben Reflexen. Köstlicher blumiger Duft, der an Holunderblüten, weiße Pfirsiche und ferner an süßliche Kräuter denken lässt. Auch am Gaumen steht die verführerische Duftigkeit im Zentrum. Alles wirkt harmonisch, wobei die Säure von einem spürbaren Hauch süßer Fruchtigkeit umschlossen wird. In sich stimmiges mittleres Finish.

2007 Geheimrat »J« Riesling

92 P

Glanzheller grünlicher Schimmer. Großzügiger Duft mit betörender Aromatik, die in Richtung reifer Limonen und taufrischer Pfirsiche geht. Im Mund dominiert die exotische Frucht, die blumig und ausgesprochen aromatisch erscheint. Auch die Frische ist reizvoll, ihre Säure wirkt rund und abgepuffert von der Fruchtigkeit. Schöner langer Ausklang.

2008 Geheimrat »J« Riesling

89 P

Helles Grüngelb, duftet ausgesprochen steinig und überrascht mit sehr feinen Fruchttönen, die an Boskop-Äpfel und reife gelbe Pflaumen erinnern. Im Mund steht die ausgeprägte Fruchtsäure im Zentrum, von einer würzigen Frucht umspielt. Ein geradliniger Rheingauer von entschiedener Frische, mit Biss und Charakter.

2009 Geheimrat »J« Riesling

92 P

Topasgelb mit grünen Tönen. Feingliedriges Bukett mit köstlichen Aromen, die ein bisschen an Honig, Minze und Pfirsich denken lassen. Das wirkt nicht aufdringlich, ­sondern dezent und beiläufig. Im Mund zitronige, fast herbe Frucht, die von einem Hauch Süße umspielt wird. Das ist unterhaltsam und anregend. Ein Riesling mit Schmelz und Balance, der mit jedem Schluck mehr Freude macht.

2010 Geheimrat »J« Riesling

92+ P

Weißgelb mit zartgrünen Reflexen. Wunderschönes Bukett, das auch an frisch gepflückte Mirabellen und Alpen­kräuter denken lässt. Zeigt am Gaumen eine selten anzutreffende Balance von Säure und Frucht. Wirkt leichtfüßig und zugleich druckvoll. Schmeckt erfrischend und saftig, hat Substanz für eine gute und vielversprechende Entwicklung. Ein lebendiger, fein gewobener »Jot« mit Vitalität und Zukunft. 1984, 1987 und 1991 wurde der Geheimrat »J« nicht erzeugt. Die Jahrgänge 1985 und 1988 waren nicht in der Probe.

R heingau

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» Von Rotwein war ich nicht begeistert« Mit konsequenter Arbeit in Weinberg und Keller, gross­a rtigen Mitarbeitern und dem Glück der Tüchtigen hat Corinne Mentzelopoulos ihr Château Margaux in die Spitze der Welt geführt. Text: STEFAN QUANTE Fotos: JOHANNES GRAU

»Ja hallo! Geht’s noch? Ich werde das zwar oft gefragt, aber ich ­lasse hier doch keinen Swimmingpool oder einen Tennis­platz bauen! Rund um uns herum wird fast ganz­ jährig hart ge­arbeitet. Wie kann man nur so blöd­sinnige Ideen haben ...« Corinne ­Mentzelopoulos kann sich über aus ihrer Sicht ebenso snobistische wie gedanken­lose Vor­stellungen wunder­bar aufregen. Und die alleinige ­Besitzerin des wohl schönsten Bordeaux-Châteaus hält auch ansonsten den Ball flach – Touareg statt Cayenne, lieber Null- statt Drei-Sterne-Restaurant und p­ rivat eine Pariser Fünf-Zimmer-Wohnung, in der sie drei ­Kinder grossgezogen hat. Wie viele Räume sie auf der Beletage ihres Märchenschlosses am ­Rande des Sechzehnhundert-Seelen-Dorfs Margaux bewohnt, ­möchte ich wissen: »Sechs, sieben – nein acht. Einschliesslich ­kleinem Arbeits­zimmer. Aber das ist schrecklich unaufgeräumt. Da lasse ich Sie nicht hinein.« Bescheiden will die Herrscherin über das legendäre ­Château allerdings nicht genannt werden, eher bodenständig.

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hre Erklärung klingt entwaffnend einfach: »Ich habe das alles nur geerbt, nicht wie mein Vater erarbeitet. Ich hatte Glück, die Tochter eines s­ olchen Vaters zu sein, der, ge­boren in Patras, über Indien, Burma, Pakistan nach Frankreich gekommen war und sein Leben als einer der angesehensten P ­ ariser Geschäftsleute beschloss. Dann kann man nicht so tun, als hätte man hier irgendwas getan – ich bin nur die Erbin.« Wobei sie natürlich stark untertreibt. Ihr Vater Andreas Mentzelopoulos, der die Supermarkt-Kette Félix Potin groß gemacht hat (ein­tausend­sechs­hundert Geschäfte), hatte ­Château Margaux 1977 gekauft – als die Weine auf einem qualitativ bedenklichen Niveau angelangt waren. Und das Schloss selbst? »Puh, das war von außen ganz grau und trist, innen schrecklich spießig eingerichtet. Wenn ich alleine an die abgewetzten Sofas denke... Und warmes Wasser musste mein Vater erst installieren ­lassen.« Schon drei Jahre später starb der große Grieche mit fünfundsechzig, und seine siebenundzwanzigjährige Tochter übernahm. Wann sie ihren ersten Margaux getrunken hat? »Keine Ahnung, wahrscheinlich als ich zum ersten Mal mit m ­ einem Vater hier war. Ich hatte ­keine Ahnung von Rotwein und war davon auch nicht begeistert.« Sie kann sich allerdings noch gut daran erinnern, wie ihr Vater und der Vor­besitzer ­Pierre Ginestet auf der Treppe vor dem Schloss feier­lich die Hände schüttelten und den Handel besiegelten. Ob ihr klar war, dass sich in diesem Moment ihr Leben verändert hat, möchte ich wissen: »Ich hatte noch k­ eine Vor­ stellung davon. Aber an den Moment erinnere ich mich sehr genau, denn mir war bewusst, dass dies ein Wendepunkt im Leben m ­ eines Vaters war.« Und als sie drei Jahre später nach dem Tod ihres Vaters die alleinige ­Chefin war:


Corinne Mentzelopoulos mit Apple und Zorba, ihren für die gute Laune unentbehrlichen Helfern

»Wenn man jung ist, ist man ja ziemlich furchtlos. Heute denke ich – wow, das verlangte Nerven. Aber mir standen immer sehr ­talentierte und erfahrene Menschen zur Seite, angefangen bei dem legendären Önologen E ­ mile P ­ eynaud, von dem ich fast alles über Wein gelernt habe.« Inzwischen s­ tehen die Weine von Margaux längst wieder in einer Reihe mit ­Lafite, Latour, Mouton und Haut-Brion. Dank einer glücklichen Abfolge guter und e­ xtrem guter Jahre, aber auch dank konsequenter Verbesserung der Arbeit in Weinberg und Keller.

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aran arbeiten auf Margaux rund achtzig Festangestellte. Seit vielen J­ ahren steht heute Morgen mal w ­ ieder ein Fototermin mit allen Mit­arbeitern an. Punkt zehn Uhr sind alle da – von der Sekretärin bis zum Directeur. Das aufgeregte Bellen zweier Hunde kündigt an, dass sich ihre ­Herrin nähert. Corinne Mentzelopoulos bewegt sich kaum ohne Apple, einen freundlichen Golden Retriever und Zorba, einen eigenwilligen B ­ eagle. Die gesamte Fotosession über lässt sein Bellen trotz Frauchens halbherziger Ermahnungen nicht nach. Die Mitarbeiter haben ihren Spaß daran und der Fotograf auch – alle lachen auf dem Foto. Sofort nach dem viertelstündigen Fototermin sucht Corinne Mentzelopoulos das Gespräch mit ihrem wichtigsten Mitarbeiter, Paul Pontallier. Als der im Frühjahr 1983 mit siebenundzwanzig Jahren nach Margaux kam, hatte er ein Studium der Önologie in Bordeaux und Paris hinter sich und zwei Jahre als Dozent in Chile. Er bewarb sich auf Margaux. Sein geschliffenes Auftreten hatte Bestand vor Corinne Mentzelopoulos und ihrer verwitweten Mutter. Er hatte den Job. Seitdem ist er zu einem der renommiertesten und profundesten Önologen des Bordelais geworden.

Drei Dinge zählt er auf, die den unvergleichlichen Quali­ tätsaufschwung von Margaux eingeleitet haben. Eine deutlich bessere Extraktion als in den Achtzigern. So seien beispielsweise im legendären Jahr 1982 noch zwei Drittel der Lese in den Grand Vin geflossen. Heute nur noch ein D ­ rittel. Zudem sind die Erntemengen seither deutlich zurückgegangen – von weit über fünfzig auf rund vierzig Hekto­liter pro Hektar. Zweitens seien technische Ver­besserungen hinzugekommen, etwa die hochmoderne Abfüll­anlage: »Der Unterschied zu früher ist ungefähr wie der zwischen Mittel­ alter und Renaissance.« Der dritte und wichtigste Grund aber ist die viel bessere Einbindung der Erntehelfer in den Selektions­prozess – das Übertragen von Verantwortung. An diesem Morgen kann ich mir ein Bild davon machen. Zweihundertzehn Saisonkräfte sind frisch eingetroffen, vor allem Studenten und junge Pensionäre, nicht alle aus der Region. Das ist etwa das gutgelaunte Quartett in den besten Jahren aus der Bretagne. Sie kommen jetzt schon im ­zweiten Jahr. Nicht etwa, weil die knapp zehn Euro Stundenlohn sie reizen. Auch der Tischwein zum Déjeuner erscheint ihnen eher abschreckend: »Der kommt aus dem Tetrapak und schmeckt kaum besser als Wasser.« Aber zum ­großen Abschiedsfest gibt es immerhin Pavillon Rouge in ausreichender Menge, eine Flasche als Abschiedsgeschenk und auch einen Schluck vom Grand Vin für jeden: »Es macht uns einfach Spaß. Hier sind viele nette Leute, und wir w ­ ollten vor allem das einmalige Erlebnis wiederholen, bei der Entstehung eines Premier Grand Cru mit dabei zu sein.« Auch wer schon zum wiederholten Male bei der Lese hilft, schaut in einer großen Halle gebannt dem frisch erstellten Schulungsvideo zu. Organisatorische Fragen ­spielen darin eine Rolle. Vor allem aber die Aufklärung

darüber, dass unreifes oder angefaultes Lesegut auf ­keinen Fall in den flachen Lesewannen landen darf. Trotz der erneuten Kontrollen bei der Lesegutannahme. Applaus brandet auf, als der kleine Film zu Ende ist. Ein eindrucksvoller Beweis für hohe Motivation selbst der Saisonkräfte. Mindestens einmal während der Lese sitzt die Chefin mit am Mittagstisch der Arbeiter und trinkt das gleiche wie sie. Heute aber sind wichtige Kunden aus Hongkong zum Lunch da. Und die haben ihre Erwartungen. Es gibt 2008er und 2009er Pavillon Blanc (den extrem limitierten Weißwein aus hundert Prozent Sauvignon Blanc), einen Pavillon Rouge 2000 und den Grand Vin aus dem exzellenten Jahr 1990. »Mit meinem Mann trinke ich so etwas allenfalls mal, wenn wir etwas zu f­ eiern haben. Und falls Gäste dabei sind, dann wollen wir sicher sein, dass sie einen so gereiften Wein auch verstehend genießen können. Sonst verpassen sie ja das Vergnügen, das Wein machen kann.« Außerdem bekommt sie kein Deputat, sondern kauft ihre Bestände an Château Margaux: »Ich n ­ ehme den nicht geschenkt. Das bringt ja sonst nur meine Dividende ­runter.« Madame quittiert ihren Scherz mit einem erstaunlich fetten Lachen.

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nsonsten dreht sich das Gespräch mit dem einfluss­ reichen Kaufmann aus Fernost vor allem um p ­ olitische und ökonomische Fragen. Dabei kennt die Haus­herrin keine übertriebene diplomatische Rücksichtnahme. Die ­Frage der Menschenrechte in China oder den chinesischen Anspruch auf Taiwan spricht sie ziemlich direkt und meinungs­freudig an. Der ­Chinese schluckt, wehrt sich auch – aber nicht zu offensiv. Bei dreißig Prozent M ­ arge auf jede Flasche C ­ hâteau Margaux (aktueller Subskrip­tions­preis für 2009: rund ­tausend Euro) überlegt er sich das doch besser. B ordeau x

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Sie selbst legt Wert auf die Feststellung, dass sie ihren Lebensmittelpunkt nie verlassen hat, das 16. Arrondissement von Paris. Dort ist der Verwaltungssitz von Margaux, dort verbringt sie den größten Teil des Jahres, dort kennt sie die besten Konditoren für Macarons (Pierre Hermé) oder ­Tarte au Citron (Lenôtre), und dort schlägt ihr Herz: »Ich wohne nur hundert Meter entfernt von dem Haus, in dem ich geboren wurde. Ich gehe täglich an meinem alten Kinder­zimmer vorbei. Aber ich bewohne ein ganz besonderes Haus – mein Vater hat es konstruiert.« Voller Tochterliebe spricht die Siebenundfünfzig­jährige immer wieder über den früh verstorbenen ­Käufer von ­Château Margaux: »Er war für sich so sparsam und bescheiden – wir mussten ihn immer bedrängen, sich doch mal ­wieder ein neues Hemd oder eine Krawatte zu k­ aufen.« Aber der Mann, der auch im Ruf stand, stets nachzuschauen, ob das Licht im K ­ eller auch aus ist, hatte andere ­Visionen. Château Margaux hatte schon zwei J­ ahre zum Verkauf gestanden, die Qualität der Weine war bescheiden, die ­letzten Jahrgänge auch. Und so kam er sehr günstig an das prachtvolle Schloss und seine zweihundertsechzig Hektar großen Ländereien. Wie bei allen ­großen alten Besitzungen üblich, war das Areal klassisch gegliedert in ein D ­ rittel Wald (wegen des Brennholzes), ein Drittel Viehweiden (für Kühe und Pferde) und ein Drittel Weinberge. Als einer der ersten im Bordelais ließ ­Andreas Mentzelopoulos vor gut dreißig ­Jahren einen unterirdischen Fasskeller b ­ auen, gut für den Wein und – clever: »Margaux ist ein nationales ­Monument. Und was glauben Sie, wäre in Frankreich los gewesen, wenn der neue K ­ äufer griechischer Abstammung das äußere Erscheinungsbild verändert hätte …« S ­ eine ­Tochter blickt ähnlich weit. Vom britischen Stararchitekten Sir N ­ orman F ­ oster lässt sie gerade eine neues Gebäude entwerfen. Und das wird in gebührendem Abstand zum Schloss gebaut. So viel Rücksichtnahme auf die stolze National­seele muss sein.

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Schon ihr Anblick kann die Sinne erheben: Prunkansichten von Château Margaux

Das kleine Déjeuner wird in der Tonnellerie gereicht, der château­eigenen Fasswerkstatt. Jetzt lodert im Kamin trockenes Rebholz. Über der Glut brutzeln Lamm­koteletts aus Pauillac ihrer Vollendung entgegen. Normaler­weise dient der Kamin eher zum Toasten der Fässer aus e­ igener Produktion. Zwei Stunden zuvor, seit sechs Uhr dreißig wie jeden Morgen, hat hier Alain Nuness seine Meisterschaft bewiesen. Im Alleingang baut er jeden Tag drei bis vier Fässer zusammen, (ein Viertel der in den Kellern nebenan benötigten Menge) – mit einfachen Werkzeugen, die so aussehen, als seien sie schon länger in Diensten von ­Margaux als er selbst. Er ist seit siebenundzwanzig Jahren hier und seit vierzig Jahren im Beruf. Auf der ganzen Welt gibt es vielleicht noch eine Handvoll Kollegen, die so arbeiten wie er, meint Alain. In zwei Jahren geht er in Rente. Der Job ist noch zu haben.

wollen beseitigt sein, und auch der Laub­bläser wird beherzt eingesetzt: »Ich bin nicht übertrieben pingelig, aber die Lese und die Primeur-Degustationen sind für uns extrem ­wichtige Perioden, und wir empfangen eine Menge Gäste.« Inzwischen aus aller Welt, aber Corinne M ­ entzelopoulos erinnert sich noch, als Anfang der neun­ziger Jahre der erste Japaner vorgefahren kam: »Da haben wir alle ziemlich ­große Augen gemacht.« Und seit fünf Jahren kommen die Chinesen. »Und Inder sind inzwischen auch fasziniert von unseren Weinen, aber wir pflegen ­unsere traditio­nellen Märkte in Großbritannien, den USA und Deutschland sehr sorgfältig.«

chiere Denkmalpflege liegt bei allem Respekt für die Tradition nicht in der DNA von Margaux. Wie m ­ anche andere Bordelaiser Châteaux hat auch Margaux sich in der Mostkonzentration versucht, aber wieder verworfen. Längst experimentiert Directeur Paul Pontallier mit Alternativen zum sensiblen Naturkork. In den Kellern lagern jeweils ­hundert Flaschen eines Jahrgangs mit Stopfen aus Kunststoff und mit Drehverschluss. Und jedes Jahr überprüfen er, seine leitenden Mitarbeiter und die Patronne, ­welcher Inhalt sich am vorteilhaftesten entwickelt hat. Ob sie sich wirklich vorstellen kann, dass in ferner Zukunft alle Flaschen des vielleicht geschichtsträchtigsten Weins der Grande Nation mit Schraubverschluss versehen sein ­werden, möchte ich zum Abschluss wissen. »Natürlich, aber bis diese Entscheidung fällt, werden noch ein paar Jahrzehnte vergehen.« Bis dahin wird sie ihre Nachfolge längst geregelt haben. Ihr Kinder sind siebzehn, fünfundzwanzig und achtundzwanzig Jahre alt: »Mir wäre es am liebsten, wenn zwei von ihnen eine andere Leidenschaft entwickeln und eines der Kinder alleine Margaux leiten wird.« Aber auch, wenn d ­ ieser Plan nicht aufgehen sollte und auch sonst Turbulenzen aufkommen – eines ist für die Herrin von Margaux völlig sicher: »Um Château Margaux selbst mache ich mir keine Sorgen. Es wird immer überleben.«  >

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er Nachmittag von Corinne Mentzelopoulos gehört der Büroarbeit. Und hier lauert die Gefahr. Denn die begeisterte Hobby-Fotografin kann es sehr genießen, ihre Bilder mit den neuesten Bearbeitungsprogrammen zu optimieren. Manche schaffen es auch auf die ziemlich exquisite Website des Châteaus. Was ihre Hardware betrifft, legt die Hausherrin wieder ihre entspannt-unprätentiöse Haltung an den Tag. Ihr Laptop hat schon bessere Zeiten gesehen und könnte eine Grundreinigung vertragen. Aber er hat die nötigen Programme und ist schnell – das zählt für Madame. Und den Kauf einer sündhaft teuren Mittel­ formatkamera von Hasselblad verkneift sich die Herrin von Château M ­ argaux: »Das ist einfach zu viel. Irgendwo hört es auch auf.« Ihre vergleichsweise preiswerte Nikon tut es auch. Keine Kompromisse dagegen bei der akkuraten Pflege der imposanten Kieswege. Die werden jetzt im Frühherbst zweimal täglich geharkt, H ­ inter­lassenschaften der Hunde

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Eine der Kathedralen des Bordelais: Der noble Fasskeller von Château Margaux


14 Weinkeller und einer bei Ihnen zuhause: www.moevenpick-wein.de

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Joselito   Dom Pérignon Ein Schinken, nicht von dieser Welt: Jamón Joselito ist ein kulinarisches Wunder und zu einem Glas Dom Pérignon Œnothèque 1969 eine überirdische Delikatesse Text: Thomas Schröder Fotos: Guido Bittner

Wenn der Großvater den Enkel an die Hand nahm und mit ihm, der die damals noch Kartoffel­ferien genannten schulfreien Herbsttage auf der kleinen dörflichen Landwirtschaft der Großeltern im Westfälischen verbrachte, gemächlichen Schritts die Wurst- und Schinkenkammer betrat, öffnete sich dem Kind eine ihn exotisch anmutende Genusswelt aus Düften und Geschmack. Neben den frischen S ­ chinken aus der l­etzten Hausschlachtung baumelten, an derben Bindfäden aufgehängt, auch die r­ eifen Stücke von der Decke, changierend zwischen Dunkelrotbraun und Grau. Mit einem Hakenstock ­holte der Alte eines von ihnen herunter: »Der ist von der Suse, weißt du noch?«, ­fragte er dann, und gemeinsam trugen sie das schwere Hinterbein der lange gemästeten Sau in die Wohnküche, wo es auf einem g­ roßen Holzbrett nieder­gelegt wurde. Die Groß­mutter hatte sie schon erwartet, hatte zuvor an einem Wetzstahl ein Messer geschärft, begann, unter nicht geringem Körper­einsatz, den S ­ chinken anzuschneiden, bis hand­teller­große dicke Scheiben auf das Brett ­glitten. Der Großvater griff alsdann zu einer absonder­lich aus­ sehenden i­ rdenen Flasche und g­ önnte sich daraus ein oder zwei G ­ läschen Stein­häger Korn, dem auch die Großmutter (»Aber nur einen ganz kleinen«) gern zusprach. Noch sechzig J­ ahre, nachdem das Kind die Schinken­scheibe verzehrte, ist dem mittlerweile recht e­ rwachsenen Mann der Geschmack gegenwärtig, wenn er ihn heute auch anders einschätzt als damals: Der schreckliche Krieg lag erst w ­ enige J­ ahre zurück, und da dem Kind die Erfahrung kulinarischer Entbehrung nicht bewusst war, erschien ihm der Biss in das ­trockene Fleisch und das weißliche (»gute«) Fett als etwas unaus­denkbar Köstliches. Dabei war Suses S ­ chinken übermäßig salzig, das Fleisch sehr fest bis zäh, selbst das Fett brauchte kräftige Zahnarbeit: Viel zu tun für den Kindermund.

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ahrzehnte später verliebte er sich in ein ­Mädchen aus dem Schwarzwald. Nicht der geringste Vorzug dieser glückhaften Verbindung war die Bekanntschaft mit den Variationen des dortigen Schinkens. Das war, weiß Gott, schon etwas anderes als die Kindheitserinnerung an das allzu feste Fleisch: Die Fülle der ländlichen ­Bouquets, feine Salzigkeit, die zarten Tannen­rauch-Aromen und das saftige, den Wohlgeschmack rundende Fett machten das gemeinsame Vespern zu einer lustvollen

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Schmauserei, zumal das eine oder andere Kirschwasser seine Wirkung dazutat. Hätte es schöner sein können? Nicht, bis er mit ihr nach Italien aufbrach und dort zwei r­ egionale Spezialitäten entdeckte, die als Zeugnis italienischer Genuss­kultur längst welt­berühmt geworden sind: Den P ­ rosciutto di ­Parma und den ­Prosciutto di San Daniele, ä­ hnliche, aber beileibe nicht identische ­Produkte der hohen Metzgerei, die luftgetrocknet, etwas unterschiedlich


ViO, Apollinaris, das rote Dreieck und das Apollinaris Logo sind eingetragene Schutzmarken.

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in ihrer Reifung bearbeitet, von Schweinen nur dreier Rassen, die ihrerseits nur in bestimmten Provinzen der Hal­binsel auf­wachsen und nur bestimmtes Futter zu sich nehmen ­dürfen – wo­rüber bei beiden ­Sorten ein ­strenges C ­ onsorzio wacht. Er bevorzugte von Beginn an den mild­ würzigen Prosciutto di ­Parma, hauchdünn geschnitten, gern mit einem Stück fruchtig-­saftiger, reifer Melone. Im eleganten Parma ein spätes Frühstück in einer Bar zu nehmen, mit ein paar köstlichen Panini di Prosciutto, und dazu einen sehr trockenen leichten Lambrusco zu trinken – das eröffnete dem Tag die angenehmsten Perspektiven. Und der Jamón, Spaniens Schinken-­Version als Serrano von der Pata Blanca, der »weißen ­Pfote«, vom weißen Hausschwein genommen, luftgetrocknet und lind gewürzt, dem ­Prosciutto di Parma nicht ganz unähnlich? Ach, der unausdenkbaren Stunden in den Tapas-Bars von ­Barcelona, Madrid und Sevilla wird er sich stets dankbar e­ rinnern, wenn zum Genuss des frisch aufgeschnittenen Jamón ein kühler M ­ anzanilla die Kehle spülte und zu immer neuen Bissen b ­ efreiend verleitete! Und doch: Als er schon glaubte, alles gehabt zu haben, geschah ihm ein Wunder, das er, wie es in der Natur von Wundern liegt, einfach nicht für möglich gehalten hätte. Ihm widerfuhr der schlichtweg letzt­mögliche Geschmackskick – mit einem Schinken, für den diese Bezeichnung als geradezu grob, ja ­beinahe ungehörig erscheint. Dieses Wunder trägt den Namen Jamón J­ oselito, und es offenbarte sich ihm im Weinkeller des Fine-Verlagshauses in Wiesbaden. Zu einer i­ ntimen, aber ausladenden Verkostung hatten sich die Granden des ­Joselito eingefunden, angeführt von José Gómez, einem Mann von untersetzter Statur und selbst­ bewusster Bescheidenheit – der Besitzer des r­ iesigen Naturparks Dehesa, auf ­dessen Eichengrund die wahrscheinlich glücklichsten S ­ chweine der Welt w ­ eiden, ein paradiesisches Leben wohl, bis ihre Stunde schlägt. In seiner Begleitung Jésus G ­ arcía, J­ oselitos Inter­nationaler Direktor, sowie die Damen und ­Herren von Enólogos aus ­Frechen, die dafür sorgen, dass auch der Genießer in Deutschland nicht darben muss, wenn es ihn nach diesen und anderen spanischen Wohltaten verlangt. Und schließlich ein Meister in der Kunst, den ­Schinken so hauchdünn aufzuschneiden, dass alle Facetten seines Geschmacks sich schmelzend auf Zunge und ­Gaumen legen: ein junger M ­ aestro Cortador. Und damit zum Allerfeinsten das angemessen Allerbeste kommt, war auch ­Vincent C ­ haperon, ­Önologe bei Dom ­Pérignon, aus Epernay zur Keller­gesellschaft gestoßen, mit etlichen ausgesuchten Jahrgangsflaschen im Gepäck: Joselito und Dom Pérignon – eine Mariage jedenfalls wie eine Fürstenhochzeit.

Bei der Arbeit: Der Maestro Cortador

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n vier, im Genuss sich stetig noch ­steigernden Flights tauchte er nun ein in das kulinarische Ur­erlebnis dieser spanisch-französischen ­Allianz. Der erste Flight schien ihm schon der Höhepunkt: ­Feine S ­ cheiben vom Joselito 2007 zu Dom ­Pérignon 2002. Wie sich der Schmelz des perfekt durchmusterten Fleischs, das zart und süß-­ nussig mit einem Hauch von Salz den Mund erfüllte, mit der M ­ ineralität des ­Champagners verband, schien ihm einzigartig. Wenn er sich ein ­kleines Stück Schinken auf den Handrücken l­ egte und ganz leicht über das Fett strich, floss es ihm sogleich wie ein feines Öl über die Haut – ver­blüffender, beeindruckender Effekt, der die ­Qualität des Produkts gewisser­maßen hand­greiflich aufwies. Flight zwei: Joselito 2006 bei Dom ­Pérignon Œnothèque 1996 – mit einer ihm kaum möglich erschienenen Steigerung des ­extremen Fein­geschmacks und der überzeugenden Verbindung von Schinken und Champagner. Ä ­ hnlich der Joselito 2004, der sich mit dem Wein perfekt vermählte. Gern plauderte während des Tastings José Gómez Geheimnisse der Joselito-Pro­duktion aus: Einmal sind es natürlich die iberischen ­Schweine, die im mediterranen Ökosystem der D ­ ehesa in Freiheit aufwachsen, sich von den Eicheln der Stein- und Korkeichen sowie von Kräutern ­nähren und einen Lebens- und Entfaltungsraum von vier ­Hektar pro Tier haben, in dem sie sich zwischen Oktober und ­Dezember, wenn die Eicheln zu Boden fallen, ganz und gar satt f­ ressen. Wird das riesige Land gehegt? José Gómez l­achte: »Die Schweine sind m ­ eine ­Gärtner«, sagte er, der aber doch dafür sorgt, dass Jahr um Jahr etwa achtzigtausend mediterrane Eichen neu gepflanzt werden – ein g­ ewaltiges privates Auf­forstungs­pro­gramm. Nach der Auswahl der am besten geeigneten Schweine und dem Schlachten durchläuft der Schinken bestimmte Prozeduren des S ­ alzens, des Ruhens und Ent­wässerns, des Einziehens der bekömmlichen f­ einen Fette in die Fasern des Muskelfleischs und immer wieder des ruhigen ­Reifens, damit alle ­Aromen und sensorischen Merkmale ganz zur Wirkung kommen ­können. Die Aromen­qualitäts­ kontrolle durch einen Schinken­meister beendet die Entwicklungsphase dieses (auch höchst ­gesunden) Naturprodukts, dessen Vintage-­Kriterien ebenfalls ganz von der Natur gesetzt werden.

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en Gipfel des Genusses sollte er aber erst jetzt, im vierten Flight, erklimmen, da ihm die ultimative Erfahrung geschenkt wurde: Mit ­einigen Schnitzen des Ibérico de Bellota ­Joselito Gran Reserva ­Vintage 2004 kamen Stücke eines S ­ chinkens auf den Teller, den es überhaupt nur, jedenfalls noch bis dahin, fünfundfünfzig Mal gibt. (Er wird für 4 900 Euro nur im Ganzen verkauft, und seine rund zehn Kilo sollten auch in einer Gesellschaft an einem Tag verzehrt ­werden.) Dazu ­öffnete Vincent Chaperon eine Flasche des hinreißenden Dom Pérignon Œnothèque 1969 – und wer immer glaubt, schon alles über S ­ chinkenund Champagnergenuss zu wissen, ohne diesen w ­ ahrlich überirdischen Akkord geschmeckt zu haben und ihn in sich hat nachklingen lassen ­können, der darf sich freuen: Das Schönste steht ihm noch bevor.  >

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lands, auch der Weinkeller seines Restaurants „Zur Alten Post“ an der Ahr ist geradezu

­liefert Stevan Paul, bekannter Koch, Foodstylist und Autor. Die 100 „Schnellen Teller“ sind

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under gibt es immer wieder. Jahrzehntelang funkelten in der Krone

des deutschen Weins nur die ­weissen Diamanten, während die roten,

von deren Glanz überstrahlt, mehr oder ­weniger ein Schatten­dasein

­führten. Mit der Apotheose der französischen Rot­weine hatte Rotwein, der etwas galt, aus Frankreich zu ­kommen, aus Burgund. Der Côte d’Or, dem ultimativen ­Symbol kultivierten Weingenusses, lag die Weinwelt zu Füssen. Dieses Bild, an dem auch die

Medien fleissig mitgemalt hatten, stimmt schon lange nicht mehr. Denn in Deutschland, genauer: im kleinen Tal der Ahr, schlummerte ein Schatz, den es nur zu heben galt. Dort findet der Spätburgunder ein k ­ ühleres Klima vor, und das Gestein im Weinberg ist dunkler. Dieser verwitterte Schiefer begünstigt die Wärme­speicherung, weshalb in den nach Süden ausgerichteten Steillagen der Spätburgunder spezi­fische Q ­ ualitäten ausbildet und zu einem Rotwein mit besonderer Eigenart ausgebaut werden kann. Dies zu prüfen, versammelte Fine Das Weinmagazin im November des vergangenen ­Jahres eine kleine Schar von Weinexperten zu einer sensationellen Spätburgunder-Probe.

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er erste Advent war ein ungemütlicher, ­grauer Sonntag, an dem es selbst mittags nicht r­ ichtig hell ­werden wollte. Am Abend, als der erste Schnee d ­ ieses ­Winters die Wein­berge im Ahrtal bedeckte, hatte Hans-­ Stefan Stein­heuer in sein Restaurant Zur Alten Post nach Heppingen eingeladen. Zehn Jahrgänge Spätburgunder – von 1997 bis 2009 – sollten verkostet werden. Die insge­samt fünfzig Weine stammten von den sechs ­führenden Wein­ gütern der Ahr, deren ­Winzer anwesend waren. Gekommen waren ­Werner Näkel vom Weingut Meyer-Näkel, ­Gerhard ­Stodden vom Weingut Jean S ­ todden, Marc A ­ deneuer vom Weingut J. J. Adeneuer, L ­ udwig Kreuzberg vom Weingut H. J. Kreuzberg, ­Philip Nelles vom Weingut Nelles und Hans-Jörg Lüchau vom Weingut ­Deutzer­hof CossmannHehle. Aber auch Winzer aus anderen deutschsprachigen Rotweinregionen, ­Pioniere des Spätbur­gunders, die ­Grenzen überschritten und ihm zu überregionaler ­Bedeutung ver­ holfen haben, waren angereist, um Zeugen dieser exzeptionellen Verkostung zu sein. Aus ­Franken war Paul Fürst vom Weingut Rudolf Fürst gekommen, aus Baden der Kaiser­ stühler Joachim Heger vom Weingut Dr. Heger und aus der Schweiz das Winzer­ehe­paar ­Martha und Daniel Ganten­bein, das in Grau­bünden mit Pinot Noir Maßstäbe setzt. »Wir wollen den Spätburgunder als Gesicht und Identität der Ahr zeigen«, sagte gleich zu Beginn der Winzer Marc Adeneuer. Die Geschichte des Weinbaus und des Spätburgunders im Ahrtal ist lang und von Auf und Ab, von ­Blüte, ­Krise und Neubeginn, gezeichnet. Eine frucht­bare

bots chafter deuts cher weinkultur: Text: TILL EHRLICH Fotos: ALEX HABERMEHL und JOHANNES GRAU

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Werner Näkel vom W ­ eingut Meyer-Näkel mit seinem ­1997er Dernauer Pfarrwingert ­Spätburgunder »S« trocken

Kontinuität: Auch im Weinbau gibt es ­keine Größe ohne die ­bittere Erfahrung des Scheiterns. Die Anfänge des Weinbaus im Ahrtal liegen im D ­ unkeln. Ob es die Römer oder im 3. Jahr­hundert die Franken waren, die die e­ rsten Weinberge anlegten und Reben kultivierten, konnte bislang archäologisch nicht eindeutig geklärt werden. Die erste urkund­ liche Erwähnung datiert auf das 8. Jahrhundert. Klöster von Mönchsorden wie den Benediktinern formten im Mittelalter den Weinbau an der Ahr. Der Drang der Klöster und ­Bistümer zum Wein ist nicht nur auf einen liturgischen Bedarf zurück­zu­führen. Die Kirche entwickelte den Weinbau auch zu einem für sie bedeutsamen wirtschaftlichen Zweig. Entscheidend war dabei, dass er nicht als Raubbau an Natur und Landschaft aufgefasst wurde, da man die Fruchtbarkeit von Weinberg und Boden als Teil der gött­lichen Schöpfung verstand, die es zu bewahren und zu pflegen galt. Hier liegt die ­Wurzel dessen, was heute als Nach­haltigkeit bezeichnet wird und den abendländischen Weinbau in seinem Wesen geprägt hat, noch immer s­ eine agrikulturelle Identität ausmacht und ihn so von der Agrarindustrie unterscheidet. Die vom Weinbau geschaffene Kulturlandschaft des Ahrtals lässt sich in ihrem Kern auf ­dieses christlich geprägte Mittelalter zurückführen. Erst nach der ersten Jahrtausend­ wende gelangten einzelne Weinberge auch in weltlichen Besitz. Damals wuchsen überwiegend w ­ eiße S ­ orten im Ahrtal, doch im späten Mittelalter wurde das Potential des Gebietes für rote Weine erkannt und genutzt: Seit dem

13. Jahrhundert wurden an der Ahr vor allem rote Reb­ sorten kultiviert. Der nächste entscheidende Schritt erfolgte in der Neuzeit, als nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges Mitte des 17. Jahrhunderts der Weinbau im Ahrtal wiederbelebt wurde. Damals pflanzte man Spätburgunder in die verwitterten Schieferböden der Terrassen und Steil­lagen und legte somit das Fundament für die lange Geschichte dieser edlen Rebe im Ahrtal.

S

eit dem 18. und 19. Jahrhundert mussten sich die Ahrweine verstärkt gegenüber französischen Import­ weinen behaupten. Das 20. Jahrhundert brachte für den Weinbau im Ahrtal gegensätzliche Entwicklungen. Bis in die 1950er Jahre stand das Gebiet im Schatten der Mosel, Ahr­weine waren außerhalb der Region wenig bekannt. Der Spätburgunder wurde an der Ahr seit eh und je in der traditionellen Maischegärung hergestellt, durchgegoren, ­trocken ausgebaut und so als »natur« verkauft. In den sechziger ­Jahren kam dann der Tourismus ins Ahrtal. Zur selben Zeit konnten die Winzer mit Hilfe modernen Keller­technik restsüße Weine herstellen, die den Geschmack der T ­ ouristen bedienten. Die Ansprüche an den Wein waren aus heutiger Sicht bescheiden, es war die Zeit des Wirtschafts­wunders, des Aufatmens nach dem Krieg und des Hungers nach einfachem, sorglosem Vergnügen: Aus Weinfesten wurden Massenveranstaltungen, die Weine sollten leicht, schlicht, süß und billig sein.

spätburgunder von der ahr Weinlandschaft wie aus dem Bilderbuch: Terrassenlagen bei Mayschoß

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Rebhügel des Weinguts Meyer-Näkel über Dernau

Doch in den achtziger Jahren begannen e­ inige ­Winzer der Ahr, sich neue Horizonte zu eröffnen. Die ersten Impulse gingen von ­Werner Näkel aus. Der Dernauer ­Winzer suchte neue Wege und sammelte Erfahrungen, die zum Fundament für ein neues Kapitel des Ahr-Spät­ burgunders w ­ erden sollten. Sehr bald folgten ihm mutig ­weitere ­Winzer wie Gerhard Stodden, die ­Brüder Marc und Frank Adeneuer, Thomas Nelles, Wolfgang Hehle und Ludwig Kreuzberg. Sie alle haben Neuland betreten, ihre Betriebe grundlegend umstrukturiert und Risiken in Kauf genommen. Was sie dabei gewonnen haben, ist eine eigenständige Kultur des Spätburgunders. Der P ­ rozess war eine Evolution, die zwanzig Jahre dauerte. Im Weingut Kreuzberg wurde 1987 das erste Barriquefass angeschafft, und es bedurfte einiger Jahrgänge, bis jeder Winzer seine Erfahrungen mit dem Ausbau in Barriques gesammelt und den Holzeinsatz perfektioniert hatte. Im Weinberg war die Ertrags­reduzierung zu Beginn der neunziger Jahre der entscheidende Schritt. So entwickelte sich in der Stille ein neuer Weinstil, der zum Ausgang des Jahrzehnts eine neue Qualität erreichte. Die Fine-Verkostung bewies jetzt, dass

mit den Jahrgängen 1997 und 1999 ein neues Kapitel des Spätburgunders an der Ahr aufgeschlagen wurde, eine Entwicklung, die sich bis heute dynamisch fortsetzt.

E

s sind gerade fünfundzwanzig Kilometer, auf denen der Weinbau dem Flusslauf der ­kleinen Ahr südlich von Bonn folgt. Gerade einmal fünfhundertfünfzig ­Hektar umfasst das Weinbaugebiet, das zu den kleineren in Deutschland zählt. Die besten Lagen sind nach Süden exponiert und bilden mit ihren Steinterrassen und Steil­ hängen eine Kulturlandschaft, die der handwerk­liche Weinbau im Lauf der Jahr­hunderte geschaffen und geformt hat. Ohne ihn würde d ­ iese Landschaft veröden und sich binnen ­weniger ­Jahre in Wildnis verwandeln. Dabei sind es weitgehend die kargen, steinigen Böden, die dem Spät­ burgunder an der Ahr seine Prägung geben. Die Traube des Spätburgunders wird in zu warmem Klima und auf zu nahrhaftem Boden schnell üppig und übersättigt, ja punsch­ artig in Geschmack und Duft, wie man es von Weinen des Südens und ihren Imitaten kennt. Doch Exzellenz kann

Ludwig Kreuzberg vom Weingut H. J. Kreuzberg mit dem 1997er Devon Spätburgunder trocken

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man nicht erzwingen; und große Weine nicht gegen die ­ limata und Eigenschaften der Böden produzieren, in K denen sie gedeihen. Eine anspruchsvolle Kulturpflanze wie der Spätburgunder lässt eben nicht alles mit sich machen. Gewiss, man kann ihn an alle denkbaren und undenkbaren Regionen der Erde verpflanzen, aber zwischen Siechtum und Entfaltung ­liegen Welten. Mit einem großen Wein verhält es sich wie mit einem guten Pferd: Man lässt es ziehen, aber behält die Zügel in der Hand. So ergeben sich im Lauf der Jahre Entfaltungsmöglichkeiten, mit denen man spielen kann. In der wieder belebten und neu gefundenen Rotweinherstellung der Ahr ist die gereifte Säure von zentraler Bedeutung für Struktur und Geschmack des Weins. Sie hält die Sphäre der Fruchtigkeit, aber auch die Vitalität kraftvoll wach und sichert dem Spät­burgunder sein langes Leben. Die Wertschätzung, die einem Wein zukommt, bestimmt sein Image und damit auch seinen Preis. Große Weine müssen sich in der Zeit bewähren. Nicht alle teuren und raren Weine können diesen Anspruch erfüllen. Und längst nicht alle Weine, die in ihrer Jugend als groß bezeichnet werden. Denn so verführerisch ein junger Wein oft auch sein mag – weder geschmackliche Wucht noch intensivste ­Aromen sind Merkmale eines großen Weines. Ein g­ roßer Wein ist kein vordergründiger Überwältiger. S ­ eine innere Form kann einzigartig und subtil sein. Doch erst der Verlauf seiner Entwicklung zeigt, was alles in ihm steckt, ob er sein ­Potential verwirklicht, sein Versprechen auch hält. Diese Kontinuität des Wertes unterscheidet ihn von der Flüchtigkeit der Konsum- und Alltags­weine. ­Daran ermisst sich letztlich, ob man von einer werthaltigen Weinkultur sprechen kann. Der Spätburgunder von der Ahr hat sich, seit ihm eine kleine Gruppe von Pionieren ab Mitte der 1980er Jahre ein neues Gesicht gab, Jahr um Jahr weiter entwickelt. So sind dort mit der Zeit Rotweine gewachsen, die es wert sind, dass man sie unvoreingenommen betrachtet als das, was sie sind: etwas Eigenes nämlich, gewachsen auf dem Schiefergestein der steilen Flusshänge im kleinen Tal der Ahr. Man sollte daher Rotwein, der südlich der Alpen wächst, nicht


Thomas Nelles vom Weingut Nelles mit dem 1999er B-52 Heimersheimer Burggarten Spätburgunder

Marc Adeneuer vom Weingut J. J. Adeneuer mit dem 2­ 004er Walporzheimer Gärkammer Spätburgunder Großes Gewächs

mit dem vergleichen, der aus nördlichen Regionen kommt. Hier haben die Weinstöcke eine andere Vegetationszeit, sie gedeihen in kühlerem Klima, wachsen auf anderem Gestein und verlangen nach einer diffizilen Ausbautechnologie.

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ie Spätburgunder von Werner Näkel s­ tellen innerhalb der Ahr-Weine eine Klasse für sich dar. Sie schmecken wie Wein, in dessen Rebsaft Gottvertrauen gelegt worden ist, ohne Nachdruck und wesentliche Eingriffe. Von Werner Näkel wird erzählt, dass er die Franzosen beobachtet und sich ihre Produktionsweise – nicht als starre Methode, sondern als Haltung von Gelassen­heit und Sorgfalt – zu­eigen gemacht hat. Damit ist ihm ein Verfahren g­ elungen, bei dem Weine entstehen, die keine Imi­tate und wie alles Außergewöhnliche auch nicht imitierbar sind. Das ist natürlich sehr persönlich geprägt. Gelingt es Werner Näkel, dies weiterzugeben, kann sich eine eigene, beispiel­ lose ­Tradition ­bilden, mit ­Gewächsen von bleibendem Wert. ­Diese Beständig­keit zeigten freilich nicht nur Näkels Spätburgunder, sondern die aller Wein­güter der Probe. Besonders die Weine der letzten Jahr­gänge – 2006, 2008 und 2009 – haben ein enormes Potential. Nicht zuletzt weil die Weingüter S ­ todden, Kreuzberg, Adeneuer und Nelles immer mehr Erfahrungen mit ihren Spitzen­ weinen gesammelt haben, ist der Abstand zu Näkel k­ leiner geworden. Das ist eine positive, hoffnungsvolle Entwicklung, die nicht nur Näkel zugute kommt, weil sie die Schlagkraft und Präsenz der Ahr an der S ­ pitze erhöht. Alle Zeugen der Verkostung waren sichtbar beeindruckt von der Dichte und Intensität des Erlebnisses, die der Genuss dieser Weine hervorrief. Man konnte gar nicht anders als die deutliche Heterogenität und Eigenheit zu würdigen, die bei aller Grundähnlichkeit in gut zehn ­Jahren entstanden sind. Dazu gehören auch gereifte Jahrgänge wie 1997, 1999 und 2001. Sie waren frisch und in ihrem Spiel lebendig, haben sich beeindruckend ent­wickelt, und die meisten von ihnen besitzen immer noch Potential für eine weitere mehrjährige Flaschen­reife. Ihre gewachsene Qualität widerlegt

sehr deutlich und überzeugend das unter Weinkritikern und Sommeliers immer ­wieder anzutreffende Vorurteil, Ahr-Spätburgunder reiften zu schnell und hätten nur eine kurze Haltbarkeit. Eine Überraschung war auch der Jahrgang 2003, dem von vielen Weinexperten eine geringe Haltbarkeit prophezeit worden war – wegen des hohen Reifegrads und der geringen Säure des Traubengutes in diesem heißen Jahr. Doch die Verkostung zeigte genau das Gegenteil: erstaunliche Frische, weder überkonzentriert noch müde, mit stabiler und harmonisch in sich gefügter Struktur. Besonders ­glänzten hier die Spätburgunder von Adeneuer, Kreuzberg und Meyer-Näkel. Sie unterstreichen, dass in diesem schwierigen Jahr an der Ahr im Top­ segment nicht nur vereinzelt, sondern kontinuierlich eine außergewöhnliche Qualität erreicht w ­ urde, die auch im

Rebhang über Bad Neuenahr

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Alexander Stodden vom Weingut Jean Stodden mit der 1999er Recher Herrenberg Spätburgunder Auslese trocken

Degustationsnotizen, kennerisch und präzise: So hielt Paul Fürst, der Spätburgunder-König von Franken, seine Eindrücke von den Ahr-Roten fest.

Vergleich zu älteren und jüngeren Jahrgängen Beständigkeit und Zuverlässigkeit aufweist. Ebenfalls für eine Überraschung sorgte der Jahrgang 2001, dessen immenses Potential seiner­zeit – bei seinem Erscheinen im Jahr 2003 – von ­vielen E ­ xperten verkannt und unter­bewertet wurde. Doch gerade ­dieser Jahrgang hat heute Aufmerksamkeit verdient; er zeigte im Gesamtbild eine Kontinuität, die von allen ­Weinen, die in der Probe waren, ausnahmslos bestätigt wurde. Sie be­saßen Struktur, Feinheit und Delikatesse und immer noch Potential für weitere Jahre der Lagerung. Aus diesem Jahrgang ragten besonders die Weine von S ­ todden und Nelles mit ihrer köst­lichen Frucht und ihrer strukturellen Finesse heraus. Die Spätburgunder-Verkostung bewies insgesamt, dass die hochkarätigen Ahr-Spätburgunder bei aller Komplexität auch eine spielerische Leichtigkeit besitzen, die schnell missverstanden ­werden kann. Denn sie rufen keine perplexe Sprachlosigkeit hervor, die mächtige Weine sonst gern einmal bewirken, sondern regen zum Nachdenken an: Ein vorurteilsfreier Genießer wird d ­ iese ­Weine in ihren ver­schiedenen Lebens­phasen durch ihre herausfordernde Intensität schätzen; es sind Weine, denen er sich stellen muss. Wie einem Freund, der einem wohlwollend auf Augenhöhe begegnet.

D

iese Spätburgunder haben mich in den abend­lichen Stunden der Verkostung über unsere deutsche Selbstvergessenheit nachdenken lassen. Nicht nur auf den Gebieten der Technik, Wissenschaften und Künste, auch im Weinbau haben die Deutschen eine enorme schöpferische Kraft, die immer wieder das ­Risiko in sich birgt, bei zu viel Begeisterung und dabei entstehender Sentimentalität das Fundament und die Essenz der Tradition zu gefährden. Mündet sie aber in die Akzeptanz des Eigenen, wird es still; dann kann sie sich einer Zukunft öffnen, in der substan­tiell ­Neues und Bemerkens­wertes entstehen mag. Dass die Spätburgunder von der Ahr im eigenen Land bis heute nicht genug ge­würdigt werden, hat auch mit einer Art Selbsthass zu tun, der nicht zuletzt aus Überheblichkeit und ­Ignoranz entsteht – als seien wir uns selber fremd. Doch der Spät­ burgunder vom Schiefer­boden der Ahr gehört nicht nur zu uns, er ist auch ein würdiger Bote unserer K ­ ultur. Denn dieser Wein entfaltet nicht nur einen sehr eigenen und ­tiefen Geschmack – er repräsentiert auch den deutschen Rotwein an der Spitze der großen Weine Westeuropas.  >

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Wolfgang Hehle vom Weingut Deutzerhof mit einer 1997er Altenahrer Eck Spätburgunder Auslese trocken


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Fine Tasting

Till Ehrlich verkostet die Besten aus zehn Jahrgängen Spätburgunder von der Ahr 2009 Ahrweiler Silberberg Spätburgunder Grosses Gewächs, Weingut H. J. Kreuzberg (Fassprobe) 93P

2007 Heimersheimer Burggarten Spätburgunder B-52 Grosses Gewächs, Weingut Thomas Nelles 94 P

Dunkles Rubinrot. Noch ziemlich verschlossener Duft mit beerigen Tönen und einem Hauch Würze. Im Mund schon immense Frucht, die Tiefe besitzt und sehr komplex angelegt ist. Auch die vitale Frische ist bemerkenswert. Ein sehr dicht gewobener Spätburgunder in noch embryonalem Zustand, mit Potential.

Dunkles Rubinrot. Intensive, mineralische Nase, noch weitgehend verschlossen, aber mit reicher, komplexer S ­ truktur. Im Mund lebendige Saftigkeit und gute Frucht. Feinheit und Spannung als Potential. Langes Finale.

2009 Dernauer Pfarrwingert Spätburgunder, Weingut Meyer-Näkel (Fassprobe) 94 P Dichtes Rubinrot. Komplexer frischer Duft, noch weitgehend verschlossen, doch die intensiven Beerenaromen bezeugen das Potential schon deutlich. Am Gaumen dichte und tiefgründige Textur mit ausladender Frucht, ­vitaler ­Frische und erstaunlicher Kraft und Feinheit. Großes Potential. 2009 Recher Herrenberg Spätburgunder Grosses Gewächs, Weingut Jean Stodden (Fassprobe)

93 P

Glänzendes Rubinrot. Im Duft deutet sich kraftvoll der künftige Fruchtkomplex an. Auch am Gaumen ist die gewaltige Beerenfruchtfülle schon spürbar, was ihm Potential verleiht. 2008 Dernauer Pfarrwingert Spätburgunder Grosses Gewächs, Weingut Meyer-Näkel 94 P Intensives, durchscheinendes Rubinrot. Reiches, duftiges Bouquet: sehr subtil und verführerisch. Am Gaumen ausgesprochen saftig mit Dichte und Spannung. Noch relativ verschlossen, aber ansprechend, was sich besonders im langen Abgang zeigt. Ein Wein mit echter Delikatesse, noch sehr jung und mit einem geheimnisvollen Duft. 2008 Recher Herrenberg Spätburgunder Grosses Gewächs, Weingut Jean Stodden

93 P

Durchscheinendes Rubinrot mit schönen Reflexen. In der Nase intensive, fein gewobene Frucht mit Anklängen sonnenreifer Beeren. Im Mund macht sich köstliche Fruchtaromatik bemerkbar: ein festes Zentrum, das von echter Substanz zeugt. Beeindruckend auch die Balance aus delikater Frische und Dichte, die im Finale etwas gezügelt wirkt, sich aber noch öffnen wird. 2007 Walporzheimer Gärkammer Grosses Gewächs, Weingut J. J. Adeneuer 93 P Transparentes Granatrot. Frisches Bouquet mit einem Hauch Paprika. Am Gaumen steht die gut proportionierte Frucht im Mittelpunkt: dicht und finessenreich zugleich. Im langen Finale dann deutlich vitale Frische und köstliche Extraktsüße. 2007 Ahrweiler Silberberg Spätburgunder Grosses Gewächs, Weingut H. J. Kreuzberg 93 P Dunkles Granatrot. Reife Nase mit feinen Konturen und pflaumigen Fruchtnoten. Im Mund fest und druckvoll. Die Frucht öffnet sich und entwickelt eine beeindruckende Präsenz, die den langen Abgang prägt. Kraftvoll und elegant, mit Potential. 2007 Dernauer Pfarrwingert Spätburgunder Grosses Gewächs, Weingut Meyer-Näkel 95 P Dunkles Rubinrot. Reiches Bouquet mit Fruchtaromen, die sich durch Feinheit und Intensität auszeichnen. Am ­Gaumen ausgesprochen elegante, dichte Textur, die zunächst kühl und verhalten wirkt, dann eine große Geschmacks­ intensität freisetzt. Subtilität und Konzentration werden besonders im intensiven Finale deutlich. Ein noch verschlossener Spätburgunder mit großem Potential. 32

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2006 Walporzheimer Gärkammer Grosses Gewächs, Weingut J. J. Adeneuer 93 P Dunkles Granatrot. Verhaltenes Bouquet mit feinem Aromen­spiel, das an Cassis und Wildkräuter denken lässt. Am Gaumen beindruckt die filigrane Frucht mit zarten Aromen, die sich im Finale zu druckvollem Geschmackserlebnis steigert mit delikater, süßer Fruchtnote im Zentrum. 2006 Dernauer Pfarrwingert Spätburgunder Grosses Gewächs, Weingut Meyer-Näkel 97 P Transparentes Spinellrot. Reiches Bouquet mit raffinierter Aromatik. Am Gaumen zunächst kühl und verhalten, dann öffnet sich ein Füllhorn von Aromen mit Frische, Tanninen und intensiver Frucht, mit immer wieder neuen geschmacklichen Nuancen. So auch im langen Finale mit deutlicher süßer Frucht im Zentrum. Ein stilistisch eigenständiger Spätburgunder mit Zukunft. 2006 Recher Herrenberg Spätburgunder Auslese, Weingut Jean Stodden

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Fast opakes Rubinrot. Komplexes Bouquet mit schöner Pinot-Nase, pflaumiger Frucht und herben Noten. Am Gaumen köstliche Saftigkeit und facettenreiche Aromatik. Die lebhafte Frische verleiht der intensiven Frucht Leichtigkeit und Delikatesse – auch im langen, fruchtbetonten Finish. 2004 Walporzheimer Gärkammer Grosses Gewächs, Weingut J. J. Adeneuer 94 P Granatrot. Nuancenreiches Bouquet. Auch am Gaumen ausdrucksstark und stimmig mit dichter attraktiver Frucht, schöner Frische und Länge. Ein Wein, der Eleganz mit Intensität verbindet. 2004 Dernauer Pfarrwingert Spätburgunder Grosses Gewächs, Weingut Meyer-Näkel 93 P Dunkles Granatrot. Intensives und frisches Bouquet mit vielschichtigen Fruchtaromen und mineralischen Noten. Am Gaumen lebendige Säure und dicht gewobene Frucht, die im Finale einen köstlichen Ton zurücklässt. Ein leichtfüßiger Wein mit Finesse und überzeugender Balance. 2003 Ahrweiler Rosenthal Spätburgunder Grosses Gewächs, Weingut J. J. Adeneuer 93 P Dunkles Granatrot. Feingliedriger, intensiver Duft mit rauchigen und würzigen Noten. Am Gaumen delikater Geschmack mit lebhafter Frucht und seidigen Tanninen. Sehr gutes Finale mit schönem Nachklang. 2003 Ahrweiler Silberberg Spätburgunder Auslese, Weingut H. J. Kreuzberg 94 P Dunkles Granatrot. Reiches, reifes Bouquet mit schöner Pinot-Nase. Im Mund sofort geschmackliche Intensität, mit ausladender Frucht und dennoch kühl und frisch. Auch im Nachklang harmonisch und lebendig. Ausgezeichnete Länge. 2001 Heimersheimer Burggarten Spätburgunder B-59, Weingut Thomas Nelles 96 P Dunkles Granatrot, im Duft köstliches Pinot-Parfüm mit würziger und vielschichtiger Struktur. Am Gaumen intensiv mit der raffinierten Frucht im Zentrum, die, süß, warm und großzügig, von feingliedriger Frische und seidigen Tanninen geformt wird. Auch im Finale dicht und tief. Ausgezeichnete Länge. Hat immer noch Potential.

2001 Recher Herrenberg Spätburgunder Auslese, Weingut Jean Stodden

95 P

Granatrot. Edles Bouquet mit herbem, verheißungsvollem Duft. Am Gaumen weich und tief mit großzügiger Frucht, seidigen Tanninen und vitaler Frische. Intensives Finale mit ausgezeichneter Länge. 1999 Altenahrer Eck Spätburgunder, Weingut Deutzerhof

93 P

Dunkles, gleichmäßiges Rubinrot. Würziger, großzügiger Duft nach sonnengreiften Beerenfrüchten. Am Gaumen schön gereifte, fast schokoladige Tannine. Die Frucht ist weit geöffnet und wird von einer eleganten Säure belebt. Intensives Finale und langer Nachhall. 1999 Walporzheimer Kräuterberg Spät- burgunder Auslese, Weingut Meyer-Näkel 94 P Opakes Granatrot. Reifes, fein nuanciertes Bouquet mit Gewürzen und sonnengreiften Beeren. Am Gaumen entfalten sich die reichen Aromen großzügig. Hat Biss und Festigkeit, Frische und Finesse. 1999 Heimersheimer Burggarten Spätburgunder B-52, Weingut Thomas Nelles 95 P Rubinrot mit feinen Reflexen. Im Duft Kräuter, etwas Leder und schöne Frucht- und Röstnoten. Am Gaumen herrliche Extraktsüße und belebende Saftigkeit. Auch im Finale dominiert die vitale Frucht. Feinstrukturiert, intensiv, noch immer mit Potential. 1999 Recher Herrenberg Spätburgunder Auslese, Weingut Jean Stodden

96 P

Dichtes Granatrot. Reiches, intensives Bouquet mit komplexer Fruchtaromatik. Am Gaumen raffinierte Fruchtaromen und seidige Tannine. Geschmackliche Präsenz mit Spiel und Finesse. Auch im Finale beeindruckend lebendig. Lang. 1997 Altenahrer Eck Spätburgunder, Weingut Deutzerhof

93 P

Transparentes Granatrot. Attraktive Nase mit Aromen von Wildkräutern und reifen Beeren. Am Gaumen elegant und feingliedrig. Seidige, schokoladige Tannine und eine dichtgewobene Frucht erzeugen Spannung. Schöner Nachklang. 1997 Devonschiefer Spätburgunder Goldkapsel, Weingut H. J. Kreuzberg

95 P

Rubinrot. Sehr ansprechende Nase, frisch und reif zugleich. Im Mund elegante Textur mit fast jugendlicher Frische. Seidige Tannine und die dicht gebaute Frucht bilden das Zentrum. Auch im Finish erstaunlich frisch und intensiv. Langer Nachklang. 1997 Dernauer Pfarrwingert Spätburgunder, Weingut Meyer-Näkel 97 P Durchscheinendes, tiefes Granatrot. Reiches, intensives Bouquet mit feinsten Fruchtaromen. Am Gaumen weich und reif, fest und vital. Die kühl und warm zugleich wirkende Textur baut Spannung auf. Intensives Finale mit großer Länge. Perfekt gereift, hat immer noch Potential und Zukunft. 1997 Heimersheimer Burggarten Spätburgunder B-52, Weingut Thomas Nelles 96 P Granatrot, in der Mitte dunkel, am Rand transparent. Fruchtintensives Bouquet, warm und offen. Im Mund sehr saftig und dicht durch das intensive Spiel von Frucht und Frische. Im Finale etwas adstringierend, was der Frucht aber Spannung verleiht. Langer Nachhall. Immer noch Potential. Die vollständigen und ausführlichen Verkostungsnotizen finden Sie in Fine Das Weinmagazin 1/2011.


Text: T.E./C.H. Foto: Guido Bittner

ZALTO: SINN UND SINNLICHKEIT J

edem Wein sein eigenes Glas? Diese Meinung, die seit langem in der internationalen Weinwelt galt, hat Zalto mit seiner Serie Denk’Art revolutioniert. 2006 hat das im österreichischen Waldviertel seit sechs Generationen ansässige Familienunter­nehmen dieses Glas auf den Markt gebracht und überzeugt damit seither Weinliebhaber wie Gastro­nomen. Drei Faktoren bestimmen seine Andersartigkeit: die Form und das Material, aus dem sie gemacht sind, und – dies vor allem – der scheinbare Widerspruch zwischen beiden. Es erinnert an die avantgardistische Glasgestaltung, an die geometrischen Kelch­gläser des Jugendstils und des Art déco. Die komponierten Winkel und fein abgestimmten Proportionen ­zeigen, dass hier das Design den alten Gedanken aufnimmt, Flüssiges mit der Idee des Ideal­körpers in Verbindung zu bringen. Mit ­seinem schlanken, hohen Stiel und der eigenwilligen eckig-runden Gestalt des

­ elches suggeriert das Glas f­ragile Eleganz – und K ist dabei doch so robust, dass es sogar für die Spül­ maschine taugt. Das erreicht Zalto durch die Verwendung eines weichen Kristallglases, das kein Bleioxyd enthält. Die Produkt­palette umfasst g ­ erade mal sechs verschiedene ­Objekte: neben dem so genannten Universal-Glas je eines für Burgunder, für ­Bordeaux, für Weißwein, Süßwein und ­Champagner. Außerdem werden entsprechende Karaffen und Dekanter sowie D ­ igestif-, Bier- und Wassergläser angeboten. Der Vater dieses Glases ist ein Weinliebhaber: ­ ohannes Denk, Pfarrer im Waldviertel und Kenner J des Wachauer Weinbaus, hat es zusammen mit dem Glasmacher Kurt Zalto entwickelt. Denk hat dabei seinen Weinverstand und seine langjährige Erfahrung mit guten Weinen eingebracht. So kam es zu

der glücklichen Fügung, dass ein Weinglas nicht – wie so oft – vom Marketing, sondern vom Wein her gedacht und verwirklicht wurde. Es ist das Weinglas eines Weinliebhabers für Weinliebhaber. Und es ist ein Glas der Winzer geworden, in wenigen Jahren hat es sich unter den Spitzenwinzern durchgesetzt; das Gros der österreichischen und italienischen Winzer­elite präsentiert inzwischen seine Gewächse in ­diesen Gläsern. Auch FINE Das Weinmagazin verkostet seine Weine aus Gläsern von Zalto. Warum? Stuart Pigott, FINEAutor und Weinliebhaber wie -kenner, ist überzeugt: »Dieses Glas macht das Beste aus dem Wein.« In ­seiner federleichten Anmutung liegt Magie. Es hat ein Geheimnis: »Wir wissen nicht, welches. Aber es ist ganz einfach: Es wirkt. Wir haben es schließlich tausendfach ausprobiert.« >

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Riese unter Zwergen Gourmondo beweist, dass es auch in Deutschland möglich ist, frische Lebensmittel, Wein und Champagner über das Internet zu verkaufen Text: Michael Freitag Fotos: Guido Bittner

Weinverkauf online? Der Aufbau von Websites und die Anpassung von Geschäftsprozessen verlangen von den Händlern große Investitionen. Der Ertrag muss mit der Lupe gesucht werden. »Trotz hohen Aufwands für Website und Webshop verkaufe ich so, wie ich immer verkauft habe«, bekennt Peter ­Clüsserath, ein kleiner, feiner Spezialist für italienische Weine: »nämlich am Telefon.« An der Größe liegt es nicht: Hawesko, Marktführer im Versand­ handel, hat bislang im Internet auch nicht mehr Glück. Dabei läuft der Weinverkauf im Internet sogar noch gut, verglichen mit dem Online-Lebensmittelhandel. Der fand bisher in Deutschland so gut wie gar nicht statt. Noch nicht einmal Amazon schaffte es: Auf eigene Rechnung bietet der E-Commerce-Riese nur Trockenware in g ­ roßen Verpackungseinheiten an, frische Ware können Kunden bei Händlern bestellen, die ihre Waren über Amazon feilbieten. In unterschiedlicher Qualität, mit manchmal schwer durchschaubaren Lieferketten, jeder mit eigenen Versandkosten. Da wundert es nicht, dass dieses Angebot von den Kunden nicht mit größerer Begeisterung angenommen wird. Zu diesen Amazon-Partnern gehört auch gourmondo.de, ein Unternehmen mit Sitz in München, aber das kann den Kunden egal sein, wichtig ist allein die Internet-­Adresse. Gourmondos Umsatz über die Amazon-Web­site ist nicht der Rede wert. Damit will sich die Geschäfts­führung nicht abfinden. »Deutschland ist auch auf dem Feld des Lebensmittel-Online-Handels ein Sonderfall«, sagt Geschäftsführer Pascal Zier. Etwas weniger als 0,1 Prozent der Umsätze im Lebensmittelhandel werden über das Internet getätigt. Das will er ändern, und um sich Mut zu machen, schaut er über die Landesgrenzen hinaus. In Großbritannien und der Schweiz ist die Situation ­völlig anders. Tesco, die größte Supermarktkette des Vereinigten Königreichs, setzt online im Food-Segment mehr als eine Milliarde Pfund pro Jahr um. Britische Supermärkte sind anders als die deutschen: Nicht nur sind die Preise höher, die Kunden erwarten darüber hinaus ein umfangreiches Angebot an frisch zubereiteten Gerichten. Und die eine Milliarde ist nur die Hälfte der Story. Tesco muss sich der Konkurrenz von ocado.com stellen: ein schnell wachsender Anbieter, der nur im Internet präsent ist (clicks only, no bricks) und im vergangenen Jahr ähnlich

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viel verkaufte wie Tesco. In der Schweiz gibt es leshop.ch, eine Migros-Tochter, die immerhin 100 ­Millionen Euro pro Jahr umsetzt – weit mehr als alle deutschen InternetAnbieter zusammen. Auch in Deutschland ist das Bedürfnis anspruchsvoller Kunden für jeden wachen Beobachter der Szene deutlich vernehmbar. Nicht alle, die nach guter Qualität ­lechzen, wohnen in Großstädten, wo sie mit bestem Fleisch, Käse und Gemüse – zumindest theoretisch – gut versorgt sind. Wer auf dem Land wohnt, muss weit fahren. Und selbst in Hamburg, Köln, Berlin und Frankfurt sitzt der Frust tief über den »Metzger des Vertrauens«, der dieses gelegentlich verletzt. All das sind gute Gründe dafür, dass zwanzig Jahre, nachdem der Physiker und Informatiker Tim Berners-­Lee das Internet der Öffentlichkeit vorgestellt hat, der Online-Lebensmittelhandel auch hierzulande auf die Beine kommt. Deutschland ist konservativ: Hier hat man ja sogar noch gedruckte Tageszeitungen und CDs, die sich in den angelsächsischen Ländern auf dem schnellen Weg ins Vergehen und Vergessen befinden. Dazu passt, dass man Rohmilch-Käse, Wagyu-Filet und Krug Grande Cuvée im Feinkostladen kauft und anschließend, während des Frühschoppens, im sommer­ lich heißen Koffer­raum dem Verderben nahebringt. Das Problem entfällt beim Online-Kauf. Denn die Lösung hat der Verkäufer: Gourmondo verwendet für empfind­ liche Fleischsorten Kühlverpackungen, die die Temperatur noch achtundvierzig Stunden nach Auslieferung bei weniger als vier Grad Celsius halten. Käse und a ­ ndere Milchprodukte, Wurst und frische Suppen werden in so genannten Thermoinlays verschickt. Pascal Zier: »Das sind aluminiumbeschichtete Luftpolsterfolien mit eingearbeiteten Kühlpads. Sie halten diese Lebensmittel sechsunddreißig Stunden lang bei vier bis acht Grad.« Dass das

keine Riesensummen, aber pro Lieferung zwei bis fünf Euro kosten muss, versteht jeder Kunde. Auslieferung – perfekte Logistik ist eine wesentliche Voraussetzung für dieses Geschäftsfeld. Gourmondo hat nach holprigen Anfangsjahren, als das Unternehmen noch komplett in München residierte, vor zwei J ­ ahren das Lager nach Kassel verlegt – ein idealer Standort in der geographischen Mitte, um alle Ziele in Deutschland annähernd gleich gut bedienen zu können. Und: Das Lager liegt quasi in Rufweite eines der größten Verteilzentren der DHL. Dieser Vertriebspartner garantiert, dass normaler­weise jedes Paket am nächsten Tag den ­Empfänger erreicht. Bei Frischprodukten ist laut Zier ­diese Liefer-Zuverlässigkeit das »Killer-Kriterium«. Das zu erkennen, war nicht schwer – es umzusetzen dagegen sehr. Das Unternehmen ist 2002 von drei ­jungen Managern gegründet worden, die bei Amazon schon Erfahrungen im E-Commerce gesammelt hatten. Aber wie das mit Start-ups so gehen kann: Einer der Gründer hatte bald keine Lust mehr, den zweiten zog es nach New York, und der dritte schaffte es allein nicht, die Ansprüche seiner Wagniskapitalgeber zu befriedigen. 2008 wurde deshalb die Geschäftsführung ausgewechselt und eine andere Finanzierung vorgenommen. Die neuen Manager hatten, kein Zufall, ihre Sporen ebenfalls bei Amazon verdient. Pascal Zier und seine Mitstreiter mussten in kurzer Zeit das Geschäftsmodell überarbeiten. Nach der Ver­ legung des Lagers war eine »behutsame« (Zier) Erneuerung des Sortiments die wichtigste Aufgabe: »Regionalität und Bio-Megatrends, auf die wir uns besser einstellen mussten.« Das Bio-Sortiment reicht heute von Wein über Nudeln, Saucen, Essig und Öl, Erfrischungsgetränke bis hin zu Käse und Joghurt.


Noble Champagner, feinstes Fleisch, edlen Käse und vieles mehr holt sich der weltläufige Genießer heute per Mausklick ins Haus. ­ ourmondo-­Chef fürchtet nichts so sehr wie einen neuG gierigen potentiellen Kunden, der die Lust verliert und weiterwandert, weil die Website zu langsam reagiert und womöglich auch noch regelmäßig abstürzt. Doch das scheint kein Problem zu sein. Die neue Web­ site und die Technologie, die sich dahinter verbirgt, ist so gut, dass Gourmondo sie anderen Unternehmen in Lizenz anbietet. Tegut hat davon schon Gebrauch gemacht, mit einem Sortiment, das dem Gourmondos zum Verwechseln ähnlich sieht; offenbar, um zunächst einmal zu testen, welches Potential die Marke Tegut im Internet entfaltet. Das war 2009. Im Jahr darauf kam der neue Web-Auftritt. Die Website kostete viel Geld und noch mehr analytisches, konzeptionelles Denken. »Unser Ziel war es«, so Zier, »einen virtuellen Einkaufswagen bereitzustellen. Man soll sich sozusagen von einem Gang zum anderen schnell bewegen können, rechts und links Waren in den Wagen packen können, genauso schnell, wie man das in einem Supermarkt tun könnte.« Schnelligkeit: Der

Gourmondos Umsatzzuwachs von 2010 auf 2011 liegt bei gut fünfzig Prozent, die anvisierte Gesamtsumme wird 8 Millionen Euro betragen. Im nächsten Jahr müssen 12 Millionen erreicht werden, das sehen die Vereinbarungen mit den Geldgebern (Private-Equity-Fonds) vor. Wie ­viele Kunden hinter diesem Umsatz stehen, gibt Gourmondo nicht bekannt.

Wem diese Zahlen klein vorkommen, der hat Recht. Auch Pascal Zier hat weit Größeres vor. Und er verweist d ­ arauf, dass Gourmondo dennoch mit weitem Abstand ­größter Lebensmittel-Onlinehändler Deutschlands ist. Wer ihm nicht glauben mag, kann diese Behauptung leicht überprüfen. Der Dienstleister alexa.com beobachtet den so genannten Trafic, den eine Website erzielt. Ein Computer­ programm zählt die Besucher und die ­Seiten, die angeklickt werden. Das erklärt beispiels­weise die Beliebtheit von Frage­bögen und Bildergalerien im ­Internet, die jeweils eine Vielzahl von Clicks erfordern. ­Gourmondo macht k ­ einen solchen Unfug und liegt in der ­Liste der deutschen Websites, gemessen am T ­ raffic, auf Platz 1998 (Stand September). Zum Vergleich: Platz 1 belegt google.de, spiegel.de liegt auf 8, bild.de auf 10, sued­deutsche.de auf 41, faz.net auf Platz 84. Mit solchen ­Größen kann man natürlich nicht mit­halten. Die Konkurrenz im gehobenen Lebensmittelbereich sieht so aus: Feinkost Käfer liegt auf Platz 9689, Dallmayr auf 28 723. Einige bekannte Wein­händler zum Vergleich: H ­ einer Lobenbergs gute-weine.de aus Bremen kommt auf Platz 82 590, Martin Kösslers weinhalle.de in Nürnberg auf 92 344 und selbst hawesko.de schafft nur Platz 8622. Dagegen ist Gourmondo ein Riese. Geschäftsführer Pascal Zier beschreibt den typischen Kunden so: »Zuerst bestellt er Wein und Konserven. Wenn das geklappt hat, wagt er sich an hand­gemachte frische Nudeln. Und erst danach traut er uns zu, empfindliche Kühlprodukte, Käse und Fleisch zu liefern. So ist das: Vertrauen muss sich auch und gerade ein FeinkostLieferant erst erarbeiten.« Ein besonderes Steckenpferd der Gourmondo-Manager ist der Champagner. Sie ­wissen, dass sie die bekannten Marken zu günstigen ­Preisen ­führen ­müssen. Ohne die Grandes Maisons wäre es mit der Glaubwürdigkeit nicht weit her. Darüber hinaus leistet sich das Feinkosthaus gourmondo.de viele seltene, weil limitierte Serien von Dom Pérignon, Prestige-Cuvées von Ruinart, Pol Roger, Laurent Perrier und Bollinger neben einigen Exoten, deren Zahl in Zukunft noch steigen soll. Pascal Zier und seine Co-Manager bereiten sich auf den Tag vor, da Online-Feinkost in Deutschland den Durchbruch schafft. Es könnte auch der Fall eintreten, dass ein Schwergewicht wie Amazon Lust bekäme, den virtuellen Feinkostladen gourmondo.de komplett zu übernehmen – vielleicht ein Grund für Management und Geldgeber, die Korken knallen zu lassen? >

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Auch fünf Jahre nach seinem Tod lebt die Legende Henri Jayer aus Vosne-Romanée ­weiter fort, nicht nur an der Côte d’Or in Burgund, sondern auch in den Herzen und den ­Weinen vieler anderer Pinot-Noir-Erzeuger. Fine Das Weinmagazin lud zu einer Probe von zweiundzwanzig Rotweinen des grossen Weinmachers aus den Jahren 1976 bis 1996.

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JAYER:  SO EINFACH, Text: Stephan Reinhardt

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ersönlich habe ich Henri Jayer, eine der bedeutendsten Winzerpersönlichkeiten Burgunds in der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hunderts, nicht gekannt. Er ging 1988 in Rente, als ich mich für Wein zu interessieren begann, und er starb 2006, als ich auf einer Recherche für ­Stuart Pigotts Buch »Wein spricht deutsch« durchs Burgenland und nicht durch Burgund reiste. Ich bin kein Experte für ­Burgunder, aber die ­Weine der Côte d’Or faszinieren mich wie kaum ein anderer Wein sonst. Auch Jayer ist daran schuld. Obgleich ich doch bis zur großen Fine-Probe nur drei ­Weine von ihm – zwei Echézeaux und einen Cros Parantoux – getrunken hatte. Aber ich habe über J­ ayer ­gelesen, Freunde, ­Kollegen und ­Winzer von ihm und ­seinen Weinen schwärmen hören, wenn es um wegweisende Burgunder ging. Sein Stern l­euchtet also noch immer. R ­ ichtig auseinandergesetzt allerdings hatte ich mich mit ­Henri ­Jayer bislang nie, auch nicht mit seinen ­Weinen, an die zu kommen nicht nur sehr schwierig, s­ ondern auch empfindlich ­teuer ist. Einige hundert Euro muss man in jedem Fall berappen, für die großen Crus sogar weit über tausend. Die Einladung, für Fine eine große Jayer-Probe kommentieren zu dürfen, konnte ich nicht ausschlagen. Denn ob sich mir eine solche Gelegenheit im Leben noch einmal böte, ist zumindest ungewiss. ­Jayers Weine sind längst Geschichte. Wer ihrer aber habhaft wird, sollte darum in die Historie eintauchen, denn ohne Analytik denkt es sich dümmer – oder anders: man verschenkt Dimensionen des G ­ enusses, wenn man sich J­ ayers Weinen nur als Hedonist nähert.

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CE Hannover-Karlsruhe, 20. Juni. Ich will ausgeruht und vorbereitet in die für vier Uhr nachmittags angesetzte Probe in Sackmanns Schlossberg-Restaurant in BaiersbronnSchwarzen­berg gehen, und so nehme ich m ­ orgens um halb zehn im Zug Platz. In meine iPad-­Bibliothek habe ich geladen, was ich an Literatur zu Jayer finden konnte: Remington Norman, Clive Coates, Jacky Rigaux. Ich lese, dass der vor fünf Jahren vierundachtzig­jährig verstorbene Winzer als Legende der Côte d’Or bezeichnet wird, als Guru und Pate einer neuen, jungen Winzergeneration, und dass er jener Mann war, ohne den sich das heutige Burgund nicht denken lässt (Coates, 1997), denn, so jetzt Norman (1996): »Wenn es einen Mann gibt, der auf die Einstellung und das Sachkönnen der jungen Winzergeneration großen Einfluss ausübt, dann Henri Jayer.« Der habe es verstanden, aus Weintrauben mit einfachsten Mitteln wahre »Wunder« zu »zaubern« – vom »vorbildlichen« Bourgogne rouge bis hin zum »pracht­vollen« Cros Parantoux und zum »gebieterischen« Echézeaux. nzwischen, fünfzehn Jahre nach diesen Ein­schätzungen, sind es mehrere Winzergenera­tionen, die sich auf Henri Jayer berufen, die sich ihn und seine während fünfundvierzig und mehr ­Jahren erzeugten Weine zumindest zum Vorbild nehmen. Und diese Winzer füllen ihre ­Weine auch längst nicht mehr nur an der Côte d’Or ab. Sondern, um nur einige

© StockFood.com / Cephas, Mick Rock

A N N Ä H E RU NG A N EI N E N M Y T HO S

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Le style Jayer

N Beispiele zu nennen, auch in Kallstadt (Bernd P ­ hilippi, der gerade sechzig Jahre alt geworden ist), in D ­ ernau an der Ahr (Werner Näkel, der übernächstes Jahr sechzig wird), im churfränkischen Bürgstadt (Paul Fürst, der irgendwann sicher auch mal sechzig wird), ja sogar am Douro in Portugal (Dirk Niepoort, der noch lange keine fünfzig ist) und nun auch in Deides­heim, wo sich der vierzig­jährige S ­ tephan ­Attmann vom Weingut von Winning ebenso auf Jayer bezieht wie das noch jüngere Duo Enderle & Moll im badischen Münchweier, das mit einfachsten Mitteln, aber alten Reben und viel Fleiß und Mut kraftvolle, ­fleischige und markante Pinots wie aus einer vergangenen Zeit erzeugt.

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ach den Vorstellungen Henri Jayers soll Wein vor allem Genuss bereiten, daher muss der Winzer ein vollkommenes Gleich­gewicht anstreben – im Weinberg wie im Wein selbst. Erstklassige Fruchtqualität stand daher im Fokus seiner Arbeit. Die Traube musste reif, gesund und konzentriert sein und durfte weder zu früh noch zu spät gelesen werden. Ertragsregulierende Maßnahmen, wie etwa Behangausdünnung, und eine selektive Handlese waren für ihn selbstverständlich. Die ideale Frucht kam für Jayer von alten, nicht geklonten Reben und bestand aus einem Drittel Feststoffen und zwei Dritteln Fruchtsaft, während die Pinot-Klone mit einem Verhältnis von einem Viertel zu drei Vierteln w ­ eniger tannin­reiche und weniger balancierte Weine lieferten. Jayer muss extrem penibel gewesen sein, im Keller, aber auch im Weinberg. Eine Pinot-Beere dürfe ein Gramm wiegen, eine ­ganze Traube einhundertfünfundzwanzig Gramm, mehr nicht. Die Trauben ­wurden entrappt und vor Gär­beginn für fünf bis sieben Tage bei etwa fünfzehn Grad C ­ elsius kalt mazeriert, ohne dass in ­dieser Zeit schon erste Extraktionsmaßnahmen ergriffen worden wären. Erst mit Einsetzen der Gärung (ausschließlich dank natürlicher Hefen) folgten unterstützend zwei bis drei Remontagen pro Tag. Wenn die Gärung voll im Gang und die eventuell erforderliche Chaptalisation durchgeführt war, wurde die Remontage durch Pigeage ersetzt.

enri Jayer kam 1922 als jüngster von drei Brüdern zur Welt. Zwar besaß die ­Familie etwa drei ­Hektar Weinberge, unter anderem in Echézeaux und Vosne-Romanée, aber der Vater, Eugène ­Jayer, war eigentlich kein ­Vigneron. ­Henris ­Bruder Georges war Förster, Lucien, der andere Bruder, kümmerte sich um die Familien­wein­gärten. 1942 bot Etienne ­Camuzet, der Gründungsvater der heutigen Domaine Méo-­Camuzet, dem zwanzigjährigen Henri an, einen großen Teil ­seiner Reben auf Métayage-Basis zu ­pflegen. Ein Zufall. Jayer ­willigte ein. Nun konnte er die in Grundsatz von Jayer war, dass man den Wein »nicht Weinberge nach seinen Vorstellungen kulti­vieren und eine in Watte« packen solle. Die Weichheit, KonzentraHälfte der Ernte für sich behalten, während er die a­ ndere tion und Fülle heutiger moderner Weine hat mit seinen an seinen Verpächter abzutreten hatte. Nach s­ einer Rück- nichts mehr zu tun. Auf Kunstgriffe wie die Saignée hat Jayer kehr aus dem Krieg pachtete auch Lucien Jayer einige Wein- immer verzichtet. Dem Wein dürfe weder etwas zugesetzt berge, und so wurde eine kleine Garage in Vosne-Romanée noch weggenommen werden, was von Natur aus da oder zur Lebensgrundlage der ­Familie Jayer. Lucien kümmerte eben nicht da sei. Nach fünfzehn bis zwanzig Tagen Gärung sich wieder um die Weinberge, und Henri verarbeitete (»so lange, bis der Trauben­hut untergeht«) in Zement­ die Trauben, ebenso die seines ­Bruder ­Georges. Ende der tanks (in denen die Gärtemperatur 34 Grad Celsius nicht vierziger Jahre bepflanzte ­Henri den neben ­seinem Haus überschritt) folgte der natürliche biologische Säure­abbau liegen­den einen ­Hektar großen ­Premier Cru Cros Paran- sowie – nach Beimischen des Pressweins – der achtzehn­ toux neu. Siebzig ­Prozent der Fläche ­wurden sein Eigen- monatige Ausbau in neuen kleinen Eichenholzfässern (der tum, der Rest blieb bei Etienne ­Camuzet. Dreißig, vierzig Neuholzanteil hatte sich bei Jayer über die Jahre immer Jahre s­ päter sollte der Cros Parantoux J­ ayers berühmtester weiter erhöht, bis er prägend wurde). Nach zwei Ab­stichen Wein ­werden. In den folgenden ­Jahren vergrößerte er ­seinen wurden die Weine vom Schönungssatz (zwei Eiweiß pro Besitz, und 1959 kamen weitere Flächen der Domaine Méo-­ Fass) ohne jedwede Korrekturmaßnahmen und ohne Filtra­ Camuzet hinzu. tion direkt vom Fass abgefüllt. Inzwischen hält der ICE in Frankfurt, und ich nutze die n den ersten zwei Dekaden erzeugte J­ ayer die Weine so, Netzstärke, um Dirk Niepoort anzurufen. Er liebt Burgund wie man es damals für ge­wöhnlich machte: Ver­gärung und seine Weine, wenn auch nur die ganz traditionellen. auf den Rappen bei recht hohen Temperaturen, Ausbau Also auch Jayer. Er hat ihn, das weiß ich, gekannt und dessen in kleinen Eichenfässern, die weit seltener neu waren als Weine verehrt. »Ich habe Jayer drei bis fünf Mal besucht und ­später. Die meisten seiner Weine, wie übrigens auch die viel von ihm gelernt«, sagt er. Was zum Beispiel? »Leichtigvon Méo-Camuzet, wurden als Fassware verkauft. Im Lauf keit. Dass große Weine leicht und filigran sein können. Und der Jahre aber entwickelte Jayer ein Gefühl für die verschie- dass die Farbintensität für die Qualität des Weins eigentdenen Terroirs und begann zu experimentieren und seine lich keine Rolle spielt. Ein großer Wein darf auch hell sein.« Wein­bereitung immer weiter zu verfeinern. Auch verkaufte Ob er seine Weine ähnlich bereite wie damals Jayer, will ich er immer mehr Wein unter seinem Namen, seit 1973 auch wissen. »Ich nehme weniger neues Holz. Eigentlich mag ich in die Vereinigten Staaten, wo er Ende der siebziger Jahre es nicht, wenn Weine in zu hundert Prozent neuem Holz berühmt wurde. Bis zur Mitte ­dieses Jahrzehnts war voll ausgebaut w ­ erden, weil das die Weine zumeist verfremdet. entwickelt, was fortan als Jayer-Stil berühmt werden sollte Aber komischerweise hat mich das Holz bei Jayer nie gestört, und bis heute Anwendung findet, weit über die Grenzen ich habe es nie geschmeckt. Vielleicht, weil ich meistens Burgunds hinaus. gereifte Weine von ihm getrunken habe.

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ayer hat mir auch klargemacht, dass die moderne Önologie völlig zu unrecht davon ausgeht, dass vor allem die dicken, fetten Weine viel neues Holz brauchen. Dabei ist es genau umgekehrt. Diese Weine haben ja bereits alles, was sie brauchen, oft sogar im Übermaß. In Wirklichkeit sind es die filigranen Weine, die das neue Holz benötigen, auch der Tannine wegen, die bei Jayer ja niemals buttrig-weich

waren, sondern immer straff oder sogar spitz. Ich mag das sehr, denn das Filigrane schließt Konzentration ja nicht aus.« Er macht eine Pause und fährt dann fort: »­Jayers eigent­licher Spleen aber war nicht der K ­ eller, sondern der Weinberg, das wird oft vergessen. Hier schon war alles auf Harmonie angelegt. Er hat nicht oder kaum gedüngt und war auch kein Verfechter von besonders drastischer Ertragsreduzierung. Er wollte reife, konzentrierte und absolut gesunde, aber keine überreifen Trauben. Säure war ihm wichtig. Daher hat er auch kein Kupfer ausgebracht und äußerst penibel in den Reben gearbeitet. Aber er hat zum Beispiel keine T ­ rauben geteilt. Er hat lediglich aussortiert, weggeschnitten, was er nicht für gut befand. Besonders interessant aber ist, dass er jeden Weinberg, ob einfachen Bourgogne, ­Villages oder Cru, gleich behandelt hat – draußen, aber auch im Keller. Die Unterschiede in seinen Weinen entsprachen daher allein den Unterschieden im Terroir. Er hat sie nicht manipuliert, sondern eigentlich der Natur ihren Lauf gelassen. Dabei war die Qualität aller seiner Weine immer sehr hoch, nur die Tiefe war eben unterschiedlich. Das hat mich fasziniert.«

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annheim. Ich nehme Jacky Rigaux’ »Ode aux Grands Vins de Bourgogne« zur Hand, die nichts anderes ist als eine lebendige Darstellung der Philosophie Henri ­Jayers und voll ist mit dessen Originalaussagen. Wenn man den ­Vigneron darin so sprechen hört, dann kommen einem seine Ausführungen zu Weinkultur, Weinbereitung, Rebpflege, Terroir und zur Bedeutung des Jahrgangs alle sehr vertraut vor, weil viele längst Allgemeingut geworden sind, damals aber, zumal in Burgund, revolutionär waren: »La nature est mon guide«; »Le vin n’a jamais été pour moi une affaire ­commerciale«, »Le vin, c’est l’aventure dans la bouteille«, »Le vigneron est là pour ­enfanter des vins de ­plaisir. Jamais il ne devra laisser dominer l’oenologue«; der Qualitäts­begriff sei untrennbar mit dem Respekt für die Rebe verbunden; die Qualität eines Weines werde allein im Weinberg angelegt; die Rebe müsse leiden und dürfe nicht überversorgt werden; der Boden müsse lebendig gehalten werden; ein exzellenter Weinmacher, der nicht auf die Eigenarten des Jahrgangs eingeht, mache einen technisch guten, aber seelen­losen Standard­wein ohne Typizität.

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arlsruhe. Ich steige in die Straßenbahn Richtung Baiersbronn um, die hier S-Bahn heißt, und finde mich nach etwa fünfunddreißig J­ ahren erstmals wieder im Schwarzwald ein. Auch schön. Alles noch so grün wie damals. Ich checke im Hotel Sackmann ein und treffe mich mit Ralf Frenzel auf ein Glas Leitungswasser. Frenzel hatte Ende der achtziger/Anfang der neun­ziger Jahre, als er noch für die Firma Grand Cru Select ­arbeitete, versucht, Jayer für Deutschland zu listen. Von den ­Weinen des Winzers, die hier damals kaum bekannt, geschweige denn erhältlich waren, war er absolut hingerissen. Aber Jayer hatte nichts mehr zu verteilen, nicht einmal einen Platz auf der Warte­ liste. Heute also, mehr als zwanzig Jahre später, sollte der Tag der Wiedergutmachung sein.

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ier Uhr, die Probe beginnt. Sie wird verdeckt abgehalten, damit die einzelnen Jahrgänge vorurteilsfrei verkostet werden. Einige Teilnehmer protestieren – doch letztlich erfolglos. Mir ist es egal, denn besonders firm in den siebziger, achtziger und frühen neunziger Jahren bin ich nicht. Die Probe ist für mich also ohnehin ein Blindflug. Jungfräuliche Begegnungen sozusagen. Los geht’s. Sämtliche Weine – zweiundzwanzig an der Zahl, allesamt aus dem Keller eines edlen Spenders, der nicht genannt werden will – werden kurz vor der Probe dekantiert und

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in vier Flights von vier bis sechs Weinen in Burgunder­ kelche von Zalto ausgeschenkt. Auf Spuckgefäße wird verzichtet, schließlich kommt ein Jayer so schnell nicht wieder. Zudem, so Frenzel: »Wer hier spuckt, den lade ich niemals wieder ein.« Die Probe verläuft professionell und ohne Eile. Jeder ver­kostet für sich, nach jedem Flight wird aufgedeckt und debattiert. Der erste Wein – ausgerechnet der Cros ­Parantoux von Emmanuel Rouget, der auf das Konto s­ eines Onkels, des aktiven Rentners Henri Jayer, geht – enttäuscht die meisten in der Runde. Mich nicht, aber ich gebe zu, es ist ein Biest von einem Wein, zumal neben den drei Echézeaux, darunter der wundervolle 1990er. Im zweiten Flight, der den Weinen von Méo-Camuzet gewidmet ist, herrscht weitgehend Einigkeit über die große Klasse des 93er Clos de Vougeot. Auch der 96er beeindruckt. Dass die Vougeots die Richebourgs überstrahlen, ist selbst für mich überraschend. Dritter Flight: Jayers Echézeaux, aber eher sein Spätwerk. Der größte Teil wurde bereits bei seinem Neffen Rouget ausgebaut. Ich hätte mir diesen Flight früher, gleich

vor oder nach Rouget gewünscht, um die Echézeaux vergleichen zu k­ önnen. Der 95er und der 86er gefallen mir am besten, und 1991 und 1992 sollen jeweils baugleich sein mit den Echézeaux von Rouget, aber das lese ich erst auf der Rückfahrt. Wenn es denn so ist: Gemerkt hat es niemand, was man uns aber nachsehen sollte nach sechzehn getrunkenen Weinen. Vierter Flight, die ältesten Weine der Probe: Zwei ­Villages, zwei Brûlées, ein Parantoux und einer mit Kork­ geschmack. Mir gefällt der 86er Cros Parantoux am ­besten, die meisten anderen aber zeigen sich von den beiden ­Villages aus Vosne und Nuits beeindruckt. Mich faszinieren sie auch in ihrer Stilistik, aber ich finde sie dann doch deutlich weniger komplex als die Crus und denke auch nicht, dass sie unbedingt hätten sechsundzwanzig Jahre alt ­werden müssen.

S

ieben Uhr, die Probe ist beendet, wir schreiten zum köstlichen Abendessen und genießen unter anderem mit Philippis 1990er Kallstädter Saumagen Riesling Auslese RR aus der Magnum einen der überragenden Weine des Tages, wenn nicht des Jahres. Am nächsten Tag lasse ich mich nach einem kurzen, aber späten Frühstück von einem Cayenne mit zweihundert­ sechzig Sachen und fast ebenso vielen plötzlichen Brems­ manövern nach Mannheim fliegen, um mich dort wieder in mein ruhig und fast ebenso schnell rollendes ICE-Büro zu begeben. Ich wachträume allerdings bis irgendwo hinter Frankfurt, dann endlich konsultiere ich m ­ einen iPad, um bei Coates und Norman etwas über die Jahrgänge zu erfahren,

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die wir gestern getrunken haben. Na, so was, denke ich: Die Weine – bis auf 1996, 1993 und vor allem 1990 – stammten größtenteils nicht aus den exzeptionell bewerteten Jahr­ gängen, sondern aus guten, eher früher trinkreifen oder gar aus schwach einge­stuften Millésimes. Umso besser: Dem Phänomen Jayer kommt man ohnehin eher mit Weinen aus vermeintlich kleineren Jahrgängen im Glas auf die Schliche, zumal seine Rebsorte der kapriziöse Pinot Noir war.

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urz nach Celle ziehe ich mein Proben-Fazit: Auch nach all den Jahren sind die meisten Weine Jayers groß­ artige Genussweine mit fester, immer präsenter, teils auch markanter Tanninstruktur, klaren und komplexen Frucht­ aromen und einer seidig-frischen, transparent und fi ­ ligran gewirkten Textur. Sie besitzen Tiefe, Kraft und Fülle und sind Ausdruck ihrer Herkunft wie auch des jeweiligen Jahrgangs. Sicher, in k­ leineren Jahren haben sie nicht die phänomenale Konzentration und Üppigkeit der großen Millésimes und sind auch nicht fünfzig oder weit mehr Jahre lagerfähig, sondern nur zwanzig oder dreißig. Das ist aber kein Makel, sondern die Konsequenz einer Philosophie

vom Vorrang des Terroirs, das sich eben jedes Jahr anders im Wein ausdrückt – wenn es der Winzer denn zulässt und seine Arbeitsweise den jeweiligen Erfordernissen entsprechend ausrichtet. Für Jayer war die bestmögliche Weinqualität anzustreben immer wichtig – bei jedem Wein, in jedem Jahr. Aber seine oberste Instanz war nicht der Markt (oder eine hohe Bewertung in der Presse), sondern die Authentizität des Jahrgangs wie des Terroirs. An der Côte d’Or ist ­beides untrennbar miteinander verbunden, und in ­Jayers Weinen findet diese Besonderheit ihre Erfüllung. Sie sind das, was alle vermeintlich g­ roßen Weine d ­ ieser Welt sein sollen, aber viel zu selten sind: Naturschönheiten aus Menschenhand. Hannover. Ich packe meine Sachen ein und bemerke, dass mich etwas stört. Dass der Stil eines Vigneron, seine ganz persönliche Handschrift also, ausgerechnet an der Côte d’Or derart bedeutend werden konnte, obgleich doch gerade hier Lage und Terroir mitsamt den Jahrgängen eine so bedeutende Rolle spielen, irritiert mich. Es passt nicht zusammen. Oder doch? Ich steige aus dem Zug, gehe auf den gegenüberliegen Bahnteig und finde zunächst keine Lösung, sondern nur ein paar Chips im Automaten. Knabbernd und krümelnd grübele ich weiter. In meinem letzten ICE des Tages denke ich dann an jene vielen deutschen Winzer, die treudeutsch-idealisierend glauben, ein großer ­Terroir-Wein hätte »den Boden ins Glas« oder »seine Lage zum Ausdruck zu bringen«. Diese Aussagen kamen mir schon immer so banal vor wie die Frucht vieler deutscher Weine, die mir zu e­ indimensional,

zu gefällig, zu glatt und zu kommerziell gemacht sind, auch und gerade dann, wenn sie als Großes Gewächs, ob nun vom Riesling oder den Pinots, die Welt erobern sollen. Oft vermisse ich in deutschen Weinen das, was für mich einen ­großen Wein auszeichnet: einen f­ rischen, kantigen Purismus verbunden mit differenzierter Tiefe und geschmacklicher Intensität, aber auch mit Feinheit und Transparenz. Das ist das eine. Ich erwarte aber auch eine stil­sichere Arroganz gegenüber dem auf früh zugängliche Frucht und geschmeidige Fülle geeichten Markt, wenn das Gerede vom deutschen Grand Cru anschwillt. Jayers Instanz ist die Natur, Eure hingegen ist die Gefälligkeit, denke ich und meine deutsche Winzer. Ich spüre in Euren Weinen vor allem das: Ambitionen, Handwerk, Können. Aber Kunst? Philosophie? Terroir? Euren persönlichen Stil? Würde ich in einer Blindprobe, zum Beispiel der Pfälzer Großen Gewächse, jeden Wein seiner Lage, seinem Jahrgang oder gar seinem ­Winzer zuordnen? Meine Expertise würde an der Fünf-ProzentHürde scheitern, fürchte ich. Philippis Saumagen-Rieslinge habe ich immer wieder in Blindproben erkennen k­ önnen. Sie gehören für mich zu den

charaktervollsten ­Weinen Deutschlands. Auch P ­ hilippis Pinot Noir hat tiefen Ausdruck und Charakter und ein ­vitales langes Leben. Dass dieser Pfälzer Winzer einer der ­ersten in Deutschland war, die Henri Jayer entdeckt und dessen Weine auch immer wieder getrunken haben, ist für mich stimmig. Dabei weiß Philippi über Jayer, den er Ende der achtziger Jahre besuchte, gar nicht so viel zu erzählen. Dass er nett und sympathisch und sehr großzügig war, aber ansonsten nicht viel gesagt habe. Nichts zur Philosophie, nichts zu seinen Methoden im Weinberg und im Keller? »Da gab’s nicht viel zu erklären«, räusperte sich Philippi am Abend: »Die Weine waren genial – und fertig.«

S

o einfach, so stark. Ich sehe aus dem ­Fenster. Dass heute der längste Tag des Jahres ist, sieht man nicht. Es ­regnet, als wir Uelzen verlassen. U ­ elzen – hier gibt es einen Hundert­wasser-Bahnhof und eine unschuldige Sprossenzucht, aber ziemlich sicher keinen Cros Parantoux. Meine Gedanken schweifen zurück. Habe ich jetzt eigentlich eine Antwort auf die Frage, wie sich Terroir und Guru zueinander verhalten, ohne sich gegenseitig zu neutralisieren? Da taucht plötzlich der alte Henri Jayer mit seinem ­runden, freundlichen Gesicht vor m ­ einem geistigen Auge aus den Reben auf: »Wenn Sie einen Cros ­Parantoux ­trinken, ist klar, dass er entweder von mir oder von Méo-Camuzet stammt. Nehmen Sie aber einen Echézeaux, von dem es unzählige gibt: Es muss ganz unverkennbar ein Echézeaux sein. Aber mein Echézeaux muss ebenso deutlich auch ein Jayer sein.«  >


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Fine Tasting

Stephan Reinhardt verkostet

grosse Pinot Noirs von Henri Jayer Echézeaux von Henri Jayer 1995 Echézeaux Grand Cru

Premier Crus und Villages aus Vosne und Nuits von Henri Jayer 96 P

1986 Vosne-Romanée Premier Cru Cros Parantoux

94 P

Herrlich klares, glänzendes Granat. Markantes, leicht ledriges, aber faszinierend inten­ sives Bouquet: dicht, herb-würzig und kühl. Am Gaumen gleichsam fliegend: rassig, herb, straff strukturiert, mit toller Konzentration und nachhaltiger Kraft, weit mehr athletisch als opulent, zieht im noch etwas spröden Abgang super zusammen. Die aufgeraut seidige Textur wirkt ­struppig und unaufgeräumt, eher wild also, fasziniert aber im Verbund mit der vitalen, urwüchsigen Kraft gerade deshalb. Und doch hat dieser Wein auch Finesse und etwas faszinierend Filigranes. Langer Nachhall eines g­ roßen Echézeaux. Trinken bis 2030

Granatrot mit der Leuchtkraft des Rubins. Kakao- und Tabaknoten im herb-würzigen, aber auch fruchtintensiven Bouquet. Seidig-sanfte Textur mit sehr feiner Säurefrische, fester Struktur und sehr gutem Nachhall. Wirkt in ­seiner lebendigen Finesse und Eleganz fast schon rieslingartig, allerdings wie ein ziemlich athletischer Typ Riesling. Eindrucksvoll kompromisslos geprägter Terroirwein. Trinken bis 2020+

1994 Echézeaux Grand Cru

Helles, recht reifes Granat. Schlanke, rauchige Nase, sehr präzise und filigran in der rot­ beerigen Frucht, mit feinen Karamell- und Mokkanoten als Garnitur. Am Gaumen dicht und mit feiner Süße, dabei wiederum klar, feingliedrig, zart, seidig und leichtfüßig, mit roten Cassisnoten. Ein vitales Trinkvergnügen zwar, aber im Nachgeschmack schon weit fortgeschritten in der Frucht. Trinken bis 2015

94 P

In der Nase dicht und süß, dunkler Kandiszucker, karamellisierte Kirschen und leicht angebranntes Karamell. Seidiger, eleganter Gaumen mit Finesse und feinem Tanningriff, sehr saftig und präzise in der Frucht, vital in der Säure, nervig in seiner Mineralität und ­athletisch von Statur. Noch spröde, aber dicht und süß. Dürfte sich über die nächsten Jahre noch ­weiter ent­falten. Trinken bis 2025

1992 Echézeaux Grand Cru

92 P

Laut Clive Coates sind die Echézeaux von Henri Jayer und Emmanuel Rouget identisch, nachdem der Onkel seine Reben dem Neffen vermacht hatte. In der Probe trennten beide Echézeaux zehn Weine, und es war auch nachher mangels Masse leider nicht mehr möglich, die möglicherweise identischen 91er und 92er Weine von Jayer und Rouget direkt nebeneinander zu ver­kosten. Doch weder meine Kostnotizen noch die Bewertungen sprechen gegen Coates Aussage, jedenfalls nicht beim 1992er. Recht helles Granat. Auch in der Nase längst nicht so konzentriert wie der 1995er und selbst der 1994er Echézeaux. Leicht vegetabile Noten, zarte Minzaromen, dennoch recht elegant und attraktiv, aber deutlich k­ leiner dimensioniert als die Nachfolger. Seidiger Gaumen, wiederum mit Minznoten, recht charmant und weich in der Textur, dabei aber vital und mineralisch, wenn auch nicht sonderlich konzentriert. Dem Wein fehlt etwas das Fleisch auf den Rippen, und so bleibt er letztlich etwas hager. Trinken bis 2020

1985 Vosne-Romanée

1985 Nuits-Saint-Georges

90 P

90+ P

Reifes Rubin. In der rauchigen Nase fein und süß. Am Gaumen sehr direkt, saftig, angenehm süß, aber – es ist ein Villages! – ohne die Feinheit und Tiefe der Crus. Etwas r­ ustikal in den Tanninen, dennoch erstaunlich gut erhalten und zu trinken. Trinken bis 2016

1984 Vosne-Romanée Premier Cru Les Brûlées

92 P

Süße, minzige Noten, schwarzes Cassis, schwarzer Tee, ein Hauch Lakritz, aber keine große Konzentration. Kraftvoll und nun doch recht dicht am ­Gaumen, seidige Textur von enorm reifer und süßer Frucht, dazu balsamische Noten und viel Minze, von feinnerviger Säure und jugendlich ­wirkendem Tannin strukturiert. Ein stoffiger Wein, der seine Reife überraschend jugendlich zum Ausdruck bringt. Trinken bis 2020

1982 Nuits-Meurgers Korkfehler.

1991 Echézeaux Grand Cru

94 P

Helles Granat. Etwas stumpf in der Nase, dann mit feiner Süße und ­Aromen von rotem Pfeffer. Am Gaumen seidig, eher leichtfüßig und recht säurebetont, wirkt in den markanten Tanninen nicht ganz reif und im Abgang antrocknend. Der Wein ist vital, engmaschig und fest, präzise in der Frucht und zeigt eine gute Länge. Insgesamt jedoch bleibt er etwas sparsam und entfaltet nicht die Generosität eines großen Weins, wohl aber dessen S ­ tilistik und Finesse. Es mag an der Flasche gelegen haben, aber der Echézeaux von Rouget war in dieser Probe tiefer und runder und liegt in der Erinnerung leicht vorne. Trinken bis 2020

1987 Echézeaux Grand Cru

1976 Vosne-Romanée Premier Cru Les Brûlées

94 P

Mittleres bis helles Granat. Intensive, würzige Nase mit pflaumigen Noten, auch Pflaumenschalen, auf edle Art herb. Üppiger Gaumen mit seidiger Fülle und feiner Säurestruktur, enorm vital und ausgewogen, aber auch tief. Tolle Länge, noch immer finessenreich und jung erscheinend. Trinken bis 2020

93 P

Reifes Granat. Vegetabiles, eher unangenehmes Bouquet, sehr fragil und krautig. S ­ eidiger Gaumen mit feiner Säure, beginnender Todessüße und guter Konzentration, charakterlich fest, herb und spröde, im Abgang antrocknend. Dies ist sicher kein Echézeaux in Bestform – was am Jahrgang, aber auch an der Flasche liegen könnte. Dem Sammler wäre L ­ etzteres zu ­wünschen. Trinken bis 2015

1986 Echézeaux Grand Cru

95 P

Herrliches Granat, mittlere bis helle Tönung, aber mit dunklem, rubinrotem Kern. Üppiges, offensives Bouquet von roten und getrockneten Früchten, rote Johannisbeeren, dazu feinwürzige Rauchnoten. Am Gaumen kraftvoll und reich, von jugendlich wirkendem Tannin fest, ja spröde verpackt, jedoch im Grunde voller seidiger Finesse und saftiger Frucht. Angenehm süß. Den spröden Charme dieses Echézeaux indes muss man mögen. Trinken bis 2020 40

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In der aktuellen Ausgabe von Fine Das Weinmagazin 3/2011 finden Sie außerdem die Notate zu den Pinot Noirs von Emmanuel Rouget und der Domaine Méo-Camuzet, die – zusammen mit ­denen von Henri Jayer – am 20. Juni 2011 in Jörg Sackmanns Schlossberg-Restaurant in Baiersbronn-Schwarzenberg verkostet wurden.


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Schweinebauch und Metzelsupp: Von den archaischen Freuden des Schlachtfests Text: ANTON HUNGER Fotos: JOHANNES GRAU und PETER SCHULTE

Verängstigt tappst die Sau auf den frisch gewischten Fliesen am Ort ihres i­rdischen Ablebens. Zwei kräftige Männer mit sauberen weißen Gummischürzen ­schauen der grunzenden Kreatur bei ihrer Suche nach Orientierung nur kurz zu. Dann greift der eine nach dem rechten Hinterbein, legt so kunstvoll wie geschickt ­einen Strick um den Haxen und befestigt ihn an einem im Boden eingearbeiteten Ring. Die Sau schreit auf, nur wenige Sekunden. Dann beendet ein gezielter Bolzenschuss ins Großhirn, der das Tier betäubt, sein Bewusstsein und seine Stehkraft. Gute vier Zentner klatschen auf den Steinboden. Die zwei Männer werfen sich auf das ­heftig zappelnde und zuckende Tier. Sie haben alle Mühe, den sich aufbäumenden ­Körper am Boden festzuhalten. Dann sticht der in Kopfnähe des Schweins ­liegende ­Metzger gekonnt mit einem scharfen Messer in die Halsschlagader. Das Blut spritzt. Ein Helfer fängt es in einer Schüssel auf und gießt es in einen Eimer. Durch ständiges Rühren wird verhindert, dass das Blut gerinnt. Das Herz schlägt, bis der leb­lose Körper ausgeblutet ist. Erst dann ist der Kampf beendet. Die ­Männer schwitzen, ihre Schürzen sind blutverschmiert, einem entfährt ein leicht mitleidiges »arme Sau«, um sich dann einen ersten Schnaps, einen haus­gebrannten, in die Kehle zu kippen. Aus dem Kofferradio am Fensterbrett ertönt »Ein bisschen Frieden«.

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Nein, ein Vergnügen ist der Schlachtvorgang nicht. Er ist unappetitlich. Und er zeigt in seiner archaischen Urgewalt wie in einem Brennglas, was das irdische Dasein erst möglich macht: fressen und ge­fressen werden. Leben und Tod, auf kleinstem Raum, im Zeit­raffer und seltsam natürlich, wie die harten Gesetze der Natur schnörkellos, teilnahmslos, mitleidslos. Nur beim Schlachten erfährt der Mensch in unmittelbarer Direktheit, was ihn im Grunde genommen ausmacht, sofern er sich nicht ausschließlich von den Früchten des Feldes ernährt. Spätestens an der Verkaufstheke im Metzgerladen oder beim Verzehr des Leckerbissens am Wirtshaustisch hat er es verdrängt. Er hat ja Appetit auf einen Gaumenkitzler, er will Genuss. Selbst wenn dabei die Abwehr von Hunger die eigentliche Triebfeder ist, die ihn mindestens einmal am Tag an den vollen Teller drängt. Aber bitteschön, gut schmecken darf es schon. Vom Schlachten wollen die Menschen nichts wissen, irgendwie scheint das Rohe an diesem Ritual abstoßend. Aber das ist ein Luxus­problem. Zu Zeiten, als Schmalhans Küchenmeister war und man nicht nur den Pfennig, sondern auch den Apfel drei Mal umdrehen musste, war die Hausschlachtung eine Offenbarung. Ein Fest eben, das im Volksmund zum Schlachtfest wurde. Das Martialische an der Wort­schöpfung war nicht gemeint, nur das Ergebnis. Wer ein Schwein hatte, war vermögend. Und wer das Schwein schlachtete, hatte zu essen. Und wer zu essen hatte, konnte die anderen an seinem Glück teilhaben ­lassen, wenn sie nach der Hausschlachtung in ihren Milchkannen ein paar Schöpfer von der Wurstbrühe, der Metzelsupp, mit nach Hause ­nehmen konnten. Besonders Gutwillige gaben auch noch eine frisch gekochte Wurst dazu. Auch die Kinder aus dem Dorf konnten früher dem Schlachtfest nur Gutes abgewinnen. Sie zogen vor das Haus des Bauern und sangen dem Herrn des Hofes ein Ständchen, bis sie mit Würsten belohnt ­wurden. Sie sangen mit Inbrunst um die Wurst, weil sie nichts anderes

hatten als ihre herzzerreißenden Kinderstimmchen. Und sie ­wussten: Es geht um die Wurst. Oder die Jugendlichen, denen das Singen im Stimmbruch versagt war: Sie schoben eine lange Holzstange durch das Fenster, und jeder in der Küche wusste, was gemeint war. ­Standen die Burschen in der Gunst der Schlachterfamilie, hing bald eine ­fette Wurst an der Stange. Hatten sie den Bauern schon mal geärgert, mussten sie sich mit einem Schweineschwänzchen zufrieden­geben. Das war zwar nicht das Erhoffte, aber es stillte wenigstens den ­Hunger. Zumindest kurzfristig. Die schlachtenden Bauern waren um so großzügiger, je erfolgreicher sie diejenigen bestechen konnten, die ihnen sonst das Leben schwer machen konnten. Als während der letzten Kriege Lebensmittelmarken ausgegeben wurden, hatten die Hausschlachter einen großen Nachteil, weil das Gewicht des Schlachtviehs in die Zuteilung der Marken mit einbezogen wurde. Wer sich mit Fleisch selbst versorgen k ­ onnte, bekam der Verteilungsgerechtigkeit halber eben weniger Lebensmittelmarken. Wenn allerdings der Bürgermeister, also die Verteilinstanz der lebensnotwendigen Marken, die besten Würste und das beste Stück Fleisch bekam, wog die Sau am Ende eben nicht mehr dreihundert Kilogramm, sondern amtlich nur noch zweihundert oder noch weniger. Auch wenn das sogenannte Bürgermeisterstück, der zarteste und wohlschmeckendste Muskel aus der Rinderkeule, nur bei einer Kuhschlachtung abgetreten werden konnte – das Schwein hat schließlich auch besondere Gourmetstücke, ebenso wie Lamm oder Ziege. Das Beste war jedenfalls für die Obrigkeit reserviert – zum

Männersache: Wenn das Schwein ­getötet, ausgeblutet und abgebrüht ist, haben sich die vier ­kräftigen Schlachter ­einen Schnaps verdient.

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de Halsschlagadern, die Luftröhre und die Speiseröhre durchtrennt ­ erden. Das Tier wird nicht betäubt und muss nach dem Schnitt w vollständig ausbluten, weil der Verzehr von Blut nach den religiösen Gesetzen verboten ist. Grundsätzlich ist das Schächten in Deutschland nicht gestattet, weil das Tierschutzgesetz Schlachten ohne vorherige Betäubung untersagt, wobei Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können, »wenn das Fleisch des getöteten Tieres von P ­ ersonen verzehrt wird, denen zwingende religiöse Vorschriften den Verzehr des Fleisches nicht geschächteter Tiere verbieten« (Schächturteil des Bundesverfassungsgerichts). Der Schächter selbst muss eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen haben, die neben seinen praktischen Fähigkeiten auch den geistigen Hintergrund seines Tuns einbezieht.

­eigenen Nutzen und Frommen. Dann bekamen auch die a ­ nderen Dorfbewohner ihren Teil und wussten, weshalb sie die T ­ äuschung mit den Täuschern unter dem Deckel zu halten hatten. Der Schlachttag wurde zum Schlachtfest – für alle.

Handarbeit: Wenn das Schwein zerlegt ist, geht‘s um die Wurst.

Geschlachtet wird seit Menschengedenken. In der Urzeit war es das mühsam erlegte Wild, später auch die domestizierten Haus­ tiere. Und irgendwie war es auch ein religiöser Akt. Man dankte dem All­mächtigen, weil er – neben dem täglichen Brot – auch die not­ wendigen tierischen Proteine zum Überleben lieferte. Deshalb wurde auch bevorzugt zu heiligen Anlässen geschlachtet: Seit dem frühen Mittelalter, als die Kirche begann, das ganze Leben von der Wiege bis zur Bahre zu diktieren, wird zu Mariä Lichtmess am 2. Februar und zu Martini am 11. November geschlachtet – und zu Martini beileibe nicht nur Gänse. Mariä Lichtmess war jedenfalls der Stichtag, zu dem bei den ­Knechten und Mägden der Dienstvertrag auslief. Zum 2. Februar wechselte das Personal, und die zu Verabschiedenden und die Neuankommenden wurden mit dem Schlachtfest verwöhnt. Hart waren das Leben und die Arbeit der dienstbaren Geister auf jeden Fall – und das wussten auch diejenigen, die zum ersten Mal bei einem Bauern anheuerten. Der Vorgang des Schlachtens war für alle Beteiligten positiv besetzt, in ihren Köpfen war es alles andere als ein blutrünstiger Akt. Dass Schlachten zuweilen auch heute noch als religiöser Vorgang gesehen wird, kann man eindrucksvoll am Judentum und am Islam studieren. Das Schächten – oder hebräisch Schechita – ist nichts anderes als ein rituelles Schlachten mit festen Regeln. Mit einem einzigen Schnitt wird die Kehle des Tieres durchschnitten, wobei bei-

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Die religiöse Erhöhung des Schlachtvorgangs fand sich auch ­lange Zeit bei den Christen. Erst die Aufklärung säkularisierte den Akt im christlichen Abendland. Schlachten wurde zum weltlichen Vorgang, der keinen anderen Zweck hat, als die Menschen mit Fleisch zu versorgen. Die industrielle Verarbeitung tat ein Übriges, um die ­Menschen dem Ursprung tierischer Nahrung zu entfremden. Nur die Hausschlachtung erweckt zuweilen noch den Eindruck eines quasireligiösen Vorgangs, dem allerdings die Europäische Kommission mit ihren Hygienevorschriften am liebsten den Garaus machen möchte. Ein bürokratisches Fallbeil aus Brüssel hätte sogar einmal der schwäbischen Maultasche ein unseliges Ende bereitet, weil die Eurokraten das Wurstbrät – eine unverzichtbare Zutat der Maultasche – in rohem Zustand nicht mehr zum Verkauf zulassen wollten. Allein der Volksgesundheit dienen sollte der Entwurf einer neuen Hackfleischverordnung, die den Verkauf von Kalbsbrät über die Ladentheke verbieten wollte, was vor allem die Schwaben auf die Palme brachte. Die damalige baden-württembergische Sozialministerin Annemarie Griesinger lud daraufhin ihre Amtskollegen aus den anderen Bundesländern in ein Ludwigsburger Restaurant, um sie bei einem perfekt zubereiteten Maultaschengericht darauf einzuschwören, das Gesetz im S ­ inne der privaten Maultaschen-Brutzler zu verhindern. Was diese dann auch anstandslos taten – gleichgültig ob sie von der CDU, der SPD oder der FDP waren (die Grünen waren damals noch nicht in entsprechender Verantwortung, sie hätten sich aber bestimmt auch nicht gewehrt). Bis heute hat die Gesundheit all jener in Europa, die Maultaschen, Swabian Pockets, Maultaschen de la Souabe beziehungsweise Ravioli oder Empanadas genießen, nicht gelitten. Für die Maul­ tasche braucht’s eben neben gemischtem Hackfleisch auch Kalbsbrät. Und das nicht zu wenig. Die Hygienehybris kann jedenfalls nicht nur Tradition und Brauchtum, sondern auch eine ganze Kultur zerstören. Bei der Hausschlachtung geht es ja nicht allein ums Töten, sondern um das Drumherum, um die Menschen und deren Teilnahme. Hausschlachtungen sind heute


so selten geworden, dass man jedem Metzger dankbar sein muss, der seine Kenntnisse von Generation zu Generation weitergibt. Industrielle Schlachtungen bedürfen keines handwerklichen Könnens, das ist Maschinenarbeit. Im Schlachthof ist es laut, jeder schreit, um gehört zu werden, und die Stimmen hallen in den hohen gefliesten Räumen wider. Auch wenn Blut fließt: Der Schlachthof ist – im übertragenen Sinne – blutleer. Ganz anders bei der Hausschlachtung. Die tote Sau liegt im Brüh­ bottich, wird in kochendem Wasser eingeweicht, damit sich die ­Haare von der Oberhaut lösen. Mehrfach wird sie im Bottich gedreht, mit einer Eisenkette so lange gerieben, bis sie großflächig gereinigt ist, um dann mit der so genannten Glocke den Rest der Borsten zu ent­fernen. Um sie zur weiteren Verarbeitung aufhängen zu können, ­werden die Innenseiten der Hinterfüße eingeschnitten, der Körper dann mit einer Seilwinde hochgezogen, mit klarem Wasser abgeduscht und mit einem scharfen Messer rasiert. So positioniert, wird der Kadaver der Länge nach geöffnet, die Därme aus der Bauchhöhle genommen, ebenso Magen und Milz. Schließlich wird das Zwerchfell durchschnitten, um Zunge, Luftröhre, Speiseröhre, Lunge, Herz und Leber herauszuholen. Noch in der Schüssel werden die Innereien vom Fleischbeschauer untersucht. Die Bauchhöhle wird mit W ­ asser gereinigt, die Sau mit einem sogenannten Spalter in zwei Hälften geteilt, dann werden die Nieren entnommen. Die Därme werden unter­dessen ebenfalls mit fließendem Wasser gesäubert, die Haut der nackten Sau amtlich abgestempelt und dann der Korpus in Vorder- und Hinter­ viertel zerlegt. Koteletts, Filet, Schnitzel, Hals und Bauch sind für die Pfanne, der Rest wird schlachtwarm verwurstet. Kochwurst, also Blutund Leberwurst, ist mit Sauerkraut und Wammerl eine Delikatesse des Schlachttages, die Brühe wird als Metzelsupp gereicht. Die Brat­ würste aus Fleisch, das durch den Wolf gedreht und mit Salz, P ­ feffer, Muskatnuss und Majoran gewürzt wird, sind für die nächsten Tage und – geräuchert – Wochen vorgesehen.

So roh der Schlachtvorgang erscheinen mag, spätestens bei der Beschreibung der lukullischen Genüsse läuft jedem Feinschmecker das Wasser im Mund zusammen. Und es kommt ja nicht von ungefähr, dass die hausgemachte Wurst um ein Vielfaches besser schmeckt als die unter Beachtung aller Hygienevorschriften hergestellte aus industrieller Produktion. Im Volksmund jedenfalls gibt es einen Reim, der möglicherweise mehr Wahrheit als Dichtung enthält: »Hingegen wo der Bauer schlachtet, / das hab ich manchmal schon beachtet, / da kocht man Fleisch vom Schwein und Bock / im Pott, wo vorher Unterrock / und Hemd und Hos nebst Socken schäumte / und Kuhstallgrün den Rand umsäumte. / Und solch Aroma als Extrakt, / das bleibt der Metzgerzunft versagt.« Noch Fragen? Offensichtlich ist: Wo gut gegessen wurde, war der Dichter nicht weit. Jedenfalls im Schwäbischen, auch wenn ausgerechnet F ­ riedrich von Schiller, das größte geistige Talent aus dem Württembergischen, nicht viel dazu beigetragen hat. Er kränkelte halt zu oft. Anders dagegen Ludwig Uhland, dem wie keinem anderen deutschen Dichter »die Liebe und Verehrung des Volkes zugeflogen ist«, wie man einer Biografie

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Hochgenuss: Wenn S ­ chinken und Würste aus der Räucherkammer und der Roll­braten aus der Pfanne kommen, ­beginnt der große Schmaus.

über den Tübinger Schriftgelehrten entnehmen kann. Sein »Metzel­ suppenlied« ist eine sinnenfrohe Hommage an die Mahlzeit nach der Hausschlachtung: »Wenn solch ein Fleischchen weiß und mild / im Kraute liegt, das ist ein Bild / wie Venus in den Rosen.« Wen das nicht rührt, dem fehlt jeder Sinn für Genuss, der ja neben der ­Speise den edlen Tropfen mit einschließt, wie Uhland es zusammenfasste: »Es reimt sich trefflich: Wein und Schwein, / und passt sich köstlich: Wurst und Durst; / bei Würsten gilt’s zu bürsten«, also trinken. Und denen, die ihn wegen seiner dichterischen Genussfreude rügten, schrieb er ins Stammbuch: »Ihr Freunde, tadle keiner mich, / dass ich von Schweinen singe! / Es knüpfen Kraftgedanken sich / oft an g ­ eringe Dinge.« Uhland war befreundet mit dem Arzt und Dichter Justinus Kerner, der zwar schwäbisch-schwermütig war (»Kummer und Tränen ver­zehren mich«), aber gleichwohl gastfreundlich. Mit Wein geizte er nicht – nicht bei den Gästen und nicht bei sich selbst. Zehn Viertel Wein am Tag waren keine Seltenheit. Er war trotzdem in der Lage – neben der Landeshymne »Der reichste Fürst« – eine bahnbrechende wissenschaftliche Beschreibung über Wurst- und Fleischvergiftungen zu verfassen. Wie Uhland war also auch er von der Fleisches-Lust angetan – weniger poetisch als sein Dichterfreund, aber immerhin.

Gegessen wurde, getrunken wurde und gedichtet wurde. Und dabei ging es oft um die gefüllten Teller mit köstlichen Würsten und Bauchspeck aus der eigenen Schlachtung. Verzehrt am selben Tag. So war es auch an Mariä Lichtmess im Jahr des Herrn 2011. Burkhard Schork hatte hausgeschlachtet und mit seiner Frau Regine zum Schlachtfest mit Freunden in sein Restaurant Friedrich von Schiller nach Bietigheim-Bissingen geladen. Gut zehn Winzer, alles Produzenten edelster Weine, und mindestens ebenso viele Köche und Restaurantbesitzer aus den feinsten Häusern saßen am Tisch. Zu einer Lesung des Grünen-Politikers Rezzo Schlauch aus seinem Buch über die »Ess-Klasse« gab es Bratwurstgehäck mit Apfelgriebenschmalz, Metzelbrühe mit in Schmalz gebratenem Roggenbrot, ­Geschnetzelte Nierle in Sauerrahm mit Kartoffelbrei und schließlich die Schlachtschüssel mit Filderkraut. Und Wein von den anwesenden Winzern: Dautel aus Bönnigheim, Heger vom Kaiserstuhl, Knipser aus der Pfalz, Fürst aus Franken und so weiter. Das Mahl zog sich hin. Zwischen den Gängen las der Mundartdichter Dieter Adrion alias Johann Martin Enderle Geschichten von Schlachtfesten vergangener Zeiten (»Die Sau muss in der Familie bleiben«). Und Burkhard Schork erklärte die Pausen: Sie förderten die Insulinproduktion im Körper und dienten damit der Gesundheit. Na bitte. >

Der schwäbische Schriftsteller und Satiriker Johannes Nefflen lässt in seinem Volksstück »Der Vetter aus Schwaben« sein »Saulied« gar als Tischgebet aufsagen: »Die Sau, das Schwein / klingt rauh und fein: / In der Pfütze, im Morast / bist du wohl ein wüster Gast; / auf dem Teller, an der Gabel / wirst du Lust für unsern Schnabel. / Prangt dein Plonz im Sauerkraute, / hör ich nicht des Grunzens Laute.« Man musste nicht im Evangelischen Stift zu Tübingen, dem g ­ eistigen Gewächshaus für Pfarrer und Dichter, gewesen sein, um Volkes ­Stimme in Reimform gießen zu können. Wie der Poet und Metzger Christian Späth, der sich seine Gedichte bei der Feldarbeit »auf den freien Fluren der Natur« ausgedacht hat: »Den gestirnten Himmel über mir, das moralische Gesetz in mir ond meine Säu hinter mir«.

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Das Schlachtfest Rezepte rund ums Schwein von Burkhard Schork 220 Seiten zahlreiche Farbfotos Tre Torri Verlag


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