Fine Ein Magazin für Wein und Genuss 4|2013

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RANGE ROVER EVOQUE

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Verbrauchs- und Emissionswerte Range Rover Evoque eD4: Kraftstoffverbrauch (l/100 km) außerorts 4,5, innerorts 6,0, kombiniert 5,0; CO2-Emission 133 g/km; CO2-Effizienzklasse A. Alle Angaben wurden nach dem Messverfahren RL 80/1268/EWG ermittelt. Bitte fahren Sie verantwortungsbewusst: on- wie offroad. * Ein Leasingangebot, vermittelt für die Land Rover Bank, eine Zweigniederlassung der FGA Bank Germany GmbH, Salzstraße 138, 74076 Heilbronn. ** UVP Evoque eD4 Pure ab Lager Jaguar Land Rover Deutschland GmbH zzgl. Überführungs- und Zulassungskosten.


E I N M AGA Z I N F Ü R W E I N U N D G E N U S S

Verleger und Herausgeber Ralf Frenzel ralf.frenzel@fine-magazines.de Chefredakteur Thomas Schröder thomas.schroeder@fine-magazines.de Redaktion Carola Hauck Art Direction Guido Bittner Mitarbeiter dieser Ausgabe Till Ehrlich, Michael Freitag, Bernd Fritz, Ingeborg Harms, Susanne Kaloff, Caro Maurer MW, Angelika Ricard-Wolf, Ulrich Sautter, Alena Schröder Fotografen Guido Bittner, Johannes Grau, Christof Herdt, Marc Volk, Thilo Weimar Titel-Foto: Guido Bittner Editorial-Fotos: Johannes Grau und Pekka Nuikki Verlag Tre Torri Verlag GmbH Sonnenberger Straße 43 65191 Wiesbaden www.tretorri.de Geschäftsführer: Ralf Frenzel Anzeigen Judith Völkel Tre Torri Verlag GmbH +49 (o) 611-57 990 info@fine-magazines.de Druck Prinovis Ltd. & Co. KG  ·  Nürnberg Fine Ein Magazin für Wein und Genuss ist eine Sonder­beilage des Tre Torri Verlags und erscheint im Verbund mit Fine Das Wein­magazin viermal Jährlich im ausgesuchten Zeitschriftenhandel.

Verehrte Leserin, lieber Leser, im fernen Nippon wird eine Institution gepflegt, die sich anderswo und ganz gewiss hierzulande ­keiner sonder­lichen Aufmerksamkeit erfreute: Es ist der Lebende Nationalschatz – eine ideelle Versammlung meist steinalter Damen und Herren, die eine der tradi­ tionellen Künste und Fertigkeiten Japans noch meister­ lich beherrschen und darum in hoher A ­ chtung ­stehen. Gäbe es so etwas bei uns, wäre ­Gesumino Pireddu, seines Zeichens Maître d’Hotel in Berlin, sicher ein Anwärter auf ehrenvolle Mitgliedschaft: Der gebür­ tige Sarde ist einer der letzten Meister des Tranchie­ rens; und wem je das Vergnügen zuteil wurde, ihn beim so sachkundigen wie liebevoll-zarten Zerlegen eines Geflügels oder sonst Gesotten- oder Gebratenen zu erleben, der hat diese heute fast vergessene Zuwen­ dung zu Gans und Gast wohl nicht anders denn als Geschenk empfunden. Apropos Geschenk: Is denn heit scho ­Weih­nachten? Gottlob noch nicht grad; aber die Zeit, in der man andere mit Dingen beschenkt, die man sich ­selber nicht leisten würde – die Weihnachtszeit ist nah.

Ralf Frenzel Thomas Schröder Herausgeber Chefredakteur

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbe­ dingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Verlag h ­ aftet nicht für unverlangt eingereichte Manus­kripte, Dateien, Datenträger und Bilder. Alle in diesem Magazin veröffent­ lichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt.

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Soll man Ringelnatzens Rat beherzigen: »Schenke mit Geist ohne List«? Selbstverständlich – aber ein Hinter­gedanke muss erlaubt sein: das Geschenk so zu ­wählen, dass man selber auch etwas davon hat. Also die Liebste mit einem Parfüm zu bedenken, dessen Duft zugleich einen selbst in Verzückung setzt; ein Kleid, ein Paar Schuhe, ein Schmuckstück so zu wählen, dass man auch selbst die Augen nicht von ihnen und der ­Trägerin abwenden mag. Oder den Liebsten mit einer edlen ­Flasche, womöglich: einer Kiste, noblen Weins oder grandiosen Champagners zu überraschen, gar im Rahmen eines Diners à deux, dessen kulinarischer Abschluss ein kostbares Destillat sein könnte – der Möglichkeiten, am liebevoll zugedachten Präsent teil­ zuhaben, sind genug! Und dabei auch der korrespon­ dierenden Zeile in Ringelnatz’ Vers gerecht zu werden: »Sei eingedenk, dass dein Geschenk du selber bist!« So einfach ist die Kunst des Schenkens! Und ehe man sich noch versieht, wird man sich von der Angebe­ teten, vom Auserwählten in den Rang eines Lebenden Privatschatzes erhoben sehen. Dann ist Weihnachten.

Schuhe, Schmuck und Kleider: Vier junge Designerinnen aus Mailand Herznote am Gaumen: »Spice Bomb« zum Diner Acht große Toskaner: Sassicaia, Ornellaia, Tignanello und Co. Gans ganz anders Vierundzwanzig Geschenkideen Gesumino Pireddu: Die Kunst des Tranchierens Zwei Winzertalente von der Mosel: Die Brüder Oliver und Thomas Haag Märchenhafte Präsentation: Champagne Dom Pérignon Rosé 2002 Rémy Martin Cognac: Das Wichtigste ist seine Seele Narciso Rodriguez: Der Mann, der die Frauen beschenkt

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Sturmschritt: Die vier jungen Designerinnen Caterina Gatta, Elisabetta Meru, Lucilla Bonacorsi und Cecilia Bringheli erobern die italienische Mode-Metropole.

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Nur Komplimente:

Weiblich, kühn und ein bisschen verrückt

Sie heissen Cecilia, Caterina, Elisabetta und Lucilla. Wie das schon klingt, da ist Musik drin! Vier junge Mailänderinnen schlagen in Sachen Mode und Schmuck ganz neue Töne an. Von Angelika Ricard-Wolf Fotos Thilo Weimar

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ine Kettenreaktion. Ihren Anfang nimmt sie rein zufällig Velours, Nappa, Samt, Baumwolle oder Flanell – und alle beim Schlendern über den Corso Garibaldi in M ­ ailands hand­gearbeitet. Jeder Schuh ist ein Statement. »Ich wollte«, trendigem Brera-Viertel. An der Hausnummer 50 macht der sagt Cecilia Bringheli, »schicke Schuhe für Frauen machen, Blick durch eine Toreinfahrt neugierig auf den mit dicken aus denen sie abends nach einem langen Arbeitstag schlüp­ Kieselsteinen gepflasterten Innenhof. Gucken kostet nichts. fen, ohne dass ihnen die Füße wehtun.« Denkt man – nicht ahnend, dass dort hinten links versteckt in Ihre Aversion gegen Stilettos pflegt die Achtundzwanzig­ der Ecke Versuchung pur lauert. Im Schuhladen von ­Cecilia jährige seit einer verschneiten Silvesternacht. Damals gaben Bringheli. ihre Highheels den Geist auf – und sie musste barfuß durch Einen Schritt später ist man drin. Die Füße finden den Weg den Matsch nach Hause laufen. Seitdem schwört sie auf wie von selbst in die Boutique, in der auf simplen Regalen vor ­flaches, handwerklich perfektes Schuhwerk – aber bitte roten Backsteinwänden reihenweise Slipper und Mokassins ­jenseits der Derbe-Treter-Fraktion. Und da ihr die Auswahl stehen. Traditionell in der Form, aber optisch in jeder Hin­ in dieser Sparte doch eher übersichtlich erschien, entschloss sicht ein Knaller. Sie sind quietschgrün, knallorange, wild sich die patente Brünette, ihre Anstellung in einer Mai­länder getigert, bunt geblümt, zebragestreift, strassbepflastert, aus PR-Agentur zu kündigen und sich selbständig zu machen. Mit

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Anspruch: Zeitlose Form, leuchtende Farben und hohen Komfort zeichnen die Schuhe von Cecilia Bringheli aus. Vor vier Jahren hat sie ihre eigene Firma gegründet, heute sind ihre Mokassins weltweit begehrt.

Kate Moss und Co. mit dem einen oder anderen Gratis­ paar, dezent während der Modewoche im Hotel abgegeben, geschickt zu Vor-Läufern für ihre Marke machte. Sie erzählt das lachend bei einem Essen mit ein paar ­spontan zusammengetrommelten Freundinnen, mit denen sie, ganz perfekte Networkerin, gerade die Mailänder Mode­ szene aufmischt. Sie bilden eine Clique von Designerinnen, die ebenso jung wie enthusiastisch sind.

modischen Mokassins. Eine Idee, die sie im strömenden Regen, aber schirmbewehrt, vor dem Büro auf- und ablaufend, ihrer Mama aufgeregt per Handy mitteilte. Das war 2010. Mit dem Familiensegen gründete sie kurz darauf ihre eigene Firma. Sie suchte und fand in einer ­kleinen Manufaktur in Norditalien Schuhmacher von Format, die ihre Entwürfe seither in passgerechte Slipper aus feinsten ­Materialen umwandeln. Die sitzen wie angegossen, kosten zwischen 250 und 350 Euro, sind in angesagten Concept Stores rund um den Globus oder über das Internet zu haben und ver­ helfen selbst Promis wie Madonna zu einem ebenso sicheren wie stylischen Auftritt. Und Männern, einschließlich Filmstar Adrien Brody, inzwischen ebenso.

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ailand, nicht nur während der Schauen in Frühling und Herbst Plattform modischer Extravaganzen, ist ein ­idealer Ausgangspunkt, um fashionable Vaganten auf neue Fährten zu locken. Das weiß nicht nur die PR-­erfahrene ­Cecilia, die ausgewiesene Multiplikatoren wie Starmodel

Träume: Mit duftigen Stoffen und zarten Spitzen zaubert Lucilla Bonacorsi romantische Kleider für Diven und andere Damen. Erlaubt ist, was ihr gefällt – weshalb sie am liebsten ihre eigenen Kreationen trägt.

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aterina Gatta, achtundzwanzig, gehört dazu. Die ge­bürtige Römerin, die jetzt in Mailand lebt, gilt in der Fashionszene als überaus begabt und innovativ. Sie hat in L ­ ondon und Rom Mode studiert und als Stilistin und Foto­grafin hinter den Kulissen der Fashionweek in Milano ge­arbeitet. Geschulten Blicken fiel sofort der außergewöhn­ liche Kleidungsstil der zierlichen Caterina auf. »Ich hatte bei einem Stoffhändler zufällig Restposten gefunden, die in den siebziger Jahren extra für die italienische Couture-Designerin Irene Galitzine angefertigt worden waren«, sagt sie. »Daraus habe ich mir Kleider genäht – und bekam dafür nur Kompli­ mente.« Das war der Anstoß, es mit einer eigenen Kollektion zu versuchen. Sie kaufte gezielt den Überschuss an Stoffen auf, die Couturiers wie Versace, Yves Saint Laurent oder Valentino einst für ihre Kollektionen bestellt, aber nicht aufgebraucht hatten. »Meine Kleider sind alle sehr kurz«, erklärt sie, »weil ich selten mehr als zwanzig Meter am Stück bekomme. Und

Spürsinn: Kreativ ist Caterina Gatta nicht nur beim Ent­ werfen ihrer Kollektion, auch bei der Wahl der Materialien ist sie erfinderisch: Die Stoffe für ihre farbenfrohen Kleider stammen aus Überschüssen der großen Couturiers.

zwei, drei Größen sollte es von einem Modell schon geben.« Die knappen Teile kosten ab 1200 Euro aufwärts. Mit ihren oft wilden und sehr farbigen Mustern sind sie nicht nur Kult, sondern vor allem Roter-Teppich-tauglich. Die schwedische Popsängerin Robyn fühlt sich darin genauso wohl wie Super­ model Anna Cleveland. Caterinas einziges Problem ist, dass ihr trotz kurzer Säume die Vintage-Stoffe ausgehen. »Ich muss bald selbst welche anfertigen lassen.«

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ie das funktioniert, hat Lucilla Bonaccorsi quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Sie ist die Tochter der italienischen Modemacherin Luisa Beccaria, die seit 1984 unter ihrem Mädchennamen eine Kollektion beschwing­ ter, sehr femininer Partykleider herausbringt. Mit zarten ­Stoffen hat Lucilla, heute neunundzwanzig, schon als Kind gern gespielt. Es war für sie klar, dass sie trotz des Studiums

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Pointe: Kindlich-verspielt sind die Schmuckstücke, die Elisabetta Meru entwirft. Das Handwerk hat sie von ihrem Vater gelernt, ihre Ketten, Armbänder und winzigen Medaillons haben ihren eigenen Witz.

der Literaturwissenschaften und im Gegensatz zu ihren vier Geschwistern gern an der Seite ihrer Mutter arbeiten wollte. »Wir haben den gleichen Sinn für Ästhetik. Aber aufgrund des Altersunterschieds habe ich natürlich eine zeitgenössischere Sicht der Dinge. Daraus entstehen marginale, aber entschei­ dende Veränderungen.« Das tut der Verjüngung der noblen Marke gut, für deren romantisches Flair Filmstars wie Nicole Kidman oder Kate Winslet klaglos zwischen 600 und 2500 Euro hinblättern. Lucillas Anregung war es beispielsweise, für die neue Frühjahrskollektion Baumwollstoffe mit Laser­ technik in schmalste Streifen schneiden und auf Tüll appli­ zieren zu lassen – was den Kleidern eine besondere Leichtig­ keit und Transparenz gibt.

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n Punkto Leichtigkeit kann Elisabetta Meru mitreden. Die praktiziert sie in Gold. Selten hat man so hauchdünne ­Ketten und Armbänder gesehen wie die der jungen Juwelierin. Eigentlich hat die Zweiunddreißigjährige Betriebswirtschaft

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studiert. Aber dann hat sie doch das winzige Geschäft ihres Vaters in der Via Solferino übernommen, der vor sechs ­Jahren starb. Er hatte den minimalistischen Stil eingeführt, der heute Kult ist. »Mein Vater war arm«, erzählt sie, »aber da hat man die besten Ideen. Er konnte immer nur so viel Gold ­kaufen, wie er Geld dafür hatte. Und da es nicht viel war, kaprizierte er sich auf den filigranen Schmuck.« Vor allem durch die w ­ inzigen emaillebemalten Medaillons, die K ­ etten und Arm­bänder zieren, wurden seine Kreationen immer bekannter. Ihren Charme beziehen sie aus dem Bruch zwischen der Wertigkeit von Gold und den kindlich-verspielten ­Medaillons, die mit zarten Blümchen, pausbäckigen Engeln oder Comic-­Figuren verziert sind und – je nach Karat und Aufwand – mehrere hundert Euro kosten. Nun entwirft Elisabetta die Motive – auf Manschettenknöpfen platziert sie schon mal winzige Pin-upGirls –, die drei Miniaturmaler für sie umsetzen. Und sie expe­ rimentiert mit anderen Materialien. Schmalen Kunststoff­ reifen werden etwa eine zierliche goldene Schildkröte oder eine Biene als Eyecatcher verpasst. Ohne ein Schmuckstück von Meru geht unter Italiens Trendsetter gar nichts. »Vor Weihnachten quillt ihr kleiner Laden vor Leuten über«, unterstreicht Schuhlady Cecilia Bringheli noch einmal den Stellenwert ihrer Freundin Elisabetta. Logisch, dass sie auch ein Stück von ihr trägt. Und die wiederum ihre Schuhe. Woher sonst die Kettenreaktion?  >



Herznote am Ga Der Eindruck, man äße Parfüm, ist gewiss ein kulinarisches Ausnahmeerlebnis. Stellt sich dabei das reine, bei­ geschmacksfreie Genussglück ein, ist jener Eindruck wohl das größte Kompliment, das man der verkosteten Sub­ stanz samt ihrem Hersteller machen kann. Ein süßes, zart auf der Zunge schmelzendes Quittengelee beispiels­ weise (von der besten, der Portugiesischen Birnenquitte) schafft ­dieses olfaktorische Kunststück nach­gerade schul­mäßig. Sein aus hundert­fünfzig Komponenten gebildetes Aroma nutzt die anatomischen Gegebenheiten ­unseres Schädels, um von der Mund- in die Nasenhöhle zu gelangen und das dortige Geruchszentrum in eine ­solche Erregung zu versetzen, dass für diesen Moment die Geschmacksrezeptoren Pause haben. Gleichwohl f­ ühlen und schlucken wir ein Gelee und genießen so die wundersame Illusion, Parfüm zu verzehren. Von Bernd Fritz Fotos Christof Herdt

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o weit, so retronasal. Aber wäre diese Erfahrung und Grapefruit-­Kompott, delektieren, sei noch auch mit einem richtigen Parfüm zu machen? die Frage geklärt, in welcher Weise »Spice Bomb« Die Fine-­Redaktion wollte es wissen und lud zum zum Einsatz kommt. Steht neben jedem Gedeck ein experimentellen Menü mit einem der so genann­ sprühbereites Flakon? Weit gefehlt. Ein Parfüm-­ ten Gourmand-Düfte ein, dem »Spice Bomb« von Menü erkennt man an den Gläsern. Neben denen Viktor & Rolf. Der nach den ­Wünschen der beiden für Wasser, weißen und roten Wein steht ein ­holländischen Modemacher von Parfümeur O ­ livier ­viertes Glas, das mit einem Tellerchen abgedeckt Polge komponierte und von L’Oréal produzierte ist. Darin ruht daumenhoch eine schwach milchige Duft schlägt ins­besondere kontraststarke Akkorde Flüssigkeit: dreißig Milliliter neutrales Tafelwasser an, denen es an kuli­narischer Affinität nicht (­Volvic), in das dreimal kräftig »Spice Bomb« ein­ ­mangelt: Noten von Bergamotte und Grapefruit gesprüht wurde.

aumen klingen mit rosa Pfeffer und Elemi (Baumharz) zusammen, Chili und Safran mit Leder, Tabak und ­Vetiver (Süßgras). Vorgaben, die für den Komponisten eines korres­ pondierenden Mahls eine veritable Heraus­forderung darstellen. Diese nahm Michael Kammermeier, Chefkoch der Wies­badener Haute-Cuisine-Ikone »Ente«, ohne Zögern an, was umso höher zu bewer­ ten ist, als unter den Gästen zwei trainierte Super­ nasen weilten: Vera Breuer, ­Leiterin des Bereichs Designer-­Parfüms bei L’Oréal Deutschland, und ihre ­Kollegin Bettina Worringen, die das Parfümerie-­ Personal schult. Doch bevor wir uns am ersten Gang, dem Wildgarnelen-Tatar mit Bergamotte-Mayonnaise

Gut präpariert: Für Michael Kammermeier, Chefkoch der Wiesbadener Ente, war die Komposition eines parfümbegleitenden Menüs eine außergewöhnliche Herausforderung.

» Spice Bomb«, der würzige Herrenduft von Viktor & Rolf, macht seinem Namen bei einem extravaganten Diner alle Ehre

So kann das Parfüm alle drei Duftkategorien, seinem frischen citrusähnlichen, pfeffrigen Geruch die Kopfnote, die Herz- und die Basisnote, im das Spektrum des ersten Parfüm-Gangs noch ein­ Verlauf des Menüs zur Entfaltung bringen, was mal in sich vereint. naturgemäß Reihenfolge und Komposition der einzelnen Gänge bestimmt. Während der ­ersten inen an Kontrastivität kaum zu überbieten­ Kost­proben der Vorspeise wird das Tellerchen den Akkord schlägt der zweite Gang an: Filet vom Glas genommen, und die Nüstern saugen vom Glen-Douglas-Lachs im Lakritzmantel. Der die von Grapefruit und Bergamotte dominierte schwarze Süßholzsaft übernimmt dabei die Rolle »Spice Bomb«-Kopfnote ein, die sich mit dem des Süßgrasöls, das mit seiner holzig-­balsamischen Mayonnaise-Kompott-Aroma verbindet und den Kompo­nente die »Spice Bomb«- Herznote ankün­ Erregungs­grad unseres Geruchsorgans verdoppelt. digt, die zudem mit einer deutlichen Safran-AnisKomplettiert wird der Parfüm-Genuss von der Note auf­wartet. Der begleitende Wein, ein rhein­ Rosa-Pfeffer-Würze des Garnelen-Tatars, denn hessischer Silvaner von Gutzler, hält mit seiner auch die rosige Schärfe ­findet sich in der Kopf­ geringen Säure die entsprechenden Geschmacks­ note, desgleichen Spuren vom Elemi-Öl, das mit rezeptoren still, und so rutscht abermals ein s­ chöner

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Ganz fasziniert: Für Vera Breuer und Bettina ­Worringen von L’Oréal, die Frauen vom Fach, war das kulinarisch-­ olfaktorische Abenteuer eine kleine Sensation.

Bissen Parfüm durch die Kehle, unter lebhaften Bekundungen des Staunens und der Begeisterung, auch und vor allem seitens der L’Oréal-Damen. Pünktlich zum dritten Gang gibt das parfü­ mierte ­Volvic die Basisnote frei: Leder, Tabak und Moschus, der hoch­animalische Duft der Brunft­ drüse des Moschushirschen. Nun sind von diesem hierzulande weder Keule noch Rücken zu bekom­ men, sodass Michael Kammermeier sich für ein Dry Age Beef entschied, will heißen, ein sieben Wochen gereiftes Entrecôte vom Simmentaler Rind, zum Entzücken der Gäste serviert auf mit Leder über­ zogenen Brettchen. Alsbald gibt die gegerbte Tier­ haut ihren Geruch vermittels Erwärmung durch das Fleisch ab, für weiteres Leder samt Tabak ­sorgen eine Paste aus Sojabohnen sowie der Wein, ein badischer Spätburgunder Großes Gewächs von Dr. Heger. Ein vorletztes Mal werden die Deckel von den »Spice Bomb«-­Gläsern genommen, die

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Basisdüfte betören das Geruchsorgan, und der Applaus für Koch und Parfümeur verbindet sich mit dem Bewusstsein einer neuen Erfahrung – neu selbst für die Nase von Vera Breuer.

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ie gebürtige Wienerin hat wahrlich schon einiges ge- und erschnuppert, nicht erst in ihren nunmehr vierzehn Jahren in der Parfüm­ branche. Bereits während des Studiums der Öko­ nomie in der Parfüm-Metropole Paris zog es sie in duftige Gefilde, dorthin wo der Pfeffer wächst und Ylang Ylang blüht: in den Südosten Asiens. Nach der Übersiedlung in die Kronkolonie Hong­ kong erlag sie bald dem Werben eines L’Oréal-­ Headhunters und fand sich als Key Account ­Manager wieder, mit besonderer Zuständigkeit für den Duty-Free-Markt von Peking bis Neuseeland. Das brachte viele Flugreisen mit sich, verbunden mit dem Privileg, diese exotische Welt auch mit der

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Nase zu entdecken. Schließlich vermochte sie gar – um diese Pointe eines interessanten Berufslebens noch zu erwähnen – die bereisten Länder nach der Landung am Geruch zu erkennen: Thailand ­duftete warm und süßlich, Singapur nach Mango und Orchideen, Seoul roch nach Balsamico-Essig und Hongkong im Frühling nach Wasserlilien. In Wiesbaden aber duftet es jetzt nach Jasmin. Das Dessert wird aufgetischt: Eis von Jasmin­ blüten­reis, dazu ein Erdbeersüppchen mit Chili. Im »Spice Bomb«-Glas regiert der Moschus, in Gaumen und Nase der Gäste waltet ein betören­ der Akkord aus Blüten-, Frucht- und Gewürz­ noten. Michael Kammermeier nämlich hat zum guten Schluss den Duftspieß umgedreht und der Parfümeurzunft seinerseits eine respektable Vor­ gabe gemacht: für einen floralen Gourmand-Duft, dem nur noch der passende Markenname fehlt. Wie wäre es mit »Eau de Canard«, Frau Breuer?  >


Mit Gaggenau beginnt perfekter Weingenuss schon vor dem Öffnen der Flasche.

Der Unterschied heißt Gaggenau. Zum Genuss gehört immer auch das Warten auf den perfekten Moment. Genau das wird mit unseren Weinklima geräten zum sinnlichen Erlebnis: Sie erfreuen das Auge und bestehen aus Materialien, deren besondere Güte fühlbar ist. Zudem reifen Ihre Schätze hier auf vibrationsarmen Flaschenablagen in separaten Klimazonen. Der Anspruch ist dabei der gleiche, den Sie auch an exzellente Jahrgänge haben: Perfektion für alle Sinne. Informieren Sie sich unter 089 20 355 366 oder unter www.gaggenau.com.


Funkelnde Fe Acht grosse Weine der Toskana Toskana – das Synonym für traumhafte Landschaft, faszinierende Geschichte, groß­ artige Küche und Weltklasseweine. Gleich­ wohl ist die Region im Herzen I­ taliens kein gleichtöniges Paradies, s­ ondern ein überaus facettenreiches Abbild genuss­ voller Lebensart: rund um die Hauptstadt ­Florenz die Hügel des Chianti ­Classico, im Süden die bildhübschen Weinstädtchen ­Montalcino und Monte­pulciano, entlang der Küste im Westen die Maremma. Und so vielseitig wie die Region sind auch ihre Weine. Sangio­vese gibt es gleich in m ­ ehreren Spielarten – von den feingliedrigen Prima­ donnen aus dem Chianti C ­ lassico bis zu den machtvollen ­Granden aus ­Montalcino. Daneben haben sich C ­ abernet Sauvig­non und ­Cabernet Franc sowie vor allem auch Merlot angesiedelt – als ausgezeichnete Solisten ebenso wie als strukturierendes Begleit­personal zum Sangiovese in moder­ nen Cuvées.

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ngefangen hat die globale Weingeschichte der Toskana ganz schlicht: mit dem berühmten Fiasco, der bauchigen, bastumwickelten Chianti-­ Flasche, die mit dem aufkommenden Tourismus der 1950er Jahre ihren Weg über die Alpen fand. Noch bis in die siebziger Jahre war der darin abgefüllte Zechwein vor allem dünn und säuerlich – auch ein Fiasko. Doch schon bald entstanden Parallel­wein­ welten, die den Ruf der Toskana nicht nur rehabi­ litierten, sondern sie zu einer der führenden Wein­ regionen avancieren ließen. Die neue Zeitrechnung begann mit der Liebe zu einer Frau. Sie führte den Marchese Mario Incisa della Rocchetta aus dem Piemont in die Maremma. Bald schon pflanzte er Cabernet Sauvig­non in der Nähe seines Land­sitzes San Guido an und nannte den Wein nach dem Boden, der ihn prägte: ­Sassicaia, nach den vielen Steinen (sassi). Zunächst war der Sassicaia nur für den Hausgebrauch gedacht, doch 1968 kamen erstmals dreitausend Flaschen auf den Markt – abgefüllt als einfacher Vino da tavola und

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2009 Tignanello Rosso di Toscana ITG, Marchesi Antinori

2008 Cepparello IGT, Tenuta Isole e Olena

Vor allem der Spielraum, der der klaren Kirsch­ Ein Sangiovese, der es mit Cabernet aufnehmen frucht eingeräumt wird, die jugendliche Straff­ kann. Im ersten Moment wild, dann aber auch heit der Säure, der schlanke Körper und die auf­ ­wieder ganz sanft. Überraschend hohes Tannin, reizende Leichtigkeit weisen auf Sangiovese als sehr griffig, feinkörnig. Die Säure lebhaft, aber glatt, Haupt­rebsorte hin, das markante T ­ annin und die und eingebunden in eine reife Kirschfrucht. Deut­ Würzigkeit bringen fünfzehn Prozent Cabernet liche Holzaromatik von Toast, Tabak, Kaffee. Sehr Sauvignon und fünf Prozent Cabernet Franc mit. konzentriert, mit dicht verwobener Textur. Ein Eleganter Typ. moderner Klassiker.

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Festbegleiter Von Caro Maurer MW  Fotos Guido Bittner

2008 L e Pergole Torte, Azienda Agricola Montevertine

2009 Ornellaia, Bolgheri Rosso Superiore, Tenuta dell’Ornellaia

2008 Paleo, Azienda Agricola Le Macchiole

Ein Wein, der im ersten Flight aus der Reihe fiel – Bordeaux-Format, aber reifer, süßer, zugänglicher Zunächst wirkte der Wein leicht staubig, die helle was ihn gerade deshalb besonders interessant als das Original aus Frankreich: intensive opake Frucht mit Himbeere und Johannisbeere, dazu die machte. Ein klassischer Sangiovese, in der Farbe Farbe, opulente Frucht aus Pflaume, dazu Kirsch­ rote Paprika erinnern zwar an Cabernet S ­ auvig­non, hell, die Säure hoch und nervös, das ­Tannin eine pralinen, Zeder, Tabak, edelbittre Schokolade. Alle aber Graphit- und grüne grasige Noten ­lenken geschliffene Randerscheinung, dazu eine brillante Komponenten sehr gut integriert. Trotz Fülle wahrt davon ab. Auch im Mund ist er schlanker, straff Kirschfrucht. Eine eigenwillige, heraus­ragende der Wein bis zum langen Finale seine Eleganz. Ein strukturiert und zugleich sehr druckvoll. Die Erklä­ Erscheinung von verführerischer Leichtig­keit. hedonistischer Typ. rung: Cabernet Franc. Erst nach einiger Zeit im Tradi­tionelle Stilistik. Glas öffnet er sich. Ein Individualist, der durch seine subtile Art berührt.

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nicht als DOC-Wein, weil er wegen des Cabernets die Voraussetzungen fürs Prädikat nicht erfüllte. Mit ihm begann die Ära der Supertoskaner. Viele folg­ ten seiner Erfolgsspur: Tignanello, Solaia, Ornellaia, um nur einige berühmte Namen zu nennen. Zugleich entdeckten qualitätsbewusste Winzer die Weinberge rund um Montalcino als ausgewiesene Heimat für feine Gewächse. 1968, als der ­Sassicaia erstmals verkauft wurde, gab es dort nur rund fünfzig H ­ ektar mit Reben, deren Ertrag von gerade mal dreizehn Winzern zu Brunello ver­ arbeitet wurde. Heute sind es fast zwanzig Mal so viel. Ob Vino Nobile

2009 Monteverro, Tenuta Monteverro

di Montepulciano oder Morellino di Scansano – immer neue Regionen tauchten auf der Weinlandkarte auf. Auf die Erneuerer folgten die Traditio­ nalisten. Im besten Fall t­ rafen beide aufeinander. So entstand in den letzten fünfzig Jahren ein reizvolles Kaleidoskop an Stilen, dessen ganze Bandbreite sich bei einer Blindprobe in Wiesbaden von seiner besten Seite zeigte. Acht Spitzentoskaner – jeder für sich ein funkeln­ des Puzzle-Teil, zusammen ein prachtvolles Mosaik dieses gesegneten Land­ strichs –, die wir Ihnen nicht nur zu den bevorstehenden Fest­tagen aufs wärmste anempfehlen können.

2009 Solaia Marchesi Antinori, Rosso di Toscana IGT, Tenuta Tignanello

Der Inbegriff für eine Bordeaux-Cuvée aus der Maremma: ausgereifte schwarze Kirsch­ frucht, kombiniert mit Banane – ein kapriziös Zieht seine klassisch elegante Linie bis zum beein­ an­mutendes, aber überaus reizvolles Zusammen­ druckenden Finale konsequent durch. Sehr klar, spiel. Das ­Tannin samtig, die Säure prägnant, aber sehr direkt, sehr schön geschliffen. Eine präzise eingebunden, überzeugende Konzentration, mund­ definierte Kirschfrucht, eine seidige Textur, eine füllender Extraktreichtum und dicht gewobene markante, aber distinguierte Säure, die unaufdring­ Textur. Hinter­lässt nachhaltigen Eindruck. Der lich die Struktur gestaltet. Das Tannin spielt nur im ­Monteverro aus dem Süden der Toskana bewies, Hinter­grund eine Rolle. Als aufgedeckt wird, dass wie sich herausstellte, dass es immer noch unent­ es ein Solaia ist, erklärt sich die schlanke Silhouette deckte und zugleich vielversprechende Ecken in durch einen Anteil von zwanzig Prozent Sangio­ der Maremma gibt. vese zum Cabernet. Sehr attraktiv. 18

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2006 Sassicaia, Tenuta San Guido Schon in der Nase dominieren die typischen Cabernet-­Noten mit all ihren Begleiterschei­ nungen durch den Ausbau in französischer Eiche: ­Cassis, Brombeeren, Paprika, Zeder, Tabak, Mokka, Süßholz. Zeigt erste Spuren von Reife in der Farbe (leicht rostbrauner Rand) und im Geschmack (Leder). Das ­Tannin ist immer noch stoffig, die Säure lebhaft, der Abgang druckvoll. Braucht Luft, um seine Größe zu entfalten.  >


the new fragrance

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Cate Blanchett


Gans

Chronologie eines Weihnachtsfrevels Von Bernd Fritz Fotos Johannes Grau

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as Städtchen Laufen an der Salzach – ein besserer Ort für die Revolutionierung der Weihnachtsgans, des Festtags­bratens schlechthin, lässt sich kaum finden. Zum einen, weil es sich bei dem unchristlichen Akt um eine bayerisch-­ österreichische Kooperation handelt: Markus Meindl, bajuwa­ rischer Ledermodeschöpfer und Besitzer eines gänsebestück­ ten Bauern­hofs, als Gastgeber und Roland Trettl, langjähriger Patron des Salzburger Sternerestaurants Ikarus, als Gans­brater. Zum andern, weil die Salzach hier den Grenzfluss spielt. Am österreichischen Ufer liegt Oberndorf, in dessen Nikolaus­ kirche zu Weihnachten 1818 erstmals »Stille Nacht, heilige Nacht« ertönte, auf der Laufener Seite liegt der Bunga­low des Gastgebers mit Blick auf ein weiteres kirchliches Bauwerk, die Oberndorfer Kalvarienberg-Kapelle. Verbunden sind L ­ aufen und Oberndorf durch ein frühes Zeugnis erfolgreichen bilate­ ralen Zusammenwirkens: die 1902 im Jugendstil erbaute

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Salzachbrücke, eine der schönsten ­eisernen B ­ rücken ­Europas, deren steinerne Pylonen vier flügelschlagende Bronze­gänse, pardon, -adler krönen.

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as Markus Meindl und Roland Trettl verbindet, lässt sich in die Worte fassen: »Genuss ist jede Sünde wert«. Das hedonistische Motto prangt in großen Kupferlettern in der Meindlschen Küche, dem Schauplatz des kulinarischen Gänse­frevels für sechs Personen. Die erste Sünde wider die Tradition offenbart der Anblick des bratfertigen Wasser­vogels. Auf der Arbeitsplatte liegt kein ganzes gerupftes Tier, bereit, ­dressiert und gefüllt zu werden, sondern ein enormer Fleisch­ batzen, flach wie das Filet einer riesigen Flunder. Es ist eine komplett entbeinte Gänsehälfte, auf der Hautseite einge­ ritzt und mit heller Sojasauce eingerieben. Die zweite Sünde ist ein im ­Ganzen vorgegarter Kohlkopf, der sich nach dem


und gar Der Südtiroler und der Bajuware: Roland Trettl, Salzburger Sternekoch, und Markus Meindl, bayerischer Trachtenmodeschöpfer und Bauernhofbesitzer, haben grenzüberschreitend einen sündhaft guten Gänsebraten erschaffen.

Die Uhr zeigt 14 Uhr 15. Roland Trettl legt die weiße Kochjacke an, nimmt einen Espresso sowie einige Schlucke Wasser und wuchtet die schwere Gussbratpfanne (Durch­ messer fünfzig Zentimeter) auf das Ceran-Kochfeld. Hinein kommt eine gute Portion Gänseschmalz, das mit sog. Lack (siehe Rezept) verrührt wird. Ob das Bratfett die ­richtige Hitze erreicht hat, prüft Trettl (die nächste Sünde) mit dem Finger. Das kann er gefahrlos tun, denn es soll nämlich nicht, wie bei Oma, spritzen und brutzeln, sondern nur warm ­werden, damit das Brustfleisch saftig bleibt. Sobald etwa Badewasser­ temperatur erreicht ist, wird der Gansfladen mit der Fleisch­ seite aufs Schmalz gebettet, hin und wieder damit begossen, sonst aber in Ruhe gelassen. Entfernen der äußeren, schwarz-braun gewordenen Blätter als Weißkraut entpuppt und ketzerisch die klassische Rotkraut­ pflicht verneint. Zur dritten Sünde, der Wahl des begleiten­ den Weins, kommen wir später. Bevor er loslegt, bekennt der gebürtige Südtiroler Trettl noch, dass er sich in seiner Kochlaufbahn bis dato dem Gans­braten bewusst verweigert habe, weil man gegen Groß­ mutters Weihnachtsgans, die im Geschmacksgedächtnis des ­Publikums unantastbar residiere, ohnehin keine Chance habe. À la bonne heure!

14 Uhr 33. Unser Koch nimmt sich den Kohlkopf vor und schneidet ihn in Spalten. Wir dürfen kosten und staunen: ­Welches Geschmackspotential doch selbst in einem gewöhn­ lichen Weißkraut steckt, wenn es nur richtig gegart worden ist! Und zwar ohne jede Zutat drei Stunden lang bei 150 Grad

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Der Weihnachtsbraten und der Weiß­kohl­kopf: So unkonventionell wie Markus Meindl und Roland Trettl sind auch ihre Gar­methoden. Während der Weißkohl erst schwarz wie die Sünde werden muss, darf die Gans es lammfromm sanft angehen lassen.

in der Backröhre. Die Spalten werden auf einer Porzellan­ platte verteilt; auf einem Teller daneben befremdet die nächste Sünde: exotisch-gelbe Schnitzen der Kaki-Frucht anstelle von Omas heimischen Bratäpfeln. Während Roland Trettl fleißig die Schmalztemperatur prüft und das keine Spur von Garung zeigende Gänsefleisch begießt, öffnet Markus Meindl schon mal den Wein. Nicht um des Dekantierens willen, sondern um ihn gleich in die Gläser zu gießen, damit wir nicht verdursten. Denn es ­handelt sich mitnichten um einen tanningestützten Roten, den klassischen Gansbratenbegleiter, sondern um einen jungen C ­ hardonnay aus der Steiermark. Und man muss zugeben: Der 2011er Morillon von Tement ist tatsächlich diese Sünde wert.

Junglauchs. Die Spannung steigt. Um 15 Uhr 02 kommt der Kohl in den Ofen, um 15 Uhr 07 hat das Schmalz in der Pfanne eine Temperatur erreicht, die den Finger-Test riskant macht. Da nimmt Trettl die Gansflunder heraus und legt sie auf ein Backblech – nicht ohne zuvor etwas von der Brust abzu­ schneiden und uns kosten zu lassen. Oma würde sagen: Noch roh! Wir aber sagen »Hhmm!« zu dem zarten und ­saftigen Schnitzelchen.

15 Uhr 12. Der Kohl kommt aus dem Ofen, die Gans hin­ 14 Uhr 52. Die Kohlspalten werden mit Schmalz aus der ein. Im Minutentakt geht Trettl mit der Temperatur hoch: Pfanne benetzt, mit Aluminiumfolie abgedeckt, und der Back­ 230 Grad, dann 240. Vier Minuten später hat der Küchen­ ofen wird auf 210 Grad Oberhitze eingestellt. Dann stellt pinsel seinen ersten Einsatz. Auf die Gänsehaut wird Lack Roland Trettl ein Deckelglas mit einer Vinaigrette in Reich­ gestrichen, gleichmäßig und schwungvoll im Stil von Oskar weite, desgleichen einen Napf mit gehackten Cashew-Nüssen, Kokoschka. Schon zeigt sich die erste goldene Bräune, da dreht Sesam und Gewürzen, dazu legt er ein Bund thailändischen Trettl den Schalter auf 295 Grad – »Hau rein!«. Die Kohl­ spalten werden in der nun freien Gänsepfanne kurz kräftig gebraten, rasch wird der Thailauch klein geschnitten – »Nur das Grüne!« –, und um 15 Uhr 23 heißt es: Gans raus! 15 Uhr 27. Es wird angerichtet. Der Koch persönlich ­ordnet die Kohlspalten nebeneinander in einer großen flachen Servier­schüssel an, während in der abermals freien Pfanne die Vinaigrette erhitzt wird, ein sündhaft köstlicher Sud aus den

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WIE SCHÖN, DASS EINE HELLE FREUDE SO SCHWARZ SEIN KANN. Seit 1543 arbeiten wir daran, Köstritzer zu der

Um schließlich vom einzigartigen Geschmack

Spezialität zu machen, die es ist. Deshalb ver-

verwöhnt zu werden, der sich im Mund entfaltet:

wenden wir nach alter Tradition nur besonders

Die feinen Kräuter- und Röstaromen verleihen

hochwertige

ausgesuchte

Köstritzer eine unverwechselbare Note und rufen

Hopfendolden, erstklassige Braugerste, kris-

Erinnerungen an Haselnuss und Esskastanie wach.

tallklares Quellwasser und unser charakte-

In dieses vielschichtige Aroma zaubert die zart

ristisches Röstmalz. Dazu setzen wir auf die

prickelnde Kohlensäure ihre Frische und

lange Erfahrung unserer Braumeister. Erst

Eleganz. Und wenn der Schluck ausklingt, dann

dadurch entsteht die Spitzenqualität, die eine

langsam – mit angenehmen, wermutartigen Bitter-

Premiummarke wie Köstritzer ausmacht.

tönen und malziger Süße. Wie ein guter Abend.

Weil unser Schwarzbier ein vielschichtiges Erleb-

Wer unser Köstritzer probiert, wird nicht nur

nis ist, empfehlen wir, sich dafür Zeit zu nehmen.

viel Freude daran haben. Sondern auch wissen,

Gerne in guter Gesellschaft. Und wer sich dann

warum so ein Bier besonders bei gutem Essen

auf dieses Bier einlässt, wird von all seinen

einen festen Platz hat. Erst recht bei besonderen

Sinnen belohnt. Zuerst mit einem Duft von

Genießern. Und davon gibt es einige. Wer sonst

Salbei,

hat Köstritzer zum beliebtesten Schwarzbier

Zutaten:

gerösteten

sorgfältig

Esskastanien,

dunklem

Honig und Landbrot, Bitterschokolade, Kaffee und Karamell in der Nase. Dann mit dem feinporigen, cremefarbenen Schaum auf der Zunge.

Deutschlands gemacht?


Die Gaumenfreude und die Leichtigkeit: Das Festmahl, das in Markus Meindls Küche mit dem in Kupfer getriebenen Credo entstand, war ein Genuss ohne Reue und »jede Sünde wert«.

gehackten Gansknochen und anderen verboten guten Ingre­ seinerzeit nach Omas klößebestückten Kalorienorgien, in dienzen (siehe Zutaten). Für den dunkelbraun knuspernden Richtung Knie oder nötigt uns zur Einnahme von Ver­dauungs­ Gansbraten aber gibt es keine Servierplatte. Er wird – sündiger hilfen. Mithin ein Genuss ohne Reue resp., theologisch gewen­ geht’s nimmer – aufgeschnitten wie eine banale Entenbrust det: eine Schlemmerei, mit der wir ausnahmsweise nicht im Thai-Imbiss und auf dem Kohl verteilt. Alsbald leisten den gesündigt haben.  > Gansscheiben die Kaki-Schnitzen Gesellschaft, und auf alles rieselt die Cashew-Gewürz-Lauch-Mischung. Zum Schluss – es schlägt Dreizehn, pardon, es ist 15 Uhr 35 – gießt Roland Trettl noch die Vinaigrette der unfrommen Denkungsart dar­ über und schafft auf der Tafel Platz für die wahrhaft ganz und gar andere Weihnachtsgans: »Mahlzeit!« 16 Uhr 25. Die Kohl-Kaki-Gans-Schüssel ist ganz leer­ gegessen, verputzt bis auf den letzten Tropfen Sud und das letzte Sesamkörnchen! Ein Kompliment, wie es sich Koch und Gastgeber größer nicht wünschen können, zumal zu Weihnachten. Vorspeise und Dessert wurden nicht vermisst, und der Chardonnay hielt die harmonischste Zwiesprache mit den Aromen der Fleisch-Obst-Gemüse-­Assemblage. Auch u ­ nserem Magen geht es bestens. Nichts zieht ihn, wie

Gans ganz anders 1 Gans von etwa 3,5 kg, halbiert und hohl ausgelöst. Die Haut fein einritzen und mit heller Sojasauce eine Stunde vor dem Garen einpinseln. 200 g Gänsefett

Lack 150 g Zucker und 50 g Palmzucker karamellisieren lassen 200 ml Orangensaft und 200 ml Zitronensaft angießen und kochend auf die Hälfte reduzieren 25 g Ingwer, in Scheiben geschnitten 2 Zitronenzesten 2 Orangenzesten 1 Zitronengrasstange, in Stücke geschnitten 1 Teelöffel rosa Pfeffer Alles zu der heißen Reduktion geben, eine Stunde ziehen lassen und abpassieren

Kaki Persimon 3 Kaki Persimon schälen und in je 12 Spalten schneiden 35 g Reisessig 1 Messerspitze gemahlenen Koriander 20 g Sojasauce 40 g Orangensaft 40 g Olivenöl Alles am Vortag in eine Schüssel geben und abgedeckt stehen lassen. 24

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Vinaigrette 400 g Gänseknochen, klein gehackt, und 120 g Schalotten, geschält und geschnitten, in Maisöl gleichmäßig anbraten 50 g Butter 20 g Ingwer 3 Orangenzesten 160 g Orangen-Fruchtfleisch Alles kurz mitrösten lassen 1 l Wasser aufgießen, 1 Stunde leise köcheln lassen, passieren Auf 300 g Sud 75 g Nussbutter 50 g Sushi-Essig 30 g Sojasauce

Gewürz-Nuss-Mischung 20 g Sesam, weiß geröstet 90 g gehackte Cashewkerne 2 g gemahlener Koriander 2 g Cayenpfeffer 5 g grobes Meersalz 10 g thailändischer Junglauch (oder Schnittlauch)


COLB AT Z KY

Wir erzeugen keine Modeweine, sondern Glücksmomente. Unsere Winzer rennen nicht dem Mainstream hinterher, um „in“ zu sein. Lieber gehen sie neue, oft auch außergewöhnliche Wege. Dabei konzentrieren sie sich auf Geschmackserlebnisse, die lange in guter Erinnerung bleiben. Und das macht den Unterschied – zum Glück. Mehr Wissenswertes unter rheinhessenwein.de


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Geschenkideen für ein Fest der Sinne Von Alena Schröder Fotos Guido Bittner

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ibt es ein sinnlicheres Fest als Weih­nachten? Keine Zeit im Jahr ist so stark mit ­Düften, ­Aromen, Geschmäckern verbunden, mit Ein­ drücken, die uns ein Leben lang in Erinnerung ­bleiben. Selbst ­Kinder – sonst ja eher an den ­materiellen Segnungen des Festes interessiert – freuen sich auf den Duft von Tannen­nadeln, Brat­ apfel und Gänsebraten, den Geschmack der Weih­

nachtsplätzchen, die das schier unend­liche ­Warten Socken von Tante Elfie? Möglich. Deutlich ­klarer auf die Bescherung versüßen, während sie Ritter­ jedoch wird ­manchem das Prickeln des Cham­ burg und Spiele­konsole vom Vorjahr längst ver­ pagners im Gedächtnis sein, mit dem auf den gessen haben. Und die G ­ roßen? E ­ rinnern die sich ­Heiligen Abend angestoßen wurde. Oder der noch an die neue Krawatte oder an die ­warmen Duft jener M ­ enschen, denen wir uns an solchen Tagen be­sonders nah f­ ühlen. Es spricht also alles dafür, auch beim S ­ chenken alle Sinne anzuspre­ chen. Darum: (be)sinnliche Weihnachten!

Für Orientalisten

Für Lichtgestalten

Aramis Caligraphy Rose. Ein Damen- und Herrenduft wie aus Tausendundeiner Nacht: Rosen-Absolue und Safran-Akzente, Myrrhe und Styrax sowie ­französischer Laven­del. Den Flakon ziert eine elegante Skizze des ­Wortes »Rose« in arabischer Schrift, geschaffen von Grafik­ designer Tarek Atrissi.

Elie Saab Le Parfum Eau de Parfum Intense. Das ganz spezielle Licht kurz vor Sonnen­untergang hat Elie Saab, den Modezauberer, der die Weiblichkeit feiert, zu diesem sinnlich-femininen Duft inspi­ riert. Die leuchtende Frische von Orangenblüten wird be­ gleitet von mildem Rosenhonig, Amber und Patschuli-Noten.

Für Musikliebhaber Krug Sounds. Dem ganz speziellen Sound der Krug Grande Cuvée kommen Champagnerfreunde mit dieser Geschenk-Box auf die Spur: Eine Soundmuschel sowie die CD des Komponisten und Sounddesigners Michael Meinl machen die Welt des Champagners auch akustisch erlebbar. Und ein Fläschchen nebst zwei Gläsern ist natürlich auch dabei.

Für Rosenzüchterinnen Roses de Chloé Eau de Toilette. Die zartrosa Geschenkschleife ist schon dran an dem Flakon mit dem blumigen Duft von Chloé: Damaszener RosenEssenz, spritzige Bergamotte und moderne Magnolientöne. Auf der Haut bleibt eine Spur von weißem Moschus und Amber – das Markenzeichen des Dufthauses Chloé.

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Für Liebesgöttinnen Dom Pérignon by Jeff Koons. So sieht es aus, wenn Ober­ flächenspezialist Jeff Koons die Venus von Willendorf inter­pretiert. Doch entschei­ dend sind natürlich die inneren Werte dieser Geschenkbox: Eine Flasche Dom Pérignon Rosé Vintage 2003.

Für Blumenfreundinnen Florabotanica Balenciaga. Ein ebenso wunderschöner wie mystisch-geheimnisvoller Blumen­garten – diese Vor­ stellung muss Pate gestanden haben bei der Kreation von Florabotanica aus dem Haus Balenciaga. Dunkle Amber-, Vetiver- und Caladium-Töne treffen auf frische Nelken-, ­Rosen- und Mint-Akkorde.

Für Junggebliebene

Für coole Hunde

Für Prachtkerle

Lancaster Cellular Elixir 365 Intense. Über diese Kostbar­ keit freuen sich Damen jeden Alters: Das edle Serum aus dem Hause Lancaster zieht besonders schnell ein, duftet angenehm, reduziert Fältchen, schützt die Haut und erhält ihre jugendliche Spannkraft.

Veuve Clicquot Metal Fridge. Perfekt, wenn sich das Schöne so stilvoll mit dem Praktischen verbindet: Diese Flasche Veuve Cliquot kommt im eigenen Kühlschrank. Die Geschenkbox im coolen Fünfziger-JahreLook hält den Champagner rund zwei Stunden lang auf optimaler Trinktemperatur.

Aramis Gentlemen. 1964 brachte Aramis seinen aller­ ersten Herrenduft auf den Markt – »Aramis Gentlemen« ist nun die moderne Weiter­ entwicklung dieses Klassikers: Noten von Zederholz, schwar­ zem Pfeffer, Myrrhe, Amber und Ingwer setzen den Mann von Lebensart heute olfakto­ risch in Szene.

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Für Scharfsinnige

Für Goldkehlchen

Jil Sander Ultrasense. Eine Aura von Stolz, Kraft und Charme umgibt den Träger dieses Herrendufts: Klar, minimalistisch und schlicht in der Optik, besticht das Parfüm durch das Zusammenspiel von Bergamotte, würzigem schwarzem Pfeffer, Salbei und Tannenbalsam sowie sinn­ lichem weißen Moschus.

Moët & Chandon Glimmer Chiller Box. Festlich schim­ mernd und gut gekühlt präsen­ tiert sich der Moët Impérial in dieser zeitlos eleganten Gold­ box. Geschlossen hält sie den Champagner zwei Stunden lang auf Trinktemperatur, geöffnet dient sie als stilvoller Kühler auf der Festtagstafel.

Für Gesalbte

Für Ökologen

Für Märchenfeen

Musc for her Narciso ­Rodriguez. Stets trägt Narciso Rodriguez eine Phiole mit ägyptischem Moschusöl bei sich – als Talisman. Auch bei diesem Damenduft bildet jene Essenz die Basis, umhüllt von blumigen und holzigen Noten. Das Oil Perfume beschert ­seiner Trägerin schon beim Auftragen das größte Ver­ gnügen.

Ruinart in Holzkisten, das hat Tradition. Schließlich war das Champagnerhaus das erste, das schon 1769 seine kostbaren Flaschen so für den Transport schützte. Der holländische Möbel­designer Piet Hein Eek, der seit Jahren Altholz ver­arbeitet, weil er von seiner Patina fasziniert ist, hat für den Blanc de Blancs diesen ­robusten Schrein gebaut.

Armani Privé Myrrhe ­Impérial. Myrrhe – eine der Gaben der heiligen drei Könige – ist be­ kannt für seine moschusartige, warme und rauchige Aura und bildet zusammen mit Safran, Benzoin und Amber das olfak­ torische Herz dieses Parfüms aus der »Collection des Mille et Une Nuit« von Armani. Eine Duftreise in den Palast von Scheherazade mit dem betö­ renden Zauber des Orients.

Für Charismatiker

Für Rock-Stars

Für Rebellen

YSL L’Homme Parfum Intense. Die intensivere und temperamentvollere Variante des ikonischen Herrendufts L’Homme verleiht dem Träger die Ausstrahlung eines un­widerstehlichen Dandys: ­Frische Zitrusnoten, ge­ paart mit schwarzem Pfeffer, maskulinen Zedernholz- und Wildleder-Akkorden sowie sinnlichen Noten aus Veilchen­ blättern und Orangenblüten prägen diesen Duft.

Veuve Clicquot ­Fashionably. Der Inhalt ist zeitlos, die Verpackung à la mode: Diese Flasche Veuve Clicquot Brut kommt in einer ganz be­ sonderen Geschenkbox mit praktischem Trageband daher, die sich bei Bedarf in einen Faltenrock-Kühler verwandelt.

Spicebomb Victor & Rolf. Der Flakon in Form einer Hand­ granate ist ein echter Hin­ gucker – und sein Inhalt eine Energiebombe: Frische Grape­ fruit und Bergamotte-Noten bilden mit männlichen Zimt-, Safran- und Chili-Tönen ein explosives Dufterlebnis.

Für Spezialisten

Für Tabubrecher

Hennessy Very Special. In jun­ gem, elegantem Flaschendesign präsentiert sich der franzö­ sische Traditions-Cognac Hennessy Very Special – der Inhalt bleibt gottlob derselbe: Eine Assemblage unterschied­ licher Eaux-de-Vie, die bis zu acht Jahre lang in französischen Limousin-Fässern gereift sind.

YSL Opium. Ein Skandal war die Einführung ­dieses ­Dufts im Jahr 1977: In Frankreich gab es Protest, in den USA wurde es verboten, ein Gutachten ­musste her. Kein Duft steht so stark für die Befreiung der Frau. Sein betörendes Zusammen­ spiel aus floralen, orienta­ lischen und würzigen Noten hat Opium zum Kult gemacht. Zum Fest präsentiert es sich im opulenten limitierten Flakon.

Für bunte Falter Issey Miyake Pleats Please. Falten machen glücklich? Die von Issey Miyake, dem König der Plissees, auf jeden Fall. Denn sein »Pleats Please« ist ein Duft, der gute Laune macht, Fröhlichkeit und Optimis­ mus ausstrahlt. Ein Bouquet aus Pfeilchen, Pfingstrosen und Wicke trifft auf Patschuli, Zedern­holz und Vanille.

Für Romantikerinnen Issey Miyake L’Eau d’Issey Absolue. Der Duft von Nacht­ jasmin, Honig und Vanille, das goldene Licht des Sonnen­ untergangs, eingefangen in einem so schlichten wie elegan­ ten Flakon – so zeigt sich L’Eau d’Issey Absolue. Dieser Duft ist nicht einfach eine intensivere Variante des berühmten Klassi­ kers von Issey Miyake, sondern eine ganz neue und eigene Interpretation.

Für Optimisten

Für Sonnenhungrige

Georgio Armani Sì Eau de ­Parfum. Ein klares Ja zur Lebens­freude ist dieser Duft von Armani, der die drei ­Akkorde Cassis-Nektar, moder­ nen Chypre und zarte MoschusHolz-Noten zu einer ebenso eleganten wie aufregenden Komposition ­zusammenfügt. Das Design des Flakons spiegelt die ­Philo­sophie des Mode­ schöpfers perfekt wider: Pure, essentielle Finesse, befreit von allem Unwesentlichen.

Michael Kors Sexy Amber. Der Designer Michael Kors steht für einen unkomplizier­ ten, ­frischen, sonnenverwöhn­ ten Look, dessen Sexappeal uns jetzt auch in Form eines Dufts begegnet: Kostbarer Amber, gehüllt in Sandelholz und ­Moschus, gepaart mit ­spritzigen ­Orangen- und Manda­rinen-Noten beschert eine Vor­ahnung auf den ­Frühling.

Für Traditionalisten Giuseppe Giusti Aceto Balsamico di Modena »Lo Scrigno«. Diese Schatzkiste wurde einst eigens für Startenor Luciano Pavarotti angefertigt – nun ist sie auch für Balsamico-Freunde jenseits der Opernbühne zu haben. In fünf Champagnotta-Flaschen bringt das Haus Giuseppe Giusti die Bandbreite seiner erlesenen Essige zum Ausdruck, in fünf weitere kleine Fläschchen ist ausgesuchter, bis zu fünfzig Jahre alter Balsamico aus antiken Fässern abgefüllt.

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Die Stille vor dem Schnitt Gesumino Pireddu ist einer der letzten Maîtres, die das Tranchieren vollendet beherrschen – der Meister einer fast vergessenen Kunst Von Till Ehrlich Fotos Marc Volk

Als Gesumino Pireddu im Berliner Restaurant Margaux zum Tranchieren einer BressePoularde von Kultzüchter Jean-Claude Miéral ansetzt, strömt die Oktobersonne durch die große offene Glasfront in den edlen Gastraum am Pariser Platz. Eine Handvoll ­Touristen bleibt draußen auf dem Bürgersteig stehen und filmt mit Smartphones den fein­gliedrigen Mann, der auf der anderen Seite der Glasscheibe auf einem kleinen Tisch mit eleganten, schnellen Bewegungen eine gebratene Poularde zerlegt.

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evor Pireddu die Klinge ansetzt, scheint er für den Bruchteil eines Augenblicks inne­zuhalten. Dann sitzt jeder Handgriff. Es wirkt alles sehr ein­ fach, die Klinge tanzt, gleitet und tastet, als sei sie die Verlängerung seiner Hände. Das Zerlegen geschieht bei Gesumino Pireddu ohne Stocken, ohne sichtbare Kraftanstrengung – mit Grazie und Eleganz. Der Trancheur wirkt hoch­konzentriert und gelassen zugleich. Alle Aufmerksamkeit ist auf den Akt des Zerlegens gerichtet – ein zeitloses Ritual. Herr Pireddu, wie ihn Meisterkoch Michael Hoffmann auch nach Jahrzehnten der Zusammen­ arbeit noch nennt – die beiden ­kennen sich noch aus Münchner Zeiten – kam 2006 ins Margaux. Er galt als Grand Seigneur des Service, als Mann der Alten Schule, dessen Name mit der ruhm­ reichen Ära der deutschen Spitzen­gastronomie ver­bunden war. Für Eckhart Witzigmann im legendären Drei­ sterne­restaurant Aubergine in München hatte er den Service mit unaufgeregter Perfektion geleitet, vom ersten bis zum letzten Tag. Anmutig, uneitel und akkurat, leise und zuverlässig wie ein Schweizer Präzisionsuhrwerk. Sechzehn Jahre lang. Danach

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hatte er sein eigenes Sternerestaurant geführt und war schließlich nach der Jahrtausendwende nach Berlin gekommen, wo er in Spitzenrestaurants wie dem Vitrum im Ritz Carlton wirkte.

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m ein neues großes Kapitel der deutschen Sterneküche gemeinsam aufzuschlagen, ­fanden die zwei Meister der Spitzengastronomie im Jahr 2006 noch einmal zusammen: der k­ reative, kompromisslose Witzigmann-Schüler Michael Hoffmann und Gesumino Pireddu, der feine leise Könner aus der längst Geschichte gewordenen Münchner Aubergine. Das Margaux wurde in den folgenden Jahren zu einem Ort, an dem die Gastronomie radikal erneuert wurde, ohne die Tradition zu zerstören. Während die damals sensationelle Molekularküche im Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit stand, schuf Michael Hoffmann abseits des Zeitgeists eine seriöse moderne Küche, die magisch ihre Energie entfaltete. Obgleich Michael Hoffmann, Meister der avantgardistischen Kräuter- und Gemüse­küche, als erster Spitzenkoch komplexe Gemüsemenüs auf die Karte setzte, wurde von Gesumino Pireddu das Tranchieren und würdige Präsentieren von Ge­flügel und Bratenstücken in Vollendung gepflegt; die Gäste wussten dies zu schätzen. Gesumino Pireddu gelang es, den Service zu entschlacken und die Kunst des Tranchierens auf ihren Wesenskern zurückzuführen: Die respekt­ volle Präsentation eines vollendet zubereiteten,


Mit Sorgfalt und Respekt: Jeder Handgriff sitzt, wenn Gesumino Pireddu das Bresse-Huhn zerlegt und tranchiert. Die Achtung vor dem Tier spricht aus jeder seiner präzisen Bewegungen, mit denen er die diamantscharfe Klinge sanft durch das Fleisch des Geflügels gleiten lässt.

liebevoll gegarten Stücks Fleisch, Geflügel oder Fisch. Die uneitle Könnerschaft, mit der Pireddu die fast vergessene Kunst des Tranchierens inter­ pretiert, stellt sich ganz in den Dienst der Sache.

adaptiert und so Teil des klassischen Service in der feinen Gastronomie. Bei Gesumino Pireddu bekommt das Tran­ chieren eine flirrende Sinnlichkeit, eine ganz eigene Ästhetik und Würde, in der das ursprüng­ as Tranchieren hat eine lange Tradition. lich ­Brutale des Aktes aufgehoben ist. Angesichts Das sachgerechte Zerlegen von Wild und industrieller Massentierhaltung und Schlachtungen, Ge­flügel, das Aufschneiden und Vorlegen des die mit grausiger Effizienz vollstreckt werden, den gegarten Fleischs geht auf die römische Antike Augen der Konsumenten wohlverborgen, drückt zurück. Doch seine Blütezeit erreichte das Tran­ dies eine radikal gegensätzliche Haltung aus, die chieren zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert: als dem getöteten Tier Achtung erweist. Facette höfischer Tafelkunst wurde es als ­virtuose Der gebürtige Sarde, Jahrgang 1951, war schon Unterhaltung zelebriert. Es war sogar Teil der in seiner Jugend von der Kultur der feinen Gastro­ aristo­kratischen Erziehung – eine Fertigkeit, die nomie fasziniert. Er wurde in den besten Grand­ mit Geschick und Schnelligkeit an der festlichen hotels Italiens und der Schweiz ausgebildet. Die Tafel zeremoniell demonstriert wurde. Später sardische Hotelfachschule in Cagliari hat er 1967 wurde es von der gehobenen bürgerlichen Küche als Jahrgangsbester verlassen. 1969 kam er in die

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Schweiz. Als eine seiner wichtigsten Stationen nennt er die Jahre im Hotel Beatus in Merligen am Thunersee, dem damals wohl besten Hotel der Schweiz, wo er in die Geheimnisse des großen ­Service eingeweiht wurde. Alles wurde tranchiert, ob Rebhuhn, Schnepfe oder Taube, Chateaubriand, Rehkeule oder Schinken, Boeuf braisé oder Krone von Lamm oder Kalb, immer dem Rhythmus der Jahreszeiten folgend, mittags und abends.

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ermanent waren drei Tranchierwagen von Christoffel aus massivem Silber im E ­ insatz, desweiteren drei Flambierwagen. Es waren die ­Zeiten von Crêpes Suzette und heißen Him­ beeren und Kirschen. Servietten wurden zu kleinen Kunstwerken gefaltet, zu Artischocken, Schwanen­ hälsen, Bischofsmützen und Fächern, der Wein in

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Mit Eleganz und Grazie: Auch das Vorlegen ist eine Kunst, die Gesumino Pireddu perfekt beherrscht. Am Ende dieses kulinarischen Schauspiels darf sich der Gast beschenkt fühlen.

funkelnden Kristallgläsern kredenzt. »Der klas­ In der Aubergine hat für Gesumino Pireddu sische Service ist mir ins Blut übergegangen. Die alles gestimmt: der Erfolg, die Anerkennung, das Zeit ist vorbei, aber es war eine Kultur, mit Sinn Gegenüber Eckhart Witzigmann. »Es war die und Erfüllung«, denkt Gesumino Pireddu an diese ­richtige Zeit«. Pireddu hat seine ganze Kraft und glanzvolle Vergangenheit zurück. Energie eingebracht. »Man hat alles gegeben, aber Dann kam der Massentourismus, alles musste man hat auch den Erfolg bekommen, man schöpfte billiger und effizienter werden. Die Köche began­ aus der Fülle, hatte hochmotivierte Mitarbeiter, die nen, die Teller schon in der Küche aufwändiger mit Begeisterung voll eingestiegen sind und jeden anzurichten. Der klassische Service verschwand Tag an ihre Grenzen gingen.« allmählich und mit ihm die alten Serviermeister; aus einem einst hochangesehenen Beruf wurde ein itzigmann hat den klassischen Service schlecht bezahlter Dienstleistungsjob, ein mono­ geschätzt und gepflegt, doch in zeit­gemäßer tones Tischeindecken, Tischabräumen. Adaption. Es gab keinen Tranchierwagen mehr, es genügte ein schlichtes Tranchierbrett auf einem och als die Nouvelle Cuisine in Deutsch­ Beistelltisch. Und die großen Braten und saiso­ land ankam, war Gesumino Pireddu zur nalen Wildgeflügel wie Rebhuhn und Schnepfe richtigen Zeit an der richtigen Stelle. 1975 ging er ­wurden den Gästen statt auf Silberplatten in nach M ­ ünchen ins Tantris auf Empfehlung s­ eines ­schönen kupfernen Kasserollen präsentiert. Dabei ­Mentors Gerd Gratze, der damals dort Maître und hat ­Gesumino Pireddu einen ganz eigenen Tran­ Restaurantleiter war. Und als Eckart Witzigmann chierstil entwickelt. im Oktober 1978 am Münchner Maximiliansplatz Statt die Brust einer Poularde, so wie es in jedem mit der Aubergine sein eigenes Gourmet­restaurant Lehrbuch steht, erst von der Karkasse abzulösen, eröffnete, war Pireddu sein Maître vom ersten Tag auf das Tranchierbrett zu heben und dann quer zur an: »Das waren ganz andere Zeiten. Man hatte Faser die Tranchen zu schneiden, trennt Gesumino einen Beruf mit Perspektiven, eine ganz andere Pireddu die Tranchen der Faser folgend mit einem Beziehung zu seiner Arbeit.« diamantscharfen langen, dünnen Lachsmesser

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direkt von der Karkasse. Sehr schnell und hauch­ dünn. Dieser Stil ähnelt dem Filieren japanischer Sushimeister, weil er eine absolute Beherrschung der Klinge voraussetzt, die von ruhiger Hand in geschwinden ästhetischen Bewegungen geführt wird. Das Lachsmesser ist flexibel, der Trancheur kann damit die Zwischenräume, die Knochen, besser überspringen und so die glatten Scheiben schneiden. Er muss schnell sein, damit die s­ chönen dünnen Tranchen nicht erkalten. »Man braucht dafür anatomische Kenntnisse,« sagt er. »Ein Perl­ huhn hat ein ganz anderes Gerüst als eine Wildente, das muss man beim Schneiden berücksichtigen.«

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esumino Pireddu hat das alles noch bei den alten Meistern gelernt und durch Übung ver­ vollkommnet. Dazu gehört auch eine entschiedene Haltung gegenüber den Produkten: Für ihn sind die Culinaria kein Selbstzweck, sie sind eng gebun­ den an den Rhythmus der Jahreszeiten mit ihrem saisonalen Gemüse, mit Fisch, Wild und Ge­flügel. Alles hat seinen Sinn. Ein Kalbsknochen verdient genau so viel Aufmerksamkeit wie ein Filet. Die Tiere kommen ausschließlich aus nachhaltiger art­gerechter Aufzucht. Wenn sie schon sterben ­müssen, ­sollen sie auch mit Sorgfalt, Meisterschaft und Respekt kulinarisch gewürdigt werden. »Wenn sich im Restaurant etwas ereignet, wenn es vor Leben sprudelt, Freude ausstrahlt – dann fühlt man sich wohl. In Österreich«, sagt Gesumino Pireddu, »ist die Gastronomie auch noch schön, fast wie in Italien, ungezwungen, aber mit Schmäh.« Er vertritt einen klaren Standpunkt: »Doch wenn Ani­ mation und Lifestyle wichtiger werden als beseelte Küche und perfekter Service, dann ist das keine Gastronomie mehr.«

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m Februar kommenden Jahres wird Michael Hoffmann das Kapitel Margaux für immer schließen. Er sagt, er brauche eine neue Heraus­ forderung, jetzt, wo er noch die Kraft dazu hat. Gesumino Pireddu wird dann, wenn hier der letzte Teller abgetragen ist und dem letzten Gast das letzte Glas Wein kredenzt wurde, wohl nicht mehr Maître sein, aber hoffentlich genug Kollegen und Lernende inspiriert haben, damit seine Kultur und seine professionelle Haltung in der deutschen Spitzengastronomie weiterlebt.  >

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THE FIRST FRAGRANCE FOR MEN


Mit dem vom Vater ererbten Winzertalent erzeugen die Brüder Oliver und Thomas Haag Mosel-Rieslinge der Spitzenklasse – jeder auf seine Art –‹•›– Von Ulrich Sautter Fotos Christof Herdt

Hier also entstehen einige der ­grössten Mosel-­ Rieslinge: in einer ganz und gar unspekta­ kulären Einfamilienhaussiedlung am Ortsrand von ­Brauneberg. In der Dusemonder Strasse parke ich m ­ einen Wagen und trete in die Dunkelheit und Kälte dieses November­ abends – dem Lichtschein entgegen, der aus einem grossen Tor fällt. Stimmen und Arbeits­ geräusche aus dem Innern des Gebäudes d ­ euten darauf hin, dass dies wohl wirklich ein Weingut ist, ein Kelterhaus. Und dann ist sie auch schon zu hören: die sonore Stimme Wilhelm Haags, des Altmeisters, der am vorletzten Tag der Lese hier und da kleine Anweisungen gibt, während sein Sohn Oliver nur kurz durchs Bild huscht – mit Dreitagebart und merklich unter Strom. Schliesslich ist er es, der hier in der Pflicht steht.

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Getrennte Wege

ehen wir erst mal aus dem Weg, und einen Schluck trinken. ­Wilhelm

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er ältere Sohn siedelt um, der jüngere führt das Familienerbe fort. Das ist ungewöhnlich. Haag, dessen herzlicher Händedruck in Pascal-­Einheiten zu beschrei­ Wie kam es dazu? Wilhelm Haag hört diese Frage ben wäre, geleitet mich in den hell und modern eingerichteten Proben­ natürlich nicht zum ersten Mal, und die Antwort darauf scheint ihm geradezu ein Bedürfnis zu sein: raum, einen Stock höher. Da geht er an den Klimaschrank und holt eine »Damals, vor der Betriebsübergabe, habe ich alle Flasche trocknen Brauneberger Ortswein heraus – »mein Hauswein«. Wir setzen uns an einen Tisch gesetzt, auch die Schwieger­töchter. Und ich habe gesagt: So machen wir’s. Wenn es und nehmen beide einen Schluck, Be­hagen breitet sich aus. So viel kristalline Klarheit, Ärger und Spannungen gibt, dann streitet nicht dazu noch am Ende eines l­ angen Tages, bereitet pures Vergnügen. Das ist der Haag-Stil untereinander, sondern kommt zu mir.« Wilhelm Haag, Jahrgang 1937, den man ohne Schmeichelei par excellence: mineralische Finesse, Balance, F ­ rische, Leichtigkeit. Diesen Stil gibt es eine der prägenden Winzerpersönlichkeiten der seit einigen Jahren gleich doppelt: einmal hier auf dem elterlichen Weingut Fritz Haag, letzten vierzig Jahren nennen kann, scheint bei der Regelung seiner Nachfolge ebenso entschei­ wo ­Oliver Haag, Jahrgang 1973, die Leitung übernommen hat. Und ein paar Kilo­meter dungs- und willensstark gewesen zu sein, wie er es weiter im Ort Lieser, wo sein Bruder Thomas, Jahrgang 1966, die ­Geschicke des Wein­ im Weinberg immer war, auf seinem kompromiss­ losen Weg zum bestmöglichen Riesling. guts Schloss ­Lieser lenkt. Er schenkt nochmal nach, da kommt nun auch Oliver die Treppe herauf, entschuldigt sich dafür, dass er grade eben keine Zeit hatte, und setzt sich in

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gemeinsames Ziel Altmeister mit jungen Könnern: Wilhelm Haag und seine Söhne Oliver und Thomas haben in der Braune­ berger Juffer gutgelaunt Verschiedenes im Blick.

Arbeitsmontur zu uns. Man sieht ihm an, dass die eingefärbtem Hochdeutsch. »Und auch später vergangenen Lesetage kein Honigschlecken waren. haben wir eigentlich nicht viel gemeinsam unter­ Morgen sollen auch die letzten Trauben im K ­ eller nommen und fast nie zusammen gearbeitet. Außer sein, für übermorgen ist schon wieder Regen ange­ während der Flurbereinigung 1990. Damals war sagt – wie so oft in diesem verzettelten Herbst Thomas aber schon im Studium, während ich, mit 2012. Oliver Haag nimmt sich ebenfalls ein Glas siebzehn Jahren, noch gar nicht so sicher war, wohin und macht ohne Umschweife deutlich, dass er den mich mein Berufsweg führt.« Gesprächsfaden nun gern selbst weiter s­ pinnen möchte: Er weiß ja, dass ich hier bin, um über ihn n der Tat sind die beruflichen Wege der beiden und seinen Bruder zu schreiben. Der Vater verab­ Brüder sehr unterschiedlich verlaufen, und dabei schiedet sich daraufhin zügig, er wohnt mit ­seiner scheint Thomas Haag, der sich letztlich, ohne das Frau Ilse ein paar Häuser ­weiter. Nah genug, um so recht zu wollen, eine neue Heimat schuf, der präsent zu sein, aber auch weit genug weg, um nicht sesshaftere zu sein: Er begann ziemlich bald nach zu stören. seinem Geisenheimer Studium 1992 als Betriebs­ Wie muss man sich, so frage ich, als wir allein leiter auf dem Weingut Schloss L ­ ieser, wo er heute sind, die Kindheit der Brüder vorstellen? War er, lebt. Bevor er das Gut im Jahr 1997 gemeinsam Oliver, oft in der Obhut des älteren Bruders? Er mit seiner Frau Ute erwerben konnte, überdauerte schüttelt den Kopf: »Wir sind ja sieben Jahre aus­ er immerhin drei Eigentümer und wechselhafte einander. Da war der Altersunterscheid einfach ökonomische Situationen. Oliver Haag hin­gegen, zu groß«, antwortet er in leicht moselfränkisch das Nesthäkchen und der jetzige Gralshüter des

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Haagschen Familienbesitzes, begann sein Berufs­ leben eher im Zickzack-Kurs und ist dabei deut­ lich weiter herumgekommen. Entscheidend nennt er sein Lehrjahr bei Helmut Dönnhoff an der Nahe: »Damals habe ich den Spaß am Weinbau entdeckt.« Das war 1991. Anschließend stockte er seine ­mittlere Reife zum Fachabitur auf und ging ebenfalls nach Geisen­heim. Dann folgten Schlag auf Schlag ­weitere Stationen: bei Christoph Tyrell auf dem Karthäuserhof, im südafrikanischen Montdu-Toit-Projekt von Bernd Philippi und ­Bernhard Breuer, auf Madeira, sowie bei Wegeler im Rhein­ gau. Im Jahr 2005 schließlich kehrte er nach Braune­berg zurück. War das eine spannungsreiche Zeit damals, als die Nachfolge des Vaters zu regeln war? »Ja, schon. Es war ja zuerst gar nicht klar, dass ich den Betrieb übernehme. Thomas als Erst­geborener war eigentlich derjenige ...« Da gerät der sonst recht forsch sprechende jüngere Haag-Bruder ins

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lächelnden Augen so etwas wie Rechenschritte zu er­kennen, während er schweigt. Die Antwort schließlich überrascht mich: »Wieviel genau, kann ich gar nicht sagen. Aber allein der Dachdecker müsste eigentlich jeden Tag für mich in die ­Kirche gehen.« Das Schmunzeln weicht einem e­ rnsteren Gesichtsausdruck: »Ich habe mich finan­ziell ordentlich aus dem Fenster gelehnt. Das war nicht so geplant. Aber es gibt nichts nachzukarten. Und der elterliche Betrieb hätte nicht für zwei F ­ amilien gereicht.«

Z ­ tocken. Dann setzt er neu an: »Nachdem T S ­ homas die Espressomaschine in Betrieb gesetzt. Nein, und seine Frau das Weingut Schloss Lieser über­ das Schloss selbst gehöre schon seit langem nicht nommen hatten, habe ich einmal gefragt: Wäre mehr zum Weingut, zum Glück. Es habe lange es nun nicht auch eine Möglichkeit, dass ich nach leer­gestanden, jetzt baue es ein Investor zum Hause zurückkehre?« Hotel um. Doch auch so sei die Sanierung der drei alten Gebäude ein Kraftakt gewesen. »Als eine Gedanken wandern zurück zum Nach­ meine Frau und ich das Weingut übernommen mittag dieses Tages, als mich Thomas Haag haben, lag keine einzige Flasche im Keller, und wir in L ­ ieser empfangen hatte, im Weingut neben hatten keinen einzigen Kunden. Aber wir haben dem von Gerüsten umstellten Schloss. Ein ­letzter es allein aus den laufenden Einnahmen geschafft, ­Bottich Trauben stand auf dem Hof, die Lese war alles wieder in Schuss zu bringen.« Gleich­zeitig praktisch vorbei. Ein sichtlich gelöster Winzer hat das Ehepaar noch drei Kinder groß­gezogen, hatte mich in einen zum Verkostungsraum umge­ die älteste ­Tochter ist bereits im ­Studium: Deutsch bauten Saal gebeten und dann erst mal geduldig und Englisch auf Lehramt. Thomas Haag spricht

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So felsenfest geerdet sieht Oliver Haag auf seinen Erfolg. Ihm hat sein Vater die Geschicke des Weinguts Fritz Haag anvertraut – Weltruhm verpflichtet. Eine seiner großen Lagen ist die Brauneberger Juffer Sonnenuhr.

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wei Brüder, zwei sehr begabte Brüder, und ein Erbe. Ein Konflikt, so alt wie die Mensch­ heit. »Wenn alles reibungslos gelaufen wäre«, setzt ­Thomas Haag nach, ohne den leisesten bitteren Unterton, »dann wäre das auch nicht normal. So ist es der steinigere Weg geworden, und die Konstel­ lation ist auch nicht immer einfach. Aber immer­ hin wurden 2004, als der Vater in Rente ging, die Weinberge gesplittet. Nicht ganz halbe-halbe, aber doch so, dass ich mit zwei Terroirs spielen kann, mit Brauneberg und Lieser.« Sprechen wir über Wein. Die gängige Meinung sagt: Thomas Haag steht, anders als sein Bruder, für Spontangärung. Bei diesem Thema scheint er ganz in seinem Element: »Ja. Ich hänge an der Spontan­ gärung. Ich gehe gern selbst in den Weinberg« – Haag strahlt nun regelrecht vor Freude – »und wir machen da so viel – das würde ich mit Reinzucht­ hefen alles glatt und uniform machen. Aber die Spontis haben Ecken und Kanten«.

so, als erzähle er eine Geschichte, die mehr oder Zurück nach Brauneberg und zu Oliver Haag. wenig zufällig seine eigene ist – ohne Selbst­ Ich frage ihn, wie er seinen Weinstil definiert. »Die darstellung zu betreiben oder gar zu einem restsüßen Weine mache ich fast genau so, wie mein Lamento anzuheben. Inzwischen ist die Espresso­ Vater sie gemacht hat. Bei den trocknen und fein­ maschine betriebsbereit und ­Thomas Haag setzt herben verändere ich den Stil hin zu etwas gehalt­ sich mit zwei vollen Tassen zu mir an den rusti­ volleren Typen.« kalen Holztisch. Was hat sich überhaupt verändert seit 2005, Über meine Frage, wie hoch die Investitionen seit er den elterlichen Betrieb führt? Diesmal ist es gewesen seien, denkt er lange nach. Fast glaube ­Oliver Haag, der sehr lange nachdenkt. Dann fallen ich, hinter seiner Stirn und seinen freundlich ihm doch noch einige Veränderungen ein. Und die

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sind beileibe nicht nebensächlich: »­Früher h ­ atten wir neun Hektar, jetzt sind es sieb­zehn­einhalb.« Mit dem Wachstum geht eine Umstellung des Erziehungs­ systems in den Weinbergen einher: Der traditionelle Stickelbau mit Doppel­bogen weicht mehr und mehr den modernen und besser mechanisier­baren Anlagen am Draht­rahmen. »Es gibt einfach nicht mehr genug Leute für die auf­wendige Handarbeit.«

s­ tehen«, so Oliver Haag. Und er erinnert sich mit Schaudern an jenen Moment vor einigen Jahren, als sich ein bekannter Weinkritiker vor den HaagBrüdern aufbaute und ihnen die Frage stellte: »Wer ist denn nun der bessere von beiden?« Die Brüder berichten unabhängig von­ein­ander, dass sie sich im Lauf des Arbeitsjahres nur ­selten im Weinberg begegnen. Jeder arbeite für sich. Aber man treffe sich hin und wieder zuhause bei einer ngesichts dieser Wachstumszahlen fällt mir Flasche Wein. Vor allem an Weih­nachten ­würden wieder ein, was Wilhelm Haag früher am traditionell immer einige Flaschen geleert. Nein, Abend über seine Söhne gesagt hat: »Oliver ist der nicht einige: viele. ­Oliver Haag sagt: »Und unsere

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offensivere von beiden, Thomas der ruhigere.« ­ liver Haag selbst meint: »Der Thomas kommt O mehr nach der Mutter, ich nach dem Vater.« Und ­Thomas Haag über sich und seinen Bruder: »Wir sind ja beide Geisenheimer. Aber da ist noch nie­ mand als großer Winzer rausgegangen, wenn er nicht von Kindheit an die richtigen Arbeitsschritte und das Finden der Balance gelernt hat.« Er spricht vom »Vorleben« (durch die Eltern), und vom »Auf­ nehmen« (durch die Kinder). »Unser Vater hat die Benchmark gesetzt und jahrzehntelang großes Kino geboten«. Oliver Haag betont: »Man kann das allerdings kaum vergleichen – die großen Zeiten unseres Vaters und das, was wir heute tun.« Beide Brüder sind sich aber einig, dass Finger­ spitzengefühl nur schwer erlernbar sei und dass sie sich auf das vom Vater ererbte Talent stützen ­können. Unabhängig voneinander nennen sie als Attribute des Haag-Stils: »elegant, fein, filigran« (Oliver), »komplex, filigran, mit Spiel« (Thomas). Oliver Haag sagt: »Das Leben ist ja zu kurz, um sich zu streiten. Der Vater hat das schon r­ ichtig gemacht.« Thomas Haag verwendet im Lauf des Gesprächs immer wieder, auffällig oft und in ver­ schiedenen Zusammenhängen – auch in s­ olchen, die gar nicht direkt mit seiner Betriebsgründung zu tun haben, – das Wort »Unabhängigkeit«. »Wir machen beide Wein auf höchstem Niveau und authentisch. Aber ich mag es trotzdem gar nicht, in der Öffentlichkeit neben ­Thomas zu

Frauen, sowohl meine Frau Jessica, als auch T ­ homas’ Frau Ute, ­klagen beide über den Ehrgeiz, den wir in unsere Betriebe investieren.«

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ilhelm Haag, der alte Fuchs, hat im Lauf ­seines Winzerlebens ein präzises Gespür dafür ent­wickelt, was geht, was funktioniert, was passt. Beim Wein ganz bestimmt. Und wohl auch in Familien­angelegen­heiten. Ein Idyll? Nein, ein Idyll hat er so nicht geschaffen. Aber das ist wohl auch kaum zu erwarten, wenn es um so viel geht. Doch dass auf der einen Seite die Enttäuschung

So selbstbewusst entspannt sieht Thomas Haag auf seine Leistung. Das Weingut Schloss Lieser ist sein Eigentum, seine Weine zählen zu den Spitzenqualitäten der Mosel. Seine Weine kommen aus den Lagen Lieser Niederberg und Brauneberger Juffer Sonnenuhr.

über das Verwehrte ausgesprochen w ­ erden darf, und dass auf der anderen auch ein klein wenig Beschämung über das zugebilligte Privileg erkenn­ bar wird, dass man sich also auseinandersetzen darf bei den Haags und dann trotzdem immer wieder die Gemeinsamkeit über einigen guten ­Flaschen hoch leben lässt, das zeigt am Ende, dass die Söhne nicht nur begabt, sondern auch ver­ständig sind, der Vater weise ist, und dass die Frauen einen g­ rößeren Beitrag leisten, als auf den ersten Blick ersicht­ lich ist. Was könnte man ­Rühmenderes über eine ­Familie sagen?  >

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Auch im hampagner formuliert sich die oesie

Dom P Mit gutem Grund präsentierte Dom Pérignon seinen Rosé 2002 an der Nahtstelle zwischen Orient und Okzident Von Ingeborg Harms Fotos Marc Volk

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er Dom Pérignon Rosé Champagner hat vielleicht keine lange, dafür aber eine um so glänzendere Geschichte. 1959

wurde der allererste Rosé Vintage des traditionsreichen Champagnerhauses in Flaschen gefüllt, und zwölf Jahre ­später gingen dreihundertsechs Flaschen an eine einzige Adresse, wo man sie postwendend konsumierte: Dem 1959er Rosé war die Ehre zuteil geworden, beim Galadiner aus Anlass der Zweitausendfünfhundertjahrfeier des Persischen ­Reiches eine

Hauptrolle zu spielen. Sechshundert Gäste, Adelshäupter, Staatsführer und Würdenträger aus Ost und West, waren am 14. ­Oktober 1971 in die historische Wüstenstadt Persepolis geladen, um ein Fest zu feiern, dessen Vorbereitung mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch genommen hatte. Die Gästezahl war laufend erweitert worden, denn die diplomatischen Dienste überschlugen sich in der Meldung

hochstehender Persönlichkeiten, denen an einer Einladung lag. Zahllose Bäume, Blumen- und Staudengewächse waren für die Anlage

eines Oasengartens importiert und fünfzig luxuriöse Zelte in Anlehnung an die ursprüngliche Persepolis-­Architektur sternförmig arran­

giert worden, um die Ehrengäste angemessen zu beherbergen, einschließlich Telefon- und Telexanschluss. Als be­sondere Geste hatte

man in den Zelten Teppiche mit den eingewebten Porträts der Geladenen aufgehängt. Lanvin hatte die Galauniformen des Kaiser­ lichen Hofstaats geliefert und Mercedes Benz zweihundertfünfzig Limousinen mit hellen Ledersitzen, in denen die Teil­nehmer vom

Flughafen nach Persepolis kutschiert wurden. Die eigens erbaute fünfzig Kilometer lange Autobahn wurde von zweitausend giganti­ schen Leuchtfeuern erhellt, befeuert mit jenem Öl, das Reza Schah Pahlavi seinen sagenhaften Reichtum erst beschert hatte.

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Märchenhafte Kulisse: Das alte Istanbul entfaltet seinen orientalischen Glanz als Schauplatz einer besonderen Inszenierung. In der Hauptrolle: Der Champagne Dom Pérignon Rosé 2002.

der Welt

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m unliebige Überraschungen zu ver­meiden, war der Wüstensand rund um die Zelt­ stadt systematisch von Schlangen, Skorpionen und anderem Ungeziefer befreit worden. Dem Schutz der Gäste widmete sich die iranische Armee. Sechs Monate lang waren Maschinen der Luftwaffe zwischen Paris und Shiraz im Akkord geflogen, um italienische Drapagen, Porthault-­ Leinentischdecken, Limoges-Porzellan, BaccaratKristall, ein ex­klusives Robert-Haviland-Service und fünf­tausend F ­ laschen besten Wein herbei­ zuschaffen, ganz zu schweigen von den Extra­ vaganzen des Menüs, das vom Maxim’s, dem Pari­ ser Lieblingsrestaurant des Schahs, kulinarisch betreut wurde. Die ersten Rosé-Flaschen wurden zum Toast geöffnet, den ein Amuse-Gueule von Wachtel­eiern und Kaviar begleitete. Zum Dessert, einem glasierten Oporto-Ring frischer Feigen mit Sahne nebst Himbeer-­Champagner-­Sorbet, knall­ ten die übrigen Korken. Besonders bemerkenswert an dieser Party des Jahrhunderts war die alle politischen und kultu­ rellen Gegensätze überbrückende Gästeliste. Das englische, holländische, dänische und spanische Königshaus sowie Vertreter des Vatikans und zahl­ reicher Nationen diesseits und jenseits des A ­ tlantiks waren ebenso zugegen wie der König von Jorda­ nien, der Sultan von Oman, die Emire von Kuwait und Bahrein, die Herrscherpaare Nepals, Burmas

und Malaysias, Prinzen aus Thailand, Japan und Afghanistan, die Präsidenten ­Indiens, der Philip­ pinen, Pakistans und Koreas. China schickte einen hohen Volksvertreter, und selbst der greise äthio­ pische Kaiser Haile Selassie gab sich in Begleitung seines mit einem Diamanthalsband geschmückten Schoßhunds die Ehre. Reza Schah Pahlavi war sich der Bedeutung dieser historischen Versammlung sehr bewusst. In einer Rede, die er vor den Gästen am Grabmal des persischen Staatsgründers Cyrus des Großen hielt, machte er sich nicht nur den Gedanken Hegels zu eigen, dass die Geschichte der Humanität in P ­ ersien begonnen habe, auch er selbst bekannte sich zu den Ideen der Aufklärung. Bei seiner Tischrede zur Eröffnung des Galadiners sprach er die ­Hoffnung aus, jeder möge nach Kräften danach streben, »die Welt in einen Ort der Liebe, des F ­ riedens und der wechselseitigen Zusammen­arbeit zu verwandeln. In eine Welt, in der jeder die Gaben von Wissen­ schaft und Zivilisation ­genießen kann«. Obwohl der Schah zur Feier des Jubiläums dreitausend­ zweihundert iranische Schulen gründen ließ, ist seine Persepolis-Vision bis heute Utopie geblieben.

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as Haus Dom Pérignon hat nun an dieses kühne Datum angeknüpft und das Comingout eines weiteren herausragenden Champagners, des 2002er Rosé, an die Pforte zum Orient verlegt.

Am Tag des Heiligen Vinzenz, eines der etlichen Winzer-Patrone, kamen Journalisten aus aller Welt nach Istanbul, um sich für zwei Tage den Reizen dieser turbulenten Metropole am Ende der Seiden­ straße zu überlassen. Zum Abschluss fand in den Ruinen des türkischen Esma-Sultan-Palasts ein Bankett statt, bei dem der Jahrgangsrosé im Mittel­ punkt stand. Doch schon am Morgen hatte man Gelegenheit, sich im Stillen mit ihm bekannt zu machen. In separaten Alkoven des Çigaran-Palasts, der früheren Sultansresidenz, die heute ein Luxus­ hotel beherbergt, wurde den Gästen ein Glas des Dom Pérignon Rosé 2002 kredenzt. Und während der Blick durch große Fenster auf die rege Schiff­ fahrt des Bosporus fiel und über die Anhöhen des asiatischen Ufers streifte, prägte sich die Cuvée aus sechzig Prozent Pinot Noir und vierzig Pro­ zent Chardonnay unvergesslich ein.

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chon ihr kräftiges Gold-Orange belebt die Phantasie. Eine Farbe, die wie ein Edelstein fun­ kelt, wie die Lichter am nächtlichen Bos­porus pul­ siert und wie der Sonnenball an einem Sommer­ abend glüht. Frech und geheimnisvoll, fast ein wenig ­frivol, so stellt sich der Jahrgang optisch vor. Auf der Zunge überwältigt er mit seiner reich moussie­ renden Fruchtigkeit, die an Feigen, rote Johannis­ beeren und auch an Mokka erinnert. D ­ ieser Cham­ pagner tritt muskulös, fast über­mütig auf, Bouquet

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Zauberhafte Momente: Zur Begrüßung wurde den Gästen ein erstes Glas Dom Pérignon Rosé 2002 kredenzt, das erlesene Werk von Chef de Cave Richard Geoffroy. Nach dem Bankett berauschte sich das Publikum in den traumhaft illuminierten Ruinen des Esma-Sultan-Palastes an den mysteriösen Trance-Tänzen der Derwische.

und Nachhall sind von moderner Sinnlichkeit, dezentriert, hypnotisierend, doch nicht überwäl­ tigend, zugleich leidenschaftlich und streng, über­ schwänglich und reserviert.

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ichard Geoffroy, der Kellermeister von Dom Pérignon, schwärmt vom einzig­artigen Klima des Jahrgangs 2002, einem ­trocknen und ­warmen Frühling mit perfekter Blüte, einem feuchten ­Sommer und überraschend sonnigen Septem­ ber. Die Kunst des Kellermeisters bestand darin, die explodierende Reife der ­Trauben durch aus­ reichende Säurebeigabe zu suspendieren. Das Ergebnis ist eine für Dom Pérignon typische Tiefe und Dichte der Geschmacksinformationen bei gleichzeitiger Verhaltenheit, ein flirrender

Keiner hat diese ureuropäische Sehnsucht nach den dionysischen Feldern des Orients so wach und differenziert formuliert wie Hölderlin. Sein ­ganzes Werk ist dem beglückenden Gegenspiel von westlich-apollinischem Geist und orientalischer Mythenfülle gewidmet, von europäischer Nüch­ ternheit und dionysischem Rausch, Philosophen­ witz und den weitreichenden Ahnungen östlicher Weisheitstraditionen. »Es reiche aber«, heißt es in »Krise des Geistes« 1919 auf den Abgrund hin, seiner Hymne »Andenken«, die er am äußersten an den Europa gelangt war. Sofern es sich nicht Ende Europas, an den »Traubenbergen« von Bor­ auf seine ureigen­sten Qualitäten besinnen würde, deaux konzipierte, »des dunkeln Lichtes voll, mir drohe ihm derselbe Untergang wie einst Perse­ einer den duftenden Becher, damit ich ruhen möge; polis und Susa. Zu den europäischen Qualitäten denn süß wär unter Schatten der Schlummer.« zählte er »hungrige Aktivität, eine so glühende wie selbstlose ­Neugier, eine glückliche Mischung von er die Dichter ernst nimmt, muss das Ein­bildungs­kraft und Verstandesstrenge, einen auch mit dem Wein tun. Denn nicht nur gesunden Skeptizismus und von Resignation freien in ­Worten und Sentenzen, auch in den Dingen Mystizismus«: Charakter­züge, die sich fried­fertig formuliert sich die Poesie der Welt. Den Dom behauptet haben und »einen kleinen Ausläufer des ­Pérignon Rosé 1959 nannte Richard Geoffroy asiatischen Kontinents zur Perle der Sphären, zum einen Wende­punkt: »Das ist ein seltener, hervorra­ Gehirn eines gigantischen Körpers« machten. Der gender, mythischer Jahrgang. Kraftvoll und ­sonnig, Schah von Persien hatte in seinem Toast 1971 an die sein Licht wird Dom-Pérignon-­Schöpfungen für europäische Mission der Aufklärung erinnert, die immer inspirieren.« Der Kellermeister bekannte ­ erden, für den ganzen asiatischen Raum von Bedeutung sich zu der Pflicht, diesem Erbe gerecht zu w

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Schwebe­zustand, der konkurrierende Eindruck von war. Zugleich hatte das 20. Jahr­hundert bereits »die G ­ renzen weiter auszudehnen und R ­ isiken Weisheit und Adoleszenz. Und es ist gerade diese gezeigt, dass die Verabsolutierung der euro­päischen auf sich zu nehmen, um einen Rosé zu kreie­ Transzendenzempfindung, in der das stärkste Argu­ Intelligenz in zerstörerischen Techni­zismus mün­ ren, der so provo­kativ wie möglich ist«. Mit dem ment für die ­Istanbuler Taufe dieses Jahrgangs liegt. dete. Es bedurfte zur Steuerung der Erde eben auch Rosé­champagner 2002 hat Dom Pérignon dem Allerdings bedarf es eines Schritts zurück in die jener Gegenenergie, die Valéry als den ­Körper Kanon perlender Kunstwerke ein weiteres hinzu­ Geistesgeschichte, um die geradezu philosophi­ ­Asiens umschrieb, der zu Intuitionen sedimen­ gefügt und auch den Radius seiner Interpretier­ schen Implikationen dieser Ortswahl zu w ­ ürdigen: tierten Erfahrung, des sinnlichen Reichtums, der barkeit beherzt skizziert. Im dunklen Licht dieser Unter dem unmittelbaren Eindruck der Ver­ traditio­nellen Beharrungskräfte, all ­dessen, was modernster Kellertechnik zu verdankenden Schöp­ wüstungen des Ersten Weltkriegs wies der fran­ euro­päischen Mystagogen Jahr­hunderte lang ihre fung an der Pforte von Okzident und Orient trium­ zösische Dichter Paul Valéry in seinem Essay zur Geistesnahrung gegeben hatte. phiert das Mysterium des sinnlich Paradoxen.  > 38

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31. März ist jeweils der letztmögliche Zeitpunkt für die Destillation. Dennoch präsentierte sich der junge Brand, dank einzelner Hefe-­Schwebeteilchen nicht ganz wasserklar, überraschenderweise fast schon genießbar. In der Nase zeigten sich, obwohl er keinerlei Berührung mit Holz gehabt hatte, deutliche Vanille-Töne, ansonsten ausgeprägte Anis-Aromen, Leder und florale Noten von Jasmin und Weinblüten. Das Ganze komplex und weich, überhaupt nicht aggressiv, weder in der Nase noch auf der Zunge, obwohl auch der Alkohol eindeutig hervorschmeckte. Fast noch deutlicher wurde das, als die Probe mit Wasser gemischt wurde. Und es ergab sich ein weiterer, sofort sichtbarer Effekt: Die Fettsäure-Ethylester, typisch für die meisten Eauxde-Vie aus den Anbaugebieten Grande und Petite Champagne mit ihren der Champagne ähnlichen Kreideböden, lösen sich in Wasser nicht so gut wie in Äthylalkohol, weshalb die Flüssigkeit trüb und ein wenig blau wird; es entstehen ­Schlieren, ein Pastis-Effekt im Kleinen.

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as Cognac-Haus Rémy Martin, nach ­Hennessy die Nummer Zwei der Branche, das mit der normalen Herkunftsbezeichnung AOC ­Cognac unzufrieden war, bevorzugt seit 1928, als dies rechtlich möglich wurde, den engeren Begriff AOC ­Cognac Fine Champagne; dafür muss min­ destens die Hälfte der verwendeten Eaux-deVie aus diesen beiden kleinsten Anbaugebieten ­stammen, die für fruchtiger geprägte Endprodukte sorgen. Denn dem legendären Firmenchef André ­Renaud ging es um Fruchtigkeit; sie ist die Seele der feinen Spirituosen von Rémy Martin. Nicht im Sinne einer üppigen Primärfrucht wie beim ­jungen Wein. Das wäre nach der für die Appellation ­Cognac obligatorischen doppelten Destillation und der jahrelangen Alterung in Eichenholzfässern gar nicht möglich. Pierrette Trichet, Keller­meisterin des Hauses und in Cognac eine Legende, betont bei all ihren Cognacs fruchtige, florale Noten mehr als holzgeprägte Aromen. Duftigkeit, Finesse ­stehen im Vordergrund, nicht Power. Für keinen Cognac des Hauses gilt das mehr als für den »Coeur de Cognac«, Pierrette ­Trichets Neuschöpfung von 2007, die auf dem deutschen Markt in kürzester Zeit ein so großer Erfolg Von Michael Freitag Fotos Christof Herdt ge­worden ist, dass alle anderen Cognac-Häuser etwas Ähnliches anstreben. Und weil dieser neue s gibt gute Gründe dafür, die Spirituose in aller Welt lechzen; während der Destillation Trend so unwiderstehlich ist, veränderte Madame ­Cognac erst nach einer Alterungszeit von ist all dies aber nur von sehr erfahrenen Brenn­ ­Trichet anschließend auch den Rémy Martin VSOP ­mindestens zwei Jahren auf den Markt zu bringen. meistern zu erahnen. (Very Superior Old Pale), das traditionelle Flagg­ Das hat man im Mündungsgebiet der C ­ harente Doch bei Rémy Martin geht vieles, was bei ande­ schiff des Hauses auf subtile Weise. Der Inhalt der rund um die Stadt Cognac schon immer so gemacht, ren Cognac-Häusern unmöglich wäre. So durfte ich ­Flaschen, die für die europäischen Märkte bestimmt und mit Verordnungen aus den Jahren 1909, 1936 im Mai dieses Jahres ein Eau-de-Vie probieren, das sind, wandert nach der Assemblage noch einmal und 1983 hat der französische Staat das kodi­fiziert. erst wenige Tage zuvor destilliert worden war; der für ein Jahr in die rund fünf­hundert­fünfzig Liter Denn junge Branntweine, die frisch aus der Brenn­ blase, dem Alambic, geflossen sind, ­schmecken Das Spitzenprodukt des H ­ auses so hart und unfreundlich, dass man das Verkos­ Rémy Martin, der Louis XIII ten nur ­Profis zumuten kann, die Geld dafür Grande Champagne Cognac, be­kommen und nicht auf der Suche nach Genuss ist eine Hommage an den fran­ sind. Die Lagerung in kleinen Eichenfässern ver­ zösischen König des 17. Jahr­ leiht den ursprünglich wasserklaren Bränden, den hunderts. Die Lagerung in Eaux-de-Vie, Farbe, und dank der natürlichen kleinen Eichen­fässern verleiht ­Oxidations- und Autolyse-Prozesse entwickelt sich allen Cognacs des Hauses ihre ein ganzer Strauß von Aromen und jene gaumen­ Farbe, ihre Weich­heit und ihre schmeichelnde Weichheit, nach der die Gourmets unvergleichlichen Aromen.

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Das Wichtigste ist seine Seele

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Foto: Peter Schulte f端r Tre Torri

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großen Alterungsfässer, die für Cognac typischen ­ ierçons, um noch einen Hauch mehr an Raffinesse T und Weichheit zu gewinnen. »Mature Cask Finish« nennt das Haus diese Variante. F ­ lorale Noten t­ reten hier deutlicher hervor als beim gewohnten Blend, der jetzt »VSOP Premier Cru« heißt und für die Vereinigten ­Staaten und Asien bestimmt ist. Nach der Alterungsphase, die für die jüngsten Eaux-deVie im VSOP mindestens zwölf Jahre gedauert hat, werden all jene Branntweine, die für diesen Cognac bestimmt sind, in großen, drei­hundert­ sechzig Hekto­liter fassenden Assemblage-­Fässern zusammengeführt und anschließend abgefüllt. Die Unterschiede zwischen den beiden VSOPs sind subtil, aber auch für Laien zu erschmecken.

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im stattlichen Château de Fontpinot geerbt hatte, ­bildete die Grundlage für diese Investition. ­Frapin war sein Vorbild: In den dortigen ­Kellern hatte André Renauds Schwiegervater große Bestände an uralten Eaux-de-Vie als Investition für die Zukunft gehortet. Frapin Père hatte sich auch nicht auf Liefe­rungen von Traubenerzeugern verlassen, sondern zusätzlich einen umfangreichen eige­ nen Weinbergsbesitz zusammengetragen. Genau das verordnete André Renaud auch seiner Neu­ erwerbung Rémy Martin. Fünfzehn Jahre später erwarb er die Domäne Rémy Martin in Touzac nicht nur als standes­ gemäßen Alterssitz, sondern als lebendiges Wein­ gut und zentrale Lagerstätte für die sorgsam selektierten Tierçons für das Spitzenprodukt des Hauses, das urspünglich so umständlich und für Nicht­franzosen fast unaussprechlich hieß: Fine ­Champagne Cognac – très vieille – âge inconnû. Als Hommage an den französischen König ­Ludwig XIII., der die Region Cognac aus steuer­ lichen ­Gründen unter besonderen gesetzlichen Schutz stellte, wurde er 1894 umbenannt in Rémy ­Martin Louis XIII Grande Champagne. Immer wieder kommt es vor, dass sich der kost­ bare Inhalt eines Tierçons beim Reifeprozess so

Die ganze Bandbreite des Sortiments präsentiert sich im Keller der Maison Rémy Martin in Cognac: vom Fine de Champagne, mit dessen neuer Aufmachung ein jüngeres Publikum angesprochen wird, bis zur absoluten Krönung der Kollektion, der Rare Cask Edition des Louis XIII, eine Kostbarkeit, die es nur in sehr

ie gesetzliche Vorgabe, nach der die jüngs­ ten Bestandteile eines VSOP mindestens vier Jahre Alterung im Holzfass absolviert haben ­müssen, wird von beiden VSOPs um mindestens das Doppelte übertroffen. Einen VS (Very Special, mit einem gesetzlichen Mindestalter des jüngsten Bestandteils von zwei Jahren), das bei den meisten Herstellern in Cognac wichtigste Produkt, bietet Rémy Martin gar nicht mehr an. Für den in der alten Welt verkauften VSOP »Mature Cask Finish« gibt es nichts Wichtigeres als Finesse, jenseits des großen Teichs liegt ein ­kleiner

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Akzent zusätzlich auch auf Maskulinität und Kraft. Dazu passt die grüne, gefrostet wirkende RémyMartin-Flasche, an die wir uns gewöhnt haben, seit sie 1972 eingeführt wurde. Dem europäischen VSOP steht allerdings die neue klare, farblose ­Flasche besser. Die Entscheidung, die grüne Flasche aufzu­ geben, ist den Verantwortlichen bei Rémy ­Martin nicht leichtgefallen. Mit dem Erscheinungsbild des Hauptprodukts spielt man nicht herum. Aber ein gutes Jahr später sind alle Befürchtungen ge­wichen. Denn die Gründe für die Neuausrichtung sind unverändert gültig und werden jeden Tag ­wichtiger. Cognac wird, das wissen Markt­forscher ganz genau, bisher überwiegend als männliches Produkt wahr­ genommen, noch dazu als eines für nicht mehr ganz junge Männer. Und da es keinem Produkt gut tun kann, für mehr als die Hälfte der Konsumenten keine große Rolle zu spielen, war ein Neustart wichtig. Der war gründlich, wie wir gesehen haben, weil nicht nur Ausstattung und Erscheinungs­bild verändert wurden, sondern auch in die Herstel­ lung eingegriffen wurde – nicht brutal, vielmehr mit zarter Hand. Und weil die von André Renaud vorgegebene Strategie beibehalten wurde, konnte Rémy ­Martin

wenigen Jahren und in sehr kleiner Auflage gibt.

nach einigen schwachen Jahren 2012 glänzende Zahlen vorlegen. Der kluge und visionäre Chef des Hauses, dessen Name firmenintern noch heute nie anders als ehrfurchtsvoll erwähnt wird, hatte 1920 das kurz vor der Pleite stehende Haus Rémy ­Martin, das 1724 gegründet worden war, erworben und bis zu seinem Tod im Jahr 1965 geleitet. Das Ver­mögen seiner Frau, die das Cognac-Haus Frapin

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individuell gebärdet, dass Pierrette Trichet es ein­ fach nicht übers Herz bringt, ihn mit den anderen Bränden zu mischen. Seit einigen Jahren gibt es dann limitierte Sondereditionen des Louis XIII: So erschien im Jahr 2000 die Rare-Cask-­Edition No. 1 von siebenhundertachtunddreißig Flaschen mit einem Alkoholgehalt vom 43,8 Prozent, die den legendären Black Pearl ablöste; die Rare-CaskEdition No. 2 aus dem Jahr 2009 umfasste sieben­ hundertsechsundachtzig Flaschen mit 42,6 Pro­ zent Alkohol und wurde 2013 in Udaipur/Indien präsentiert, mit einem Stopfen, der durch einen ­Diamanten in Cognac-Farbe veredelt wurde. Eine Edition No. 3 gibt es nicht, werde es vielleicht nie geben, bekennt Pierrette Trichet. Bis zu 18 000 Euro werden auf Auktionen für solche Sonder­ editionen erzielt. Die Eaux-de-Vie, die diesen Preziosen als Grundlage dienen, wurden zu Beginn des 20. Jahr­ hunderts gebrannt und stammen sämtlich aus der Grande Champagne. Auch heute werden beste Brände als Investition für die Zukunft des Louis XIII zurückgelegt. Genießen werden ihn die Connai­sseure von morgen. Wenn der Ertrag ­frühes­tens den Enkeln und Urenkeln zugute kommt, dann ist das für einen weitblickenden Kaufmann aus Cognac eben so.  >


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Narciso Rodriguez Der Mann, der die Frauen beschenkt Von Susanne Kaloff

Als Carolyn Bessette am 21. September 1996 die hölzernen Stufen der kleinen

ist wie manch anderer. Er macht Kleidung fürs wahre Leben, die auch nach Jahren noch mit aufrechter Haltung getragen Baptisten-Kirche in Georgia hinabschreitet, küsst ihr John F. Kennedy Junior werden kann. Wenn man das seidene, schmale Hochzeits­ die Hand. Sie sieht dabei nicht nur sehr glücklich, sondern auch hinreißend aus. kleid von Carolyn Bessette heute, fast zwanzig Jahre später, betrachtet, wirkt es immer noch modern. Ihr Auftritt löste Was zweifels­ohne auch an ihrem Brautkleid liegt, das Busenfreund und Designer eine große Welle genau dieses Kleiderstils aus. Rodriguez hat ­Narciso ­Rodriguez für sie entwarf. Die beiden verband bis zu ihrem frühen und tra­ ein Gespür für zeitgemäße Looks, die zugleich zeitlos sind. »Ich inter­pretiere Klassisches gern auf moderne Art.« Der gischen Tod im Jahr 1999 eine enge Freundschaft. Die kühle Blonde war seine Muse. Genius seines Labels ist clean, sinnlich, modern und weib­ lich. Diese ­Ästhetik wohnt allem inne, was er entwirft – ob arciso Rodriguez ist das Gegenteil von kühl und blond: Kleidung, Schuhe oder Düfte. Gerade feierte er das zehn­ Der 1961 in New Jersey geborene Amerikaner hat jährige Jubiläum seines ­ersten Parfüms »Narciso Rodriguez kubanische Wurzeln. Nach Abschluss seines Studiums an For Her.« Ein ungewöhnlicher, geheimnisvoller und elegan­ der ­Parsons School of Design in New York 1982 arbeitet er ter Duft – die Basisnote aus Moschus, mit floralen Holz- und freiberuflich als Assistent bei Anne Klein unter der Leitung von Donna Karan. Später assistiert er Calvin Klein, lernt viel vom Meister des Purismus und des pragmatischen New York Looks – und begegnet Carolyn Bessette. Man kann über ihn nachlesen, sein Markenzeichen sei »europäischer Luxus und ein Hauch südländische Sinnlichkeit«. Was immer das auf Kleidung übertragen bedeuten mag, fest steht, dass er nicht der Typ Designer ist, der Klamauk-Mode macht. Wodurch sich vielleicht auch erklärt, dass sein Name nicht ganz so geläufig

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Fotos: Narciso Rodriguez

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ta st e rheingau goes frankfurt

Als PRE OPENING zum 18. Rheingau Gourmet und Wein Festival findet eine spektakuläre GOURMET-PARTY in der Main-Metropole Frankfurt am

Montag, 20. Januar 2014 um 19 Uhr im prachtvollen Saal des Gesellschaftshauses im Palmengarten statt. — 16 Sterne-/Spitzenköche kochen live — 22 Top-Weingüter aus dem Rheingau mit Riesling und Spätburgunder — Live-Band 158 Euro Pauschalpreis 198 Euro Pauschalpreis inkl. Übernachtung im Hotel Hilton oder Maritim (pro Person im Doppelzimmer)

Foto: Guido Bittner für Tre Torri

Tickets und Informationen: www.rheingau-gourmet-festival.de info@kronenschloesschen.de

Mit fr eund li cher u nterst üt zung von :


In seinem New Yorker Atelier arbeitet Narciso Rodriguez an seinen zeitlos-modernen Ent­ würfen. Ob es sich um elegante Kleider, erlesene Hand­taschen, edle Schuhe oder betörende Düfte handelt – seine Hand­schrift ist unverkennbar: starke Kontraste, klare Schnitte, strenge Formen.

Amber-Aromen –, von dem der Designer selbst sagt: »­Dieser Duft ist ein Geschenk an alle Frauen, ein ganz persönliches Geschenk von mir an sie.« Der Flakon ist schwarz, eine ­seiner Lieblingsfarben.

Kreationen sind klar geschnitten und beweisen, dass e­ chter Luxus auch »simple and clean« sein kann. 1997 entsteht die Marke Narciso Rodriguez. Drei Jahre später entwirft er seine erste, sehr erfolgreiche, Schuhkollektion und bringt sein e­ rstes Parfüm auf den Markt, quasi die olfak­torische Verlängerung eben Schwarz verwendet er Weiß und Grau, keine seiner Kollektion. Bis heute verkauft sich »Narciso ­Rodriguez Knallfarben (falsch, es gab auch viel Orange und Knall­ For Her« überaus gut, man kann von einem ­Klassiker ­sprechen. rot in einer seiner letzten Ready-to-Wear-Kollektionen!). Der dazu passende Herrenduft folgte 2007. Im selben Jahr Also hauptsächlich Töne, die man eher in der Architektur ver­ gewann er für »Narciso Rodriguez For Her« den Deutschen mutet als auf dem Laufsteg. Und tatsächlich sind seine zum Parfumpreis bei den »Duftstars«, nur eine von zahlreichen Teil skulpturalen Entwürfe von Baumeistern wie dem deutsch- Auszeichnungen. Narciso Rodriguez stellt nicht, wie manch amerikanischen Ludwig Mies van der Rohe inspiriert, von andere Designer, nur seinen Namen für den Flakon zu Ver­ dem auch sein Lieblingszitat stammt: »God is in the detail«. fügung, sondern hat von der Idee, ein Parfüm zu kreieren, 1995 wird er als Designdirektor von Cerruti nach Paris bis zur Umsetzung und Flakongestaltung, intensiv daran geholt und verleiht den Damenkollektionen Esprit. mitgearbeitet. Von 1997 bis 2001 arbeitet er als künstlerischer Modeleiter Seit 2001 konzentriert sich der Designer darauf, im beim spanischen Lederwarenhersteller Loewe, dem Narciso ­eigenen Namen zu arbeiten. Manche Kreationen sind bewusst Rodriguez internationales Ansehen verschaffen will. Seine sexy, haben aber immer Klasse. Seine Kleider erinnern an die distan­zierte Erotik von Alfred Hitchcocks Heldinnen: »Ich kleide Frauen ein, die Qualität zu schätzen wissen und auf Details achten.« Frauen, die wissen, wer sie sind – für ­Rodgriguez eine der wichtigsten Eigenschaften, wenn es um Ausstrahlung geht. Neben Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Intelligenz und Attitude. All dies hat auch die amerikanische Präsidentengattin, die neben Salma Hayek, Angelina Jolie, Sarah Jessica Parker und Kate Winslet zu seinen treuen Fans gehört: In der Wahlnacht im November 2008 trug Michelle Obama ein Kleid von Narciso Rodriguez.

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nvergessen bleibt ihm Carolyn Bessette: »Sie hatte ein seltenes Charisma, das sich aus ihrer außergewöhn­lichen Schönheit, ihrer Intelligenz und ihrer Wärme zusammen­ setzte. Sie wusste, wer sie war, und nahm sich selbst nie zu ernst, ihr Stil war unangestrengt.« Manchen Frauen sei das angeboren, andere entwickelten es mit der Zeit, wenn sie sich wohlfühlen als die, die sie sind, und das zelebrieren. »Es geht nicht darum, was man trägt, sondern wie man es trägt. Zu aller­ erst aber muss die Frau sich selbst tragen.«  >

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P ER FEK T ION Hinter dem Geheimnis dieses Erfolgs steckt das von Generation zu Generation weitergetragene Wissen innerhalb der Familie Fillioux. Ihre stolzen Mitglieder sind bereits in der achten Generation als Kellermeister und Masterblender für die Maison tätig. Mit seinem unendlichen Erfahrungsschatz zur Auswahl der besten Trauben, dem Reifeprozess in alten Eichenfässern und der Assemblage von Eaux-de-Vie beeinflusst Yann Fillioux die Geschicke von Hennessy maßgeblich. Ganz entgegen unserer schnelllebigen Gesellschaft hat der Faktor Zeit hier einen ganz anderen Stellenwert. Der Cognac gibt den Takt vor, und der ist langsam und verlangt Geduld. Nicht umsonst nennt man das Cognac-Gebiet im Südwesten Frankreichs, dort, wo die Gironde in den Atlantik mündet, das „Land der Stille und Beschaulichkeit“. Diese berühmte Region mit ihren kalk- und kreidehaltigen Böden ist die ideale Gegend, um so unverwechselbare, großartige Branntweine hervorzubringen. Ein zarter Bernsteinton mit

seidigen Goldreflexen offenbart allein beim Anblick die Einzigartigkeit des Hennessy Fine de Cognac. Er überzeugt als ein einzigartiger Blend, komponiert aus 60 Eaux-de-Vie, der die Frucht in seiner ganzen Reinheit verkörpert und dessen vielschichtiges Aromenspiel sich in einer Veredelung entfaltet, ohne den wahren Ursprung zu überziehen oder gar zu verfälschen. Vier bis zehn Jahre lang in französischen Eichenholzfässern des zweiten oder dritten Eau-de-Vie gereift, entwickelt dieser Blend einen ganz besonders frischen und authentischen Charakter – der Einfluss der Holzaromen bleibt begrenzt. Vielmehr besticht der Hennessy Fine de Cognac durch seine harmonische Eleganz mit floralen Noten von Zitrusfrüchten sowie fruchtigen Akzenten von frischer Mango, weißen Früchten und Trauben. Genießen Sie dieses Meisterwerk des Hennessy Master Blenders pur oder auf Eis, auch für Longdrinks und Cocktails eignet sich dieser Cognac hervorragend.

www.massvoll-geniessen.de

www.hennessy.com


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